Germania“ Auf Dem Niederwald
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Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 19 Rosemarie Mispagel DAMPFERPARADEN UND EHRENJUNGFRAUEN DIE MAINZER BEITRÄGE ZU DEN FEIERLICHEKEITEN ANLÄSSLICH VON 1 GRUNDSTEINLEGUNG UND EINWEIHUNG DER „GERMANIA“ AUF DEM NIEDERWALD I. Historischer Hintergrund Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71, aus dem die deutschen Truppen siegreich hervorgingen, führte in der Folge zur Konstituierung des neuen deutschen Kaiserreiches mit dem ehemaligen preußischen König als Kaiser Wilhelm I. an der Spitze. Wenngleich nach außen die Einheit der Nation de- monstriert wurde, mußte die innere Einigung der verschiedenen Völker des Reiches erst wachsen. In diesem Kontext kam dem Bestreben, die histori- schen Ereignisse von 1870/71 im Bewußtsein der Bevölkerung wachzuhal- ten, besondere Bedeutung zu.2 Nach dem Ende des Krieges entstanden zahlreiche regionale Denkmäler zur Erinnerung an die Krieger und die Gefal- lenen.3 Der militärische Sieg über Frankreich fand von offizieller Seite Aus- druck in der Berliner Siegessäule. Diese war bereits 1864 auf Initiative König Wilhelms I. von Preußen als Denkmal anläßlich des siegreichen Feldzuges gegen Dänemark konzipiert und der Grundstein 1865 gelegt worden.4 Bevor jedoch die Baumaßnahmen begannen, fanden 1866 die „glorreichen“ Kämpfe gegen Österreich und dessen Verbündete statt. Dies sollte in die Bedeutung der Siegessäule einbezogen werden und ist in der zweiten Grundsteinle- gungsurkunde von 1869 dokumentiert. Eine erneute programmatische Erwei- terung erfuhr das Projekt 1871. Die dritte, dem Grundstein hinzugefügte Ur- kunde enthielt die Schilderung von Ursache und Wirkung des Deutsch- Französischen Konfliktes. Nunmehr dem Gedenken dreier Kriege sowie der Proklamation des Kaiserreiches gewidmet, konnte das 1864 initiierte Sieges- 1 Der Beitrag entstand im Rahmen der Übung „Arbeit mit Archivalien II“ im Sommersemester 2003. 2 Vgl. Erbar, Ralph: Das Niederwalddenkmal in Rüdesheim. In: Denk-mal! Denkmäler im Un- terricht. Bd. 1: Allgemeine Denkmäler. Hrsg. Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz. Bad Kreuznach 1997 (= PZ-Information 4/97). S. 160. 3 Vgl. J. Goellner: Das National-Denkmal der Germania auf dem Niederwald. In: Erinnerungs- Blatt an die Feier der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald am 28. Sep- tember 1883. Zweite Ausgabe der „Allgemeinen Festzeitung“, S. 2. 4 Vgl. Alings, Reinhard: Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denk- mal – zum Verhältnis von Nation und Staat im deutschen Kaiserreich 1871-1918. Berlin / New York 1996 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, 4), S. 267. 20 Niederwalddenkmal denkmal 1873 enthüllt und 1876 eingeweiht werden.5 Finanziert wurde das Bauwerk aus Mitteln des Staatshaushaltes.6 Dagegen war aus bürgerlichen Kreisen nach dem Ende des Krieges 1870/71 der Ruf nach einem nationalen Denkmal zu vernehmen, das die Ei- nigung des Reiches versinnbildlichen und verherrlichen sollte. Ein Friedens- denkmal sollte die deutsche Einheit, begründet durch das neue Kaiserreich, widerspiegeln und die nationale Verbundenheit des Volkes symbolisieren.7 Dieser Gedanke konnte in der Errichtung des Niederwalddenkmals oberhalb von Rüdesheim am Rhein realisiert werden. Kaiser Wilhelm I. persönlich bil- ligte den Standort bei seinem Besuch am 22.5.1874 auf dem Niederwald.8 Im Jahre 1877 fand die Grundsteinlegung und 1883 die feierliche Einweihung des Monuments statt.9 II. Literatur über das Niederwalddenkmal Über das Niederwalddenkmal erschienen bereits während der Erbauung und nach der Fertigstellung zahlreiche Veröffentlichungen in Büchern, Heften und Zeitschriften.10 Eine ausführliche Monographie verfaßte Otto Sartorius, der in die Planung und Ausführung des Projektes involviert war.11 Heinrich Hane- mann widmete in der 1933 herausgegebenen Broschüre „50 Jahre National- denkmal auf dem Niederwald“ besonders den Aktivitäten der Stadt Rüdes- heim während der Entstehungsphase und den Feierlichkeiten zur Einweihung breiten Raum.12 Zum 90. Geburtstag der „Germania“ publizierte Rudolf En- gelhardt 1973 die Schrift „Das Niederwald-Denkmal“, in der er außer der Ge- schichte des Denkmals auch die Historie des Niederwaldes sowie den Atten- tatsversuch am Einweihungstag mit einbezog.13 Die Entstehung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald ist Untersu- chungsgegenstand der 1973 von der Universität Heidelberg als Dissertation angenommenen Arbeit des Kunsthistorikers Lutz Tittel.14 Sein Werk betrach- 5 Vgl. R. Alings 1996, S. 157-159. 6 Vgl. R. Alings 1996, S. 267. 7 Vgl. J. Goellner 1883, S. 2. 8 Vgl. Sartorius, Otto: Das National=Denkmal auf dem Niederwald. Geschichte und Beschrei- bung desselben. Bingen am Rhein 1888, S. 15. 9 Vgl. R. Alings 1996, S. 171-174. 10 Literaturliste bei Tittel, Lutz: Das Niederwalddenkmal 1871-1883. Hildesheim 1979, S. 151- 160. 11 O. Sartorius1888. 12 Hanemann, Heinrich: 50 Jahre Nationaldenkmal. Erinnerungen an die Errichtung des Natio- naldenkmals auf dem Niederwald. Rüdesheim am Rhein 1933. 13 Engelhardt, Rudolf: Das Niederwald-Denkmal. Bingen am Rhein 1973. Anarchistische Kreise planten am Tag der Einweihungsfeierlichkeiten ein Attentat auf den Kaiser. Vgl. hierzu R. Engelhardt 1973, S. 67-100. 14 L. Tittel 1979. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 21 tete er im Kontext der umfassenderen Geschichte der Monumentaldenkmäler in Deutschland, die eine sorgfältige Aufarbeitung der einzelnen Denkmäler voraussetzt. Ausführlich berücksichtigte er die Finanzierung und die an der Ausführung beteiligten Personen und -gruppen, um Erkenntnisse über die öffentliche Funktion des Niederwalddenkmals zu gewinnen.15 Er wertete als archivalische Quelle die Bestände Abt. 1034 (Nachlaß Sartorius), Abt. 3011 und Abt. 405 des Hessischen Hauptstaatsarchives Wiesbaden sowie den Nachlaß des Polizeirathes Höhn in der Hessischen Landesbibliothek Wies- baden, zwei Foliobände, Signatur Gg 7404, 2°, aus.16 Der Bestand 70/162 des Mainzer Stadtarchives, Grundlage vorliegender Arbeit, fand im Werk von L. Tittel keine Berücksichtigung. Diese Akten, wel- che die festliche Umrahmung der Grundsteinlegung und der Einweihung durch eine von Mainz organisierte Dampferparade auf dem Rhein betreffen, blieben bislang weitgehend unbearbeitet. III. Erste Planungen des Denkmals Nach zeitgenössischer Darstellung wurde in Münster während eines Festes- sens am 22.3.1871 zu Ehren des Geburtstages von Kaiser Wilhelm I. die Denkmalsidee geboren und der Beschluß zur Gründung eines Komitees ge- faßt. Da sich bei einer späteren Beratung jedoch nicht genügend Teilnehmer zusammenfanden, sollte die Anregung in der Presse bekannt gemacht wer- den. Aufgrund eines Berichtes in der „Kölnischen Zeitung“ sei der Gedanke in Bonn aufgegriffen worden.17 Nachdem sich ein dortiges Komitee konstituiert hatte, beendeten die Münsteraner Initiatoren ihren Einsatz.18 Die große Anzahl von Vorschlägen über Gestaltung und Standort bele- gen das Interesse an dem geplanten Nationaldenkmal. Gedenksäulen und -hallen, Turmdenkmäler und ähnliche Bauwerke sowie Germania-Standbilder wurden angeregt.19 Als mögliche Bauplätze tauchten herausragende Stätten der jüngsten Kriegsgeschichte in der Pfalz, an Nahe und Saar sowie Orte am Rhein, beispielsweise der Drachenfels oder die Loreley, in der Diskussion auf.20 Der Rhein, nun nicht mehr Grenze, sondern der „deutsche Rhein“, wur- de jedoch als Standort favorisiert. Mit dem Lied „Die Wacht am Rhein“ waren 15 L. Tittel 1979, S. 1. 16 L. Tittel 1979, S. 148-150. 17 Vgl. O. Sartorius 1888, S. 2. 18 L. Tittel 1979, S. 4. 19 L. Tittel 1979, S. 3 f. u. S. 42. L. Tittel geht davon aus, daß zur gleichen Zeit an verschiede- nen Orten Denkmalsvorschläge eingebracht wurden. 20 O. Sartorius 1888, S. 2. 22 Niederwalddenkmal die Soldaten in den Krieg gezogen, was zur Popularität des Stromes bei- trug.21 Ein am 13.4.1871 im „Rheinische[n] Kurier“, Wiesbaden, erschienener Artikel des Schriftstellers Ferdinand Heyl brachte den Niederwald gegenüber der Nahe-Mündung als „einzig möglichen Standort“ ins Gespräch.22 Heyl be- gründete die Platzwahl u. a. mit der Nähe zum Eisenbahnknotenpunkt Bin- gerbrück, von dem aus die Soldaten an die deutsch-französische Front gezo- gen und an den die Verwundeten, die aus Frankreich ausgewiesenen Deut- schen und die Sieger zurückgekehrt waren. Er verwies auf die nahegelegene, historisch bedeutsame Pfalz Karls des Großen in Ingelheim, auf die Reisen- den aus allen Nationen, die den Niederwald besuchten. Eine Germania als „Wacht am Rhein“ konnte seiner Ansicht nach nur hier, am „eigentlichen Mit- telpunkt“ des Rheines, den ihr gemäßen Platz finden.23 Bild 1: Blick auf den Niederwald, noch ohne Denkmal, von Bingen aus. 21 L. Tittel 1979, S. 4. Der Text „Die Wacht am Rhein“ aus dem Jahr 1840 stammt von Max Schneckenburger, als Lied vertont wurde er 1854 von Karl Wilhelm. Siehe: L. Tittel 1979, Anm. 9. 22 Vgl. L. Tittel 1979, S. 4 u. Anm. 15; O. Sartorius 1888, S. 2f. 23 Heyl, Ferdinand: Rheinisches Erinnerungs=Denkmal an den letzten französischen Krieg. In: Rheinischer Kurier. Wiesbaden. 13.4.1871. 2. Nummer. Vollständig wiedergegeben in: O. Sartorius 1888, S. 3-7. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 23 Aufgrund dieser Veröffentlichung wandte sich der Rüdesheimer Landrat Fonck, nach Zustimmung durch den dortigen Gemeinderat, an den Regie- rungspräsidenten Botho Graf zu Eulenburg in Wiesbaden. Nachdem dieser sich der Zustimmung „allerhöchster Stellen“ zu dem Projekt, so Kaiser Wil- helms I. und Bismarck versichert hatte, lud er 34 Honoratioren der Umgebung nach Wiesbaden zu einer vorbereitenden Sitzung ein. Deren Beschluß zur Errichtung eines nationalen