Konstruktiv Beilage Zum Bref Magazin Theologisches Aus Bern N° 42 / 2018
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konstruktiv Beilage zum bref Magazin Theologisches aus Bern N° 42 / 2018 Ja! Mut zur Krise: Karl Barth 1919–2019 Inhalt Editorial «Warum Karl Barths Theologie ihre beste Zeit noch vor 3 Zu zweit im Gebirge sich hat» – dafür hat Ralf Frisch in seinem gerade im tvz Karl Barths Freundschaft mit Eduard Thurneysen Matthias Zeindler erschienenen Buch «Alles gut» überzeugende Gründe angebracht und dabei einmal mehr die unverbrauchte Ak- 5 «Da, nehmt, ergreifet, habet!» – Wie tönen Barths Safenwiler Predigten heute? tualität der Theologie Barths unter Beweis gestellt. Und David Plüss diese trifft nicht nur auf die ebenso kühne wie Gelassen- heit schenkende Grosserzählung der vielbändigen Kirch- 7 Mut zur Theologie – Karl Barths «eiserne Rationen» im Konfirmandenunterricht lichen Dogmatik zu, sondern gilt ebenso für die geradezu Stefanie Lorenzen expressionistischen Römerbrief-Kommentare Barths aus den Jahren 1919 und 1922. 8 «Don’t be a maybe» – oder: Karl Barth, der Raucher Matthias Käser-Braun Eruptiv brach die eigenwillige, gegen die Not des Predigt- amtes und die vollends angesichts des Ersten Weltkriegs 10 «Ich wünsche diese Zeit herbei …» – nicht mehr zu verbergende Krise von Theologie und Kirche Karl Barth und das Frauenstimmrecht Ruth Hess angehende, verwegene neue Sicht auf den Römerbrief des Apostel Paulus in die Wüste des ersten Nachkriegsjahres 12 Karl Barths «Entdeckerfreude» und der Glaube ein. Gemeinsam mit dem Tambacher Vortrag Der Christ in Benjamin Schliesser der Gesellschaft machte sie ihren Autor weit über die Gren- 14 Die christliche Gemeinde soll kein «stummer Hund» sein! zen der Schweiz bekannt, provozierte Wellen heftiger Be- Karl Barth und die Diakonie zwischen Kirche und Staat geisterung und scharfen Widerspruchs und katapultierte Christoph Sigrist den aargauischen Pfarrer auf eine Honorarprofessur für 15 Die Entzweiung zwischen Leonhard Ragaz und Karl Barth – Reformierte Theologie in Göttingen. Ertrag und Kosten der Krise Anlässlich 100 Jahre Römerbrief I haben Kirchen in Martin Sallmann Deutschland und der Schweiz für 2019 das Karl Barth-Jahr 17 Karl Barth und der Neoliberalismus «Gott trifft Mensch» ausgerufen. Die Berner Theologische Luca Di Blasi Fakultät läutet es mit diesem konstruktiv-Heft ein – über- 18 Gott ist Gott – zeugt davon, dass die so steil und schroff, apodiktisch und oder: die Wiederentdeckung der Alterität Gottes polemisch anmutende frühe Dialektische Theologie des Magdalene L. Frettlöh Störenfrieds Karl Barth auch heute mit ihrem antibürgerli- 20 Karl Barth beim Denken zusehen chen Impetus kräftig aus der Ruhe zu bringen vermag. Ein Werkstattbericht zur Annotation und Kommentierung Wir danken allen, die mit ihren Beiträgen Einblicke in die von Barths Einführung in die evangelische Theologie bewegten Safenwiler Jahre Barths (und darüber hinaus) Dominik von Allmen-Mäder gegeben haben. Dr. Peter Zocher vom Karl Barth-Archiv 21 Neues aus der Fakultät verdanken wir mehr als nur die Bildvorlagen und Ab- 24 Buchpublikationen druckrechte. Möge das diesjährige konstruktiv-Heft seinen Leser_in- nen das eine oder andere herzhafte Lachen entlocken und sie zu eigenen Barth-Lektüren verlocken. Bedienen Sie sich dabei doch der Barth’schen props, die dazu einladen, die Welt auch mal durch Barths Brille wahrzunehmen oder konstruktiv Beilage zum bref Magazin, sich einen Bart(h) zuzulegen, der an den Gegebenheiten Pfingstweidstrasse 10, 8005 Zürich, Telefon 044 299 33 21. kratzt. Dass das freilich nicht ohne rauchende Köpfe (und Redaktion Magdalene L. Frettlöh & Matthias Käser-Braun. Pfeifen) geht, einem allemal der Kragen platzen kann, um Gestaltung Matthias Käser-Braun. Barth'sche Intermezzi Luana S. Hauenstein & Manuel Zimmermann. dann doch wieder den Hut zu ziehen, werden aufmerksa- Produktion Reformierte Medien Zürich. me Leser_innen rasch in Erfahrung bringen. Druck Jordi AG, Aemmenmattstrasse 22, 3123 Belp. Herausgeberin Theologische Fakultät der Universität Bern. Matthias Käser-Braun & Magdalene L. Frettlöh 2 konstruktiv Beilage zum bref Magazin Zu zweit im Gebirge Karl Barths Freundschaft mit Eduard Thurneysen Dr. Matthias Zeindler, Titularprofessor für Dogmatik (Institut für Systematische Theologie) Die Theologie des «frühen» Barth ist ohne die Die vielen Gespräche sind weit mehr als blosse Kirche weiterverwendet. So lässt Barth den Freundschaft mit Eduard Thurneysen nicht Geselligkeit, sie sind Ausdruck eines geteilten Kollegen am 27. Juli 1915 wissen: «Am letzten denkbar. Im September 1921, kurz vor seinem Unbehagens, einer gemeinsamen Ratlosigkeit. Sonntag habe ich deine Predigt noch einmal Umzug nach Göttingen, schreibt er an Thur- Die Aufgabe, nun wöchentlich den Menschen gehalten, aber ein wenig anders und lange neysen: «[G]anz abgesehen davon, dass ich oh- das Evangelium zu verkündigen, führt den nicht so schön» (67). Weiter lädt man sich ein, ne dich wahrscheinlich heute noch missmutig beiden jungen Pfarrern deutlich vor Augen, in der Gemeinde des Anderen Versammlun- bei Schleiermacher oder auch im Sozialismus dass die theologischen Grundlagen, die ihnen gen und Bibelstunden zu halten. Und immer drin steckte». Und weiter: «[D]enn du siehst von ihren verehrten akademischen Lehrern mehr werden sowohl Barth als auch Thurney- nach wie vor irgendwie weiter als ich, bist ir- vermittelt worden sind, nicht mehr tragen. sen zu Vorträgen und Aufsätzen eingeladen, gendwie der ‹Andere› in mir, dem ‹Nächsten› Gleichzeitig fühlen sie sich aber weit davon die wiederum im engen Austausch entstehen. [sic!], auf den es eigentlich ankommt» (520). entfernt, über einen besseren Weg zu verfü- Barth weiss um seinen heftigen, manchmal Deutlicher hat Barth selten ausgedrückt, was gen. «Woher soll die notwendige neue Orien- polemischen und apodiktischen Charakter. er einem einzelnen Menschen verdankt. tierung kommen?» (10) Man muss sich die La- Und er bewundert deshalb an seinem Freund Entsprechend niedergeschlagen klingen die ge von Barth und Thurneysen als eigentliche dessen umsichtige und verständigungsorien- zwei, als die enge Gemeinschaft durch Stellen- Nullpunkt-Situation vorstellen. Nicht selten tierte Art: «Wie traurig macht es mich oft, dass wechsel beider an ihr Ende kommt. Als Thurn- wird das Predigen zur tiefen Not, Barth spricht gerade das, was du so fein kannst, das Einge- eysen 1919 eine neue Pfarrstelle in St. Gallen einmal von einer «apriorischen Unmöglich- hen auf die Leute, das Alle ganz Ernstnehmen antritt, schreibt er schon bald: «Ich seufze viel keit» desselben (247). Mehr als einmal seufzt und mit ihnen Tragen, bei mir so ausgeschlos- nach Dir – warum müssen wir auch so weit Thurneysen, das Pfarrersein sei ein «grund- sen scheint» (269). Öfter kommt es vor, dass er auseinanderliegen!» (396) Und schon vorher, sätzlich verfehlter Beruf» (90). Und es fällt das Thurneysen bittet, unter einen Antwortbrief als er von der Wahl des Freundes gelesen hat, Wort von der «Wüstenwanderung», auf der noch etwas «Hornbrillig-Umsichtiges» (397) gesteht Barth, dass er «eigentlich nur betrübt» man sich befinde (315). zu schreiben, damit auf der Gegenseite Ver- sei, «wie bei einer Beerdigung, wo man immer stimmung vermieden werden könne. denkt, es könne gar nicht sein» (346). Als Barth Fruchtbare Produktionsgemeinschaft 1917 treten Barth und Thurneysen mit ei- seine Göttinger Professur antritt und sich die Es bleibt freilich nicht beim Seufzen und Kla- nem gemeinsamen Predigtband an die Öffent- räumliche Distanz nochmals vergrössert, no- gen in den Studierstuben der Leutwiler und lichkeit: «Suchet Gott, so werdet ihr leben!» tiert schliesslich Thurneysen: «Ich komme mir Safenwiler Pfarrhäuser. Bald einmal entwi- Darin verzichten die beiden Pfarrer bewusst ganz verlassen und abgekappt vor. Dein Schritt ckelt sich eine beträchtliche gemeinsame Pro- auf die Angabe, von wem welche Predigt führt auch mich ins Dunkle, macht mich ein- duktion. Predigten und Unterrichtslektionen stammt. Die «Doppelautorschaft», so Thurney- sam und unsicher» (487). werden ausgetauscht und öfter in der eigenen sen, ist «Zeichen unsrer Verbundenheit» (255). Gemeinsam erlittene Predigtnot Die beiden jungen Theologen kannten sich bereits als Studenten, eine Freundschaft ent- stand aber erst, als sie in nahegelegenen Kirchgemeinden im Aargau ihre ersten Pfarr- stellen innehatten. Nachdem Barth am 1. Juni 1913 von Safenwil nach Leutwil zu Thurney- sens Amtseinsetzung gewandert war, ent- stand sehr schnell ein reges Hin und Her von Besuchen und häufigen Briefen. Beide hatten Photo: Karl Barth-Archiv, Basel. weder Telefon noch Auto, also verfügte man sich entweder zu Fuss oder per Velo ins Pfarr- haus des Anderen. Der Briefwechsel zwi- schen beiden umfasste zuletzt rund 1000 Briefe, diejenigen aus der Pfarramtszeit (1913–1921) sind greifbar im ersten von drei Bänden in der Barth-Gesamtausgabe. Zu Brie- fen und Treffen – mit oder ohne Ehefrauen – kamen regelmässige Predigtbesuche, Unter- richtsvertretungen, Reisen zu Tagungen und gemeinsame Ferien. Alles in allem eine Ge- sprächsgemeinschaft von einer seltenen In- tensität. konstruktiv Beilage zum bref Magazin 3 Und Barth kommentiert den Entscheid so: stützer, als Mit-Ausleger und unermüdlicher sie dialogisch, nicht monologisch» (Bohren, «Unsere Kampf- und Arbeitsgemeinschaft Gesprächspartner. 85) entstand. Er generalisiert seine Beobach- wird umso stärker wirken, als wir sie durch Als Barth 1920 eine Überarbeitung des «Rö- tung zur These: «Das Gespräch ist der Geburts- sich selber wirken lassen» (253). merbriefs» an die Hand nimmt, wird ihm ort aller Theologie» (Bohren, 77). Es lohnt sich,