Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 19

Rosemarie Mispagel

DAMPFERPARADEN UND EHRENJUNGFRAUEN DIE MAINZER BEITRÄGE ZU DEN FEIERLICHEKEITEN ANLÄSSLICH VON 1 GRUNDSTEINLEGUNG UND EINWEIHUNG DER „GERMANIA“ AUF DEM NIEDERWALD

I. Historischer Hintergrund

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71, aus dem die deutschen Truppen siegreich hervorgingen, führte in der Folge zur Konstituierung des neuen deutschen Kaiserreiches mit dem ehemaligen preußischen König als Kaiser Wilhelm I. an der Spitze. Wenngleich nach außen die Einheit der Nation de- monstriert wurde, mußte die innere Einigung der verschiedenen Völker des Reiches erst wachsen. In diesem Kontext kam dem Bestreben, die histori- schen Ereignisse von 1870/71 im Bewußtsein der Bevölkerung wachzuhal- ten, besondere Bedeutung zu.2 Nach dem Ende des Krieges entstanden zahlreiche regionale Denkmäler zur Erinnerung an die Krieger und die Gefal- lenen.3 Der militärische Sieg über Frankreich fand von offizieller Seite Aus- druck in der Berliner Siegessäule. Diese war bereits 1864 auf Initiative König Wilhelms I. von Preußen als Denkmal anläßlich des siegreichen Feldzuges gegen Dänemark konzipiert und der Grundstein 1865 gelegt worden.4 Bevor jedoch die Baumaßnahmen begannen, fanden 1866 die „glorreichen“ Kämpfe gegen Österreich und dessen Verbündete statt. Dies sollte in die Bedeutung der Siegessäule einbezogen werden und ist in der zweiten Grundsteinle- gungsurkunde von 1869 dokumentiert. Eine erneute programmatische Erwei- terung erfuhr das Projekt 1871. Die dritte, dem Grundstein hinzugefügte Ur- kunde enthielt die Schilderung von Ursache und Wirkung des Deutsch- Französischen Konfliktes. Nunmehr dem Gedenken dreier Kriege sowie der Proklamation des Kaiserreiches gewidmet, konnte das 1864 initiierte Sieges-

1 Der Beitrag entstand im Rahmen der Übung „Arbeit mit Archivalien II“ im Sommersemester 2003. 2 Vgl. Erbar, Ralph: Das Niederwalddenkmal in Rüdesheim. In: Denk-mal! Denkmäler im Un- terricht. Bd. 1: Allgemeine Denkmäler. Hrsg. Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz. Bad Kreuznach 1997 (= PZ-Information 4/97). S. 160. 3 Vgl. J. Goellner: Das National-Denkmal der Germania auf dem Niederwald. In: Erinnerungs- Blatt an die Feier der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald am 28. Sep- tember 1883. Zweite Ausgabe der „Allgemeinen Festzeitung“, S. 2. 4 Vgl. Alings, Reinhard: Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denk- mal – zum Verhältnis von Nation und Staat im deutschen Kaiserreich 1871-1918. Berlin / New York 1996 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, 4), S. 267. 20 Niederwalddenkmal denkmal 1873 enthüllt und 1876 eingeweiht werden.5 Finanziert wurde das Bauwerk aus Mitteln des Staatshaushaltes.6 Dagegen war aus bürgerlichen Kreisen nach dem Ende des Krieges 1870/71 der Ruf nach einem nationalen Denkmal zu vernehmen, das die Ei- nigung des Reiches versinnbildlichen und verherrlichen sollte. Ein Friedens- denkmal sollte die deutsche Einheit, begründet durch das neue Kaiserreich, widerspiegeln und die nationale Verbundenheit des Volkes symbolisieren.7 Dieser Gedanke konnte in der Errichtung des Niederwalddenkmals oberhalb von Rüdesheim am Rhein realisiert werden. Kaiser Wilhelm I. persönlich bil- ligte den Standort bei seinem Besuch am 22.5.1874 auf dem Niederwald.8 Im Jahre 1877 fand die Grundsteinlegung und 1883 die feierliche Einweihung des Monuments statt.9

II. Literatur über das Niederwalddenkmal

Über das Niederwalddenkmal erschienen bereits während der Erbauung und nach der Fertigstellung zahlreiche Veröffentlichungen in Büchern, Heften und Zeitschriften.10 Eine ausführliche Monographie verfaßte Otto Sartorius, der in die Planung und Ausführung des Projektes involviert war.11 Heinrich Hane- mann widmete in der 1933 herausgegebenen Broschüre „50 Jahre National- denkmal auf dem Niederwald“ besonders den Aktivitäten der Stadt Rüdes- heim während der Entstehungsphase und den Feierlichkeiten zur Einweihung breiten Raum.12 Zum 90. Geburtstag der „Germania“ publizierte Rudolf En- gelhardt 1973 die Schrift „Das Niederwald-Denkmal“, in der er außer der Ge- schichte des Denkmals auch die Historie des Niederwaldes sowie den Atten- tatsversuch am Einweihungstag mit einbezog.13 Die Entstehung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald ist Untersu- chungsgegenstand der 1973 von der Universität Heidelberg als Dissertation angenommenen Arbeit des Kunsthistorikers Lutz Tittel.14 Sein Werk betrach-

5 Vgl. R. Alings 1996, S. 157-159. 6 Vgl. R. Alings 1996, S. 267. 7 Vgl. J. Goellner 1883, S. 2. 8 Vgl. Sartorius, Otto: Das National=Denkmal auf dem Niederwald. Geschichte und Beschrei- bung desselben. 1888, S. 15. 9 Vgl. R. Alings 1996, S. 171-174. 10 Literaturliste bei Tittel, Lutz: Das Niederwalddenkmal 1871-1883. Hildesheim 1979, S. 151- 160. 11 O. Sartorius1888. 12 Hanemann, Heinrich: 50 Jahre Nationaldenkmal. Erinnerungen an die Errichtung des Natio- naldenkmals auf dem Niederwald. Rüdesheim am Rhein 1933. 13 Engelhardt, Rudolf: Das Niederwald-Denkmal. Bingen am Rhein 1973. Anarchistische Kreise planten am Tag der Einweihungsfeierlichkeiten ein Attentat auf den Kaiser. Vgl. hierzu R. Engelhardt 1973, S. 67-100. 14 L. Tittel 1979. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 21 tete er im Kontext der umfassenderen Geschichte der Monumentaldenkmäler in Deutschland, die eine sorgfältige Aufarbeitung der einzelnen Denkmäler voraussetzt. Ausführlich berücksichtigte er die Finanzierung und die an der Ausführung beteiligten Personen und -gruppen, um Erkenntnisse über die öffentliche Funktion des Niederwalddenkmals zu gewinnen.15 Er wertete als archivalische Quelle die Bestände Abt. 1034 (Nachlaß Sartorius), Abt. 3011 und Abt. 405 des Hessischen Hauptstaatsarchives Wiesbaden sowie den Nachlaß des Polizeirathes Höhn in der Hessischen Landesbibliothek Wies- baden, zwei Foliobände, Signatur Gg 7404, 2°, aus.16 Der Bestand 70/162 des Mainzer Stadtarchives, Grundlage vorliegender Arbeit, fand im Werk von L. Tittel keine Berücksichtigung. Diese Akten, wel- che die festliche Umrahmung der Grundsteinlegung und der Einweihung durch eine von Mainz organisierte Dampferparade auf dem Rhein betreffen, blieben bislang weitgehend unbearbeitet.

III. Erste Planungen des Denkmals

Nach zeitgenössischer Darstellung wurde in Münster während eines Festes- sens am 22.3.1871 zu Ehren des Geburtstages von Kaiser Wilhelm I. die Denkmalsidee geboren und der Beschluß zur Gründung eines Komitees ge- faßt. Da sich bei einer späteren Beratung jedoch nicht genügend Teilnehmer zusammenfanden, sollte die Anregung in der Presse bekannt gemacht wer- den. Aufgrund eines Berichtes in der „Kölnischen Zeitung“ sei der Gedanke in Bonn aufgegriffen worden.17 Nachdem sich ein dortiges Komitee konstituiert hatte, beendeten die Münsteraner Initiatoren ihren Einsatz.18 Die große Anzahl von Vorschlägen über Gestaltung und Standort bele- gen das Interesse an dem geplanten Nationaldenkmal. Gedenksäulen und -hallen, Turmdenkmäler und ähnliche Bauwerke sowie Germania-Standbilder wurden angeregt.19 Als mögliche Bauplätze tauchten herausragende Stätten der jüngsten Kriegsgeschichte in der Pfalz, an Nahe und Saar sowie Orte am Rhein, beispielsweise der Drachenfels oder die Loreley, in der Diskussion auf.20 Der Rhein, nun nicht mehr Grenze, sondern der „deutsche Rhein“, wur- de jedoch als Standort favorisiert. Mit dem Lied „“ waren

15 L. Tittel 1979, S. 1. 16 L. Tittel 1979, S. 148-150. 17 Vgl. O. Sartorius 1888, S. 2. 18 L. Tittel 1979, S. 4. 19 L. Tittel 1979, S. 3 f. u. S. 42. L. Tittel geht davon aus, daß zur gleichen Zeit an verschiede- nen Orten Denkmalsvorschläge eingebracht wurden. 20 O. Sartorius 1888, S. 2. 22 Niederwalddenkmal die Soldaten in den Krieg gezogen, was zur Popularität des Stromes bei- trug.21 Ein am 13.4.1871 im „Rheinische[n] Kurier“, Wiesbaden, erschienener Artikel des Schriftstellers Ferdinand Heyl brachte den Niederwald gegenüber der Nahe-Mündung als „einzig möglichen Standort“ ins Gespräch.22 Heyl be- gründete die Platzwahl u. a. mit der Nähe zum Eisenbahnknotenpunkt Bin- gerbrück, von dem aus die Soldaten an die deutsch-französische Front gezo- gen und an den die Verwundeten, die aus Frankreich ausgewiesenen Deut- schen und die Sieger zurückgekehrt waren. Er verwies auf die nahegelegene, historisch bedeutsame Pfalz Karls des Großen in Ingelheim, auf die Reisen- den aus allen Nationen, die den Niederwald besuchten. Eine Germania als „Wacht am Rhein“ konnte seiner Ansicht nach nur hier, am „eigentlichen Mit- telpunkt“ des Rheines, den ihr gemäßen Platz finden.23

Bild 1: Blick auf den Niederwald, noch ohne Denkmal, von Bingen aus.

21 L. Tittel 1979, S. 4. Der Text „Die Wacht am Rhein“ aus dem Jahr 1840 stammt von Max Schneckenburger, als Lied vertont wurde er 1854 von Karl Wilhelm. Siehe: L. Tittel 1979, Anm. 9. 22 Vgl. L. Tittel 1979, S. 4 u. Anm. 15; O. Sartorius 1888, S. 2f. 23 Heyl, Ferdinand: Rheinisches Erinnerungs=Denkmal an den letzten französischen Krieg. In: Rheinischer Kurier. Wiesbaden. 13.4.1871. 2. Nummer. Vollständig wiedergegeben in: O. Sartorius 1888, S. 3-7. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 23

Aufgrund dieser Veröffentlichung wandte sich der Rüdesheimer Landrat Fonck, nach Zustimmung durch den dortigen Gemeinderat, an den Regie- rungspräsidenten Botho Graf zu Eulenburg in Wiesbaden. Nachdem dieser sich der Zustimmung „allerhöchster Stellen“ zu dem Projekt, so Kaiser Wil- helms I. und Bismarck versichert hatte, lud er 34 Honoratioren der Umgebung nach Wiesbaden zu einer vorbereitenden Sitzung ein. Deren Beschluß zur Errichtung eines nationalen Denkmals auf dem Niederwald machte die Grün- dung eines großen Komitees in Berlin mit Mitgliedern aus ganz Deutschland nötig, das die Sammlungsaufrufe und Ausschreibungen verfassen sollte.24 Dieses Komitee, gegründet am 16.11.1871, genehmigte die in Wiesbaden erarbeiteten Vorschläge. In den geschäftsführenden Ausschuß zur Errichtung des Niederwalddenkmals, dem die Ausführung oblag und der dem Berliner Komitee gegenüber verantwortlich zeichnete, wurden Graf zu Eulenburg als Vorsitzender, Regierungsrat Otto Sartorius als Schriftführer (später zweiter Vorsitzender) und die Wiesbadener Sitzungsteilnehmer als Ausschußmitglie- der gewählt.25 Die erste Ausschreibung zur Denkmalsausführung erfolgte im Februar 1872. Nach drei Wettbewerben fiel im April 1874 die Entscheidung zugunsten des Dresdner Bildhauers Johannes Schilling.26 Die auf den 16.9.1877 festge- setzte Grundsteinlegung sollte von Kaiser Wilhelm I. vollzogen werden. Die Gestaltung des Festtages war vom geschäftsführenden Ausschuß als natio- nale Feier geplant. Um den Anschein eines nur preußischen Festes zu ver- meiden, bezog man das „gegenüberliegende hessische Gebiet“ mit ein.27 Da- durch kam es zur Beteiligung von Mainz, damals zum Großherzogtum Hes- sen gehörend, an der Umrahmung des Festgeschehens. Die Einweihung des Nationaldenkmals am 28.9.1883 sollte ein großes Nationalfest28 werden, und die Vorbereitungen mit großem Aufwand dauerten über ein halbes Jahr. In der Umgebung konstituierten sich Festkomitees, so

24 L. Tittel 1979, S. 7. 25 Vgl. L. Tittel 1979, S. 8 u. S. 43-47. 26 Vgl. L. Tittel 1979, S. 9-18. 27 Vgl. Protokoll der 28. Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses am 29.6.1877 in Wies- baden. Akten des Hess. Hauptstaatsarchives Wiesbaden. Nachlaß Sartorius. 1034/1, f. 141, spez. f. 144. 28 Als Nationalfeste bezeichnete man bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert Feierlichkeiten, die an Vorgänge erinnerten, die für die gesamte Nation Bedeutung besaßen. Vgl. Schellack, Fritz: Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945. Frankfurt u.a. 1990 (= Europäi- sche Hochschulschriften. Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 415), S. 7. Die- ter Düding weist darauf hin, daß die Einbeziehung der Teilnehmer in die gedanken- und ge- fühlsmäßige Ausrichtung auf die deutsche Nation einen wichtigen Festzweck darstellte. Vgl. Düding, Dieter: Politische Öffentlichkeit – politisches Fest – politische Kultur. In: Ders. / Frie- demann, Peter / Münch, Paul (Hrsg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg. Reinbek bei Hamburg 1997, S. 10-24, hier S. 18. 24 Niederwalddenkmal in Mainz, Wiesbaden, Bingen und Rüdesheim, zur Mitgestaltung des Tages. Das Mainzer Komitee plante und organisierte zur Feier eine Dampferparade29. Die regionale und überregionale Presse wurde eingeschaltet. Die Enthüllung des Denkmals in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I., des Kronprinzen, der deutschen Fürsten, der Generalität, Abordnungen von Militär, Kriegervereinen, Studenten und Gymnasiasten, Gesang- und Turnvereinen gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Zeremonie. Dem Duktus der Zeit gehorchend, formulierte ein Berichterstatter, die Festlichkeiten zur Einweihung des Nationaldenkmals hätten „die innige Harmonie zwischen Kaiser, Fürsten und Volk der ganzen Welt deutlich b ekundet“.30 IV. Die Mainzer Beteiligung an den Festlichkeiten zur Grundsteinlegung a. Der Bestand 70/162 im Stadtarchiv Mainz

Im Stadtarchiv Mainz hat sich in dem Aktenbestand 70 „Staatsoberhaupt“ un- ter „Nationalfeste, Statistik, Ortsbeschreibung“ ein Konvolut erhalten, das als „Bestand 70/162, Errichtung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald 1877-83“ geführt wird. Die Archivalie gelangte von der Großherzoglichen Verwaltung Darmstadt in das Stadtarchiv. Die Behörde, in der die Akten ent- standen, kann nicht mehr ermittelt werden.31 Die in den Unterlagen auftreten- den Personen konnten teilweise in Adreßbüchern der Stadt Mainz von 1878 und 1883 ausfindig gemacht werden, ebenso sind einige als Mitglieder der Großherzoglichen Bürgermeisterei sowie als Stadtverordnete zu identifizie- ren. So kann angenommen werden, daß die Akten aus der städtischen Ver- waltung stammen. Bei diesem Aktenbestand handelt es sich um den Schriftverkehr des Mainzer Festkomitees, u. a. mit dem geschäftsführenden Ausschuß in Wies- baden, um Kostenvoranschläge, Verhandlungen mit Mainzer Vereinen und auswärtigen Festkomitees, der „Köln-Düsseldorfer-Dampfschifffahrts-Gesell- schaft“32 und anderen Schiffahrts-Gesellschaften, um die Deputation der Mainzer Damen, geschäftliche Angebote verschiedener Firmen, Drucksa- chen, wie z. B. Zeitungsartikel, Fahr- und Rangordnung, Reihenfolge der Schiffe und um Dankschreiben an die Teilnehmer sowie Abrechnungen. Der überwiegende Teil der Anfragen ist an Carl Racké33, Direktor der Süddeut-

29 L. Tittel 1979, S. 25. 30 H. Minckwitz, Illustrirte Zeitung, Leipzig, Nr. 2102, 13. Oktober 1883, S. 315. 31 Mündliche Mitteilung von Herrn Jung, Stadtarchiv Mainz. 32 Zeitgenössische Schreibweise. 33 Carl Anton Racké, geb. 2.2.1825 in Mainz, gest. 12.5.1898 in Bodenheim, gehörte von 1862-1870 dem Mainzer Stadtrat an. Als zweiter Beigeordneter fungierte er von Januar 1871 bis zu seiner Wahl zum Bürgermeister Ende Mai 1871. Von diesem Amt trat er später aus persönlichen Gründen zurück und war danach lange Jahre als Direktor der Süddeutschen Immoblien AG tätig. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Mainzer Hauptfriedhof. Vgl.: Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 25 schen Immobilien Gesellschaft, als Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses des Mainzer Festkomitees gerichtet und wurde auch von ihm beantwortet.

Bild 2: Carl Anton Racké, Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses des Mainzer Festkomitees

Balzer, Wolfgang: Mainz. Persönlichkeiten der Stadtgeschichte. Bd. I. Mainz 1985. S. 340f. Ebenso Neubach, Helmut: Die Mainzer Bürgermeister und Oberbürgermeister von 1800 bis 1974. In: „Das Mainzer Rathaus“. Mainz 1974, S. 185-215, hier S. 195. 26 Niederwalddenkmal

Das Stadtarchiv Mainz behielt die Grobgliederung des Bestandes in elf Kate- gorien weitgehend bei. Innerhalb der einzelnen Bereiche sind die Akten nicht numeriert, sondern lediglich chronologisch geordnet. Insgesamt besteht die Akte aus rund 270 Positionen. An der Echtheit des Aktenbestandes besteht kein Zweifel. Ebenso kann eine nachträgliche Veränderung aufgrund des Ma- terialstudiums ausgeschlossen werden. Da es sich überwiegend um die Do- kumentation organisatorischer und verwaltungstechnischer Maßnahmen handelt, kann von einer objektiven Darstellung ausgegangen werden. Soweit die Unterlagen die Grundsteinlegung 1877 betreffen, sind sie nicht vollständig vorhanden. Aus Telegrammen34 und späterem Schriftverkehr35 ergibt sich, daß auch 1877 Verhandlungen geführt worden sein müssen. Die im Zusam- menhang mit der Denkmalsenthüllung 1883 angefallenen Akten dürften weit- gehend komplett in das Stadtarchiv gelangt sein. b. Die Dampferparade zur Grundsteinlegung am 16.9.187736

Aus dem ersten erhaltenen Schreiben vom 4.8.1877 von Theodor Dilthey aus Rüdesheim an Carl Racké geht hervor, daß die Absicht, eine Rheinfahrt zur Mitgestaltung der Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung zu veranstalten, von Mainz ausging.37 Zudem sollte der Mainzer Kriegerverein zur Festteilnahme aufgefordert werden. Theodor Dilthey, Mitglied des Rüdesheimer Festaus- schusses, noch ohne Antwort des Mainzer Kriegervereins38, bekräftigte im Brief an Racké (ohne Datum), daß die Teilnahme des Vereins schon wegen der Einladung an Seine Königliche Hoheit, den Großherzog von Hessen, sehr

34 Telegramm vom 12.9.1877 von Finmann (Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Nieder= und Mittel=Rhein) und vom 13.9.1877 von Leroy (Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrt Gesell- schaft). 35 Schreiben Carl Rackés vom 2.7.1883 an die Dampfschiffahrts-Gesellschaft Düsseldorf. 36 Im Bestand 70/162 des Stadtarchivs Mainz sind die Akten zur „Grundsteinlegung für das Nationaldenkmal auf dem Niederwald 1877“ unterteilt in „Briefe“ und „Abrechnung“. 37 Laut telefonischer Mitteilung von Herrn Göttert, Archivar der Stadt Rüdesheim, war Dilthey Weinhändler, von dem auch eine der beiden im Grundstein eingeschlossenen Flaschen Wein stammt. 38 Eine Einladung zur Teilnahme an der Grundsteinlegung erging am 20.8.1877 an den Main- zer Kriegerverein durch J. B. Travers, Präsident des „Rheingauer Krieger-Bundes“. Vor 1813 gab es in Deutschland keine Kriegervereine. Erst nach den Freiheitskriegen kam es in Preußen zu ersten Gründungen. Denkmäler, wie das Niederwalddenkmal, ermöglichten den Mitgliedern die Identifikation mit der militärisch-monarchischen Nationalidee. Während Mo- numente der 1870-1880er Jahre von Kontroversen zwischen Liberalismus und Konservatis- mus geprägt waren, reflektierten die seit 1890 erbauten Denkmäler die Unsicherheit der „staatstragenden“ Bevölkerungsschichten gegenüber der erstarkenden Sozialdemokratie. Vgl. H.-P. Zimmermann: „Der feste Wall gegen die rote Flut“. Kriegervereine in Schleswig- Holstein 1864-1914. Neumünster 1989 (= Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, 22), S. 64, 81 u. S. 569-571. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 27 erwünscht sei, zumal bisher 66 Vereine mit rund 2.400 Personen angemeldet seien, Mainz aber fehle. Das Schreiben des Wiesbadener Regierungsrates Otto Sartorius vom 29.8.1877 an Geheimrat Christian Lauteren, Mainz, gibt Auskunft über die Planung der Böllerschüsse anläßlich der Grundsteinlegung. Die Schüsse soll- ten vom Niederwald, von den umliegenden Höhen sowie von den vor Anker liegenden Rheinschiffen abgegeben werden und unmittelbar nach den obliga- torischen Hammerschlägen des Kaisers bei der Grundsteinlegung folgen. Die Teilnahme einer Mainzer Damen-Deputation wurde wegen zu kurz bemesse- ner Zeit abgelehnt, wie überhaupt Damen nicht eingeladen waren, sondern nur 200 Billets zu hohen Preisen auf einer Damen-Tribüne zur Verfügung standen. In einer Notiz auf dem Schreiben von Sartorius bevollmächtigte Christian Lauteren, Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses zur Errich- tung eines National-Denkmals, Carl Racké zu Verhandlungen mit den zu- ständigen Stadt- und Hafenbehörden. Über die Anmietung und Anmeldung der Schiffe sind außer zwei Depe- schen keine Akten vorhanden. Mit Telegramm vom 12.9.1877 aus Düsseldorf bestätigte Herr Finmann von der „Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Nie- der= und Mittel=Rhein“, daß das Salonboot „Friede“ die Festfahrt überneh- men könne. Am 13.9.1877 telegrafierte Herr Leroy von der „Preußisch- Rheinische[n] Dampfschiffahrt-Gesellschaft“ in Köln, daß anstatt des Damp- fers „Hohenzoller“ nun „Friede“ für 300 Personen zum Preis von 750 Mark zu haben sei. Jede weitere Person koste 1,70 Mark. Ein zweites Boot sei nicht „disponibel“. Näheres sei brieflich abgegangen. Dieses Schreiben ist in den Akten jedoch nicht vorhanden. Ein Zusatz „für 450 Mark“ bei „Hohenzoller“ von der Hand Rackés läßt vermuten, daß beide Telegramme an ihn adres- siert waren. Erhalten sind auch Einzeichnungslisten zur Festfahrt von Mainz und zum Fest-Diner an Bord des Schiffes. In einem Mitteilungsblatt wird auf die Bedeu- tung der Grundsteinlegung verwiesen, zu deren Verschönerung Mainz als nahe gelegene Stadt „mit gutem Beispiele“ vorangehen solle. Zudem werden das Programm der Fahrt sowie die Einzeichnungsmöglichkeiten und die Prei- se (Fahrt 4 Mark, Bankett 2,50 Mark) vorgestellt. 357 Personen hatten sich zur Fahrt angemeldet, von denen etwa zwei Drittel auch am Fest-Diner teil- nahmen. Der weitaus größte Teil der Fahrgäste bestand aus Männern. Nur wenige bestellten zwei oder mehr Billets. Dazu zählten einige der auf dem Mitteilungsblatt genannten Verantwortlichen, wie z. B. Carl Racké.

28 Niederwalddenkmal

Bild 3: Einladungskarte zur Grundsteinlegung

Bild 4: Eintrittskarte zur Grundsteinlegung, Vorder- und Rückseite

Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 29

Die ursprünglich veranschlagte Zahl von 450 Gästen wurde nicht er- reicht. Die Kosten für das Salonboot „Friede“, für Musik, Verpflegung der Mu- siker, für Bouquets und Schleifen, die Schiffsmannschaft, „Capitain“ und „Conducteur“, Drucksachen, Pulver und „Diverses“ beliefen sich auf 1.628 Mark, denen Einnahmen aus dem Verkauf der Schiffsfahrkarten von 1.428 Mark gegenüberstanden. Auffallend ist der hohe Preis der Bouquets für Kai- ser und Kaiserin zu jeweils 50 Mark, die wohl außergewöhnlich gewesen sein mußten.39 Das Defizit von 200 Mark wurde durch eine Anfrage an 40 Herren, jeweils 5 Mark zur Verfügung zu stellen, freiwillig beglichen. Mindestens drei Viertel der angesprochenen Personen nahmen an der Dampferfahrt teil, wie den Einzeichnungslisten zu entnehmen ist. Auch die meisten der Unterzeich- ner des Mitteilungsblattes, so z. B. Carl Racké und Dr. Florian Kupferberg, gehörten zu den Spendern und dürfen den Mainzer Honoratioren zugerech- net werden. Die folgenden Schreiben wurden nach der Grundsteinlegung vom 16.9.1877 verfaßt. Am 19.9.1877 teilte Theodor Dilthey Carl Racké mit: „Eine so eben eingetroffene Depesche unseres Herrn Landraths forscht nach dem Namen der jungen Dame von Mainz welche Seiner K. Kl. Hoheit dem Kron- prinzen das für Allerhöchstdieselbe bestimmte Bouquet an der Rheinhalle überreicht habe. Indem ich Sie freundlichst bitte mir den Namen der jungen Dame genau und möglichst umgehend mitzutheilen, danke ich Ihnen und den verehrten Mainzern Allen, für die herrliche Weise in der sie durch die imponi- rende Festfahrt dem Fest der Grundsteinlegung eine besondere Weihe ver- liehen haben und bin das Echo aller Rüdesheimer indem ich Ihnen diesen Dank von ganzem Herzen abstatte“.40 Damit ist belegt, daß zumindest eine Mainzer Dame am Fest teilnahm und beim Kronprinzen nachhaltigen Ein- druck hinterließ. Graf zu Eulenburg äußerte sich im Schreiben vom 20.9.1877 an den Landrat überaus zufrieden über die gelungene Feier und betonte, daß „der Antheil[,] der Mainz daran gebührt, daß es so geworden, […] ein außeror- dentlich großer“ sei. Auch er hob die Damen hervor, ebenso „die freundliche Begrüßungs-Deputation der großen Dampfschiffe mit den tausenden jubeln- der Menschen darauf, die einen wahrhaft großartigen Anblick gewährten“. Er übermittelte der Mainzer Deputation den Dank des Kaisers und regte eine diesbezügliche Veröffentlichung an. Dem Direktor (wohl Racké) wurde von Otto Sartorius am 23.9.1877 für die Arrangements gedankt und mitgeteilt, der Kaiser habe sich „höchst erfreut“ über den Empfang der Mainzer Deputation,

39 Zum Vergleich: Im Jahr 1877 betrug das jährliche Einkommen der Arbeiter und Gesellen in Industrie und Handwerk in Deutschland 559 Mark. Vgl. J. Kocka: Arbeitsverhältnisse und Ar- beiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert. Bonn 1990, S. 495. 40 Originalschreibweise und -interpunktion. 30 Niederwalddenkmal die Begrüßung durch die Schiffe und die Musik ausgesprochen. Des weiteren belegt ein Schreiben vom 19.9.1877 an „Capitain“ Hendriks und „Conducteur“ Kluth des Salonbootes „Friede“, daß die Herren vom Mainzer Komitee An- denken an die Festfahrt erhielten. Damit enden die Akten des Mainzer Stadt- archives zur Grundsteinlegung des Niederwalddenkmales 1877. c. Die Mainzer Dampferparade zur Grundsteinlegung in Akten des Hessi- schen Hauptstaatsarchives Wiesbaden

Bei Recherchen im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden konnten Unter- lagen aus dem Nachlaß Sartorius ermittelt werden, die weiteren Aufschluß über die Dampferparade des Mainzer Festkomitees geben.41 In einem Schreiben an Regierungsrat Sartorius vom 22.9.1877 erwähnt Carl Racké das Bankett im Hotel Jung in Rüdesheim, bei dem Otto Sartorius den Wunsch geäußert hatte, jene Erlasse, Drucksachen, Karten usw. zu erhalten, welche die Mainzer Festfahrt betrafen. Mit gleichem Schreiben übersandte ihm Racké nun eine Mappe, in der die Ankündigung der Festfahrt mit den Einzeichnungsstellen, Annoncen des Festkomitees, der Hessischen Ludwigs- Eisenbahn-Gesellschaft, der Dampfschiffahrts-Gesellschaft, des Mainzer Turnvereines, die Aufforderung an die Rheinanlieger zur Ufer- und Villenbe- leuchtung, Liedtexte, das Musikprogramm, Trinksprüche bei dem Bankett auf dem Salonboot „Friede“, die Gedichte der Mainzer Damen bei der Überrei- chung der Blumenstäuße an Kaiser und Kaiserin sowie die Ordnung für die Festfahrt am 16.9.1877 enthalten waren. Diesen Unterlagen sind nun Details zu entnehmen, die ein lebendiges Bild der Festfahrt vermitteln. So beteiligten sich aus Mainz außer dem Salon- boot „Friede“ drei weitere Schiffe an der Parade. An Bord des Remorqueur42 „Rhenus IV“ befanden sich die Gesangvereine, der Kriegerverein sowie der Turnverein. Remorqueur „Rhenus V“ beförderte die Verwaltung der Mainzer Schleppschiffahrts-Gesellschaft, das Dampfboot „Rhein“ die Gesellschaft Moguntia. Entlang des Rheingaues begrüßte die Flottille die Städte und Villen mit Böllerschüssen. In Eltville nahm die „Friede“ weitere Gäste auf. Während das Salonboot ohne Anlegen weiter nach zur Begrüßung des Kaisers fuhr, der dort mit einem Sonderzug ankam, lagen die anderen Schiffe im Rhein vor Anker. Die „Friede“, der sich ab Assmanns- hausen zu Berg fahrende Boote anschlossen, reihte sich nach der Rückkunft in Rüdesheim in die Mainzer Flotte ein. Der Kaiser mit seinem Gefolge er- reichte über Aulhausen und das Jagdschloß den Denkmalsplatz.43

41 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. Abt. 1034 (Nachlaß Sartorius), spez. 1034/49 und 1034/48. 42 Kleiner Schleppdampfer. 43 Vgl. H. Hanemann 1933, S. 30. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 31

Bild 5: Die Grundsteinlegung am 16. September 1877, Originalzeichnung von K. Kögler.

Nachdem ein Kanonenschuß vom Niederwald die vollzogene Grund- steinlegung gemeldet hatte, begann das allgemeine Schießen, Glockengeläu- te und Intonieren der „Wacht am Rhein“ durch die Musikkapellen. Der Kaiser nahm nach seiner Rückkehr vom Niederwald in der Rheinhalle in Rüdesheim ein „Diner“ ein. Musikalisch umrahmten dies die Kapellen und Gesangverei- ne, die auf der „Friede“ und der „Rhenus IV“ Aufstellung genommen hatten. Während der anschließenden Paradefahrt unter Führung der „Friede“ spielten auf den einzelnen Schiffen jeweils vor der Rheinhalle die Musiker auf. Nach dem Ende der Parade konnten die Schiffe in Bingen oder in Rüdesheim lan- den. Die Rückfahrt war für 18.00 Uhr ab Rüdesheim festgesetzt worden, wo- bei wiederum das Salonboot „Friede“ die Flotte anführte. 32 Niederwalddenkmal

Bild 6: Begrüßung Kaiser Wilhelms I. vor der Rheinhalle in Rüdesheim durch die Mainzer Damen- Deputation am Tag der Grundsteinlegung.

In einem Festbuch „Zur Erinnerung an die Grundsteinlegung des Natio- naldenkmals auf dem Niederwald am 16. September 1877“44, das sich eben- falls im Nachlaß Sartorius befindet, wird der Paradefahrt und der Begrüßung durch Mainzer Ehrenjungfrauen breiter Raum gewidmet.45 Demnach waren sowohl bei der Grundsteinlegung auf dem Niederwald als auch bei der festli- chen Begrüßung vor dem „Frühstücksmahl“ Mainzer Damen anwesend. Die Dampferflotte der „reich beflaggten“ Schiffe mit den jubelnden und winkenden Menschen aus dem „goldenen“ Mainz erfreute angeblich den Kaiser sichtlich.

44 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. 1034/48. Das Festbuch wurde von Eduard von Lade, Gei- senheim am Rhein, Mitglied des „ausführenden Comites für die Errichtung des National- Denkmals“, Seiner Majestät dem Kaiser am 22.3.1878 gewidmet. 45 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. 1034/48 (Festbuch, ohne Seitenzahlen). Darin befindet sich auch ein Foto von sieben Festdamen, von denen drei aus Mainz stammen. Es waren Emma Jung, Ella Mayer und Clara Racké, die älteste Tochter von Carl Racké. Bei den anderen Eh- rendamen handelte es sich um Marie Moos aus Rüdesheim, Catharina Brück aus Ass- mannshausen, Elisabeth Mahr aus Wiesbaden und Marie Schilling aus Dresden. Bei H. Ha- nemann werden die Mainzer Damen, außer Clara Racké, namentlich erwähnt (S. 33-39), al- lerdings unterläuft dem Autor auf S. 34. eine Verwechslung von Ella Mayer und Elisabeth Mahr. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 33

Bild 7: Ehren-Jungfrauen am Festtage der Grundsteinlegung. Oben Mitte: Marie Moos, Rüdesheim, oben links: Ella Mayer, Mainz, Mitte: Emma Jung, Mainz,oben rechts: Clara Racké, Mainz, unten links: Catharina Brück, Assmannshausen, unten Mitte: Marie Schilling, Dresden, unten rechts: Elisabeth Mahr, Wiesbaden 34 Niederwalddenkmal

Einige „Jungfrauen, anmuthig und hold, wie ‚Frauenlob’46 seine Mainzer Mitbürgerinnen besungen hat“, waren ans Ufer entsandt worden, um den Kaiser willkommen zu heißen. Fräulein Emma Jung richtete an „Seine Majes- tät“ mit „ausdrucksvoller, ergreifender Stimme“ folgende Worte:

„Nachdem Du heute Deinem tapf’ren Heere Am deutschen Rhein ein Denkmal hast geweiht, Mein lieber Kaiser, eine Bitte mir gewähre: Daß mit Dir unser Mainz sich freut. Du, der mit Lorbeeren reich sein Haupt umwunden, Verschmähe nicht die Gabe meiner Hand. Wir haben einen Kranz der Treue Dir gebunden, Der Treu’ für Dich und für das Vaterland.“47

Wie dem Kaiser überreichten die Mainzer Damen auch der Kaiserin ein Blumengebinde als „Gruß vom gold’nen Mainz“.48 d. Das Presseecho

Zur Einstimmung auf den Festakt erschienen in der Lokalpresse bereits vor der Grundsteinlegung Hintergrundartikel, Gedichte, Anzeigen, Programme, Sonderfahrpläne und ähnliches.49 Im „Mainzer Tagblatt“ vom 18.9.1877 findet sich eine detailreiche Schilderung der Ereignisse vom 16.9.1877 unter be- sonderer Berücksichtigung der Mainzer Festfahrt. Demnach begrüßten außer den bereits genannten Damen zwei weitere Mainzerinnen namens Disch und Meletta den Kaiser und seine Gemahlin. Poetische Worte fand der Berichter- statter für die Rückfahrt nach Mainz entlang der beleuchteten Villen und Dör- fer.50 Die freudige Überraschung und der Dank des Kaisers der Mainzer Flot- tille wegen, die „bis in die Masten hinein besetzt von Bewohnern des alten rheinischen Bollwerks“ war, schienen dem „Mainzer Tagblatt“ vom 19.9.1877 einer weiteren Meldung mit dem Titel „Der Kaiser und die Mainzer“ wert.51 Der Artikel im „Mainzer Anzeiger“ vom 18.9.1877 begnügte sich mit einer fak-

46 Heinrich von Meißen, gen. Frauenlob, geb. 1250/60, gest. 29.11.1318, Dichter und Sänger, dessen Grab sich auf dem Domfriedhof in Mainz befindet. Vgl. Balzer, Wolfgang: Mainz. Persönlichkeiten der Stadtgeschichte. Bd. II. Mainz 1989. S. 204 f. 47 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. 1034/48 (Festbuch, ohne Seitenzahlen). 48 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. 1034/49 (in Mappe von C. Racké an O. Sartorius mit Schrei- ben vom 22.9.1877). 49 So z. B. im Rhein= und Nahe=Bote (Binger Kreisblatt). 46. Jahrg. III. Jahrg. Nr. 74. (Erstes und Zweites Blatt) vom 15.9.1877, S. 1f. oder Mainzer Tagblatt. Nr. 215 vom 16.9.1877, S. 1f. 50 Mainzer Tagblatt. Nr. 216 vom 18.9.1877. S. 1 f. 51 Mainzer Tagblatt. Nr. 217 vom 19.9.1877. S. 2. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 35 tischen Darstellung der Grundsteinlegung und Erwähnung der Schiffe aus Mainz.52 Der Korrespondent des „Rhein= und Nahe=Bote“ vom 19.9.1877 widmete dem Festakt einen dreiseitigen Bericht mit persönlichen Eindrücken: „Neun große Rheinschiffe und Hunderte von kleineren Fahrzeugen, alle auf’s Reichste beflaggt, zogen unter Führung des Festschiffes ‚Friede’ in Parade“ unter Musikklängen und Böllerschüssen an dem Kaiser vorbei.53 Auch andere Zeitungen, wie z. B. die „Coblenzer Zeitung“ oder der „Rheinische[r] Kurier“ berichteten über das Ereignis. Der kritische Artikel eines Binger Verfassers im „Mainzer Journal“ vom 17.9.1877 belegt, daß dem Projekt jedoch nicht nur einhellig zugestimmt wurde. Süffisant kommentierte er den heftigen Regen- guß, der während der Festrede des Grafen zu Eulenburg niederging und „manchem hyperpatriotischen Gemüthe eine wirksame Abkühlung gebracht haben mag“. Und dies sei fatalerweise den seit Wochen inbrünstig nach „herrlichem Kaiserwetter“ schmachtenden Nationalliberalen passiert.54 Sei- tenhiebe auf die Binger Stadtvertreter forderten eine heftige Gegenreaktion im „Rhein= und Nahe=Bote“ vom 22.9.1877 heraus. „Daß die erbitterten Feinde der deutsch-nationalen Sache“ keine Freude an dem verherrlichenden Denkmal haben, sei bekannt, einen solchen Artikel wie im „Mainzer Journal“ habe man jedoch nicht erwartet, lautete u. a. die Antwort.55 Die positive Ten- denz der Berichterstattung über die Grundsteinlegung des Niederwalddenk- mals überwog jedoch bei den überlieferten Zeitungen.

V. Die Dampferparade zur Einweihung des Niederwalddenkmals am 28.9.188356 a. Gründung des Festkomitees und die Verhandlungen mit Mainzer Vereinen

Sechs Jahre später, im Vorfeld der Einweihung des Denkmals, erging an die Mainzer Honoratioren eine Einladung zu einer Zusammenkunft am 24.6.1883 im „Casino zum Gutenberg“. Das Schreiben an Carl Racké war von Ludwig

52 Mainzer Anzeiger. XXVIII. Jahrg. Nr. 216 vom 18.9.1877. S. 1 f. 53 Rhein= und Nahe=Bote (Binger Kreisblatt). 46. Jahrg. III. Jahrg. Nr. 75 (Erstes Blatt) vom 19.9.1877. S. 1-3. 54 Mainzer Journal. 30. Jahrg. Nr. 215 vom 17.9.1877. S. 2. 55 Rhein= und Nahe=Bote (Binger Kreisblatt). 46. Jahrg. III. Jahrg. Nr. 76. (Erstes Blatt), S. 1. 56 Im Bestand 70/162 des Stadtarchivs Mainz sind die Akten zur „Einweihung des National- denkmals auf dem Niederwald 1883“ unterteilt in „Mainzer Fest=Comité. Verhandlungen mit Mainzer Vereinen“, „Verhandlungen mit auswärtigen Fest Comités, Vereinen etz.“, „Verhand- lungen mit der Köln=Düsseldorfer Dampfschifffahrts Gesellschaft“, „Verhandlungen mit den Dampfschleppschifffahrts-Gesellschaften“, „Fahr- und Rangordnung zur Festfahrt“, „Deputa- tion der Mainzer Damen“, „Geschäftliche Anerbietungen“, „Voranschlag, Abrechnung“ und „Drucksachen“. 36 Niederwalddenkmal

Felmer unterzeichnet, der ebenfalls bereits 1877 an der Festumrahmung be- teiligt war. Ziel war die „Bildung eines Comités für die Beteiligung an der Ent- hüllungsfeier des Nationaldenkmals auf dem Niederwald“. Das daraufhin neu gegründete Festkomitee bestand aus 22 Mitgliedern, u. a. dem Gouverneur der Festung Mainz, Seiner Exzellenz General Friedrich Wilhelm von Woyna, dem Oberbürgermeister Dr. Alexis DuMont sowie einigen, die bereits 1877 bei der Festfahrtvorbereitung mitgewirkt hatten. Der geschäftsführende Aus- schuß des Komitees, mit Carl Racké als Vorsitzendem und Ludwig Felmer als Schriftführer, zählte sechs Personen. Die Komiteegründung sowie die Ab- sicht einer neuerlichen Festfahrt anläßlich der Enthüllung des Denkmals wur- den in insgesamt acht Zeitungen bekanntgegeben, die in Mainz, im Rheingau und in Frankfurt erschienen. Carl Racké nahm bereits am 16.7.1883 mit dem Rüdesheimer Festkomi- tee Kontakt auf. Die dortigen Feierlichkeiten waren vom Vorabend der Enthül- lung bis zum 29.9.1883 geplant. Bei einem gemeinsamen Treffen am 20.8.1883 wurde die Mainzer Beteiligung an der Vorfeier zugesagt. Auf der Sitzung des Mainzer Festkomitees am 22.7.1883 arbeitete man ein Programm aus und verfaßte einen Aufruf, vor allem an die Vertreter der Rheinschiffahrt und der rheinischen Städte, sich an der Fahrt wegen der „ho- hen nationalen Bedeutung“ zu beteiligen und sich zwecks Anfragen an Herrn Racké zu wenden. Vorgesehen waren die Festfahrt nach Rüdesheim, die Mitwirkung bei der Begrüßung des Kaisers und „feierliches Salutiren“ bei der Denkmalsenthüllung mit anschließender Paradefahrt vor dem Kaiser. Der Aufruf wurde mit der Bitte um kostenfreie Aufnahme an 38 Zeitungen, über- wiegend des Rheinlandes, aber auch an die „Straßburger Post“ und die „El- sass-Lothringische Zeitung“ versandt. Des weiteren wurden die Mitglieder des geschäftsführenden Komitees unter Graf zu Eulenburg, der Rüdesheimer Festausschuß, das Mainzer Festkomitee, 30 Mainzer Vereine und eine Reihe ausgewählter Personen aus dem Mainzer Adressbuch unterrichtet. Das Fest- komitee hatte nun einen eigenen Briefkopf folgenden Wortlauts: „Enthüllung des National=Denkmals auf dem Niederwald am 28. September 1883. Main- zer Fest=Comité.“ Der Schriftverkehr bezüglich der Beteiligung des Großherzoglichen Gymnasiums zu Mainz an der Festfahrt zeigt, daß die Lehranstalt zunächst wegen zu geringer Beteiligung davon absehen wollte. Die Bemühungen des Komitees machen deutlich, welcher Wert auf die Teilnahme gelegt wurde. In einem Brief vom 27.8.1883 schreibt Adolph Heß, Mitglied des Mainzer Fest- komitees und des geschäftsführenden Ausschusses, an Carl Racké über eine mögliche Absage, daß er dies mehr bedauern würde, „als wenn die ganze Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 37 halb demokratische Moguntia nicht mitfahren könnte, weil ich die Wirkung auf die Jugend als das Wichtigste bei der nationalen Feier betrachte“.57 Wenn auch nicht die gesamte Korrespondenz mit Vereinen vorhanden ist, so ist aus Antwortschreiben des Komitees an den Veteranenverein Sie- geskranz, die Mainzer Liedertafel und den Mainzer Turnverein zu ersehen, daß Verhandlungen mit Schiffahrtsgesellschaften im August 1883 in vollem Gange waren. So konnten ab dem 30.8.1883 Fahrkarten zur „Rheinischen Festfahrt“ für 5 Mark und für das Festessen an Bord für 3 Mark in der Buch- handlung Victor v. Zabern erworben werden. Die Badische Gesellschaft für Gasbeleuchtung erklärte sich zur Beleuchtung des Rheinufers bei Rückkehr der Festschiffe bereit, der Mainzer Turnverein sagte zu, für Fahnen und Wimpel zu sorgen. Nicht alle Planungen verliefen problemlos, wie das Schreiben des Vete- ranenvereins Siegeskranz Mainz vom 25.9.1883 belegt. Entschieden ver- wahrte sich der Verein gegen die Fahrordnung, nach der sein Schiff am Ende der Handelsflotte eingereiht werden sollte. Seine Königliche Hoheit der Groß- herzog habe sich dafür ausgesprochen, das Schiff mit den hessischen Krie- gervereinen auszuzeichnen, um es seiner Majestät dem Kaiser bezeichnen zu können, lautete die Begründung. Ob die Reihenfolge geändert wurde, ist unbekannt. Die Bürgermeisterei Wiesbaden lehnte die Einladung zur Festfahrt mit der Begründung ab, daß die Gemeindevertretung Wiesbadens es als ihre Pflicht ansehe, ihre gesamten Kräfte bei dem Nationalfest den Stunden zu widmen, in denen Seine Majestät der Kaiser mit seinen Gästen in ihrer Stadt verweile. b. Verhandlungen mit auswärtigen Festkomitees und Vereinen

Ursprünglich beabsichtigte das Mainzer Festkomitee, den Kaiser nach den Feierlichkeiten per Schiff nach Wiesbaden zurückzufahren. Im Schreiben vom 27.7.1883 an Otto Sartorius erwähnte Racké eine Geldsendung und teilte mit, daß, falls der Kaiser an der Schiffahrt teilnehme, die „Kölnische und Düssel- dorfer Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ ihr Salonboot „Wilhelm, Kaiser und Kö- nig“ kostenfrei zur Verfügung stelle, wie diese gegenüber dem Regierungs- präsidenten von Wurmb58 erklärt habe. Aus dem Schreiben des Mainzer Ko- mitees an Graf zu Eulenburg geht hervor, daß die Paradefahrt in dem in den Zeitungen veröffentlichten Programm nicht erwähnt wurde. Eine erneute An-

57 Lt. „Adreßbuch der Provinzial=Hauptstadt Mainz mit Zahlbach, der Stadt Kastel und der Ge- meinde Mombach“(1883. Fünfte Beigabe. Vereine) handelte es sich dabei um einen Verein, dessen Zweck in der „Pflege der geselligen Unterhaltung“ bestand. Ebd., S. 63. 58 Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses in Wiesbaden. Vgl. L. Tittel 1979, S. 47. 38 Niederwalddenkmal frage und Bitte, der Kaiser möge die Parade von der Rüdesheimer Rheinhalle aus abnehmen und die Mainzer Delegation empfangen, wurde mit Rüdes- heim abgestimmt und auf den Weg gebracht. Nach nochmaligem Anschrei- ben des Festkomitees vom 31.8.1883 an Graf zu Eulenburg, den Kaiser um seine Anwesenheit bei der Paradefahrt zu bitten, erfolgte die Bestätigung durch Otto Sartorius am 18.9.1883. Allein – aus der geplanten kaiserlichen Schiffsfahrt wurde nichts: Majes- tät bevorzugte einen Extrazug. Das weitere Programm, dem Kaiser und der Kaiserin die Mainzer Damen-Deputation und das Komitee vorzustellen, sowie die Paradefahrt der rheinischen Flotte vor den Herrschaften sollten durchge- führt werden, wie die Korrespondenz zwischen Carl Racké und Otto Sartorius zeigt.59 Auch in Worms interessierte man sich für die Teilnahme an der Festfahrt und die Art der Organisation. Am 21.8.1883 sagte die Stadt Worms ihre Be- teiligung mit eigenem Schiff zu, was Racké begrüßte. Er teilte mit, die Ausar- beitung einer Fahrordnung mit Hinweisen zur Beleuchtung sei im Gange. Ebenso bestand in Darmstadt Interesse, ein Schiff zu mieten. Dr. Goldmann fragte deswegen bei Carl Racké an, jedoch mit dem Hinweis, daß dies „bei der Sparsamkeit der Darmstädter wesentlich von dem Kostenpunkt“ abhän- ge. Racké konnte den sparsamen Hessen ein Schiff der „Mainzer Schlepp- schiffahrts-Gesellschaft“ für 600 Mark offerieren. Weitere Teilnahmemeldungen wie die des Regierungsdampfers „Rhein- gau“ sowie Booten aus Heidelberg und aus Eltville folgten. Ein Kölner Komi- tee meldete das Schiff „Kronprinz Friedrich Wilhelm“. Der Bürgermeisterei Worms wurde auf Anfrage mitgeteilt, daß sich aus Städten vom Oberrhein fünf Schiffe an der Fahrt beteiligen würden. Aus Ludwigshafen wandte sich J. Uebelacker, der dem Kaiser an dem Festtage das Modell der ehemaligen Kaiserpfalz verehren wollte, an Carl Racké. Dieser verwies ihn an das Kaiser- lich-Königliche Hofmarschallamt in Berlin. Ob der Kaiser das Geschenk an- nahm, ist nicht bekannt. Die Mitwirkung der Kapelle des II. Badischen Grena- dier-Regiments „Kaiser Wilhelm“ lehnte Racké ab, da die Zusage zu spät er- folgt und eine andere Militärkapelle gewählt worden sei. Den Oberbürger- meister von Bonn ließ er wissen, daß die Deputation der Bonner Stadtverord- neten im Programm erwähnt würde, falls sie auf einem Mainzer Schiff mitfah- re. In der Mitteilung vom 19.9.1883, gerichtet an „Eure Excellenz“ (wohl Graf zu Eulenburg), legte der geschäftsführende Ausschuß das Programm der

59 Der ausgefüllte „Stundenplan“ des Kaisers ist dem Entwurf des Reiseprogrammes vom 20.- 29.9.1883 zu entnehmen. Während dieses Zeitraumes war der Besuch der Manöver des IV. und XI. Armee-Corps in Frankfurt a. M., die Enthüllung des Niederwalddenkmals und die Weiterfahrt nach Baden vorgesehen. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 39

Mainzer Delegation dar. Die Festdamen, deren Väter sowie die teilnehmen- den Komiteemitglieder wurden genannt und die Hoffnung ausgesprochen, der niedrige Wasserstand des Rheins möge „keinen Strich durch die Rechnung“ während der Paradefahrt machen. Da die Rückfahrt im Dunkeln erfolge und die Schiffe am nächsten Morgen früh einsatzbereit sein müßten, stellte Carl Racké im Schreiben vom 19.9.1883 an Theodor Dilthey die Mainzer Beteili- gung an der Vorfeier in Frage. Der Wiesbadener Verein der Künstler und Kunstfreunde, der selbst das Dampfschiff „Moritz Arndt“ gemietet hatte, wollte sich der Paradefahrt ab Biebrich um 10.00 Uhr anschließen. Carl Racké wies jedoch darauf hin, daß die Abfahrt von dort um 9.30 Uhr stattfinden müsse, da sonst das Schiff in Rüdesheim ganz am Flottenende eingereiht würde. Weiteren Interessenten für Schiffsanmietungen, z. B. aus Gernsheim und Hanau, mußte Racké Ab- sagen erteilen oder sie an Gesellschaften in Ludwigshafen oder Mannheim verweisen, da keine zusätzlichen Boote mehr zur Verfügung standen. c. Verhandlungen mit der „Köln=Düsseldorfer Dampfschiffahrts- Gesellschaft“

Der erste Kontakt mit der „Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Nieder= und Mittel=Rhein“ in Düsseldorf wurde am 30.6.1883 schriftlich von den Mitglie- dern des Mainzer Festkomitees, Kommerzienrat Mathias Werlé, Kommer- zienrat Stephan Carl Michel60 und Carl Racké, aufgenommen. In der Anfrage bekundeten sie die Absicht, den Kaiser mit Gefolge nach der Enthüllung des Niederwalddenkmals auf einem Schiff nach Biebrich bzw. Kastel zurückzu- bringen. Zu diesem Zweck baten sie, das Salonboot „Wilhelm, Kaiser und König“ unentgeltlich sowie ein zweites Salonboot für die Mainzer Festteil- nehmer zu einem mäßigen Preis zur Verfügung gestellt zu bekommen. Bewir- tung und Musik gingen zu Lasten des Komitees. Bei Absage des Kaisers sol- le dennoch das Salonboot „Wilhelm, Kaiser und König“ bereitgestellt werden unter Verweis auf die Gelegenheit, „den Kaiser zu ehren und etwas zur Ver- herrlichung eines nationalen Festes beizutragen“. In gleicher Sache teilte Racké am 2.7.1883 der Dampfschiffahrts- Gesellschaft mit, daß die Einladung an den Kaiser durch Regierungsrat Sar- torius vermittelt würde, bat um baldige Nachricht und stellte den Bedarf an einem dritten Boot in Aussicht.

60 Stephan Carl Michel, geb. 9.6.1839, gest. 30.3.1906 war u. a. als Gemeinderatsmitglied und Stadtverordneter von Mainz, als Vorsitzender der Großherzoglichen Handelskammer, später als Vizepräsident des deutschen Handelstages tätig. Michel wurde am 2.1.1905 zum Ehren- bürger der Stadt Mainz ernannt. Siehe: W. Balzer Bd. I, 1985, S. 24f. 40 Niederwalddenkmal

Die „Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Nieder= und Mittel=Rhein“, die geschäftlich mit der „Preußisch-Rheinische[n] Dampfschiffahrt-Gesell- schaft“ in Köln verbunden war und gemeinsam als „Rhein-Dampfschiffahrt. Cölnische und Düsseldorfer Gesellschaft“ in Köln und Düsseldorf firmierte, antwortete am 10.7.1883. Sie teilte mit, daß zu ihrem Bedauern dem Antrage in dieser Form nicht entsprochen werden könne, aber, „daß es den Traditio- nen der beiderseitigen Gesellschaften entspricht, Sr. Majestät dem Kaiser sowie den Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses, – wenn es sich darum han- delt, die Anwesenheit der höchsten Herrschaften zu ehren und zur Verherrli- chung des Festes beizutragen – das gewünschte Festschiff, wie in allen frü- heren dergleichen Fällen, Seitens der Verwaltungen kostenfrei zu stellen“. Das Mainzer Komitee beeilte sich klarzustellen, daß es dem Komitee „fern lag, der Kölnischen= und Düsselsdorfer Dampfschifffahrts Gesellschaft hinsichtlich einer Einladung an Sr. Majestät den Kaiser zu einer Fahrt auf dem Rhein [...] vorzugreifen“. Ohnehin fahre der Kaiser aus Zeitgründen mit dem Extrazug zurück nach Wiesbaden, da er vor der „Hoftafel einer zwei- stündigen Ruhe bedürfe“. Die Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Düsseldorf informierte das Komitee am 24.7.1883, daß sie sich dem Königlichen Regierungspräsidenten in Wies- baden gegenüber bereit erklärt habe, auf Wunsch dem Kaiser und seinen Gästen das Salonboot „Wilhelm, Kaiser und König“ zur Verfügung zu stellen. Der zu mietenden Boote wegen würde Mitteilung erwartet. Daraufhin teilte der Mainzer Ausschuß der Düsseldorfer Gesellschaft mit, daß, falls der Kai- ser deren Angebot annähme, für die Mainzer Festfahrt zwei Salonboote, „Deutscher Kaiser“ und „Friede“ oder „Humboldt“ und „Friede“, falls nicht, die Salonboote „Wilhelm“ und „Deutscher Kaiser“ oder „Humboldt“ gewünscht würden. Zudem wollten sich Vereine der Festfahrt anschließen und die Ver- mittlung des Komitees zwecks Miete der Schiffe in Anspruch nehmen. Eine entsprechende Information erging an Direktor Leroy, „Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrt-Gesellschaft“ in Köln. Ab August 1883 begann ein reger schriftlicher und telegrafischer Verkehr zwischen Mainz und Düsseldorf bzw. Köln. Am 5.8.1883 erhielt der Mainzer Ausschuß durch die Herren Leroy und Finmann von Köln und Düsseldorf die Zusage für vier Dampfboote (zwei Salonboote, zwei Glattdeckboote), jedoch ohne Festlegung auf Namen, da dies davon abhänge, ob der Kaiser die „Wil- helm“ benütze, und auch, ob sie „nicht durch force majeure, wie z. B. Ma- schinenbruch, Nebel oder sonstige störende Elementarverhältnisse“ behin- dert würden. Die Erlassung „genügender strompolizeilicher Verordnungen“ aus Sicherheitsgründen wurde zur Bedingung gemacht und auf die schwieri- Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 41 gen Stromverhältnisse bei Bingen und Rüdesheim verwiesen.61 Detailfragen behandelten Personenzahl und Restauration. Carl Racké erklärte das Einverständnis des Ausschusses mit dem Ange- bot und kündigte seinen Besuch in Köln für den 10.8.1883 an. Die bei dieser Besprechung getroffenen Vereinbarungen listete er in den Schreiben nach Düsseldorf und Köln auf. Demnach waren das Salonboot „Wilhelm, Kaiser und König“ bzw. „Deutscher Kaiser“ für 1.200 Mark, die beiden Glattdecker für 750 Mark gemietet. Das zweite Salonboot sollte, wie in Aussicht gestellt, 1.000 Mark kosten. Die festliche Ausstaffierung, besonders des Hauptschif- fes, das die „Tête“ bilden würde, sollten die Gesellschaften übernehmen. Ü- berdies seien die in die Fahrordnung aufzunehmenden Punkte mitzuteilen. Obwohl kein Schiffskontingent mehr zur Verfügung stand, fragte er dennoch wegen eines Bootes für „S[eine] Großh[erzogliche] Hoheit des Prinzen Hein- rich von Hessen“ an. In Schreiben vom 22. und 24.8.1883 betonten die Gesellschaften, daß eine Festlegung auf bestimmte Schiffe noch nicht möglich sei, der Mietpreis für das zweite Schiff bei 1.200 Mark liege und eine Ermäßigung „keineswegs in Aussicht gestellt“ worden wäre. Genauestens wurden Anmeldeschluß, Fahrzeiten, Routen und Abstände der Schiffe angegeben, die in die Fahrord- nung einfließen sollten. Hafenmeister Hänlein aus Mainz überwache von ei- nem Schraubendampfer aus die Einhaltung der Bestimmungen während der Festfahrt. Das Komitee möge diese Vorschläge den für die strompolizeiliche Verordnung zuständigen Behörden mitteilen. Am 29.8.1883 erklärte Racké sein Einverständnis (Abschrift des Briefes fehlt), am 5.9.1883 stimmten auch die Schiffahrtsgesellschaften zu und erwarteten die Verordnung für die Kapi- täne. d. Imponderabilien

Im „Mainzer Tagblatt“ vom 16.9.1883 trat Carl Racké einer Meldung des „Rheinische[n] Kurier“ (Nr. 217, II. Ausgabe) entgegen, daß die Strompolizei keine Erlaubnis zur Paradefahrt geben würde. Er berief sich dabei auf die Mit- teilung des Grafen zu Eulenburg, daß der Kaiser der Bitte, die „Dampferflottil- le von dem Vorbau der Rheinhalle aus in Augenschein zu nehmen, gerne willfahren“ werde.62

61 Der Wasserspiegel des Rheins war oberhalb des „Binger Loch“ aufgrund der Flußbreite der Sprengungen des stauenden Quarzitriffes unterhalb der Mäuseturminsel im 17. und 19. Jahrhundert sehr flach. Vgl. Uhlenbruck, Kurt: Die Schleppschiffahrt auf der Gebirgsstrecke des Mittelrheins. Eine volkskundliche Untersuchung. Mainz 2004 (= Studien zur Volkskultur, 29), S. 39f. 62 Mainzer Tagblatt. Nr. 216 vom 16.9.1883. S. 2. 42 Niederwalddenkmal

Glaubten nun die Mitglieder des Mainzer Festkomitees, daß alle Proble- me gelöst seien, hatten sie sich gründlich getäuscht. „Störfeuer“ aus Köln und Düsseldorf führte zu unvorhergesehenen Komplikationen. So telegrafierte Finmann aus Düsseldorf am 17.9.1883 an Carl Racké, die Kölnische Zeitung habe die Paradefahrt am 28.9. in Frage gestellt, und er erkundigte sich nach der Fahrordnung. Racké antwortete: „Nachricht der Kölnischen falsch. Wider- ruf folgt. Polizeiverordnung in Druck. Morgen weitere Nachricht“. Leroy aus Köln meldete am 18.9.1883 größte Bedenken an, nachdem er von 30 zugelassenen Dampfbooten erfahren hatte. Wegen des zu niedrigen Wasserstandes ließe sich die geplante Fahrordnung nicht einhalten, so daß „von einer Paradefahrt an Rüdesheim entlang mit so vielen Dampfbooten im Interesse der öffentlichen Sicherheit keine Rede sein kann und dieselbe un- terbleiben muß“. Die Gesellschaft in Düsseldorf werde von ihm informiert. Carl Racké telegrafierte an Finmann am 19.9.1883: „Paradefahrt kann beschränkt aber nicht gänzlich unterlassen werden. Morgen Nachmittag Be- fahrung einer Richtung der Strecke Rüdesheim-Bingen durch die Beamten auf Regierungsdampfer.“ Gleichzeitig informierte er die „Preußisch-Rheini- sche Dampfschiffahrt-Gesellschaft“ in Köln, wies auf die Bedeutung der Pa- radefahrt hin, die der Kaiser entgegennehmen wolle, und daß „gerade dieses einen Theil des offiziellen von dem größten Comité (Graf zu Eulenburg, Lan- desdirektor Sartorius, Regierungspräsident von Wurmb etz) ausgegebenen Programm bildet“. Bei Wegfall sei „dem ganzen Unternehmen die Spitze ab- gebrochen und nur diejenigen könnten eine Freude daran haben, die dem- selben feindlich gegenüber stehen und deshalb einen Mißerfolg herbeiwün- schen“. Diese Punkte möge man berücksichtigen. Eine Untersuchung des Terrains durch zuständige Beamte auf dem Regierungsdampfer „Rheingau“ werde durchgeführt. Bei einer ersten Befahrung der Strecke mit Nachen sei- en „ganz günstige Verhältnisse“ festgestellt worden. Gegebenenfalls wäre die Rundfahrt nur mit einigen Schiffen durchzuführen, während die anderen fest lägen. Die Erkundung am 20.9.1883 ergab, daß bei Einhaltung der Verordnun- gen „die Festfahrt gefahrlos erscheine“.63 Racké, der mit Festausschuß- mitgliedern daran teilnahm, unterrichtete am 21.9.1883 Leroy ausführlich, er- wähnte namentlich die dabei anwesenden vier Beamten der Preußischen sowie die drei der Hessischen Regierung und den Hafenmeister Hänlein von Mainz. Da an einer gefährlichen Stelle in der „Großen Gies“ die Wassertiefe nicht ausreiche, werde diese auf Anordnung der Beamten ausgebaggert. An- sonsten bestehe trotz des niedrigen Wasserstandes keine Gefahr, die Strom- breite ermögliche die Aufstellung der Flotte in drei Linien. Lediglich die Rück- fahrt solle um 16.00 oder 16.15 Uhr angetreten werden, um bei „Tageshelle“

63 Meldung veröffentlicht im Mainzer Tagblatt. Nr. 221 vom 22.9.1883. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 43 durch die „Große Gies“ zu kommen. „Die Commision hat gegen die Rundfahrt in der durch Regierungsverordnung, nach Ihrem eigenen Vorschlag angege- benen Weise nichts zu erinnern“, bemerkte er. Das Boot „Tirailleur“64 mit den Beamten solle bereits am 27.9.1883 nach Bingen fahren und dafür sorgen, daß der Rhein zwischen Rüdesheim und Bingen von Hindernissen frei sei. Racké regte zudem die Bereitstellung einer weiteren Brücke an. Der bei der Erkundung der Fahrstrecke anwesende Regierungs- und Baurat Cuno65 faßte zehn Punkte zusammen, die zu berücksichtigen und dem Festkomitee mitzuteilen seien. So würde „das gesammte Schiffsvolk zu verpflichten sein, während der Fahrt u. Feier sich des Genusses geistiger Ge- tränke zu enthalten“. Anlegestelle und Weg der Mainzer Deputation, Fahrge- schwindigkeit, Abfahrt usw. wurden vorgegeben. Man empfahl Carl Racké, zur Komiteesitzung am 22.9.1883 Hafenmeister Hänlein von Mainz und Steuerrat Ruckelshausen66 hinzuzubitten. Weitere Weisungen zur Signalord- nung folgten am 23.9.1883. Die detaillierten Vorgaben zur Festfahrt sind den gedruckten Regierungs- und Festausschuß-Verordnungen zu entnehmen. Telegramme und Schreiben vom 23.9.1883 belegen die schwierigen Verhandlungen in Köln zwischen den Dampfschiffahrts-Gesellschaften und dem Festkomitee, vertreten durch Kommerzienrat Stephan Carl Michel, bei denen auch Hafenmeister Hänlein zugegen war. Die Gesellschaften verlang- ten eine Abänderung und Ergänzung der Verordnungen durch die Mainzer und Wiesbadener Behörden, lehnten die Fahrordnung des Festausschusses ab und waren zur Stellung der Boote nur bereit, wenn an der Rundfahrt ma- ximal achtzehn Schiffe teilnähmen. Vorbehaltlich guter Bedingungen würden fünf Schiffe gestellt. Die Reihenfolge und Aufstellung der insgesamt 31 Schiffe sowie die Än- derungen zur ursprünglichen Fahrordnung konnten endlich am 24.9.1883 herausgegeben werden. Jedoch mußten sich die Mainzer den Forderungen beugen, nur mit achtzehn Schiffen den eigentlichen Corso vor dem Kaiser durchzuführen. Die anderen lagen während dieser Zeit nahe des Binger Ufers in Bergfahrtrichtung vor Anker. Doch damit waren nicht alle Probleme bereinigt. Nach den Feierlichkei- ten zur Denkmalsenthüllung am 28.8.1883 gingen „hinter den Kulissen“ die Unstimmigkeiten zwischen dem Festkomitee und den Dampfschiffahrts- Gesellschaften weiter.

64 Auf dem Schraubenboot „Tirailleur“, angemietet vom Festkomitee, befanden sich die zur strompolizeilichen Beaufsichtigung der Rheinfahrt zuständigen Staatsbeamten. Die Proble- me der Kostenübernahme behandelt das Kapitel „Lobeshymnen und Differenzen nach der Festfahrt“. 65 Regierungs- und Baurat der Preußischen Regierung. 66 Rheinschiffahrts-Kommmisar der Hessischen Regierung. 44 Niederwalddenkmal e. Verhandlungen mit den Dampfschleppschiffahrts-Gesellschaften

Bereits am 20.7.1883 erhielt Carl Racké von Direktor Steger, Mainz (Firma nicht ersichtlich), 14 Adressen der rheinischen Dampfschiffahrts-Firmen, wor- auf ein Aufruf an diese sowie zwei weitere Schiffseigner wegen der geplanten Paradefahrt erlassen wurde. Am 31.7.1883 stellten die „Frankfurter Actien Gesellschaft für Rhein & Main Schiffahrt“ ein Dampfschleppboot und das Un- ternehmen „Franz Haniel & Cie.“, Ruhrort, einen oder zwei Dampfer in Aus- sicht. Die „Königliche Eisenbahn Direction“, Frankfurt a. M. und die „Special Direction der Hessischen Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft“, Mainz, wurden gebeten, eines ihrer in Reserve liegenden Schiffe zur Verfügung zu stellen, da auch kleinere Boote zur Festfahrt erwünscht wären. Nach einer Notiz woll- ten sich die „Mannheimer“ nicht an der Festfahrt beteiligen, „weil sie nicht als Relict der Mainzer dienen wollen & weil man keine der anderen Rheinstädte gefragt und ins Comité genommen hat“. Dagegen wurden vom „Mainzer Schlepp-Dampfschiffahrts-Verein“ die „Rhenus I“ und von Carl Arnheiter, Be- sitzer der „Lokaldampfschiffahrt Ludwigshafen“, der Raddampfer „Stadt Lud- wigshafen“ angeboten. Am 2.8.1883 erließ der geschäftsführende Ausschuß einen nochmaligen Aufruf mit Angabe bereits erfolgter Anmeldungen an die säumigen Firmen. Die Antwortschreiben fehlen in den Akten weitgehend, dennoch ist Notizen zu entnehmen, daß weitere Anmeldungen erfolgten. Das Programm des Festkomitees vom 14.8.1883, unterschrieben vom Schriftführer Ludwig Felmer, enthielt Detailfragen an die teilnehmenden Ge- sellschaften. Wie viele und welche Schiffe eingesetzt würden, ob Mitglieder der Gesellschaft mitfahren bzw. eigene Fahrgäste an Bord hätten, falls nicht, ob Vereine, Congregationen oder höhere Lehranstalten darauf Platz fänden, wie die Ausstattung sei (Kajüte, Abdeckung mit Segeltuch) sowie die mögli- chen Kosten wurden erfragt. Von den mit beschränkter Personenzahl teil- nehmenden Vereinen oder Anstalten würde vom Komitee kein Fahrgeld, sondern nur ein Beitrag zur Deckung der Unkosten erhoben. Überdies wurde die Fahrordnung angekündigt. Der Besuch des Festplatzes auf dem Nieder- wald sei nicht möglich, ein Anlanden der Schiffe in Bingen und Rüdesheim erst nach der Paradefahrt. Das „Circular“ ging am 16.8.1883 auch der „Mannheimer Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ zu mit der Hoffnung, jene möge sich an der Festfahrt beteiligen. Schreiben ähnlichen Wortlautes an die „Oberrheinische Schleppschiffahrts-Gesellschaft“, Mannheim, sowie an die „Baierisch-Pfälzische Dampfschleppschiffahrts-Gesellschaft“, Ludwigshafen, wurden verfaßt, laut Notiz jedoch zurückgehalten. Eine weitere Notiz belegt die Anmeldung letzterer am 25.8.1883. Auch das „Brandenburgische Fuß Ar- tillerie Regiment N. 3“ beabsichtigte, an der Feier mit einem Schiff teilzuneh- men. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 45

Hugo Stinnes, Mülheim, ließ Carl Racké mitteilen, daß er, vorbehaltlich des Wasserstandes, zwei Schiffe einsetzen und die Fahrt mit Bekannten selbst mitmachen wolle. Dem Komitee könnten je Boot 100 Plätze zur Verfü- gung gestellt werden, „wobei als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß nur anständiges Publikum auf dem Boote erscheint & sich durch Billets legi- timiert“. Die Passagiere müßten nach der Paradefahrt aus Zeitgründen per Bahn nach Mainz zurückkehren. Es sei „ohnehin schon ein Verlust von ca. 2 Tagen mit der Geschichte verbunden“. Um ein Dutzend Karten für den Be- such des Festplatzes wurde gebeten. Racké konnte Stinnes am 16.9.1883 nur drei Karten sowie eine persönliche für den Festplatz zusenden, da wegen des beschränkten Raumes nur wenige ausgegeben wurden. Der Kapitän des Dampfbootes „Schwanheim“, P. I. Nauheimer, stellte am 11.9.1883 die Teilnahme von zirka 80 Personen aus Frankfurt in Aussicht und bat um nähere Informationen. Auf dem gleichen Boot offerierte ein Schiffsmieter aus Mainz (Name unleserlich) am 24.9.1883 rund 60-70 Plätze. Bürgermeister Alberti aus Rüdesheim übersandte Racké die Zusage für die Teilnahme des Dampfers „Siegfried“ aus Krefeld. Der mit einem Dampfboot vertretenen Stadt Würzburg wurde vorgeschlagen, daß die Festgäste in Mainz anstatt in Frankfurt nächtigen sollten, da die Einrangierung der Boote am Einweihungstag um 8.00 Uhr beginnen sollte. „Was die Dekoration anbe- trifft, so soll jedes Schiff im festlichen Flaggenschmuck erscheinen, viele sind sogar bekränzt, Vorschriften bestehen darüber nicht.“ Mit Schreiben vom 20.9.1883 zeigte Würzburg die Ankunft der „Cornelius“ in Mainz für den 27.9.1883 an, nahm also offensichtlich den Rat an, in Mainz zu übernachten. Die Bestätigung des Mietpreises von 250 Mark für die „Tirailleur“ an die Her- ren „Stenz & Bruckwilder“, Mainz, mit dem Vermerk, daß der Steuermann vom Festkomitee zu stellen sei, erfolgte am 15.9.1883. Bereits am 1.9.1883 waren für die Festfahrt 24 Dampfer von 16 Rhein- schiffahrts-Gesellschaften bzw. Firmen vorgemerkt. Die Zahl erhöhte sich zu- nächst auf 27, die mit den jeweiligen Fahrgästen genauestens aufgelistet wurden. Eine weitere Aufstellung nannte bereits 35 Teilnehmer. Den Akten ist die in Rüdesheim erstellte Fahrordnung für die Vorfeier am 27.9.1883 beige- fügt.67 Wegen der großen Anzahl der Schiffe, die am 28.9.1883 die Festgäste zwischen 8.00 und 9.00 Uhr in Mainz aufnehmen sollten, reichten nach An- sicht des Festausschusses die vorhandenen Landebrücken nicht aus. Eine Anfrage an Baurat Stratemeyer, Wiesbaden, die Trajectlandebrücke68 in Mainz an diesem Tag mitbenutzen zu dürfen, wurde jedoch abgelehnt. Am

67 Diese Aufstellungen sind im Bestand 70/162 des Stadtarchives Mainz unter „Fahr- und Rangordnung zur Festfahrt“ archiviert. 68 Landebrücke für Trajectboote (Eisenbahnfährschiffe). 46 Niederwalddenkmal

Bild 8: Vorder- und Rückseite der Eintrittskarte Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 47

Bild 9: Das Kaiserzelt bei der Einweihung des Niederwalddenkmals

25.9.1883 ersuchte der Ausschuß Regierungs- und Baurat Schmidt, , um Sperrung einer Wegstrecke am Festtag. Die Mainzer Damendeputation werde an der nach oben verlegten Landebrücke der Trajectboote in Rüdes- heim ausgesetzt und müsse den Weg von dort über den Leinpfad bis zur Rheinhalle zu Fuß zurücklegen. Ob dem Wunsch entsprochen wurde, ist nicht bekannt. Nur wenig zu überraschen vermag die Tatsache, daß findige Geschäfts- leute an dem geplanten „Mega-Event“ zu verdienen gedachten und dem Mainzer Festkomitee Angebote z. B. von Speisen und Getränken unterbreite- ten oder Preisnachlässe bei Annoncen avancierten.69 Bereits im Juli 1883 empfahl die Bonner Fahnenfabrik ihre Dekorations- und Illuminationsartikel, da Mainz wohl ein „reiches Festgewand von Fahnen“ anlegen würde, verwies dabei auf ihre Erfahrungen bei ähnlichen Anlässen und stellte hohe Rabatte in Aussicht. In einer weiteren Offerte vom 3.8.1883 über Abzeichen, Lampi- ons, Feuerwerke etc. wurden Lieferungen an das Militär, Zivilbehörden,

69 Im Bestand 70/162 des Stadtarchives Mainz archiviert unter „Geschäftliche Anerbietungen“. 48 Niederwalddenkmal

Kriegs- und Handelsmarine, große Festkomitees, sogar an das Palais Seiner Majestät des Kaisers, an Prinzen und Fürsten erwähnt. Einen weiteren Vor- stoß unternahm die Fahnenfabrik am 21.8.1883, wobei sie die Gesellschaften nannte, die für die Festfahrt bereits Aufträge erteilt hatten. Großzügig sollte Mainz entgegengekommen werden.70 Nachdem von dort keine Antwort ein- traf, wandte sich am 3.9.1883 die Firma erneut an Carl Racké mit einem spe- ziell für die Festlichkeiten auf dem Niederwald herausgegebenen Preisver- zeichnis. Da eine Reaktion ausblieb, bat man am 6.9.1883 in Bonn um ein Verzeichnis sämtlicher Schiffe, die sich an der Nationalfeier beteiligen wür- den. Carl Racké schrieb am 8.9.1883, eine Bestellung seitens des Festkomi- tees sei nicht zu erwarten, da „das Beflaggen und Ausschmücken der Schiffe“ Sache derjenigen sei, die die Schiffe zur Festfahrt angemeldet hätten. Von der Schiffsliste sollte vorerst kein Gebrauch gemacht werden. Er bedauerte, daß ihm wegen angestrengter dringendster Arbeiten eine Beantwortung bis- her nicht möglich gewesen sei. Bis zuletzt war Carl Racké mit den Vorbereitungen für die Paradefahrt beschäftigt. Sechs Telegramme erreichten ihn in den Tagen unmittelbar vor der Fahrt zwecks Ankunftszeiten, Einreihung der Schiffe und Brückenbenut- zung. Nur eine Rückantwort ist erhalten: „Abänderung der Reihenfolge abso- lut unmöglich!“ f. Die Deputation der Mainzer Damen

Wie bei der Grundsteinlegung 1877 war auch bei der Denkmalsenthüllung 1883 eine Mainzer Damendeputation zugegen. In den Akten finden sich zehn Vorschläge zur Damenwahl in verschiedenen Handschriften. Von den 53 vor- geschlagenen Damen wurden zwölf, die die meisten Stimmen auf sich verei- nigten, ausgewählt und zu einer Besprechung am 14.9.1883 eingeladen. Bei diesem Treffen wurde die Einteilung der Deputation für den Empfang des Kaisers (rote Kleider) und der Kronprinzessin (blaue Kleider) vorgenommen und ein weiteres Treffen der Damen für den 19.9.1883 vereinbart. Ein unda- tiertes Schreiben an Carl Racké machte ihn „auf Frl. Fitting als Festjungfrau aufmerksam“, da „nicht nur die äußere Erscheinung, sondern auch das An- denken an den gemeinsamen Parteigenossen Herrmann Fitting“ für das Mädchen spräche. Dennoch wurde die junge Dame nicht berücksichtigt. Otto Sartorius wies am 14.9.1883 darauf hin, daß außer der Kronprin- zessin auch der Großherzogin von Baden ein „Bouquet“ zu überreichen sei. Dieser Vorschlag wurde aufgegriffen. Nach dem Schreiben des Festkomitees

70 Mit Hinweis auf Selbstfabrikation wurde angeboten, sämtliche Dekorationsgegenstände fünf Prozent billiger als alle anderen Anbieter zu liefern. Zur Sicherstellung der vertragsmäßigen Lieferung war man zur Stellung einer Kaution von 5.000 Mark bereit. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 49 vom 19.9.1883 an Graf zu Eulenburg sollte der Kaiser an der Rheinhalle „von der Sprecherin der Damendeputation mit einer ganz kurzen Ansprache be- grüßt werden, worauf Seiner Majestät von derselben dann ein, von einem Mainzer Künstler gefertigtes Gedenkblatt, welches die gesprochenen Worte enthält, übergeben wird. [...] Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin wird von einer zweiten Deputation mit einigen begrü- ßenden Worten ein Blumenstrauß überreicht werden, ebenso wie Ihrer König- lichen Hoheit der Frau Großherzogin von Baden.“ Durchweg handelte es sich

Bild 10: Kaiser Wilhelm I., Ehrengäste und Ehrenjungfrauen (aus Rüdesheim, Barmen, Dresden, Wiesbaden, Crefeld, Frankfurt a. M.) während der Einweihungsfeierlichkeiten um Töchter oder Verwandte von hohen Beamten und Angehörigen der geho- benen Bürgerschaft von Mainz, von denen einige dem Festkomitee angehör- ten.71

71 Auch die Stadt Bingen war durch eine Abordnung vertreten. In den Reihen der Binger Fest- damen befand sich Bertha Racké, eine Nichte Carl Rackés, Tochter von Adam Joseph Ra- cké, dem Begründer des heutigen Unternehmens RACKE A. GmbH + Co., Bingen am Rhein. Vgl. Rheinischer Kurier. Nr. 229 vom 29.9.1883, S. 1. Ebenso: Persönliche Mitteilung von Frau Dr. Ingrid Faust, Bingen am Rhein, Urenkelin von Adam Joseph Racké. Bertha Racké erhielt nach den Feierlichkeiten eine goldene Erinnerungsbrosche mit dem Bildnis des Kaisers sowie ein persönliches Schreiben der „Privaten Canzlei Sr. Majestät des Kaisers und Königs“, welche sich heute noch in Familienbesitz befinden. Darüber verfaßte 50 Niederwalddenkmal

Die Mitglieder der Deputation zur Begrüßung des Kaisers hießen: - Anna Ihm, Sprecherin, Tochter des Lederfabrikanten Rud. Ihm, - Martha Crüger, Tochter des Königlichen General-Majors Crüger, - Blanka Oechsner, Nichte des Bürgermeisterei-Beigeordneten Dr. Georg Oechsner, - Anna Rautert, Tochter des Wasserwerksbesitzers Dr. August Rautert, - Clara Reinach, Tochter des Rechtsanwaltes Dr. Carl Reinach, - Fräulein Anna Strecker, Tochter des Fabrikanten Wilhelm Strecker.

Die Kronprinzessin und die Großherzogin von Baden wurden begrüßt von: - Ella Bruch, I. Sprecherin, Tochter des Großherzoglichen Notars Dr. Bruch, - Katharina Haenlein, II. Sprecherin, Tochter des Fabrikdirektors D. Haenlein, - Louise Heidelberger, Tochter des Bankiers August Heidelberger, - Louise Küchler, Tochter des Großherzoglichen Provincialdirektors Friedrich Küchler, - Pauline Reinach, Tochter des Bürgermeisterei-Beigeordneten Hermann Reinach, - Anna Schäfer, Tochter der Kaufmannswitwe Joh. Kon. Schäfer.

Der Vorsitzende des Mainzer Festkomitees, Direktor Carl Racké, führte die Deputation gemeinsam mit dem Schriftführer, Kaufmann Ludwig Felmer, und dem Schatzmeister, Kaufmann Adolf Heß, an. Als Vertreter der Stadt Mainz waren zudem die Herren Oberbürgermeister Dr. DuMont sowie W. Strecker zugegen.72 Folgende Verse, gedichtet von Friedrich von Bodenstedt, trug An- na Ihm zur Begrüßung des Kaisers vor:

„Dir mit Herzensgruß zu huld’gen, Kommen wir vom gold’nen Mainz Her zum Denkmal deutscher Einheit, Heut’ enthüllt als Hort des Rhein’s.

Du, geliebter Kaiser, warst es, Der dem Volk die Einheit schuf; Als es galt, sie zu erkämpfen Folgten Alle Deinem Ruf.

Isabelle Malouvier, eine Ur-Ur-Großnichte von Bertha Racké, im Schuljahr 1984/85 an der Grundschule Bingen im Rahmen eines Schülerwettbewerbes eine Arbeit. 72 Rheinischer Kurier. Mittelrheinische Zeitung. Wiesbaden, Nr. 229, Zweite Ausgabe, vom 29.9.1883, S. 1. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 51

Solchem Bunde zum Gedächtniß Ragt Germania hier in Erz, Und bei ihrem Anblick höher Schlägt heut’ jedes Deutschen Herz.

Wie die Meerfluth wogt und hallt es Unabsehbar weit im Kreis, Großen Thaten zur Erinnerung, Dir zum Ruhm, Du Heldengreis!

Was wir treu für Dich empfunden, spricht mein dürftig Wort nicht aus, Laß die Blumen für mich reden, nimm zum Gruße diesen Strauß!“73

g. Einweihung und Dampferparade im Spiegel der regionalen Presse

Die Einweihungsfeierlichkeiten des Niederwalddenkmals fanden in der in- und ausländischen Presse umfangreiche Erwähnung. Journalisten aus Deutschland, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und England berich- teten über das Denkmal und den Festakt. Im gesamten Kaiserreich erschie- nen in den überregionalen und lokalen Zeitungen ausführliche Artikel, ferner Sonderbeilagen und Erinnerungsblätter.74 Stellvertretend für das enorme Presseecho sollen hier einige Presse- stimmen der Region zitiert werden. Als „Officielle Festzeitung zur Feier der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald“ zum 28.9.1883 gab der Verlag der Buch- & Steindruckerei Fischer & Metz, Rüdesheim, die Fest- ausgaben No. 1-4 des „Rheingauer Anzeigers“ heraus.75 Sie enthielten Be- richte über die Geschichte des Niederwaldes, die Entstehung des National- denkmals, den minutiösen Ablauf der Festlichkeiten von der Vorfeier am 27.9.1883 über die Einweihung, die anschließende Dampferparade, bis zu dem Turn- und Sängerfest am 30.9.1883 in Rüdesheim. Zu den Autoren zähl- te auch Ferdinand Heyl, der erstmals den Niederwald als Standort des Denkmals vorgeschlagen hatte. Ebenso waren unter anderem die Festreden sowie zahlreiche Verse national-patriotischen Inhalts abgedruckt, auch das

73 Gedicht vollständig abgedruckt in: Rheinischer Kurier. Mittelrheinische Zeitung. Wiesbaden, Nr. 229, Zweite Ausgabe, vom 29.9.1883, S. 1, ebenso in: Rheingauer Anzeiger. Rüdes- heim. 43. Jahrgang, Nr. 115, vom 2.10.1883, S. 2. (Hier fehlt die letzte Strophe). 74 Bestand 1034/63 des Hauptstaatsarchives Wiesbaden. 75 Privatbesitz. 52 Niederwalddenkmal

Gedicht von Emil Rittershaus aus Barmen, das Marie Heyl aus Wiesbaden bei der Ankunft Seiner Majestät dem Kaiser auf dem Niederwald vortrug.

Bild 11: Einweihung des Niederwalddenkmals.

Bereits am 19.9., 20.9. und 23.9.1883 veröffentlichte das „Mainzer Tag- blatt“ über das Nationaldenkmal auf dem Niederwald einen dreiteiligen „histo- rischen Rückblick“ von Joseph Schrattenholz.76 Weitere Vorabinformationen, wie Fahrpläne der Dampfschiffe, der Einsatz der Gendarmerie, Mitteilungen der beteiligten Vereine, die offizielle Festordnung sowie die Reihenfolge der Schiffe bei der Festfahrt folgten am 25.9. und 27.9.1883.77 Die Ausgaben vom 28.9., 29.9. und 30.9.1883 standen ganz im Zeichen der Enthüllung und Einweihung des Niederwalddenkmals.78 Korrespondenten berichteten von den in Scharen angereisten Gästen in Bingen und Rüdesheim, der Vorfeier mit Illuminationen beiderseits des Rheins und in aller Ausführlichkeit von dem eigentlichen Weiheakt auf dem Niederwald. An Bord der Schiffe „Bismarck“

76 Mainzer Tagblatt. Nr. 218. S. 1, Nr. 219. S. 1, Nr. 222. S. 1, Zweites Blatt vom 19.9., 20.9. und 23.9.1883. 77 Mainzer Tagblatt. Nr. 223. S. 1 f., Nr. 225. S. 1 f. vom 25.9. und 27.9.1883. 78 Mainzer Tagblatt. Nr. 226. Erstes Blatt. S. 1, Nr. 227. S. 1 f., Nr. 228. Erstes Blatt. S. 1f. vom 28.9., 29.9. und 30.9.1883. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 53 und „Wilhelm, Kaiser und König“ befanden sich Berichterstatter des „Mainzer Tagblatt“, die an der Festfahrt teilnahmen und ihre Eindrücke in der Auflage vom 30.9.1883 lebhaft wiedergaben. Ihren Schilderungen zufolge säumten schon bei der morgendlichen Abfahrt in Mainz jubelnde und winkende Men- schenmassen das geschmückte Ufer. Bingen und Rüdesheim waren aufs festlichste dekoriert. Im Augenblick der Denkmalsenthüllung schallten Hoch- rufe, Glockengeläute, Kanonenschüsse und tausendstimmiger Gesang über den Niederwald. Dem Augenzeugen zufolge gab es allerdings ein „bekla- genswertes Intermezzo“. Durch ein falsch verstandenes Zeichen fiel die Hülle am Hauptrelief des Denkmals zu früh, worauf die „Festkanonade“ eines „gu- ten Mainzer Obersten ebenfalls zu früh abgebrannt wurde, so daß die schö- nen kaiserlichen Worte kaum vernehmbar blieben“. Die Ausschiffung der Mainzer Delegation zur Begrüßung des nach Rü- desheim zurückkehrenden Kaisers übernahm der Regierungsdampfer „Tirail- leur“, während sich die Boote zur Paradefahrt aufreihten. Erwähnung fanden auch „die hübschen, rosafarbenen Kleider unserer liebenswürdigen Mainze- rinnen, durch ihre Einfachheit doppelt hervorstechend. Die jungen Damen kamen nach Schluß der Paradefahrt wieder an Bord. Und wie hatten sie glückliche Gesichter!“ Nach einem Diner auf dem Festschiff mit Trinksprü- chen auf den Kaiser begann die Rückfahrt entlang der illuminierten und mit bengalischen Lichtern geschmückten Rheingaustädtchen. Dagegen nahm sich die aus wenigen Gaskörpern und Pechfackeln bestehende „‚Beleuch- tung‛ von Mainz recht arm aus“, kritisierte der Zeitzeuge. Im gleichen „Main- zer Tagblatt“ ist folgende Reaktion aus Rüdesheim zu lesen: „Der Glanzpunkt des Festes, von Rüdesheim aus beobachtet, war die Paradefahrt der Rheinflotille [sic].“ Die eindrucksvolle Schiffsflotte, die sich in Rüdesheim präsentierte, so- wie der Empfang der Mainzer Damen und Herren durch den Kaiser war The- ma des „Mainzer Anzeiger“ vom 30.9.1883.79 Die Feier der Einweihung sei „als eine sowohl vom Wetter begünstigte als auch sonst in jeder Weise ge- lungene“ zu betrachten. Bereits in den Tagen zuvor erschienen in dem Blatt Kurzinformationen80 über die Mainzer Deputation, die Festfahrt sowie über die „poetische Huldigung“ an den Kaiser, die Cl. Kissel auf Pergament künst- lerisch ausgeführt hatte und die Anna Ihm aus Mainz vortragen und überrei- chen durfte.

79 Mainzer Anzeiger. 34. Jahrgang Nr. 228 vom 30.9.1883, S. 1. 80 Mainzer Anzeiger. 34. Jahrgang Nr. 226 vom 28.9.1883, S. 2; Nr. 227 vom 29.9.1883, S. 2. 54 Niederwalddenkmal

Bild 12: Auffahrt der Rheinflotte, von Bingen aus gesehen.

Eine lebendige Beschreibung der Dampferflotte und des Empfangs der Mainzer Deputation ist auch der zweiten Ausgabe des „Rheinische[n] Kurier“ vom 29.9.1883 zu entnehmen.81 Regionale Zeitungen wie der „Binger Anzei- ger“, der „Rheingauer Anzeiger“ und der „Rheingauer Volksbote“ erwähnten zudem lokale Vorkommnisse rund um die Festtage. So erschien im „Binger Anzeiger“ Nr. 79 vom 29.9.1883 eine Anzeige, in der „Germania-Confect. Hochfeines neues Mandelconfect und schönstes Gebäck zum Schützenwein [...] mit Abbildung des Nationaldenkmals“ angeboten wurde. Das Binger Schützenfest fand vom 28.9.-3.10.1883 anläßlich der Einweihung des Nie- derwalddenkmals statt. Hierzu erschienen vier Ausgaben der „Binger Schüt- zenfest-Zeitung“, in denen in Artikeln und Anzeigen das Ereignis der Denk- malseinweihung Erwähnung fand. Beispielsweise offerierte das Fotogeschäft J. B. Hilsdorf, Bingen am Rhein, „alle, auf das National-Denkmal bezüglichen Bilder“. Kritik wurde an der Trajectverbindung zwischen Bingen und Rüdes- heim geäußert, die sich am Festtag als unzureichend herausgestellt hatte.

81 Rheinischer Kurier. Mittelrheinische Zeitung. Wiesbaden. Nr. 229. Zweite Ausgabe vom 29.9.1883, S. 1. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 55

Tausende konnten nicht nach Rüdesheim befördert werden, zumal die „Flot- tenauffahrt ein unüberwindliches Verkehrshinderniss“ darstellte.82 Eine Meldung im „Rheingauer Volksbote“ bezog sich ebenfalls auf Bin- gen. Trotz der Warnungen auf Plakaten vor Taschendieben seien die Enthül- lungsfeierlichkeiten des Niederwalddenkmals für „Hochstapler und sonstige Spitzbuben wieder eine Zeit der Ernte“ gewesen. Die bei der Polizei gemelde- ten Taschendiebstähle seien nicht gering und einzelne Personen empfindlich geschädigt worden. Die als entwendet gemeldeten Geldbeträge hätten be- reits die Höhe von 5.000 Mark erreicht. Einem Herrn sei eine Geldbörse mit 1.400 Mark Inhalt, einem anderen eine Brieftasche mit 2.000 Mark an Wert- papieren gestohlen worden.83 Über diese Diebstähle berichtete auch der „Rheingauer Anzeiger“, eben- so über entwendete wertvolle Uhren und Ketten. Einem Trickbetrüger fiel ein junger Mann aus Mainz zum Opfer, an den sich am Binger Rheinufer ein ele- gant gekleideter Herr mit den Worten herandrängte: „Sind Sie nicht Herr Prof. Müller aus Gießen?“ Nach Verneinung der Frage durch den Angesprochenen und wortreicher Entschuldigung des Fremden entfernte sich dieser. Als der Mainzer auf seine Uhr schauen wollte, entdeckte er lediglich den Haken an der Weste. Uhr, Kette sowie der Fremde waren im Gedränge verschwun- den.84 In der nächsten Ausgabe des „Rheingauer Anzeiger“, die schwerpunkt- mäßig die Festivitäten in Rüdesheim nach der Denkmalsenthüllung behandel- te, erwähnte der verantwortliche Redakteur, J. L. Metz aus Rüdesheim, ein „besonderes Wohlgefallen“ des deutschen Kronprinzen. Er war von „der reso- luten Art, in welcher die jungen Damen auf dem Niederwald und in Rüdes- heim ihre Ansprachen vorbrachten“ angetan. Hoheit meinte, „das müsse wohl im rheinischen Wesen liegen, er habe noch nie junge Damen so famos spre- chen hören, wie bei diesem Feste.“85

82 Binger Schützenfest-Zeitung. Nr. 2 vom 30.9.1883, S. 1. 83 Rheingauer Volksbote. 1. Jahrgang. Nr. 56 vom 3.10.1883, S. 3. 84 Rheingauer Anzeiger. 43. Jahrgang. Nr. 115 vom 2.10.1883, S. 3. 85 Rheingauer Anzeiger. 43. Jahrgang. Nr. 116 vom 6.10.1883, S. 3. 56 Niederwalddenkmal

Bild 13: Postkarte des Denkmals mit technischen Daten.

h. Hymnen und Mißtöne nach der Festfahrt

Am Tag nach der Denkmalseinweihung, am 29.9.1883, verfaßte Otto Sartori- us ein Dankschreiben an den „hochverehrten“ Carl Racké. Er äußerte sich enthusiastisch über den Verlauf der Feier: „Ehe ich eine andere Zeile schrei- be – tausend Dank den Mainzer Herrn, welche die wunderbar schöne Feier auf dem Rheine erdacht und so vollendet durchgeführt haben! Ich werde noch zu sehr von allen Eindrücken der letzten Tage beherrscht, als daß ich viel schreiben könnte: Nur vor Allem Ihrem Festcomite herzlichsten Dank von Ihrem ganz ergebensten Sartorius Landesdirektor von Nassau“. Doch trotz allen Lobes, das dem Mainzer Festkomitee wegen der gelun- genen Dampferparade und dem Auftritt der Damendeputation zuteil wurde, sollten noch erhebliche Probleme bei der Kostenabwicklung auf die Verant- wortlichen zukommen. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 57

Bild 14: Niederwalddenkmal, Gesamtaufnahme. 58 Niederwalddenkmal

An Adolph Heß, Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses und Kas- sierer, erging am 27.10.1883 ein Schreiben der „Rhein-Dampfschiffahrt- Gesellschaft“ von Köln und Düsseldorf. Daraus geht hervor, daß der Festausschuß mit Berufung auf getroffene Vereinbarungen die beiden Salon- boote „Wilhelm“ und „Humboldt“ mit Laubgirlanden schmücken ließ und dies sowie die Kosten für die Herrichtung einer zweiten Landebrücke der Gesell- schaft bei der Rechnungsbegleichung abzog. Entschieden verwahrte sich diese dagegen, da „von einer solchen Uebereinkunft nicht das Mindeste be- kannt“ gewesen sei. Bei der Bootsvermietung sei nur von „einer festlichen Ausstaffirung derselben“ ohne nähere Angaben sowie der „Beschaffung des für die Salutschüsse nöthigen Pulvers’“ auf Rechnung der Gesellschaften die Rede gewesen. Unter „‚Ausstaffirung“ könne nur die allgemein übliche Aus- schmückung mit Flaggen, die im vorliegenden Falle „in weihelichster Weise“ geschehen sei, nicht jedoch mit Laubgirlanden oder Kränzen verstanden werden. Auch für die zweite Landebrücke fühlte sich die Gesellschaft nicht verantwortlich und bestand auf der vollen Zahlung des Mietpreises, zumal man dem Komitee die Boote äußerst billig vermietet habe und ihm damit in „weitestgehender Weise bereits entgegen gekommen“ sei. Der Festausschuß hielt dagegen am 12.11.1883 mit Verweis auf das Schreiben vom 14.8.1883 an der Auffassung fest, daß die Ausschmückung Sache der Gesellschaft gewesen sei. Damit die Salonboote „den übrigen un- tergeordneten Festschiffen in der Ausstattung mindestens nicht nachstehen würden, haben wir das Mangelnde rasch herbeischaffen lassen und dadurch das richtige Verhältnis hergestellt“, wurde argumentiert. Auch der Bau der Brücke sei notwendig gewesen. Dies wiesen die Herren Leroy und Finmann aus Köln und Düsseldorf am 17.11.1883 erneut zurück mit Berufung auf die Konferenz am 23.9.1883. Dort sei den „in dieser Beziehung gefolgerten Schlüssen [...] ganz entschieden widersprochen worden“. Auf der Restzah- lung wurde bestanden. Carl Racké legte den Schriftwechsel Dr. Carl Reinach, Rechtsanwalt und Mitglied des Festausschusses, vor, der ihn am 21.11.1883 zurückgab. Auch er war der Meinung, unter einer festlichen Ausstattung, zumal zur Huldigung des Kaisers bei einem „solchen nationalen Akte“, sei mehr zu erwarten als das Aufziehen von Flaggen. Auch Carl Stephan Michel sah die Akten ein. Seinem Schreiben vom 21.11.1883 ist zu entnehmen, daß eine Sitzung in Düsseldorf stattfinden sollte, an der er wegen Wahlverpflichtungen jedoch nicht teilnehmen könne. In einem privat an Carl Racké gerichteten Schreiben vom 22.11.1883 li- stete Adolph Heß die einbehaltenen Beträge auf. Seines Erachtens sollte „gutwillig“ nichts zurückgegeben werden, allerhöchstens könnten 120 Mark für die Kränze der „Humboldt“ anerkannt werden. Er bemerkte: „Wenn nach- Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 59 träglich die Stimmung Ihrer Herren Directoren nun eine andere geworden oder wenn dieselbe in deren Innern niemals eine so freudige bereitwillige Un- terstützung unserer nationalen Feier gestattete, so denke ich doch, daß die Vorstände der beiden Gesellschaften bei Ihrer Zusammenkunft in Düsseldorf, genügende Anzahl besser gesinnter Männer in sich vereinen, und daß die- selben unserer Anschauung Gerechtigkeit widerfahren lassen, gegenüber der Direction“. Er erklärte sich bereit, falls möglich, Carl Stephan Michel als „Wahl Commissair“ zu vertreten, der ansonsten der Sitzung nicht beiwohnen könne. Die Unterstützung Carl Rackés durch Michel bei der Düsseldorfer Zusam- menkunft schien ihm angeraten. Von wem Carl Racké zur Sitzung begleitet wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Augenscheinlich kam es jedoch zu keiner Einigung zwischen den Mainzer und Köln-Düsseldorfer Parteien. Darauf läßt das private Schreiben vom 5.12.1883 Rackés an den Präsidenten der Düsseldorfer Dampfschiff- fahrts-Gesellschaft, Kommerzienrat Weyermann, schließen. In einem sechs- seitigen Brief schilderte er die Sachlage von Anfang der Beziehungen an, verwies auf 1877 und gab seine persönlichen Eindrücke wieder, so die vom 10.8.1883: „Überhaupt nahm ich an diesem Tage noch den beruhigenden Eindruck mit, daß uns keine erschwerenden Bedingungen auferlegt würden.“ Er zog den Schluß, „daß unter festlicher Ausstaffierung in dem vorliegenden außergewöhnlichen Falle etwas mehr als nur die Beflaggung der Schiffe“ zu verstehen sei und der Bau einer zweiten Brücke auf Kosten der Gesellschaft gehe. Er zitierte aus dem Schreiben vom 8.8.1883, in dem die festliche Aus- stattung, besonders des Dampfers „Wilhelm“, angesprochen wurde, wogegen kein Einwand seitens der Gesellschaft erfolgte. Mit den Kosten für die Lande- brücke, wenngleich dies Carl Stephan Michel bei der Konferenz am 20.9.1883 mitgeteilt worden sei, würde dem Festausschuß zu viel aufgebür- det. Besonders empfindlich berührt zeigte sich Racké vom Brief Leroys, in dem dieser seinerzeit die Festfahrt in Frage gestellt hatte. Die Schwierigkei- ten, „die namentlich mir selbst die ganze Sache, für die ich wochenlang gear- beitet hatte, verleideten und mir nicht einmal eine angenehme Rückerinne- rung hinterließen, indem die Paradefahrt wegen des übergroßen Abstandes der Schiffe ohne die gehoffte Wirkung blieb; ja sogar nach meiner Ansicht mißlungen ist“, wie Racké formulierte, seien nicht bereinigt. Es würden „nur Mißverständnisse die Schuld tragen, die ich in meiner Stellung doppelt be- dauern muß, und weiter stehen wir vor einem ungedeckten Defizit von ca. M 600 die nun womöglich durch nachträgliche freiwillige Beiträge aufgebracht werden sollen“, fuhr er fort. Er versicherte ausdrücklich, daß nicht das Defizit zum Kostenabzug geführt habe, sondern daß nach Ansicht des Ausschusses „nichts Unbilliges“ beansprucht würde. Nach der Auffassung Rackés dürfte 60 Niederwalddenkmal die Sache „nicht ausschließlich vom Standpunkte des formellen Rechtes, sondern auch von demjenigen der Billigkeit erwogen und erledigt werden“. Sollte keine gütliche Regelung möglich sein, müsse vom Festkomitee ein Beschluß zur Beschaffung der Mittel gefaßt werden, damit „unter allen Um- ständen vermieden wird daß ein gerichtlicher Austrag das Nachspiel eines so erhabenen Festes sein soll“. Seine „persönliche Meinungsäußerung“ sei not- wendig, um dem Präsidenten gegenüber „gerechtfertigt zu sein“. Ob und in welcher Weise sich der Präsident äußerte, ist den Akten nicht zu entnehmen. Dagegen erinnerten am 19.12.1883 die Gesellschaften Racké an ihr Schreiben vom 17.11.1883 und erwarteten eine Antwort. Diese erfolgte am 20.12.1883. Daraus ist zu entnehmen, daß in der Schlußsitzung mit „Rech- nungsablage“ vom 16.12.1883 das Mainzer Festkomitee vom geschäftsfüh- renden Ausschuß über die Differenzen informiert worden war. Bei dieser Zu- sammenkunft habe man die „strittige Frage nach allen Seiten hin und zwar unparteiisch erwogen“. Zur gütlichen Lösung im beiderseitigen Sinne wurde vorgeschlagen, daß das Festkomitee die Kosten für die Ausschmückung bei- der Schiffe in Höhe von 240 Mark übernehme, dagegen die 145 Mark für die Landebrücke von den Gesellschaften getragen würden. Das Schreiben des Mainzer Festkomitees endete mit den Worten „in der Erwartung daß obiger Vorschlag auch Ihrerseits in Würdigung des patriotischen Festes, dem wir gemeinsam dienten, Billigung und Annahme finden wird“. Weitere Korres- pondenz zu diesem Thema ist nicht vorhanden. Es kann also davon ausge- gangen werden, daß die Gesellschaften den Vorschlag akzeptierten. Während sich Carl Racké und die Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses noch Monate nach der Festfahrt mit Problemen konfrontiert sa- hen, zeigten nicht alle Angehörigen des Komitees das gleiche Engagement. Dies belegt die folgende Nachricht des Generals der Infanterie und Gouver- neurs von Woyna an Racké vom 15.12.1883: „Dem verehrten Vorstande danke ich recht sehr für die freundliche Aufforderung zur Beiwohnung der morgen Vormittag 11 Uhr im kleinen Saale des Stadthauses stattfindenden Schlußsitzung des Mainzer Fest-Comite’s zur Einweihung des National- Denkmals, bin indeß durch den Kirchgang an der Theilnahme verhindert.“ Die Kostenabwicklung für das vom Festkomitee für die Beamten der Strompolizei angemietete Schraubenboot „Tirailleur“ gestaltete sich gleich- falls recht schwierig. Ein Gesuch vom 27.10.1883 zwecks Übernahme der Kosten für das Schiff war von der Großherzoglichen Provinzial-Direction Rheinhessen abgelehnt worden. Carl Racké wandte sich daher im Namen des Mainzer Festkomitees in einem vierseitigen Schreiben am 27.12.1883 wegen Begleichung der „Kosten der strompolizeilichen Beaufsichtigung“ an das Großherzogliche Ministerium in Darmstadt. Er begründete dies damit, daß das Schiff nicht dem Festkomitee, sondern ausschließlich der im Interes- Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 61 se des Staates handelnden Strompolizei gedient habe, die für die Sicher- heitsvorkehrungen während der Festfahrt auf diesem Teil des Rheines zu- ständig gewesen sei. Die Kostenübernahme müsse dem Komitee um so fer- ner liegen, als es niemals annehmen konnte, die Großherzogliche Regierung folge einer anderen Auffassung als die Königlich Preußische Regierung. Das Komitee glaubte sich durch die Anmietung des Schiffes für die Beamten „den besonderen Dank der höchsten Staatsregierung zu verdienen“. Sollte ein formelles Versäumnis vorliegen, dürfte dies unter den gegebenen Umständen wohl verzeihlich erscheinen. Galt es doch bei diesem Fest von hoher nationa- ler Bedeutung, Seiner Majestät dem Kaiser, den deutschen Fürsten, unter denen sich auch der Landesfürst befunden habe, zu huldigen. Carl Racké hoffte, die Behörde gebe dem Gesuch statt: „Wir würden es in der That tief beklagen, wenn wir durch Ablehnung dieses Gesuches uns genöthigt sehen müßten, die in unserem Budget nicht vorgesehenen Kosten des zur strompo- lizeilichen Beaufsichtigung des Rheins Seitens der Beamten des Staats ge- mietheten Boots durch eine öffentliche Sammlung zu beschaffen u. dadurch auf das in jeder Hinsicht so glanzvoll verlaufene u. allen Theilnehmern in hö- herer Erinnerung stehende Fest nachträglich einen trüben Schatten zu wer- fen“. Die Firma „Stenz & Bruckwilder, Dampfschiffahrt“ teilte am 17.3.1884 Adolph Heß, Kassierer und Ausschußmitglied, mit, daß das Hauptsteueramt in Biebrich die Zahlungsanweisung für die Miete des Schraubenbootes „Tirail- leur“ an die Regierungshauptkasse in Wiesbaden zurückgehen ließ. Darauf sei vermerkt worden, daß die Zahlung des Festkomitees an Herrn Bruckwil- der inzwischen durch die Vermittlung des Herrn Racké erfolgt wäre. Aufgrund dieses Schreibens kann vermutet werden, daß dem oben genannten Gesuch Carl Rackés stattgegeben wurde, mittlerweile aber bereits das Komitee die Schiffsmiete beglichen hatte. Ob der Tatbestand an sich, der Hinweis auf die Haltung der Königlich Preußischen Regierung oder die mögliche öffentliche Sammlung den Ausschlag gaben, dem Gesuch zu entsprechen, kann den Akten nicht entnommen werden.

VII. Schlußbetrachtung

Anhand des Aktenbestandes 70/162 des Mainzer Stadtarchivs sowie des Be- standes Abt. 1034/48 und 1034/49 (Nachlaß Sartorius) des Hauptstaatsarchi- ves Wiesbaden war eine weitgehende Rekonstruktion der Aktivitäten des Mainzer Festkomitees möglich. Eindrucksvoller als bei der Grundsteinlegung 1877 konnte das Mainzer Festkomitee, allen voran Carl Racké als Vorsitzender des geschäftsführen- den Ausschusses, 1883 bei der Enthüllung des Niederwalddenkmals die Idee 62 Niederwalddenkmal einer Festfahrt auf dem Rhein mit Paradefahrt vor Kaiser Wilhelm I. in die Tat umsetzen. Allerdings mußten Einschränkungen hingenommen werden. Von 31 beteiligten Schiffen durften nur 18 die eigentliche Parade fahren. Die Ent- täuschung Rackés sprach aus seinem Schreiben vom 5.12.1883 an Kom- merzienrat Weyermann. Otto Sartorius hingegen äußerte sich am 29.9.1883 begeistert über den Verlauf. Die ursprüngliche Vorstellung des Großen Komitees und des Ausschus- ses unter Graf zu Eulenburg, das Geld für das Nationaldenkmal würde vom Volk durch Spenden aufgebracht werden, erfüllte sich nicht. Letztlich konnte nur durch die Bewilligung von 400.000 Mark durch den Reichstag das Projekt realisiert werden, dessen Gesamtkosten 1.190.812,63 Mark betrugen.86 Die Mitglieder des Mainzer Festkomitees, insbesondere Carl Racké, widmeten sich monatelang mit großem Engagement der „nationalen Sache“, wie den korrekt und präzise geführten Akten zu entnehmen ist. Die unerfreu- lichen Verhandlungen mit den Dampfschiffahrts-Gesellschaften in Köln und Düsseldorf und das zähe Ringen um die Kostenübernahme für den Schmuck der Festschiffe belegen die gegensätzlichen Positionen. Nicht der „National- gedanke“, sondern wirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmten die Entschei- dungen der Unternehmen. Dadurch erfährt das Ergebnis von Lutz Tittel, „daß die ‚nationale Begeisterung‛ keine tragfähige Grundlage für die Ausführung des Denkmalgedankens bildete“,87 eine weitere Bestätigung. Wenn auch nicht unangefochten,88 kann nur das Niederwalddenkmal nach 1870/71 als „das deutsche Nationaldenkmal“89 gelten. Die ursprüngliche Intention, ein Denkmal „Zum Andenken an die einmüthige Erhebung des Deutschen Volkes“ und „an die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches 1870/71“ zu errichten,90 versuchte Professor Johannes Schilling in der Ge- stalt der „Germania“, den Reliefs, den allegorischen Figuren sowie den Tex- ten symbolisch umzusetzen. Mehrere schriftliche Äußerungen von ihm geben Hinweise auf die inhaltlich-formale Gesamtkonzeption.91 Ein Wandel der in- haltlichen Deutung vom „Friedens-“ zum „Siegesdenkmal“ deutete sich aller- dings bereits während der Erbauungsphase an.92 Das Abflauen der anfängli-

86 Ausführlich behandelt bei L. Tittel 1979, S. 53-74. 87 Vgl. L. Tittel 1979, S. 72. 88 Vgl. L. Tittel 1979, S. 121. 89 Tittel, Lutz: Monumentaldenkmäler von 1871 bis 1918 in Deutschland. Ein Beitrag zum The- ma Denkmal und Landschaft. In: Mai, Ekkehard / Waetzoldt, Stephan (Hrsg.): Kunstverwal- tung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich. Berlin 1981 (= Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich, 1), S. 262. 90 L. Tittel 1979, S. 75. Vgl. auch O. Sartorius 1888, S. 71. 91 Vgl. L. Tittel 1979, S. 78f. 92 Vgl. L. Tittel 1979, S. 86-91. Botho Graf zu Eulenburg leitete in seiner Rede zur Grundstein- legung bereits den Wandel ein. Nach seiner Interpretation überreiche die Germania dem Kaiser, der der „Auserkorene“ sei, die Krone. Die Person des Kaisers und damit das ‚monar- chische Prinzip’ sollten hervorgehoben und gestärkt werden, da die politische Situation nicht Volkskunde in Rheinland-Pfalz 19/1, 2004 63 chen nationalen Begeisterung nach der Reichsgründung, das Erstarken Frankreichs sowie innenpolitische Probleme begünstigten die Interpretation des Monumentes als „Siegesdenkmal“, das zudem als Mahnung zur Einheit verstanden werden sollte.93 Graf Botho zu Eulenburg bezeichnete 1883 in seiner Festrede zur Einweihung zwar das Denkmal „als Wahrzeichen des Friedens“, beschwor aber auch die Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes als Hüter des Vaterlandes.94 In der Folgezeit verdrängte der Siegesaspekt die ursprüngliche Symbolik. Gegen Frankreich, nach Westen, sei die Germania gerichtet, lautete die Version, die der offiziellen Propaganda entgegenkam.95 Diese Fehlinterpretation, die weder der Intention Schillings96 noch den tat- sächlichen Gegebenheiten entspricht, ist auch heute noch in der Literatur zu finden.97 Bereits seit der Grundsteinlegung 1877 entwickelte sich das National- denkmal auf dem Niederwald zu einer Touristenattraktion98 und die „Germa- nia“ wurde auf Briefmarken und Geldscheinen verewigt.99 Nach den beiden Weltkriegen von Zerstörung bedroht100 und künstlerisch umstritten,101 hat das Monument dennoch auch 120 Jahre nach seiner Enthüllung nichts an Anzie- hungskraft eingebüßt. Jährlich ist es das Ziel Tausender von Besuchern aus aller Welt. Die historischen Ereignisse, die zur Errichtung des Denkmals führ- ten, dürften vielen bekannt sein. Nur wenige wissen um den Einsatz des Mainzer Festkomitees und den Carl Rackés zur Ausrichtung von Festfahrten auf dem Rhein bei der Grundsteinlegung und Einweihung des Niederwald- denkmals. Dieses Mainzer Engagement will der vorliegende Beitrag in Erin- nerung rufen.

der offiziellen Darstellung eines innerlich geeinten Deutschlands entsprach. Nach Prof. Schil- ling solle nicht der Kaiser, sondern Germania, die die Krone errungen habe und sich selbst kröne, im Fokus stehen. Vgl. hierzu L. Tittel 1979, S. 78 u. S. 86f. 93 Vgl. L. Tittel 1979 S. 88 f. 94 Vgl. O. Sartorius 1888, S. 115-117. 95 Vgl. L. Tittel 1979, S. 90. 96 Nicht gegen Frankreich, sondern zum deutschen Reich wende sich die Germania, wie Schil- ling im Oktober 1876 an Landrat Fonck in Rüdesheim schrieb. Vgl. L. Tittel 1979, S. 79. 97 So z. B. Nipperdey, Thomas: Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahr- hundert. In: Historische Zeitschrift, 206, 1986, S. 529-585, hier S. 566. 98 Vgl. R. Engelhardt 1973, S. 37-38. 99 Vgl. R. Alings: Monument und Nation. S. 175. 100 Vgl. L. Tittel 1979, S. 117. 101 Vgl. T. Nipperdey 1986, S. 567. 64 Niederwalddenkmal

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

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Literatur

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Zeitungsartikel und Festschriften

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Officielle Festzeitung zur Feier der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald. Festausgabe des „Rheingauer Anzeigers“. No. 1-4. Rüdesheim, 28.9.1883. Rhein= und Nahe=Bote (Binger Kreisblatt). 46. Jahrgang. III. Jahrgang. Nr. 74 (Erstes und Zweites Blatt) vom 15.9.1877; Nr. 75 (Erstes Blatt) vom 19.9.1877; Nr. 76 (Erstes Blatt) vom 22.9.1877. Rheingauer Anzeiger. 43. Jahrgang. Nr. 115 vom 2.10.1883; Nr. 116 vom 6.10.1883. Rheingauer Volksbote. 1. Jahrgang. Nr. 56 vom 3.10.1883. Rheinischer Kurier. Mittelrheinische Zeitung. Nr. 229. Zweite Ausgabe vom 29.9.1883.

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Stadtarchiv Mainz, BPS-alphabetische Sammlung: Bild 2

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Bild 1 (Abt./Nr. 1034/49), Bild 3 (Abt./Nr. 1034/49), Bild 4 (Abt./Nr. 1034/27), Bild 6 (Abt./Nr. 1034/48), Bild 7 (Abt./Nr. 1034/48), Bild 8 (Abt./Nr. 3008/404 u. 3008/405), Bild 9 (Abt./Nr. 3008/409)

Stadtarchiv Bingen: Bild 13, Bild 14

Waltraud und Hanns-Peter Rickassel, Foto-Handlung, Rüdesheim a.R.: Bild 5, Bild 10, Bild 12

Dr. Ingrid Faust, Bingen a. Rhein Bild 11