Rundfunk und Geschichte

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

25. Jahrgang Nr. 2 I 3- April I Juli 1999

Die Rundfunkpolitik des Stahlhelm (1930- 1933)

Der Fensehsender Paris (1942- 1944)

Fernsehstuben in der DDR und anderswo

Rundfunk in den neuen Bundesländern (1990 - 1992)

Rundfunkkommentare des Senders Freies und des Berliner Rundfunks (1955)

Rezensionen

Bibliographie

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte

Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

Zitierweise: RuG -ISSN 0175-4351 Redaktion: Ansgar Diller Edgar Lersch Redaktionsanschrift

Dr. Ansgar Diller, Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt am Main - Berlin, Bertramstraße 8, 60320 Frankfurt am Main, Tel. 069-15687212, Fax 069-15687200 Dr. Edgar Lersch, Südwestrundfunk, Historisches Archiv, 70150 Stuttgart, Tel. 0711-9293233, Fax 0711-9293345 Redaktionsassistenz: Dr. Stefan Niessen Herstellung: Michael Friebel Redaktionsschluß: 27. Juli 1999 Das Inhaltsverzeichnis von »Rundfunk und Geschichte« wird ab Jg. 19 (1993), H. 1, im INTERNET (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschr/RuGe/rugindex.htm) angeboten. Inhalt

25. Jahrgang Nr. 2 I 3 -April I Juli 1999

Aufsätze Florian Cebulla Die Rundfunkpolitik des Stahlhelm (1930- 1933) 101 PetraTruckendanner Der Fernsehsender Paris Deutsch-französisches Okkupationsfernsehen ( 1942 - 1944) 107 Michael Meyen Fernsehstuben in der DDR und anderswo 118 Reiner Stein Kein Auferstehen aus Ruinen. Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Bundesländern ( 1990 - 1992) 127

Dokumentation Maral Herbst »Offen und rückhaltlos, wie Freunde das zu tun pflegen« oder »Die Sowjetführer in Berlin«. Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks zum Besuch von Bulganin und Chruschtschow in Berlin am 26. Juli 1955 142

Miszellen Hans Mahle (1911 -1999) (lngrid Pietrzynski) 150 Eis Vordemberge (1902- 1999) (Birgit Bernard) 152 »Bambule«. Zur Absetzung eines Fernsehspiels (1970) (Stephan Rechlin) 153 Drittes Forum Medienrezeption »Information und lnformationsnutzung« (Edgar Lersch) 156 Die offiziellen Programmzeitschriften der Schweizerischen - und Fernsehgesellschaft (Benno Schmid) 159 Ein Paradies für Kommunikationswissenschaftler? Der audiovisuelle Lesesaal der neuen französischen Nationalbibliothek in Paris (Muriel Favre) 162 Zur Ökonomie von Medienunternehmen im 20. Jahrhundert. Eine Tagung 164

Rezensionen lrene Neverla (Hrsg.): Das Netz-Medium. Kommunikationswissenschaftliche Aspekte eines Mediums in Entwicklung Beatrice Dembach u.a. (Hrsg.): Publizistik im vernetzten Zeitalter. Berufe- Formen- Strukturen. Bertelsmann Stiftung/Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.): Bildungsinnovation durch Medien Gudrun Grass u.a. (Hrsg.): Studieren und Forschen im Internet. Perspektiven für Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft (Christian Filk) 165 98 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Jürgen Felix u.a.(Hrsg.): Radioästhetik-Hörspielästhetik (Edgar Lersch) 167 Helmut Kreuzer (Hrsg.): Radio {Edgar Lersch) 168 Carsten Lenk: Die Erscheinung des Rundfunks. Einführung und Nutzung eines neuen Mediums 1923 - 1932 (Renate Schumacher) 169 Hans Bohrmann/Gabriele Toepser-Ziegert (Hrsg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit: 1937 (Ansgar Diller) 170 Margot Hamm u. a. (Hrsg.): Der Ton. Das Bild. Die Bayern und ihr Rundfunk 1924 - 1949 - 1999 (Ansgar Diller) 171 Radiozeiten . 50 Jahre . Stimmen, Szenen, Dokumente (Walter Roller) 172 Erich Selbmann: OFF Adlershof. Wege übers Fernsehland. Zur Geschichte des DDR-Fernsehens (Rolf Geserick) 173 Klaus Beucher u.a.: Mediengesetze. Rundfunk, Mediendienste, Teledienste. Albrecht Hesse: Rundfunkrecht Die Organisation des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland (Ansgar Diller) 174 Walter Klingler u.a. (Hrsg.): Fernsehforschung in Deutschland. Themen -Akteure - Methoden (Helmut Schanze) 175 Alfred Sous: Ein Orchester für das Radio. Das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt {Themas Münch) 176 Heinz W. Burow: Musik, Medien, Technik. Ein Handbuch (Themas Münch) 176 Kaspar Maase: Grenzenloses Vergnügen. Der Aufstieg der Massenkultur 1850-1970 (Detlef Siegfried) 177 Udo Thiedeke: Medien, Kommunikation und Komplexität. Vorstudien zur Informationsgesellschaft (Christian Filk) 179 Bilder, die lügen. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik, Sonn (Wolfgang Mühi-Benninghaus) 180 Günter Agde: Flimmernde Versprechen. Geschichte des deutschen Werbefilms im Kino seit 1887 (Wolfgang Mühi-Benninghaus) 181 Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD), 1945 - 1949. Struktur und Funktion (Petra Galle) 182 European Union (Hrsg.): EBU Yearbook 1997 European Broadcasting Union (Hrsg.): EBU Yearbook 1998 (Oliver Zöllner) 184 Jürgen Kirschner: Fischer Handbuch. Theater, Film, Funk und Fernsehen (Ansgar Diller) 185 Inhalt 99

Bibliographie Online, Internet und Digitalkultur. Bibliographie zur jüngsten Diskussion um die Informationsgesellschaft (Christian Filk) 186 Zeitschriftenlese (79) (1 .1. - 30.4.1999) (Rudolf Lang) 194

Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Mitgliederversammlung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte in Siegen 197 Internet, E-Mail und Studienkreis 197 27. Examenskolloquium Rundfunkforschung des Studienkreises in Baden-Baden 1999 198

Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv Weitere Publikationen in der Buchreihe des DRA Hans-Uirich Wagner: Günter Eich und der Rundfunk 199 ARD-Stipendien zur Erforschung des DDR-Rundfunks für 2000 199 Kalter Krieg und MauerfalL »Stimmen des 20. Jahrhunderts« mit zwei neuen CDs Ost-Westkonflikt Wiederbewaffnung und Kalter Krieg in Deutschland 1949 - 1956 Die Mauer fällt. Die Wende in Deutschland vom Januar 1989 bis zum 3. Oktober 1990 199 100 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Autoren der längeren Beiträge

Florian Cebulla, Goethestraße 14, 34119 Kassel

Maral Herbst, Walsroder Straße 9, 12169 Berlin

Dr. Michael Meyen, Am Hirtenhaus 2, 04159 Leipzig

Reiner Stein, Eickhorster Str. 6, 38533 Vordorf

Dr. Petra Truckendanner, Scharnsteinerstraße 39, A-4818 Gmunden Florian Cebulla

Die Rundfunkpolitik des Stahlhelm (1930- 1933)*

»Der Kampf um den deutschen Rundfunk ist nicht zu tiv-großbürgerliche und mittelständische Milieu, führen mit bloßer politischer Agitation . Es handelt aus dem sich die Anhängerschaft der Deutsch­ sich um die direkte Beeinflussung eines Kulturinstru­ nationalen und des Stahlhelm überwiegend re­ ments, um die Eroberung einer Machtposition. ( ... ) krutierte6 und in dem spätestens seit 1930 die Wir brauchen ein neues deutsches Rundfunkpro­ NSDAP Wähler für sich gewinnen konnte, 7 eine gramm, den Neuaufbau des Rundfunks aus dem rundfunkpolitische Zielgruppe dar, die von der Geiste der Nation, aus dem Frontgeiste der Selbst­ Rechten umworben wurde. behauptung.« 1 Angesichts dieses politischen Spannungsfel­ Diese Zeilen im Verbandsorgan der 1932 gebil­ des, dem das neue Medium ausgesetzt war, er­ deten Stahlhelm-Funkhörer-Vereinigung (FHV) möglicht eine genauere Analyse der rundfunk­ dokumentieren die Position des rechtsgerichte­ politischen Aktivitäten des Stahlhelm nicht nur ten Bundes der Frontsoldaten gegenüber dem eine organisationsgeschichtliche Ausleuchtung Rundfunk in der Endphase der Weimarer Repu­ eines bislang wenig beachteten Hörerverbandes, blik. Zum einen wird hier die Abgrenzung der sondern es können politische Divergenzen und FHV von der Rundfunkpolitik der NSDAP deut­ unterschiedliche Interessenlagen im vermeintlich lich, zum anderen kommt in den Formulierungen homogenen Segment antidemokratischer politi­ die programmatische Zielorientierung der Stahl­ scher Kultur der Weimarer Republik aufgezeigt helmer zum Ausdruck, den Rundfunk über die werden. Zwar herrschte im Lager der »nationa­ Beeinflussung der Programminhalte zu einem len Opposition« Einigkeit über Bekämpfung und Instrument revisionistischer und nationalistisch­ Beseitigung von Demokratie und Republik, je­ konservativer Sammlungspolitik zu machen. doch spiegelt die öffentliche Auseinanderset­ Während die Nationalsozialisten eine destruktive zung mit dem Rundfunk, aus der Positionen zum und auf revolutionäre Veränderung abzielende System, Werthaltungen und Umgangsformen Agitation gegen den Rundfunk betrieben und die des politischen Tagesgeschäfts abgelesen wer­ »Rundfunk-Frage« zum Organisationsproblem den können,B die Fragmentierung des rechten erklärten, indem sie eine akzeptable Rundfunk­ Lagers in inhomogene Teilkulturen wider. Im je­ und Programmpolitik nur durch eine Verände• weiligen Kontext politisch-moralischer Milieus rung der organisatorischen und personellen herrschte zwischen den deutschnationalen und Struktur des Rundfunkwesens realisiert sahen, 2 nationalkonservativen Gruppen einerseits und betonten die Stahlhelmer die Notwendigkeit, sich dem Nationalsozialismus andererseits Uneinig­ auf Programmfragen zu konzentrieren. Sie setz­ keit über Mittel, Wege und Gestalt des zukünfti• ten ihre Hoffnung in eine günstige organisatori­ gen Staatsaufbaus9 und auch des Rundfunkwe­ sche und programmatische Neuerung des sens. Rundfunkwesens durch die Reform des Jahres 1932,3 die das Medium zu einem Verlautba­ rungsinstrument der autoritären Präsidialregime Stahlhelm in vorderster Front: transformierte. Dies befriedigte die Nationalso­ Die »nationale Opposition« und zialisten aber keineswegs, da sie die alleinige der Rundfunk Macht und die Besetzung der Führungspositio• nen in Staat und Rundfunk für sich reklamierten, Entgegen der Legende, die Nationalsozialisten die Rundfunkreform jedoch ihre Agitation im Me­ hätten von Anfang an führend beim Aufbau der dium behinderte, weil statt dessen deutschnatio­ ersten rechtsnationalen Hörerorganisation mit­ nal-konservative Inhalte stärker zur Geltung ka­ gewirkt, 1o diese sogar verdeckt inszeniert, 11 men.4 ging die Gründung des Reichsverbands Deut­ Dem Rundfunk als Kulturinstrument und scher Rundfunkteilnehmer (RDR) im August Ausdruck politischer Kultur kam eine Stellver­ 1930 ausschließlich auf die Initiative von treterfunktion für das den Antidemokraten ver­ Deutschnationalen und Stahlhelm zurück, wobei haßte System zu, so daß seine Bekämpfung und der Stab Herzog Carl Eduards von Sachsen­ die ihm gegenüber entwickelten Ziele einen Coburg und Gotha, dem Generalinspekteur des Aspekt der Destruktion der politischen Ordnung technischen Dienstes im Stahlhelm, einen Kri­ als Ausfluß antidemokratischer politischer Kultur stallisationspunkt bildete. Die Werbung der de­ in der Weimarer Republik darstellen. Da der mokratischen Parteien im Rundfunk in Form von Rundfunk der 20er Jahre ein weitgehend mittel­ Auflagemeldungen der Reichsregierung gegen ständisches Medium war, 5 stellte das konserva- das vom »Reichsausschuß der nationalen Op- 102 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) position« aus DNVP und Stahlhelm unter Betei­ im RDR, wobei nun höhere Funktionäre der ligung der NSDAP initiierte Volksbegehren ge­ »nationalen Opposition« aktiv wurden. Kames gen den Young-Pian12 sowie das Scheitern die­ wurde mit dem Posten des Ehrenvorsitzenden ses Plebiszits dürften die nationale Rechte aus abgespeist, neuer Vorsitzender wurde der Na­ dem rundfunkpolitischen Dornröschenschlaf auf­ tionalsozialist Hanno Konopath, dem zur schein­ geschreckt haben. Da man die Wirkung des Me­ baren Wahrung der Parität innerhalb der Harz­ diums im Glauben an die eigene Pressemacht burger Front Ferdinand Ernst Nord vom Stahl­ unterschätzt hatte, hatten Journalisten des Hu­ helm und der Hauptgeschäftsführer der DNVP, genberg-Konzerns im Vorfeld der RDR-Grün• Max Weiß, als Stellvertreter zur Seite gestellt dung zum »Aufbau eines Kampfverbandes der wurden. Da die Goebbels-Anhänger und NS­ vereinigten national gesinnten Rundfunkteilneh­ Funktionäre Eugen Hadamovsky und Horst mer« aufgerufen;13 die Rechte organisierte da­ Dreßler-Andreß fortan als geschäftsführende mit im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Vorstandsmitglieder wirkten, war der Verband de Gruppen erst sehr spät einen Hörerverband. facto in der Hand der NSDAP, zumal eine neue Der Vorstand des RDR bestand aus Deutsch­ Satzung zur Verankerung des Führerprinzips er­ nationalen, von denen im Laufe der Radikalisie­ arbeitet werden sollte. 22 Mit der Aufstellung rung des Verbandes einige zur NSDAP wech­ Nords dürfte der Stahlhelm versucht haben, sei­ selten. Lediglich ein Gründungsmitglied, Willi Bi­ nen Einfluß trotz NSDAP-Übermacht zu festigen schaff, der Herausgeber der Verbandszeitschrift und zwischen den Gruppen der »nationalen Op­ >Der Deutsche Sender<, war im Mai 1930 der position« zu vermitteln, denn Nord war nicht nur NSDAP beigetreten.14 Der Vorsitzende Alfred als Chef des Berliner Dienstes Carl Eduards von Walter Kames, Journalist und Hauptschriftleiter Coburg engster Vertrauter des Herzogs und ho­ des >Deutschen Schnelldienstes<, schlug als her Stahlhelm-Funktionär, 23 sondern seit 1930 Beteiligter an Kapp- und Hitler-Putsch eine auch Mitglied der NSDAP.24 Sein Einsatz ent­ .I Brücke zwischen den im Verband organisierten sprach den politischen Bestrebungen des hinter I Gruppen. Er war seit 1919 Mitglied der DNVP den Kulissen agierenden Herzogs, der die Inte­ I und gehörte seit 1928 als Stahlhelm-Aktivist gration der »nationalen Opposition« zu forcieren dem Stab Carl Eduards von Coburg an .15 Durch versuchte.25 I seine Positionierung konnten die Stahlhelmer im I RDR ihren allgemeinen Führungsanspruch in der »nationalen Opposition« verwirklicht sehen. Abspaltung aus Protest: Mit Hans Henning Freiherr Grote, ebenfalls Ver­ Stahlhelm-Funkhörer-Vereinigung trauter Carl Eduards, 16 besaß der Stahlhelm ein weiteres Gründungsmitglied. Dieser skizzierte Die Verbandspolitik der Nationalsozialisten mit konservativer Rhetorik den RDR und seine brachte bis zur außerordentlichen Mitgliederver­ Aufgabe als einen »Kampfverband, dessen Mit­ sammlung am 19. März 1932 das Faß für die glieder aufgebrochen sind, um unerträglichen Deutschnationalen und Stahlhelmer trotz Ap­ Zuständen im deutschen Rundfunk ein Ende zu pellen zur Einheit26 zum Überlaufen. Da eine bereiten, wie sie die Vorherrschaft kommunisti­ Parität im Vorstand des RDR durch die von Ha­ scher und marxistischer Hörerverbände zum damovsky ausgearbeitete neue Satzung nicht Schaden deutscher Kultur, zur Vernichtung je­ mehr gewährleistet war, traten Kames, Nord und des christlichen und kirchlichen Gedankens und Weiß unter Protest von ihren Amtern zurück.27 Fühlens gezeitigt hat.« 17 Damit schieden Stahlhelm und DNVP offiziell Zunächst ermöglichte die deutschnationale aus dem Reichsverband aus, der zum Kampf­ Ausrichtung mit der Radioübertragung einer apparat der NSDAP wurde. Der Verband wurde Kundgebung den größten Erfolg der Hörerorga• nun nicht nur zur antisemitischen und antirepu­ nisation, 18 bevor Nationalsozialisten seit Bildung blikanischen Hetze benutzt, die Parole hieß jetzt: der Harzburger Front im Oktober 1931 massiv in »Mikrophon frei für Adolf Hitler!«2B Aus Sicht den RDR drängten, eine eigene Verbandsgrup­ Hadamovskys stellte sich das Ausscheiden pe bildeten und Spitzenpositionen beanspruch­ Deutschnationaler und Stahlhelmer als voller ten.19 Die Taktik, kostspielige Aufbau- und Erfolg nationalsozialistischer Politik dar, um den Sammlungsarbeit den Deutschnationalen zu Rundfunk ohne Kautelen attackieren zu können. überlassen, war nichts Neues. Auch der Reichs­ Im nachhinein kommentierte er: »am 19. März Landbund und der Deutschnationale Hand­ 1932 wurde jede reaktionäre Gegenbestrebung lungsgehilfenverband waren von der NSDAP zur endgültig ausgeschaltet,«29 worin die Antipathie Blockbildung und inhaltlichen Hegemonie unter­ gegenüber den rechtskonservativen Kräften zum wandert worden.20 Bei der konfliktgeladenen Ausdruck kommt. Es gelang dem Rechtskonser­ Generalversammlung am 19. Dezember 193121 vatismus entgegen seiner Vorstellung nicht, die übernahmen die Nationalsozialisten die Führung NSDAP zu zähmen, vielmehr instrumentalisierte Cebulla: Die Rundfunkpolitik des Stahlhelms 103 die NSDAP das nationalistische Lager, um im sämtlichen Dienststellen bis hin zur Kreisebene Rahmen der Legalit~tstaktik an die Macht zu Funkwarte zu ernennen, deren Aufgabe die gelangen,30 und servierte die anderen Gruppen Werbung für das FHV-Organ sein sollte; die schnell ab. Die Nationalsozialisten hatten Deut­ Landes-Funkwarte sollten »in Fühlungnahme mit schnationale und Stahlhelm nicht allein durch den Gau- und Kreis-Funkwarten die Belange den Vorwurf von Veruntreuung und Erfolglosig­ des Stahlhelm gegenüber den ( ...) Sende-Ge­ keit systematisch aus dem RDR gedrängt,31 die sellschaften ( ... ) vertreten.«38 Der Stahlhelm ver­ Spaltung des Verbandes wurde auch durch die suchte, die von den Nationalsozialisten im RDR Tatsache begünstigt, daß die Harzburger Front aufgebaute Funkwarte-Organisation zu kopieren; aufgrund des Verhaltens der NSDAP in der Fra­ als Richtlinie für die Funkwarte galten die Ver­ ge um eine gemeinsame Reichspr~sident­ lautbarungen im >Stahlhelm-Sender<. 39 Der zum schaftskandidatur im Frühjahr 1932 gebrochen Abteilungschef im Bundesamt des Stahlhelm war und das VerMitnis innerhalb der »nationa­ aufgestiegene Nord, der sich bereits mit der len Opposition« einen Tiefpunkt an Kooperation Gründung diverser nationalistischer Organisa­ erreicht hatte. 32 tionen im Auftrag Carl Eduards von Coburg ver­ Trotz Bildung der Kampffront Schwarz-Weiß• dient gemacht hatte,40 war Exponent für einen Rot und des guten Verhältnisses zwischen der NSDAP gewogenen Kurs. Obwohl der Stahlhelm und DNVP - 1932 waren 26 von 41 Stahlhelm einen eigenen Weg ging, agitierte DNVP-Reichstagsabgeordneten auch Stahl­ Nord ~hnlich den Nationalsozialisten, wenn er helm-Mitglieder33- gründeten beide Gruppen im schrieb, der Rundfunk sei verdorben, da »sich April 1932 eigene Hörerorganisationen, wobei der Marxismus des Rundfunks für seine auf Zer­ der Bund Nationaler Rundfunkhörer (BNR), der störung deutscher Art und Sitte gerichtete >Kul­ im Gegensatz zur Stahlhelm-FHV reine deut­ turpropaganda<« bediene und der »mit ihm ver­ schnationale Propaganda und Schelte an der bündete Liberalismus (... ) diese Zersetzungsar­ NSDAP übte, nur geringe Bedeutung hatte.34 beit« dulde. Die FHV als Kampfverband werde Grund für die getrennten Wege dürfte gewesen »die Geister des 9. November, von Versailles sein, daß Stahlhelmer und Deutschnationale ei­ und von « aus dem Rundfunk vertrei­ ne eigene Führungsrolle beanspruchten, es an ben .41 gemeinsamen konstruktiven Zielen aufgrund von divergierenden Interessen innerhalb der Organi­ sationen mangelte35 und die rundfunkpolitischen Heroischer Stil und bildungsbürgerliches Akteure des Stahlhelm eine zu starke Affinit~t Gut: Rezepte für den Rundfunk als zur NSDAP besaßen. Die Stahlhelm-FHV ent­ Kulturfaktor wickelte entgegen dem BNR ein weitaus größe• res Engagement und versuchte eine konstrukti­ Die FHV engagierte sich vor allem in der Frage ve Kritik am Rundfunkwesen zu üben. der Programmgestaltung. ln einem offenen Brief Die Gründung der FHV erfolgte im Rahmen an Rundfunkkommissar Hans Bredow erkl~rte der Umwandlung des existierenden Stahlhelm­ Nord das »Kulturexperiment des November­ Funkhörerdienstes durch eine Anordnung des Systems« für gescheitert, erwachende Nation Technischen Dienstes Carl Eduards von Coburg und das Kriegserlebnis erforderten »für alle in Verantwortung von Ferdinand Nord,36 der deutschen Kultureinrichtungen die zwingende fortan als Vorsitzender der Vereinigung fungier­ Aufgabe, deutsche Kulturpolitik und Kulturpro­ te. Es handelte sich dabei nur um eine Ver~nde­ paganda in der Weit zu treiben, für das mutter­ rung der Organisationsform in eine neue Unter­ l~ndische, grenzl~ndische, minderheitliche, ko­ gliederung, die den rundfunkinteressierten Stahl­ loniale und fremdstaatliche Deutschtum.«42 Eine helmern nach Ausscheiden aus dem RDR eine »Fahnenflucht ins Spießertum, die den Rund­ neue Heimat bieten sollte, denn die FHV wurde funk zum bloßen Unterhaltungsmittel ( ... ) ernied­ nicht gesondert als Verein eingetragen. Die rigen möchte«, müsse verhindert werden. Nord Stahlhelmer zum Austritt aus dem RDR zu be­ schrieb weiter: »Wir fordern also weltanschauli­ wegen, war nicht so leicht, denn Nord ging es in che Klarheit, Bekenntnis zum Deutschtum in je­ einem Schreiben an die Stahlhelm-Landes~mter dem Falle, Auswertung der Überlieferung unse­ vor allem um Werbung für die Zeitschrift >Stahl­ res Volkstums nach allen Richtungen, sowohl helm-Sender<. Es ist »Ehrenpflicht eines jeden nach der Vergangenheit zu, als auch in die Zu­ Stahlhelm-Kameraden ausschließlich den Stahl­ kunft.«43 ln dieser offiziellen Stellungnahme, die helm-Sender zu beziehen. Derselbe ist billiger detaillierte Vorschl~ge für Rundfunksendungen als der bisherige Deutsche Sender, enth~lt samt Titeln und die Aufz~hlung nationalistischer ebenfalls das Europaprogramm und umfaßt Dichter für die Durchführung des Programms auch die kostenlose Geräte-Versicherung,«37 beinhaltete, kommen die Ziele der FHV zum bemerkte Nord. Er ordnete außerdem an, auf Ausdruck: ein Rundfunkprogramm mit nationaler 104 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Sendung, außenpolitischem Revisionismus und ne rangierte Kyser bei den Stahlhelmern an erzieherischer Wirkung. höchster Stelle. Sie schlugen den Schriftsteller Neben Nord sorgten der Schriftleiter des mehrfach als Nachfolger für den entlassenen >Stahlhelm-Sender< Curt Hotzel, der dem kon­ Hans Flesch auf dem vakanten Intendantenpo­ servativ-revolutionaren Lager zuzurechnen ist, 44 sten der Berliner Funk-Stunde vor.S2 und der in Rundfunkfragen versierte nationalisti­ ln bezug auf die Programminhalte, die der sche Schriftsteller Hans Kyser45 bestimmend für Rundfunk nach Meinung des Wehrverbandes das Bild einer eigenstandigen Stahlhelm­ transportieren sollte, zeigte sich die zunehmend Rundfunkpolitik. Ziel war die geistige Vorberei­ politisch-kulturelle Fragmentierung der »nationa­ tung des Volkes auf den »Endkampf um die len Opposition«. Wahrend die Nationalsoziali­ Werte der Heimat«.46 Zur Verteidigung deut­ sten einen gleichgeschalteten Rundfunk unter schen Wesens im Radio bedürfe es eines heroi­ alleiniger politischer Führung anstrebten, um die schen Stils, als »Haltung der Selbstbehaup­ Massengesellschaft zur homogenen »Volksge­ tung«,47 riet Hotzel. Er ging jedoch noch weiter, meinschaft« umzuformen, forderten die Stahl­ denn der Rundfunk sollte auf die Unwägbarkei• helmer eine Veranderung der Programmgestal­ ten der Zukunft vorbereiten. Hotzel schrieb: »Wir tung im Rahmen des bestehenden Rundfunks, müssen uns also darüber klar werden in dem wobei sie auf einen Rundfunkneubau unter ei­ deutschen Raume in der Mitte Europas, daß die gener und deutschnationaler Beteiligung setzten. Zukunft für unsere Werte kaum hegendes oder Den Stahlhelmern schwebte keine nationalsozia­ auch nur duldendes Verständnis aufbringen listische Volksgemeinschaft vor, vielmehr woll­ wird. Wir stehen nach Nietzsche in dem >Zeital­ ten sie einen nationalistisch-autoritaren Staat ter der großen Kriege< und werden wohl - wie­ konservativer Pragung, weshalb sie den Gedan­ der nach Nietzsche - nur in dem >Zustande der ken der »nationalen Erneuerung« auf der Basis zusammengebissenen Zähne< unser Bestes lei­ der Verinnerlichung nationalistischer Propagan­ sten«, und deshalb wolle man »neben der Freu­ da und konservativer sowie bildungsbürgerlicher de auch den Ernst hören im Rundfunk, den Werte in kultureller Hinsicht im Radioprogramm ehernen Ernst der Glocken und des Schwer­ fördern wollten. Aus diesem Grund ging es dem tes!«48 Hotzel teilte mit vielen seiner nationalre­ Stahlhelm zunachst darum, über den Rundfunk volutionären Gesinnungsgenossen als Bewalti­ eine kulturelle Hegemonie zu erzielen. gungsstrategie seines Fronterlebnisses die Die FHV gab zwar vor, das Interesse der Hö• Mentalität einer Flucht nach vorne, einem Fest­ rer im allgemeinen und ihrer politischen Klientel halten an militarischer Revision der Kriegser­ im besonderen zu vertreten. Über den >Stahl­ gebnisse und einer Beschwörung des Kampfes helm-Sender< wurde jedoch neben den Pro­ als Mittel der Auseinandersetzung.49 grammvorschlagen vor allem handfeste Politik Kyser sorgte für eine ausgeprägte bildungs­ im Sinne einer antidemokratischen Kritik am be­ bürgerliche Komponente der Programmkonzep­ stehenden politischen System betrieben. Damit tionen des Stahlhelm und untermauerte damit unterschieden sich die Stahlhelmer nicht vom die schon von Nord zuvor gestellten Forderun­ RDR und BNR. Es gab in der Weimarer Repu­ gen an den Rundfunk. ln seinem Programmka­ blik keine mit dem Rundfunk vergleichbare Kul­ talog verdeutlichte der Schriftsteller, das Medium turinstitution, bei der die Kritik von außen gleich­ müsse »(d]er nationalen Erziehung und Bildung sam als Angriff auf die politische Ordnung wirk­ dienen«, und listete nicht nur historische, künst• te. Es unterschieden sich aber die rundfunkpoli­ lerische und volkstümliche Themengruppen mit tischen Zielvorstellungen, was spatestens seit möglichen Sendetiteln auf, sondern gab auch der organisatorischen Zersplitterung der Hörer• noch Hinweise auf die formale Gestaltung der verbande der »nationalen Opposition« im Jahr Sendungen.50 Darin drückt sich zum einen die 1932 offensichtlich wird, so daß die These, die konservativ-bildungsbürgerliche Vorstellung vom politischen Gruppen hatten eine Beherrschung Rundfunk, der mehr Volkshochschule als Unter­ des Rundfunks als Mittel anvisiert, um dann die haltungsmedium sein sollte, aus, zum anderen Macht im Staat zu übernehmen, 53 für den Stahl­ dokumentieren die propagierten Programmin­ helm partiell zutrifft, für die nationalsozialistische halte einen übersteigerten Nationalismus: der Rundfunkpolitik unter Goebbels aber modifiziert Rundfunk sollte primar der Agitation für »deut­ werden muß. War der RDR als gemeinsamer sches Wesen«, Weltgeltung und die Revision Kampfverband der politischen Rechten und un­ des Versailler Vertrages dienen. Zur Durchfüh• ter dem Einfluß des Strasser-Fiügels der rung seiner Programmvorschläge schrieb Kyser: NSDAP noch an einer Mitwirkung bei der Re­ »Wer nicht deutsch zu fühlen oder zu denken form des Rundfunkwesens orientiert- freilich mit gewohnt ist, scheidet aus. ln allen Fällen ent­ der Intention, das Medium als politische Bühne scheidet die Persönlichkeit und Leistung.«51 Als nutzen und eigenes Personal einschleusen zu geeignete »Führerpersönlichkeit« in diesem Sin- können54 -, diente der RDR unter alleiniger Füh- Cebulla: Die Rundfunkpolitik des Stahlhelms 105 rung Goebbels nur noch als faschistische Pro­ des Hörfunks in der Weimarer Republik. München pagandaorganisation, deren Aktivisten die Rund­ 1997. Bd. 1, S. 330-339; Hans Bausch: Der funkreform ablehnten und eine revolutionäre Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Umgestaltung des Radiowesens propagierten, Republik. Tübingen 1956, S. 85-99. und zwar für die Zeit nach einer Machtübernah• 5 Karl Christian Führer: Auf dem Weg zur »Mas­ me.55 Somit galt für die NSDAP nicht mehr das senkultur«? Kino und Rundfunk in der Weimarer Ziel, den Rundfunk zu instrumentalisieren, um Republik. ln: Historische Zeitschrift 1996, Bd. 262, eine Übernahme der Staatsgewalt herbeizufüh• S. 739-781. ren, sondern die Umkehrung dieses Ziels, denn 6 Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in durch die strukturellen Bedingungen der Rund­ der Weimarer Republik. München 31992, S. 27ff. funkreform und die Dissonanzen im rechten La­ ger waren die Wirkungsmöglichkeiten der Natio­ 7 Hans Mommsen: Die Auflösung des Bürgertums nalsozialisten auf den Rundfunk und sein Pro­ seit dem späten 19. Jahrhundert. ln: Ders.: Der gramm eingeschränkt.S6 Für den Stahlhelm kann Nationalsozialismus und die deutsche Gesell­ im Gegensatz dazu konstatiert werden, daß er schaft. Reinbek 1991, S. 27. während der Rundfunkreform auf eine Mitge­ 8 Diese Elemente sind Ausdrucksformen politischer staltung setzte und konstruktive Kritik übte, um Kultur. Vgl. Hans Gerd Schumann: »Nationalkul­ über die Beeinflussung des Rundfunks eine au­ tur« zwischen Einheitlichkeit und Segmentierung. toritäre und revisionistische Staatspolitik voran­ Methodelogische Anmerkungen zur historischen zutreiben.57 Die Konzeptionen fanden zwar Erforschung »politischer Kultur<<. ln: Detlef Leh­ kaum Widerhall, jedoch entwickelte sich der nertfKlaus Megerle (Hrsg.): Politische Teilkulturen Rundfunk 1932/33 tendenziell in die vom Stahl­ zwischen Integration und Polarisierung. Zur politi­ schen Kultur in der Weimarer Republik. Opladen helm intendierte Richtung.S8 Lediglich in der 1990, S. 21. Frage der Organisation des Rundfunks nach dem Führerprinzip lag der Stahlhelm mit der 9 Sontheimer: Antidemokratisches Denken (wie NSDAP auf einer Linie, und aufgrund ent­ Anm. 6), S. 279-297. täuschter Hoffnungen und zunehmender politi­ 10 Eugen Hadamovsky: Propaganda und nationale scher Radikalisierung wurde die Rundfunkreform Macht. Die Organisation der öffentlichen Meinung schließlich als gescheitert bewertet, 59 wenn­ für die nationale Politik. Oldenburg 1933, S. 667f. gleich man nun Hoffnungen in den neuen Rundfunkkommissar Walther Conrad setzte.SO 11 Lilian-Dorette Rimmele: Der Rundfunk in Nord­ Somit lavierte der Stahlhelm zwischen den deutschland 1933-1945. Ein Beitrag zur national­ rundfunkpolitischen Positionen von Deutschna­ sozialistischen Organisations-, Personal- und Kulturpolitik. Harnburg 1977, S. 141f. Widerlegt tionalen und NSDAP hin und her, schlug sich von Dietmar Keßler: Der Reichsverband Deut­ aber 1933 wieder auf die Seite der Nationalso­ scher Rundfunkteilnehmer e.V. für Kultur, Beruf zialisten. und Volkstum. MA. Mainz 1991, S. 22-25.

12 Renate Schumacher: Radio als Medium und Anmerkungen Faktor des aktuellen Geschehens. ln: Programm­ geschichte (wie Anm . 4), Bd. 1, S. 532.

* Zusammenfassung der MA des Verfassers: 13 Ansgar Diller: Rundfunkpolitik im Dritten Reich. »Rundfunk-Revolutionen« - Freie und organisier­ München 1980, S. 31 . te konservative und nationalsozialistische Agita­ tion gegen den »System-Rundfunk« am Ende der 14 Keßler: Der Reichsverband (wie Anm. 11). Weimarer Republik. Kassel 1998. 15 Personalakte Kames, Bundesarchiv (BA) Berlin: Reichsführertagung. Die Rundfunk-Politik des BDC; Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932), H. 1, S. Stahlhelm. ln: Stahlhelm-Sender Jg. 1 (1932), H. 2. Vgl. Klaus-Peter Hoepke: Die deutsche Rechte 3, S. 2. und der italienische Faschismus. Düsseldorf 1968, s. 278-283. 2 Vgl. Heinz Weiß: Rundfunk und deutscher Mensch. ln: Nationalsozialistische Monatshefte 16 Ebd., S. 295. Jg. 2 (1931), H. 21, S. 529-546; Artikelreihe: Walter M. Gensel: Die nationale Reform des deut­ 17 Der RDR erklärt. ln: Der Deutsche Sender Jg. 1 schen Rundfunks. ln: Der Deutsche Sender Jg. 3 (1930), H. 1, S. 4. (1932}, H. 23ff. 18 Diller: Rundfunkpolitik (wie Anm. 13), S. 33. 3 Reichskommissar Scholz. ln: Stahlhelm-Sender 19 Heinz Pohle: Der Rundfunk als Instrument der Jg. 1 (1932), H. 17, S. 2 u. 4. Politik. Zur Geschichte des deutschen Rundfunks 4 Horst 0. Halefeldt: Sendegesellschaften und von 1923-1938. Harnburg 1955, S. 162f. Rundfunkordnungen. ln: Programmgeschichte 106 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

20 Vgl. Hans Mommsen: Zur Verschränkung traditio­ 44 Hotzel publizierte 1934 eine Aufsatzsammlung, für neller und faschistischer Führungsgruppen in die er selbst zwei Texte verfaßte: Deutscher Auf­ Deutschland am Übergang von der Bewegungs­ stand. Die Revolution des Nachkriegs. Stuttgart zur Systemphase. ln: Ders.: Nationalsozialismus 1934. Vgl. Stefan Breuer: Anatomie der Konser­ (wie Anm. 7), S. 49. vativen Revolution. Darmstadt 1993, S. 180-202.

21 Protokoll in: Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932) , H. 45 Kyser galt als Fachmann für Hörspiele, die er oft 1, S. 2f. u. 46. als historische Funkreportagen aufbaute. Dich­ tung und Rundfunk. Reden und Gegenreden. Ber­ 2 2 Ebd. lin 1930, S. 40ff.; Altpreußische Biographie. Hrsg. v. Ghr. Krollmann. Marburg 1967/1974, S. 377. 23 Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Berlin o.J ., S. 1336f. 46 Gurt Hotzel: Der Rundfunk im Volke. ln: Stahl­ helm-Sender Jg. 1 (1932), H. 5, S. 2. 24 Personalakte Nord, BA Berlin: BDG. 47 Gurt Hotzel: Der heroische Stil. ln: Stahlhelm- 25 Hoepke: Die deutsche Rechte (wie Anm. 15), S. Sender Jg. 1 (1932), H. 1, S. 4. 298. 48 Hotzel: Der Rundfunk (wie Anm . 46), S. 2f. 26 Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932), H. 12, S. 2f. 49 Vgl. Breuer: Anatomie (wie Anm. 44), S. 44-47. 27 Protokoll der außerordentlichen Mitgliederver­ sammlung. ln : Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932) , 50 Hans Kyser: Anregungen zur Programmgestal­ H. 14, S. 2f. tung des deutschen Rundfunks. ln: Stahlhelm­ Sender Jg . 1 (1932), H. 20, S. 4ff. 28 Ebd. 51 Ebd . 29 Eugen Hadamovsky: Dein Rundfunk. Das Rund­ funkbuch für alle Volksgenossen. München 1934, 52 Stahlhelm-Sender Jg. 1 (1932), H. 17, S. 2; H. 32, S. 36. S. 4.

30 Vgl. Sontheimer: Antidemokratisches Denken (wie 53 Pohle: Der Rundfunk (wie Anm. 19), S. 68f. Anm. 6), S. 287. 54 Vgl. Propaganda der Tat. ln: Der Deutsche Sen­ 31 Keßler: Der Reichsverband (wie Anm. 11), S. 69f. der Jg. 3 (1932), H. 18, S. 2f; Artikelreihe von Gensel: Die nationale Reform (wie Anm. 2). 32 Volker Berghahn: Der Stahlhelm, Bund der Front­ soldaten 1918-1935. Düsseldorf 1966, S. 181- 55 Vgl. Goetz Otto Stoffregen: Die Reform der Dilet­ 210. tanten. ln: Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932), H. 42, S. 2; : Kampf heißt die Lo­ 33 Heidrun Holzbach: Das »System Hugenberg«. sung. ln: Der Deutsche Sender Jg. 3 (1932) , H. Stuttgart 1981, S. 233. 43, S. 4; Diller: Rundfunkpolitik (wie Anm. 13), S. 34 Vgl. das dürftige Verbandsorgan: National-Funk 16-27. Jg. 2 (1933), H. 1-5. 56 Halefeldt: Sendegesellschaften (wie Anm. 4), S. 35 Vgl. Anneliese Thimme: Flucht in den Mythos. Die 333-338. Deutschnationale Volkspartei und die Niederlage 57 Reichskommissar Scholz. ln: Stahlhelm-Sender von 1918. Göttingen 1969, S. 103. Jg. 1 (1932), H. 17, S. 2 u. 4; Gurt Hotzel: Ver­ 36 Rundschreiben an die Landesämter zur Gründung waltungsmaßnahmen oder Geisteskampf? ln: der Stahlhelm-FHV vom 11 .04.1932. BA Berlin Stahlhelm-SenderJg.1 (1932), H. 21, S. 2. R 72/303. 58 Vgl. Renate Schumacher: Radio als Vermittlung 37 Ebd. von Gegensätzen: ein Resümee. ln: Programm­ geschichte (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 1201 u. 1206f.; 3B Ebd. Halefeldt: Sendegesellschaften (wie Anm. 4), S. 334f. 39 Ebd. 59 Gurt Hotzel: Richtlinien und Rückzüge. ln: Stahl­ 40 Z.B. »Ring der Nationalen Motorfahrbewegung«, helm-Sender Jg. 1 (1932), H. 29, S. 2; ders.: Bü• Reichshandbuch (wie Anm. 23) . rokratius oder Genius? ln: Stahlhelm-Sender Jg. 1 (1932), H. 32, S. 2. 41 F.E. Nord: Die Stahlhelm Funkhörer-Vereinigung. ln: Stahlhelm-Sender Jg . 1 (1932), H. 1, S. 15. 60 Rundfunk ohne Bürokratie. Ein Gespräch mit Reichsrundfunkkommissar Gonrad. ln: Stahlhelm­ 42 Brief an Bredow. ln: Stahlhelm-Sender Jg. 1 Sender Jg. 1 (1932), H. 34, S. 4f. (1932), H. 12, S. 2f.

43 Ebd. Petra Truckendanner

Der Fernsehsender Paris Deutsch-französisches Okkupationsfernsehen ( 1942 - 1944)*

Die bisherigen Darstellungen der Geschichte dewesen in der Rue de Grenelle2 ein Versuchs­ des Fernsehens in Frankreich w~hrend der Be­ programm mit einer Bildauflösung von zuletzt satzungszeit im Zweiten Weltkrieg betonen (ab April 1938) 455 Zeilen und 25 Bildwechseln meist das friedliche und freundschaftliche Zu­ pro Sekunde3 ausgestrahlt hatte, war mit sammenwirken zwischen deutschen und franzö• Kriegsbeginn eingestellt und die Sendeanlagen sischen Mitarbeitern, ohne den ~ußeren Um­ am Eiffelturm noch vor der Ankunft der deut­ st~nden des Zustandekommens des Projektes schen Truppen durch das Zerschlagen einiger oder etwa der schwierigen Lage der französi• Röhren außer Funktion gesetzt worden. schen Seite besondere Beachtung zukommen Allerdings zeigten die im Reich mit dem Fern­ zu lassen. Diese, den Kontext von Krieg und sehen betrauten Stellen, wie die Reichspost­ Nationalsozialismus nahezu ausschließenden, Fernseh-Gesellschaft (RFG) und die Reichs­ mitunter beschönigenden Darstellungen des Rundfunk-Gesellschaft (RRG), an den beschlag­ Fernsehsenders Paris sind vor allem darauf zu­ nahmten Sendeanlagen am Eiffelturm zun~chst rückzuführen, daß die meisten Berichte über das kein konkretes Interesse, bis schließlich ein im Thema - mangels anderer schriftlicher Quellen - Mai 1941 erteilter Befehl des Höheren Nach­ fast ausschließlich auf Angaben ehemaliger richtenführers Frankreich (HNF), einer für Fern­ Mitwirkender beruhen. Diese Zeugenaussagen meldewesen zustMdigen Dienststelle des Mili­ können nur selten anderen schriftlichen Quellen t~rbefehlshabers in Frankreich, zum Abbau der gegenübergestellt werden; dennoch stellt die Sendeanlagen zwecks Rohstoffbeschaffung er­ Möglichkeit der Befragung von Zeitzeugen einen ste Diskussionen über eine mögliche Instand­ für die Aufarbeitung des Themas wichtigen und setzung und Weiterverwendung der Sendeanla­ für den Erkenntnisgewinn wesentlichen Faktor gen zu Fernsehzwecken auslöste. dar. Daß der vom HNF erteilte Abbaubefehl nicht Hier sollen vor allem diejenigen Aspekte her­ ausgeführt wurde und statt dessen ein ambitio­ ausgegriffen werden, die bisher in der Literatur niertes und mit betr~chtlichem Aufwand verbun­ nur geringen Niederschlag fanden, wobei insbe­ denes Projekt zur Errichtung eines deutsch­ sondere auf die Rolle des französischen Rund­ französischen Fernsehens in der okkupierten funks Radiodiffusion Nationale (RDN) beim Auf­ französischen Hauptstadt realisiert wurde, stand bau und Betrieb des Fernsehsenders Paris ein­ mit vielf~ltigen, zum Teil politisch-ökonomisch gegangen wird. Ein weiteres Untersuchungsfeld begründeten, aber auch milit~rischen Motiven in bilden die vom 7. Mai 1943 bis 16. August 1944 Zusammenhang, deren jeweiliger Stellenwert in ausgestrahlten Programme sowie die Auswir­ der Literatur allerdings oft unterschiedlich ge­ kungen des Besatzungsfernsehens auf das fran­ wichtet wird. zösische Nachkriegsfernsehen. Die Industrie, d.h. das mit der Demontage beauftragte Unternehmen Telefunken, das gera­ de im Begriff war, ein 1939 unterbrochenes For­ Vorgeschichte schungsabkommen auf dem Fernsehsektor mit der französischen Elektrofirma Compagnie des Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Campteurs in Montrouge wieder aufleben zu Paris - die Besatzer bem~chtigten sich generell lassen, sah sich mit dem Befehl des HNF kon­ der französischen Medien, die gezielt für propa­ frontiert. Da Telefunken in der Anordnung zum gandistische Zwecke eingesetzt werden sollten Abbau der Eiffelturmsender nicht den vom HNF -fiel den Deutschen im Juni 1940 auch der un­ erwarteten Nutzen für die Rohstoffgewinnung ter einem Stahlpfeiler des Eiffelturms unterge­ sah, wandten sich die beiden Telefunken-lngeni­ brachte, mit einer Leistung von 30 kW damals eure Kurt Diels und Fritz Schröter an den Leiter weltst~rkste Fernsehsender in die H~nde . der Gruppe Rundfunk der Propagandaabteilung Das französische Vorkriegsfernsehen, das des Milit~rbefehlshabers Frankreich (MBF), Al­ am 26. April 1935 bei seiner ersten offiziellen fred Bofinger, der - ebenfalls durch ein Rund­ Eröffnung eine Versuchssendung mit einer Bild­ schreiben von dem Befehl informiert - eine Wie­ auflösung von 60 Zeilen gezeigt hatte 1 und seit derinstandsetzung und Nutzung des Fernseh­ November 1935 aus einem etwa 150 m2 großen senders befürwortete. Studio des Ministeriums für Post- und Fernmel- 108 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Gegen Ende 1941 kam es zu konkreten Ge­ und zugleich Opfer als auch Förderer7 des unter sprächen über die Weiterverwendung der Eif­ deutscher Leitung betriebenen Fernsehens im felturmsender zwischen Schröter, Diels, Botinger besetzten Paris war. und dem ehemaligen Sendeleiter des Berliner Daß man von französischer Seite aus wirt­ Fernsehens, Kurt Hinzmann, der, nach seiner schaftlichen Gründen in der Wiederinbetriebnah­ Abberufung nach Paris, seit 22. Juli 1941 der me der Fernsehsendeanlagen und in einer Fort­ Gruppe Rundfunk Alfred Botingers zugeordnet führung der Forschungen noch während des war. Kurt Hinzmann setzte sich sehr bestimmt Krieges durchaus einen Nutzen sah, wird bereits für eine Wiederinbetriebnahme ein, und in den aus dem Inhalt eines Protokolls über eine Be­ Gesprächen entstand die Idee, in Frankreich sprechung der RDN mit dem Leiter der Gruppe nach dem Berliner Vorbild einen Fernsehpro­ Rundfunk der Propagandaabteilung des MBF, grammbetrieb zur Truppenbetreuung aufzubau­ Botinger, die im Juli 1941 stattfand, ersichtlich: en. »10) Reprise a Paris des emissions de . Im Gegensatz zu anderen Ländern war der Resultat - Nous avons expose rinteret que presente Fernsehbetrieb bei Kriegsbeginn in Deutschland Ia reprise de ces emissions, afin que I'Europe ne soit - mit Ausnahme weniger Wochen - nicht einge­ pas mise dans une situation defavorable par rapport stellt worden. Zurückgehend auf eine Idee des a rAmerique qui acquiert une experience rapide dans damaligen Intendanten des Berliner Fernsehens, ce domaine. Les Allemands sont d'accord en princi­ Herbert Engler, hatte die Verwendung des publi­ pe. lls vont poursuivre des negociations aupres des zistisch noch unbedeutenden Mediums zum autorites militaires (Aviation) qui occupent remetteur Zwecke der Truppenbetreuung das Fernsehen de television de Ia Tour Eiffel.«a »kriegswichtig« werden lassen und damit die Die deutscherseits angestrebte aktive Einbin­ drohende Einstellung des Betriebes verhindert. dung des französischen Rundfunks in das Pro­ Mit derselben Begründung wie in Berlin sollte die jekt ermöglichte der RDN, Bedingungen zu stel­ Propagandaabteilung des MBF nun auch in Pa­ len und durchzusetzen, wie etwa die erwirkte ris einen Fernsehbetrieb unter deutscher Leitung Freilassung des Technikers Stephane Mallein ermöglichen.4 aus deutscher Kriegsgefangenschaft, der beim ln Anbetracht des geringen propagandisti­ deutsch-französischen Fernsehen als Vertreter schen Stellenwertes, der dem noch neuen und des französischen Rundfunks die technische Leitung übernehmen sollte.9 kaum verbreiteten Medium Fernsehen von der Offenbar versprach sich die RDN - neben Propagandaleitung, die sich lieber auf die bereits der technischen Zusammenarbeit beim Sende­ etablierten Medien Presse, Rundfunk und Film betrieb - auch eine entsprechende Mitsprache in konzentrierte, im Reich beigemessen wurde, ist programmlicher Hinsicht. Die deutsche Seite die Errichtung eines Programmdienstes in einem machte, zumindest zu Beginn, Zugeständnisse okkupierten Land und vor allem die Weiterfüh• in diese Richtung. Demnach erwartete die Ra­ rung des Sendebetriebes bis zur letzten Minute diodiffusion Nationale sogar, ein eigenes Pro­ schon erstaunlich. Neben der angestrebten Er­ gramm ausstrahlen zu können. So heißt es in richtung eines Programmbetriebes zur Unter­ einem Kurzbericht der RDN vom 24. April 1942: haltung und Zerstreuung der verwundeten Sol­ daten in den Lazaretten spielten deutscherseits »Television - Les Autorites allemandes semblent at­ langfristige wirtschaftliche Ziele im Hinblick auf tacher un gros interet a Ia reprise des emissions de die durchaus schon absehbare Entwicklung des television. Des negociations sont en cours et Ia pos­ Fernsehens nach dem Krieg, und die Durchset­ sibilite pour Ia Radiodiffusion Nationale de presenter zung deutscher Normen eine Rolle. 5 So bestand un programme propre semble d'ores et deja acqui­ se.«10 der Plan, im Rahmen einer »Europäischen Tele­ vision« nach Italien nun auch Frankreich für die Doch dabei handelte es sich nur um scheinbare in Deutschland gültige 441-Zeilen-Norm zu ge­ Konzessionen der Deutschen, um die französi• winnen, um der deutschen Elektroindustrie damit sche Seite auf diese Weise für eine Mitarbeit an für die Nachkriegszeit eine gute Ausgangslage dem Projekt zu gewinnen. Trotz mehrmaliger zu verschaffen.6 Für eine Wiederinbetriebnahme Versuche der RDN, ein programmliches Mit­ aus militärischer Sicht sprach die Möglichkeit spracherecht geltend zu machen, wurden die der Nutzung der Anlagen als Störsender für Sendungen bis zum Abzug der Deutschen aus­ feindliche Flugzeuge durch die Luftwaffe, aber schließlich von deutscher Seite konzipiert. auch langfristige wirtschaftliche Interessen. Die in den ersten Planungen zur Errichtung Ein Abbau der leistungsstarken Sendeanla­ eines Fernsehbetriebes in Paris unter deutscher gen am Eiffelturm konnte wohl auch nicht im In­ Leitung nicht vorgesehene Beteiligung der in teresse des französischen Rundfunks gelegen Deutschland für die Fernsehtechnik zuständigen haben, der es auch unter der Besatzung immer Reichspost-Fernseh-Gesellschaft (RFG) mußte wieder verstand, eigene Interessen zu wahren, schließlich in Kauf genommen werden, da sie - Truckendanner: Der Fernsehsender Paris 109 zumal die französische und deutsche Industrie des Champs Elysees in der Avenue Montaigne nicht rechtzeitig und in ausreichendem Umfang zur Diskussion standen, dachte man an eine lieferfähig waren - über das dringend benötigte Nutzung des westlichen Teiles des Palais Tokio technische Material verfügte; am 27. Februar in der Avenue New York und hielt dies in einem 1942 bestätigte das Oberkommando der Wehr­ während einer Abschlußsitzung zur Frage der macht (OKW) die Zuständigkeit der Reichspost Aufnahme eines Fernsehbetriebes am 25. April für die Technik am Pariser Fernsehsender.11 1942 in Berlin erstellten Protokolls schriftlich Das OKW als oberste Instanz legte schließ• fest. Demnach wurde die Radiodiffusion Natio­ lich am 20. Mai 1942 mit dem Befehl 2688/42 die nale, vertreten durch den technischen Leiter Regelung für die Wiederinbetriebnahme des Pa­ Raymond Braillard, damit beauftragt, von der riser Fernsehsenders fest. Demnach unterstand französischen Regierung in Vichy die Freigabe der Fernsehbetrieb in Paris dem Militärbefehls• des Gebäudes bis zum 15. Mai 1942 zu erwir­ haber Frankreich, wobei die Propagandaabtei­ ken. Die Anfrage bei der Regierung betrachtete lung des MBF für das Programm und der Höhere man deutscherseits wohl aber lediglich als for­ Nachrichtenführer Frankreich für die Technik melle Angelegenheit, ohne den Franzosen dabei verantwortlich waren. Der zur Wiederinstandset­ die Wahl zu lassen.14 So hieß es etwa in dem zung der Eiffelturm-Sendeanlagen nach Paris von Herbert Engler, dem Intendanten des Berli­ beorderte und dem HNF unterstellte Funkein­ ner Fernsehens, erstellten Protokoll: »Schlägt satztrupp (FET) trug die Verantwortung für die die französische Regierung die freiwillige Bereit­ technischen Installationen und war für die Über• stellung des Palais Tokio aus, so soll es militäri• wachung des Sendebetriebes zuständig. Die scherseits beschlagnahmt werden.« 15 Programme sollten nach dem Berliner Vorbild Trotz der Entschlossenheit der Deutschen, vor allem zur Unterhaltung der verwundeten das Fernsehstudio im Palais Tokio zu errichten, Soldaten dienen, und die Sendungen mußten führten mehrere Gründe dazu, daß man letzt­ nach deutschen Normen ausgestrahlt werden. endlich auch in diesem Falle von dem geplanten Die Kosten für die Wiederinstandsetzung und Vorhaben absehen mußte. Da das Gebäude zu den Betrieb des Fernsehsenders sowie den gleichen Teilen dem französischen Staat und Ausbau des Studios hatte die RDN zu tragen, der Stadt Paris gehörte, bestanden nur geringe während das Reichspostministerium die Finan­ Aussichten auf eine baldige Einigung mit beiden zierung der Studiotechnik übernahm.12 Partnern. Zudem gelang es den Franzosen, der Beschlagnahme des Gebäudes durch die Deut­ schen zuvorzukommen, indem sie die Eröffnung Auf der Suche nach einem des geplanten Musee d·Art Moderne im Palais geeigneten Standort Tokio auf Juni 1942 vorverlegten, um einer an­ derwärtigen Nutzung des Gebäudes entgegen­ zuwirken.16 Für den Fernsehbetrieb erwies sich das vorhan­ dene Studio der Radiodiffusion Nationale in der Nachdem auch das Palais Tokio als Fern­ Rue de Grenelle als zu klein und wurde daher sehstudio ausfiel, wandte sich die Radiodiffusion von vornherein nicht in Betracht gezogen. Bis Nationale bei der Suche nach einem Gebäude zur Errichtung eines endgültigen Aufnahmestu­ an die Präfektur des Departements Seine. dios begannen die ersten Versuchssendungen in Laut dem Abschlußbericht des in der Folge einem kleinen Behelfsstudio auf 4,5 mal 5,5 von der Präfektur beauftragten Architekten, er­ Meter im ehemaligen Botschaftsdomizil der stellt am 23. Juli 1942, kamen unter Berücksich• Tschechoslowakei in der Rue Charles Floquet. tigung der geforderten räumlichen und techni­ Der reguläre Betrieb konnte, nach Abschluß der schen Voraussetzungen lediglich zwei Gebäude Instandsetzungsarbeiten des Bild- und Tonsen­ zur Nutzung für einen Fernsehbetrieb in Frage: ders, bereits Anfang August 1942 aufgenommen einerseits ein Garagenkomplex der Societe des werden. Dabei handelte es sich zunächst noch transports automobiles (S.T.A.) in der Rue Saint um lndustriesendungen, die jeweils nachmittags Saens 4/Rue de Ia Federation 20-24, anderer­ zur Erprobung und Abstimmung der Geräte seits ein ehemaliger Tanzpalast, Magie City, in durchgeführt wurden.13 der Rue de I'Universite 176/180. Der Architekt Für die endgültigen Studioräume standen wies in bezug auf Magie City auf die Möglichkeit mehrere Gebäude zur Diskussion, die die gefor­ der Nutzung von zwei angrenzenden Garagen derten Kriterien, d.h. die Nähe zum Eiffelturm­ hin, die sich in der Rue de I·Universite 171 und sender, genügend Kapazitäten hinsichtlich tech­ 174 befanden. Obwohl die endgültige Entschei­ nischer Ausstattung und Größe des Gebäudes, dung noch nicht gefallen war, wurden beide da Aufführungen vor Soldaten geplant waren, Bauwerke, zumal der Besitzer von Magie City erfüllten. Nachdem zunächst das Theater de angab, in der nächsten Saison Konferenzen und Chaillot am Place du Trocadero und das Theater Tanzveranstaltungen in dem Gebäude zu pla- 110 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) nen, eiligst zugunsten der Radiodiffusion Natio­ von der RDN statt der ursprünglich veranschlag­ nale requiriert. Am 14. August 1942 informierte ten 800 000 Francs nunmehr zwölf Millionen schließlich ein Vertreter der Radiodiffusion Na­ Francs verlangte, löste das entsprechende Dis­ tionale die Präfektur, daß sich die RDN im Ein­ kussionen bei den Verantwortlichen der RDN in vernehmen mit den zuständigen deutschen Stel­ Vichy aus. Der französischen Rundfunk ver­ len für Magie City entschieden habe. Da man an suchte trotz der schwierigen Situation die eige­ dem Garagenkomplex der S.T.A. in der Rue de nen Interessen nach Möglichkeit zu wahren, und Ia Federation nicht interessiert war, wurde die der Administrateur general, Hubert Devillez, Requisition des Gebäudes wieder aufgehoben.17 sprach sich in einer Sitzung des Conseil superi­ Weil Magie City mit 2 300 m2 größenmäßig eur am 12. Juli 1943 für die Zahlung aus. Im nicht den deutschen Vorstellungen entsprach, Gegenzug sollte von den Deutschen eine Miet­ plante man - zusätzlich zu dem ehemaligen entschadigung verlangt werden. Ob diesbezüg• Tanzpalast und den an das Gebäude angren­ lich tatsächlich Zugeständnisse von deutscher zenden Garagen -, auch die dahinter liegende Seite gemacht wurden, ist nicht mehr zu ermit­ Familienpension in der Rue Cognacq Jay für die teln. Errichtung eines Büro- und Verwaltungszen­ Schließlich kam man überein, daß die RDN trums zu verwenden, die schließlich am 14. De­ der RFG sämtliche Kosten für die Errichtung des zember 1942 von der Präfektur zugunsten der Fernsehstudios zurückzahlen und dafür das Be­ RDN beschlagnahmt wurde. 18 Die Radiodiffusi­ sitzrecht an den Einrichtungen erhalten sollte. on Nationale hatte für die Entschädigungszah• Die RDN befand sich schon von daher in einer lungen an die Eigentümer der beiden Gebäude schwierigen Situation, da die RFG die Umbauten in der Rue de I'Universite und in der Rue Co­ in einem Gebäudekomplex durchgeführt hatte, gnacq Jay - der Schätzwert belief sich jeweils der zuvor für die RDN zur Errichtung eines auf etwa sieben Millionen Francs - aufzukom­ Fernsehzentrums enteignet worden war. Ent­ men.19 sprechend argumentierte Stephane Mallein, der technische Leiter der RDN beim Fernsehsender Paris, in seinem Bericht vom 28. Juli 1943: Studioausbau und »de tels amenagements, executes dans un immeuble finanzielle Beteiligungen exproprie par nous, doivent etre acquis par nous, si ron ne veut passe treuver dans une situation inextri­ Mit dem Ausbau der Gebäude zu einem Fern­ cable.«22 sehzentrum mit Büro- und Technikräumen und Der Vertrag vom 27. Oktober 1942 zur Einrich­ einem modernen Studio versuchten die beteilig­ tung der Fernsehbetriebsräume in Paris wurde ten Stellen nach Möglichkeit, ihren Einfluß nach­ daraufhin im Sommer 1943 von einem ersten haltig zu sichern. Hierzu konnten verschiedene Nachvertrag ersetzt, in dem sich die RDN zur vertragliche Vereinbarungen zwischen der RFG Rückzahlung der Kosten an die RFG in drei und der RDN zur Regelung der Besitzrechte und Raten verpflichtete, um das Besitzrecht an den Durchführung der Umbauarbeiten ausgehandelt Einrichtungen zu erhalten. werden. Auf Betreiben der RFG kam es schließ• Ein auf der Basis dieser Vereinbarungen fest­ lich am 27. Oktober 1942 zu einem ersten Ver­ gelegter Rückzahlungsvertrag wurde übrigens tragsabschluß, der die RDN zur Rückzahlung auch für das Gebäude in der Rue Cognacq Jay der beim Umbau enstehenden Kosten in der abgeschlossen, in dem die RFG ebenfalls um­ Höhe von etwa 800 000 Francs verpflichtete, die fassende Arbeiten durchgeführt hatte. Nach dem die RFG auf ihren eigenen Vorschlag hin selbst von Stephane Mallein am 28. Juli 1943 verfaß• durchführen wollte. 20 ten Bericht befanden sich in der untersten Etage Die daraufhin von deutscher Seite begonne­ des Bauwerkes ein Filmabtastgerät, ein Raum nen Umbauarbeiten gingen jedoch über das ur­ für Filmprojektoren und ein Zimmer für öffentli• sprünglich veranschlagte Projekt hinaus, und die che Filmvorführungen.23 Im Erdgeschoß und in RFG errichtete ein modernes Fernsehstudio in der ersten Etage gab es einen Empfang, eine dem Gebäude in der Rue de I'Universite mit ei­ Telefonzentrale sowie Schneideräume, Film­ ner Fläche von etwa 70 x 35 Metern, einer er­ schnellkopierer und Bildkontrollräume.24 ln der höhten Bühne und stufenförmig ansteigenden vierten Etage wurde eine Forschungsabteilung Sitzreichen für ca. 300 Zuschauer. Zudem wurde und ein Reparaturdienst untergebracht.25 ln den eine Klimaanlage installiert, eine Beleuchtungs­ oberen Stockwerken fanden Verwaltungsbüros anlage für 3 000 Lux angebracht und die Decken sowie die Technik- und Programmleitung Platz. und Wände schallisoliert.21 Die RDN wurde in­ Die künstlerische Verwaltung bekam ein Büro im des nicht von dem Ausmaß des neu gestalteten sechsten Stock, und die Büros von Kurt Hinz­ Projektes informiert, und als Postrat Odilo Doll­ mann (Intendant), William Keiper (Leiter FET, mann als Vertreter der RFG Anfang Juli 1943 Truckendanner: Der Fernsehsender Paris 111 technische Leitung), Stephane Mallein (techni­ von Louis Hautecceur, aber ohne die RDN statt­ scher Leiter RDN) und Odilo Dollmann (RFG) gefunden hatte. Dieser als »leger incident« be­ wurden im siebten Stock eingerichtet. ln der zeichnete Zwischenfall sollte aber nicht so ohne obersten Etage des Gebäudes der Rue Cognacq weiteres hingenommen werden, denn die RDN Jay befand sich ein Restaurant und eine Salon­ war sehr wohl darauf bedacht, daß die Öffent• bar. lichkeit den Pariser Fernsehbetrieb nicht als rei­ Als Verbindung zwischen Büro- und Verwal­ ne Angelegenheit der Besatzer betrachtete. tungsgebäude in der Rue Cognacq Jay und dem »M. Devillez rappeile au Conseil Superieur un leger Studio in der Rue de I'Universite diente die da­ 2 incident mais qui apparait comme assez significatif. zwischenliegende Großgarage, 6 die zudem als La Radiodiffusion Nationale a fait l'acquisition des Aufbewahrungsraum für Requisiten Verwendung immeubles Magie City et Cognacq Jay pour les be­ fand. soins de Ia Television exploitee conjointement par les Die französische Verwaltung beantragte die Autorites d'Occupation et par Ia Radiodiffusion Natio­ Errichtung eines weiteren Studios im Erdge­ nale. Or Radio-Paris a inaugure les studios de Televi­ schoß des Gebäudes in der Rue de I'Universite, sion sans Ia Radiodiffusion Nationale et en confiant Ia das mit einem Bassin für Unterwasseraufnah­ presidence de Ia manifestation a M. Hautecoeur.«30 men ausgestattet werden sollte. Dieses Projekt Entsprechend betonte die RDN, daß das Fern­ wurde jedoch nicht mehr vom Fernsehsender sehen zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörte. Paris realisiert, sondern kam erst nach dem Um keinen Zweifel an dem Anspruch der RDN Krieg unter der Leitung des französischen Fern­ an dem Pariser Fernsehbetrieb aufkommen zu 27 sehens zustande. lassen, trat der Administrateur General, Hubert Devillez, für eine Umbenennung der Radiodiffu­ sion Nationale in Radiodiffusion et Television Programmbeginn Nationales ein.

»II est evident que les autorites fran~aises et l'opinion Die erste Programmübertragung des Fernseh­ publique risquent d'ignorer que Ia television est du senders aus dem neu errichteten Studio in der ressort de Ia RDN. Aussi serait-il souhaitable que, Rue de I'Universite fand am 7. Mai 1943 gegen 1944, Ia Radiodiffusion Nationale modifie dans ce 15.00 Uhr statt. Die eineinhalbstündige Sendung sens son appellation.«31 bestand aus diversen Beiträgen von Akrobaten, Tänzern und Jongleuren sowie einer Darbietung Der Vorschlag wurde auch angenommen: der Schauspielerin Denise Grey, die einen Ge­ »Le Conseil Superieur emet le vceu que Ia Radiodiffu­ dichtbeitrag in das Programm einbrachte. sion Nationale s'appelle desormais >Radiodiffusion et Als offizielles Eröffnungsdatum des Pro­ Television Nationales<.«32 grammdienstes wird zumeist der 30. September Der Fernsehsender Paris übertrug vom 7. Mai 1943 angegeben. Allerdings hatten bereits vor 1943 bis 16. August 1944 regelmäßige Sendun­ diesem Termin drei Veranstaltungen mit rein gen mit einer Dauer von insgesamt elfeinviertel deutscher Beteiligung stattgefunden. Feierlich bis vierzehneinviertel Stunden, wobei die eigent­ eröffnet wurde der Sendebetrieb zunächst in lichen Fernsehprogramme (Bildsender) davon Anwesenheit der Propagandaabteilung Frank­ täglich ca. dreieinhalb bis vier Stunden bzw. zu­ reich, bei der Abteilungsleiter Major Schmidtke letzt fünf Stunden und 15 Minuten in Anspruch die Begrüßungsansprache hielt. Zu einem weite­ nahmen, und der Rest der Zeit mit Radiopro­ ren Termin wurde das Eröffnungsprogramm be­ grammen (Tonsender) abgedeckt wurde, die stimmungsgemäß vor leichter verwundeten Sol­ man vom übernahm. daten gezeigt, die ins Studio eingeladen wurden, und eine weitere Veranstaltung galt der Kom­ mandantur von Groß-Paris.28 Zu der offiziellen Programminhalte Einweihung vor französischem Publikum am 30. September wurden auch Persönlichkeiten aus Das Programm entsprach inhaltlich ganz der von der französischen Öffentlichkeit eingeladen, wie Berlin vorgegebenen Linie der leichten Unter­ der Secretaire general aux Beaux Arts, Louis haltung zur Truppenbetreuung. Nach dem deut­ Hautecceur, der das Programm eröffnete.29 schen Vorbild fanden Direktsendungen im Stu­ Die RDN hingegen, die immerhin für den Er­ dio vor den Soldaten statt, wobei die Entspre­ werb der Gebäude und für die Kosten des Stu­ chung der Berliner Truppenbetreuungssendung dioausbaus aufzukommen hatte, wurde an­ »Soldaten spielen für Soldaten« in Paris >>Va­ scheinend nicht entsprechend berücksichtigt. riete« (vor Publikum), »Variete vor Verwunde­ Aus einem Sitzungsprotokoll des Conseil Supe­ ten«, »Franzosen spielen für Deutsche« oder rieur der RDN vom 19. November 1943 geht »Musiker und Artisten im grauen Rock unter- hervor, daß die Eröffnung zwar unter Mitwirkung 112 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) halten ihre Kameraden« hieß. Neben der »Wo­ film »Die schwarze Kunst des Johann Guten­ chenschau« und dem regelmäßigen Beitrag berg« (Paris, 13.12.1943) wieder. »Aus dem Zeitgeschehen« dienten vor allem die Ebenfalls ins Programm des Fernsehsenders aus Berlin beschafften Kurz- und Spielfilme - Paris aufgenommen wurde der bereits vom Ber­ etwa 20033 - dazu, das Programm abwechs­ liner Fernsehen ausgestrahlte Film »Flieger zur lungsreich zu gestalten.34 Ein Großteil der be­ See« (Berlin, 14.8.1940, Paris, 30.11.1943), der reits beim Berliner Fernsehen gezeigten Filme die abenteuerliche Seite des Krieges heraus­ wie »Die Sänger von der Waterkant« (Berlin, stellte.41 Zu diesem Filmtyp zählte auch der am 4.1.1938) und »Das Patentkunstschloß« (Ber­ 19. Dezember 1943 um 15.30 Uhr gesendete lin, 4.1.1938)35 findet sich daher in den Pro­ UFA-Spielfilm42 »Stukas« von Karl Ritter aus grammen des Fernsehsenders Paris wieder. dem Jahre 1940/41,43 der eindeutig propagandi­ Zu den genauen Inhalten der Kurz- und stische Inhalte vermittelte. Dieser Film wurde mit Spielfilme gibt es allerdings nur wenige Informa­ dem Prädikat »Staatspolitisch wertvoll, künstle• tionen, und die bloßen Titel wie »Achtung Kur­ risch wertvoll, volkstümlich wertvoll, Jugend­ ve« - dabei handelte es sich um einen schon in wert« bedacht. Berlin gezeigten und in Paris mehrfach wieder­ Generell ist hinsichtlich der gezeigten Film­ holten 19minütigen UFA-Film36- geben dies be­ beiträge und Direktsendungen aus dem Studio züglich kaum Aufschlüsse. Vielfach waren es zu bemerken, daß der Schwerpunkt vor allem UFA-Produktionen, die sich vor allem durch ih­ auf der leichten Unterhaltung lag, womit das ren Unterhaltungsschwerpunkt charakterisierten. Programm aber nicht im Gegensatz zu der von Sie sollten den Zuschauern Ablenkung und Ver­ Berlin vorgegebenen Linie stand, sondern durch­ gnügen bieten und rentabel sein und waren des­ aus der vom Reich befürworteten - auch in an­ halb selten linientreue Propagandafilme. Dazu deren Medien nachweisbaren - inhaltlichen Aus­ zählt auch der in Paris u.a. am 14. August 1944 richtung entsprach. gezeigte Film »Hallo Janine!«,37 eine Liebesge­ schichte mit Verwechslungen von Carl Boese aus dem Jahr 1939, mit Marika Rökk und Jo­ Nicht nur Orientierung an Berlin hannes Heesters in den Hauptrollen.38 Allgemein dominierten Filme mit unproble­ Zusätzlich zu der engen Orientierung an dem matischen Inhalten zu Themen wie Liebe (»Lau­ Berliner Fernsehprogramm begann man in Paris ter Liebe«, »Späte Liebe«, »Liebe streng verbo­ bald damit, eigene Akzente zu setzen und mit ten«), Ehe (»Drei Mal Ehe«, »Oh diese Ehemän• dem Einsatz technischer Mittel zu experimentie­ ner!«), Tiere (»Kamerajagd auf Seehunde«, ren. So versuchte man beispielsweise bei diver­ »Edelkatzen«, »Lustiges Hundevolk«), Sport sen Fernsehspielen, die im Rahmen der »Di­ (»Laufen«, »Schwimmen« und »Springen«), Hei­ rektsendungen aus dem Studio« gezeigt wur­ matkunde (»Deutsches Weinland«, »Barock­ den, u.a. mittels Einblendung von Miniaturmo­ stadt «) und Kriminalstücke (»Der Poli­ dellen oder Verwendung von Diapositiven neue zeifunk meldet«) etc.39 Effekte zu erzielen.44 ln den »Direktsendungen Ob die Kurz- und Spielfilme aus Berlin neben aus dem Studio« brachte man neben Varietes, reiner Unterhaltung mitunter auch direkt propa­ Zirkus und Fernsehspielen auch Gymnastik- und gandistische Inhalte vermittelten, läßt sich nicht Sportbeiträge, die schon in Berlin ab 1939 (bei­ mehr in jedem Fall mit Sicherheit feststellen. spielsweise in der ab 10.3.1939 übertragenen Auszugehen ist davon, daß manche dieser auch Sendereihe »Rundfunkgymnastik - ferngese­ beim Pariser Fernsehen gezeigten Filme aus hen«45) vermehrt im Programm auftauchten. An dem Reich, z.B. Kriminalstücke, vor allem wenn Sportsendungen brachte der Fernsehsender Pa­ die Handlung verschiedene zu lösende Spiona­ ris am 25. Juli 1944 die Sendung »Was ist Ten­ gefälle enthielt, (dazu zählte beispielsweise der nis?« mit dem internationalen Tennismeister in Paris am 26.6.1944 ins Programm aufgenom­ Henri Cochet sowie die Beiträge »Tischtennis« mene Beitrag »Der Polizeifunk meldet«) nicht (13.12.1943), »Gymnastik« (14.12.1943), »Ballet nur eine reine Unterhaltungsaufgabe erfüllten, Serge Lifar« (17.12.1943) und »Boxen« (4.7. sondern auch der politischen »Volkserziehung« 1944) dienten.40 Bei den deutschsprachigen Programmen Die vorgebliche deutsche Überlegenheit in konnte der Fernsehsender Paris anfangs von Wissenschaft, Forschung und Technik, die in den zahlreichen Künstlertruppen aus dem Reich, Berlin u.a. durch Biographien bedeutender Deut­ die sich gerade in Paris aufhielten, profitieren. scher dargestellt wurde, wie »Wilhelm Conrad Schließlich wurde es für die Direktion aber im­ Röntgen« (Berlin, 5.1.1943) oder »Zum Ge­ mer schwieriger, deutsche Künstler für das Pro­ dächtnis von Johannes Gutenberg« (Berlin, gramm zu engagieren, weswegen gegen Ende 10.4.1943), findet sich in Paris u.a. in dem Kurz- Truckendanner: Der Fernsehsender Paris 113 zunehmend französische Sendungen ins Pro­ das Fernsehtheater auch nach dem Krieg unter deut­ gramm aufgenommen wurden.46 scher Leitung weiter zu führen.«52 Zuweilen wartete ein französisches Mario­ nettentheater mit Beiträgen beim Sender auf, die ebenfalls im Rahmen der »Direktsendungen aus Das Publikum dem Studio« gezeigt wurden und die nach dem Berliner Beispiel zum Kinderprogramm des Zu den französischen Zuschauern, die das Pro­ Fernsehsenders gehört haben könnten. Zu den gramm während der Besatzungszeit empfangen Kindersendungen zählten zudem das beim Ber­ konnten, gibt es kaum Informationen. Neben den liner Fernsehen auf 35-mm-Film aufgenommene ins Studio eingeladenen Gästen, die das Pro­ Fernsehspiel »Aii und die Lausejungs« (Berlin gramm direkt mitverfolgen konnten, 53 sollen 19.12.1940, Paris 1.7.1944) nach dem Kinder­ auch einige Personen in Paris und Umgebung roman »Kiick aus dem Spielzeugladen« von (das in deutscher Norm ausgestrahlte Programm Friedrich Schnack47 sowie der Film »Wie Till konnte in etwas schlechterer Bildqualität auch Eulenspiegel den Landgrafen malte« (Paris, mit Fernsehgeräten in französischer Norm 4.7.1944). empfangen werden) die Sendungen gesehen Eine Sendung mit Seriencharakter war das haben. Zur genauen Zahl der Heimempfänger »Fernsehmagazin«,48 das der Fernsehsender gibt es unterschiedliche Schatzungen (zwischen 4 Paris bis zur elften Folge fortführen konnte. Da­ einigen hundert Stück5 und um die 1 000 Ge­ bei handelte es sich um eine bunte Revue, die räte55). zum Teil zweisprachig (21 .6.1944, »Fernsehma­ Nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters gazin VII«, französisch-deutsch) übertragen wur­ fanden die Sendungen vor Publikum ein- bis de. Ebenfalls im Rahmen der »Direktsendungen zweimal pro Woche statt. Unter den Zuschauern aus dem Studio« erscheint zuweilen der Beitrag im Studio befanden sich neben den verwundeten »Fernsehbar« (2.5.1944, 20.6.1944). ln der von Soldaten aus den Spitälern häufig auch franzö• dem Franzosen Mare Chauvierre präsentierten sische Gäste, die über eine Einladung verfügten. Sendung wurden Künstler, Erfinder oder Wis­ Dabei handelte es sich vorwiegend um Famili­ senschaftler ins Studio zu Gesprächen eingela­ enangehörige oder Freunde von Mitarbeitern den.49 Es handelte sich um eine zweisprachige des Fernsehsenders.56 Sendung, wobei die Interviews in Französisch Auch bekannte französische Persönlichkeiten durchgeführt und anschließend auf Deutsch sollen den deutsch-französischen Fernsehbe­ kommentiert wurden. trieb besichtigt haben, u.a. Schriftsteller und Einen wesentlichen Unterschied zum Berliner Schauspieler wie Abel Gance, Jean Cocteau, Fernsehen stellte vor allem die Anforderung der Jean Giraudoux, Jean-Paul Sartre, Jean Marais, Zweisprachigkeit dar, da gemäß den Vereinba­ Jean Louis Barrault sowie Sacha Guitry. Im An­ rungen der Fernsehsender Paris mit seinem schluß diskutierte man meist über die Problema­ Programm nicht nur die verwundeten deutschen tik der Zweisprachigkeit bei der Gestaltung der Soldaten in den Lazaretten, sondern auch das Sendungen oder über die künftigen Möglichkei• französische Publikum ansprechen und »deut­ ten des Mediums. So soll sich Jean Giraudoux sche Propaganda in die französische Bevölke• bei einem Besuch beeindruckt von der friedli­ rung tragen« sollte.SO Hinsichtlich des Fernseh­ chen Arbeit beim Fernsehsender in Paris mitten betriebs in Paris strebten die deutschen Sesat­ im Krieg gezeigt haben und bei dieser Gelegen­ zer von Beginn an nach längerfristigen Zielen, heit den Fernsehsender Paris entsprechend als die vorsahen, das Fernsehen in Paris auch nach

Auch für französische Zuschauer 11.40 »Der Uhrenladen« 20.30 Aus dem Zeitgeschehen Die Ankündigung der Sendungen erfolgte durch 20.45 Direktsendungen aus dem Studio: zwei Ansagerinnen jeweils zuerst auf Deutsch »Venezianische Hochzeit« (deutsch) und dann auf Französisch. Darüber hinaus über• Fensehfilmsendung: 21.05 »Barockstadt Dresden« trug der Fernsehsender Paris französischspra• 21.19 »ln 40 Minuten« chige Programme u.a. im Rahmen der »Franzö• 21 .31 »Die Wiege des Waldes« sischen Stunde«, die zumeist Fernsehspiele wie 21.42 »Guten Abend, gute Nacht« »Le Chapeau chinois« (24.4.1944), »L'Aveu dif­ ficile« (7.7.1944) von Serge Andremont, »Un Die zutreffende Erkl~rung für die generelle Dis­ jeune homme presse« (31 .7.1944) von Eugeme krepanz der Programminhalte zur Realit~t des Labiche beinhaltete. Darüber hinaus gab es von Kriege liefert Kurt Wagenführ: Zeit zu Zeit eine »französische Wochenschau«. »Das Fernsehen hatte zu dieser Zeit keine aktuelle Häufig wurden die Programme beim »Fern­ Aufgabe mehr, sondern die Mission, durch harmlos sehsender Paris« erst in deutscher und dann in unterhaltende Sendungen abzulenken.«61 französischer Sprache gesendet. Beispielsweise am Mittwoch dem 5. Juli 1944 übertrug der Sen­ der um 20.55 Uhr das Fernsehspiel »Ich bin Das Erbe Agnes« und direkt danach um 21.25 Uhr die übersetzte Version »Je suis Agnes«. Für die Rolle des deutsch-französischen Besat­ Allgemein können im Programm des Fern­ zungsfernsehens in Paris ist auch die Frage we­ sehsenders Paris bis auf die Wochenschau, die sentlich, inwieweit das nationale französische hier im Gegensatz zu Berlin, wo sie ab M~rz Fernsehen der Nachkriegszeit von ihm beein­ 194360 nur mehr zweimal pro Woche übertragen flußt wurde und in welcher Form sich noch Pa­ wurde, meist ein- bis zweimal pro Tag in den rallelen oder unmittelbare Auswirkungen manife­ Programmen auftaucht - kaum direkt propagan­ stierten. Die im bundesrepublikanischen Fern­ distische Inhalte nachgewiesen werden. Die in sehen der 50er Jahre nachgewiesene personel­ Berlin im Rahmen des »Zeitdienstes« gesende­ le, aber auch so manche programmliehe Konti­ ten kommentierten Wehrmachtberichte, Filme nuität zwischen Kriegs- und Nachkriegszeit der Propagandakompanien oder Erlebniserzäh• kommt in Frankreich wohl noch deutlicher und lungen von Ritterkreuztr~gern könnten auch in durch den frühen Neubeginn auch unmittelbarer Paris in die Sendung »Zeitgeschehen« aufge­ zum Ausdruck. W~hrend in Deutschland nach nommen worden sein, die vorhandenen Pro­ der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 die grammauszüge geben aber keinen Hinweis dar­ Alliierten die Funkhoheit beanspruchten und die auf. Wiederaufnahme des Fernsehbetriebs erst im Generell entsprach das Programm des Fern­ November 1950 möglich wurde62, konnte Frank­ sehsenders Paris ganz dem Bedürfnis der ver­ reich aus dem ehemaligen Studio des Fernseh­ wundeten Soldaten nach Zerstreuung und Ab­ senders Paris bereits ab Oktober 1945 als er­ lenkung. Auf aktuelle Geschehnisse - über die stes63 Land in Europa wieder Programme aus­ man ohnehin durch andere Medien und Quellen strahlen.64 informiert war - ging man offenbar wenig ein, Im Gegensatz zum Hörfunk, der nach der lediglich problemlose Themen wie die Weih­ Befreiung Frankreichs durch die Sabotageakte nachtszeit wurden im Programm entsprechend der deutschen Besatzungsmacht nur mehr über berücksichtigt. So brachte der Fernsehender Pa­ einen Bruchteil (im September 1944 funktio­ ris in der Vorweihnachbzeit 1943 im Rahmen nierten lediglich sechs Radiosender65) seines der »Direktsendungen aus dem Studio« Beitr~ge ursprünglichen Sendenetzes verfügte, befand wie »ln der Werkstatt des Weihnachtsmanns« sich das französische Fernsehen nach dem (15.12.1943), »Französische Weihnachtsbr~u­ Krieg in einer besseren Ausgangslage als noch che« (21 .12.1943) und »Deutsche Weihnacht« vor 1939.66 Während die Franzosen vor Aus­ (24.12.1943). bruch der Feindseligkeiten lediglich das Studio Bezeichnend für diesen Gegensatz zum in der Rue de Grenelle verwenden konnten, grauen Kriegsalltag ist das Programm am Tag verfügten sie nach Kriegsende über ein Fern­ nach der Landung der Alliierten in der Norman­ sehzentrum, das mehrere Geb~ude umfaßte und die, am 7. Juni 1944: entsprechende Möglichkeiten zum weiteren 10.00 Fernsehfilmsendung: Ausbau bot. Das von den Deutschen eingerich­ »Floh im Ohr« tete Fernsehstudio samt Regie in der Rue de 11.13 » Hois und Holz im Lande I'Universite sowie die angrenzenden Gebäude in des Mikados« der Rue Cognacq Jay waren unbesch~digt zu- 11.27 »Lore« Truckendanner: Der Fernsehsender Paris 115

rückgelassen worden und konnten unmittelbar hens betr~chtlich hemmte. Obwohl das französi• weiterverwendet werden. sche Fernsehen anderen L~ndern in der techni­ Bis zum Jahr 1949 diente das ehemalige schen Umsetzung überlegen war und man un­ Studio des Fernsehsenders Paris, das nun zum mittelbar nach dem Krieg schon durch das fertig Studio 1 des französischen Fernsehens gewor­ eingerichtete Fernsehstudio in Magie City über den war, als einziges regelm~ßig genutztes eine gute Ausgangslage verfügte, gelang es of­ Fernsehstudio. Zum Betrieb konnten nun auch fenbar nicht, den Vorsprung entsprechend zu zwei während der Besatzungszeit produzierte nutzen, und die weitere Entwicklung verlief rela­ und erst nach der Befreiung fertiggestellte Ka­ tiv langsam, ein Ph~nomen, das noch lange da­ meras der Compagnie fran9aise de television nach zu Diskussionen Anlaß gab: 71 (CFT)67 eingesetzt werden. »apres Ia Liberation on ne profita guere de Ia chance Das Erbe des ehemaligen Fernsehsenders fournie par l'emetteur de 441 lignes de Ia Tour Eiffel Paris manifestierte sich neben den R~umlich­ et par les studios de Ia Rue Cognacq Jay, maintenus keiten und der technischen Ausstattung auch im en etat de fonctionner.«72 Personal, das zum Teil schon in der Vorkriegs­ zeit im Fernsehbereich tätig war und w~hrend Wie nachhaltig sich der w~hrend der deutschen der Besatzungszeit weitere Erfahrungen ge­ Besatzung geführte Fernsehbetrieb auf das na­ sammelt hatte. Einige der ehemaligen Mitarbei­ tionale Fernsehen Frankreichs auswirken sollte, ter des Fernsehsenders Paris waren maßgeblich zeigt sich vor allem anhand des Fernsehzen­ am Aufbau des nationalen Fernsehens in Frank­ trums Cognacq Jay, das- w~hrend der Okkupa­ reich beteiligt und sowohl beim Technik- als tion beschlagnahmt und nach dem Krieg in gro­ auch beim Programmpersonal finden sich nach ßem Umfang ausgebaut - schließlich zu großer 1945 noch so manche Namen von ehemaligen Berühmtheit gelangte, und so manchem franzö• Mitarbeitern des deutsch-französischen Fernse­ sischen Fernsehzuseher klingt auch heute noch der immer wiederkehrende Ausruf »A vous Co­ hens wieder. Zu diesen z~hlten vor allem Tech­ niker wie Stephane Mallein, der in der Zeit un­ gnacq Jay!« (ich gebe zurück an die Studios mittelbar nach der Befreiung Frankreichs die Di­ Cognacq Jay) im Ohr, der beim französischen rektion des Fernsehbetriebes übernahm6B. Beim Nachkriegsfernsehen den Abschluß jeder Fern­ Programmpersonal finden sich beispielsweise sehrepartage bildete. 73 Namen wie Gilles Margaritis wieder, der beim Das Fernsehzentrum Cognacq Jay begann deutsch-französischen Fernsehen noch kaum erst mit der Auflösung der staatlichen Rundfunk­ gestaltend mitwirken durfte, da die Programme anstalt ORTF im Jahr 1974 an Bedeutung zu ausschließlich von den Deutschen konzipiert verlieren, als die bis dahin in dem Geb~ude un­ wurden. Beim französischen Fernsehen der tergebrachten Programme nach und nach in an­ Nachkriegszeit führte er Regie bei zahlreichen dere Örtlichkeiten verlagert wurden. Das Zen­ Variete- und Music-haii-Sendungen. Margaritis trum Cognacq Jay beherbergte bis 1992 den startete im Jahr 1948 die Sendung »Music-hall nunmehr privatfinanzierten Sender TF 1 und parade«, die jeden Mittwoch im Wechsel mit der wird auch heute noch als Fernsehstudio ge­ Sendung »La piste aux etoiles« vor Publikum nutzt.74 übertragen wurde. Trotz der Fortschritte in der Fernsehtechnik dank der Fortführung der Forschungen w~hrend Anmerkungen der Besatzungszeit - die Ingenieure der Com­ pagnie des Campteurs Rene Barthelemy und * Zusammenfassung der Dissertation der Verfasse­ Paul Mandel pr~sentierten nach der Befreiung rin: Der Fernsehsender Paris. Deutsch-französi• Frankreichs eine Bildzerlegung in 1 015 Zei­ sches Okkupationsfernsehen 1942 - 1944. Salz­ len,69 die noch auf 1 025 Zeilen verbessert wer­ burg 1998. den konnte, und Henri de France, der das Un­ 1 Vgl. Michel Amoudry: Rene Barthelemy ou Ia ternehmen Radio Industrie vertrat, erreichte eine grande aventure de Ia television franr;;aise. Gren­ Bildauflösung in 819 Zeilen,?O die schließlich als oble 1997, S. 133. offizielle französische Fernsehnorm eingeführt 2 wurde - stand das neue Medium in Anbetracht Jean-Jacques Ledos: La Rue de Grenelle de 1932 a 1939. Les debuts de Ia television en Fran­ der schwierigen wirtschaftlichen Lage keines­ ce. ln: Bulletin du Comite d'Histoire de Ia Televi­ wegs auf der Priorit~tenliste ganz oben. Das sion Jg. 16 (1989), H. 19, S. 31. französische Fernsehen der unmittelbaren Nachkriegszeit stand im Schatten des schon 3 Jacques Poinsignon: La television en France. ln: etablierten und war gepr~gt von perma­ Bulletin des Radiophiles franr;;ais 1989, H. 50, S. nenten Finanzproblemen und mangelnder Auto­ 26. nomie, was den weiteren Ausbau des Fernse- 116 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

4 Vgl. Klaus Winker: Fernsehen unterm Haken­ 19 Vgl. Proces-verbai du Conseil superieur de Ia Ra­ kreuz. Organisation, Programm, Personal. Köln diodiffusion Nationale, 9 et 10 fevrier 1943 a Pa­ u.a. 1994, S. 285f. sowie Gespräch mit Kurt ris, CAC 900214/2. Hinzmann, 2.12.1996. 20 Vgl. Rapport justificatif (wie Anm. 14). 5 Vgl. Memorandum Kurt Hinzmann über die Ent­ stehung des Deutsch-Französischen Fernsehens 21 Vgl. Memorandum (wie Anm. 5}, S. 642. 1941 - 1944 in Paris. ln: Fernseh-lnformationen 22 Rapport justificatif (wie Anm. 14). Jg. 41 (1990), H. 21, S. 639. 23 Ebd . 6 Gerhart Goebel: Das Fernsehen in Deutschland bis zum Jahre 1945. ln: Archiv für das Post- und 24 Vgl. Memorandum (wie Anm. 5), S. 642. Fernmeldewesen Jg. 5 (1953), H. 5, S. 380. 25 Rapport justificatif (wie Anm . 14). 7 Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 406. 26 Vgl. Erinnerungen eines ehemaligen RDN-Tech­ 8 Rapport sur le resultat des negociations avec les nikers, (o.D.), S. 13, Privatarchiv Jean-Jacques autorites allemandes a Paris (du 18 au 22 juillet Ledos. 1941) par Raymond Braillard, Directeur des Ser­ vices Techniques de Ia Radiodiffusion Nationale, 27 Vgl. Memorandum (wie Anm . 5), S. 642, Nr. 22, S. Annexe I, Memento des questions discutees avec 671. le Dr. Botinger a l'hötel Majestic a Paris, Centre des Archives Gontemporaines (CAC) 950218/15. 28 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm . 4), S. 387.

9 Vgl. Memorandum (wie Anm. 5), S. 639f. 29 Vgl. Conseil Superieur de Ia Radiodiffusion Natio­ nale, Seance tenue a Cusset, le vendredi 19 no­ 10 Note sommaire sur Ia delegation de Ia Radiodiffu­ vembre 1943, CAC 900214/2 (dossier 2, 1943) sion Nationale dans les territoires occupes, 24 30 avril1942, o. A., CAC 870714/1. Ebd. 31 11 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 376f. Ebd.

12 Vgl. Befehl 2688/42 des OKW, 20.5.1942, abge­ 32 Ebd. druckt in: Fernseh-lnformationen Jg. 34 (1983), H. 33 Gespräch mit Kurt Hinzmann, 2.12.1996. 13, S. 375f. 34 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 393-396. 13 Vgl. Helmut Krätzer: Aufzeichnungen zur Fern­ sehgeschichte in Deutschland (89): Vor 50 Jah­ 35 Vgl. Erwin Reiss: Wir senden Frohsinn. Fernse- ren: Funk-Einsatztrupp 60 in Paris. ln: Fernseh­ hen unterm Faschismus. Berlin 1979, S . 97ft. lnformationen 1992, Nr. 13, S. 395f. 36 Ebd. S. 106. 14 Vgl. TL 0/350, Rapport justificatif concernant le projet de premier avenant a Ia convention du 27 37 Vgl. Georg Sturm: UrFrAnce [sie!] 1940- 1944, octobre 1942 entre Ia Radiodiffusion Nationale et Kollaboration und Filmproduktion in Frankreich. Ia Reichspost-Fernseh-Gesellschaft m.b.h. pour ln: Hans Michael Bock/Michael Töteberg (Hrsg): l'amenagement du Centre de Television de Paris, Das Ufa-Buch, Kunst und Krisen, Stars und Re­ et le projet de Convention avec Ia meme Societe gisseure, Wirtschaft und Politik. Frankfurt am pour r amenagement de rimmeuble situe 13-15 Main 1994, S. 413. Rue Cognacq Jay, qui fait partie du Centre, 28 juillet 1943, signe: Mallein, CAC 950218/15, sowie 38 Ebd., S. 401. Protokoll über die Abschluß-Sitzung am Sonn­ 39 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 400. abend, 25.4.1942, 10.35 Uhr, zur Frage der Auf­ nahme eines Fernsehbetriebes in Paris. Berlin, 40 Vgl. Boguslaw Drewniak: Der deutsche Film den 30.4.1942, Zentrum zur Aufbewahrung histo­ 1938 - 1945. Ein Gesamtüberblick. Düsseldorf risch-dokumentarischer Sammlungen (früher: 1987, s. 428, 518. Sonderarchiv) Moskau, 1363/1/92. 41 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 321-327. 15 Protokoll über die Abschluß-Sitzung (wie Anm . 14). 42 Die kürzere Dauer des Films im Fernsehen ge­ genüber der Originalversion erklärt sich dadurch, 16 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 379. daß die Filme für die Ausstrahlung im Fernsehen häufig zusammengeschnitten wurden. Die Stoff­ 17 Vgl. Archives de Paris, Serie V.R. auswahl trafen dabei nicht die Filmemacher, son­ 18 Vgl. Note Commission des bätiments pour Mon­ dern die Fernsehtechniker, die das Material nach sieur Fenelon, lnspecteur general de Ia Radiodif­ Kriterien der televisuellen Eignung aussuchten. fusion franc;:aise, Paris, le 12 Mai 1949, Archives Vgl. Siegtried Zielinski: Audiovisionen, Kino und Nationales Paris F/43/149. Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte. Truckendanner: Der Fernsehsender Paris 117

Reinbek bei Harnburg 1989, S. 153, sowie Win­ wieder. Auch in programmlicher Hinsicht kam es ker: Fernsehen (wie Anm . 4) , S. 100. zwar zu einer anderen ideologischen Ausrichtung, aber nicht zu einem völligen Bruch mit der beste­ 43 Vgl. Bock!Töteberg: Das Ufa-Buch (wie Anm . 37), henden Programmtradition. Manche Programm­ S. 426f. formen (ähnlich wie zu Zeiten des Verwundeten­ fernsehens entstandene Unterhaltungssendun­ 44 Vgl. Peter A. Horn: Damals in Berlin und Paris .. . gen) konnten fortbestehen. Vgl. Winker: Fernse­ (3). ln: Fernseh-lnformationen Jg . 32 (1981), Nr. hen (wie Anm. 4), S. 426-432. 5, S. 107f. 63 ln England erfolgte die Wiederaufnahme des 45 Vgl. Reiss: Wir senden Frohsinn (wie Anm . 35) , S. Fernsehbetriebes im Juni 1946. Vgl. Pierre Mi­ 136 quel: Histoire de Ia radio et de Ia television. Paris 46 Vgl. Entretien Kurt Hintzmann (sie), recueilli par 1972, S. 220. Jeröme Bourdon, ln: Jeröme Sourdon et al. (ed.): 64 Vgl. Jean Quevai/Jean Thevenot: TV. Paris 1957, La grande aventure du petit ecran, Ia television S. 139. fran9aise 1935 - 1975. Paris: Musee d'histoire contemporaine/BDIC et INA 1997, S. 54f. 65 Vgl. Elisabeth Cazenave/Caroline Ulmann-Mau­ riat: Presse, radio et television en France, de 47 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 342ff. 1631 a nos jours. Paris 1994, S. 135. 48 Ebd. S. 396. 66 Vgl. Quevai/Thevenot: TV (wie Anm. 64), S. 136.

49 Vgl. Mare Chauvierre: 75 ans de Ia Radio et de 67 Bei der Compagnie Fran9aise de Television (CFT) television. Paris 1989, S. 81. handelte es sich um ein gemeinsames Unterneh­ 50 Gruppe Rundfunk, Einführung eines regelmäßi­ men der Compagnie des Campteurs (CdC) und gen Fernsehprogrammes in Paris nach deutschen der Societe fran9aise de Radiodiffusion (SFR), Normen und unter deutscher Führung. Paris, den gegründet 1936. 2. April 1942, Zentrum zur Aufbewahrung histo­ 67 Vgl. Jean-Fran9ois Domini: Pour nos etrennes risch-dokumentarischer Sammlungen (früher: 1945? La television. ln: Radio 44 Jg. 1 (1944), H. Sonderarchiv) Moskau, 1363/1/98. 5, S. 3.

51 Vgl. [Kurt] W[a]g[en]f[ühr]. ln: Fernseh-lnformatio­ 68 Vgl. ebd. nen Jg. 32 (1981) , Nr. 6, S. 137f. 69 Vgl. Jean-Jacques Ledos: Cognacq Jay ou Ia 52 Aktennotiz der Gruppe Kultur (Theater) Betr.: naissance de Ia h31evision en France. ln: Cahiers Gründung eines Fernsehtheaters, Paris, den 16. du Comite d'Histoire de Ia Television 1996, Nr. 2, April 1942 Archives Nationales Paris AJ/40/1 001. S. 45.

53 Vgl. Erinnerungen eines ehemaligen Technikers 70 Vgl. Amoudry: Rene Barthelemy (wie Anm. 1), S. der RDN, o.D. S. 12, Privatarchiv Jean-Jacques 254. Ledos. 71 Vgl. Pierre Albert: Remarques sur Ia lenteur du 54 Vgl. Bernard Hecht in seinen unveröffentlichten developpement de Ia television en France. ln: Aufzeichnungen zur französischen Fernsehge­ Bulletin du Comite d'Histoire de Ia Television schichte, S. 22. Fran9aise Jg. 8 (1981 ), Nr. 1, S. 20-23. 55 Vgl. Memorandum (wie Anm . 5) , S. 673. 72 Ebd., S. 18. 56 Erinnerungen (wie Anm. 53). 73 Der Ausruf »A vous Cognacq Jay!« fiel erstmals 57 Vgl. Horn: Damals in Berlin und in Paris ... (4 und bei der Direktübertragung der Ankunft der Tour de Schluß), S. 137. France in Paris am 26.7.1948. Vgl. Ledos: Co­ gnacq-Jay (wie Anm. 69), S. 51. 58 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4), S. 391. 74 Vgl. o.A: La maison des Cognacq Jay: 59 Gespräch mit Kurt Hinzmann. Lindau, 15.8.1997. Le renouveau. ln: Antennes 1995, Nr. 77, S. 2.

60 Vgl. Winker: Fernsehen (wie Anm. 4) , S. 330.

61 Kurt Wagenführ: Aufzeichnungen zur Fernsehge­ schichte: Trotz Besatzungszeit erstes deutsch­ französisches Programm. ln: Fernseh-lnformatio­ nen Jg . 35 (1984), Nr. 12, S. 344.

62 Beim NWDR-Fernsehen finden sich manche Techniker (u.a. der bereits in Paris beim Funkein­ satztrupp 60 tätige Heinrich Sieverling), aber auch Programmpersonal des Nipkow-Senders (darun­ ter der ehemalige Programmleiter Julius Jacobi) Michael Meyen Fernsehstuben in der DDR und anderswo

Der »eiserne Staat« habe das neue Instrument dächtig vor dem Volksempfänger unter dem Hit­ mit »kühler Berechnung gepackt« und »Seinem ler-Porträt- das war ihr RezeptionsideaLs Lutz Willen gefügig gemacht«, schrieb die westdeut­ Lindegk schrieb 1950, daß die braunen Macht­ sche Zeitschrift >Rufer und Hörer< im Oktober haber die kritische Haltung des Individuums mit 1953 Ober das Fernsehen in der DDR. Der Zu­ der kritiklosen der Masse hätten vertauschen schauer habe im Vorführraum keine Chance, wollen. Der Gemeinschaftsempfang sei dadurch sich durch laute Kritik vor der Propaganda abzu­ desavouiert worden. Wenn heute jemand darauf schirmen. Er müsse schlucken, was man ihm via hinweise, daß der Rundfunk auch Gemein­ Bildschirm einflöße, und werde so vom Fernse­ schaftserlebnisse schaffen könne, sehe man hen Oberwaltigt.1 Vier Jahre später, Ende 1957, darin bereits eine Art von gleichgeschaltetem ließ Hertha Kludes eine »Hausfrau in der So­ Befehlsempfang. 6 wjetzone« in den Westen schreiben, daß die Die Herrschenden im Osten Deutschlands SED es sehr gern sehe, wenn fernsehlustige dachten offenbar anders. Behörden und Organi­ Leute ins Kulturhaus gingen, da die Reaktionen sationen stellten nach dem Krieg in ihren Räu• dort gut kontrolliert werden könnten.2 men Radios auf und nutzten dabei den Gera­ Es mag sein, daß die Funktionäre in Jena temangeL Wenn die Apparate nicht schon im (woher der Brief gekommen sein soll) tatsachlich Bombenhagel oder auf der Flucht verlorenge­ an die Segnungen des Gemeinschaftsempfangs gangen waren, wurden sie von der Roten Armee glaubten, aber so stark war die Partei denn doch eingezogen (wenn auch nicht Oberall), 7 außer• nicht, die Menschen am Abend zu bestimmten dem gab es keine Ersatzteile, vor allem keine Sendungen in besondere Räume zu zwingen Röhren. Deshalb hörte man ohnehin zusammen, und ihnen dort auch noch den Mund zu verbie­ besonders auf dem Land. Zum organisierten ten. Daß ein Teil der DDR-Bürger das neue Me­ Empfang kamen die Menschen aber schon An­ dium bis Mitte der 60er Jahre nur in Fernsehstu­ fang der 50er Jahre nur noch, wenn es in Schu­ ben nutzen konnte, hatte vor allem wirtschaftli­ len oder Betrieben an politischen Feiertagen che Ursachen. Anweisungen für bestimmte Sendungen gab. Wer konnte, besorgte sich ein eigenes Radio oder ging zum Nachbarn.8 Frühe Hörgemeinden und Beim Fernsehen war das nicht möglich. Als Gemeinschaftsempfang das Fernsehzentrum in Berlin-Adlershof am 21. Dezember 1952 mit dem offiziellen Versuchsbe­ Erfunden hat die DDR den Kollektivempfang trieb begann, gab es nur etwa 70 Apparate vom nicht. Der Kommunikationshistoriker Winfried B. Typ Leningrad - und die standen in Gemein­ Lerg hat darauf hingewiesen, daß die Idee von schaftsräumen.9 Heimempfang blieb auch in den einem öffentlich versammelten Publikum am nächsten zwei Jahren die Ausnahme. Der Le­ Anfang der Rundfunkgeschichte gestanden ha­ ningrad kostete zunächst 3 500 Mark10 und war be. Als dann aber entschieden worden sei, daß bei einem Brutto-Durchschnittsverdienst von Privatleute eigene Gerate haben durften, sei die unter 400 Mark im Monat11 selbst dann noch Vorstellung vom »Saalrundfunk« in den Hinter­ unerschwinglich, als der Preis im August 1953 grund getreten. 3 Am Ende der Weimarer Repu­ auf 1 450 Mark gesenkt wurde. Die Ausgabe blik entstanden Oberall in Deutschland soge­ lohnte sich auch nicht: Der Bildschirm war eher nannte Hörgemeinden. Wer nicht in der Nähe ein Guckloch, kleiner als der Lautsprecher, 14 eines Senders wohnte, brauchte einen teuren mal 19,5 cm. Außerdem mußte man das einge­ Apparat, und den konnten sich sozial Schwäche• baute Radio mitbezahlen, ein Rundfunkgerat re nicht leisten. Also hörte man zusammen und aber hatten die meisten schon. Die ersten Appa­ diskutierte über das Programm. Der Anstoß kam rate mit einer Bildschirmdiagonalen von 43 cm oft von Lehrern oder Bastlervereinen. Die einen kamen erst im Herbst 1955 in die Geschäfte.12 fOhlten sich als Mittler für das Rundfunk-Ziel Was das Programm bis dahin bot, verlockte »Volksbildung«, und die anderen konnten mit nicht unbedingt zum Kauf. Klaus Preisigke, den komplizierten Geraten umgehen. Die Rund­ später Professor an der Sektion Journalistik in funkindustrie unterstützte die Idee. Sie sah die Leipzig, schrieb in seiner Diplomarbeit, daß Kö• Hörgemeinden als WerbemitteL4 nig Zufall regiert habe. 1954 sei der Programm­ Werben wollten auch die Nationalsozialisten. plan zu 80 Prozent nicht erfüllt worden.13 Der Der Führer spricht, und die Gruppe lauscht an- >Spiegel< bedachte die ersten DDR-Fernseh- Meyen: Fernsehstuben in der DDR und anderswo 119 schritte mit Hohn und Spott. Das Nachrichten­ funk< meinte Anfang 1953, daß der Gemein­ magazin sprach im April 1953 von »vernichten­ schaftsempfang zwar »fernsehfremd« sei, man den Blödeleien des Kommunismus« und machte hier aber die Keimzellen künftiger Fernsehhaus­ sich über eine Sendung mit dem Titel »Erbauer halte erblicken könne. Dieser Weg müsse auch des besseren Morgen: Kampf gegen den in Deutschland gangbar sein.24 Mitte 1954 zähl• Schweinerotlauf« lustig.14 Die »Aktuelle Kame­ te >fff-press< 14 Fernsehklubs in der Bundesre­ ra« begann als Diavortrag, brachte auch Ende publik. Jeder habe 15 bis 20 Mitglieder, vor al­ 1954 nur einen Filmbericht pro Ausgabe und lem junge Leute, die über das Programm spre­ sonst stehende Bilder und war langsamer als chen würden. Allerdings gebe es oft schon Auf­ Hörfunk und Tagespresse. 15 Die erste Direkt­ nahmesperren, um die Fernsehatmosphäre nicht übertragung gab es erst zum sechsten DDR­ zu zerstören.25 Das Land Nordrhein-Westfalen Geburtstag am 7. Oktober 1955.16 Selbst als kaufte für Alters- und Jugendwohnheime Fern­ das neue Fernsehgerät Rembrandt Anfang 1954 sehgeräte,26 und der Intendant des Hessischen auf Teilzahlung zu haben war, stieg die Teil­ Rundfunks, Eberhard Beckmann, warb Ende nehmerzahl kaum, obwohl der Bildschirm an­ 1954 vor 50 Bürgermeistern für das Fernsehen derthalbfache Leningrad-Größe hatte und es auf dem Land. Zuvor hatte Beckmanns Rund­ noch keine Fernsehgebühr gab.17 Ende 1954, funkanstalt die Dorfgemeinschaftshäuser beim zwei Jahre nach Programmstart, waren nur Gerätekauf unterstützt.27 Die >Fernseh-Informa­ 2 213 Geräte angemeldet. 18 tionen< schätzten, daß 1,8 Millionen Deutsche Vielleicht begeisterten sich die Funktionäre das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft auch deshalb für die Fernsehstuben. Arthur 1954 am Bildschirm verfolgt haben Nehmzow, Sendeleiter im Fernsehzentrum Ber­ »in ihren Wohnungen, in den Vorführräumen des lin-Adlershof, schrieb im Mai 1954 in der Pro­ Handels, in den überfüllten Gaststätten, in drangvoll grammzeitschrift >Unser Rundfunk<, daß das fürchterlicher Enge vor den Schaufenstern der Fach­ Fernsehen in der DDR kein Luxus sei und kein geschäfte, in Hallen von Zeitungsgebäuden, in Fern­ extravagantes Unterhaltungsinstrument einiger sehstuben der verschiedensten Art, ja selbst in weniger Bevorzugter, sondern jedem Arbeiter Scheunen auf dem Lande, die in aller Eile zu Emp­ und jedem Bauern zugänglich gemacht werden fangsräumen (... ) ausgestaltet worden waren«.28 solle. Deshalb habe die Nationale Front in ihren Daß man den Gemeinschaftsempfang in der Aufklärungslokalen Apparate aufgestellt, und Bundesrepublik trotzdem sehr schnell in die auch in Betrieben, Klub- und Kulturhäusern wer­ Schublade »wesensfremd«29 legen konnte, hat de das Fernsehen freudig begrüßt. Da das Me­ sowohl mit dem nationalsozialistischen Fernse­ dium aber auf dem Lande seine größten Anhän• hen zu tun (das aus dem Stuben-Alter nicht her­ ger finde, würden die Maschinen-Traktoren-Sta­ auskam und von dem man sich wie vom Osten tionen und die Landwirtschaftlichen Produktions­ abgrenzen wollte), als auch mit dem wirtschaftli­ genossenschaften bei der Anschaffung bevor­ chen Aufschwung ab Mitte der 50er Jahre. Stei­ zugt.19 gende Löhne und Renten, mehr Freizeit und der Die DDR stand mit diesen Überlegungen kei­ Wunsch nach Häuslichkeit brachten die Fern­ neswegs allein. Die >Fernseh-Informationen< wa­ seh-Lawine ins Rollen. Der Hamburger Fern­ ren sich im November 1950 sicher, daß für das sehhistoriker Knut Hickethier hat darauf hinge­ Medium wie vor dem Krieg durch Fernsehstuben wiesen, daß das Grundprinzip Privatbesitz auch geworben werde.20 Ein Jahr später sprachen durch das Verkaufsinteresse der Geräteindustrie sich bei einer repräsentativen Umfrage der gefördert worden sei. Trotzdem habe es noch westdeutschen Zeitschrift >Funk um die Familie< bis in die 60er Jahre kollektiven Empfang in öf• 75 Prozent der Interviewten für Fernsehstuben fentlichen Räumen gegeben. 30 aus. 21 Der Branchendienst >fff-press< berichtete Winfried B. Lerg meinte 1967, daß unklar sei, 1956, daß es in Italien ganz normal sei, im Cafe warum die Nationalsozialisten auf den Gemein­ oder beim Bier unter Freunden gemeinsam fern­ schaftsempfang gesetzt haben. ln Großbritanni• zusehen. Offenbar sei der Gemeinschaftsemp­ en habe es Ende 1937 schon 1 600 angemel­ fang für Länder mit niedrigem Lebensstandard dete Fernsehteilnehmer gegeben. Dort sei das besonders geeignet.22 ln Österreich richteten Medium offensichtlich auf dem besten Weg ge­ Kinobesitzer Ende der 50er Jahre Fernsehstu­ wesen, sich mit seinem Publikum zu treffen. ben ein, stimmten die Anfangszeiten mit ihrem Vielleicht habe Goebbels auf die Chance zum Filmprogramm ab und hofften, so mehr Publikum Massenabsatz warten wollen. Möglicherweise anzulocken. 23 Paradebeispiel in der westdeut­ sei so aus einer technischen Notwendigkeit eine schen Diskussion aber waren die Tele-Klubs in kommunikationspolitische Tugend geworden.31 Frankreich, die ähnlich arbeiteten wie die Hör• gemeinden in der Weimarer Republik. Die evan­ gelische Fachkorrespondenz >Kirche und Rund- 120 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Antwort auf die Planwirtschaft ln der DDR waren die Fernsehstuben zu­ nachst leer. Das Programm lief ab 20.00 Uhr, Eine ahnliehe Vermutung liegt auch für die ODR Feierabend aber war um fünf. Drei Stunden im nahe. Die Planwirtschaft war lange nicht in der Betrieb warten wollte keiner und abends zurück• Lage, den Bedarf an Fernsehgeraten zu befrie­ kommen erst recht nicht. Noch nutzloser waren digen. Die Fünf-Jahr-Planer konnten offenbar die Apparate in den Pionierraumen. Sendungen nicht ahnen, wie schnell die Nachfrage steigen für Schulen gab es nicht, und abends um acht würde. 1955 beschlossen sie, bis zum Ende des lagen die Kinder im Bett.43 Die Programmzeit­ Jahrzehnts insgesamt 350 000 Apparate zu schrift >Unser Rundfunk< sprach im Sommer bauen, 32 1960 aber wurde schon der Millionste 1953 von einem Schildbürgerstreich. Der Staat Teilnehmer begrüßt. Wie schwer dieser Sprung bezahle einen Haufen Geld für ein Programm, der Volkswirtschaft gefallen sein mag, verdeut­ das niemand sehe. So könne beispielsweise das licht eine Glosse aus der Satirezeitschrift >Eu­ Gerat im Haus der Ministerien tagsüber be­ lenspiegel< von 1960: Das Fernsehgeratewerk in schnuppert werden, abends aber sei der Raum Radeberg habe sich verpflichtet, den Plan um verschlossen. Selbstbedienung traue man dem 15 000 Stück zu überbieten. Leider aber würden Publikum nicht zu, und die Überstunden für ei­ die notwendigen Gehause fehlen. Es habe sich nen Techniker könnten nicht bezahlt werden. ln kein Betrieb gefunden, der gegen Geld und gute ganz Berlin gebe es nur eine einzige öffentliche Worte geneigt gewesen ware, die Produktion zu Fernsehanlage. 44 übernehmen. Alle seien ausgelastet mit dem Wenigstens dieser Mangel wurde bald beho­ Bau von monströsen Vitrinen und bombasti­ ben. Die Gerate wurden planmaßig Oberall dort schen Musikschranken.33 Die Gehäuse waren verteilt, wo die Sendungen aus Berlin zu emp­ auch schon 1956 ein Problem. Als immer größe• fangen waren, zunächst in und um Leipzig (hier re Stückzahlen gebraucht wurden, ging der Auf­ wurde der Sender zur Herbstmesse 1953 ein­ trag an das Mahdrescherwerk (!) Weimar. Dort geweiht), spater im Dresdner Raum und im Erz­ aber gab es keine Polierer.34 Devisenmangel gebirge, in Thüringen und an der Ostseeküste. zwang die DDR außerdem dazu, einen Teil der Ende 1955 waren 45 Prozent der DDR-Flache Produktion zu exportieren. Ab 1959 wurden zwar »fernsehversorgt«, drei Jahre später 70 Prozent, Geräte aus der Tschecheslowakei und aus Un­ wobei es auch innerhalb dieses Gebietes noch garn eingeführt, Oberall frei zu kaufen aber gab Versorgungslücken gab, in Talern beispielswei­ es Fernsehapparate erst ab Marz 1964.35 Vor­ se.45 her mußte man bis zu zwei Jahre warten36 - es sei denn, man kaufte einen »Gebrauchten« (der mehr kostete als ein neues Gerat)37 oder be­ Verteilung der Empfangsstellen stach den Handler.38 Die Produzenten nutzten diese Situation aus und bauten vor allem teure Die Zahl der Fernsehstuben laßt sich nur schat­ Geräte. 39 Anders als in der Bundesrepublik blieb zen. >Unser Rundfunk< zufolge soll es schon zur der Preis immer Ober der 1 000-Mark-Grenze, Herbstmesse 1954 allein im Bezirk Leipzig 204 und obwohl es auch im Osten ein kleines Wirt­ gegeben haben.46 Klaus Preisigke tippte für En­ schaftswunder gab, stiegen die Einkommen und de 1955 auf rund 2 500 im ganzen Land.47 Die Renten bei weitem nicht so schnell wie im We­ zustandige Abteilung in Berlin-Adlershof kannte sten. Ratenkäufe wie 1954 waren erst wieder im Mai 1956 erst 1 000 Stuben, vermutete aber, möglich, als der Geräteengpaß überwunden daß das nur ein Drittel des Bestandes sei.4B Ein war.40 halbes Jahr spater, Ende 1956, konnte man Fernsehstuben hatten da vor allem den sozial dann bei einer Umfrage zum Thema schon Schwächeren helfen können, aber wie schon bei 1 450 Adressen anschreiben.49 den Nationalsozialisten funktionierte die Idee Ein Großteil dieser Stuben existierte aber nicht. Fernsehkritiker Kurt Wagenführ versuchte wahrscheinlich nur auf dem Papier, und selbst schon 1937, die Enttauschung der Stubenbesu­ bei denen, die arbeiteten, konnte von einer cher zu mildern. Den Vergleich mit dem Kino »Überwaltigung durch den Bildschirm« keine mußte das neue Medium verlieren.41 Die Rede sein. Auf das erwahnte Rundschreiben Reichspost klagte Anfang 1937, daß in den kamen nur 121 Antworten, eine Quote von unter Fernsehstuben vor allem Leute saßen, die eine zehn Prozent, obwohl das Fernsehzentrum im­ billige Wärmequelle suchten. Anderen werde mer wieder anbot, mit den Zuschauern zu disku­ dadurch der Besuch verleidet. Auch in spateren tieren und das Programm auf Wunsch zu an­ Postberichten wurde soziales Elend als Motiv dern. Nach einer Reise in den Bezirk Kari-Marx­ genannt, in die Fernsehstube zu gehen. Man Stadt im April 1956 schrieb ein Mitarbeiter des spare so das Geld für die Kinokarte.42 Adlershafer Fernsehstubenreferats, daß die Dorfgemeinschaften der Nationalen Front im all- Meyen: Fernsehstuben in der DDR und anderswo 121 gemeinen versagen würden. Keine Landwirt­ Leute gewohnt. >Welt<-Korrespondent Wolfgang schaftliche Produktionsgenossenschaft reagiere Weinert beobachtete Ende 1954 eine »Gleich­ auf Briefe, und beim Rat des Bezirkes habe sich gültigkeit gegenüber den ausgelaugten Paro­ gezeigt, daß sich niemand um die Fernsehge­ len«. Die Menschen hätten es alle satt_64 Und räte auf dem Land kümmere. 50 Auch in Dresden der Berliner Magistrat klagte im Sommer 1956, hätten die Bezirksleitungen der Organisationen daß die Geräte in den Jugendheimen oft be­ nicht die leiseste Spur einer Initiative gezeigt schädigt oder einfach auf Westen umgestellt und alle den Eindruck gemacht, daß sie auf An­ würden.5 5 leitung von oben warteten.S1 ln Berlin-Buchholz Immerhin wurden die Aufklärungslokale der schaffte es die Nationale Front, drei Jahre ein Nationalen Front etwas besser besucht als in Gerät ohne Antenne zu hüten. Der Stadtbe­ der Vor-Fernsehzeit.66 Bei der Handball-Welt­ zirksausschuß lehnte die 300 Mark für den Bau meisterschaft 1958 in der DDR waren die Fern­ immer wieder ab und begründete dies mit den sehstuben sogar überfüllt.67 Aber selbst bei ständigen Senderumstellungen. Abgegeben wur­ Sportübertragungen gab es Pannen. Dieter Wa­ de der Apparat aber auch nicht, weil man das les, Sportredakteur des >Neuen Deutschland< doch dem eigenen Wirkungsbereich nicht antun (ND), klapperte 1956 in Berlin vier Aufklärungs• könne.52 Im September 1956 war in Berlin jeder lokale ab, um den Box-Länderkampf DDR-Ägyp­ zweite Fernseher der Nationalen Front nicht in ten zu sehen - Fehlanzeige. Auch in Leipzig sah Betrieb, weil im Plan kein Geld für Ersatzröhren es nicht viel besser aus. Dort kamen die Boxfans vorgesehen war. 53 ln einigen Stuben wurde nur in drei von zwölf Stuben auf ihre Kosten. deshalb mit der Büchse gesammelt. 54 Einen ND-Kommentar: »Die Aufklärungslokale der Na­ weiteren Engpaß gab es beim Personal. Nicht tionalen Front haben auch das Recht, für den überall fand sich ein Rentner zur Betreuung von Sport zu werben.«68 Stube und Gerät.S5 Im Bezirk Erfurt lehnte die Der Gemeinschaftsempfang klappte nur, Nationale Front ein Programmplakat ab, weil wenn die Leute für sich selbst einen Nutzen sa­ dort der ganze Wochenplan abzulesen war, die hen - entspannen, die Kinder am Sonntag vor­ Stubenleiter aber nicht jeden Tag öffnen woll­ mittag beschäftigen, die Wartezeit vor der ten.56 Nachtschicht verkürzen69 - oder wenn sie frei­ Geschlossen blieben die Türen vor allem bei willig mitmachten. Dann konnte es auch vor­ politischen Programmen. Am 26. September kommen, daß ein ND-Reporter 20 Lehrlinge im 1956 ging ein Mitarbeiter aus Adlershof in neun Fernsehraum bei der »Aktuellen Kamera« über• Agitationslokale der Nationalen Front in Berlin, raschte. Die Jugendlichen hatten sich ihr Gerät um festzustellen, ob die Sendung »Treffpunkt mit Gemüseanbau verdient. »Weil der Fernseher Berlin« gesehen wird. Die Gesprächsrunde mit viel Schweiß und Freizeit gekostet hat, braucht Kari-Eduard von Schnitzler galt als wichtig für er nun sein Dasein nicht hinter einem vorhänge• die Organisation. Ferngesehen wurde in keiner schloßbewährten Gatter zu fristen.«?o Auch im Stube.57 ln Halle nahmen die Leute den »Treff­ Kreis Stallberg erarbeiteten sich die Einwohner punkt« immerhin noch mit, wenn hinterher eine das Geld für den Apparat gemeinsam, stellten Unterhaltungssendung kam.58 Wenn ein Inter­ ihn beim Wirt auf, und fortan war die Fernseh­ view sich gar zu lange hinzog, ging man ein­ stube Mittelpunkt des Dorflebens. Die Funktionä• fach.59 Die Stubenleiter bekamen die Kritik ab, re waren froh, denn wenn Kontrolleure aus Ber­ und so verwundert es nicht, daß sie auf die lin kamen, hatten sie ein Vorzeigeobjekt 71 »« schimpften (langweilig, unak­ tuell)6o und noch mehr auf die vielen Program­ mänderungen. Daß man nicht wisse, ob die an­ Fernsehen als Fluchtmöglichkeit in gekündigte Sendung wirklich laufe, sei ein gro­ eine »andere Welt« ßes Hindernis.61 Die Berichte aus den Fernsehstuben zeigen, Diese Beispiele passen ins Bild. Der Hamburger daß die Zuschauer vor allem zu Unterhaltungs­ Historiker Axel Schildt, der sich mit dem Sieges­ sendungen kamen, zur »Rumpelkammer«, in der zug des Fernsehens in der Bundesrepublik be­ der Schauspieler Willy Schwabe Ausschnitte schaftigt hat, beobachtete eine Tendenz zur aus alten UFA-Filmen zeigte, zur Radio-Show Häuslichkeit und meinte, daß das Fernsehen »Da lacht der Bär«, die zunächst so, wie sie war, diese ein wenig verstärkt habe. Die Bevölkerung auf den Bildschirm gebracht wurde, aber auch habe das neue Medium nach extrem langen Ar­ zu den Kindersendungen mit Meister Nadelöhr beitstagen vor allem als billige Fluchtmöglichkeit und Flax und Krümef_62 Wer in der Maschinen­ in eine »andere Welt« genutzt.72 Warum sollte fabrik Halle den »Bären« sehen wollte, mußte das in der DDR anders gewesen sein? Warum sich zwar vorher einen Kurzvortrag über die po­ sollen die Menschen nicht auch hier genug von litische Lage anhören,63 aber das waren die politischer Vereinnahmung gehabt und sich nach 122 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) einem Stück Privatleben gesehnt haben - nach Während das Bonner Ministerium Interviewer den Chaos- und Streßjahren, die viele getrennt von Infratest in Notaufnahmelager schickte, lie­ von der Familie, vielleicht in Behelfsbehausun­ ßen die Amerikaner (West)Berlin-Besucher be­ gen oder gar auf der Flucht verbracht hatten? fragen. Die Interviewer, Deutsche, gingen an Wenn man der Politik auch am Arbeitsplatz Grenzübergänge und in Wechselstuben, auf schlecht ausweichen konnte, dann doch wenig­ Messen und zur Grünen Woche. Die Amerikaner stens in der freien Zeit. Warum also abends in haben alle damit verbundenen Schwierigkeiten eine Fernsehstube gehen - es sei denn, eine selbst eingeräumt. Zum einen sei es gar nicht Unterhaltungssendung oder eine Sportübertra• leicht gewesen, die Ostdeutschen herauszufil­ gung versprachen Ablenkung oder aber man tern, und dann hatten sich die Leute oft beob­ hatte sich selbst für den Fernsehraum engagiert achtet gefühlt, DDR-Agenten vermutet und ein und traf hier Nachbarn und Freunde und nicht Gespräch abgelehnt. 78 Zwar hatte man einige den Geruch politischer Organisation. Quoten vorgegeben (Geschlecht, Herkunft nach Wieviele Zuschauer in die Fernsehstuben Landern, über oder unter 40 Jahre), um die Re­ gingen, ist nicht mehr genau festzustellen. Die präsentativität zu sichern, aber in den For­ empirische Sozialforschung hat in der DDR, von schungsberichten wurde immer wieder auf mög• wenigen Ausnahmen abgesehen, erst Mitte der liche Verzerrungen hingewiesen. So seien die 60er Jahre begonnen. Vorher, im »Stuben-Zeit­ Leute, die nach (West)Berlin oder Helmstedt alter«, galt Demoskopie als bürgerliche Spielerei kämen, wahrscheinlich aktiver, aufgeweckter und unwissenschaftlich. Auch die historischen und hätten außerdem einen höheren ökonomi• Arbeiten der DDR-Journalistikwissenschaft hel­ schen Status_79 Letzteres galt besonders für die fen nicht weiter. Dort spielt der Rezipient keine Industrieausstellungen. Fachbesucher und Ge­ Rolle.73 Und im Westen? Konrad Dussel hat schaftsleute sowie besser Gebildete waren hier kürzlich die Behauptungen glossiert, die in den überdurchschnittlich stark vertreten.80 Vielleicht 50er Jahren über die Radionutzung in der DDR haben auch die Kontrollen durch die DDR­ kursierten.74 Beim Fernsehen sah es nicht viel Behörden auf dem Ring um Berlin manchen von besser aus. Karolus Heinz Heil meinte Anfang einer Fahrt abgehalten. Einige Berufsgruppen, der 60er Jahre, daß der »organisierte Gemein­ etwa Journalisten, mußten sich schriftlich ver­ schaftsempfang« noch eine »gewisse Bedeu­ pflichten, (West)Berlin nicht zu betreten. Wer tung« habe.75 Rolf Geserick hat dagegen ver­ ertappt wurde, konnte entlassen werden. Die mutet, daß schon 1956 der Empfang im Wohn­ Umfragen waren zudem stark auf den RIAS zu­ zimmer der Normalfall gewesen sei. Warum geschnitten. Die Befragten sollten beispielswei­ sonst habe man schließlich eine Gebühr einge­ se einschätzen, wieviel der Sender für den führt.76 Die Fachkorrespondenzen berichteten Osten getan habe und wie wirkungsvoll er gegen zwar regelmäßig über die DDR (anders etwa als die Ostpropaganda sei, und außerdem Gründe die Programmzeitschrift >Hör zu<), aber schon für das RIAS-Hören angeben. 81 Daß solche Anfang der 50er Jahre begann die Ara der Ge­ Fragen zu Verzerrungen führen, liegt auf der rüchte und Vermutungen. Die >Fernseh-Informa­ Hand. tionen< etwa bezogen ihr Wissen aus Besuchen Ahnlieh problematisch scheinen die Umfra­ in (West)Berlin und auf der Leipziger Messe. Die gen in den Notaufnahmelagern. Für die Insassen Tageszeitung >Die Welt< hat 1955 von einem ging es hier um die Anerkennung als politischer Dilemma gesprochen. Der Korrespondent könne Flüchtling und damit in gewisser Weise um die nicht in die »Zone« fahren und auch nicht per Zukunft. Die Infratest-Leute wiesen zwar vor Telefon schnell nachfragen, ob eine Information dem Gesprach darauf hin, daß die Antworten tatsächlich stimme, die ihm zugetragen worden keinerlei Einfluß auf das Notaufnahmeverfahren sei. Etwas schreiben aber müsse er doch.77 hatten, gaben aber zu, daß die Befragten sehr gefällig gewesen seien.82 Das verwundert ange­ sichts der Berichterstattung in den DDR-Medien Informationen über die Zuschauer nicht (Tenor: Geheimdienstler- getarnt natürlich - quetschen Flüchtlinge aus)_83 Einige Antwor­ Zwei Quellen gibt es immerhin, die wenigstens ten mußten hinterher ausgesondert werden, weil 4 bedingt Aufschluß über die DDR-Fernseh­ sie den Interviewern übertrieben schienen.S zuschauer in den 50er Jahren geben. Sowohl Reprasentativitat war in den Lagern nicht zu er­ das gesamtdeutsche Ministerium in Bonn als reichen. Das Notaufnahmeverfahren durchlief in auch der Hohe Kommissar (und ab 1955 dann der Regel nur ein Familienmitglied, der Haupt­ die Botschaft) der USA in der Bundesrepublik verdiener. Bei einer Umfrage zum Rundfunk­ haben bis zum Mauerbau Befragungen von empfang 1955 waren 80 Prozent der Befragten DDR-Bürgern in Auftrag gegeben und sich dabei Manner, 91 Prozent Erwerbstatige und nur ein besonders für die Mediennutzung interessiert. Prozent im Rentenalter. 85 Michael Jansen hat es Meyen: Fernsehstuben in der DDR und anderswo 123

1987 in seiner Magisterarbeit über die Ostsen­ ner Grundausbildung in der Armee, 1985, wur­ dungen der westdeutschen Rundfunkanstalten den alle Lauffähigen jeden Montagabend zum abgelehnt, die Ergebnisse der Infratest-Umfra­ »Schwarzen Kanal« befohlen, und bei der Auf­ gen zu verwenden. Selbst dem demoskopischen nahmeprüfung für ein Studium an der Sektion Laien müsse doch klar sein, daß die Bereitschaft Journalistik, eine ganze Woche in einem Schu­ zur Flucht aus der DDR zu einem überdurch• lungsheim in Bad Saarow, 1988, endete der Tag schnittlichen Interesse an den Westmedien füh• jeweils im Fernsehraum mit der »Aktuellen Ka­ re.86 Dieser Einwand berührt auch das Thema mera«. Fernseh-Ort, denn die DDR-Bürger konnten durchaus wissen, daß Kollektivempfang in der Bundesrepublik verpönt war (durch Besuche et­ Anmerkungen wa oder aus dem Radio). Wenn der Interviewer aber fragte, wie einzelne Sender zu empfangen Fernsehen hinter dem Eisernen Vorhang. ln: Ru­ sind oder ob man das Fernsehen überhaupt fer und Hörer Jg. 8 (1953/54), Oktober, S. 87-90. schon kenne, dürfte »Gefälligkeit« keine Rolle gespielt haben. Hier sind die Ergebnisse ver­ 2 Hertha Kludes: Briefe von Deutschland nach Deutschland. Aus dem Alltag einer Hausfrau in wendbar, zumal die regionale Verteilung mit den der Sowjetzone. München 1959, S. 42. DDR-Verhältnissen übereinstimmte. Die Umfragen zeigen zudem einen klaren 3 Winfried B. Lerg: Die Entstehung des Rundfunks Trend: Obwohl Fernsehbesitzer in der DDR bis in Deutschland. Herkunft und Entwicklung eines Ende der 50er Jahre eine kleine Minderheit wa­ publizistischen Mittels. Frankfurt am Main 1965, ren, spielte der Kollektivempfang nur eine unter­ S. 227. geordnete Rolle. Die Amerikaner haben zwar 4 Bernhard Liedmann: »Hörgemeinden« in der nicht nach dem Gerätebesitz gefragt, dafür aber Weimarer Republik. Ein Beitrag zur historischen nach der Fernsehhäufigkeit Im Herbst 1956 Rezeptionsforschung des Rundfunks. ln: Mittei­ sagten nur drei Prozent von 500 ostdeutschen lungen StRuG Jg. 13 (1987), H. 2, S. 147-166. Industriemessebesuchern in (West)Berlin, daß 5 Vgl. Heiko Zeutschner: Die braune Mattscheibe. sie täglich fernsehen würden. Drei Jahre später Fernsehen im Nationalsozialismus. Harnburg waren es acht Prozent.S? Im Juli 1958 hatten 1995, S. 36, 142. vier Prozent der von Infratest befragten Flücht• linge einen eigenen Fernsehapparat. Das Fern­ 6 Lutz Lindegk: Gemeinschaftsempfang oder Ge­ sehpublikum war aber weit größer. Sah noch meinschaftserlebnis? ln: Rufer und Hörer Jg. 5 1956 nur knapp jeder vierte wenigstens manch­ (1950/51), Nr. 2, S. 81-85. mal das Programm des Deutschen Fernseh­ 7 Die Entscheidung lag beim Ortskommandanten, funks, lag dieser Wert 1959 schon bei 52 Pro­ und so verwundert es nicht, daß nach dem Ein­ zent. Die meisten gaben an, bei Freunden und marsch in jeder Stadt anders verfahren wurde. Bekannten zu gucken. Bei allen drei Befragun­ Während beispielsweise in Görlitz bis August gen erklärten jeweils nur knapp über 20 Prozent 1945 rund 25 000 Radios eingezogen wurden (bei der »Seher«, zum Gemeinschaftsempfang zu 33 860 Rundfunkteilnehmern), war dies in ande­ gehen.88 1956 schrieb Infratest nach einer Um­ ren sächsischen Städten gar kein Thema. ln Wur­ frage unter geflüchteten Arbeitern, daß die Fern­ zen wurden die Einwohner zunächst aufgefordert, ihre Geräte innerhalb von drei Tagen abzuliefern, sehstuben ihr Ziel nicht erreichen könnten, da dann verlängerte der Kommandant die Frist mehr­ sie dem Medium nicht adäquat seien. Dadurch mals und stoppte die Aktion schließlich. Zurück• habe das Fernsehen in der DDR praktisch kei­ gegeben wurden die Geräte nicht, und der Ober­ nen Einfluß. 89 bürgermeister beklagte sich bei der Landesver­ Immerhin dürften etliche DDR-Bürger den waltung, weil er andere Beispiele kannte. Der »Zauberspiegel« in einer Fernsehstube kennen­ SMAD-Befehl Nr. 78 vom 27.9.1945 erlaubte gelernt haben. lsseroda in Thüringen war da si­ dann zwar die Nutzung von Kleingeräten, aber cher keine Ausnahme: Im Juni 1955 stiegen nun ging das Durcheinander erst richtig los, denn Schuldirektor, LPG-Chef und Bürgermeister mit »ehemalige aktivistische Mitglieder der faschisti­ schen Partei« waren vom Empfang ausgeschlos­ den Dorfbewohnern auf einen LKW und fuhren sen. Außerdem gestattete der Befehl nur Geräte zum nächsten Fernsehapparat. Anlaß: eine Re­ mit höchstens drei Röhren in Privathand. Der portage über den Ort. »Oft geht ein Raunen Landrat von Schwarzenberg meinte Ende No­ durch die Zuschauer. Viele sehen sich selbst - vember 1945, daß die Radioaktion die Stimmung und auf einmal platzt es in die Stille ... >Guck mal, zum Sieden gebracht habe. Gerade Kommunisten da ist die Hilde!«

den Akten des sächsischen Amtes für Information 17 Der Rembrandt kam aus dem Sachsenwerk Ra­ wird außerdem von »aktivem Austauschen«, deberg. Bildgröße: 18 mal 24 Zentimeter, Preis: Schwarzhörern und Vergleichen mit dem Hitler­ 1 300 Mark. Der Darlehensvertrag konnte mit je­ Regime berichtet. Der Befehl Nr. 132 vom 20.4. der Sparkasse abgeschlossen werden · und sah 1946 hob dann alle Beschränkungen auf, konnte eine Anzahlung von 325 Mark vor. Vgl. Funktech­ aber Streit um die »Geschäfte« und Beschlag­ nisches: Fernsehempfänger »Rembrandt«. ln: nahmungen der Vormonate nicht verhindern. Unser Rundfunk Jg. 9 (1954), Nr. 14, S. 21 . - Ei­ Nicht alle Geräte waren mehr da und nicht jeder ne Gebühr hatten Fernsehteilnehmer ab 1. Juli Tausch mehr rückgängig zu machen. Sächsi• 1956 zu zahlen. Sie lag zunächst bei vier Mark sches Hauptstaatsarchiv Dresden. Landesregie­ und wurde zum 1.7.1962 auf sieben Mark (ein­ rung Sachsen, Ministerpräsident. Amt für Informa­ schließlich Hörfunk) erhöht. Das reichte aber tion Nr. 4513. nicht, um die Kosten zu decken. Vgl. Rolf Gese­ rick: 40 Jahre Presse, Rundfunk und Kommunika­ 8 Vgl. Rufen und Hören in der Sowjetzone. ln: Rufer tionspolitik in der DDR. München 1989, S. 67, und Hörer Jg. 6 (1951/52), Nr. 7, S. 374-380. - 147. Die Radiomacher forderten die Hörer zwar immer wieder auf, sogenannte Abhörgemeinschaften zu 18 Preisigke: Die Entstehung (wie Anm. 9), S. 16. bilden, zusammen zu hören, zu diskutieren und das Ergebnis dann an den Sender zu schicken, 19 Arthur Nehmzow: Fernsehen - ein neuer politi­ Erfolg aber hatten sie damit nicht. Intendant Hans scher Faktor. ln: Unser Rundfunk Jg. 9 (1954), Nr. Mahle klagte 1950, daß es zwar einzelne Ge­ 19, S. 19. meinschaften bei den Landesvorständen der FDJ gebe, aber das sei ja nicht der Kern der Sache. 20 Noch vor Weihnachten öffentliches Fernsehpro­ Gerhard Walther meinte ein Jahrzehnt später, daß gramm in Hamburg. ln: Fernseh-lnformationen Jg. das Ganze maßlos aufgebauscht worden sei. Ab­ 1 (1950), 1. Folge vom 1. November, S. 5. hörgemeinschaften habe es nur vereinzelt gege­ 21 Wgf. (Kurt Wagenführ]: 1952 bringt Bewegung in ben. Vgl. Intendanten- und Chefredakteurstagung. die Fernsehentwicklung. Ebd., Jg. 3 (1952), 1. 15.8.1950. Protokoll, S. 13. Deutsches Rundfunk­ Januar-Ausgabe, S. 2. archiv Berlin (DRA Berlin), Historisches Archiv, Hörfunkbestand; Gerhard Walther: Der Rundfunk 22 Tele-Clubs als Sicherung. Die UNESCO und die in der sowjetischen Besatzungszone Deutsch­ Gefahren des Fernsehens. ln: fff-press Jg. 5 lands. Berlin 1961, S. 179. Vgl. auch Eine Bitte an (1956) , Nr. 22, S. 8f. die Hörer. ln: Der Rundfunk Jg. 7 (1952), Nr. 24, S. 7; Wie arbeiten unsere Abhörgemeinschaften. 23 Österreichische Sorgen über Fernsehstuben in ln: Unser Rundfunk Jg. 8 (1953), Nr. 13, S. 9. Kinos. ln: fff-telefilm Jg. 7 (1958), Nr. 30, S. 59.

9 Vgl. Klaus Preisigke: Die Entstehung des Deut­ 24 Nicht auf den anderen warten - wenn die Zahl der schen Fernsehfunks in der Periode des Aufbaus Fernsehteilnehmer wachsen soll. ln: epd/Kirche der Grundlagen des Sozialismus in der DDR. und Rundfunk 1953, H. 8, S. 2f. ; vgl. auch: Die Kari-Marx-Universität Leipzig. Fakultät für Journa­ ländlichen Fernsehklubs in Frankreich. ln: fff­ listik: Diplomarbeit 1965, S. 8. press Jg. 1 (1952), Nr. 18 vom 8. Dezember, S. 5.

10 Vgl. Albert Donle: Bühne ohne Publikum. Derer 25 14 Fernsehclubs in der Bundesrepublik. ln: fff­ von Schilda newester Streych. ln: Unser Rund­ press Jg. 3 (1954), Nr. 19 vom 27. Mai, S. 3. funk Jg. 8 (1953), Nr. 31 , S. 19. 26 Karl Heinz Ressing: Die umstrittenen Kulturfonds: 11 Bruttodurchschnittsverdienst für Arbeiter und An­ Harnburg gab nur 13 Prozent für Rundfunkzwecke gestellte in volkseigenen und genossenschaftli­ aus. ln: fff-press Jg. 3 (1954), Nr. 24, S. 1. chen Betrieben 1952: 352 Mark, 1953: 378 Mark; 1954: 408 Mark. Vgl. Ralf Rytlewski, Manfred Opp 27 Fernsehen als »Fenster in die Weit«. Gemein­ de Hipt: DDR in Zahlen 1945/49 - 1980. Ein sozi­ schaftsempfang in hessischen Dörfern. ln: fff­ algeschichtliches Arbeitsbuch. München 1987, S. press Jg. 3 (1954), Nr. 44, S. 4. 108f. 28 Juni 1954: Rekordmonat des deutschen Fernse­ 12 Preis- und Größenangaben bei Preisigke: Die hens. ln: Fernseh-lnformationen Jg. 5 (1954), Nr. Entstehung (wie Anm. 9), S. 15f. 13, S. 297.

13 Ebd., S. 19. 29 Vgl. auch Hans Gabler: Fernsehen im Einzel- und Kollektivempfang. ln: Rundfunk und Fernsehen 14 Sowjetzone: Zilles bunte Bühne. ln: Der Spiegel Jg. 4 (1956), Nr. 2, S. 148-154. Jg. 7 (1953), Nr. 16, S. 30. 30 Knut Hickethier: Der Fernseher. Zwischen Teilha­ 15 Vgl. Klaus Preisigke: Die Entstehung (wie Anm. be und Medienkonsum. ln: Wolfgang Ruppert 9), S. 23, 26. (Hrsg.): Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kul­ turgeschichte der Alltagsdinge. Frankfurt am Main 16 P.S.: Zeitgeschehen - ferngesehen. ln: Unser 1993, s. 169f. Rundfunk Jg . 10 (1955), Nr. 43, S. 3. Meyen: Fernsehstuben in der DDR und anderswo 125

31 Winfried B. Lerg: Zur Entstehung des Fernsehens 49 Umfrage vom November/Dezember 1956, S. 1. in Deutschland. ln: Rundfunk und Fernsehen Jg. DRA Berlin. Historisches Archiv. Referat Fernseh­ 15 (1967), Nr. 4, S. 369f. stuben. F 1/112/11/5/1.

32 Beschlußvorlage über den Ausbau des Fernse­ 50 Bericht über die Dienstreise nach Kari-Marx-Stadt hens in der DDR. Ohne Datum (Anfang 1955), S. am 11. und 12.4.1956. Ebd. 7. Bundesarchiv (BA) Berlin DM 3 BRF II. Nr. 472. 51 Reisebericht: Dresden am 20.3.1956. Ebd., S. 1 33 Gisela Steineckert: Der Wurm im Gehäuse. ln: Eulenspiegel Jg. 7 (1960), Nr. 24, S. 11. 52 Zur Situation der Fernsehstuben der Nationalen Front in Berlin. Berichtsstand: Juli 1956. Ebd., S. 34 P.S.: Warum zuwenig Fernsehapparate? ln: Un­ 4. ser Rundfunk Jg. 11 (1956), Nr. 50, S. 2. 53 Erfahrungsaustausch mit Berliner Fernsehstuben 35 Vgl. Ralf Marschke: Historischer Abriß sowie per­ am 27.9.1956. Ebd., S. 3. spektivische Aspekte des Auf- und Ausbaus der 4 Sendernetze der Deutschen Post für den UKW­ 5 Vgl. Bericht über die Reise vom 12. bis 16.11. Hör- und Fernsehfunk unter Berücksichtigung 1956 in den Bezirk Halle. Ebd., S. 4. ausgewählter Probleme der Rundfunkversorgung. 55 Ein Mitarbeiter des Fernsehzentrums schrieb im Dresden: Hochschule für Verkehrswesen Fried­ Dezember 1955, daß im Landkreis Leipzig vor al­ rich List. Diplomarbeit 1975, S. 123, 144. lem Rentner die Stuben betreuen würden. Dies 36 Vgl. u.a. P. S.: Warum zuwenig Fernsehapparate sei der »Weg des geringsten Widerstandes«. Be­ (wie Anm. 34); Preisigke: Die Entstehung (wie richt über die Dienstreise vom 30.11. bis 2.12. Anm . 9), S. 13; Brief von Hanna Wiesenack aus nach Leipzig und Halle. Ebd., S. 2. Oybin an den OFF vom 2. April 1963. DRA Berlin. 56 Bericht zur Reise vom 27. bis 29.8.1956 in den Historisches Archiv. Abteilung Zuschauerfor­ Bezirk Erfurt. Ebd., S. 1. schung. Sammlung Zeitgeist. F 1/121. BI. 165. 57 Betrifft: Fernsehempfang in Agitationslokalen der 37 Vgl. kl-s.: Preisgestaltung für gebrauchte Emp­ Nationalen Front. Ebd. fangsgeräte. ln: Unser Rundfunk Jg. 13 (1958), Nr.11, S.17. 58 Bericht über die Dienstreise vom 30.11. bis 2.12. nach Leipzig und Halle. Ebd., S. 4. 38 John Stave: Raben auf der Mattscheibe. ln: Eu­ lenspiegel Jg. 9 (1962), Nr. 21, S. 10. 59 Vgl. den Leserbrief von Erich Müller aus Grimma. ln: Unser Rundfunk Jg. 8 (1954), Nr. 43, S. 8. 39 Institut für Marktforschung: Statistische Entwick­ lung der Einzelhandelsverkaufspreise und Preis­ 60 Erfahrungsaustausch mit Berliner Fernsehstuben aufbau im Sortiment Elektrotechnik. 1. Februar (wie Anm. 53), S. 3. 1970, S. 13. BA Berlin DL 102. Nr. 628, S. 13. 61 Zur Situation der Fernsehstuben der Nationalen 40 Vgl. Geserick: 40 Jahre (wie Anm. 17), S. 205f. Front in Berlin (wie Anm. 52), S. 3. 41 Vgl. Knut Hickethier: Zwischen Einschalten und 62 Vgl. Umfrage (wie Anm. 49), S. 4; Bericht über die Ausschalten. Fernsehgeschichte als Geschichte Reise vom 12. bis 16.11.1956 (wie Anm. 54), S. 1; des Zuschauens. ln: Werner Faulstich (Hrsg.): Erfahrungsaustausch mit Berliner Fernsehstuben Vom >Autor< zum Nutzer: Handlungsrollen im (wie Anm. 53), S. 1. Fernsehen. München 1994, S. 247. 63 Bericht über die Reise vom 12. bis 16.11.1956 4 2 Ab 1936 brauchte man zwar auch in der Fernseh­ (wie Anm. 54), S. 2. stube eine Eintrittskarte, aber diese wurde nur ausgegeben, um eine Überfüllung zu verhindern, 64 Wolfgang Weinert: Es flüstert in der Zone. ln: Die und kostete nichts. Vgl. Zeutschner: Die braune Weit Jg. 9 (1954), Nr. 241, S. 3. Mattscheibe (wie Anm. 5), S. 140ff. 65 Fernsehstuben, Bezirk Berlin. 13.6.1956, S. 1. 43 Vgl. Albert Donle: Fernsehen - gernsehen! ln: DRA Berlin (wie Anm. 49). Unser Rundfunk Jg. 8 (1953), Nr. 45, S. 19. 66 Aus der Zone. ln: Fernseh-lnformationen Jg. 7 44 Donle: Bühne ohne Publikum (wie Anm. 10). (1956), Nr. 4, S. 68.

45 Vgl. Marschke: Historischer Abriß (wie Anm. 35), 67 H.R.: Das große Beispiel. ln: s. 109, 118f. Jg. 13 (1958), Nr. 59, S. 6.

46 Unser Rundfunk Jg. 9 (1954), Nr. 37, S. 12f. 68 D.W. [Dieter Wales]: Fernsehen. ln: Neues Deutschland Jg. 11 (1956), Nr. 147, S. 8. 47 Preisigke: Die Entstehung (wie Anm. 9), S. 46. 69 Vgl. Bericht über die Reise vom 12. bis 16.11. 48 Fritz Füssler: Schon 1 000 Fernsehstuben be­ 1956 (wie Anm. 54), S. 1f. kannt, aber ... ln: Unser Rundfunk Jg. 10 (1956), Nr. 22, S. 12. 126 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

70 Rolf-Peter Bernhardt: Dorf des Frohsinns und der (1956: 70 706, 30. Juni 1959: 434 234), scheint guten Laune. ln: Neues Deutschland Jg. 16 das Ergebnis plausibel, wenn man den sozialen (1961), Nr. 77. Beilage »Für die Jugend«. Status der Befragten bedenkt. Auch in der Bun­ desrepublik waren Selbständige unter den ersten 71 Betrifft: Reise vom 18. bis 20.9.1956 nach Lim­ Fernsehteilnehmern überdurchschnittlich stark bach-Oberfrohna, Stallberg und Burgstädt, S. 3. vertreten. Vgl. Geserick: 40 Jahre (wie Anm. 17), DRA Berlin (wie Anm. 49). S. 69; Unser Rundfunk Jg. 14 (1959), Nr. 36, S. 20; Gerhart Goebel: Wer sieht das Fernsehpro­ 72 Axel Schildt: Moderne Zeiten. Freizeit, Massen­ gramm? Die berufsständische Gliederung der medien und »Zeitgeist« in der Bundesrepublik der Fernsehteilnehmer 1953. ln: Fernsehen Jg. 2 50er Jahre. Harnburg 1995, S. 206, 279. (1954), Nr. 1, S. 7-12.

73 Vgl. z.B. Günter Raue: Geschichte des Journalis­ 88 Infratest: Rundfunkempfang und Nutzung westli­ mus in der DDR 1945 - 1961. Leipzig 1986. cher Fernsehsender in der SBZ. Juli 1958, S. 45; Radio Listening (wie Anm. 80). 74 Konrad Dussel: Der DDR-Rundfunk und seine Hö• rer. Ansätze zur Rezeptionsforschung in Ost­ 89 Infratest: Arbeiterschaft in der volkseigenen Indu­ deutschland (1945- 1965). ln: RuG Jg. 24 (1998), strie der SBZ. 1956. Teil I: Analyse, S. 86. BA Ko­ H. 2/3, S. 122. blenz 8 137, Nr. 783.

75 KaroJus Heinz Heil: Das Fernsehen in der sowjeti­ 90 J.P.: »Guck, da ist die Hilde!« ln: Unser Rundfunk schen Besatzungszone Deutschlands 1953 - Jg. 10 (1955), Nr. 28, S. 19. 1963. Sonn, Berlin 1967, S. 156.

76 Geserick: 40 Jahre (wie Anm. 17), S. 68

77 E.W.S.: Gedichte schrieb sie leider nicht. ln: Die Welt Jg. 10 (1955), Nr. 122, S. 10.

78 Vgl. Anna J. MerritURichard L. Merritt: Public Opi­ nion in Semisovereign . The HICOG Surveys, 1949 - 1955. Urbana u.a. 1980, S. 32.

79 Vgl. Attitudes behind the lron Curtain. A Survey Approach to the East German Thinking. IV. Radio Listening in the East Zone. HICOG-Report No. 90 1951, S. 1. Zentralarchiv für Empirische Sozialfor­ schung an der Universität zu Köln.

80 Radio Listening and TV Viewing in . Embassy-Report No. S-3, 1959. Composition of the Sample. Ebd.

81 Vgl. u.a. East Zone Radio Listening. Trends and Current Evaluations of RIAS. HICOG-Report No. 189, 1953. Ebd., S. 9-17.

82 Infratest: Empfangsmöglichkeiten und Nutzung westdeutscher und westlicher Auslandssender in der SBZ. Ergebnisse einer Umfrage bei Ostzo­ nenflüchtlingen. September/Oktober 1955, S. 2.

83 Vgl. z.B. Heinz Stöckert: Wie Sonn Republikflüch• tige zur Spionage mißbraucht. ln: Neues Deutschland Jg. 10 (1955), Nr. 44, S. 2.

84 Infratest: Empfangsmöglichkeiten (wie Anm. 82), S. 2.

85 Ebd., S. 1-5.

86 Michael Jansen: »Liebe Hörer in der Zone«. Zu einem Aspekt des Kalten Krieges in den bundes­ deutschen Rundfunkprogrammen der fünfziger Jahre. Magisterarbeit Freiburg im Breisgau 1987, s. 80.

87 Radio Listening (wie Anm. 80), Part IV- East Zo­ ne TV Viewing. - Obwohl die Zahl der Gerätean• meldungen noch deutlich schneller gestiegen war Reiner Stein

Kein Auferstehen aus Ruinen Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Bundesländern (1990- 1992)*

Zehn Jahre Mauerfall - das ist wahrlich ein surverbot in DDR-Gesetzen und Rundfunksta­ Grund zum Feiern. Aus dem bankrotten Staat tuten, sondern auch ausgeprägte Mitbestim­ mit »real existierendem Sozialismus« ist binnen mungs- und Berufsrechte für die Mitarbeiter. weniger Jahre ein Teil der demokratischen Bun­ Dennoch blieb nach wie vor eine Angst vor den desrepublik geworden. Wie in vielen Bereichen alten Medienmachern in der Luft - schließlich des öffentlichen Lebens erhielt auch die Rund­ hatten sie doch 40 Jahre lang parteilreuen funklandschaft der ehemaligen DDR kompatible Rundfunk par excellence gesendet. Strukturen - nämlich zwei völlig neue öffentlich• Nein, die neuen Länder wollten die einst so rechtliche Anstalten: den Mitteldeutschen Rund­ mächtigen Propagandaapparate nicht mehr ha­ funk (MDR) und den Ostdeutschen Rundfunk ben - trotz Programm- und Personalbereinigun­ Brandenburg (ORB). Das Land Mecklenburg­ gen . Der Einigungsvertrag von 1990 setzte in Vorpommern schloß sich dem Norddeutschen seinem Artikel 36 die Landesparlamente zeitlich Rundfunk (NDR) an, die Ostberliner werden unter Druck. Bis 1. Januar 1992, 0.00 Uhr, seitdem vom (SFB) ver­ mußte über den Rundfunk in Ostdeutschland sorgt. Diese Entwicklung blieb allerdings nicht entschieden worden sein : Entweder wäre die ohne Kritik, sowohl aus den Reihen der Politik, Einrichtung dann in öffentlich-rechtliche Anstal­ der Medienpraktiker als auch der Rechtswissen­ ten überführt worden, oder sie mußte aufgelöst schaftler: Sie reichte von verpaßter »Chance für werden. Die Länder wählten die erste Option. unsere Demokratie«1 über Verzicht auf »Aufar­ Warum? Das soll dieser Beitrag klären. Er wird beitung der totalitären Vergangenheit«2 bis hin noch einmal die Rundfunkgeschichte von 1990 zu verfassungsrechtlichen Bedenken und der bis 1992 rekapitulieren sowie die kritischen Pas­ Verurteilung als »Kolonialisation«.3 Sie macht sagen und Besonderheiten von MDR-Staatsver­ deutlich, daß es sich um eine äußerst span­ trag und CRS-Rundfunkgesetz untersuchen. nungsgeladene, diskussionsreiche Phase han­ Kritiker monieren oft eine unzulängliche Staats­ delte, in der verschiedene medienpolitische In­ ferne von öffentlich-rechtlichen Rundfunkorga­ teressen miteinander kollidierten. nen - gilt dieser Vorwurf auch für die neuen An­ Fast in Vergessenheit gerät dabei die gleich­ stalten und deren Entstehungsgeschichte? Wel­ zeitige Abwicklung der »Einrichtung« - jener che Interessen verfolgte die administrative Poli­ zwei Fernsehvollprogramme und fünf Hörfunk• tik? Im Vordergrund steht die Gründungsent• programme der DDR. Nur wenige Überbleibsel wicklung des ORB - nicht nur wegen der geo­ in den Programmen der Nachfolgesender erin­ graphischen Nähe zur Einrichtung, sondern nern heute noch an sie: der ostdeutsche »Sand­ auch wegen der Tatsache, daß Brandenburg, mann«, »Polizeiruf 110«, »Klartext«, »Ozon«, das einzige der fünf neuen Bundesländer unter der MDR-Jugendsender »Sputnik« sowie die einer SPD-geführten Regierung, den Sendestart vielen Wiederholungen alter Fernsehfilme und mit geringem Etat im Alleingang versuchte. Im -serien. gleichen Zeitraum wurden die entscheidenden Fest steht aber: Was sich den neuen Ländern Weichen für den nationalen Hörfunk gestellt - als Ausgangslage am 3. Oktober 1990 bot, war auch diese Entwicklung ist Teil der Deutschen nicht mehr der alte Rundfunk, der mit Propagan­ Äthervereinigung und wird im letzten Kapitel be­ disten wie Kari-Eduard von Schnitzler gegen den schrieben. Klassenfeind BRD hetzte: Dazwischen lag ein Jahr Entwicklung, in dem auch Fernsehen und Hörfunk der DDR im Zeichen des revolutionären Der Weg zu neuen Rundfunkanstalten Umbruchs verändert wurden. Allerdings standen diese Demokratisierungsprozesse im Zeichen Die Diskussionen über die Neuordnung des eines Demokratiemodells, das sich radikaler als Rundfunks auf dem Gebiet der ehemaligen DDR das repräsentative der Bundesrepublik auf ba­ erhielten nach der Vereinigung am 3. Oktober sisdemokratische Ansätze stützte - ganz im Zei­ 1990 und vor allem nach den Landtagswahlen in chen des Runden Tisches. Die Folgen waren den neuen Bundesländern am 14. Oktober aus nicht nur Festlegung auf Meinungs- und Infor­ zweierlei Gründen neue Perspektiven: Zum ei­ mationsfreiheit, Staatsferne und jegliches Zen- nen war die Rundfunkhoheit mit lnkrafttreten des 128 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Einigungsvertrages formell endgültig in die Hän• bayerischen Regelungen: Jede Landtagsfraktion de der Länder gelegt worden. Damit waren auch sollte pro 20 Abgeordnete einen Sitz im Rund­ rundfunkspezifische Vereinbarungen zwischen funkrat erhalten, die Landesregierung nochmals den Ländern der alten Bundesrepublik und pro­ einen. Dieser Entwurf lag im November dem visorischen Regionalausschüssen der ehemali­ sächsischen Landtag zur Beratung vor. 6 gen DDR gegenstandslos geworden, wie z.B. Auch in Thüringen gab es zur gleichen Zeit der Beschluß des Westberliner Senats und des Konzepte für einen eigenständigen Thüringi• Ostberliner Magistrates vom 3. Juli 1990, in dem schen Rundfunk (ThR). Diese wurden Anfang die Errichtung einer neuen öffentlich-rechtlichen Oktober von der Arbeitsgruppe Medienpolitik, ei­ »Landesrundfunkanstalt Berlin-Brandenburg« nem politisch beratenden Ausschuß zur Bildung durch Vereinigung von SFB, des Landes Thüringen, der sich aus Vertretern und Antenne Brandenburg festgelegt worden aller gesellschaftlichen Kräfte zusammensetzte, war. 4 Zum anderen ließen die Mandatsverteilun­ in Zusammenarbeit mit Rundfunkjuristen aus gen und die Regierungsbildungen in den einzel­ Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und dem nen Ländern neue Diskussionen über bereits Saarland entwickelt. ln Anlehnung an die hessi­ vorgeschlagene Konstellationen der künftigen schen Verhältnisse war vorgesehen, den künfti• Rundfunkanstalten erwarten. gen Intendanten mit weitgehenden Kompeten­ zen auszustatten. 7

Positionsbestimmungen der Landtage Plan für eine separate Rundfunkanstalt und Ideen von außen in Brandenburg ' Für eine eigene Rundfunkanstalt sprach sich Die administrative Medienpolitik trat nach den auch der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Landtagswahlen zunächst in eine länger anhal­ in Brandenburg, Wolfgang Birthler, Mitte De­ tende Pause. Während die Landesparlamente zember aus: Die Rundfunkanstalt könne einen aufgrund der unterentwickelten Infrastruktur, der Beitrag für den Erhalt der »bestehenden Me­ teilweise lang anhaltenden Koalitionsverhand­ dienindustrie unter marktwirtschaftliehen Bedin­ lungen wie in Brandenburg und der anfänglichen gungen« leisten.S Mit der bestehenden Medien­ Schwierigkeiten bei der Herstellung einer effekti­ industrie meinte er jedoch nicht die Objekte der 5 ven Verwaltung überbelastet waren, hatten die Einrichtung, sondern die der Deutschen Film AG politischen Diskussionen vom Herbst 1990 bis (DEFA) und der Hochschule für Film und Fern­ zum Sommer 1991 zunächst zu klären, ob in je­ sehen »Konrad Wolf« (HFF) in -Babels­ dem der fünf neuen Länder eine eigene Rund­ berg . Die Forderungen nach einer ökonomisch funkanstalt gegründet werden sollte oder ob es sinnvolleren Mehrländeranstalt wies er zurück, aus finanziellen Gründen sinnvoller wäre, Mehr­ denn Brandenburg habe immerhin mehr Ein­ länderanstalten anzustreben. Vielfältige Modelle wohner und Fernsehzuschauer als das Saarland wurden von den Landtagsfraktionen und Aus­ und Bremen zusammen. Trotzdem seien im schüssen entwickelt, aber auch von unbetei­ Rahmen eines dritten Fernsehprogrammes Ko­ ligten Dritten an die Landesregierungen heran­ operationen mit anderen Anstalten anzustre­ getragen. ben .9 Für eine solche Anstalt existierte auch bereits Konzepte für separate Rundfunkanstalten ein Rundfunkgesetzentwurf von Lutz Borg­ in Sachsen und Thüringen mann,10 der an das WDR-Gesetz angelehnt ist. Es hatte zunächst den Anschein, als verfolgte Der Entwurf sieht einen Brandenburgischen die Mehrzahl der neuen Bundesländer Konzepte Rundfunk mit Sitz in Potsdam und Außenstudios eigenständiger Rundfunkanstalten. Schon im in Cottbus sowie in FrankfurUOder. vor. Wie von September 1990 hatte die Initiative Sächsisches Birthler erwähnt, sind darin auch »Vereinbarun­ Landesmediengesetz {ISL) unter der Leitung von gen mit anderen Rundfunkveranstaltern zum Helmut Schmidt einen ersten Entwurf für einen Zwecke gemeinsamer Programmgestaltung« eigenen öffentlich-rechtlichen Sächsischen Rund­ eingeplant (§ 2, 7). Bemerkenswert erscheinen in funk (SRF) vorgelegt. Die Besonderheit dieses diesem Entwurf die Bestimmungen über die Or­ Entwurfes war die Minorität der in Sachsen ver­ gane der Anstalt (§§ 21 und 22): Dem Direktor tretenen Landtagsfraktionen im Aufsichtsgre­ werden weit weniger Kompetenzen zugespro­ mium. Im Auftrag des Vize-Chefs der Dresdner chen als beispielsweise im Thüringer Konzept. Bezirksverwaltung, Arnold Vaatz (CDU), überar• Außerdem bekämen in dem aus mindestens 30 beitete der Technische Direktor des Bayerischen Mitgliedern bestehenden Rundfunkrat Vertreter Rundfunks, Frank Müller-Römer, diese Passage aller im Landesparlament vertretenen Parteien - des ISL-Entwurfes durch Einbeziehungen der 1990 waren das fünf- jeweils einen Sitz (§ 11 ), Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 129 sie selbst dürften jedoch nicht einem Parlament funk (NDR) zugeordnet, Vorpommern, Branden­ oder einer Regierung angehören (§ 10, 3).11 burg und die Altmark (nördlicher Teil Sachsen­ Anhalts) gehörten zur Funk-Stunde AG in Berlin, Empfehlung der Sachverständigengruppe und die Mitteldeutsche Rundfunk AG (MI RAG) in Medienordnung Leipzig umfaßte die Länder Sachsen, Thüringen und die preußische Provinz Sachsen-Anhalt Entgegen all diesen Konzepten, eigenständige (ohne Altmark).16 Landesrundfunkanstalten zu errichten, appel­ ln einer Rundfunkneuordnung ausschließlich lierte die Sachverständigengruppe Medienord­ auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und nung, die bereits im Juli das Konzept für den ge­ (West)Berlin gab es - angelehnt an die traditio­ scheiterten Beschluß zwischen (West)Berliner nellen Zugehörigkeiten - Überlegungen, sowohl Senat und (Ost)Berliner Magistrat entwickelt Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen als hatte,12 im November an Berlin und Branden­ auch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg burg, eine Mehrländeranstalt zu gründen: und Berlin in einer Mehrländeranstalt zu verbin­ »ln Berlin und Brandenburg ist nur eine gemeinsame den. Als weitere Varianten im Zusammenhang öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu angemesse­ mit Forderungen nach einer gleichzeitigen Reor­ ner Programmgestaltung in der Lage. [Deshalb] ( ...) ganisation der ARD standen die Kombinationen sollten die Länder Berlin und Brandenburg an das NDR und Mecklenburg-Vorpommern (eventuell Land Sachsen-Anhalt (und gegebenfalls auch an das auch mit Sachsen-Anhalt), Land Mecklenburg-Vorpommern) mit dem Vorschlag (HR) und Thüringen sowie SFB, Brandenburg herantreten, eine gemeinsame Mehrländer-Rundfunk• und Sachsen zur Diskussion.17 anstalt aufzubauen und darüber einen Staatsvertrag ( ... )abzuschließen.« 13 Aus Gründen der Integration, des Frequenz­ Gründungsentwicklung der mangels und der Wirtschaftlichkeit sei diese Lö• Mehrländerrundfunkanstalt MDR sung anzustreben. Betont wurde dabei, daß die neue Anstalt sowohl die Rechtsnachfolge des Der sächsische Ministerpräsident Kurt Sieden­ SFB als auch jener Teile der Einrichtung antre­ kopf (CDU) trat als einer der ersten mit dem ten solle, die den betroffenen Ländern gemäß Vorschlag an die Öffentlichkeit, für die Länder Einigungsvertrag durch einen Staatsvertrag zu­ Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine fielen, um deren technischen und personellen gemeinsame öffentlich-rechtliche Rundfunkan­ Potentiale nutzen zu können.14 stalt zu gründen. Seiner Überzeugung nach war Das Ziel, den SFB mindestens mit Branden­ dies der einzige Weg, ein ausreichendes Gebüh• burg zu einer Mehrländeranstalt zu vergrößern, renaufkommen und eine finanzielle Unabhängig• verfolgte auch SFB-Intendant Günther von Lo­ keit von den westlichen ARD-Rundfunkanstalten jewski, der allerdings gegen die Übernahme von ohne Finanzausgleichsansprüche zu erreichen. Einrichtungsteilen war. Lojewski habe seine An­ Dieser Grundgedanke fand ein positives Echo sprüche jedoch so direkt vertreten, daß ihm vor­ bei den Landtagen in Thüringen und Sachsen­ gehalten worden sei, er habe damit einen »AI­ Anhalt. Im Januar 1991 gab deshalb Thüringen Ieinvertretungsanspruch« für ganz Berlin be­ seine bisherigen Pläne auf, eine gemeinsame gründen wollen.15 Anstalt mit dem Hessischen Rundfunk zu er­ richten.18 Vorstellungen zur Gründung von Bereits am 14. Februar unterzeichneten die Mehrländeranstalten Ministerpräsidenten in Dresden die entspre­ Im Dezember 1990 kursierten bei den Politikern chende Absichtserklärung über die Bildung des verschiedener Parteien in Ost und West, in den Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und am 30. einzelnen Landtagsfraktionen und westdeut­ Mai in Erfurt den Staatsvertrag, der sich in Typ schen Rundfunkhäusern, aber auch in der Pres­ und Formulierung an den westdeutschen öffent• se verschiedene Denkmodelle. Vornehmlich aus lich-rechtlichen Rundfunkgesetzen und -Staats­ 1 wirtschaftlichen Gründen waren diese nicht mehr verträgen orientierte. 9 Daß sich die Minister­ an der Errichtung von einzelnen Rundfunkan­ präsidenten der drei Länder in der relativ kurzen stalten für jedes neue Bundesland orientiert. Mit Zeit einig wurden, auch über den Sitz des MDR Rücksicht auf die Rundfunkgeschichte bot sich in Leipzig, habe seinen Grund nicht zuletzt in ih­ auch an, die ehemaligen Konstellationen vor rer gemeinsamen Parteizugehörigkeit gehabt, 1933 in die Überlegungen der Rundfunkneuord­ diagnostizierten professionelle Beobachter.20 nung mit einzubeziehen: ln jener Zeit war Mit der Gründung des MDR schufen die drei Mecklenburg der Nordischen Rundfunk AG Länder nicht nur in kurzer Zeit für den Rundfunk (NORAG), dem heutigen Norddeutschen Rund- föderalistische Strukturen und gleichzeitig die Voraussetzung für die Zulassung privater An- 130 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) bieter, sondern sie machten im Staatsvertrag zung und die Kompetenzen der Rundfunkräte auch deutlich, daß in diesen U:indern die beste­ und für die Bestimmungen zur inneren Rund­ henden Rundfunkstrukturen der Einrichtung auf­ funkfreiheit.27 Im MDR-Staatsvertrag wurde an gelöst werden und der MDR einen personellen diese Normen und Konzepte nicht einmal an­ Neuanfang machen sollte.21 satzweise angeknüpft. Sowohl der GrOndungsprozeß als auch der Staatsvertrag des MDR selbst wurden scharf kritisiert: Die Besetzung der Position des Gran­ Gründungsentwicklung der 2 dungsintendanten mit Udo Reiter (CSU)2 und Landesrundfunkanstalt ORB des neunköpfigen Gründungsbeirates mit Ver­ tretern der Regierungsparteien der drei Länder Parteipolitische Gemeinsamkeiten wie die der entsprach keineswegs dem Grundsatz der Regierungen in den MDR-Ländern gab es zwi­ Staats- und Parteiferne.23 Es wurde kritisiert, schen Berlin, Brandenburg und Mecklenburg­ daß Reiter bis auf eine Ausnahme nur West­ Vorpommern nicht. Hier standen gegensätzliche deutsche als Rundfunkdirektoren eingesetzt ha­ Interessen auch innerhalb der Landtage einem be: Henning Röhl (CDU), Karola Sommerey genauso schnellen Neuaufbau von gemeinsa­ (SPD), Ulrike Wolf (CDU-nah), Ralf Reck (CDU), men Landessendern im Wege. Trotzdem be­ Kurt Morneweg, Rudolf Markner (vorher im Pla­ tonte auch der Ministerpräsident des Landes nungsstab des Rundfunkbeauftragten für die Brandenburg, Manfred Stolpe, die Notwendigkeit Einrichtung, Rudolf MOhlfenzl), Thomas Nissen einer Kooperation mit anderen Anstalten, vor­ (FDP) und als einziger Ostdeutscher Peter nehmlich mit dem SFB. So erklärte sich die Kocks. Ja, diese Besetzungen seien gar »noch Potsdamer Landesregierung im März 1991 be­ perfektere Muster parteipolitischer Einflußnah• 4 reit, Verhandlungen mit Berlin und Mecklenburg­ me« als in der alten Bundesrepublik.2 Auch die Vorpommern Ober eine mögliche Mehrländeran• Passagen des Staatsvertrages, die die Zusam­ stalt mit dem Namen Nordostdeutsche Rund­ mensetzung des ordentlichen Rundfunkrates funkanstalt (NORA) zu führen. bestimmen, weisen in dieser Hinsicht grobe Mängel auf: Neben 24 Vertetern anderer gesell­ Scheitern der Mehrländeranstalt NORA schaftlich bedeutsamer Organisationen ist der Rundfunkrat zusammengesetzt aus Die Grundpositionen, auf die sich die Chefs der Senats- und Staatskanzleien für den Abschluß »1. je einem Vertreter der Landesregierungen, 2. Vertretern der in mindestens zwei Landtagen durch eines Staatsvertrages zur Gründung der NORA Fraktionen oder Gruppen vertretenen Parteien in der am 10. April 1991 geeinigt hatten, entsprachen Weise, daß jede Partei entsprechend der Ge­ weitestgehend den Empfehlungen der Sachver­ samtstärke der Fraktionen oder Gruppen je angefan­ ständigengruppe Medienordnung vom Novem­ gene fünfzig Abgeordnete ein Mitglied entsendet «25 ber 1990.28 Daß dieses Vorhaben der gemein­ samen Rundfunkanstalt NORA, für das es im Parlamentarier sind nach § 18 zulässig. Bei der Juni bereits einen ausgearbeiteten Staatsvertrag Gestaltung des Vertrages seien die »eindeutigen gab, 29 letztlich scheiterte, lag an der Ablehnung parteipolitischen Mehrheiten« der betroffenen durch den Landtag in Mecklenburg-Vorpom­ Landtage »ZU verführerisch gewesen«: mern. Dort hatte sich die Mehrheit schon im April »Wie am Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) studiert gegen die NORA und für einen Beitritt zum NDR werden kann, werden die rechtlichen Strukturen dort ausgesprochen, während Ministerpräsident Al­ noch ungenierter als im Westen darauf ausgerichtet, fred Gomolka (CDU) und seine Regierung noch politische Stromlinienförmigkeit zu ermöglichen ( ... ) immer die nordostdeutsche Lösung favorisier­ Der MDR-Staatsvertrag ( ... ) [ist] Exempel einer ten.30 Politik ( ...), die in der Rhetorik zwar pluralistisch sein Der Staatsvertragsentwurf sah die Leitung mag, in der Umsetzungsrealität aber einseitig macht­ durch einen Intendanten sowie einen zentralen orientiert. «26 Rundfunkrat vor, in den die drei Länder je neun Diese scharfe Kritik läßt sich nur verstehen, Mitglieder entsenden sollten. Er beabsichtigte wenn als Hintergrund bewußt ist, daß sich der auch die Gründung von Landesfunkhäusern mit OFF und der Hörfunk in der Übergangszeit von eigenen Direktoren und Rundfunkräten in jedem 1989 bis 1990 selbst Statute gegeben hatten, Land. Die personelle Besetzung sollte jedoch die von vielen Rechts- und Medienwissen­ entsprechend der jeweiligen Sendergröße erfol­ schaftlern ebenso wie von Politikern durchaus gen.31 Demnach hätte aber der Anteil des SFB als positiv und vorbildlich - auch für das west­ die Hälfte, der Anteil der beiden neuen Bundes­ deutsche Rundfunksystem - empfunden wur­ länder je ein Viertel betragen.32 den. Das gilt insbesondere für die Formulierun­ Nachdem Mecklenburg-Vorpommern aus gen zum Kulturauftrag, für die Zusammenset- dem NORA-Projekt ausgestiegen war, gewann Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 131 dieser Personalschlüssel für die Brandenburger Samtgesetzentwurf derselben Fraktionen zurück, eine neue Dimension: Zusammen mit Mecklen­ der sich in erheblichen Maße an dem Entwurf burg-Vorpommern Mtte Brandenburg noch ei­ Borgmanns orientiert.37 Birthler begründete die­ nen gleichen personellen Stellenanteil wie der sen Schritt: SFB gehabt. Die Vorstellung jedoch, allein mit »[Bis zum 1. Januar 1992] (... ) müssen in Branden­ Berlin einen derartigen Verbund einzugehen, lö• burg die Studios und die Technik stehen, damit ab ste im Potsdamer Landtag sogleich den »David­ 1992 die Rundfunkversorgung in unserem Land ge­ Goliath-Vergleich«33 aus. Außerdem schien der währleistet ist ( ... ) Um das noch verbleibende halbe SFB mit seinem Haushaltsdefizit von 96 Millio­ Jahr effektiv zu nutzen, müssen wir zweigleisig fah­ nen DM (1991) ohne Mecklenburg-Vorpommern ren. Wir machen den notwendigen ersten Schritt zur kein attraktiver Partner mehr zu sein. Die Bran­ Gründung einer Rundfunkanstalt ( ... ) Das heißt, wir denburger Regierung hielt die NORA nicht mehr müssen schon jetzt in der Form wirksam werden, daß für realisierbar. Verantwortlich dafür war auch wir einen Gründungsbeauftragten berufen.«38 die Haltung der Koalitionsfraktionen. Dabei seien auch gesetzliche Grundlagen zu Die NORA stand im Gegensatz zu den Pl~­ schaffen, die die Zusammenarbeit mit anderen nen des Hauptausschusses des Brandenburger Rundfunkanstalten ermöglichten. Vor allem be­ Landtages und der Koalitionsparteien, eine se­ deute das Vorschaltgesetz aber, »eine schlanke parate Landesrundfunkanstalt zu gründen, mit Anstalt« zu gründen, die auf privatwirtschaftliche der »die kulturelle ldentit~t des Landes« unter­ Dienstleistungen zurückgreife. 39 Mit dieser stützt werde. Auf Grundlage eines Staatsvertra­ »Spagatübung«40 war es den Brandenburgern ges sollten bestenfalls Kooperationsbeziehun­ möglich, bereits die Gründung des RBr in die gen - möglicherweise auch in einem »Anstalts­ Wege zu leiten, w~hrend die Option für die verbund« - eingegangen werden, um die finan­ NORA noch offengehalten wurde.41 zielle Lücke einer separaten Anstalt zu schlie­ Als das Vorschaltgesetz am 26. Juni gegen ßen.34 die Stimmen der CDU beschlossen wurde, be­ stand jedoch kaum noch die Möglichkeit, die Vorschaltgesetz NORA zu verwirklichen: Stolpe berichtete dem Die Brandenburger Koalitionsfraktionen hatten Brandenburger Parlament: »Die offizielle Aus­ sich schon früh für eine parallele Vergehens­ kunft, die ich vor wenigen Minuten aus weise entschieden, die angesichts des immer bekommen habe, heißt: NORA liegt auf Eis.« enger werdenden Zeitrahmens bis zur endgülti• Deshalb bat auch Stolpe den Landtag, dem Ge­ gen Auflösung der Einrichtung am Ende des setz zuzustimmen, denn »das Fest« solle »nicht Jahres auch als gerechtfertigt erschien: Schon hinausgeschoben werden«.42 am 12. Februar kündigte der Hauptausschuß der SPD-Landtagsfraktion an, einen eigenen Entwurf Berufung eines Gründungsbeauftragten eines »Gesetzes über den Rundfunk in Bran­ Mit dem Beschluß des Vorschaltgesetzes best~­ denburg« einzubringen, das vor der Sommer­ tigten die Abgeordneten gleichzeitig die Er­ pause zu verabschieden sei. Mit einer separaten nennung des ehemaligen WDR-Intendanten Anstalt in Potsdam-Babelsberg wollte die Frakti­ Friedrich Wilhelm v. Seil zum Gründungsbeauf• on dabei aber nicht nur die »kulturelle ldentit~t«, tragten, der schon im Sommer 1990 am Entwurf sondern vor allem auch die Rundfunkhoheit des Rundfunk-Überleitungsgesetzes der DDR­ Brandenburgs gesichert wissen: SPD beteiligt war. V. Seil war laut dem verab­ Die Länder würden sich mit Abschluß des Staatsver­ schiedeten Gesetz vom Ministerpr~sidenten zu trages mehr oder weniger aus der Rundfunkpolitik berufen und durch den Landtag zu best~tigen (§ verabschieden. Bei einer eigenen Landesrundfunk­ 14, 1).43 Die sich hier widerspiegelnde und vor­ anstalt erläßt das Land (der Landtag) das Gesetz zu her stets kritisierte staatliche Einflußnahme auf seiner Bildung und behält auf Dauer die Gesetzge­ eine Rundfunkanstalt durch die Berufung des bungsmöglichkeit Getroffene Entscheidungen sind leitenden Organs war in diesem Falle jedoch zu prinzipiell rückholbar.35 vernachl~ssigen, weil der Beauftragte erstens Für den Fall, daß die Beratungen zur NORA oh­ einer genau definierten Vorl~ufigkeit unterstand ne Ergebnis bleiben würden, brachten die Frak­ und zweitens in seinen Kompetenzen stark ein­ tionen von SPD, FDP und Bündnis 90 am 12. geschr~nkt war. 44 Seine Aufgabe war somit al­ Juni gemeinsam ein Vorschaltgesetz zur Grün• lein die »Planung und Vorbereitung des Auf­ dung des Rundfunks Brandenburg (RBr) ein, das baus« der Rundfunkanstalt(§ 14, 2).45 Wahlen und Aufgaben von Rundfunkrat, Ver­ V. Seil, den es gereizt habe, »sozusagen auf waltungsrat und Intendant sowie Berufung und der grünen Wiese einen öffentlich-rechtlichen Aufgaben eines Gründungsbeauftragten regel­ Rundfunk völlig neu aufzubauen«,46 bezog zu­ te.36 Diese Bestimmungen gehen auf den Ge- sammen mit seinem Stellvertreter, Gerhard 132 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Hirschfeld, drei Rt:iume auf dem DEFA-Gelände Programmauftrag und Aufgaben in Potsdam-Babelsberg. Aber gerade seine ein­ geschränkten Kompetenzen schienen einem Für das Rundfunkgesetz ist eine völlige Konfor­ schnellen Aufbau entgegenzustehen. Der aus mität mit der bundesrepublikanischen Recht­ unterschiedlichen rundfunkpolitischen Auffas­ sprechung durch das Bundesverfassungsgericht sungen resultierende Konflikt zwischen den Ko­ festzustellen, was sich in der nahezu wortge­ treuen Übernahme der Normen aus dem WDR­ alitionspolitikern und v. Seil verzögerte dringen­ 4 de Sach- und Personalentscheidungen: Seine Gesetz begründet.5 So heißt es z.B. im Pro­ Pläne, bereits 150 bis 180 Arbeitsvertrt:ige abzu­ grammauftrag des RBr (§ 4): schließen, bevor überhaupt ein Strukturkonzept »Der RBr veranstaltet Rundfunk als Medium und bestand, stießen wie seine Berechnungen des Faktor des Prozesses freier Meinungsbildung und als künftigen Finanzbedarfes von rund 260 Millionen Sache der Allgemeinheit. DM auf den Widerstand des Hauptausschusses Der RBr hat in seinen Sendungen einen umfas­ unter der Leitung Birthlers, der die »Schlanke senden Überblick über das internationale, nationale Anstalt« verwirklicht sehen wollte.47 Und so wa­ und landesbezogene Geschehen in allen wesentli­ ren dem Gründungsbeauftragten durch Kompe­ chen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm hat der Information, Bildung, Unterhaltung und Beratung tenzstreitigkeiten »wochenlang die Ht:inde ge­ zu dienen. Er hat Beiträge zur Kultur und Kunst an­ bunden«.48 zubieten.«55 Vor allem drängte v. Seil darauf, möglichst umgehend Rundfunkmitarbeiter der »Einrich­ Die Übereinstimmung mit den westdeutschen tung« einzustellen, »damit sie für Brandenburg Rundfunkregelungen findet sich aus gleichem gesichert werden können«.49 Denn die sahen Grund im Grundversorgungsauftrag (§ 3, 2), in sich durch die Massenentlassungen, die der den Programmgrundsätzen (§§ 6 und 7) und in Rundfunkbeauftragte einleitete, bereits veran­ den Regelungen über Werbung, Verlautbarungs­ laßt, sich auch in anderen Berufssparten zu be­ recht, Gegendarstellung, Beschwerden sowie werben. Nach Vorlage des geforderten Struktur­ Beweissicherung (§§ 8 bis 13). Das betrifft auch planes50 bewilligte der Hauptausschuß erst am den Paragraphen über die Programmitarbeiter - 24. September die Einstellung von 180 Perso­ die Übernahme der WDR-Regelungen läßt auch nen auf Probe.51 die großzügige innere Rundfunkfreiheit entfallen, wie sie im Volkskammerbeschluß und in den Gesetz über den Rundfunk Brandenburg Statuten der »Einrichtung« festgeschrieben war. Zwar handeln die Journalisten »in eigener jour­ Am 25. September 1991 verabschiedete der nalistischer Verantwortung«, doch »Weisungs­ Landtag mit großer Mehrheit das in wenigen rechte der Vorgesetzten« bleiben dabei unbe­ Punkten geänderte Gesetz über den Rundfunk rührt (§ 27). 56 Brandenburg (RBr-Gesetz) der Koalitionsfraktio­ nen. Mit diesem sei es nun möglich, »daß die Organisation des RBr Ziele für eine >schlanke Anstalt< erreicht« wür• den, so Birthler vor dem Landtag. Die Entwick­ Auch die Organisation des RBr orientiert sich lung, die in der Alt-ARD gelaufen sei, sollte nicht durch die Leitfunktion des WDR-Gesetzes an die Brandenburgs sein. Es ermögliche auch die westlichen Vorbildern bzw. an der Rechtspre­ ganz enge Kooperation zu anderen Anstalten, chung des Bundesverfassungsgerichtes. Neben aber eben »auf der Basis von zwei gleichbe­ der Zusammensetzung betrifft das auch die Auf­ rechtigten Rundfunkanstalten«.52 Neben den gaben der Rt:ite - somit ebenfalls die Kompe­ Grundst:itzen der »Wirtschaftlichkeit und Spar­ tenzen des lntendanten.57 samkeit« für die »schlanke Anstalt« (§§ 5, 3 und Vor allem ist zu bemerken, daß die Organi­ 34) wird eben diese Kooperationsmöglichkeit im sation des RBr - wie schon im Modell von Borg­ RBr-Gesetz festgelegt(§ 5, 1): mann - im Gegensatz zum MDR unter Staats­ freiheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden Der RBr ist verpflichtet, durch Zusammenarbeit mit ist: Die Zusammensetzung des binnenplurali­ Rundfunkanstalten im Geltungsbereich des Grundge­ stisch organisierten Rundfunkrates umfaßt im setzes die Ziele des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu fördern und den Programmauftrag wirtschaftlich Vergleich mit anderen Aufsichtsgremien öffent• effizient zu verwirklichen. Er kann mit anderen lich-rechtlicher Rundfunkanstalten nur zu einem Rundfunkanstalten zusammenarbeiten. 53 geringen Teil Vertreter des Staates. Neben 19 Mitgliedern der im Gesetz aufgeführten Institu­ tionen und gesellschaftlichen Gruppen entsendet »jede Landtagsfraktion ein Mitglied in den Rund­ funkrat« unabhängig von ihrer Größe. Ein weite­ res staatliches Mitglied wird von den »kommu­ nalen Spitzenverbt:inden« gestellt (§ 16, 1-3).58 Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 133

Mit fünf im Landtag vertretenen Fraktionen in der blieren. Daneben war für die Ratsmitglieder von ersten Wahlperiode und einem kommunalen Bedeutung, daß er »Sensibilität« für die ostdeut­ Spitzenverbandsvertreter lag der Anteil staatli­ schen Probleme zeige sowie »großen Professio­ cher Mitglieder im Rundfunkrat bei 24 Prozent, nalismus und ARD-Erfahrung« mitbringe. Dar­ »was im Lichte des verfassungsrechtlichen Be­ über hinaus habe er zugesichert, als Direktoren herrschungsverbots unbedenklich« sei.S9 Zwar auch Ostdeutsche vorzusehen. 65 Die Zusam­ sind weder die Landesregierung noch andere mensetzung des Rundfunkrates, vor allem aber staatliche Stellen entsendungsberechtigt, doch die Berufung des Intendanten Rosenbauer, de­ dürfen die Fraktionsvertreter einem Parlament monstriert ebenfalls, daß die Gründung der angehören - jedoch keiner Regierung (§ Brandenburger Anstalt in deutlich staatsferneren 14, 3).60 ln Borgmanns Entwurf sind selbst Par­ Bahnen verlief als die des MDR.66 lamentsmitglieder nicht zulässig.51 Rosenbauer machte seine Ankündigung An dieser Stelle bleibt aber festzuhalten, daß wahr, indem er für die sechs Direktorenposten trotz der im Vergleich zum MDR staatsferneren auch drei Ost-Bewerber vorschlug: Als Fernseh­ Zusammensetzung des RBr-Rundfunkrates we­ direktor Michael Albrecht, als Leiter des Kultur­ nig Ähnlichkeit zu den Proporzschlüsseln der und Informationskanals Christoph Singeinstein Einrichtungsstatuten besteht, die vornehmlich und als technischen Direktor Ralf Lenk. Aus am Vorbild des Runden Tisches orientiert waren. Westdeutschland waren als Produktionschef des Wie die Zusammensetzung sind auch die Mitbe­ Fernsehens Peter Schwarzkopf (vorher NDR­ stimmungsrechte der Räte am westlichen Ge­ Produktionsleiter), als Hörfunkdirektor Gerhard setzesvorbild des WDR ausgerichtet. Die Mitge­ Hirschfeld (vorher stellvertretender Gründungs• staltungsmöglichkeiten der Rundfunkmitarbeiter beauftragter für den Rundfunk in Brandenburg) und die Regelungen zur inneren Pressefreiheit, und als Verwaltungsdirektor Lutz Markmor (vor­ wie sie in den basisdemokratischen Ansätzen her WDR-Rechnungswesen) vorgesehen. Mas­ aus den Statuten der »Einrichtung« und ur­ siver Einspruch kam jedoch vom Rundfunkrat sprünglich aus dem Volkskammerbeschluß vom wegen eines Verfahrensfehlers aus Zeitdruck: 5. Februar 1990 resultierten, fehlen gänzlich. Statt den Rat über die Berufungen entscheiden zu lassen, informierte Rosenbauer lediglich des­ Besetzung der Rundfunkorgane sen Vorsitzenden Borgmann über seine Perso­ und der Direktorenposten nalentscheidungen, so daß die Direktoren erst kurz vor dem 1. Januar 1992 - dem Sendebe­ Der Rundfunkrat konstituierte sich am 12. Okto­ ginn - bestätigt wurden.S7 ber 1991 und wählte Lutz Borgmann zum Vorsit­ zenden.S2 ln der ersten Sitzung des Rundfunkra­ Kooperationsvereinbarung mit Berlin tes trafen nochmals die unterschiedlichen Auf­ fassungen Birthlers und v. Seils, der bis zur Be­ Im Programm des Brandenburger Rundfunks, rufung des Intendanten dessen Aufgaben zu der vom Rundfunkrat zunächst in Ostdeutscher übernehmen hatte, aufeinander: Zum Thema Rundfunk (ODR) und per Gesetz am 20. De­ Budget des künftigen Senders bat v. Seil die zember 1991 schließlich in Ostdeutscher Rund­ Ratsmitglieder, den ARD-Finanzausgleich in An­ funk Brandenburg (ORB) umbenannt wurde,68 spruch zu nehmen, um die Finanzierung zu ge­ spiegelte sich das knapp bemessene Budget ei­ währleisten. Mit knapper Mehrheit stimmte der ner »schlanken Anstalt« wider: Am 1. Januar Rat zu, nachdem sich Birthler nochmals für ei­ 1992 ging der ORB mit den von 550 Mitarbeitern nen unabhängigen Sender eingesetzt hatte.S3 veranstalteten Hörfunkprogrammen Antenne Die Uneinigkeit der Ratsmitglieder hinsichtlich Brandenburg, Radio Brandenburg und Rockra­ der Finanzierung sorgte unzweifelhaft aber auch dio B auf Sendung, jedoch zunächst noch aus für eine überraschende Wahl des Intendanten. dem alten Bezirksstudio Potsdam und dem Die Wahl des Rundfunkrates für das Amt des Funkhaus Berlin statt aus Babelsberg. Das dritte Intendanten fiel am 8. November mit 14 der 24 Fernsehprogramm kam aus finanziellen, aber Stimmen auf Hansjürgen Rosenbauer. 64 Dieser vor allem aus zeitlichen Gründen nicht fristge­ hatte sich gegen den Geschäftsführer von Radio recht zustande, wodurch sich der ORB gezwun­ NRW, Klaus Klenke (neun Stimmen, Wunsch­ gen sah, die Grundversorgung mit einem Misch­ kandidat Birthlers) und den OFF-Intendanten Mi­ programm aus dem ARD-Satellitenprogramm chaei/Aibrecht (eine Stimme, Wunschkandidat EINS PLUS, ORB- und MOR-Elernenten sicher­ Stolpes und der Staatskanzlei) durchgesetzt. Für zustellen.69 Um die Kleinstanstalt, deren Perso­ diesen »Überraschungseffekt« war auch die nal noch auf bis zu 700 Stellen erweitert werden Tatsache verantwortlich, daß Rosenbauer zu­ sollte, finanziell am Leben zu erhalten, schien gesichert hatte, einen finanziell unabhängigen die Kooperation mit dem SFB um so dringlicher Rundfunk, sprich die »schlanke Anstalt« zu eta- zu sein. 134 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Der Staatsvertrag über die Zusammenarbeit Seide Intendanten vertraten die Ansicht, die Rundfunkanstalten h~tten auch ohne die Beein­ Nach mehreren Verhandlungen beschlossen trächtigung der Rundfunkhoheit durch den Me­ Stolpe und der Regierende Bürgermeister von dienstaatsvertrag eine Kooperation in die Wege Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), am 29. Febru­ leiten können. Und so hätten sie anscheinend ar 1992 den Staatsvertrag über die Zusammen­ ohnehin den Schritt unternommen, eine Verein­ arbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Be­ barung über die Zusammenarbeit wie am 27. reich des Rundfunks, der in erster Linie die Oktober 1992 zu unterschreiben. Diese sieht die rechtlichen Grundlagen für den privaten Rund­ Ausstrahlung von zwei integrativen Hörfunkpro• funk in beiden Ländern enthält. Daneben wird grammen in gemeinsamer rundfunkrechtlicher aber auch die Kooperation zwischen dem SFB Verantwortung für Berlin und Brandenburg vor. und dem ORB festgeschrieben, denn es sollte ln diesem Sinne wurde das Informations- und damit »die Grundlage für eine gemeinsame Me­ Serviceprogramm SFB 2 vom ORB übernom• dienordnung« geschaffen werden, »die den en­ men und im Land Brandenburg ausgestrahlt. gen kulturellen, wirtschaftlichen und gesell­ Das Jugendprogramm Fritz veranstaltete (und schaftlichen Verflechtungen innerhalb der Regi­ veranstaltet) der ORB auf den bisherigen Fre­ on Rechnung« trage (Präambel, § 3, 2): quenzen von Rockradio B. Desweiteren ver­ »Zu diesem Zweck sind die Anstalten berechtigt und ständigten sich beide Sender darauf, ab Mai verpflichtet, gemeinsam gestaltete Programme in 1993 das Vorabendprogramm gemeinsam zu Hörfunk und Fernsehen zu veranstalten sowie son­ gestalten.77 Eine Zusammenlegung der beiden stige Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen.«70 Anstalten stand zunächst nicht auf der Tages­ Auch wenn »Art und Umfang der Kooperation« ordnung. Dennoch hielt sich der ORB - zumin­ von den Anstalten selbst »durch Vereinbarun­ dest bis 1996 - für das Zusammenwachsen in . gen« geregelt werden sollten (§ 3, 4), nimmt der Hinsicht auf die Diskussion über die Länderfusi• Vertrag bereits detaillierte Frequenzverteilungen on von Berlin und Brandenburg offen,78 auch wenn die Zusammenarbeit beider Sender nicht vorweg (§§ 4 - 7).71 Aber allein schon die Ver­ 7 pflichtung zu einer Kooperation, darüber hinaus immer ohne Konflikte verlief. 9 mit einem bestimmten Partner - dem SFB - ist ein Programmeingriff des Staates und stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken_72 Neuordnung des überregionalen und Diesen Einwand teilte auch die Mehrheit der bundesweiten Hörfunks Landtagsabgeordneten in Brandenburg: Markus Vette (CDU) wies darauf hin, daß »wesentliche Bei der Neuordnung des föderalen Rundfunks Entscheidungen zur Zusammenarbeit mit ande­ konnten die fünf neuen Bundesländer überwie• ren Rundfunkanstalten durch den Rundfunkrat gend auf Liegenschaften und Technik der regio­ zu treffen« seien_73 Und Lothar Bisky (PDS-LL) nalen Außenstudios der »Einrichtung« zurück• sah in dem Vertrag »die Staatsferne nicht ge­ greifen - wegen der weiter entwickelten Regio­ währleistet«, er sprach sich energisch dagegen nalisierung des Hörfunks gegenüber dem Fern­ aus, »daß die Gesetzgeber dem ORB Vor­ sehen verstärkt auf die Radiostudios. Die über• schriften machen, mit wem und wie er sich zu­ regionalen Hörfunksender der ehemaligen DDR sammenzutun hat«.74 Auch die anderen Fraktio­ blieben wie die Programme des Fernsehens bei nen widersprachen diesen Vorwürfen nicht.75 dieser Neuorganisation zunächst ausgeschlos­ Aus Gründen der »Vernunft« - wegen der »fi­ sen: OS-Kultur, Radio aktuell, Berliner Rundfunk nanziellen Zwangsjacke« - aber auch im Hin­ und DT 64 - der Sender RBI wurde bereits am blick »auf das Einswerden von Berlin und Bran­ 3. Oktober 1990 aufgelöst. Diesen Programmen, denburg« 76 stimmte der Landtag dem Vertrag die im Gebiet der neuen L~nder empfangbar wa­ am 8. April trotzdem zu. ren, standen der Deutschlandfunk (DLF)8° sowie der RIAS Berlin81 gegenüber. Programmkooperation zwischen ORB Eine Neuordnung auch des überregionalen und SFB und des bundesweiten Hörfunks schien den Mi­ nisterpr~sidenten der Altbundesländer unum­ Wegen des verfassungsrechtlich bedenklichen gänglich: Während den Sendern der »Einrich­ Zwanges zur Kooperation, aber auch wegen des tung« laut Einigungsvertrag lediglich die endgül• Frequenzenverlustes für beide Rundfunkanstal­ tige Auflösung bis zum 31 . Dezember 1991 be­ ten reichten die Intendanzen von ORB und SFB vorstand, herrschte schon im Sommer 1990 Un­ gegen den Staatsvertrag eine gemeinsame Kla­ gewißheit, auf welcher Rechtsgrundlage DLF ge vor dem Bundesverfassungsgericht ein - er­ und RIAS weiter senden sollten: Die Einheit gebnislos. Deutschlands machte ihren auf die ehemalige DDR bezogenen Programmauftrag obsolet und Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 135 stellte ihre Legitimationsgrundlage in Frage. Zu Unklarheit über rechtlichen Status dieser Erkenntnis waren sowohl der Bundesver­ im Rundfunkstaatsvertrag band Kabel und Satellit als auch der CDU­ Bundesfachausschuß Medienpolitik und die Auf die Zusammenlegung von DLF, RIAS und SPD-Medienkommission bereits im Frühjahr OS-Kultur konnten sich die Ministerpräsidenten 1990 gekommen. Um den Bund finanziell zu am 28. Februar 1991 verständigen, auch auf den entlasten, hatte es die CDU schon zu jener Zeit Verzicht von Werbung und der Finanzierung für notwendig erachtet, DLF und RIAS von der durch eine Gebührenerhöhung, jedoch nicht auf Bundes- in die Länderhoheit zu überführen, sie den künftigen rechtlichen Status und die Zuge­ über Rundfunkgebühren zu finanzieren.82 hörigkeit des neuen Senders. Verantwortlich dafür waren in erster Linie die unterschiedlichen Engholm-Streibi-Papier und CDU-Konzept Vorstellungen über den künftigen Standort. 89 Darüber gab es am 31. August jedoch eine Vor­ Um in dieser Diskussion eine Lösung zu finden, entscheidung: Alle 16 Bundesländer schlossen einigten sich die Ministerpräsidenten der Altbun­ den »Staatsvertrag über den Rundfunk im ver­ desrepublik am 20. September 1990 darauf, die einten Deutschland«, um auch mit den neuen Ministerpräsidenten Bayerns und Schleswig-Hol­ Bundesländern eine einheitliche grundlegende steins, Max Streibl (CSU) und Björn Engholm Regelung für den öffentlich-rechtlichen, aber (SPD) - weil diese »von eigenen standortpoliti­ vornehmlich für den privaten Rundfunk zu schaf­ schen Interessen frei« seien - mit der Aufgabe fen90 - »eine Art gemeindeutsches föderatives zu betrauen, Vorschläge für die Neuordnung der Rundfunkgesetzbuch«91. ln der Protokollerklä• Bundesrundfunkanstalten zu erarbeiten. Dabei rung aller Länder zu diesem Vertrag (Art. 5, sei entscheidend, daß »bedarfsgerechte und fi­ § 3, 2) heißt es zum bundesweiten Hörfunk: nanzierbare Lösungen« gefunden würden. 83 ARD und ZDF gründen eine Einrichtung zur Veran­ Der Vorschlag der beiden Ministerpräsiden• staltung nationalen Hörfunks ( ... ). Die Einrichtung be­ ten vom 18. Oktober sah neben der Weiterfüh• treibt drei werbefreie Hörfunkprogramme: DLF als rung der Deutschen Welle (DW) als Auslands­ Informationsprogramm mit Sitz in Köln, RIAS 1 als rundfunk vor, den RIAS-Hörfunk mit Sitz in Ber­ Informationsprogramm mit Sitz in Berlin, DS Kultur als lin dem ZDF und den DLF mit Sitz in Köln der Kulturprogramm mit Sitz in Berlin ( ... ) Sitz der Ge­ ARD zuzuordnen. Zu diesem Zweck sollten die meinschaftseinrichtung ist Köln.92 Länder den ZDF-Staatsvertrag ändern, wonach Zwar hatte das Modell des nationalen Hörfunks, ARD und ZDF verpflichtet würden, eine nicht­ der aus der Bundes- in die Länderhoheit über• rechtsfähige »Gemeinschaftseinrichtung >Bun­ führt werden sollte, seine rechtliche Veranke­ desweite Hörfunkprogramme<« auf Basis einer rung gefunden, aber über Rechtsform und Orga­ Verwaltungsvereinbarung zu gründen. Ein Pro­ nisation herrschte weiterhin Unklarheit. 93 Das gramm sollte vornehmlich »lnformationsinhalte«, bedeutete für OS-Kultur allerdings, daß der das andere »kulturelle Inhalte« vermitteln.84 Sender ohne neue Trägerschaft der Auflösung Während der ersten gesamtdeutschen Mini­ nach Art. 36 des Einigungsvertrages zum Opfer sterpräsidentenkonferenz im Dezember 1990 gefallen wäre. Aus diesem Grund wurde der zeichnete sich dann auch ab, daß die eigen­ Kulturkanal durch einen Beschluß der Minister­ ständige Weiterexistenz von DLF und RIAS von präsidenten im August zunächst befristet bis zu der CDUICSU nicht gewünscht wurde. Die CDU einer endgültigen Staatsvertragsregelung dem unterbreitete dagegen ein Konzept, das jedoch ZDF zugeordnet.94 von der SPD keine Zustimmung erfuhr: RIAS und DLF sollten entgegen dem Engholm-Streibi­ Weichenstellung für den nationalen Hörfunk Papier zusammengefaßt unter dem Dach des ZDF ein »nationales Hörfunkprogramm« produ­ Die Diskussionen um den bundesweiten Hörfunk zieren. Dieser Plan, der auch in den Ländern gingen weit über das Jahr 1992 hinaus: Das von umstritten war, wurde vom Bundesinnenministe­ der ARD und von der Mehrheit der Länder favo­ rium Mitte Januar 1991 mit der Option erweitert, risierte »Körperschaftsmodell« sah vor, für die­ OS-Kultur in dieses Hörfunkprogramm mit ein­ sen Hörfunk eine Gemeinschaftseinrichtung mit zugliedern,85 was aber eher »plakative als sach­ Sitz in Köln und Betriebsstätten in Köln und Ber­ liche« Gründe gehabt habe.86 Welchen Einfluß lin als selbständige Körperschaft des öffentli• auf diese Idee die entsprechende Integrations­ chen Rechts unter dem Dach von ARD und ZDF forderung des ausschließlich für den Erhalt die­ aufzubauen. Dagegen plädierte das ZDF für das ses Senders gegründeten Kuratoriums gehabt »Federführungsmodell«, bei dem OS-Kultur und hat, bleibt unklar.S7 Tatsache ist zumindest, daß RIAS dem ZDF und der DLF der ARD unterstellt OS-Kultur eine ansehnliche Lobby hatte, die sich werden sollten, wobei dem ZDF der lang ge­ öffentlich für das Fortbestehen einsetzte.S8 hegte Wunsch nach einem »Hörfunkstand- 136 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

bein«95 erfüllt worden wäre. Eine Absage er­ abschlusses und der Personalangelegenheiten teilten die Ministerpräsidenten der Länder schon behandeln sollte.100 am 25. Oktober 1991 dem »Bundesmodell« der Auch wenn Mühlfenzl augenscheinlich das Banner Koalition, nach dem eine selbständige Ziel der Auflösung verfolgt hat, so war er nicht Hörfunkanstalt aus den drei Sendern mit Sitz in allein für sie verantwortlich. Auch hatten die Köln als dritte öffentlich-rechtliche Anstalt aufge­ Landespolitiker überhaupt kein Interesse daran, baut werden sollte.96 Aber eine Einigung er­ die Auflösung durch einen Staatsvertrag hinaus­ zielten die Ministerpräsidenten auch während zuschieben oder gar mit einer Überführung ab­ der Konferenz am 4. Dezember nicht, statt des­ zuwenden. Denn während die Staatskanzleien sen wurde als »klassischer Kompromiß der Un­ und CDU-Fraktionen der MDR-Länder offen be­ entschlossenheit« eine Arbeitsgruppe einberu­ kundeten, daß mit ihrer neu zu gründenden fen, zu deren Beratungen auch die Rundfunkan­ Rundfunkanstalt ein personeller Neuanfang ver­ stalten hinzugezogen wurden.97 bunden sei, hielten sich auch die Brandenburger Auf die Konsenstindung zum »Körperschafts• Koalitionspolitiker über eine eventuelle Weiter­ modell« detailliert einzugehen gehört nicht zur führung der Einrichtung bedeckt: Zwar gab Aufgabe dieser Studie. Festzuhalten bleibt den­ Birthler im August 1991 zu verstehen, daß der noch folgendes: Die Diskussionen um den bun­ ORB im Fernsehbereich eventuell auf die Unter­ desweiten Hörfunk in den Jahren 1990 bis 1992 stützung von Adlershof angewiesen wäre, für enthielten bereits die Weichenstellung für den sinnvoll halte er die befristete Weiterführung als nationalen Hörfunk Deutschlandradio. Durch »Produktions- und Dienstleistungszentrum« je­ zwei Staatsverträge im Juni 1993 wurden RIAS doch nicht. Schließlich gäbe es noch die Mög• und DLF in eine öffentlich-rechtlichen Körper• lichkeit, schaft überführt.98 Der Ostberliner Kultursender »daß Brandenburg im ersten Jahr auf die volle Aus­ war damit zunächst der einzige DDR-Sender, schöpfung der Quote [Drei-Prozent-Anteil am ARD­ der vor einer Auflösung am 31. Dezember 1991 Gemeinschaftsprogramm, R.S.] verzichtet. Vielleicht · vollständig bewahrt wurde, sowohl unter seinem wären die Alt-ARD-Anstalten darüber gar nicht so bö• Namen als auch mit den meisten Mitarbeitern. se.« 101 Die Diskussionen demonstrieren aber gleichzei­ tig, wie weit der Bund, die Länder, die Parteien, Vor allem sprachen die Pläne der Brandenbur­ ger Koalition, Potsdam-Babelsberg als Medien­ aber eben auch die Rundfunkanstalten selbst von einer einvernehmlichen Lösung in der Me­ zentrum auszubauen, gegen die Weiterführung von Adlershof als Service-GmbH. Der F.D.P.­ dienpolitik entfernt waren. Landtagsabgeordnete Rainer Siebert befürchtete im September sogar, »daß diese zwangsläufig zu einem Konkurrenzunternehmen« für Babels­ Die Abwicklung der Einrichtung berg werden würde. Darüber hinaus würde sie auch Personal und Mittel - insbesondere Tech­ Das Fernsehen und die übriggebliebenen Hör• nik - die den neuen Ländern zustünden, bean­ funkprogramme Radio aktuell, Berliner Rundfunk spruchen. Deshalb forderte er die Landesre­ und DT 64 gingen im Herbst 1991 ihrem unauf­ gierung auf, »hier ( ... ) auch rechtzeitig ( ... ) Ein­ haltsamen Ende entgegen. Von den zwei Optio­ fluß [zu] nehmen, daß das nicht passiert«.1o2 nen Überführung oder Auflösung, zwischen de­ Dieser Wunsch wurde Siebert mit der Bevoll­ nen der Einigungsvertrag den Ländern die Wahl mächtigung zur Gründung der Liquidationsge­ ließ, blieb nur letztere übrig: Die neuen Länder sellschaft erfüllt. schlossen keinen Staatsvertrag über eine Über• Trotzdem wurden sowohl der Berliner Rund­ führung der »Einrichtung« ab, so daß diese au­ funk als auch die beiden Rundfunkattraktionen tomatisch mit dem Datum 31 . Dezember 1991 für Jugendliche, nämlich Elf99 und DT 64, vor aufgelöst wurde.99 der Auflösung verschont: Während die rund 70köpfige Redaktion von Elf99 als GmbH zu­ Auflösung im Auftrag der neuen Länder nächst Zulieferer für den Privatsender RTL wur­ Das war allerdings kein Resultat einer Uneinig­ de103 und der Berliner Rundfunk ebenfalls eine keit zwischen den Staats- und Senatskanzleien. private Trägerschaft fand, 104 gelang es dem Ju­ Im Gegenteil: Sie waren sich am 20. November gendhörfunksender DT 64 unter dem neuen 1991 einig, den Beauftragten der »Einrichtung«, Namen Sputnik beim MDR aufgenommen zu Mühlfenzl, zu bevollmächtigen, eine Liquidati­ werden. Nach mehrmaligen Demonstrationen onsgesellschaft zu gründen, die Sachwerte, Jugendlicher - verbunden mit einer Besetzung Programmvermögen, Urheberrechte und Archive der Brandenburger Staatskanzlei am 27. De­ über den Jahreswechsel hinaus verwalten sowie zember 1991105 - und der befristeten Übernah• Fragen der Finanzabwicklung, des Geschäfts- me von MDR- und CRS-Frequenzen, stimmte Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 137 der MDR-Rundfunkrat am 30. November 1992 Anmerkungen den Plänen des Intendanten Reiter zu, dem Sender dauerhaft einen Platz über Satellit zu * Auszug aus der Buchveröffentlichung des Verfas­ geben.106 sers: Vom Fernsehen und Rundfunk der DDR zur ARD. Die Entwicklung und Neuordnung des Rundfunkwesens in den neuen Bundesländern Fazit von 1989 bis 1992. Wetzlar 1999. 1 So der Titel von Christoph Singelnstein: Eine Seit 1992 bietet sich in den neuen Bundeslän­ Chance für unsere Demokratie wurde vertan - dern ein völlig neues Rundfunksystem dar, das Sieben Thesen zur Entwicklung des Rundfunkwe­ trotz vieler Einwände hinsichtlich der Staatsferne sens nach der Wende. ln: Walter A. Mahle prinzipiell den Normen einer freiheitlichen De­ (Hrsg.): Medien im vereinten Deutschland - Na­ mokratie entspricht: Sowohl das Rundfunkge­ tionale und internationale Perspektiven. München 1991 , S. 53ff. setz des ORB als auch der Staatsvertrag des MDR orientieren sich am klassischen Rund­ 2 Wolfgang Bergsdorf: Einleitung. ln: Ebd., S. 29- funkauftrag und an den westdeutschen Organi­ 34, s. 31 . sationsnormen, was natürlich daraus resultiert, 3 Rainer Geißler: Fortschreibung bestehender daß in beiden Fällen von westdeutschen Vorbil­ Strukturen - Die Folgen der deutschen Vereini­ dern kopiert wurde. Nahezu völlig unberücksich• gung für das Mediensystem. ln: Medium Jg. 23 tigt bei diesen transformierenden Neugründun• (1993), H. 1, S. 21-26, S. 26. gen blieben aber die Werte, Normen, Strukturen - und Personen - des alten, in kurzer Zeit stark 4 Arnulf Kutsch: Zwischen Wende und heute - An­ reformierten Rundfunksystems. sätze zur Rundfunkneuordnung in der DDR bis Die Entwicklungen in den Jahren 1990 und zur deutschen Vereinigung. ln: Mitteilungen StRuG Jg. 17 (1991) , H. 4, S. 169-185, S. 182f. 1991 offenbaren, daß die Regierungen der fünf neuen Bundesländer, ob CDU- oder SPD-getra­ 5 Vgl. Konrad H. Jarausch: Die unverhoffte Einheit. gen, die Fortführung der »Einrichtung« vorwie­ Frankfurt am Main 1995, S. 297f. gend aufgrund eigener rundfunkpolitischer Inter­ 6 Vgl. Joachim Nölte: Chronik medienpolitischer Er­ essen ablehnten und auf die automatische Auf­ eignisse in der DDR - Oktober 1989 bis Oktober lösung zum 31. Dezember vertrauten. Ein ge­ 1990. ln: Werner Claus (Hrsg .): Medien-Wende, meinsamer Staatsvertrag darüber scheiterte je­ Wende-Medien? - Dokumentation des Wandels denfalls nicht an der Uneinigkeit zwischen den im DDR-Journalismus, Oktober '89 - Oktober '90. Ländern. Vielmehr war die Abwicklung der Ein­ Berlin 1991, S. 17-116, S. 110; vgl. Michael richtung in Verantwortung der Länder Ausdruck Brinkmann: Das neue Recht des Mitteldeutschen des Bestrebens, sich vom ehemals zentralistisch Rundfunks - Unter besonderer Berücksichtigung verwaltenden Berlin zu distanzieren und neue der Entwicklungen des Rundfunkrechts in der politische Landesidentitäten zu finden , weshalb ehemaligen DDR. Frankfurt am Main 1994, S. fast alle Landesregierungen zunächst auch die 65f.; die offizielle Begründung Müller-Römers zur Änderung des Proporzschlüssels lautete: »Bei Gründung separater Rundfunkanstalten favori­ den gesellschaftlichen Gruppen auf dem Gebiet sierten. Und ein »Konkurrenzunternehmen«107 der ehemaligen DDR wisse man nicht, inwieweit für die neuen Anstalten sollte auf keinen Fall sie noch von den alten SED-Parteikadern durch­ künstlich am Leben gehalten werden. drungen seien«, zit. n.: Klaus Ott: Aus Fehlern Die Gründung des ORB verlief in wesentlich lernen. ln: Journalist Jg. 40 (1990}, H. 11, S. 40ff. staatsferneren Bahnen als die des MDR. Von 7 Vgl. Brinkmann: Das neue Recht (wie Anm. 6), S. parteilicher Einflußnahme blieb aber auch die 66; vgl. Michael Plote: Rundfunkpläne in Thürin• Brandenburger Anstalt nicht ausgeschlossen. gen - Intendant mit großer Kompetenz. ln: Jour­ Das zeigte sich zum einen in Birthlers Weige­ nalist Jg. 40 (1990), H. 11 , S. 42. rung, dem Gründungsbeauftragten v. Seil not­ wendige Entscheidungskompetenzen zu über• 8 SPD macht sich für eigene Landesrundfunkanstalt tragen, und letztlich in der verfassungsrechtlich stark. Der Tagesspiegel v. 13.12.1990, o.S .. ln: bedenklichen Verpflichtung zur Kooperation mit /Historisches Archiv (OFF/ HA) (Hrsg.): Chronologische Dokumentation -An­ dem SFB, die angesichts der finanziellen hang (Pressestimmen), 2. Halbjahr 1990. o.O. Zwangsjacke einer von den Koalitionsfraktionen [Berlin]1991, S. 131. gewünschten »schlanken Anstalt« notwendig war. 9 Vgl. ebd. 10 Lutz Borgmann war Journalist und seit 12.10.1991 als Vertreter der Evangelischen Kirche Berlin­ Brandenburg Vorsitzender des Rundfunkrates des ODR bzw. des ORB; vgl. Ostdeutscher Rundfunk 138 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Brandenburg (Hrsg .): Die Gremien: Organe des Folgen der deutschen Vereinigung für das Me­ ORB - Vertreter der Allgemeinheit. Potsdam diensystem. ln: Medium Jg. 23 (1993), H. 1, S. 1995, Rückseite. 21-26, S. 22f.; vgl. Themas Bauer: Nach 20 Be­ rufsjahren an der Spitze - BR-Hörfunkdirektor 11 Entwurf für ein Rundfunkgesetz Brandenburg, v. Udo Reiter als Gründungsintendant des Mittel­ 10.10.1990, gezeichnet von Lutz Bergmann. ln: deutschen Rundfunks. ln: Mitteilungen StRuG Jg. epd/Kirche und Rundfunk 1990, Nr. 90, S. 18-23. 18 (1992), H. 1, S. 9f.; vgl. Streul: Die Umgestal­ tung (wie Anm. 20), S. 42. 12 Die Sachverständigengruppe Medienordnung war ein Ausschuß der Arbeitsgruppe 5 (Kulturelle An­ 24 Hans-Wolfgang Heßler: Kleiner Zugewinn, große gelegenheiten) des Provisorischen Regionalaus­ Verluste - Zur Zwischenbilanz des dualen Rund­ schusses Berlin. funks. ln: Medium Jg. 22 (1992), H. 1, S. 34ff, S. 35. 13 Sachverständigengruppe Medienordnung: Ab­ schließende Empfehlungen für eine Rundfunk­ 25 Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk konzeption in Berlin und Brandenburg, v. 13.11. (MDR) v. 30.5.1991. ln: Brinkmann: Das neue 1990. ln: Sender Freies Berlin (SFB) (Hrsg.): Recht (wie Anm . 6), S. 292-300, § 19; vgl. Streul: Rundfunk im Umbruch - Materialien zur Entwick­ Zum Stand (wie Anm. 18), S. 1082. lung von Hörfunk und Fernsehen der ehemaligen DDR im Jahr 1990. Berlin o.J. [1991], S. 21-27, S. 26 Wolfgang Hoffmann-Riem: Rundfunkneuordnung 24. in Ostdeutschland - Stellungnahme zu Vorschlä• gen über den Aufbau des öffentlich-rechtlichen 14 Vgl. ebd. Rundfunks in den neuen Bundesländern, hrsg. v. Hans-Bredow Institut. Harnburg 1991, S. 127. 15 Rainer Frenkel: Politik nach Gutsherrenart- CDU­ Interessen und westliches Sendungsbewußtsein 27 Vgl. Brinkmann: Das neue Recht (wie Anm. 6), S. steuern die Neuordnung des Rundfunks. ln: Die 240ft. Zeit v. 3.12.1990, o.S. ln: OFF/HA: Chronologi­ sche Dokumentation (wie Anm. 8), S. 118. 28 Vgl. Grundpositionen für einen Staatsvertrag Nordostdeutscher Rundfunk v. 10.4.1991 . ln: 16 Vgl. Rainer Kabel I Hans-Jürgern Kupka: Der epd/Kirche und Rundfunk 1991 , Nr. 30, S. 25; vgl. Rundfunk in der DDR - historisch. ln: SFB: Rund­ Presse- und Informationsamt des Landes Bran­ funk im Umbruch (wie Anm . 13), S. 6-11, S. 10f. denburg: Presseinformation - Beginn der Staats­ vertragsverhandlungen über die Gründung eines 17 Vgl. Rainer Frenkel: ARD und ZDF über alles - Nordostdeutschen Rundfunks (NOR) v. 14.5. Die Neuordnung des deutschen Hörfunks und 1991 . Archiv des Landtages Brandenburg. Fernsehens: Gewinner im Westen, Verlierer im Osten. ln: Die Zeit v. 2.11.1990, o.S. ln: OFF/HA: 29 Vgl. Staatsvertrag über die Nordostdeutsche Chronologische Dokumentation (wie Anm . 8), S. Rundfunkanstalt (NORA). Entwurf v. 23.6.1991 . 99. ln : Funk-Korrespondenz Jg. 39 (1991) Nr. 26, S. 19. 18 lrene Charlotte Streul: Zum Stand der Neuord­ nung des Rundfunkwesens in den neuen Bun­ 30 Vgl. lrene Charlotte Streul: Öffentlich-rechtlicher desländern. ln: Deutschland Archiv Jg. 24 (1991), Rundfunk in Ostdeutschland und Bundesrundfunk H. 10, S. 1073-1083,S. 1079. - Eine weitere Etappe auf dem Weg zur Neuord­ nung. ln: Deutschland Archiv Jg. 25 (1992), H. 3, 19 Zur detaillierten Entwicklung des Staatsvertrages S. 254-263, S. 254f. und der Gründungsphase des MDR vgl. Brink­ mann: Das neue Recht (wie Anm . 6), S. 135ft. 31 Vgl. Staatsvertrag über die Nordostdeutsche Rundfunkanstalt (NORA) (wie Anm. 29). 20 Vgl. Knut Hickethier: Das Zerschlagen der Ein­ richtung - Der Weg vom Staatsfernsehen der 32 Vgl. Wolfgang Mühi-Benninghaus: Frage nach DDR zum Rundfunkföderalismus in den neuen dem Wohin. ln: Journalist Jg. 41 (1991), H. 7, S. Bundesländern. ln: Rainer Bahn u.a. (Hrsg.): 13-16, S. 15; vgl. Streul: Öffentlich-rechtlicher Mauershow - Das Ende der DDR, die deutsche Rundfunk (wie Anm. 30) , S. 257. Einheit und die Medien. Berlin 1992, S. 71-93, S. 84; vgl. lrene Charlotte Streul: Die Umgestaltung 33 Hermann Meyn: Düstere Aussichten. ln: Journalist des Mediensystems in Ostdeutschland. ln: Aus Jg. 41 (1991), H. 6, S. 28f. , S. 29. Politik und Zeitgeschichte Jg. 43 (1993), H. B 40, S. 36-46, S. 41f. 34 SPD-Landtagsfraktion Brandenburg: Arbeitspro­ gramm des Arbeitskreises 1 Hauptausschuß, v. 21 Vgl. Brinkmann: Das neue Recht (wie Anm. 6), S. 14.1.1991, unveröffentlicht, Archiv des Landtages 68. Brandenburg, S. 1; vgl. SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, Arbeitskreis Hauptausschuß: Ent­ 22 Udo Reiter war zuvor Hörfunkdirektor des BR. wurf- Beschlußvorschlag, v. 12.2.1991 , unveröf• fentlicht, Archiv des Landtages Brandenburg; 23 Vgl. Klaus Ott: Politischer Würgegriff. ln: Journa­ Mitteilung von Markus Vette (Stellvertreter des list Jg. 41 (1991), H. 8, S. 26ff.; vgl. Rainer Geiß­ Hauptausschußvorsitzenden) an Manfred Stolpe ler: Fortschreibung bestehender Strukturen - Die Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 139

v. 14.2.1991, unveröffentlicht, Archiv des Landta­ 47 Vgl. Wolfgang Birthler: Mitteilung an den Grün• ges Brandenburg; SPD-Fraktion, FDP-Fraktion, dungsbeauftragten für den Rundfunk in Branden­ Fraktion Bündnis 90: Gemeinsame Presseerklä• burg, v. 16.9.1991, unveröffentlicht, Archiv des rung, v. 22.2.1991, Archiv des Landtages Bran­ Landtages Brandenburg; v. Seil beschuldigte denburg. Birthler, »den vernünftigen und zeit- und fachge­ rechten Aufbau der Rundfunkanstalt in Branden­ 35 SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, Arbeitskreis burg ( ... ) behindern« zu wollen, zit. n. Friedrich Hauptausschuß: Entwurf - Beschlußvorschlag Wilhelm v. Seil: Mitteilung an den Vorsitzenden (wie Anm. 34), S. 1, 7. des Hauptausschusses des Landtages Branden­ 36 Gesetzentwurf- Vorschaltgesetz zur Neuordnung burg, v. 19.9.1991, unveröffentlicht, Archiv des des Rundfunks in Brandenburg, v. 4.6.1991. in: Landtages Brandenburg. Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Drucksa­ 48 vgl. Streu!: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie che 1/248, 4.6.1991, Archiv des Landtages Bran­ Anm. 30), S. 258. denburg; die CDU-Fraktion meldete Bedenken gegen dieses Gesetz, weil der »Rundfunkrat zu 49 v. Seil: Mitteilung (wie Anm. 47). umfangreich« sei. Manfred Walther, zit. in: Land­ tag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Plenarprotokoll 50 Vgl. Friedrich Wilhelm v. Seil: Organisation/Perso­ 19, 12.6.1991, S. 1461. nalausstattung für die öffentlich-rechtliche Rund­ funkanstalt in Brandenburg, v. 24.9.1991, unver­ 37 Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, der FDP öffentlicht, Archiv des Landtages Brandenburg. und Bündnis 90 - Gesetz über den »Rundfunk Brandenburg« (RBr-Gesetz), v. 7.5.1991. in: 51 Vgl. Wolfgang Birthler: Mitteilung über den Be­ Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Drucksa­ schluß des Hauptausschusses am 24.9.1991 an che 1/204, Archiv des Landtages Brandenburg. den Gründungsbeauftragten, v. 25.9.1991, unver­ öffentlicht, Archiv des Landtages Brandenburg. 38 Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Plenar- protokoll19, 12.6.1991, S. 1460. 52 Birthler, Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Plenarprotokoll 25, 25.9.1991, S. 1875. 39 Ebd., S. 1461. 53 Gesetz über den »Rundfunk Brandenburg« (RBr­ 40 Rainer Siebert (FDP). Ebd., S. 1462. Gesetz). in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg (GVBI. Brandenburg), 2. Jg. 41 Vgl. Birthler, Landtag Brandenburg, 1. Wahlperi­ (1991), Nr. 35, S. 472-488. ode: Plenarprotokoll 22, 26.6.1991, S. 1673. 54 Vgl. Hoffmann-Riem: Rundfunkneuordnung (wie 42 Stolpe. Ebd., S. 1676. Anm. 26), S. 117; vgl. SPD-Landtagsfraktion 43 Vgl. Beschlußempfehlung des Hauptausschusses Brandenburg: Arbeitsprogramm (wie Anm. 34), S. zum Entwurf des Vorschaltgesetzes zur Neuord­ 2. nung des Rundfunks in Brandenburg - Gegen­ 55 Ebd. überstellung. in: Landtag Brandenburg, 1. Wahl­ periode: Drucksache 1/278, Archiv des Landtages 56 Gesetz über den »Rundfunk Brandenburg« (wie Brandenburg. Anm. 53). 4 4 Erstens: Seine Tätigkeit »endet mit dem Amtsan­ 57 So habe der Rundfunkrat die Einhaltung des Pro­ tritt des Intendanten« (§ 14, 5), zweitens: Verträ• grammauftrages zu überwachen(§ 17, 4) und den ge, aus denen sich »rechtliche Verpflichtungen für Intendanten »in allgemeinen Programmangele­ die künftige Landesrundfunkanstalt ergeben«, genheiten« zu beraten (§ 17, 3). Wie in den Be­ sind nur unter »Vorbehalt der späteren Genehmi­ stimmungen anderer öffentlich-rechtlicher Anstal­ gung durch die Organe« abzuschließen oder be­ ten obliege ihm die »Wahl und Abberufung des dürfen der »Zustimmung des Hauptausschus­ Intendanten« (§ 17, 2), erhielte darüber hinaus ein ses«, und »Arbeitsverträge sind bis zum 31.12. Vetorecht bei »allen Maßnahmen des Intendan­ 1991 befristet« (§ 14, 3). Ebd. ten, die von grundsätzlicher Bedeutung für das Programm oder die Entwicklung des RBr sind« (§ 45 Ebd.; vgl. Martin Wilhelmi: Verfassungsrechtliche 17, 5). Auch der Verwaltungsrat erhielte Vetorecht Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in bei entscheidenden Maßnahmen der Geschäfts• den neuen Bundesländern - Lokale Grundversor­ führung (§ 22, 3). Ebd. gung, Staatsfreiheit, Finanzierung. Berlin 1995, S. 232. 58 Gesetz über den »Rundfunk Brandenburg« (wie Anm. 53). 46 v. Seil, zit. n. Uwe-Jens Lindner I Michael Schu­ lenburg: Modell Brandenburg - Entstehungsge­ 59 Wilhelmi: Verfassungsrechtliche Probleme (wie schichte und Entwicklung des Ostdeutschen Anm 47), S. 233; zum Vergleich: Rundfunkräte Rundfunks Brandenburg (Hrsg. Ostdeutscher von SR 19,3%, SDR 23,3%, SFB 25,8%, WDR Rundfunk Brandenburg). Potsdam o.J. [1993], S. 29,3%, SWF 32,6%, Fernsehrat ZDF 45,4%. 5. 60 Gesetz über den »Rundfunk Brandenburg« (wie Anm. 53). 140 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

61 Entwurf für ein Rundfunkgesetz (wie Anm . 11 ). 79 Vgl. Sandra Seubert: Nicht kompatibel - Schwie­ rigkeiten der Kooperation zwischen SFB und 62 Als Vertreter der Fraktionen waren darunter auch ORB. ln: Medium Jg. 23 (1993), H. 1, S. 45f. Wolfgang Birthler (SPD), Manfred Walther (CDU), Günter Nooke (Bündnis 90), Rainer Siebert (FDP) 80 Der DLF veranstaltete seit 1960 aus Köln ein ln­ und Hanno Harnisch (PDS-LL); zur Konstituie­ formationsprogramm mit deutschlandpolitischem rungszusammensetzung vgl. Rundfunkrat (RBr) - und europäischem Akzent und hatte per Gesetz Zusammensetzung (Stand: 30.9.1991 ), aus: Ar­ die Aufgabe, Gesamtdeutschland und insbeson­ chiv des Landtages Brandenburg. dere die damalige DDR sowie das europäische Ausland mit Hörfunksendungen zu versorgen. 63 Vgl. Streu! : Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie Anm . 30), S. 258f. 81 Der RIAS war seit 1945 über die Information Agency (USIA) unter amerikanisches 64 Hansjürgen Rosenbauer (parteilos, aber SPD­ Recht gestellt und wurde zuletzt aus Mitteln der nah), Jahrgang 1942, hatte Ende der 60er Jahre deutschen Bundesregierung alimentiert, um aus als Kulturredakteur beim HR begonnen, von 1972 Berlin die »Stimme der Freiheit« über den Eiser­ bis 1974 war er ARD-Korrespondent in Prag, da­ nen Vorhang zu verbreiten. Die Aufhebung des nach Redakteur im WDR-Studio in Sonn, später Besatzungstatus im Zuge der Vereinigung entzog Auslandschef des WDR und ab 1983 Hauptabtei­ der USA die rundfunkpolitische Kompetenz für lungsleiter Kultur und Wissenschaft. Berlin und übertrug sie der Zuständigkeit des Bundes. 65 Cornelia Bolesch: Eine Wahl mit Überraschungs• effekt. ln : Süddeutsche Zeitung, v. 11 .11 .1991, 82 Vgl. Eckwerte für die Medienordnung in einem o.S., aus: Archiv des Landtages Brandenburg. vereinigten Deutschland, Beschluß des Bundes­ fachausschusses Medienpolitik der CDU (West) 66 So auch Wilhelmi (wie Anm. 45), S. 231f.; ähnlich am 30.5.1990. ln: Rundfunk und Fernsehen Jg. Geißler: Fortschreibung (wie Anm. 23), S. 23. 38 (1990), H. 3, S. 455-458, S. 456. 67 Vgl. ebd .; vgl. Streu!: Öffentlich-rechtlicher Rund­ 83 Streibl und Engholm sollen Rundfunk-Neuordnung funk (wie Anm. 30) , S. 259f. vorschlagen. ln: epd/Kirche und Rundfunk 1990, 68 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Nr. 75, S. 15. »Rundfunk Brandenburg«, v. 20.12.1991 . ln: 84 Björn Engolm I Max Streibel: Beschlußempfeh• GVBI. Brandenburg Jg. 2 (1991), Nr. 47, S. 693f. lung zur Neuordnung von RIAS und Bundesrund­ 69 Vgl. Peter Hoff: Kannitverstan - Die ersten hun­ funkanstalten, v. 18./19.10.1990. ln: epd/Kirche dert Tage des ORB-Fernsehens. ln: epd/Kirche und Rundfunk 1990, Nr. 83, S. 23f. und Rundfunk 1992, Nr. 37, S. 3-6, S. 3; vgl. 85 Dieses Modell favorisierte auch das Bundes­ Lindner/Schulenburg: Modell Brandenburg (wie kanzleramt; vgl. Streu!: Öffentlich-rechtlicher Anm. 46), S. 17; vgl. Streu!: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie Anm. 30), S. 261f.; vgl. Ulrike Kai­ Rundfunk (wie Anm. 30), S. 260. ser: Rundfunk-Poker - Wer macht das Spiel? ln: 70 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Journalist Jg. 41 (1991), H. 4, S. 10-14. Berlin und Brandenburg im Bereich des Rund­ 86 Manfred Buchwald: Brüche und Risse - Das ge­ funks, v. 29. Februar 1992. ln : GVBI. Brandenburg samtdeutsche Rundfunkgebäude im Jahre Zwei. Jg. 3 (1992), Nr. 8, S. 142-163. ln: Medium Jg. 22 (1992), H. 1, S. 32ff., S. 33. 71 Ebd. 87 Um die Existenz von OS-Kultur zu sichern, grün• 72 So auch Wilhelmi (wie Anm. 45), S. 236. deten renomierte Persönlichkeiten (darunter Egon Bahr, Hinrich Enderlein, Heinz Galinski, Günter 73 Vette, Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Gaus, Regine Hildebrandt, Christa Wolf, Konrad Plenarprotokoll 44, 8.4.1992, S. 3147. ln der Tat Weiß u.a.) unter der Leitung des Schweizer Ar­ war ja diese Verfahrensweise im Rundfunkgesetz chitekten Max Bill am 27.11 .1990 ein Kuratorium vorgeschrieben. und richteten ihre Forderung in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten; vgl. Offener Brief 74 Bisky, ebd., S. 3146. des Kuratoriums zur Förderung des Oeutsch­ landsenders Kultur an die Ministerpräsidenten, v. 75 Vgl. Siebert (FDP) und Nooke (Bündnis 90), ebd., 27.11.1990. ln: Wolf Bierbach: Nachdenken über s. 3146-3149. Deutschland - Ein Jahr »Deutschlandsender 76 Siebert, ebd., S. 3146f. Kultur« - Fakten und Dokumente. ln: Mitteilungen StRuG Jg. 17 (1991), H. 2/3, S. 91-107, S. 94. 77 Vgl. Lindner/Schulenburg: Modell Brandenburg (wie Anm. 46), S. 18. 88 Uwe Kammann: Klassischer Kompromiß. ln: Jour­ nalist Jg. 42 (1992), H. 1, S. 28f., S. 28. 78 Vgl. Hansjürgen Rosenbauer: Strategien einer öffentlich-rechtlichen Zukunft - Mitteilung an die 89 Vgl. Streu!: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie Mitglieder des Rundfunkrates, v. 16.12.1994, un­ Anm. 30), S. 262; vgl. Kaiser: Rundfunk-Poker veröffentlicht, Archiv des Landtages Brandenburg. (wie Anm. 85). Stein: Kein Auferstehen aus Ruinen 141

90 Obwohl dieser Staatsvertrag im deutschen Rund­ sehen Allgemeinen Zeitung< und der >Märkischen funkrecht einen entscheidenden Einschnitt be­ Oderzeitung< an . deutet, wird hier nicht im Detail auf ihn eingegan­ 105Vgl. Lindner/Schulenburg: Modell Brandenburg gen : Die wesentlichen Änderungen im Gegensatz (wie Anm. 46), S. 40. zum vorherigen Staatsvertrag betreffen den pri­ vaten Rundfunk und die Anhebung der Rundfunk­ 106Vgl. Stefan Müller: Medienpolitischer Rückblick - gebühren. Die gesetzlichen Grundlagen der fünf Winter 1992/1993. ln: Medium Jg. 23 (1993), H. 2, neuen Bundesländer für den öffentlich-rechtlichen S.76f., S. 77; vgl. Kari-Heinz Stamm: Power auf Rundfunk bleiben dabei unberührt; vgl. Staatsver­ der Eastside. ln : Journalist Jg. 42 (1992), H. 6, S. trag über den Rundfunk im vereinten Deutsch­ 28f. land, v. 31 .8.1991. ln: GVBI. Brandenburg Jg. 2 (1991), Nr. 42, S. 581-614; vgl. Carola Witt: Der 107 Siebert, Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode: Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Plenarprotokoll 25, 25.9.1991, S. 1878. Deutschland. ln: Media Perspektiven 1992, H. 1, S. 24-28.

91 Martin Stock: Der neue Rundfunkstaatsvertrag. ln: Rundfunk und Fernsehen Jg. 40 (1992), H. 2, S. 189-221, S. 190.

92 Protokollerklärung der Länder zu Art. 5 § 3 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages. Zit. n. Buchwald (wie Anm. 86), S. 33.

93 Ulrike Kaiser: Die Macht der Politik. ln: Journalist Jg. 41 (1991), H. 8, S. 22ff., S. 24.

94 Vgl. Streul: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie Anm . 30), S. 262.

95 Kammann: Klassischer Kompromiß (wie Anm. 88), S. 29.

96 Vgl. Streul: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (wie Anm. 30), S. 262f.

97 Kammann: Klassischer Kompromiß (wie Anm . 88) , S. 28.

98 Vgl. ARD-Jahrbuch 93, S. 348-363.

99 Vgl. Brinkmann: Das neue Recht (wie Anm. 6), S. 60.

100Die Neue Fünf Länder Gesellschaft zur Abwick­ lung der Rundfunkeinrichtung gern. Art. 36 Eini­ gungsvertrag m.b.H. (NFL-GmbH) wurde am 29. November gegründet; vgl. Uwe-Jens Lindner: Restpostenverwaltung. ln: Journalist Jg. 42 (1992), H. 8, S. 5ff.

101 Birthler, zit. nach Uwe Kammann: »Staatsvertrag ausgeschlossen« - Ein epd-lnterview mit Wolf­ gang Birthler. ln: epd/Kirche und Rundfunk 1991, Nr. 64, S. 3-8, S. 8.

102 Siebert, zit. in: Landtag Brandenburg, 1. Wahlpe­ riode: Plenarprotokoll 25, 25.9.1991, S. 1878; so auch Birthler, ebd., S. 1879.

103Vgl. Holger Kulick: Pünktlich Sendeschluß. ln: Journalist Jg. 41 (1991), H. 12, S. 44-47, S. 44; vgl. lngo Hermann: Jugendkultur im Spiegel des Fernsehens - Ein historischer Rückblick. ln: Me­ dium Jg. 25 (1995), H. 3, S. 23-26, S. 25.

104Dem Sender Neue Berliner Rundfunk GmbH und Co KG gehören neben der Kölner DuMant­ Verlagsgruppe die Verlage der Potsdamer >Märki- Maral Herbst

»Offen und rückhaltlos, wie Freunde das zu tun pflegen« oder »Die Sowjetführer in Berlin« Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks zum Besuch von Bulganin und Chruschtschow in Berlin am 26. Juli 1955

Sprache als politisches Mittel rische Schuldzuweisungen unter Verwendung von nationalsozialistischem Vokabular erhielten Das Aufeinander-Reagieren der in Berlin ans~s­ damit eine Doppelfunktion: Sie dienten der Bela­ sigen westlichen und östlichen Rundfunkstatio­ stung des Gegners und der Entlastung von ei­ nen SFB und Berliner Rundfunk stand im Kon­ gener Schuld. Zu unterscheiden ist dabei zwi­ text des Kalten Kriegs in Deutschland und damit schen der bewußten Einsetzung nationalsoziali­ im erweiterten Sinn der amerikanisch-sowjeti­ stischer Termini auf der Ebene strategischer schen Auseinandersetzung. Der Kalte Krieg war Rhetorik und ihrer z. T. unbewußten Verwen­ geprägt von wechselseitigen Drohungen. Trans­ dung, die viele durch die NS-Zeit gepr~gte portmittel der Drohungen waren dafür sorgfältig Worte nach dem Krieg nicht mehr als solche er­ ausgew~hlte Worte, die Entwicklung eines spe­ kennen ließ, da sie bereits in den Alltagsge­ zifischen Wortschatzes für die Klassifizierung brauch übergegangen waren.2 Viele Termini aus des jeweiligen Gegners: dem milit~rischen Bereich hatten ihren Ursprung im Kaiserreich rsp. der Weimarer Republik, wur­ »The Soviet-American cold war was a rhetorical war, den aber durch die nationalsozialistische Dikta­ one fought with words as weapons ( ... ) The rhetoric tur in ihrer Semantik umgedeutet.3 weated the consensus we call the cold war.« 1 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß Die von der UdSSR seit der Revolution 1917 die folgende sprachliche Analyse auf der Basis entwickelte Rhetorik zur Propagierung des Kom­ der Gegenüberstellung von Rundfunkkommenta­ munismus wurde von der DDR z.T. auf staats­ ren nicht der Bewertung eines Systemvergleichs politischer Sprachebene annektiert und um spe­ zwischen Bundesrepublik und DDR dienen und zifisch deutschlandpolitische Themenbereiche die beiden Staaten auch nicht mit dem Dritten erweitert. Wie schon die Amerikaner in der Aus­ Reich verglichen werden sollen. Zu unterschei­ einandersetzung mit der UdSSR dieser Rhetorik den ist außerdem die Ebene des offiziellen eine antikommunistische gegenüberstellten, ori­ Sprachgebrauchs innerhalb der Medien und entierte sich auch die Bundesrepublik daran und die der deutsch-deutschen Kommunikation von bezog in ihre antikommunistische Rhetorik eben­ Mensch zu Mensch abseits der großen Politik, falls spezifisch deutschlandpolitische Themen die hier nicht untersucht wird . ein. Deutschland wurde dabei zum sprachpoliti­ »Government offleials and others do not construct a schen Sonderfall, denn sowohl West wie Ost language or a rhetoric out of thin air; they inherit it griffen auf eine gemeinsame Muttersprache zu­ from the past and modify or adapt it to meet current rück. or future concerns«4 Der zwölf Jahre währende Einfluß des Natio­ nalsozialismus wirkte sich zus~tzlich auf die stellen Lynn Boyd Hinds und Theodore Otto gemeinsame Muttersprache aus. Nach der deut­ Windt in ihrer Analyse zur Rhetorik des Kalten schen Kapitulation am 8. Mai 1945 bemühte Kriegs fest. Dabei sprechen sie die gleichen Me­ man sich neben der politischen auch um eine chanismen sprachlicher Wirkung zur Erreichung sprachliche Reeducation, die eng an das einer­ politischer Ziele an wie Viktor Klemperer, der seits parlamentarisch-demokratische und ande­ sich in seiner Analyse der Sprache des Dritten rerseits als volksdemokratisch ausgewiesene Reiches ausschließlich auf die NS-Zeit bezieht.5 System gebunden war. Unterschiedliche Termini Modifikation und Adaption, die wesentlichen zur Bezeichnung des politischen Gegners flos­ Faktoren zur Durchsetzung sprachpolitischer sen in den offiziellen Sprachgebrauch der Medi­ Ziele, verleugnen die Geschichtlichkeit des en ein und wurden fester Bestandteil der dyna­ Sprachgebrauchs. Das sprachliche Zeichen im mischen Rhetorik des Kalten Kriegs in Deutsch­ semantischen Sinn hat dabei sowohl eine objek­ land. Oft wurde dabei auf beiden Seiten im Sin­ tive wie auch eine subjektive Funktion. W~hrend ne der Schuldzuweisung und gleichzeitigen Le­ sich die Wissenschaft vorwiegend mit der objek­ gitimierung des jeweils eigenen als des besse­ tiven Funktion des »Meinens, lntendierens als ren Systems u.a. auf den nationalsozialistischen Ausdruck objektiven Inhalts« besch~ftigt, kommt Wortschatz zurückgegriffen. Gegenseitige rheto- gerade in den Rundfunkkommentaren die sub- Herbst: Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks 143 jektive Funktion des Zeichens, also das »Hervor­ Im Gegensatz dazu wurde die Struktur des rufen von Emotionen und Willenstendenzen«, Rundfunks im Grundgesetz der Bundesrepublik zum Ausdruck.6 Die ausgewahlten Beispiele aus nicht derart eindeutig festgelegt. ln Art. 5 des Rundfunkkommentaren spiegeln daher neben Grundgesetzes vom 24. Mai 1949 wird Presse­ ihrem politischen Inhalt die politische Stimmung und Informationsfreiheit gewahrt. An Grenzen Mitte der 50er Jahre in beiden Teilen Deutsch­ stößt diese Freiheit, wenn die individuellen lands wider. Rechte anderer berührt werden, die Sicherheit des Staates oder der öffentliche Frieden gefähr• det ist.11 Eine freie Presse gehört zu den Prinzi­ Die unterschiedlichen Prinzipien pien des parlamentarisch-demokratischen Sy­ des politischen Journalismus stems. 1948/49 etablierte sich das öffentlich-rechtli• in der Bundesrepublik und DDR che Rundfunksystem, welches der föderalen Struktur des Landes entsprach. Erst am 5. Mai Unabhangig vom jeweils zu vertretenden Staa­ 1955 erhielt die Bundesrepublik ihre volle Sou­ tensystem hat der politische Journalismus eine veranitat und damit auch ihre rundfunkpolitische allgemeine Funktion: Er dient der Vermittl_ung Unabhangigkeit von den Westalliierten. Durch von Politik und ist pragend für die öffentliche die Kontroll- und Beratungsfunktion der plurali­ Meinung. Politik und Journalismus sind aufein­ stisch besetzten Rundfunk- und Verwaltungsrate ander angewiesen, da ohne politische Informa­ wurde dem für das Programm verantwortlichen tionen keine Nachrichten gestaltet werden kön• Intendanten ein Gegengewicht zur Seite gestellt. nen. Kennzeichnend für den öffentlich-rechtlichen Die öffentliche Meinung wiederum ist vom Rundfunk ist seine Staatsferne. Innerhalb der System eines Staates abhangig, das entweder 1950 gegründeten ARD zeigte sich jedoch, daß Meinungspluralitat zulaßt und die öffentliche die zu vertretenden Interessen der Allgemeinheit Meinung als Konglomerat der mehrheitspoliti­ des öfteren von parteipolitischen Einflüssen schen Orientierung der Bürger sieht oder die überlagert wurden. Meinung des Staates zur öffentlichen Meinung Damit standen sich in der Bundesrepublik und den politischen Journalisten zum Vermittler und DDR zwei unterschiedliche Rundfunksyste­ staatlicher Entscheidungen werden laßt. Frei me und damit verbunden unterschiedliche Auf­ von politischer Beeinflussung war der Journa­ fassungen von Journalismus diametral gegen­ lismus weder in der DDR noch in der Bundesre­ über. Gehörte zu den journalistischen Prinzipien publik.7 der DDR-Medien explizit die Auseinanderset­ ln der DDR wurde der Rundfunk seit der zung mit der Medienpolitik der Bundesrepublik, Gründung des Staatlichen Rundfunkkomitees im so reagierten die Medien der Bundesrepublik ih­ Jahre 1952 zentral geleitet und erhielt direkte rerseits auf ihr Gegenüber im Osten Deutsch­ Weisungen durch das ZK der SED und das Po­ lands. litbüro. Hörfunk (und Fernsehen) galten als schnell­ ste Instrumente der Information und des operati­ Die Verkündung der Zweistaatentheorie ven Eingreifens in das politische Geschehen. Die Darstellung eines Ereignisses galt als objek­ tiv, wenn sie den entsprechenden Kriterien der Das Jahr 1955 war gekennzeichnet durch den Wahrheit, Parteilichkeit und Genauigkeit ent­ Beitritt der Bundesrepublik zur NATO am 5. Mai sprach. Gernaß den Leninschen Prinzipien war und der DDR zum Warschauer Pakt am 14. Mai der Rundfunk kollektiver Propagandist und Agi­ 1955. Ausgangspunkt des im folgenden vorge­ tator und diente aufgrund seiner technischen nommenen Vergleichs von Kommentaren des Möglichkeiten, permanent und über Landes­ SFB und des Berliner Rundfunks ist die Verkün• grenzen hinaus zu senden, als Organisator des dung der Zweistaatentheorie Chruschtschows Kollektivs. 8 am 26. Juli 1955 in Berlin, die einen Wende­ Wie überall begriff sich der Journalismus punkt in den deutsch-deutschen Beziehungen auch im Rundfunk als Instrument der Partei zur und den verschiedenen Konzepten zur Wieder­ Durchsetzung ihrer revolutionaren Politik. Die vereinigung beider Staaten markiert. Bestim­ Freiheit des Journalisten bestand darin, diese mend für die Auswahl ist die Deutschlandfrage 9 und deren Einbindung in den Kontext des Kalten Gesetzmaßigkeit anzuerkennen. Im Vorder­ 12 grund stand die Aufgabe, das Bewußtsein der Kriegs zwischen des USA und der UdSSR. Massen zu formen. Daran gebunden war auch Am Ort der Verkündung der Zweistaatentheorie die Auseinandersetzung mit den westdeutschen - Berlin - standen sich beide Rundfunkstationen Medien. 10 direkt gegenüber. 144 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Kommentiert wird der Besuch des sowjeti­ »Während sich in den Hauptstädten des Westens die schen Parteichefs Nikita Chruschtschow und aus Genf zurückgekehrten Regierungschefs vor der des Regierungschefs Nikolaj Bulganin in Ostber­ Öffentlichkeit das Ergebnis der Konferenz mehr oder lin, der sich an die Genfer Konferenz der Alliier­ weniger optimistisch kommentieren, haben die beiden ten (28.6.-23.7.1955) anschloß, wo erstmals führenden Mitglieder der sowjetischen Delegation für einige Tage in Ostberlin, dem Sitz der Grotewohi­ Bundesrepublik und DDR als politische Beob­ Regierung, Station gemacht.« achter zugelassen waren. ln Artikel 1 der Direktive der Staatsoberhaup­ Diese Formulierung unterstreicht die Einigkeit ter der Viermachtekonferenz in Genf an die Au­ der Westalliierten angesichts der Eigeninteres­ ßenminister vom 23. Juli 1955 zur Frage der Eu­ sen des Ostblocks. Wahrend die westlichen ropäischen Sicherheit und Deutschland heißt es: Teilnehmer in ihre Lander zurückfahren und, wie es scheint, alle das gleiche tun, fahrt die sowjeti­ »The Heads of Government, recognizing their com­ sche Delegation erst einmal in ihr deutsches mon responsibility for the settlement of the German question and the re-unification of Germany, have Bruderland und demonstriert dort Starke: agreed that the settlement of the German question »Parteichef und Ministerpräsident ( .. .) kamen mit der and the re-unification of Germany by means of free Absicht in unsere geteilte Stadt, das Wenige, was sie elections shall be carried out in conformity with the zur Wiedervereinigung Deutschlands in Genf gesagt national interests of the German people and the inte­ haben, deutlich zu bekräftigen ( ... ), um jeden Zweifel 1 rests of European security.« 3 an dem absoluten Wert ihrer Haltung zu zerstören Die gesamte Konferenz brachte kaum Fort­ ( ... ). Die Pariser Verträge und die mögliche Einbezie­ hung auch eines Gesamtdeutschlands in den Nord­ schritte; definitv beschlossen wurde lediglich, im atlantikpakt verhindern die Zustimmung der Sowjets Oktober 1955 weiterzuverhandeln. Am 26. Juli zu einer baldigen Wiedervereinigung mittels freier 1955 verkündete Chruschtschow in Ostberlin als Wahlen.« Reaktion der UdSSR auf die Genfer Verhand­ lungen: Der eigentliche Anlaß, die in die politische Lite­ ratur als »Zweistaatentheorie« eingegangene »Ist denn nicht klar, daß die mechanische Vereini­ VerkOndung Chruschtschows, wird konkret le­ gung beider Teile Deutschlands, die sich in verschie­ diglich mit dem Satz des sowjetischen Regie­ dene Richtungen entwickeln, eine unrealistische Sa­ rungschefs »Man kann die deutsche Frage nicht che ist? ln der entstandenen Situation ist der einzige Weg zur Vereinigung Deutschlands die Schaffung auf Kosten der Interessen der Deutschen Demo­ eines Systems der kollektiven Sicherheit in Europa, kratischen Republik lösen« zitiert. Allerdings er­ die Festigung und Entwicklung wirtschaftlicher und hebt Reinhardt den Einwand, daß auch Ober­ politischer Kontakte zwischen beiden Teilen Deutsch­ zeugte Antikommunisten einzusehen vermögen, lands. Man kann die deutsche Frage nicht auf Kosten daß es eine Wiedervereinigung geben könnte, der Interessen der Deutschen Demokratischen ·Re­ wenn Deutschland, unabhangig von einer ein­ publik lösen.« 14 seitigen militarischen Bindung, Teil eines umfas­ Damit setzte er ein deutliches Zeichen und senden Sicherheitspaktes zwischen Ost und knüpfte jegliche Wiedervereinigungsbemühun• West würde. Doch diesem Einwand werden Be­ gen beider deutscher Staaten an die Interessen denken angeschlossen, daß Chruschtschow der UdSSR. Der nach dem lnkrafttreten der Pa­ »die sogenannten >Errungenschaften< der DDR ge­ riser Verträge 1955 souverän gewordenen Bun­ wissermaßen als >conditio sine qua non< in eine ge­ desrepublik wurde damit zugleich eine Absage meinsame deutsche Zukunft hinübergerettet wissen an eine Wiedervereinigung unter parlamenta­ möchte«. risch-demokratischem Vorzeichen erteilt. Gleich­ Auf die angestrebten freien Wahlen Gesamt­ zeitig war dies auch die Absage an freie Wahlen, deutschlands warten »die Menschen in der Zone die nach der Genfer Direktive Voraussetzung für seit Jahr und Tag« . Hieraus wird der Anspruch die Wiedervereinigung sein sollten.15 des SFB ersichtlich, für die Hörer in der »Zone« mitzusprechen.17 Daß die Mehrheit der Bevölke• rung mit ihrem Staat und dessen Politik unzu­ Kommentar des Sender Freies Berlin frieden scheint, verdeutlicht Reinhardt mit seiner Sicht auf die Reaktion der DDR-Bevölkerung: Der Abendkommentar des SFB von Helmut Reinhardt am 27. Juli 1955 trägt den Titel »Die »Das ideologische Danaergeschenk, das der sowjeti­ Sowjetführer in Ostberlin«.16 Der Kommentar sche KP-Führer dann aber den im Lustgarten ver­ erstreckt sich Ober vier Seiten und ist damit et­ sammelten Massen präsentierte, wurde lediglich von der SED-Prominenz mit dankbarem Applaus be­ was langer als die in der Regel dreiseitigen Ta­ grüßt.« ges- bzw. Abendkommentare des Senders. Er wurde von 19.40 bis 19.45 Uhr gesendet und So entsteht der Eindruck, daß die Bevölkerung beginnt einleitend: schwieg und damit gewissermaßen stillen Wi- Herbst: Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks 145 derstand leistete, wahrend die offiziellen Vertre­ »Die Errungenschaften der DDR- das sind: Diktatur, ter der DDR ihrem Verbündeten höflichen Ap­ Scheinabstimmungen, Staatssicherheitsdienst, per­ plaus zollten. Verstarkt wird dies noch durch den sönliche Unfreiheit ( ... ) in einem anderen Sinne, wenn Rückgriff auf die Metapher »Danaergeschenk«, ich etwas summieren darf: ( ... ) Bodenreform, Ver­ die impliziert, daß das Volk schon ahnte, wel­ staatlichung fast der gesamten Wirtschaft, gewisse sehr problematische Sozialeinrichtungen«. ches Unheil ihm drohte. Die Applaus spendende DDR-Regierung sieht nicht, daß die Verkündung Chruschtschow und Bulganin werden in einer der Zweistaatentheorie ein Trojanisches Pferd Weise charakterisiert, die keinen Zweifel an ihrer und das Ende der Wiedervereinigung als Preis Einstellung zur Macht aufkommen läßt: »So­ für die Durchsetzung der sowjetischen Außen• wjetführer, politische Spitze des Sowjetstaates, politik bedeutet. Die von Chruschtschow getrof­ sowjetische KP-Führer, doktrini3r«. fenen Aussagen geschähen entweder »aus ir­ realen Motiven oder zum Zwecke der Demon­ stration einer endgültigen Verhärtung der Fron­ Kommentar des Berliner Rundfunk ten«. Die Überschrift des Kommentars »Die So­ wjetführer« sowie die im folgenden verwendete Der Abendkommentar von Klaus Kröber, gesen­ Bezeichung »der sowjetische KP-Führer« sug­ det über den Berliner Rundfunk am 28. Juli gerieren einen Vergleich mit dem »Führer« der 1955, war ursprünglich ein Kommentar des NS-Zeit. Diese Vergleiche stehen vor dem Hin­ Deutschlandsenders vom 27. Juli 1955. Auf­ tergrund der Gleichsetzung der DDR mit einem grund seiner internen Umstrukturierungen von totaliti3ren Staat wie dem Dritten Reich, der in 1952 bis 1955 sendete der eigentliche Berliner den 50er Jahren üblich war und von Politikern Rundfunk zum damaligen Zeitpunkt unter dem wie Journalisten im Westen gleichermaßen ge­ Namen Berlin 1 und 2.21 Die Übernahme von braucht wurde.18 Um die Eigenständigkeit der Kommentaren des Deutschlandsenders war westdeutschen Position hervorzuheben, ver­ gängig; erst ab September 1955 wurden die bis gleicht Reinhardt USA und UdSSR mit Bundes­ dahin zusammengelegten Redaktionen von Ber­ republik und DDR: liner Rundfunk und Deutschlandsender wieder getrennt.22 Die Berliner Hörer konnten den »Es ist etwas anderes, wenn der sowjetische Regie­ Kommentar am 28. Juli 1955 um 18.42 Uhr auf rungschef Bulganin sich mit dem amerikanischen Präsidenten Eisenhower an einen Tisch begibt als Berlin 1 und in der Wiederholung um 19.57 Uhr wenn der westdeutsche Regierungschef Adenauer auf Berlin 2 hören. Unter dem Titel »Die tiefere seinem scheinbar adäquaten Partner Gratewohl die Bedeutung einer Panne der >Welt<«23 wurde der Hand reicht.« Chruschtschow-Besuch wie beim SFB auf vier Seiten kommentiert. Zur Begründung, warum der DDR-Ministerpri3si­ Wie damals gebrauchlich, so eröffnete der dent Otto Grotewohl kein Partner von Bundes­ Autor seinen Kommentar mit der Zitierung einer kanzler Konrad Adenauer ist, heißt es: westdeutschen Zeitung - in diesem Fall der »Grotewohl ist kein Partner, weil er nicht demokra­ >Welt<- zu den aktuellen Ereignissen: tisch legitimiert ist. Er ist aber auch deswegen kein »Chruschtschow und Bulganin haben keine politi­ Partner, weil die Deutschen in der Sowjetzone ihn schen Gespräche mit der ostdeutschen Regierung weit weniger anerkennen als die Russen etwa Bulga­ nin.« 19 geführt. Ihr Aufenthalt war ohne größere politische Bedeutung«. Woher der Kommentator die Kenntnis bezieht, Diesen Aufhänger benutzt er, um das Gegenteil daß die Russen Bulganin mehr anerkennen als zu beweisen. Die »Politiker am Rhein« seien die Ostdeutschen Grotewohl, bleibt verborgen »ratlos«, die Genfer Konferenz habe die Politik und ist Teil des streckenweise populistischen des Bundeskanzlers »über den Haufen gewor­ Kommentars. Zudem wurde Bulganin nach dem fen«. Die von der Banner Bundesregierung an­ gleichen System wie Gratewohl gewählt und wa­ gefachte Kampagne der Bedrohung durch die re dementsprechend genausowenig demokra­ Sowjetunion sei sogar von den USA entkräftet tisch legitimiert. Die Nichtanerkennung der DDR worden: seitens der bundesdeutschen Regierung hatte die ARD und damit auch der SFB mitzutragen. »Und nun sagt plötzlich sogar Präsident Eisenhower, 1954 wurde auf der Konferenz der ARD-Pro­ daß er vom Friedenswillen der Sowjetunion über• grammdirektoren beschlossen: »die Bezeich­ zeugt sei ( ... ). So wurde in Genf die Bonner Politik vor nung DDR soll tunliehst vermieden werden«.2o der ganzen Weltöffentlichkeit als falsch und schädlich Die Kennzeichnung der DDR als totalitärer entlarvt.« Staat erfolgt bei Reinhardt durch die Zuweisung Mit dieser Formulierung stellt er die Souveränität von Substantiven, auch wenn er von ihren Er­ der Bundesrepublik in Frage; den USA als Ver­ rungenschaften redet: bündeten der Bundesrepublik wird größere Auto- 146 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) ritat beigemessen. Damit bedient er sich des So wie Reinhardt für die Hörer im Osten gleichen Mittels wie Reinhardt beim SFB, der spricht, die »seit Jahr und Tag« auf freie Wahlen der UdSSR ebenfalls eine größere Autoritat als warten, spricht Kröber für die Hörer im Westen: der DDR zubilligt. Das Adjektiv »scMdlich« und »Seit Genf hat nämlich auch in der westdeutschen das Verb »entlarvt« sind zudem beispielhaft für Öffentlichkeit die Forderung nach einer Zusammen­ die Kommentierungsweise des DDR-Rundfunks kunft von Regierungsvertretern der Deutschen De­ in den 50er Jahren. Was aus dem Westen kam, mokratischen Republik und der Bundesrepublik eine war im offiziellen politischen Sprachgebrauch solche Lautstärke angenommen, daß es für Dr. Ade­ schadlieh und wurde zudem als falsch entlarvt. nauer langsam zu einem gefährlichen Hasardspiel Durch diese Technik stellte man sich in der DDR wird, sie zu mißachten.« der Bundesrepublik gegenüber auf eine höhere Auch hier wird für die bildliehe Umschreibung Stufe. Man selber kenne die Wahrheit und muß der Situation eine Metapher eingesetzt. Das sie nur der unwissenden Öffentlichkeit nahebrin­ »Hasardspiel«, ein rücksichtsloses Glücksspiel gen.24 Diese Haltung des Kommentators ent­ unter Einsatz vollen Risikos, ist die für Adenau­ sprach dem Anspruch der SED, nicht nur den ers Politik verwandte Metapher, mit der der eigenen Bürgern, sondern auch dem Westen Kommentator verdeutlichen möchte, daß Ade­ gegenüber einen geistigen Vorsprung zu besit­ nauer seine Politik der Westintegration über den zen. Willen der Bevölkerung stellt und durch das ein­ Hatte Reinhardt in seinem SFB-Kommentar gegangene Risiko die Wiedervereinigung aufs den Besuch der beiden »Sowjetführer« negativ Spiel setzt. Kröber erklart seinen Hörern das dargestellt und darauf hingewiesen, daß die Hasardspiel im Anschluß: DDR-Bevölkerung mit der Zweistaatentheorie nicht einverstanden sei, so teilt Kröber seinen »Er [Adenauer] marschiert starr weiter den Weg der Hörern mit: Verwirklichung der Pariser Verträge ( ... ). Es liegt auf der Hand, daß er sich durch eine solche sträfliche »Bulganin und Chruschtschow statteten der DDR ei­ Mißachtung des Willens der Mehrheit der Bevölke• nen Staatsbesuch ab und sprachen vor der Bevölke• rung immer mehr in die Isolierung begibt.« rung und mit der Bevölkerung über unsere Sorgen, über die Frage, wie man die Einheit Deutschlands Die eigene Position des DDR-Staates wird rhe­ wiederherstellen kann.« torisch gestarkt, indem Kröber die Position der Regierung mit der Volksmeinung gleichsetzt: Das damit verbundene Bild entspricht dem eines Freundes, der seinen engen Vertrauten besucht, »Die Deutsche Demokratische Republik ist eine Rea­ um mit ihm über seine Sorgen zu sprechen und lität, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Damit eine gemeinsame Lösung zu finden. Das Ge­ wäre nicht einer ihrer Bewohner einverstanden. Und sprach »mit der Bevölkerung« signalisiert die die Regierung dieses deutschen Staates, das hat Otto Gratewohl in seinen Beratungen mit den führen• Volksverbundenheit der Staatsmanner und ihr den Männern der Sowjetregierung wieder einmal vermeintlich ernsthaftes Interesse an der ge­ deutlich bewiesen, spricht im Namen ganz Deutsch­ meinsamen Problemlösung. Das Einvernehmen lands.« zwischen der DDR- und UdSSR-Regierung un­ terstreicht Kröber im anschließenden Satz: Anschließend verweist er auf Gesprache zwi­ schen DDR- und Sowjetregierung über in der »Herr Eisenhower fuhr sofort mit dem ganzen Geleit­ UdSSR inhaftierte ehemalige deutsche Kriegs­ zug seiner in Genf so unangenehm aufgefallenen Si­ gefangene. Diese Gesprache sind für Kröber cherheitsgarde nach Washington zurück.« Ausdruck dessen, »Wie souveran die Regierung Dies erweckt den Eindruck, als sei der US­ der DDR ist und welche Autoritat sie besitzt«. Prasident quasi geflüchtet, weil seine Politik ver­ Damit reagiert er auf die Nichtanerkennung der sagte; Staats- und Regierungschefs der UdSSR staatlichen Souveranitat der DDR durch die besuchten jedoch als Sieger der Viermachte­ Bundesrepublik und die damit verbundene Wei­ konferenz auf ihrer Rückreise in die Heimat den gerung, Verhandlungen auf Regierungsebene lieben Freund DDR: beider deutscher Staaten zu führen. Die de jure zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestatigte Sou­ »Offen und rückhaltlos, wie das Freunde zu tun pfle­ gen, legten sie uns die Schwierigkeiten dar, die sich veranitat der DDR durch den erst am 20. Sep­ eben durch die Banner Politik für die Wiedervereini­ tember 1955 geschlossenen ersten Staatsver­ gung ergeben haben.« trag mit der UdSSR wird dadurch ebenfalls im voraus gerechtfertigt. An dieser Stelle sei auf das den beiden Kom­ Den Abschluß des Kommentars bildet die mentaren vorangestellte Zitat hingewiesen, wo­ Darstellung eines angeblichen Chaos der Ban­ nach die Konferenz für alle Beteiligten ergeb­ ner Regierungspolitik und die aus den Genfer nislos blieb. Verhandlungen hervorgegangene gestarkte Po­ sition der DDR. Herbst: Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks 147

Die in der Genfer Direktive geforderten freien treter des alten harten Kurses der Stärke in Wahlen in Übereinstimmung mit den nationalen Sonn«. Interessen Deutschlands und der Europäischen Kennzeichnend für die Herausstellung der Sicherheit werden in Kröbers Kommentar gänz• angeblich stärkeren Position der DDR bei den lich ausgeklammert. Damit bezieht er eindeutig Genfer Verhandlungen ist die Zuweisung, daß parteipolitische Stellung. Es handelt sich im rhe­ sich die Bundesrepublik nun in einer Situation torischen Sinn um eine Ellipse, die der Straffung befände, mit der man nicht umgehen kann. Dazu des Inhalts dient, während semantisch das Aus­ gehören mehrmals wiederholte Substantive wie lassen dieser wichtigen Bedingung der Stärkung »Ratlosigkeit«, »Chaos«, »Durcheinander«. Das der eigenen Position durch Verschleierung der angebliche Scheitern der Bundesrepublik wird Tatsachen dient. beschrieben mit einer Konzeption, die »über den Haufen geworfen« wird, die westdeutschen Be­ obachter der Konferenz wurden behandelt wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede »Störende Fliegen«, die gesamte Situation ist der Kommentierung eine »peinliche Pleite«, Adenauer »sägt an dem Ast, auf dem er sitzt«, seine Spekulationen sind Charakteristisch für die Kommentierung des »wie eine Seifenblase zerplatzt«. Der invektive SFB ist die Nichtanerkennung und Diffamierung Gebrauch von Umgangssprache ist im Kom­ der DDR durch bestimmte Substantive. Teilt mentar des Berliner Rundfunks wesentlich höher man diese in Gruppen ein, so ergibt sich für den angesiedelt und als rhetorisches Mittel zur Her­ SFB-Kommentar folgendes: abwürdigung des Gegners zu sehen.25 - DDR als Staat = »Zone«, »Mitteldeutsch­ Militaristische Entlehnungen zur Charakteri­ land«, »Provisorium Pankow«, »Pankow«, »So­ sierung der Situation werden an verschiedenen wjetzone«, »Sowjetisierung in Mitteldeutsch­ Stellen eingesetzt. ln bezugauf den Westen sind land« sie negativ, auf den Osten positiv belegt. Die - DDR-Regierung = »Grotewohi-Regierung«, Banner Regierung »rasselt« demzufolge »mit »Pankower Regierung«, »SED-Prominenz«, den Säbeln«, Bann schickte die »ersten Offiziere »SED-Kreise« ins NATO-Hauptquartier« und will bald »die er­ - Berlin (Hauptstadt der DDR) = »Ostberlin«, sten Soldaten unter Waffen haben«. Die DDR »Ostberlin« - » Sitz der Grotewohi-Regierung« hingegen ist wider Erwarten kein »Schacherobe­ - Berlin (allg.) = »Unsere geteilte Stadt« rungsprojekt der Großmächte« und die neuen Die Genfer Verhandlungen werden als »Gen­ Angebote der Volkskammer sind »empfindliche fer Konzert« bezeichnet, Gratewohl ist »Vertre­ Waffen«. ter einer Diktatur«, Adenauer derjenige der »De­ Das wesentliche Kriterium beider Kommenta­ mokratie« . Als Vergleichsgrundlage für Vertreter re ist die Konfrontation mit dem jeweils anderen von Diktaturen dient Stalin (»der große Dikta­ deutschen Staat. Die Kommentare sind auf bei­ tor«). Bulganin und Chruschtschow werden zwar den Seiten geprägt von Schuldzuweisungen für von ihm distanziert dargestellt (»die neue Linie die Unmöglichkeit einer Wiedervereinigung, an der kollektiven Führung wird uns unverkennbar keiner Stelle wurde füreinander gesprochen. Die demonstriert«), aber ihr diktatorisches Wesen auf Konfrontation ausgerichtete Argumentation legen sie nicht ab und werden zu diesem Zweck ist bezeichnend für die gesamtdeutsche Politik in die Vergleichsnähe der NS-Diktatur gestellt des betreffenden Zeitraums. (»die Sowjetführer« ). Beim sprachlichen Vergleich stellt man fest, Die Kommentierung des Deutschlandsenders daß in der Argumentation mit ähnlichen rhetori­ resp. Berlin 1 und 2 spart im Gegensatz zum schen Mitteln gearbeitet wird, um die eigene Po­ SFB mit Metaphern für die Bundesrepublik als sition zu vertreten und die des anderen als die Staat, setzt aber für die Regierung der Bundes­ schwächere darzustellen. ln dieser Hinsicht republik Umschreibungen ein. Hierbei gilt zu be­ kommt die Rolle der gemeinsamen deutschen denken, daß in anderen Kommentaren des Muttersprache zur Geltung. Zusammengefaßt DDR-Rundfunks Diffamierung und Nichtanerken­ ergibt sich bei den in den Kommentaren enthal­ nung der Bundesrepublik mit Hilfe von Meta­ tenen rhetorischen Figuren: eine häufige Ver­ wendung von Metaphern und synonymen Meta- · phern oder synonymen Metonomasien durchaus 26 üblich waren, was im gegebenen Beispiel nicht nomasien bei den lexikalischen Figuren, der zum Tragen kommt. Vergleich dominiert bei den Figuren der Sinn­ - Bundesrepublik als Staat= »Bundesrepublik« verdeutlichung, während sich die Wiederholung - Regierung der Bundesrepublik = »Politiker als Figur der Ausdrucksverstärkung vor allem im am Rhein«, »Banner Politik«, »Dr. Adenauers Kommentar des Deutschlandsenders!Berlin 1 Entsandte«, »Herren vom westdeutschen For­ und 2 findet.27 schungsbeirat«, »Banner Durcheinander«, »Ver- 148 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Der Kommentar als Darstellung der Meinung Anmerkungen eines Journalisten mußte in der DDR mit der Auffassung der Partei konform gehen und ist Lynn Boyd HindsfTheodore Otto Windt: The cold daher nicht als individuelle Meinungsäußerung war as rhetoric. New York 1999, S. 1. zu werten. ln der Bundesrepublik hatte der 2 Kommentar jedoch diesen demokratischen Sta­ Hugo Moser: Sprachliche Folgen der politischen Teilung Deutschlands. Düsseldorf 1971, S. 37ff. tus, aber auch hier spiegelt sich die staatliche Moser verweist darauf, daß Termini aus der na­ Haltung der Bundesrepublik gegenüber der DDR tionalsozialistischen Sprache sowohl in der Bun­ in der politischen Haltung des Kommentators desrepublik wie in der DDR verwendet wurden. wider. Es wird ersichtlich, daß die staatlich gelenkte 3 Moser, ebd., sieht im häufigen Gebrauch von Argumentation an die Grenzen des zur Verfü• Fremdwörtern im offiziellen Sprachgebrauch der DDR eine Parallele zu der in Viktor Klemperers gung stehenden Sprachmaterials stieß und sich Lingua Tertiae lmperii dargestellten Analyse des auf den verstärkten Einsatz einzelner Kompo­ Fremdwortgebrauchs im Dritten Reich. Er stimmt nenten beschränkte. mit Klemperer überein, daß der bereits vorhande­ Der freie Kommentar des öffentlich-rechtli• ne Wortschatz des Kaiserreichs resp. der Weima­ chen Rundfunks stieß jedoch ebenfalls an Gren­ rer Republik mit einer neuen Semantik versehen zen: Neben dem gezielten Einsatz rhetorischer wurde. Figuren offenbart die nachträgliche sprachliche 4 Hinds/Windt: The cold war (wie Anm. 1), S. 8. Betrachtung die unbewußte Verwendung be­ stimmter Mittel. Das journalistische Tagesge­ 5 Viktor Klemperer: Lingua Tertii lmperii. Leipzig schäft war auch damals auf beiden Seiten von 1985, S. 21f: »Das Dritte Reich hat die wenigsten Schnellebigkeit geprägt, was die Verinnerlichung Worte seiner Sprache selbstschöpferisch geprägt, bestimmter Floskeln und die unbewußte Anrei­ vielleicht, wahrscheinlich sogar, gar keines. Die nazistische Sprache weist in vielem auf das Aus­ cherung des eigenen Wortschatzes mit ideologi­ land zurück, übernimmt das meiste andere von schen Stereotypen auf beiden Seiten förderte vorhitlerischem Deutschen.« Hinzu kommt, daß die konfrontative Argu­ mentation des DDR-Rundfunks, der seinen 6 Joseph M. Bochenski: Die zeitgenössischen »Gegner« stets »vom Sozialismus überzeugen« Denkmethoden. Tübingen 1986, S. 55f.: Die zwei wollte, kaum zu einer sachlichen, unparteiischen semantischen Funktionen des Zeichens. Reaktion führen konnte. 7 Vgl. dazu: Klaus-Dieter Altmeppen/Martin Löffel• ln den folgenden Jahren, mit der Zuspitzung holz: Zwischen Verlautbarungsorgan und >vierter der Konfrontation zwischen beiden deutschen Gewalt< - Strukturen, Abhängigkeiten und Per­ Staaten nach Chruschtschows Berlin-Uitimatum spektiven des politischen Journalismus. ln: Ulrich vom 27. November 1958, nahmen die Kom­ Sarcinelli (Hrsg.): Politikvermittlung und Demokra­ mentare beider Sender an Schärfe und die darin tie in der Mediengesellschaft Sonn 1998, S. 105f. enthaltenen gegenseitigen Schuldzuweisungen 8 Hermann Budzislawski: Sozialistische Journali­ erheblich zu, so daß man die hier betrachteten stik. Leipzig 1966, S. 212. Beispiele noch als vergleichsweise harmlos an­ 9 Ebd., S. 102. sehen kann. Bereits Mitte der 50er Jahre waren die staat­ 10 Ebd., S. 209. »So senden die westdeutschen Sta­ lichen Strukturen beider deutscher Staaten so tionen ( ... ) imperialistische Programme, die spezi­ weit verfestigt, daß eine Umkehr zu einer ge­ ell die Bevölkerung der DDR geistig vergiften soll. meinsamen Politik unmöglich war. Die Verkün• Wir erleben also eine permanente Schlacht im Äther, die den sozialistischen Journalisten zwingt, dung der Zweistaatentheorie Chruschtschows ausgezeichnet informiert zu sein und echten brachte die gegenseitige Argumentation auf die Kampfgeist zu zeigen.« Ebene des Status quo: auf der einen Seite die Absicherung der Bundesrepublik durch westliche 11 Vgl. Hermann Meyn: Massenmedien in der Bun­ Bündnispartner gegen die Einflußnahme der desrepublik Deutschland. Berlin 1994, S. 28-39. UdSSR, auf der anderen Seite die Konsolidie­ 12 Christian F. Ostermann: Amerikanische Propa­ rung und Absicherung der Einflußsphäre des ganda gegen die DDR. ln: Gerald Diesener/Rai­ Ostblocks unter der Führungsrolle der UdSSR. ner Gries (Hrsg.): Propaganda in Deutschland. Die schon von den Alliierten nach dem Darmstadt 1996, S. 115f. Der ostdeutschen Ein­ Zweiten Weltkrieg unterschiedlich konzipierten heitspropaganda wurde eine aktive Wiederverei­ Mediensysteme in Deutschland trugen ihren Teil nigungspolitik der Bundesrepublik entgegenge­ dazu bei. setzt, die seit Anfang der 50er Jahre von den USA forciert wurde. 13 Hans Louis Trefousse (Hrsg.): The Cold War- A Book of Documents. New York 1966, S. 194. Herbst: Rundfunkkommentare des Senders Freies Berlin und des Berliner Rundfunks 149

14 Hermann Weber (Hrsg.): DDR - Dokumente zur wird als Stilmittel der echten Tonverstärkung unter Geschichte der Deutschen Demokratischen Re­ Punkt a die Wortwiederholung ausdrücklich emp­ publik 1945-1985. München 1986, S. 217f. fohlen. Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, 15 Ostermann: Amerikanische Propaganda (wie DR 6 314. Anm. 12). Die Forderung nach freien gesamtdeut­ schen Wahlen war bereits 1950 zur Diskreditie­ rung der Volkskammerwahl propangandistisch im RIAS eingesetzt worden. 16 DRA Berlin: SFB-Depositum 4691/1 . 17 Dieser Anspruch wurde bereits vom NWDR-Berlin vertreten und vom SFB übernommen. Siehe dazu »25 Jahre Sender Freies Berlin - Dokumente zur Gründung«. [Berlin]1979, S. 8f.

18 Zum Vergleich von Kommunismus und National­ sozialismus: lmmanuel Geiss: Die Totalitarismen unseres Jahrhunderts. ln: Eckhard Jesse (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Sonn 1996, S. 160-176. 19 Ostermann: Amerikanische Propaganda (wie Anm . 12). Die fehlende demokratische Legitimie­ rung der DDR-Regierung geht auf die Erklärung der Alliierten Hohen Kommission vom 10.10.1949 zurück, daß die neugegründete DDR ein künstli• ches Geschöpf sei, dem eine legale Grundlage fehle.

20 DRA Berlin: SFB-Depositum 5831.

21 Am 14.9.1952 wurde der Berliner Rundfunk in drei zentrale Programme mit den Namen Berlin 1, 2 und 3 geteilt, deren Hauptgewichtungen in der Ausrichtung auf den Westen (Berlin 1), auf Wis­ senschaft und Kultur (Berlin 2) und auf leichter bzw. volkstümlicher Unterhaltung (Berlin 3) lagen. Am 6.6.1954 wurden die drei Programme dann in zwei (Berlin 1 und Berlin 2) überführt. Ab dem 11.9.1955 sendete der Berliner Rundfunk wieder unter seinem alten Namen mit zwei Programmen, das zweite wurde ab dem 2.2.1958 als Berliner Welle über UKW ausgestrahlt.

22 Vgl. DRA Berlin: Jahresbericht 1956 über die Ka­ derarbeit des Staatlichen Rundfunkkomitees. Rückwirkend für 1955 werden unter dem Kapitel Strukturänderungen neben der Bildung der drei Sender Radio DDR, Berliner Rundfunk und Deutschlandsender auch deren Trennung in drei Intendanzen und drei Chefredaktionen angeführt.

23 DRA Berlin KOM I 55/407.

24 Susanne Marten-Finis: Pressesprache zwischen Stalinismus und Demokratie. Tübingen 1994, S. 58f.

25 Vgl. Moser: Sprachliche Folgen (wie Anm. 2), S. 40. 26 Unter diesem Begriff kann man u.a. die Verwen­ dung von Euphemismen, Vulgarismen und Ar­ chaismen zusammenfassen, die in beiden Kom­ mentaren auftauchen. 27 Sprache und Stil II S. 81 . Zur Verbesserung der massenpolitischen Wirksamkeit des Rundfunks Miszellen

Hans Mahle (1911 - 1999) sten ab. Für ein Jahr leitete der erfahrene Rund­ funkmann dann das Zentrallaboratorium in Ber­ Hans Mahle, gestorben am 18. Mai 1999, war lin-Adlershof, wo die Grundlagen für den Aufbau der erste Nachkriegsintendant des Berliner des DDR-Fernsehens geschaffen wurden. Seine Rundfunks und von 1946 bis 1951 Generalin­ Rundfunklaufbahn endete 1952: Mahle wurde tendant der Rundfunksender in der sowjetischen »zur Bewährung« nach Schwerin geschickt, wo Besatzungszone. Schon in der NS-Zeit, während er zunächst als Verkäufer, später als Werbeleiter seines sowjetischen Exils, beim Rundfunk tätig, der Konsumgenossenschaft arbeitete. Von 1956 hat Mahle die deutsche Rundfunkgeschichte bis 1959 war er Chefredakteur des SED-Bezirks­ mitgeprägt organs >Schweriner Volkszeitung<. Der Berufung Am 22. September 1911 geboren in einer des SED-Politbüros folgend, übernahm Hans Hamburger Arbeiterfamilie - sein Vater kam als Mahle danach für über zwei Jahrzehnte, bis Kommunist im Februar 1945 im Konzentrati­ 1982, die Chefredaktion der SEW-Zeitung >Die onslager Buchenwald um - , betätigte sich Mahle Wahrheit< in (West)Berlin und war später auch schon als kaufmännischer Lehrling politisch: Be­ Mitglied im SEW-Parteivorstand. Auch nach der reits mit 17 Jahren war er Funktionär der kom­ Wende blieb er politisch aktiv- im POS-Verband munistischen Kinderorganisation , später des Berlin-Steglitz. kommunistischen Jugendverbandes. Anfang der Hans Mahle (eigentlich Heinrich Mahlmann), 30er Jahre arbeitete er im Internationalen Kin­ der seinen Decknamen aus der Illegalität auch derbüro der Komintern in Moskau und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg notariell beglaubigt nach der faschistischen Machtergreifung 1933 beibehielt, hat kein Mitläuferleben geführt. ln die nach Deutschland zurück. Bis 1935 war er füh• politischen Kämpfe dieses Jahrhunderts brachte rend im illegalen Widerstand des KPD-Jugend­ er sich ein und übernahm Verantwortung. Als verbandes und als Auslandskurier tätig . 1937 kommunistischer Funktionär verinnerlichte er die wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft ent­ geforderte, vom Stalinismus geprägte Parteidis­ zogen. Zu dieser Zeit befand sich Mahle bereits ziplin. Dennoch war er kein Apparatschik oder in der Emigration in der Sowjetunion, wo er u.a. Parteisoldat Von allen Zeitgenossen wird er als Jugendredakteur am Moskauer Rundfunk war, in unkonventionell, offen, kommunikativ und aufge­ der kommunistischen Jugendinternationale mit­ schlossen geschildert .. Noch in hohem Alter in arbeitete und die Jugendkommission des KPD­ den 90er Jahren war er gern auskunftsbereit Zentralkomitees leitete. Nach Beginn des deut­ über sein Leben, bekannte sich zu Fehlern und schen Angriffskrieges auf die Sowjetunion wurde zum Fehlverhalten seiner Partei, wobei er mit­ er Leiter des Geheimsenders Sturmadler, der unter stundenlang druckreif reden konnte und sich als Sprachrohr oppositioneller Hitlerjungen u.a. seine schon in den 30er Jahren begonnene verstand. Mahle war in dieser Zeit auch als Agi­ Intimfeindschaft mit Walter Ulbricht ausführlich tator in deutschen Kriegsgefangenenlagern ein­ darstellte. ln vertraulichen Personalcharakteristi­ gesetzt und gehörte 1943 zu den Gründungs• ken vom Ende der 40er Jahren kennzeichnete mitgliedern des Nationalkomitees Freies man Hans Mahle als »menschlich im Umgang Deutschland (NKFD). Beim kurz darauf instal­ mit seinen Mitarbeitern«, »beweglich und konzi­ lierten NKFD-Sender Freies Deutschland wurde liant«, aber »selbständiger politischer Analysen er stellvertretender Chefredakteur. und Entscheidungen nicht fähig«. Neu aufgefun­ Im April 1945 kehrte Hans Mahle mit der dene Dokumente aus dem Moskauer Komintern­ Gruppe Ulbricht nach Deutschland zurück und archiv belegen dagegen, daß er schon während wurde Intendant des Berliner Rundfunks. Er war seiner Tätigkeit in der kommunistischen Ju­ Mitunterzeichner des KPD-Neugründungsaufrufs gendbewegung eigenständige Meinungen vertrat vom 11. Juni 1945 und Mitglied des KPD/SED­ und pluralistische Konzepte entwickelte. ln sei­ Parteivorstandes - bis 1947. Seine Ende 1946 ner Amtszeit im SBZ-Rundfunk geriet er in den erfolgte Berufung zum Generalintendanten war Strudel der zunehmend auf Linie gebrachten eher eine Degradierung denn eine Beförderung. stalinistischen SED-Politik, die - vor dem Hin­ Mahle war fortan für Verwaltungsaufgaben und tergrund des Kalten Krieges - ein von überzo• den Aufbau des Sendernetzes in der sowjeti­ genen Sicherheitsbedürfnissen und Schwarz­ schen Besatzungszone (SBZ) zuständig, der po­ Weiß-Feindbildern geprägtes Personalkarussell litisch-inhaltliche Einfluß auf die Rundfunkpro­ in Gang setzte. Seinen unkonventionellen Um­ gramme wurde ihm weitestgehend entzogen. gang mit den Westalliierten und »mangelnde 1951 setzte ihn die SED auch von diesem Po- Wachsamkeit« warf ihm die berüchtigte SED­ Parteikontrollkommission vor. Nach der »Tau- Miszellen 151 wetter-Periode« Mitte der 50er Jahre rehabili­ Wenn ich als Direktor des Berliner Rundfunks tiert, allerdings wie damals üblich nicht öffentlich, heute das Wort ergreife, um dieses ersten Direktors hatte Mahle auch in seinen (West)Berliner Jah­ des Rundfunks zu gedenken, so tue ich es aus dem ren weitere Restriktionen seiner SED-Genossen Gefühl der Verpflichtung, das Vermächtnis dieses großen Mannes, getreu seinem Vorbild, zu überneh• aus dem Osten zu überstehen, wurde aber an­ men und wie er durch rastlose Arbeit dem Deutschen dererseits auch mit hohen staatlichen DDR-Aus­ Rundfunk zu dienen. zeichnungen bedacht. Seine schon 197 4 fertig­ Den Weg, den er mir und uns allen vorange­ gestellten Memoiren konnten in der DDR nicht schritten ist, wollen wir in dem selben Zielbewußtsein erscheinen und sind bis heute unveröffentlicht wieder neu beschreiten. Wollen seinen Weg fortset­ geblieben. zen, diesen Weg, den Verbrecher ihm damals ver­ Auch viele Details aus seiner frühen, gegen sperren konnten, so daß es für einen solchen Cha­ das nationalsozialistische Deutschland gerich­ rakter nur noch den Weg in den Freitod gab. teten Rundfunktätigkeit und aus der Phase sei­ Zu infernalisch, zu grausam war die Zeit der ver­ gangenen zwölf Jahre, zu schnell vergessen die ner Degradierung sind bis heute nicht hinrei­ Menschen in dieser nun verebbten Flut des Wahn­ chend aufgearbeitet. Eine systematische Durch­ sinns ein Menschenschicksal, auch wenn es das sicht entsprechender Dokumente aus Moskauer Schicksal eines Mannes wie Friedrich Georg Knöpf• oder Schweriner Archiven, aus der Stiftung Ar­ kes war. chiv der Parteien und Massenorganisationen der Wer auf exponiertem Posten steht, muß sich ge­ DDR im Bundesarchiv Berlin, wo sein Nachlaß fallen lassen, daß an ihn Stürme von Kritik, Mei­ Eingang gefunden hat, und aus dem Deutschen nungsäußerung, Zustimmung und Ablehnung bran­ Rundfunkarchiv Berlin steht noch aus. Sie den. Er darf Gefahren nicht ausweichen, indem er könnte eine differenzierte Beurteilung des Le­ nach allen Seiten paktiert, es jedem recht zu machen sucht. Wer an der Spitze eines großen Unterneh­ bens und Wirkens von Hans Mahle jenseits von mens steht, muß ein fester Wegweiser sein. Wer für leider noch immer gängigen Schwarz-Weiß• sein Werk dasteht, muß ein eindeutig, scharfes Profil Malereien über Persönlichkeiten aus der DDR zeigen . ermöglichen, die den komplizierten Bedingun­ Friedrich Georg Knöpfke wußte das. Wird heute gen, Zeitumständen und Zwängen gerecht wird, noch von der Berliner Funkstunde gesprochen, so denen ein Journalist wie Hans Mahle sich stellte: verbindet sich damit die Vorstellung der Anfänge des Ein Zeitgenosse dieses Jahrhunderts, dessen deutschen Rundfunks. Der Schöpfer diese heute Leben reich an Brüchen war, weil er nicht zur noch lebendigen Begriffes »Berliner Funk-Stunde« Kategorie der in Ost und West massenhaft ver­ war Knöpfke. Der ganze Aufbau aus dem Nichts, der ganze organisatorische und kaufmännische Komplex breiteten Mitläufer gehörte, ein Gestalter eines der ersten Berliner Sendesteile des Jahres 1923 Abschnitts der deutschen Mediengeschichte. ruhte auf seinen Schultern, wurde von ihm gemei­ lngrid Pietrzynski, Berlin stert. Ihm ist es zu verdanken, seiner Zähigkeit und seinem zielbewußten Streben, daß damals der Funk Dokument nicht in dem zähen Brei des Unverstandes für die Möglichkeiten dieser jungen Erfindung erstickte. Im­ Vortrag Hans Mahles über mer schritt er im Glauben an die Zukunft des Rund­ Friedrich Georg Knöpfke funks, allen Widerständen zum Trotz, als Pionier auf dem von ihm gewählten und als richtig erkannten Im DRA Berlin hat sich das Sendemanuskript Weg voran. Rundfunk ist nur berechtigt, wenn er dem eines Rundfunk-Vortrages vom September 1945 Augenblick eines lebendigen Heute dient, das sich erhalten, den Hans Mahle im Berliner Rundfunk nicht auf das Gestern beruft, sondern das Morgen hielt und der hier erstmals ediert wird: Eine Wür• erstrebt. Wandlungen zeugen für Lebendigkeit. Das hat Prof. Knöpfke erkannt und in seiner steten, treuen digung des ersten Direktors der Berliner Funk­ Arbeit verwirklicht. Seit der Geburtsstunde des Berli­ stunde Friedrich Georg Knöpfke, die Bezug ner Rundfunks hat er seines Amtes gewaltet, eines nimmt auf die Traditionen des deutschen Rund­ Amtes, das Verantwortung, Arbeit und Verpflichtung, funks und auch etwas aussagt über das Selbst­ nur immer neue Bürden diesem Manne brachte, des­ verständnis des erst wenige Monate im Inten­ sen Vermächtnis heute in einem neuen Deutschland dantenamt befindlichen Hans Mahle. in unsere Hände gelegt wurde. Was ist es, das einen Menschen seinem Beruf eignet? - Nicht allein Wis­ 14. September 1933- 14. September 1945. sen , Bildung und Urteilskraft, die Voraussetzungen Professor Friedrich Georg Knöpfke sind. Entscheidend ist immer nur dies: Ein wahrer ln­ stinkt für die Dinge. Instinkt besitzen heißt: Voraus­ Der neue »Berliner Rundfunk« gedenkt heute an dem setzungslos und ohne Vorbild das Richtige treffen. Tag, an dem vor 12 Jahren Prof. Friedrich Georg Das war Knöpfkes Begabung. Dieser Instinkt findet in Knöpfke am 14. September 1933 aus dem Leben, ruhiger, zielbewußter Energie seine Ausdrucksform. das Bestien in Menschengestalt zerstört hatten, Man kann nur Organisator sein, wenn man über Fin­ schied, eines Mannes, der als Schöpfer des deut­ gerspitzengefühl verfügt. Ein solcher Mann war schen Rundfunks heute wieder genannt werden Knöpfke. Seine Stirn versuchte nie eine Wand zu kann . 152 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

durchrennen, aber sie bestimmte, wo die Tür aufge­ aufgenommen wird, einer renommierten Institu­ macht wird. tion, aus der u.a. Gustaf Gründgens und zahlrei­ Zehn Jahre durfte Knöpfke so arbeiten, zehn Jah­ che Mitglieder des späteren WERAG-Hörspiel• re durfte er von Erfolg zu Erfolg schreiten. Dann kam ensembles hervorgegangen sind. Erste Enga­ das Schicksalsjahr Deutschlands 1933! Damit war das Urteil über einen Mann wie Knöpfke gesprochen. gements führen Eis Tintner an die Schauspiel­ Er mußte fallen und er fiel, fiel als einer der Ersten häuser Bremen und Osnabrück sowie an die dieser entsetzlichen unabsehbaren Reihe, die sich Rheinische Landesbühne in Düren. Hier lernt sie als blutige Bahn, Entsetzen und Verderben bringend, den als Bühnenbildner engagierten Osnabrücker durch Deutschland und Europa wälzen sollte zum Maler und Grafiker Friedrich Vordemberge Golgatha Deutschlands von 1945. (1897 - 1981) kennen. Nach der Heirat im Jahre August 1933 wurde der Propagandaprozeß gegen 1926 lassen sich Eis und Friedrich Vordemberge den sogenannten »Systemrundfunk« gestartet. Ver­ in Köln nieder. diente Männer wurden in Presse und Rundfunk mit Eis Vordemberges Hausfrauendasein währt unsagbarem Schmutz beworfen. Knöpfke wurde von jedoch nur kurze Zeit. Durch die Vermittlung von der Gestapo verhaftet. Selbst die Nazi-Justiz schreckte vor der Verurteilung einer derartigen Per­ Alexander Maass, einem Schauspielkollegen, sönlichkeit von Weltruf zurück. der bei der WERAG als Sprecher und Mitglied Knöpfke wurde in ein Krankenhaus entlassen. des Hörspielensembles beschäftigt ist, erhält sie Kaum genesen, erscheint die Gestapo, um ihn aus im Jahre 1927 zunächst als freie Mitarbeiterin dem Krankenhaus zu einer der bekannten und be­ Nebenrollen in Hörspielen, u.a. im ersten rüchtigten »kurzen« Vernehmung zu holen. Knöfke WERAG-Hörspiel, »Hanneles Himmelfahrt« von verschwindet, keine Dienststelle der Polizei weiß an­ Gerhart Hauptmann unter der Regie des Inten­ geblich, wohin er verschleppt wurde. Freunde finden danten Ernst Hardt. Auch in Produktionen für heraus, wo er ist. Durch ihren großen Einfluß be­ Kinder wie dem Vorweihnachtsspiel »Reise zu kommen sie ihn frei. Hadamowsky hatte ihn in das Konzentrationslager Kolumbia-Haus in Kreuzberg Knecht Rupprechts Werkstatt« nach dem Manu­ verschleppen lassen. Entlassen wird ein zu Tode skript von Josef Kandner oder »Beim Puppen­ gefoltertes und zerschlagenes Wrack, das einst Prof. doktor« von Anne Tölle-Honekamp ist Eis Vor­ Friedrich Georg Knöpfke war. Tage lag er bewußtlos demberge zu hören. im Krankenhaus. An dem Tag, an dem ärztliche Im entscheidenden Moment ihrer Karriere Kunst ihn dem Leben wiedergab, schleppt er sich in kommt ihr der Zufall zu Hilfe: seine nahe gelegene Wohnung . Noch einmal bäumt sich diese große Persönlichkeit zu einer letzten he­ »Der Sender beschäftigte damals auch eine junge roischen Handlung auf in diesem zerschlagenen und Frau, die ab und zu für die Kinder Märchen las. Als geschundenen Körper, dessen Seele und Geist ich plötzlich erfuhr, daß sie aufhören wolle, bin ich zu standhaft blieben, nicht zu brechen waren, als Miß• Hardt gegangen und habe ihn gefragt, ob ich das handlungen ihn zwingen sollten, seine Unterschrift nicht übernehmen könne. Er war sofort einverstan­ unter ein Geständnis zu setzen, das ihn und die an­ den.« deren leitenden Herren des Rundfunks belasten und Eis Vordemberge genügte es jedoch nicht, dem Henker ausliefern sollte. »Märchen vorzulesen«. Sie ließ die Märchen, Er selbst endet sein Leben, um nicht wieder in die Hand dieser Bestien zu fallen. sozusagen als Vorform des Kinderhörspiels, von Knöpfke starb, aber wir tragen das Vermächtnis Kindern mit verteilten Rollen spielen. Damit war dieses Mannes weiter in eine neue Zeit. Sein Leben, auch der erste Schritt zur Teilnahme von Kin­ seine Arbeit und sein Tod sind uns Verpflichtung. Uns dern an Sendungen für Kinder beschritten. Eis wird er Beispiel und Ansporn sein, der Gründer des Vordemberge brachte Bastei-, Mal- und Turn­ deutschen Rundfunks, Friedrich Georg Knöpfke. stunden ins Programm und besuchte zusammen mit Kindern den Kölner Zoo. Sie brachte auch das Kasperletheater in den Rundfunk und wird mit ihren Aktivitäten die Zustimmung ihres Inten­ Eis Vordemberge (1902 - 1999) danten Hardt gefunden haben, der Zielgruppen­ sendungen förderte und aufgesetzte »Kindge­ Wie erst drei Wochen nach ihrem Tod bekannt mäßheit« von Erwachsenen als »bronzierte tau­ wurde, ist Eis Vordemberge, die Gründerin des be Nüsse« - heute würde man es »fake« nen­ WERAG-Kinderfunks und langjährige Leiterin nen -Verspottete. des (N)WDR-Kinderfunks, am 25. Februar 1999 Im April 1933 wird Eis Vordemberge als Jü• in Köln im Alter von 96 Jahren gestorben. din zusammen mit zahlreichen anderen Kollegen Als Eis Tintner am 5. Juli 1902 in Wien gebo­ entlassen und erhält Hausverbot im Funkhaus ren, zieht sie mit der Familie 1911 nach Düssel• Dagobertstraße. Durch ihre Ehe mit Vordember­ dorf, wo sie nach Abschluß ihrer Schulausbil­ ge - jetzt ein »entarteter Künstler« - besitzt sie dung als Schülerin am Düsseldorfer Schauspiel­ nach den Nürnberger Rassegesetzen zunächst haus bei Louise Dumont und Gustav Lindemann den Status einer »privilegierten Mischehe«. Miszellen 153

Während des Krieges lebt das Ehepaar nach der bekanntester Schützling ist übrigens die Kölner Ausbombung der Kölner Wohnung in Bad Hon­ Schauspielerin Lotti Krekel - erhalten unbüro• nef am Rhein. Nach Erinnerungen ihres Bruders kratisch die Chance zum Mitsingen, Mitturnen Heinz Tintner, der dem letzten Düsseldorfer De­ oder zum Vortragen von Gedichten. Einzige portationszug im Jahre 1942 durch einen fin­ Voraussetzung ist, daß die Kinder frei und ohne gierten Selbstmordbrief entgeht, soll sie im Scheu sind, über eine deutliche Aussprache Herbst 1944 einen Hinweis auf ihre bevorste­ verfügen und gute Leistungen in der Schule er­ hende Deportation erhalten haben - bezeich­ bringen. Freilich beobachtete sie, daß zuweilen nenderweise vom Honnefer Polizeichef Grohe, die Ambitionen der Mütter größer waren als die einem Bruder des Kölner Gauleiters. Im Dezem­ der Kinder. »Wir sind ja kein Kindergarten«, ber 1944 taucht Eis Vordemberge bei den Kölner sagte sie einmal, »wenn selbst Dreijährige >an­ Brüdern Lorck unter, die sie zeitweise im Sani­ geboten< werden.« Starallüren bei Kindern tätsraum eines Luftschutzbunkers verstecken scheint sie mit natürlicher Autoritc;!t begegnet zu können. Im Januar 1945 erkrankt sie und wird sein. »Das wollen wir nicht, und wenn es mal von einem Rheinbreitbacher Ehepaar aufge­ vorkommen sollte, gewöhnen wir es ihnen nommen. schnell wieder ab.« Eine Journalistin, die eine Nach dem Ende des Krieges ist es wiederum Reportage über die Kinderfunkleiterin schreibt, Alexander Maass, der - als britischer Kontrollof­ stellt verblüfft fest, daß die zierliche, tempera­ fizier nach Deutschland zurückgekehrt - Eis mentvolle Eis Vordemberge mit der zarten Vordemberge gegen ihren anfänglichen Wider­ Stimme »vielleicht nicht gar so sanft [ist], wie stand ein zweites Mal für den Rundfunk gewin­ man sich das vorgestellt haben mag.« Jedenfalls nen kann. Im Frühjahr 1946 nimmt sie ihre Arbeit würden durch »kluge Diplomatie« Kinder »in ih­ als Kinderfunkredakteurin im Literary Depart­ rer Obhut zu Wachs, auch wenn es kleine Un­ ment im Funkhaus Dagobertstraße wieder auf. geheuer sind.« Intendant Max Burghardt würdigt in seinen Me­ 1964 geht Eis Vordemberge, die gegen Ende moiren Eis Vordemberge beim Wiederaufbau ihrer Amtszeit noch den Beginn des Kinderfern­ des Senders als »starke Stütze«. sehens mitbefördert, in den Ruhestand. Zusam­ Es gelingt ihr schon bald, an ihre erfolgreiche men mit ihrem Mann, der nach dem Krieg als Vorkriegsarbeit anzuknüpfen. Das äußerst be­ Leiter der Kölner Werkschulen und Träger des liebte Kinderfunkprogramm von Eis Vordember­ Großen Bundesverdienstkreuzes ein angesehe­ ge sieht Rätsel, Märchen, Kasperletheater, Lie­ ner Künstler ist, lebt sie am Kölner Hansaring. der, Malen, Basteln, Turnen, Bücherstunden und Rege bis ins hohe Alter, geht sie ihren Interes­ Kinderkarneval vor. Sendungen, an denen Kin­ sen - Kunst, Theater und Sport- nach und führt der teilnehmen, sind stets improvisiert, zu be­ ein gastfreies Haus. Friedrich Vordemberge er­ stimmten Anlässen wie Karneval oder Niko­ liegt im April 1981 einem Krebsleiden. laustag wird live gesendet. Sie kreiert die Sen­ Eis Vordemberge kommt nicht nur das Ver­ dereihe »Kinderkongreß«, die an jedem ersten dienst zu, den Kölner Kinderfunk in den 20er Freitag im Monat ausgestrahlt und ausschließ• Jahren begründet zu haben, sie hat auch den lich von Kindern bestritten wird. Den Vorsitz des Wiederaufbau des NWDR Köln nach dem Krieg »Kongresses«, der u.a. Vortrc;~ge mit Diskussio­ mitgestaltet und das Profil des (N)WDR-Kinder­ nen oder Buchbesprechungen durch »Annette funks maßgeblich bestimmt. Aufgrund ihres Bücherwurm« vorsieht, führt ein Kind, und Kin­ Temperaments und ihres natürlichen Talents im der sind Ansagerinnen und Ansager. Die Re­ Umgang mit Kindern war Eis Vordemberge eine dakteurin und der Regisseur Fritz-Peter Vary beliebte und populare Redakteurin. »Wer sie an­ sind als »Ehrenmitglieder« zugelassen. schaut oder mit ihr ins Gesprach kommt und Nach dem Geheimnis ihres Erfolgs und ihrer nicht vergnügt wird«, schrieb eine Journalist »Methode« befragt, gibt Eis Vordemberge an, über sie, »gehört ins Museum«. keine zu haben: »Sie nennt selbst ihr System Birgit Bernard, Köln gar kein System. Das komme eben von selbst. Sie mag Kinder, und sie nimmt sie ernst. Viel­ leicht deshalb.« Die Kinderfunkleiterin, selbst kinderlos, will ihnen »Mut zum Spielen und zum »Bambule« Reden« machen, sie ermuntert und gewährt Zur Absetzung eines Fernsehspiels (1970)* Raum für Improvisation. Zu ihren Vorstellungen von Authentizität und Spontaneitat gehört es, Untersuchungen zur programmpolitischen Hal­ aus vorproduzierten Sendungen niemals etwas tung einer Rundfunkanstalt stehen vor hohen herauszuschneiden, weder Versprecher noch methodischen Hürden. Sobald die Absetzung Husten oder Stottern. Ein »Casting« für den Kin­ eines 45-minütigen Beitrages als Paradebeispiel derfunk lehnt sie ab. Interessierte Kinder - ihr für die repressive Einstellung eines Senders an- 154 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

geführt wird, unterschlägt man die programmpo­ 1970 abgesetzt, nachdem der Verdacht aufge­ litischen Entscheidungen, die beispielsweise den kommen war, daß Meinhof am Ausbruch des übrigen 44 726 Sendeminuten zugrundelagen, wegen Brandstiftung inhaftierten Andreas Baa­ die der Südwestfunk (SWF) allein im Jahr 1977 der aus dem Deutschen Zentralinstitut für So­ im Fernsehen ausstrahlte. Eine »Gesamtdar­ ziale Fragen beteiligt sein könnte. Meinhof hatte stellung« aller ausgestrahlten Beiträge ist nicht sich mit Baader in dem Institut getroffen, um für möglich; eine mit den Sendungen anderer Rund­ ein gemeinsames Buch über die »Organisation funkanstalten vergleichende Inhaltsanalyse aus­ randständiger Jugendlicher« zu recherchieren. gewählter Beiträge erfordert einen enormen in­ Während der Flucht aus dem Institut wurden strumentellen Aufwand, ohne daß die erzielten zwei Justizbeamte verletzt, ein Angestellter Resultate überzeugen können. Den Produktions­ schwebte nach einem Lebersteckschuß in Le­ und Abnahmeprozeß erfassen sie nicht - abge­ bensgefahr. Als dem SWF-Intendanten Helmut setzte Sendungen können nicht analysiert wer­ Hammerschmidt der Ausbruch gemeldet worden den. Die Akten- und Literaturrecherche wieder­ war, ließ er alle Produktionen im SWF stoppen, um kann informelle Einflußnahmen über das an denen Ulrike Meinhof beteiligt war. Telefon oder »persönliche Gespräche« nur indi­ Wie keine zweite Autorin entsprach Ulrike rekt rekonstruieren, indem die Bedingungen er­ Meinhof der Sehnsucht des linken Establish­ örtert werden, die einer Entscheidung zugrun­ ments, den »Stummen eine Stimme« zu geben delagen. in den von Parteien, Wirtschaft und Verbänden Wer auf die Darstellung programmpolitischer beherrschten Medien. Bundesweite Popularität Kontroversen nicht verzichten möchte, muß sich hatte sie 1961 mit einem Kommentar für die lin­ einschränken. Rekonstruierbar sind Debatten, ke Zeitschrift >Konkret< gewonnen, in dem sie die eine Signalwirkung für die redaktionellen festgestellt hatte: »Wie wir unsere Eitern nach Mitarbeiter in Hörfunk und Fernsehen hatten, die Hitler fragen, werden wir eines Tages nach Planung ihrer täglichen Arbeit beeinflussen Herrn Strauß gefragt werden.« Im daran an­ konnten. Dieser Ansatz geht von den Ergebnis­ schließenden Prozeß wurde sie erfolgreich vom sen organisationssoziologischer Studien aus späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann den 70er Jahren aus, nach denen Rundfunk­ verteidigt. Für den Rundfunk hatte Meinhof seit journalisten der Behandlung kritischer Themen 1964 Hörfunk-Features zum Schicksal von auswichen, falls Auseinandersetzungen mit den Heimkindern, zur Situation arbeitender, alleiner­ Gremien oder der Hierarchie einer Rundfunkan­ ziehender Mütter in der Bundesrepublik, zum stalt drohten. Erfahrene Sanktionen oder Kon­ Umgang mit Arbeitsunfällen in der Industrie und troversen führten diesen Studien zufolge redak­ zu den Problemen ausländischer Arbeitnehmer tionsintern zur Bildung »legendärer« Traditionen in der Bundesrepublik geschrieben. Die Abset­ und setzten »Orientierungsmarken, die dann zung von »Bambule«, ihres Fernsehspiels über eher unter- als überschritten« wurden. die Zustände in einem Heim für schwererziehba­ Heikle Themen wurden danach durchaus re Mädchen, erhärtete den Verdacht linker Me­ noch aufgegriffen, doch unter Verwendung the­ dienkritiker, daß die Massenmedien ausschließ• menspezifischer Konfliktvermeidungsstrategien, lich der Stabilisierung der Bourgeoisie in der die späteren Protesten vorbeugen sollten. Zu Bundesrepublik dienten. Noch am Tag der Ab­ solchen Strategien zählte die Konsultation ver­ setzung beschwerten sich Zuschauer in sponta­ meintlich »unanfechtbarer« Experten zu einem nen Telefonaten beim SWF; in den folgenden Thema, die proportioniert vorgetragenen Stel­ Tagen verwahrten sich 101 Briefautoren gegen lungnahmen von Vertretern konträrer Auffassun­ Bevormundung und Entmündigung durch die gen bei gleichzeitiger Abstinenz des Modera­ Rundfunkanstalt. tors/Redakteurs von jeglichem Kommentar oder Mit dem SWF-Intendanten Helmut Hammer­ die Bevorzugung von Themen mit unterhalten­ schmidt, der die Absetzung verfügt hatte, teilte dem Charakter. Die »Schere im Kopf« wurde Ulrike Meinhof eine verblüffende Gemeinsam­ das Symbol einer Selbstzensur in den 70er und keit. Seide hatten in den 60er Jahren die Karrie­ 80er Jahren, die weniger durch konkrete Inter­ ren ehemaliger Nazis in Verwaltungen, Firmen ventionen staatlicher, politischer oder gesell­ und Behörden in ihrer journalistischen Arbeit an­ schaftlicher Gruppen hervorgerufen wurde, als gegriffen. Anders als bei der ehemaligen Theo­ durch »freiwillige Verzichtshaltung im lnnern« logiestudentin Meinhof entsprang dieses Enga­ (Joachim Fest). gement bei Hammerschmidt seiner persönlichen Wie weit eine Akten- und Literaturrecherche Biographie. Nach den Nürnberger Rassegeset­ auf Grundlage dieses Ansatzes reicht, soll am zen war Hammerschmidt im Dritten Reich ein Beispiel der Absetzung des Fernsehspiels religionsloser »Mischling ersten Grades«. Wäh• »Bambule« von Ulrike Meinhof erörtert werden. rend er bei einer Berliner Arzneimittelfirma un­ Der SWF hatte das Fernsehspiel am 24. Mai tertauchen und überleben konnte, wurden 23 Miszellen 155

Familienangehörige in Konzentrationslagern er­ grammgestaltung nach pluralistischen Maßstä• mordet, unter ihnen sein jüdischer Vater und ben stellte für ihn außerdem die wichtigste Legi­ dessen vier Geschwister. Nach dem Krieg be­ timation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gann Hammerschmidt beim Bayerischen Rund­ dar, falls das Monopol durch Kabel- und Digitali­ funk (BR) als politischer Redakteur. Nach einer sierungstechniken einmal fallen sollte. Zwischenstation als Banner Korrespondent des Meinhofs Feature widersprachen darüber hi­ Süddeutschen Rundfunks wurde er 1965 von naus Hammerschmidts Vorstellungen von einem der CDU und der konservativen Mehrheit der »ausgewogenen« Journalismus. Sie erörterte gesellschaftlichen Gruppen im Rundfunk- und nicht alle relevanten Fakten, Indizien, Argu­ Verwaltungsrat zum lndendanten des SWF ge­ mente und Meinungen in ein- und demselben wählt. Beitrag, sondern ergriff Partei für die jeweilige Intern stellte Hammerschmidt gegenüber Minderheit, deren Probleme geschildert wurden dem Justitiar des Senders fest, daß die Frage -im Falle von »Bambule« die der Mädchen, die der Ausstrahlung oder Absetzung des Fernseh­ im Heim ausgenutzt statt ausgebildet wurden. spiels »eine rein politische Entscheidung« sei. Den Fernsehzuschauern sprach Hammer­ Er würde auch keine vertretbaren oder harmlo­ schmidt die politische Reife ab, um solche Par­ sen Sendungen von Autoren annehmen, die in teinahmen erkennen und einordnen zu können. rechtsradikalen Publikationen einen gesetz- oder Mal auf 60, mal auf 95 Prozent schätzte er den verfasswungswidrigen Standpunkt einnähmen. Anteil jener Zuschauer, die aus Mangel an Bil­ Das gleiche gelte für Autoren, die in anderen dung und Erfahrung nicht wüßten, was eine Tat­ Publikationen unabänderliche Grundlagen der sache sei. Als sich ein Beschwerdeführer auf Verfassung leugneten, wie zum Beispiel die al­ seine Rolle als »mündiger Bürger« berief, lehnte leinige Möglichkeit verfassungsrechtlicher Ände­ Hammerschmidt eine Orientierung an dieser rungen auf dem Wege der parlamentarischen Vorstellung ab: »Mit dieser Begründung könnte Demokratie. Als Mitglieder des SWF-Fernseh­ man jeglichen Beitrag, ganz gleich welchen In­ ausschusses die Absetzung kritisierten, hielt halts und welcher Form, zur Sendung zulas­ Hammerschmidt an dieser Meinung fest und wä• sen.« Dagegen schrieben die Rundfunkgesetze re dafür auch zurückgetreten. Bis zum Ende sei­ »mit vollem Recht« die Beachtung bestimmter ner Amtszeit 1977 hatte er »Bambule« nicht ein Grundsätze, Regeln und Grenzen bindend vor. einziges Mal gesehen. Diese Haltung basierte ebenfalls auf biogra­ Hammerschmidts interne Erörterungen flos­ phischen Erfahrungen. Als der BR 1954 die sen nahezu wörtlich in seinen »Richtlinienent­ Übertragung einer Rede zum Sieg der deut­ wurf für die politische Programmarbeit« ein, das schen Fußball-Nationalmannschaft in der Welt­ sogenannte »Hammerschmidt-Papier«. Seine meisterschaft abbrach, in der es von chauvinisti­ darin ebenfalls erhobene Forderung nach Aus­ schen, nationalistischen Begriffen nur so wim­ gewogenheit in jeder einzelnen Fernsehsendung melte, hagelte es Proteste gegen diese Ent­ stempelten ihn zum Paradebeispiel eines Hier­ scheidung. Zustimmende Post traf erst ein, als archen, der angesichts von Studentenunruhen seine Entscheidung in einem späteren Kom­ und Demokratieforderungen um seine Macht mentar begründete: »Man muß noch zuvielen fürchtet. Das Papier hatte Konsequenzen. ln ab­ Menschen sagen, woran sie bei solchen Gele­ gemilderter Form fand es Eingang in die genheiten denken sollen, ( ... ), von selbst erken­ »Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD­ nen sie das auch heute noch nicht.« Wie könne Gemeinschaftsprogramm Deutsches Fernse­ man also diesen Teil des Volkes zum Wächter hen« - Grundsätze, die in überarbeiteter Fas­ seiner eigenen Freiheiten machen, diesen Teil, sung noch heute gültig sind. der noch immer nicht kritisch sein wolle und den Die Studentenbewegung stufte Hammer­ man wahrscheinlich zum Ungehorsam erst ab­ schmidt tatsächlich als außerordentliche Bedro­ kommandieren müsse. hung ein. Auf der Straße skandierte politische Der Intendant des SWF war auch nicht bereit, Forderungen erinnerten ihn an die Anfänge des die Sendung freizugeben, als die erste Terrori­ braunen Terrors, der seine Familie das Leben stengeneration 1973 komplett verhaftet worden gekostet hatte - für ihn war es »roter Faschis­ war. Zu diesem Zeitpunkt hätte »Bambule« zur mus«. Ulrike Meinhofs Schritt in die Gewalt Aufklärung über die Wurzeln des Terrorismus paßte in dieses Bedrohungsszenario. Wer beitragen können: Den spontanen Widerstand, konnte schon wissen, wann die Medien wieder die »Bambule« der Heimkinder, hielten die füh• einmal »gleichgeschaltet« würden? ln Vorträgen renden Köpfe der Roten Armee Fraktion für ein und Aufsätzen verteidigte er seinen journalisti­ Potential, das zur Umwälzung der Gesellschaft schen Regelkatalog als eine Form von Eigen­ hätte eingesetzt werden können. Doch die Fern­ verantwortung, die ergriffen werden müsse, be­ sehdirekteren Hans-Joachim Lange und Dieter vor sie von außen verordnet würde. Die Pro- Stolte plädierten vergebens für eine Ausstrah- 156 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) lung. Mit seiner kompromißlosen Haltung kam Drittes Forum Medienrezeption Hammerschmidt in den 70er Jahren der Forde­ »Information und lnformationsnutzung« rung der CDU/CSU nach »klarer und eindeutiger Haltung« politischer Führungspositionen z~r »Information und lnformationsnutzung« - als Frage der Terrorismusbek~mpfung nach. D1e klassisches Angebot der »alten« Medien Presse, Genehmigung, das Fernsehspiel auszustrahlen, Buch und Rundfunk pr~sentiert und vermittels h~tte den von der CDU getragenen Intendanten der Digitalmedien in überreichem Maße inzwi­ in den damals h~ufig erhobenen Verdacht des schen angeboten - das war der Gegenstand der »Sympathisantentums« gebracht. dritten Tagung zu Fragen der Medienrezeption, Die geforderte »klare Haltung« bezog au~h die von der Medienforschung des SWR mit zahl­ die Medien ein. Im September 1972 hob d1e reichen Kooperationspartnern am 26. und 27. CDU in einer Erkl~rung hervor, daß die Mitar­ M~rz 1999 in Mainz veranstaltet wurde. Positio­ beiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkan­ nen zur Informationsgesellschaft formulierten in stalten zur absoluten Verfassungstreue ver­ einem ersten Themenblock nach einem Gruß• pflichtet seien. Intendanten und Gremien wurden wort des Mainzer Oberbürgermeisters, Jens aufgefordert, die in Gesetzen und Vertr~gen Beutel, und des Landesfunkhausdirektors Rhein­ vorgesehenen Sanktionsmittel voll auszuschöp• land Pfalz, Ulrich Rosenbaum, der Direktor der fen, falls sich in den Rundfunkanstalten der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfa­ Bundesrepublik an den Normen des Grundge­ len Norbert Schneider, und der Ministerpr~si­ setzes rüttelnde radikale Tendenzen breit ma­ de~t des Saarlandes, Reinhard Klimmt, die in chen sollten. ihren Vortr~gen jeweils von der rasant gestei­ Inwieweit der SWF in seinen Beitr~gendieser gerten Fülle des Angebots ausgingen. Norbert Aufforderung tats~chlich nachkam, kann zuver­ Schneider skizzierte - schwankend zwischen l~ssig nur mit einer vergleichenden Inhaltsanaly­ Resignation und Spott - eingangs ein »Szenario se zur Berichterstattung über die terroristischen des Grenzenlosen«: Neben den klassischen Anschl~ge, die Initiativen der CDU/CSU auf dem Medien gebe es die strukturell sich ohne Halt Gebiet der »inneren Sicherheit«, den Hunger­ ausdehnende Welt des Multimedia und die in streik inhaftierter RAF-Mitglieder und den Pro­ diesem Zusammenhang sich rasch wandelnden zeß in Stammheim gekl~rt werden - die Akten­ Bedingungen im Bereich der Medientechnik in~­ und Literaturrecherche stößt hier an ihre Gren­ gesamt. ln Wechselbeziehung dazu stehe ~1e zen. Einen Hinweis auf die Haltung des SWF inzwischen gigantisch zu nennende Kommerzla­ erlaubt eine Dienstanweisung des Intendanten, lisierung im Bereich Kommunikation und Medi­ in der den Programmitarbeitern die Verwendung en. Es verwischten sich die früheren Grenzen des Begriffes »Baader-Meinhof-Gruppe« in der auf allen Sektoren, ob bei den Eigentümern, den Berichterstattung untersagt wurde. Der Intendant technischen Konfigurationen, bei dem, was als kam damit einer Aufforderung des rheinland­ »Programm« bezeichnet werden kann, und in­ pf~lzischen Innenministers Heinz Schwarz zwischen auch hinsichtlich der sogenannten (CDU) nach, der den Begriff Baader-Meinhof­ »Benutzeroberfl~che«. Dennoch seien die Ziele »Gruppe« als Verharmlosung terroristischer Ak­ der Medienaufsicht relativ stabil geblieben. Nach tivit~ten und als gef~hrliche Verwischung der wie vor müßten Meinungsmonopole (auch der Grenzen zwischen politisch legalem Handeln Hersteller von Webseiten und Anbietern von und Kriminalit~t bezeichnete. Der Protest von 30 Suchmaschinen beispielsweise) verhindert, Hörfunk- und Fernsehredakteuren gegen die Qualit~tsstandards - was immer das im einzel­ Anweisung führte zu einem Begriffskanon, an nen sein kann -gesichert und Verantwortung für den sich die Programmitarbeiter zu halten hat­ Minderj~hrige wahrgenommen werden. Unter ten falls sie Auseinandersetzungen mit der diesen Voraussetzungen könne ein Ziel der Me­ Hie,rarchie aus dem Wege gehen wollten. dienaufsicht sein, bestimmte Probleme erst gar Stephan Rechlin, Vlotho nicht entstehen zu lassen, etwa durch St~rkung der Kompetenz die nachwachsenden Medien­ * Dieser Beitrag basiert auf der Dissertation Rund­ nutzer besser auf das vorzubereiten, was sie in funk und Machtwechsel, die in Kürze in der SWR­ Schriftenreihe zur Rundfunkgeschichte erschei­ der »schönen, neuen Medienwelt« erwarte. nen wird. Aus der Sicht des Politikers, der unter den von ihm positiver betrachteten obwaltenden Be­ dingungen und Voraussetzungen sowohl den hoheitlichen Anspruch des Staates und ganz offensichtlich auch den politischen Gestaltungs­ willen für sich reklamierte, wiederholte Reinhard Klimmt, auch in seiner Eigenschaft als Vorsit- Miszellen 157 zender der Rundfunkkommission beim Partei­ globalisierten Maßstab gebe, suchten Jürgen vorstand der SPD, einige der auch von Schnei­ Hippier (Zeitungs Marketing Gesellschaft, Frank­ der angesprochenen, sich stetig verkomplizie­ furt am Main) und Mitarbeiter seines Instituts auf renden Grundvoraussetzungen. Er erinnerte an der Basis einer im Frühjahr 1998 durchgeführ• Ziele wie die, die politische Partizipation trotz ten, größer angelegten Befragung festzustellen. veranderter Kommunikationsstrukturen zu ge­ Sie ermittelten, daß eine dramatische Abkehr währleisten, den Zugang zu öffentlichen Ereig­ des Interesses an Informationen aus dem Re­ nissen im Free TV zu sichern und das Verständ• gionalen - wichtig für Tageszeitungen und be­ nis von »Grundversorgung« weder in der Theo­ stimmte Formen des Rundfunkangebots - selbst rie noch in der Praxis auf eine Mindestversor­ bei Jugendlichen noch nicht eindeutig erkenn­ gung zu reduzieren und gesellschaftliche Inte­ bar, jedoch »Abschleifspuren« nicht zu überse• gration gegen den Trend zur Individualisierung hen sind . Wichtig sei jedoch, daß Freizeit und all und Fragmentierung zu erhalten. Ihm war sehr das, was vor der Haustür stattfinde, von den an einer vernünftigen Grenze zwischen notwen­ Medien wahrgenommen werde. Zunehmend diger Normung und dem freien Spiel der Kratte werde auch die Verbindung von »Bildung« und gelegen; er wies auf die Notwendigkeit hin, die Mediensystem bei jungen Leuten wichtig, da Kompetenzen zwischen Europäischer Union und dies ihnen ermögliche, beruflich weiterzukom­ Bund sowie zwischen Bund und Landern abzu­ men. grenzen, und dies auf dem Hintergrund einer Für die elektronischen Medien, für das Fern­ supranationalen Entwicklung von Information sehen machte SWR-Medienforscher Walter und Kommunikation, die die nationalen Grenzen Klingler (Baden-Baden) einen Statusbericht über faktisch überschritten. Wie Maßnahmen dazu im Angebot und Nutzung und prasentierte eine Zu­ einzelnen aussehen sollten und wie konkrete kunftsprognose. Ausgehend vom derzeitigen Schritte unternommen werden könnten, sagte er Informationsangebot in den elektronischen Me­ nicht. dien und in der Tageszeitung und ihrer unter­ Aspekte der »Kontinuität« im raschen »Wan­ schiedlichen Nutzung könne etwa 2005 unter del« der Informationsgesellschaft bot der The­ den Bedingungen der Online-Kommunikation menblock II, den Jürgen Wilke (Institut für Publi­ davon ausgegangen werden, daß bei der dann zistik, Universität Mainz) mit einer Retrospektive vielen möglichen jederzeitigen Abrufbarkeit von auf das eröffnete, was seit etwa 300 bis 400 Information bei den »klassischen« Massenmedi­ Jahren als Zusammenspiel der beiden Faktoren en ein allerdings nach den bisherigen Erkennt­ Produktion und Rezeption in einer immer starker nissen nicht dramatischer Rückgang der Nut­ von Informationsvermittlung gepragten Gesell­ zung eintreten werde. Je mehr Quellen zur Ver­ schaft ausmacht. Hinsichtlich der Informations­ fügung stünden, desto wichtiger werde - und verbreitung und der Informationsnutzung hatten dies sagte er mit Blick auf Programmstrategien sich einerseits bestimmte Problemstellungen er­ und das gesamte institutionelle Umfeld - die staunlich wenig verandert, andererseits sei je­ Glaubwürdigkeit der Information. doch der seit dem Aufkommen der ersten »Zei­ Oscar W. Gabriel (Institut für Politikwissen­ tungen« am Beginn des 17. Jahrhunderts einge­ schaft, Universitat Stuttgart) listete die vielfalti­ tretene Wandel unübersehbar. Dies faßte er in gen Variablen auf, die aus einer empirisch­ seinen am Schluß seines Vortrags vorgetrage­ sozialwissenschaftliehen Sehweise den Zusam­ nen Trends der Informationsvermittlung durch menhang von Mediennutzung, politischem Inter­ die klassischen Medien zusammen: 1. Es gebe esse und Partizipation belegen sollten. Doch eine Entwicklung hin von der Exklusivität des nach Vorstellung und Analyse von entsprechen­ Zugangs zu den Informationsmedien hin zur den Zeitreihen stellte er fest, daß eigentlich nur massenhaften Nutzung, 2. vom Mangel an In­ ein schwach ausgepragter Einfluß zu erkennen formationen zum Überfluß bzw. Überangebot mit sei. Es fehle an entsprechend umfangreichen - allen Folgen, die bei der für die Vermittlung not­ auch in Bezug auf die Zeitreihen gesehen - For­ wendigen Selektion aufträten, 3. von einer weit­ schungen. Immerhin könne soviel gesagt wer­ gehend extensiven, d.h. sich auf wenige Texte den, daß Mediennutzung als Katalysator des po­ konzentrierenden, haufig in Gesellschaft mit an­ litischen Interesses wirke. deren praktizierten Nutzung des vergleichsweise Es war eine gewisse Schwache dieses allzu schmalen Angebots zum intensiven aber weit­ disparat aufgebauten Blocks, daß er einerseits gehend individuellen Gebrauch von Zeitungen das Problem der Informationsrezeption über aber auch dem Angebot der elektronischen Me­ quantitative Nutzungsdaten hinaus nicht weiter dien. thematisierte und andererseits dem für die ge­ Ob es möglicherweise einen kurzfristig ein­ samte Entwicklung entscheidenden Zusammen­ getretenen bzw. zu erwartenden Wandel im Re­ spiel von Angebot, Interesse und Nutzung nicht zeptionsverhalten angesichts eines Angebots im auf der Spur blieb. So ließen sich von hier aus 158 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) auch kaum Erkenntnisse und Fragen in den Verhältnis von Politik und Medien ein. Die schon Themenblock 111: »lnformationsdesign« hinüber• seit langem immer wieder apostrophierte »Medi­ nehmen. endemokratie« (dafür seien im übrigen die USA Einerseits war es interessant, die Cheflay­ auf dem Hintergrund anderer politischer Institu­ outer bzw. Designer eines bedeutenden Print­ tionen weder Ideal noch Beispiel für kommende mediums, >Der Spiegel<, und des ZDF aus der Entwicklungen in Deutschland und Europa) im Werkstatt plaudern zu hören und auch den Verhältnis zur Parteiendemokratie, sah Sarcinelli Ausführungen von Helmut Stümpert (Firma Heu­ mit dem Regierungswechsel vom vergangenen reka GmbH, Garbsen bei Hannover) zuzuhören, Herbst als eine Systemveränderung auf dem der sehr systematisch und auch in einigen Weg in eine spezifische, europäische Form der knappen historischen Exkursen einen Überblick ersteren, ohne daß der Part der anderen völlig über die gegenwärtig gängigen Formen »akusti­ aufgegeben worden sei. Das »System Kohl« schen Designs« mit prägnanten Tonbeispielen könne noch als Ausläufer der Parteiendemokra­ gab. Er lieferte z.B. Erklärungen für die heutige tie gelten, als Politikvermittlung in hohem Maße Praxis des »Audiodesign«, Informationssendun­ durch die Parteigliederungen. Der Wahlkampf gen bzw. Teile von ihnen durchgängig mit Musik der SPD habe sich den veränderten Erwartun­ zu unterlegen. Man konnte wohl von den Prakti­ gen/ Einstellungen der Bevölkerung (»Was kern kaum erwarten, daß sie elaborierte Kon­ bringt mir das Engagement«, es gebe keine zepte über die Wechselwirkung von Rezipien­ Daueridentifikation mit politischen Zielen) sowie tenerwartungen an die »Verpackung« von Tex­ auch der veränderten Mediensituation mit dem ten oder die Studioausstattung systematisch auf Rückzug des gemeinwohlorientierten Rundfunks den Punkt brächten: aber auch Andreas Henrich angepaßt: Indizien dafür seien u.a. der ver­ (Kunsthochschule für Medien, Köln) gelang es stärkte Einsatz von Kampagnen, eine weitaus nicht, Substantielleres dazu zu sagen, warum größere Personalisierung als früher. welche Formen der visuellen Ausgestaltung ein­ Bringen Parteien- und/oder Mediendemokra­ ander ablösten. Er sprach lediglich davon, daß tie den »Politischen Journalismus in die Krise?« eine Veränderung der Präsentationsformen das Über dieses alte und doch ewig neuen Zündstoff sich wandelnde Wahrnehmungsbedürfnis der liefernde Thema debattierten in der abschlie­ Zuschauer widerspiegelten. ßenden Podiumsdiskussion mit dem Politikwis­ Der zweite Tag der Tagung wurde eröffnet senschaftler, dem durch seine Kritik an den durch ein sehr engagiertes Statement des Vor­ durch die Medien vorgenommenen Thematisie­ sitzenden der Stiftung Lesen, Klaus Ring rungen während des letzten Bundestagswahl­ (Mainz). Ausgehend von dem in den Vorträgen kampfs hervorgetretenen SPD-Abgeordnete Al­ oft angesprochenen Überangebot an Information brecht Müller und die auf langjährige Praxis zu­ vertrat er die These, daß geübte Leser am ehe­ rückblickenden politischen Journalisten Willi sten in der Lage seien zu selektieren. Auch müs• Steul (Stuttgart) und Wolfgang Klein (Berlin) - se mehr dafür getan werden, daß die »Wissens­ die Moderation hatte Michel Friedman (Frankfurt illusion« -wie er es nannte -, die die Bilder des am Main). Zum wiederholten Male wurde in zahl­ Fernsehens suggerierten, durchbrechen werde. reichen, immer wieder neu desillusionierenden Der Kölner Literaturwissenschaftler und Le­ Beispielen aus jüngerer Zeit darauf hingewiesen, seforscher Erich Schön erinnerte in seinem Vor­ wie parteipolitische und die ganz »normalen« trag mit teilweise überraschenden wie provozie­ Zwänge des Alltags medialer Präsentation von renden Beispielen daran, daß auch die Aufnah­ politischer Information zu Verzerrungen führen me von »Informationen« im weitesten Sinne mit können. Das Ergebnis der Diskussion stimmte Erwartungen der Rezipienten verbunden sei, die wenig zuversichtlich und ließ auch Wolfgang an seine Imaginationskraft anknüpften und seine Klein mit der Schlußfrage enden, ob »wir alle Fantasietätigkeit anregten, Begleiterscheinung, Deppen« seien. die man sonst nur der Lektüre fiktionaler Texte Edgar Lersch, Stuttgart zuschreibe. Er eröffnete damit wiederum Per­ spektiven auf vermißte Vertiefungen während der Tagung, d.h. auf die sogenannten qualitative Aspekte bei der Rezeption von »Information«, hier insbesondere der Motivation, sich ihr über• haupt zuzuwenden, sie zu verarbeiten. Im letzten Vortrag ging Ulrich Sarcinelli (In­ stitut für Politikwissenschaft, Universität Ko­ blenz-Landau) noch einmal auf das bereits an­ gesprochene, wissenschaftlich wie außerwis• senschaftlich als Dauerthema zu bezeichnende Miszellen 159

Die offiziellen Programmzeitschriften schrift geben solle. Um bei der bevorstehenden der Schweizerischen Radio- und Fusion die besseren Karten zu haben, stellte >Radio Bern< 1930 sein Erscheinen ein. Die Ra­ Fernsehgesellschaft* diogenossenschaft Bern gründete die Aktienge­ sellschaft für Radiopublikationen (AGRAP),3 die Turbulente Anfangszeit nun die Zeitschrift >Schweizer Radio-Illustrierte< Als in den 20er Jahren in der Schweiz der herausgab. Der Zeitschriften-»Krieg« in der Rundfunk Fuß zu fassen begann, publizierten Deutschschweiz wurde jetzt zwischen der die einzelnen Radiostationen ihre Programme in >Schweizerischen Illustrierten Radio-Zeitung< kleinen Zeitschriften. Neben den Programmvor­ (Zürich/Basei/Ostschweiz) und der >Schweizer schauen, die sowohl auf schweizerische wie Radio-Illustrierten< (Bern) ausgefochten. Be­ auch ausländische Stationen hinwiesen, nahmen deutsam war dieser Streit, weil gemäß der Ra­ technische Erklärungen und die Nachrichten der diokonzession die Erträge aus den Programm­ einzelnen Radioclubs einen sehr breiten Raum zeitschriften direkt den Radiostudios zugute ein. Dies zeigt, daß sich diese Zeitschriften in kommen und nicht in den SRG-Topf fliessen erster Linie an Radiobastler und -amateure sollten. Nach der definitiven Einigung über die richteten.1 Sendegebietseinteilung 1934 war auch der Weg Ab 1923 erschien in Lausanne die franzö• in der Deutschschweiz frei für die Gründung ei­ sischsprachige Programmzeitschrift >Le Radio<, ner gemeinsamen Programmzeitschrift. Ab 1936 welche von den Radiostationen in Lausanne und erschien in der Deutschschweiz die >Schweizer Genf gemeinsam herausgegeben wurde. Als äl• Radio-Zeitung<, die allen drei deutschschweize­ teste Radioprogrammzeitschrift der Schweiz rischen Radiostudios diente, aber weiterhin von druckte sie das Programm der nach und nach der vom Berner Radiostudio beherrschten entstehenden schweizerischen Radiostationen AGRAP herausgegeben wurde. und vieler Sender aus dem Ausland ab. Zwei ln der Westschweiz hatte die Gründung der Jahre später erschien nach der Errichtung des SRG wenig Auswirkungen auf die Programm­ Radiostudios in Bern die teilweise zweisprachige zeitschrift >Le Radio<, die mit dem Zusatz »Offizi­ (deutsch und französisch) Zeitschrift >Radio elles Organ der SRG« ansonsten unverändert Bern<, die zwischen 1927 und 1930 auch als of­ weiter erschien. Um so wichtiger war die Grün• fizielles Organ des Basler Radiostudios unter dung der SRG für die italienischsprachige dem Titel >Radio Basel< erschien. Das dritte Schweiz, wo ebenfalls das Radiozeitalter be­ Deutschschweizer Radiostudio, jenes in Zürich, gann. Es wurde eine eigene Radiostation ge­ gab bereits zwei Wochen vor seiner Eröffnung gründet, die ihr Programmheft >Radiopro­ im August 1924 unter dem Titel >Radio-Pro­ gramma< herausgab. Diese Programmzeitschrift gramm< eine eigene Programmzeitschrift her­ war sehr eng mit der SRG verbunden, stand aus. Sie war mit einer Auflage von rund 10 000 aber von Anfang an auf wirtschaftlich schwa­ Exemplaren die am weitesten verbreitete Radio­ chen Füßen. programmzeitschrift in der Schweiz. 1927 wurde das >Radio-Programm< durch die >Schweizeri­ Von der Radiozeitschrift zur sche Radio-Zeitung< ersetzt, die zwar in ihrem Programmzeitschrift Titel einen gesamtschweizerischen Anspruch ln den 30er und 40er Jahren veränderten sich erhob, aber nach wie vor nur den Interessen der die offiziellen Programmzeitschriften der SRG. Zürcher Radiogenossenschaft diente. Waren sie zu Beginn dem Inhalt nach eher Ra­ Nachdem die einzelnen Sender bereits über diozeitschriften, so wandelten sie sich nun zu die Abgrenzung der Sendegebiete stritten, be­ echten Programmzeitschriften. Technische Be­ gann 1930 eine Auseinandersetzung zwischen sprechungen und Beschreibungen traten in den den Radioprogrammzeitschriften in der Hintergrund und machten Reportagen über den Deutschschweiz, der zusätzlich erhitzt wurde Rundfunk Platz. Obwohl kriegsbedingt in der als sich >Radio Basel< von seiner Schwesterzeit~ Schweiz das Papier rationiert werden mußte, schrift >Radio Bern< trennte, und die Radioge­ und die offiziellen Programmzeitschriften der nossenschaft Basel nun zusammen mit der Ra­ SRG deshalb enorm an Umfang verloren, ver­ diogenossenschaft Zürich die >Schweizerische öffentlichten sie weiterhin neben den schweize­ Illustrierte Radio-Zeitung< zu ihrem offiziellen rischen Rundfunkprogrammen die Programme Organ machte.2 1931 setzte der Schweizerische vieler ausländischer Sender, u.a. auch im Deut­ Bundesrat diesem Streit ein Ende, indem er alle schen Reich, wo seit Mitte 1941 keine Pro­ Radiostudios und -genossenschaften zur grammzeitschriften mehr erschienen. Schweizerischen Rundspruchgesellschaft (SRG) Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den zusammenfaßte, und verfügte, daß es in Zukunft schweizerischen Programmzeitschriften heftig pro Sprachregion nur noch eine Programmzeit- 160 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

über die Einführung des Fernsehens in der nischsprachigen Schweiz) nun auch das Fern­ Schweiz diskutiert. Hier können markante Unter­ sehen im Titel - die >Schweizer Radio-Zeitung< schiede zwischen den einzelnen Landesteilen wurde zu >Radio und Fernsehen<. ausgemacht werden: Während die offizielle fran­ zösischsprachige Programmzeitschrift der SRG Von Programmzeitschriften zu Illustrierten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg über Fern­ sehversuche in den USA berichtete und die offi­ ln den 50er Jahren präsentierten sich die offizi­ zielle italienischsprachige Programmzeitschrift ellen Programmzeitschriften der SRG in allen der SRG ohnehin wenig Ambitionen zeigte, da drei großen Sprachregionen der Schweiz als sie ein eigenes italienischsprachiges Fernseh­ Organe, die einen engen Bezug zu den Radio­ programm für die Schweiz als zu teuer ein­ und Fernsehprogrammen der SRG aufwiesen. schätzte, wandte sich die offizielle deutsch­ So gab es neben Programmhinweisen Berichte, schweizerische Programmzeitschrift der SRG die beschrieben, wie eine Radioreportage ent­ vehement gegen die Einführung des Fernsehens standen war oder wie das Fernsehstudio aus­ in der Schweiz. Neben finanziellen Bedenken sieht. Zusätzlich zu diesen medienbezogenen und der Betonung des Sonderfalls Schweiz wur­ Themen verwässerte sich in der zweiten Hälfte den kulturelle Argumente angeführt, die aus der 50er Jahre der Inhalt der offiziellen Pro­ heutiger Sicht ein wenig absurd erscheinen: grammzeitschriften der SRG, indem zum Bei­ spiel eine Kinderseite, eine Seite für die Frau, »Wird man in künstlerisch-ästhetischer Hinsicht be­ die Musikhitparade, Beratungsseiten für juristi­ friedigt sein, wenn man in seinem Apparat den sche und medizinische Fragen, Berichte zum Schauspieler A. in einer Bildgröße von 20 Zentimeter Fußball oder anderen Sportereignissen und sieht, während seine Stimme tönt, als stünde uns der Herr leibhaftig gegenüber?«4 sonstige Artikel, die keinen Zusammenhang zu den Radio- und Fernsehprogrammen aufwiesen, Ebenfalls die in der Westschweiz durchgeführten veröffentlicht wurden. Am stärksten trat dieser Fernsehversuche zu Beginn der 50er Jahre Wandel in der Westschweiz hervor, wo die Pro­ wurden in der >Schweizer Radio-Zeitung< vor­ grammzeitschrift >Radio Television< mit der Illu­ wiegend negativ bewertet. Somit stellte sich ei­ strierten >Je vois taut< fusionierte und fortan un­ nes ihrer offiziellen Organe gegen die Meinung ter dem Titel >Radio TV je vois taut< als Illu­ der Generaldirektion der SRG, die das Fernse­ strierte mit eindeutig boulevardjournalistischem hen in der Schweiz möglichst rasch etablieren Inhalt und einem stark reduzierten Programmteil wollte. ln diesem Zusammenhang wird offen­ erschien. sichtlich, daß bei der >Schweizer Radio-Zeitung< Der inhaltliche Wandel zeigte in den 70er die Radiogenossenschaft Bern - und vor allem Jahren deutliche Konsequenzen für die offiziel­ der ebenso charismatische wie konservative len Programmzeitschriften der SRG. 1974 kam Berner Radiodirektor Kurt Schenker - via die das Aus für die offizielle italienischsprachige AGRAP tonangebend waren. Programmzeitschrift der SRG >Radiotivu<, die Entschärft wurde dieser Konflikt durch ein aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage Abkommen zwischen der Generaldirektion der und des kleinen Einzugsgebietes ihr Erscheinen SRG und der Redaktion der >Schweizer Radio­ einstellen mußte. 1978 folgte ihr die offizielle Zeitung<, in dem vereinbart wurde, daß jeder Ar­ deutschschweizerische Programmzeitschrift der tikel über das Fernsehen, der in der >Schweizer SRG >TV-Radio-Zeitung<, die vom Ringier-Ver­ Radio-Zeitung< erscheinen sollte, vor der Publi­ lag übernommen wurde und mit der Programm­ kation der Generaldirektion der SRG vorgelegt zeitschrift >Tele< zusammengelegt wurde,5 womit werden müsse. Die Redaktion der >Schweizer sie den Status als »offizielles Organ der SRG« Radio-Zeitung< hielt sich allerdings nicht immer verlor. Am längsten konnte sich die offizielle an die Abmachungen, weshalb sich Kurt Schen­ französischsprachige Programmzeitschrift der ker, der unter mehreren Pseudonymen auch SRG, >Radio TV je vois taut<, auf dem Markt selbst Artikel in den offiziellen Programmzeit­ halten. Mit ihr verschwand 1986 die letzte der schriften der SRG gegen das Fernsehen offiziellen Programmzeitschriften der SRG. schrieb, mehrmals rechtfertigen mußte. Mit der Die Generaldirektion der SRG war für das Einführung eines offiziellen Versuchsfernsehens Verschwinden ihrer offiziellen Programmzeit­ in der Deutschschweiz und der zunehmenden schriften teilweise mitverantwortlich. Da sie das Verbreitung des Fernsehens in der ganzen Fernsehen möglichst schnell in der Schweiz Schweiz verstummte die Kritik in der offiziellen einführen wollte, wurde die Publikation der Fern­ deutschschweizerischen Programmzeitschrift sehprogramme nicht ausschließlich auf ihre offi­ der SRG. Schließlich berücksichtigte man 1958 ziellen Organe beschränkt, sondern sie stellte (wie die offiziellen Programmzeitschriften der sie auch anderen Zeitungen und Zeitschriften SRG in der französischsprachigen und italie- zur Veröffentlichung zur Verfügung, womit die Miszellen 161 offiziellen Programmzeitschriften der SRG an Zusammenfassung Attraktivit~t verloren und vom Markt verdr~ngt wurden. Zusätzlich wurde dieser Trend vom Zu Beginn des Rundfunkzeitalters in der Wandel des Radios zu einem Begleitmedium Schweiz publizierten alle Radiostudios eigene Programmzeitschriften, die sich in erster Linie an unterstützt. die Radioamateure richteten. Mit der Gründung der SRG mußten sich diese Programmzeit­ Würdigung schriften auf eine Ausgabe pro Sprachregion Die offiziellen Programmzeitschriften der SRG beschr~nken, was zu heftigen Auseinanderset­ bieten Historikern ein reichhaltiges Quellenmate­ zungen zwischen den Programmzeitschriften in rial:6 Fotos, Glossen, Berichte und Kommentare der Deutschschweiz führte; schließlich mußte zur lnstitutions-, Programm-, Technik- und Men­ man sich aber den Beschlüssen des Schweize­ talit~tsgeschichte. rischen Bundesrates fügen. Besonders interessant sind die frühen Jahr­ Die offiziellen Programmzeitschriften der gänge der Programmzeitschriften, da sie viele SRG machten einen Wandel durch, der drei Informationen über die Anfangszeiten des Ra­ Phasen umfaßt: ln der ersten Phase waren sie dios in der Schweiz und im übrigen Europa bie­ vor allem Radiozeitschriften, d.h. sie richteten ten. So gibt es beispielsweise Fotos, die zeigen, sich an Radiobastler und -amateure und infor­ wie man mit Kopfhörer und einfachsten Radio­ mierten neben den Programmen auch über apparaten nach Signalen aus dem Ather suchte technische Aspekte des Rundfunks. ln der oder wie die Familie am Stubentisch vereint zweiten Phase wandelten sich die Radiozeit­ aufmerksam Radio hörte. Auch wurde bei­ schriften zu Programmzeitschriften, die nun ei­ spielsweise über Empfangsversuche in den en­ nen sehr engen Bezug zu den Radio- (und sp~­ gen Schweizer Bergtälern berichtet. ter auch Fernseh-)Programmen der SRG auf­ Bei vielen Textbeiträgen zum Thema Radio wiesen. Schließlich entwickelten sich die offizi­ und Fernsehen ist jedoch eine gewisse Vorsicht ellen Programmzeitschriften der SRG zu Fami­ angebracht, da sie aus SRG-nahen Kreisen lienillustrierten mit einem angehängten Pro­ stammen.7 So schreiben der Direktor der Televi­ grammteiL Dieser Wandel ist am offensichtlich­ sion de Ia Suisse Romande, Rene Schenker, sten an der offiziellen französischsprachigen oder der Generaldirektor der SRG, Marcel Be­ Programmzeitschrift der SRG abzulesen, bei zen~on, in den offiziellen französischsprachigen welcher der Inhalt am stärksten von boule­ Programmzeitschriften der SRG regelmc':ißig vardjournalistischen Elementen verwässert wur­ Kolumnen. Bei >Radioprogramma< wirkte Felice de. A. Vitali von 1933 bis 1947 als Chefredakteur, Benno Schmid, Fribourg der daneben auch als Direktor des Radio della Svizzera ltaliana tätig war. Der Direktor des Ber­ Zusammenfassung einer Arbeit im Rahmen des ner Radiostudios, Kurt Schenker, publizierte Projektes Geschichte der Schweizerischen Radio­ unter verschiedenen Pseudonymen in den offizi­ und Fernsehgesellschaft (SRG). ellen deutschschweizerischen Programm­ ln der Anfangszeit des Radios waren noch keine zeitschriften der SRG Artikel, in denen er vor al­ fertig zusammengebauten Radioapparate zu lem gegen das Fernsehen polemisierte.s Wenn kaufen, weshalb sich viele Amateure in Clubs zu­ man diese Einschrc':inkungen berücksichtigt, sammenschlossen und dort ihre Empfangsappa­ stellen diese Artikel aus institutionsgeschicht­ rate zusammenbastelten und Erfahrungen aus­ lichem Blickwinkel sehr wertvolle Quellen dar. tauschten. Aus programmhistorischer Sicht kann anhand 2 Die >Schweizerische Illustrierte Radio-Zeitung< der offiziellen Programmzeitschriften der SRG entsprach außer dem Titel der >Schweizerischen der Auf- und Ausbau des schweizerischen Ra­ Radio-Zeitung<. An ihr war auch die studiolose dios und Fernsehens nachvollzogen werden.9 Ostschweizerische Radiogesellschaft (ORG) be­ Leider kann anhand der offiziellen Pro­ teiligt. grammzeitschriften der SRG nicht festgestellt 3 Bis 1978 wurden alle Programmzeitschriften in werden, inwiefern diese von den Rezipienten der Deutschschweiz von der AGRAP herausge­ genutzt wurden, und wie stark sich die Medien­ geben. 1996 wurde die AGRAP reaktiviert und nutzung nach einer mittels der Programmzeit­ gibt nun die Radioprogrammzeitschrift >Radio­ schriften getroffenen Auswahl richtete (Agenda­ Magazin< heraus, die jedoch kein offizielles Organ der SRG ist. setting). Deshalb kommen sie als Quelle für die lnstitutions- und Mentalitc':itsgeschichte in bezug 4 Schweizer Radio-Zeitung Jg. 12 (1936), H. 8, S. 3. auf die Mediennutzung weniger in Frage. 5 Schon zwei Jahre vor der Fusion mit der >Tele< wurden die Programmteile der beiden Zeitschrif­ ten gemeinsam produziert und bereits seit 1937 162 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

wurde die offizielle deutschschweizerische Pro­ zugleich von der Bibliotheque Nationale de grammzeitschrift der SRG beim Ringier-Verlag France und dem Institut National de I'Audio­ gedruckt. visuel (INA) verwalteten audiovisuellen Lese­ 6 Gerade die Fotos in den offiziellen Programmzeit­ saal. schriften der SRG bekommen eine besondere hi­ storische Bedeutung. Dies ist umso augenfälliger, Die Bibliotheque Nationale de France da im Radio keine Bilder gezeigt werden können, und die Berichte und Reportagen auf andere Wei­ Die aus mehreren Standorten bestehende Bi­ se visualisiert werden mußten, was durch die bliotheque Nationale de France ist für die Programmzeitschriften geschah. ln den offiziellen Pflichtabgabe der schriftlichen, audiovisuellen Programmzeitschriften der SRG entstand mit der und EDV-Dokumente zuständig. Diese bilden Zeit aber auch ein »Starkult«, indem man die Ra­ neben Erwerbungen den größten Teil des Be­ diosprecher bei ihrer Tätigkeit oder per Porträt standes und sind am Hauptstandort »Fran9ois­ abbildete. Mitterrand/Tolbiac« nach einem Zwei-Etagen­ 7 Dies betrifft vor allem Kommentare zum Fernse­ Prinzip verfügbar.2 Das Erdgeschoß (Haut-de­ hen. jardin) ist einem breiteren Publikum zugänglich 8 Zusätzlich war Kurt Schenker von der Gründung und in fünf Kategorien unterteilt: Philosophie; der AGRAP 1930 bis 1972 Delegierter im Ver­ Geschichte und Humanwissenschaften; Kunst waltungsrat der AGRAP und von 1972 bis 1977 und Literatur; Naturwissenschaften; Jura, Wirt­ Mitglied im Verwaltungsrat der AGRAP. schafts- und Politikwissenschaften; Medien. Dort 9 ln >Radio Bern< wurden beispielsweise regelmäs• hat man direkten Zugang zu den Standardwer­ sig die Zahlen der Hörerkonzessionen veröffent• ken und den wichtigsten Nachschlagewerken licht. jeder Disziplin - insgesamt 200 000 Bände -, so wie zu einer Auswahl von Ton- und Bilddoku­ menten, die ebenso repräsentativ für das audio­ visuelle Kulturgut sein sollen. Ein Paradies für Das Untergeschoß (»Rez-de-jardin«) ist ei­ Kommunikationswissenschaftler? nem begrenzten Benutzerkreis reserviert. Zu­ sätzlich zum Benutzerausweis3 ist eine Sonder­ Der audiovisuelle Lesesaal der neuen genehmigung für einen bzw. mehrere Lesesäle französischen Nationalbibliothek in Paris nötig. Die Sondergenehmigung wird für wissen­ schaftliche, professionelle und/oder persönliche Um die Bibliotheque Nationale de France (BNF), Projekte erteiJt.4 Im Untergeschoß, das in fünf den letzten Prestigebau der Mitterrand-Ara, wur­ gleiche Themengruppen wie das obere Stock­ de schon in der Bauzeit viel gestritten. Kritisiert werk und in 14 Lesesalen unterteilt ist, können wurde an dem geplanten viertürmig gestrichelten die Besucher ebenfalls auf ca. 200 000 Bände Leerraum über dem kreuzgangartigen Garten in direkt zugreifen, vor allem aber Dokumente aus der Tiefe im südöstlichen Pariser Tolbiac-Viertel dem gesamten Bestand bestellen. nicht zuletzt die Idee, die Bücher in den Glas­ Der im Untergeschoß befindliche audiovisu­ türmen und die Besucher in den Tiefgeschossen elle Lesesaal wurde erst im Oktober 1998 eröff• unterzubringen. Seit der Eröffnung Ende 1996 net. Er bietet 154 Benutzerplätze und ist sowohl häuften sich Katastrophenmeldungen: Über• räumlich als auch institutionell, da er vertrags­ schwemmungsprobleme, Kollaps des Computer­ gemäß zusammen von der BNF und dem INA programms, Streiks des Personals wegen zu verwaltet wird, in zwei Teile getrennt. schlechter Arbeitsbedingungen. Vor kurzem hat Auf BNF-Seite ist der Benutzer Gast der Ab­ sich schließlich die Zeitschrift >Le Debat< zum teilung Departement de I'Audiovisuel, die Nach­ Sprachrohr der verärgerten Benutzer gemacht folgerin der 1938 für die Pflichtabgabe der Ton­ und eine Reihe von Erfahrungsberichten von dokumente gegründeten Phonotheque Nationa­ französischen und ausländischen Wissenschaft­ le. Die dort angebotenen audiovisuellen Samm­ lern veröffentlicht, in denen die Planungs- und lungen bestehen hauptsachlich aus: Ausführungsfehler angeprangert werden.1 Für - Tontragern von den Anfangen ca. 1895 bis deutsche Beobachter, die das vor zwei Jahren heute. Zu den seit 1938/40 als Belegstück abge­ eröffnete neue Gebäude der Deutschen Biblio­ lieferten Tondokumenten -zu 85 Prozent Musik­ thek in Frankfurt am Main vor den Augen haben, Aufnahmen - kommen einige ältere und neuere mag das alles für die »deutsche Sachlichkeit« Bestande wie die Archives de Ia Parole mit Auf­ sprechen. Dennoch gibt es in dem Pariser Bi­ nahmen von bekannten Persönlichkeiten des bliotheksneubau, »site Fran9ois-Mitterrand/Tol­ frühen 20. Jahrhunderts (Apollinaire, Dreyfus biac« genannt, einen Lesesaal, um den die usw.); Franzosen nur beneidet werden können: den Miszel/en 163

- allen seit 1975 als Belegstück abgelieferten sich dabei um Multimedia-Arbeitsplätze, an de­ Videos (fiktionale und Dokumentarfilme, Musik­ nen man zugleich in den verschiedenen !NA­ videos usw.); Datenbanken recherchieren, eigene Listen von - allen seit 1992 als Belegstück abgelieferten Nachweisen verwalten, sich Sendungen an­ Multimedia- und EDV-Dokumenten. schauen bzw. anhören und diese {durch das Ausschneiden von Szenen, die Hinzufügung von Die lnatheque de France Legenden oder Kommentaren usw.) analysieren kann. Das Institut National de I'Audiovisuel ist seit Bei der schriftlichen Dokumentation läßt das 1975 neben Produktions-, Fortbildungs- und Angebot des audiovisuellen Lesesaals nichts zu Forschungsaktivitäten im Medienbereich zur wünschen übrig. Es können 22 000 Bände (ge­ Konservierung und Auswertung des audiovisu­ plant) sowie 500 französische und internationale ellen Archivguts des öffentlichen Rundfunks ver­ Zeitschriften zum Thema Musik, Film und Video, pflichtet; laut Pflichtstückgesetz vom 20. Juni Hörfunk und Fernsehen, Multimedia, Photogra­ 1992 ist es darüber hinaus für die Pflichtabgabe phie direkt nachgeschlagen werden. Man verfügt der Rundfunkdokumente zuständig.S Diesen außerdem über eine Reihe von internen Doku­ ganz neuen Aufgabenbereich, nämlich die menten (Sendeprotokolle, Pressespiegel usw.), Sammlung, Erschließung und Archivierung von die bisher schwer zugänglich waren, seit dem Hörfunk- und Fernsehproduktionen nicht zu be­ neuen Pflichtstückgesetz aber von den Rund­ ruflichen oder kommerziellen Zwecken, sondern funksendern parallel zum audiovisuellen Material im Dienste einer wissenschaftlichen Öffentlich• an die lnatheque abgegeben werden müssen. keit, nimmt seit lnkrafttreten des Pflichtstückge• Ahnlieh wie die Programmzeitschriften sollen sie setzes am 1. Januar 1995 die Hauptabteilung die Rekonstruktion des Ablaufs einer Sendung lnatheque de France wahr. bzw. des Programmzusammenhangs unterstüt• Im audiovisuellen Lesesaal der Nationalbi­ zen. bliothek befindet sich nun, nach einer am Pariser Standort des INA durchgeführten vierjährigen Zusammenfassend muß der einmalige Charak­ Einführungsphase, das Benutzungszentrum der ter des Saals betont werden, auch wenn die lnatheque. Dort sind zu benutzen: Schwierigkeiten, die dem Image der BNF so - für die Zeit nach dem 1. Januar 1995 alle der sehr geschadet haben, noch nicht alle beseitigt Pflichtabgabe unterliegenden Rundfunkdoku­ sind. Er besteht darin, daß an einem einzigen mente, d.h. die Sendungen der frankreichweiten Standort audiovisuelle Sammlungen unter­ terrestrischen Fernsehanbieter (France 2, Fran­ schiedlicher Herkunft - sowohl Industrieproduk­ ce 3, La Cinquieme, , Canal +, TF1, M6) und tionen als auch Rundfunkdokumente -sowie die der frankreichweiten öffentlichen Hörfunksender dazu gehörige schriftliche Dokumentationen zur (France Inter, France Culture, France Musique, Verfügung stehen. Wer einen ersten Eindruck France Info, Radio Bleue), die französischer darüber gewinnen möchte, kann in den derzeit Herkunft sind und zum ersten Mal ausgestrahlt im Internet zugänglichen Datenbanken der BNF bzw. wiederholt wurden.6 Die meisten werden (www.bnf.fr für die seit 1970 eingegangenen Bü• vollständig (Magazine, Fernsehserien und -Spiel­ cher und die seit 1960 eingegangenen Periodi­ filme, Dokumentarfilme, Unterhaltungssendun­ ka) und der lnatheque (www.ina.fr/inatheque für gen usw.), einige nur stichprobenweise aufbe­ die seit dem 1.1.1995 eingegangenen Fernseh­ wahrt.? Alle Dokumente werden von den Sen­ und Hörfunkdokumente) recherchieren. dern selber abgeliefert und von der lnatheque Glücklich wie Gott in Frankreich? Für Kom­ auf Nutzerkopien umgespielt; munikationswissenschaftler, Rundfunkhistoriker - für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 ausge­ oder jeden Wissenschaftler, der sich der Be­ wählte Umschnitte der vom INA archivierten deutung audiovisueller Quellen bewußt ist, Sendungen. Dazu kommen noch die Sendungen könnte das wohl stimmen! der frankreichweiten terrestrischen Fernsehsen­ Muriel Favre, Frankfurt am Main/Paris der seit dem 1. Januar 1986, die Sendungen der fünf frankreichweiten öffentlichen Hörfunksender 1 Le Debat Nr. 105, Mai-August 1999. für das Jahr 1994 und eine Sammlung von be­ deutenden Sendungen anderer Hörfunksender 2 Am Standort Richelieu-Louvois, im ehemaligen seit 1993. Gebäude der Nationalbibliothek, befinden sich nur noch die Handschriften, die Karten und Pläne, die Druckschriften, die Münzen, die Musik- und die Station de Lecture AudioVisuelle Bilddokumente. Zur Benutzung ihres Bestands hat die lnatheque 3 Dieser kostet z.Z. 300 FF für ein Jahr, 200 FF für ein einzigartiges Instrument konzipiert: die Stati­ zwölf Tage und 30 FF für zwei Tage. on de Lecture AudioVisuelle (SLAV). Es handelt 164 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

4 Vorzulegen sind für Wissenschaftler der profes­ Christiane Teetz, (Hamburg): sionelle Ausweis und/oder eine Erklärung des Presseunternehmen im Dritten Reich und ihre wissenschaftlichen Betreuers bzw. des For­ Wirtschaftsprobleme am Beispiel des Hambur­ schungszentrums bzw. des Arbeitgebers, für ger Fremdenblattes; Nicht-Wissenschaftler ein Antrag mit präzisen An­ gaben über den dokumentarischen Bedarf. Johannes Ludwig (Berlin): 5 Vgl. zur Geschichte der lnatheque de France und Zwischen Monopol und Wettbewerb. zur Erweiterung des Pflichtstückgesetzes zu den Verlegerinteressen 1949 und Zeitungslandschaft Rundfunkdokumenten Muriel Favre: Rundfunkge­ 1999 unter besonderer Berücksichtigung des schichtsforschung in Frankreich. ln: RuG Jg. 23 Springer-Verlags; (1997), H.1, S. 48f. Hans Altenhein (Darmstadt): 6 Die Pflichtabgabe beruht nämlich auf dem Prinzip Fallstudien zur Ökonomie von Buchverlagen der Ausstrahlung und nicht auf dem der Produkti­ zwischen 1945 und 1965; on . Manfred Kops (Köln): 7 Vgl. für eine genauere Beschreibung Favre (wie Der wachsende Stellenwert betriebswirtschaft­ Anm. 5), Tabelle S. 50. licher Ziele für den öffentlich-rechtlichen Rund­ funk in Deutschland. Weitere Auskünfte erteilen: Michael Jurk, Axel Zur Ökonomie von Medienunternehmen Springer Verlag AG, Unternehmensarchiv, Harn­ im 20. Jahrhundert burg (Tel. 040/ 347 24949, Fax 040/347 264 73) Eine Tagung und Dr. Edgar Lersch, Historische Kommission der ARD, SWR Historisches Archiv, Stuttgart (Tel. 0711/929 - 3233, Fax 0711/ 929 - 3345, Die Historische Kommission der ARD, die Histo­ E-Mail: [email protected]). rische Kommission des Börsenvereins des Deut­ EL schen Buchhandels, das Institut für Zeitungsfor­ schung der Stadt Dortmund und der Studienkreis Rundfunk und Geschichte veranstalten am 18. und 19. November 1999 im Kokoschka-Saal des Hochhauses des Axei-Springer-Verlags in der Berliner Kochstraße eine Tagung zur Ökonomie von Medienunternehmen, mit dem Schwerpunkt 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt werden be­ triebswirtschaftliche Probleme von Unternehmen der Medienbranche stehen. Angesichts der Tat­ sache, daß es vergleichsweise wenige Untersu­ chung zu betriebswirtschaftliehen Handlungs­ maximen gibt, müssen sich die Vortrage teilwei­ se auf exemplarische, explorative Studien be­ schranken. Im einzelnen sind folgende Vortrage vorge­ sehen: Jürgen Heinrich (Dortmund): Funktion und Struktur der Medienunternehmung im Wandel von Ökonomie und Technik; Elisabeth Kraus (München): Die Krise der Großverlage Masse und Ullstein am Ende der Weimarer Republik. Aspekte der Betriebs- und Unternehmensführung; Thorsten Grieser (München): Studien zu den wirtschaftlichen Entwicklungs­ tendenzen des deutschen Buchhandels vor und während der Inflation 1914-1923; Karl Führer (Hamburg): Rundfunkwirtschaft (RRG) in der Weimarer Re­ publik; Rezensionen lrene Neverla (Hrsg.) Technik ist, für sich genommen, zwar geschlechts­ Das Netz-Medium. neutral, konzediert lrene Neverla, aber ihre Nutzung Kommunikationswissenschaftliche Aspekte erfolgt unter vorherrschenden Machtkonstellationen. eines Mediums in Entwicklung. Und so dominiert, auch bei den neuen elektronischen Opladen: Westdeutscher Verlag 1998, 333 Seiten. Medien, die maskuline Geschlechterrolle gegenüber der femininen. Nach wie vor sind Kinderpornografie Beatrice Dernbach u.a. (Hrsg.) und -prostitution eine gesellschaftlich vernachlässigte Publizistik im vernetzten Zeitalter. und tabuisierte Tatsache. Wie schwierig sich der Berufe - Formen - Strukturen. konkrete Nachweis sexualisierter Gewalt an Heran­ Opladen: Westdeutscher Verlag 1998, 224 Seiten. wachsenden im Datennetz gestaltet, veranschaulicht Sibylle Ruschmeier. Am Exempel einer Studie von Bertelsmann Stiftung I Schwulen im Internet demonstrieren Miguel Dittmann Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.) und andere, wieweit soziale Randgruppen im Netz, Bildungsinnovation durch Medien. etwa in Chatforen oder Newsgroups, vertreten sind. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1997, ln einem thesenhaften Überblick faßt Klaus-Dieter 200 Seiten. Altmeppen erste Auswirkungen von Multimedia auf Arbeitsmarktstruktur, Qualifikationsanforderung und Gudrun Gross u.a. (Hrsg.) Tätigkeitsprofil des Journalismus zusammen. Elisa­ Studieren und Forschen im Internet. beth Klaus und Ulrike Röttger widmen sich der Öf• Perspektiven für Wissenschaft, Wirtschaft, fentlichkeitsarbeit in Online-Diensten. Als Indikatoren Kultur und Gesellschaft. für eine erfolgreiche PR-Kampagne nennen sie: an­ Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, Europäischer gemessenen Medieneinsatz, Einbindung in Organi­ Verlag der Wissenschaften 1997, 264 Seiten. sationskultur und Orientierung an Nutzerbedürfnis• sen. Eine Umfrage von Armin Sonnleitner und ande­ ln der zweiten Hälfte der 90er Jahre halten Journa­ ren unter Journalist(inn)en führt zu dem Ergebnis, lismus, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und interper­ daß Online-Recherchen zur Zeit die »klassische« sonale Kommunikation sukzessive Einzug in online­ Recherche lediglich ergänzen. Schließlich führt Frau­ basierte Medien. Eine erhöhte Inanspruchnahme di­ ke Höhermann Minimalanforderungen an die Journa­ gitaler Netze verlangt nicht allein technische und me­ lismusausbildung im Online-Zeitalter auf. diale Kompetenzen, sondern erfordert ferner eine in­ Die Aufsatzsammlung ist bemerkenswert und das tensive gesellschaftspolitische und wissenschaftliche in zweierlei Hinsichten: Erstens bietet sie einer Grup­ Reflexion. Es stellt sich vor allem das Problem, wie pe von Nachwuchswissenschaftler(inne)n die Gele­ sich das Verständnis von Technik, Kommunikation, genheit, ihre Erkenntnisse in einem geeigneten publi­ Privatheil sowie Öffentlichkeit durch netzwerkge­ zistischen Forum zu plazieren. Diese Autor(inn)en, stützte Medien wandelt? Diesen und ähnlich gela­ sicherlich größtenteils selbst durch Internet und Mul­ gerten Fragestellungen geht der Sammelband »Das timedia (teil)sozialisiert, eröffnen dem Lesepublikum Netz-Medium«, herausgegeben von der Hamburger durchaus einige neue Sichtweisen auf die gegenwär• Kommunikationswissenschaftlerin lrene Neverla, tige Diskussion um computergestützte Kommunikati­ nach. on . Dies betrifft vornehmlich die (auch) generations­ ln einer medienphilosophischen Betrachtung ver­ bedingt größere Akzeptanz und vorbehaltlosere Her­ sucht die Herausgeberin, »das Medium zu denken«. angehensweise an moderne lnformationstechnologi­ Sie zeichnet kursorisch bisherige »Etappen des Dis­ en. Zweitens vermögen die Beiträge, das emergie­ kurses« nach und gewinnt Aufschlüsse über die Kon­ rende Netzmedium in seiner Entwicklung punktuell struktion sozialer Wirklichkeit(en) im, beziehungswei­ gesellschaftspolitisch, zeitkritisch und kommunikati­ se durchs Netz-Medium. Im Rückgriff auf die beiden onswissenschaftlich zu verorten, womit jedoch zu letzten Jahrzehnte der eigenen Fachgeschichte kriti­ Recht nicht der Anspruch auf eine endgültige Positi­ siert Siegfried Weischenberg, wie die Kommunikati­ onsbestimmung reklamiert wird. Mit der Publikation onswissenschaft mit medientechnischen Umbrüchen hat man eine gehaltvolle und verständliche Übersicht umgegangen ist. Er tritt dafür ein, die gesellschaftli­ zur Hand, die Facetten des aktuellen Mediendiskur­ chen Kommunikationsverhältnisse konsequenter in ses zu bewerten weiß. Handlungs- und Sinnkontexte zu analysieren. An­ Angesichts einer sich in vagen Umrissen abzeich­ hand eines Vergleichs zwischen den Vereinigten nenden »Computerrevolution« im Bereich der Berufs­ Staaten und Europa diskutieren Hans J. Kleinsteuber kommunikatoren befaßt sich der Sammelband »Pu­ und Martin Hagen, worin die Vor- und Nachteile einer blizistik im vernetzten Zeitalter«, der von den Kom­ »elektronischen Demokratie« bestehen. Ausschlag­ munikationswissenschaftler(inne)n Beatrice Dem­ gebend sind hier, so die Einschätzung, die politi­ bach, Manfred Rühl und Anna Maria Theis-Berglmair schen, ökonomischen und medialen Standards eines herausgegeben wurde, mit sich wandelnden organi­ Landes. satorischen, strukturellen, politischen und ethischen Mittels eines historisch und biografisch akzentu­ Kontexten der Online-Medien. ierten Theorieansatzes beschreibt Friedrich Kratz, Den ersten Teil, der Profession, Arbeitsmarkt und wie Digitalmedien in soziokulturelle Zusammenhänge Ausbildung des journalistischen Sektors zum Gegen­ sowie in individuelle Lebensweiten integriert sind. stand hat, eröffnet Manfred Rühl mit einer eingehen- 166 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) den Sichtung der deutschsprachigen publizistischen zifisch theoretischen sowie methodelogischen In­ Berufsforschung. Er übt Kritik an der subjekttheore­ strumentariums zur Analyse des Journalismus und tisch orientierten Journalismusforschung und postu­ seiner nivellierenden Handlungsrollen im multimedia­ liert - vor systemtheoretischem Hintergrund - eine len Zeitalter voranzubringen. Die traditionellen Kon­ forciertere sachliche, soziale und zeitliche (Dimensi­ zepte der Massenkommunikation stoßen offenkundig ons-)Differenzierung. Mit Blick auf die nur schwer ab­ an ihre Grenzen. Neben einer Problematisierung öko• zuschätzenden Folgen von Multimedia auf den Ar­ nomischer Entwicklungen sowie technischer Grund­ beitsmarkt äußert Werner Dostal, daß Fachleute des lagen bewerkstelligen die Autor(inn)en zudem einen Metiers, deren Berufsbild sich in den nächsten Jah­ achtbaren Informationstransfer im Bereich der ver­ ren weiter differenzieren und standardisieren wird, in netzten Publizistik hinsichtlich ihrer geschichtlichen, allen Gesellschaftsbereichen nachgefragt werden. wirtschaftlichen, politischen und sozialethischen Und Harald Taglinger trägt einen mehrstufigen Vor­ Merkmale. Fehlt dem Sammelband mitunter in der ein schlag zur hochschulgebundenen online-publizisti­ oder anderen Hinsicht eine gewisse Tiefgründigkeit, schen Aus- und Fortbildung vor. Er weist daraufhin, so macht er diesen widrigen Umstand durch eine daß das Gros der bundesdeutschen Universitäten thematische Vielfalt wett, wodurch sich eine Lesart noch nicht mit zureichend elaborierten Lehr-/Lern­ als Einführung empfiehlt. modellen mit entsprechenden infrastukturellen und 1995 wurde die Initiative »Bildungswege in der personellen Ressourcen ausgestattet ist. lnformationsGesellschaft« (B. I. G.) von der Bertels­ Im zweiten Teil werden Inhalte, Formen und Gat­ mann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung ins Le­ tungen der Online-Publizistik vorgestellt. Der Beitrag ben gerufen. Wegen der großen Herausforderungen von Katja Riefler untersucht die Aktivitäten von Ver­ in der Bildung hat B. I. G. sich zum Ziel gesetzt, das legern im Geschäftsfeld der elektronischen Medien. Lehren und Lernen mit elektronischen Medien Sie berichtet, daß eine Vielzahl von Berufskommuni­ zu unterstützen. Im November 1996 veranstaltete katoren das Internet immer noch als ein rein techni­ B. I. G. in Bann eine Tagung unter dem Motto »Bil­ sches monodirektionales Distributionsmedium anse­ dungsinnovation durch Medien«. Die gleichnamige hen. Am Beispiel einer Online-Redaktion konturiert Dokumentation gibt die Vorträge der mitunter promi­ Egbert M. Reinhold die durch neue Informationstech­ nenten Vertreter aus Politik, Bildung, Wirtschaft und niken veränderten Arbeitsvorgänge. Von den Berufs­ Wissenschaft wieder. kommunikatoren wird gefordert, liebgewonnene Rou­ Zu Anfang konstatiert Jürgen Rüttgers, daß öko• tinen fahren zu lassen, da die Technik ein nahezu nomischer Fortschritt in zunehmendem Maße von grenzenloses mediales Angebot ermöglicht und die dem anwendbaren »Wissen« einer Gesellschaft ab­ User hohe professionelle Standards und interaktive hängt. Es ist an der Politik gelegen, so sein Aufruf, Dienstleistungen erwarten. ln seinem Beitrag hebt Medienkompetenz als Kulturtechnik in der Aus- und Harald A. Summa Unterschiede zwischen dem »klas­ Fortbildung in Richtlinien festzuschreiben. Matthias sischen« Marketing (Push-Technologie) und dem On­ Rößler analysiert Rahmenbedingungen, unter denen line-Marketing (Puii-Technologie) hervor: Während Medien sinnvoll in die Schule integriert werden kön• das eine mit hohen Investitionssummen bestrebt ist, nen. Er unterbreitet den Vorschlag, ein gewisses die Aufmerksamkeit der Verbraucher immer neu auf Unterrichtskontingent ausschließlich für die Ausein­ Produkte zu lenken, so ermöglicht das andere un­ andersetzung der Schüler mit Multimedia-Lernumge­ mittelbarere und dauerhaftere Kundenbindungen. hungen zu reservieren. Friedrich Besch versucht, ei­ Der letzte Teil beschäftigt sich mit medienpoliti­ nen umfassenden Begriff der schulischen Medien­ schen, -rechtlichen und -ethischen Gesichtspunkten kompetenz zu entwickeln. ln seinem Entwurf fällt dar­ der Online-Kommunikation. Aufgrund des Umstands, unter der praktisch-reflexive Umgang mit Medien in daß die schrittweise Etablierung von neuen Informati­ technischen, kognitiven, kreativen und sozialethi­ onstechniken große Probleme für die gesamte Ge­ schen Belangen. Anhand der Landesinitiative »media sellschaft nach sich zieht, verficht Anna Maria Theis­ NRW« erörtert Joachim Westermann die besondere Berglmair eine umfassende - demokratie- bezie­ Bedeutung einer Kooperation von Wirtschaft und Bil­ hungsweise ökonomietheoretische Ansätze über• dung, gerade durch den Einsatz rechnergestützter schreitende - Medienpolitik. Am Exempel der Ein­ Medien in beruflichen und betrieblichen Qualifikati­ richtung des Bayern-Online-Programms arbeitet Edu­ onsmaßnahmen. W. P. Grimme die vielfältigen Schwierigkeiten ei­ Vom Standpunkt der Wirtschaftsverbände her ner soliden Budgetierung eines von der Politik ange­ betont Hans-Oiaf Henkel, daß der Bildung eine expo­ stoßenen Prestigevorhabens heraus. Abschließend nierte Rolle bei der Konsolidierung des Wirtschafts­ erörtert Bernhard Debatin einige Zusammenhänge standortes Deutschland zukommt. Er fordert Refor­ von »Ethik und Internet« in der lnformationsgesell­ men ein, die einem globalisierten Wettbewerb durch schaft. Mittels eines normativ-analytischen Zugriffs Aneignung von Medienkompetenz, Flexibilität, Selb­ beschreibt er zentrale Zielkonflikte des Netzmediums ständigkeit und Eigenverantwortung begegnen. Mark bezüglich Wissen, Freiheit und Identität. Wössner stellt Überlegungen zu den Basiskompeten­ Der Sammelband stellt sich als eine brauchbare zen in der Informationsgesellschaft und -Wirtschaft Aufbereitung des Problemkomplexes online-gestützte an. Von Bildungseinrichtungen verlangt er, daß sie Publizistik dar, bei der eine verständliche, an Bei­ Heranwachsende in die Lage versetzt, mit Hilfe inno­ spielen illustrierende Darstellung der Sachverhalte vativer Arbeitsformen und -inhalte selbständig, pro­ sowie eine eingängige Auseinandersetzung mit wich­ blembezogen, zielorientiert und lebenslang zu lernen. tigen Teilaspekten im Mittelpunkt stehen. Es ist aller­ Den Aspekt, sich fortwährend zu bilden, greift auch dings auch nicht von der Hand zu weisen, daß noch Hagen Hultzsch auf. Er weist auf das effizienzstei­ viel zu geschehen hat, um die Fundierung eines spe- gernde und kostenreduzierende Potential des Tele- Rezensionen 167 lernens für die betriebliche Aus- und Weiterbildung komplexe Wissensbestände. Hier unterstreichen die hin. Abschließend tritt Peter Glotz dafür ein, in der Autor(inn)en, daß die Distribution von Online-Technik Realisierung der Hauptforderungen dem Beispiel der innovative Konzepte der Wissensvermittlung eröffnet, USA zu folgen, indem sich die Interessengruppen zu­ wovon rechnergestützte Lehr-/Lernsysteme, Online­ sammentun, um die nächsten Schritte in die Informa­ Kurse, Online-Zugänge zu Bibliotheken und Archiven tionsgesellschaft zu abzustimmen. sowie Teleteaching und Distance Learning zeugen. Eine nachhaltige Reform des Bildungssystems in Künftig werden permanentes und transdisziplinäres der Bundesrepublik ist überfällig: Die internationale Lernen, so der Ausblick, aus dem Alltag nicht mehr Studie »Neue Medien in den Schulen - Entwick­ wegzudenken sein. lungsstand in Europa und Nordamerika«, erarbeitet Die Leser(innen)schaft, die eine eingehende Aus­ vom Europäischen Medieninstitut in Düsseldorf, ver­ einandersetzung mit technischen, sozialwissen­ deutlicht, daß deutsche Schulen unterhalb des euro­ schaftliehen und didaktischen Charakteristika von päischen Durchschnitts liegen. Es bedarf mannigfalti­ Multimedia erwartet, sind mit diesem Sammelband ger Ansätze von öffentlicher und privater Seite, so richtig bedient: Zum einen überzeugt die Mehrheit der das Fazit, um in schulischen und außerschulischen Autor(inn)en durch ein hinreichendes technik- und Institutionen den Anschluß an die internationalen kulturwissenschaftliches Reflexionsniveau, um Chan­ Standards zu bewerkstelligen. cen und Risiken von Digital-, Hypertext- und lntranet­ Angesichts der nicht selten monoton geführten /lnternet-Technologien abwägen zu können. Zum ei­ Debatte unter Experten um den Umbau des Erzie­ nen wird hier an Vertreter(innen) nicht-technischer hungwesens gewinnt der Gesichtspunkt der Bil­ Disziplinen appelliert, sich nicht kategorisch den On­ dungsinnovation mittels neuer Medien durch die line-Medien zu verschließen. Zum anderen können Stellungnahmen an Kolorit. Unter den Referenten ist die Autor(inn)en das didaktische Potential von Multi­ unbestritten, daß der Bildung im Übergang von der media veranschaulichen. Sie beschränken sich nicht Industrie- zur Wissensgesellschaft eine Schlüssel• auf autonome, autodidaktische Prozesse unter Nut­ stellung zukommt. Die Mehrzahl der Statements geht zung frei zugänglicher Angebote aus dem Netz; viel­ nicht nur angemessen programmatisch der Frage­ mehr berücksichtigen sie gerade auch institutionelle stellung nach, welche Zielsetzungen aus der Trans­ und didaktisch extra für Online-Medien konzipierte formation zur Wissensgesellschaft für eine Bildungs­ Lehr-/Lernprogramme. Die Aufsatzsammlung ist in reform erfolgen, mithin welche Funktionen den elek­ besonderer Weise als einführende Lektüre zu Fragen tronischen Medien zuzuschreiben sind, sondern sie des multimedialen Lernen und Lernens brauchbar. geben ferner erstaunlich konkret kund, wie einzelne Christian Filk, Köln Wegmarken zur Modernisierung des föderalen Bil­ dungssystems aussehen sollen. Aufgrund des ge­ steigerten Handlungsbedarfs üben die Beteiligten Jürgen Felix u.a. (Hrsg.) zumindest deklamatorisch den gesellschaftspoliti­ Radioästhetik- Hörspielästhetik. schen Schulterschluß, um die Einführung neuer Me­ (= Augenblick - Marburger Hefte zur dien in Schulen voranzutreiben. Jedoch werden sich Medienwissenschaft, H. 26). die Verantwortlichen an der Entschiedenheit und Marburg: Schüren-Presseverlag 1997, 102 Seiten. Ernsthaftigkeit ihrer Auslassungen zu einem gesamt­ gesellschaftlichen Bildungsimpuls messen lassen Der Hörfunk wird in seinen künstlerischen Aus­ müssen. Hierbei geben nicht zuletzt die deprimieren­ drucksformen sowohl in den an ästhetischen Fragen den Ergebnisse aus solch konzertierten Aktionen der orientierten und sich in erster Linie mit Film und Fern­ Vergangenheit genügend Anlaß zur Skepsis. sehen beschäftigenden Medienwissenschaften meist Am Ende des Jahrzehnts ist »Medienkompetenz« nur am Rande behandelt und von publizistikwissen­ in der Informationsgesellschaft zur vielgebrauchten, schaftlicher Seite in seinen massenwirksamen und nicht selten leeren Leitvokabel geworden. Der Sam­ quasi industriell und teilweise computergenerierten melband »Studieren und Forschen im Internet«, der Gattungen und Formaten betrachtet. Insofern ist die editorisch von Gudrun Gross, Uwe Langer und Rudolf 26. Ausgabe der »Marburger Hefte zur Medienwis­ Seising verantwortet wird, vereint informationstech­ senschaft« auf jeden Fall zu begrüßen, die sich die­ nologische, kommunikationsphilosophische, kultur­ ser vernachlässigten Thematik annimmt. Die »aktu­ wissenschaftliche sowie mediendidaktische Beiträge ellen Positionsbestimmungen« (S. 5) von Programm­ zur computergestützten Aus-, Fort- und Weiterbil­ verantwortlichen und Redakteuren - Ulrich Gerhardt, dung. Die Anthologie dokumentiert eine gleichlauten­ Christoph Buggert, Monika Klostermayer und Jürgen de Veranstaltung der sozial- bzw. informatikwissen­ Naleppa waren bis auf Buggert, der noch beim Hes­ schaftlichen Fakultät der Universität der Bundeswehr sischen Rundfunk die Abteilung Hörspiel und Pro­ München vom Dezember 1996. duktion Hörfunk leitet, in führender Position einstmals Die Autor(inn)en geben einen Überblick über Ent­ hauptamtlich für das Hörspiel in öffentlich-rechtlichen wicklung und Anwendung der Computer- und Netz­ Anstalten verantwortlich, und die Auseinanderset­ werktechnologie, erläutern standardisierte Multime­ zung mit den schon längerfristig in Gang befindlichen dia-Adaptionen, Profile von Internet-Usern, Netzkultu­ Entwicklungen sind jedoch gespeist von Ressenti­ ren und -sprachen. Anhand von Beispielen aus Wis­ ment gegen den »Apparat« und nicht von dem Be­ senschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft ma­ mühen herauszufinden, warum ästhetisch ambitio­ chen sie auf die stetig wachsende Bedeutung der nierter Rundfunk, künstlerische Hörfunkproduktionen vernetzten Kommunikation aufmerksam. Der Anpas­ einen so schweren Stand haben. Gerhardt und Klo­ sungsdruck in der nachindustriellen Gesellschaft er­ stermeyer setzen sich angesichts der konstatierten fordert den schnellen und jederzeitigen Zugriff auf Heimatlosigkeit für eine nicht mehr in das normale 168 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Hörfunkprogramm integrierte und innerhalb des forschung der elektronischen Medien, des Hörfunks Rundfunks distributierte akustische Kunst ein. Aus zumal, beteiligen solle. Anders Karl Prümm und der Binnensicht sind neben einem kurzen Abriß der Reinhold Viehoff: Sie tragen Ergebnisse derartiger Featuregeschichte noch drei Werkstattberichte ein­ Bemühungen aus ihrem jeweiligen spezifischen Er­ gefügt, von Hermann Naber über seine »Herr der fahrungshintergrund bei. Letzterer entwickelt aus sei­ Ringe«-Produktion, von Herbert Kapfer über »Pop im ner langjährigen Beschäftigung mit Schriftsteller und Hörspiel« und von Alfred Behrens über eine »Tonrei­ Rundfunk ein Begriffsinstrumentarium, um das kom­ se durch Manhattan«, alle drei sehr speziell und plexe Wechselverhältnis zu analysieren, beschreibt kaum in der Lage, den mit den neueren Entwicklun­ verschiedene Funktionen der Beteiligten und bezieht gen nicht Vertrauten Genaueres und Repräsentatives sie aufeinander. Der gegenwärtig mehr denn je auf über das Hörspiel zu vermitteln. arbeitsteilig organisierte Produktion, Werbung und So treten neben die Sichtweisen »von innen« Distribution seines Werks angewiesene Schriftsteller zwei Beiträge »von außen« (S. 5), die eine Be­ übernehme auch im Kontakt mit den elektronischen standsaufnahme des Hörfunks als Medium der Töne Medien mehrere und nur teilweise bewußt übernom• und der gesprochenen Sprache vornehmen und zu mene »Handlungsrollen«. Sie griffen einerseits weit einer ausgewogeneren Bewertung der zweifellos vor­ über die meist singulär und voluntaristisch konzipierte handenen Problematik gelangen, warum gegenüber Vorstellung vom »Brotberuf« des Literaten als Jour­ früheren Jahrzehnten im Hörfunk künstlerische For­ nalist bzw. Redakteur hinaus. Andererseits sei die men des Radios heute einen schweren Stand haben. Funktion von »Literatur« (im weitesten Sinne) für den Knut Hicksthier berichtet - wie immer umfassend in­ Rundfunk zu vielseitig, als daß sein Engagement für formiert und vielfältige Aspekte integrierend - über sie auf die Vorstellung vom generösen Mäzenaten• die Ursachen und auch die möglichen Folgen des tum reduziert werden könne. Was die Folgerungen Funktionswandels des Radios und raisoniert darüber, angeht, führt Viehoff nur punktuell einige Beispiele inwieweit angesichts der immer schon vorhandenen an, ausführlicher werden die zahlreichen Bezugs­ Randständigkeil der Radiokunst gar ihr möglicher to­ punkte der Autoren zur Arbeit für den Rundfunk be­ taler Verlust vermieden werden könnte: »Natürlich schrieben. Sie werde in ihren Werken häufig themati­ droht deshalb nicht gleich der Untergang der westli­ chen Kultur« (S. 18), aber durchaus negative Folgen siert, beeinflusse ihre ästhetischen Verfahren und für die Qualität »Sinnstiftung« im Hörfunk, die dann Schreibstrategien und führe häufig auch dazu, daß von anderen Medien übernommen werden müsse, ganz bestimmte Stoffe überhaupt in Angriff genom­ sowie die Weiterentwicklung der »Gebrauchsästhe• men würden. tik« im Hörfunk. Horst Ohde plädiert ebenfalls für den Abseits von derartigen Konzeptualisierungen prä• Erhalt des künstlerischen Anspruchs im Radio und sentiert Karl Karst eine konventionelle biografische die Weiterentwicklung des Hörspiels, auch im Rah­ Skizze über den jungen Günter Eich, die an ihrem men der unabänderlichen Bedingungen der dualen Schluß auf zwei Seiten seine Rundfunkarbeit, seine Rundfunkordnung. Hickethier und Ohde stimmen der Hörspiele anspricht. Die Feststellung, daß »das Hör• Ansicht zu, daß über die klassische Programmver­ spiel als das formale Äquivalent der Ästhetik Günter breitung hinaus, künstlerische Hörfunkproduktionen Eichs« erscheine »und als ihre wirkungsreichste Um­ und Hörspiele distributiert und vermarktet werden setzung« (S. 54), wäre gerade mit einem den Vor­ sollten. Die von · Ohde attackierte bürokratische stellungen von Viehoff vergleichbaren Ansatz näher Schwerfälligkeit und das mangelnde Interesse an zu belegen. wirtschaftlicher Weiterverwertung seitens der Rund­ Einen Ausschnitt aus der für die 20er Jahre typi­ funkanstalten hat inzwischen offensichtlich einer fle­ schen, auch unter den Literaten verbreiteten Diskus­ xibleren Haltung Platz gemacht. Es ist zu hoffen, daß sionen um das neue Medium Hörfunk gibt Karl diese auch den ambitionierten Radiogattungen bei Prümm. Die Unmittelbarkeit der anfangs hochge­ kreativer Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten rühmten Gleichzeitigkeit und Teilhabe aller an jedwe­ zugute kommt. dem Geschehen durch das Radio habe sich nach Edgar Lersch, Stuttgart stürmischen Anfangsjahren erschöpft und sei - Prümm belegt dies mit einem prophetischen Beleg aus dem Ende der 20er Jahre, die den Kern seiner Helmut Kreuzer (Hrsg.) Untersuchung darstellt - auf Gleichförmigkeit und Radio. Beherrschung der Massen, auf Gleichschaltung hin­ (=Zeitschrift für Literatur und Linguistik, H. 111). ausgelaufen. Die Intellektuellen erwarteten mehr vom Stuttgart/Weimar: Metzler 1998, 168 Seiten. Radio und fanden unter anderem in dem durch die Tonfilmtechnik möglichen Aufzeichnungsverfahren Der Schwerpunkt dieses vermutlich mit Blick auf das Anschluß an die spezifisch gebrochene Wirklichkeits­ 75jährige Rundfunkjubiläum (Oktober 1998) konzi­ aneignung der Avantgarde (z.B. die Montagetechni­ pierten Heftes liegt - der Herausgeber legt dies nahe ken, wie sie auch der Film entwickelt hatte), die die - auf dem Wechselverhältnis, dem Zusammenspiel Rundfunkästhetik und Programmroutinen stark ver­ von Literatur und Hörfunk. Dabei ist Harro Zimmer­ ändert und neue Gattungen ermöglicht habe. manns Erwartungen weckender Beitrag »Radio - Leider steht auch Horst Pöttkers Beitrag über die Modernisierung der Sinne« nicht mehr als ein em­ von ihm beobachtete, wohl kaum beabsichtigte »Wi­ phatisch formuliertes, allerdings Bekanntes ins Feld derständigkeit« der dem Anspruch von Authentizität führendes Plädoyer dafür, daß die am geschriebenen und den klassischen Regeln folgenden Reportage im Text orientierte Literaturwissenschaft sich an der Er- nationalsozialistischem Rundfunk ohne Bezug zum Rezensionen 169

Aufsatz von Prümm, was sich ebenfalls angeboten liegt wiederum gesellschaftlichen Rahmenbedingun­ hätte. Eingestandenermaßen muß Pöttker den Be­ gen, die die Relation der Extreme zueinander deter­ weis schuldig bleiben, ob dieses von ihm beobach­ minieren. Gegenüber dem klassischen Kommunikati­ tete Moment auch in der zeitgenössischen Rezeption onsmodell aus Sender, Botschaft und Empfänger, so erfahren wurde. Auch bleibt fraglich, ob seine - das in seiner elaborierten Form allerdings auch schon wie ebenfalls eingeräumt - ex-post formulierten Ein­ von der Wechselwirkung seiner Faktoren ausging, sichten für eine Wiederbelebung der Gattung im heu­ hat das Dispositiv-Modell die Materialität der Kom­ tigen Hörfunk brauchbar sind. munikation mit im Blick, d.h. die Konstellation von Konrad Dussel behandelt in seinem Beitrag die Mensch und Apparat im Raum als wesentlicher Be­ Nachkriegszeit: Er präsentiert mit anderen methodi­ dingung der Perzeption von Inhalten. schen Verfahren auf dem Weg zu einer Programm­ Ausgehend von diesem Modell thematisiert der und Rezeptionsgeschichte des Hörfunks (von 1923 Autor die Nutzung des Mediums Rundfunk in der bis 1961) aus seinen Forschungen einen Ausschnitt, Frühzeit seiner Entwicklung, also in einer Zeit, als - der auf der Basis von Programmstatistiken und Pro­ zumindest in Deutschland - keine empirische Hörer• grammstrukturanalysen das vielfältige Programman­ forschung betrieben wurde. Damit ist das Problem, gebot aufschlüsselt und Vergleiche zieht zwischen mit dem sich der Autor konfrontiert sah, schon ange­ sprochen: Die Quellen, - die für eine Organisations­ dem Hörfunkangebot einer westdeutschen Landes­ geschichte des Rundfunks mit den staatlichen Akten rundfunkanstalt und dem DDR-Rundfunk im Jahr vorliegen, für eine Programmgeschichte wenigstens 1958, kurz vor dem Beginn des Fernsehzeitalters. noch in Form der schriftlichen Überlieferung in Pro­ Pauschal zusammengefaßt kommt er zu dem Ergeb­ grammausdrucken, Quellen also, die es dem For­ nis, daß der DDR-Hörfunk erheblich unterhaltungs­ scher erlauben, auf harte Daten und objektivierbare orientierter als der WDR war. Fakten zurückzugreifen -, fehlen für die frühe Ge­ Knut Hickethier berichtet über Tendenzen des schichte der Radionutzung fast vollständig. Die Stu­ Hörspiels in den 90er Jahren und ist im Ergebnis sei­ die muß sich daher auf Quellen stützen, die indirekt ner Darlegungen der These nicht abgeneigt, daß sich etwas über die Nutzung aussagen: Rundfunkzeit­ das Hörspiel aus dem institutionellen und programm­ schriften, Werbematerial, Erinnerungsberichte, zeit­ liehen Kontext des Rundfunks wenigstens teilweise genössische Statistiken. Das Material der Studie be­ lösen müsse. Und Sibylle Bolik tritt dafür ein, der steht somit im Sprechen über den Rundfunk im wei­ nachgerade verächtlich angesehenen sogenannten testen Sinne - auch Bilder gehören dazu -, und die­ Literaturadaption im Hörspiel wie der Literaturverfil­ ses »Reden über« wird einer Diskursanalyse unter­ mung zu eigener Dignität zu verhelfen. zogen. Diskurs wird hier verstanden als Tatsache sui Was das Gesamturteil über dieses Lili-Heft an­ generis, aus der sich jener »soziale Sinn [erschließt], geht, so hätte eine sorgfältigere Planung und Aus­ der der Nutzung des Radios zugrunde liegt.« (S. 33) wahl bzw. eine straffere Redaktion der vermutlich in Sein spezielles Erkenntnisinteresse formuliert der sehr unterschiedlichen Kontexten entstandenen Ar­ Autor mittels der Ausdifferenzierung des Begriffs »Er­ beiten dazu beigetragen, daß der sich aufdrängende scheinung«, womit sich dem Leser gleichzeitig der Eindruck allzu großer Beliebigkeil vermieden worden Buchtitel erschließt. Es geht ihm um den Rundfunk wäre. Dann wäre das Heft als Ganzes auch eher da­ als Gegenstand des Hörensagans vor und während zu geeignet, daß »die Beiträge ( ... ) teils als knappe seiner Einführung, um seine sinnlich-konkrete Exi­ Überblicksversuche, teils als Detailforschungen nutz­ stenz in der Form der Geräte, die an bestimmten Or­ bare Vorarbeiten bzw. potentielle Bausteine« (S. 6) ten aufgestellt sind und durch ihr Sosein die Rezepti­ für eine in der Tat noch nicht den gesamten Zeitraum onssituation bestimmen, um die Programmatik des seiner Existenz umfassende Programmgeschichte Rundfunks und schließlich um dessen Omnipräsenz des Radios in Deutschland herangezogen werden als »unhinterfragtes Element des Alltags«. könnten. Während das Modell des Mediums als Dispositiv Edgar Lersch, Stuttgart mit der Diskursanalyse, die es als solches metho­ disch erschließt, theoretisch durchaus zusammen­ stimmt, ist die Redeweise von der »Erscheinung«, Carsten Lenk deren Mehrdeutigkeit zudem noch gepriesen wird, ein Die Erscheinung des Rundfunks. störendes Element, daß glücklicherweise im Verlauf Einführung und Nutzung eines neuen Mediums der Arbeit auch nicht wieder aufgegriffen wird. 1923 - 1932 (= Konzeption Empirische Richtig bemerkt der Autor, daß keine seiner Literaturwissenschaft, Bd. 10). Quellen »historische Medienpraxis« beschreibt, son­ Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, 304 Seiten. dern alle nur an einem Diskurs über die Nutzung des Rundfunks mitschreiben. Dennoch gibt es Beziehun­ Das Buch hat in Fachkreisen eine zustimmende, teil­ gen zwischen der Realität des Radiohörans und dem weise sogar eine begeisterte Aufnahme gefunden, Diskurs über den Rundfunk. Ganz allgemein: Je we­ Mit Recht, denn es ist eine höchst anregende Arbeit. niger das Medium verbreitet ist, desto mehr wird über Theoretischer Ausgangspunkt ist die Auffassung des seine Möglichkeiten spekuliert. Und: je alltäglicher Mediums als eines Dispositivs, womit ein »Struktur­ der Rundfunk wird, desto weniger wird über ihn ge­ modell für Rezeptionsprozesse« gemeint ist, in dem schrieben. Pointierter: die alltägliche Nutzung bildet Apparat (im materialen Sinne), Programm und Sub­ im Diskurs über den Rundfunk eine Leerstelle. Die­ jekt (Hörer) in einem Verhältnis wechselseitiger Be­ sen Bogen schlägt der Autor zwar auch (S. 256), aber dingtheit stehen. Dieses Beziehungsgeflecht unter- er macht ihn nicht für die Interpretation fruchtbar. Das hieße nämlich, nicht nur einander widersprechende 170 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Diskurselemente gegeneinander abzuwägen, son­ tungsforschung in Dortmund gestartet und seitdem dern die »Leerstellen« im Diskurs mit Fakten aufzu­ mit Jahresbänden 1985 (für 1934), 1987 (für 1935) füllen. Da dies nicht geschieht, werden Phänomene und 1993 (für 1936) fortgesetzt -, liegt nunmehr der wie beispielsweise der ursprünglich geplante Saal­ Jahresband in vier Teilen mit den Anweisungen für funk oder die späteren Hörgemeinden in ihrer Be­ 1937 vor. Wie schon die Vorgängerbände gibt auch deutung über- oder sogar fehlinterpretiert. Der Saal­ diese Edition einen intensiven und aufschlußreichen funk scheiterte nicht an den »Verheißungen des Pri­ Einblick in die Praxis nationalsozialistischer Lenkung vatempfangs« (S. 254), sondern an der technischen der gedruckten Tagesmedien. Gegebenheit des Kopfhörerempfangs. Und der Grund Rund 3 000 Anweisungen und damit mehr als für die Saalfunkplanung lag im Kontrollbedürfnis poli­ dreimal so viele wie 1934 sind für die Edition aus ver­ tischer Instanzen und nicht im Anknüpfen an Formen schiedenen, im Bundesarchiv überlieferten Samm­ bürgerlicher Öffentlichkeit. lungen ediert. Sie wurden von einer Handvoll mutiger Dies sind kleine Ungenauigkeiten an Stellen, wo Journalisten großer überregionaler Blätter, die nicht die Diskursinterpretation zu wenig zu den im Modell in der Reichshauptstadt erschienen, in den 30er Jah­ im Prinzip mitgedachten politisch-gesellschaftlichen ren zusammengetragen. Knapp die Hälfte haben die und technischen Bedingungen rückvermittelt ist. Es Hauptstadtkorrespondenten der >Frankfurter Zeitung< kann auch sein, daß die Vielzahl der Theorien, auf hinterlassen. Statt ihre Aufzeichnungen, die die die der Autor sich bezieht, ihn in der Interpretation ein Grundlage ihrer (Heimat-)Redaktionen für die Be­ Stück weit fehlleitet. richterstattung bildeten, umgehend zu vernichten, wie Disparate Theorien überwuchern auch den es eine Anweisung aus dem Propagandaministerium Schlußteil der Arbeit. Sehr konkret wird noch der Zu­ gebot, haben einige Zeitungskorrespondenten diese sammenhang zwischen alltäglichen Zeitstrukturen Texte aufgehoben und über die Wirren des Zweiten und der Programmstruktur aufgezeigt, ebenso die Weltkriegs und der Nachkriegszeit hinaus gerettet. tendenzielle Formierung der Freizeit durch den Außenpolitisch standen 1937 der spanische Bür• Rundfunk. Die Aktualisierung des Radioprogramms gerkrieg, der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt, und dessen Auswirkung auf die Wirklichkeitswahr­ nehmung der Hörer sowie die Funktion gesellschaftli­ den Deutschland und Japan im Vorjahr abgeschlos­ cher Integration, die das Medium zunehmend über• sen hatten, und der Besuch des italienischen Faschi­ nimmt, werden nicht mehr schlüssig aus dem Material stenführes und Regierungschefs Benito Mussolini im herausgearbeitet, sondern das Material gerinnt mehr Reich im Vordergrund. Bereits zu Anfang des Jahres und mehr zur Illustration verschiedener theoretischer waren Ereignisse in Spanien Themen der Presselen­ Versatzstücke. Dabei wird der Diskurs, der die Ent­ kung: So sollten die Journalisten die Aufbringung ei­ wicklung des aktuellen Rundfunks von der Faszinati­ nes Schiffs der spanischen republikanischen Regie­ on der bloßen Raumüberwindung bis hin zum publizi­ rung (einmal als »roter spanischer Dampfer«, dann stischen Medium kritisch begleitete, bis zur Unkennt­ als »spanischer roter Dampfer« bezeichnet) nicht in lichkeit zerrissen. Phänomene, die ganz verschiede­ großer Aufmachung bringen und dann nur auf der nen Entwicklungsphasen angehören, etwa die Belie­ zweiten Seite ihrer Blätter. Einen halben Monat spä• bigkeit von Reportagethemen 1924, als es nur um die ter wurden die Journalisten belehrt, »daß es nur eine Raumüberwindung ging, und das gleiche Phänomen Regierung in Spanien gibt, nämlich die Nationalregie­ Anfang der 30er Jahre, als die politische Situation die rung Franco. ( ... ) Es soll auch nicht heißen >rote Re­ Reportage zur leeren Form verkommen ließ, werden gierung [in Valencia]<, sondern >bolschewistische in eins gesetzt. Machthaber<.« Die Bombardierung von Guernica Diese kritischen Bemerkungen sollen den Reiz durch deutsche Flugzeuge im April wurde natürlich des Buchs nicht unterschlagen: Weit verstreutes Ma­ den »Roten«, dieser Regierung von »Banditen und terial rund ums Radio, das üblicherweise Gegenstand Strolchen«, in die Schuhe geschoben und ein Be­ verschiedener Teildisziplinen ist, wird hier in einem richterstattungsverbot darüber verhängt, daß eine Buch zusammengeführt und für die Interpretation des internationale Kommission zur Untersuchung der Mediums unter einem umfassenden Leitmodell (Dis­ Vorfälle in Guernica eingesetzt werden sollte. Als positiv) fruchtbar gemacht. Die hier und da fehlende Anfang November vereinzelt Zeitungen über den be­ Konsistenz ist dem - gegenstandsadäquaten - um­ vorstehenden Beitritt Italiens zum Antikominternpakt fassenden Ansatz geschuldet. berichteten, wurden sie zunächst zurückgepfiffen, Renate Schumacher, Frankfurt am Main weil »man in einer derartig behutsamen und großen Sache nicht einfach ausländische Meldungen über• nehmen [kann] (... ), ohne daß man sich vorher über• Hans Bohrmann/Gabriele Toepser-Ziegert (Hrsg.) zeugt hat, ob eine Veröffentlichung an amtlicher NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit: 1937. Stelle erwünscht ist.« Als die Zeitungen darüber Edition und Dokumentation, Bd. 5, I- 111; schreiben durften, sollte nicht von »Pakt«, sondern Register, Bd. 5, IV. von »Abkommen« die Rede sein, und sie sollten dar­ München: Verlag K. G. Saur 1998, 1046 Seiten, auf achten, nicht ausdrücklich zu erklären, »daß das 224 Seiten. Abkommen sich nicht gegen Rußland« wendet. Den­ noch war »Italiens Kampf gegen den Bolschewismus Fünf Jahre, nachdem die nationalsozialistischen besonders« zu würdigen. Presseanweisungen der Vorkriegszeit für das Jahr Die innenpolitische Berichterstattung wurde von 1936 erschienen sind - das Editionsunternehmen den Problemen bei der Umsetzung des Vierjahres­ wurde 1984 für das Jahr 1933 beim Institut für Zei- planes beherrscht - vom Rückgang der Arbeitslosig- Rezensionen 171 keit auf unter eine Million, vom beginnenden Arbeits­ Margot Hamm u.a. (Hrsg.) kräftemangel in der Landwirtschaft, wo annähernd Der Ton. Das Bild. 400 000 Arbeitskräfte fehlten, und vom Anstieg der Die Bayern und ihr Rundfunk 1924 - 1949 - 1999. Lebenshaltungskosten. ln diesem scheinbar so fried­ Begleitbuch zur Ausstellung des Hauses der lichen Jahr 1937 - ein Jahr nach den Olympischen Bayerischen Geschichte und des Bayerischen Spielen in Garmisch und Berlin - setzte - als Vorbote Rundfunks (= Veröffentlichungen zur Bayerischen eines bevorstehenden Krieges? - die Propaganda Geschichte und Kultur, Bd. 40/99). um die »Volksgasmaske« ein, deren Anschaffung je­ Augsburg: Haus der Bayerischen Geschichte 1999, dem Deutschen zur Pflicht gemacht wurde. ln diesem 342 Seiten. Zusammenhang fand in Berlin eine Luftschutzübung statt, über die die Presse unter Beachtung der ge­ Am 30. März 1924 nahm die Deutsche Stunde in setzlichen Vorschriften unter Vorzensur vom Ort des Bayern - Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Geschehens sollte berichten dürfen. Ob die Presse Unterhaltung mbH in München als dritte regionale überhaupt und wie sie darüber berichtet hat, geht aus Programmgesellschaft im Deutschen Reich - nach der Dokumentation leider nicht hervor. Ihr ist nur zu der Deutschen Stunde mbH in Berlin (später Ra­ entnehmen, daß das Reichsluftfahrtministerium die dioStunde bzw. Funkstunde) und der Mitteldeutschen geplante Fahrt mit 35 Redakteuren während des Rundfunk AG in Leipzig - ihren Sendebetrieb auf. Am 1. Oktober 1948 trat das vom Bayerischen Landtag Fliegeralarms rückgängig gemacht hat. am 10. August des Jahres beschlossene »Gesetz Natürlich ist auch die Berichterstattung der Ta­ über den Bayerischen Rundfunk. Anstalt des öffentli• gespresse über die anderen Medien und über sich chen Rechts« in Kraft. Die neue Rundfunkanstalt selbst Gegenstand der nahezu täglichen Anweisun­ wurde am 25. Januar 1949 mit einer Lizenzurkunde gen gewesen. So finden im März 1937 der Personal­ der amerikanischen Besatzungsmacht den Deut­ wechsel an der Spitze der Rundfunkabteilung des schen übergeben. An diese Ereignisse vor 75 bzw. Propagandaministeriums und die Berufung eines 50 Jahren erinnern das Haus der Bayerischen Ge­ Generaldirektors der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft schichte und der Bayerische Rundfunk in einer Aus­ mehrmals ihren Niederschlag in den Anweisungen. stellung, die vom 13. April bis zum 4. Juli im Münche• Die Journalisten sollten diese Vorgänge zwar kom­ ner Funkhaus und vom 22. Juli bis zum 17. Oktober mentieren dürfen, sie sollten dabei aber die Verdien­ 1999 im Museum für Post und Kommunikation in ste von Horst Dressler-Andress - aber nicht als bis­ Nürnberg zu sehen ist bzw. zu sehen sein wird. Die heriger Leiter der Abteilung Rundfunk, sondern für zweite Ausstellungsstation will daran erinnern, daß »die gesamte Aufbauarbeit von >Kraft durch Freude<« Nürnberg bereits 1924 einen Nebensender erhielt - würdigen. Nicht erwünscht waren ruinöse Kritik an und daß von hier aus wenig später eigene Sendun­ der Rundfunkwirtschaft, Kommentierung des Reichs­ gen in das bayernweite Rundfunkprogramm einge­ gerichtsurteils im Rundfunkprozeß oder Veröffentli• speist wurden. chungen über Funksendeanlagen und den Drahtfunk. Dankenswerterweise haben sich die Veranstalter Einige Male betätigten sich die Presselenker als dazu entschlossen, sich nicht allein auf die Präsenta• Sprachpuristen, als sie den Journalisten vorschrie­ tion von Dokumenten - Fotos, Faksimiles, Film- und ben , immer den Begriff »Rundfunk« zu verwenden Tonmaterialien, Empfangsgeräte, Requisiten- in der statt der »nackten Worte >Radio< oder >Funk«<. Ausstellung zu beschränken und sie damit nur den Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, mußte aus Besuchern vor Ort zugänglich zu machen, sondern finanziellen Gründen, von den bewährten Editi­ auch ihre weitergehenden Rechercheergebnisse der onsprinzipien der Vorgängerbände abgewichen wer­ Nachwelt in gedruckter Form zu erhalten. Daraus ist den, Anweisungen und deren Umsetzung in konkre­ ein Begleitbuch entstanden, das einerseits die Ge­ ten Zeitungsartikeln hintereinander zu dokumentie­ schichte und Gegenwart des Rundfunks in Bayern ren. Dies soll eigens herausgegebenen Bänden vor­ aufarbeitet und andererseits das in der Ausstellung behalten bleiben, so daß erst dann ein Einblick in das zu Sehende per Beschreibung dokumentiert. tatsächliche Ausmaß der Presselenkung im Jahr Nach den Geleitworten des Intendanten des 1937 möglich wird. Statt dessen sind zu etlichen Bayerischen Rundfunks (BR) Albert Scharf und des Pressekonferenzen die Berichte mehrerer Journali­ Direktors des Hauses der Bayerischen Geschichte sten an ihre Redaktionen nacheinander abgedruckt. Claus Grimm, die die Ausstellung und Buchveröffent• Dafür aber läßt der Registerband mit einem Zeitungs­ lichung »als ersten Schritt einer künftig noch zu er­ und Zeitschriftenregister, Personenregister, Verzeich­ stellenden umfassenden Geschichte des Bayerischen nis der Sprecher in der Pressekonferenz, Sach- und Rundfunks« (Scharf, S. 5) werten, bzw. als »Anre­ Ortsregister sowie Quellenverzeichnis keine Wün• gungen« für eine »ausgreifende wissenschaftliche sche offen. Zu hoffen ist, daß nach dem Erscheinen Recherche« (Grimm, S. 6) folgen mehr als 40 Beiträ• der Quellentexte bis zum Beginn des Zweiten Welt­ ge von zumeist Mitarbeitern des BR in vier Kapiteln kriegs, wie es derzeit geplant ist, die ergänzenden (»Ein Massenmedium in Staat und Gesellschaft«, Bände auch bald erscheinen können, damit auch für »Geschichte des Rundfunks in Bayern«, »Der BR die Zeit ab 1937 das vorliegt, was es bereits bis 1936 und sein Programm«, »Der Bayerische Rundfunk und gibt: eine Edition, die das tatsächliche Ausmaß der sein Publikum«), der (Ausstellungs-)Katalog und eine Pressegängelung bis zum 1. September 1939 erken­ Chronik des Rundfunks in Bayern. nen und beschreiben läßt. Den Auftakt im Artikelteil bestreitet SR-Intendant Ansgar Diller, Frankfurt am Main Albert Scharf, der sich unter der Überschrift »Dienst an der Gesellschaft. 50 Jahre Bayerischer Rundfunk - Eine Geschichte mit Zukunft« mit dem Modell öf- 172 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) fentlich-rechtlicher Rundfunk am Beispiel des BR Radiozeiten. befaßt, das Ende der 40er Jahre nur unter größtem 50 Jahre Bayerischer Rundfunk. Widerwillen deutscher (Landes-)Politiker durchge­ Stimmen, Szenen, Dokumente. 2 CDs. setzt werden konnte. Scharf zitiert in diesem Zusam­ Konzept, Realisation und Dokumentation: menhang den von ihm nicht namentlich genannten Klaus Weisenbach. Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden, Rein­ München: TR-Verlagsunion 1999. hold Maier, der bei der Übergabe von Radio Stuttgart am 22. Juli 1949 resignierend meinte, er könne sich 1998 und 1999 waren (und sind) zwei wichtige Jubi­ nicht vorstellen, »daß eine Radiostation im Grunde läumsjahre für den Rundfunk in Deutschland: vor 75 niemand gehöre, daß niemand eine Verantwortung Jahren - am 29. Oktober 1923 - nahm der Rundfunk trage, und daß niemand einen Einfluß auszuüben ha­ in Berlin seinen Sendebetrieb auf, Sendegesell­ be.« (S. 19). Gemessen an dieser Skepsis, so der schaften in München, Leipzig, Frankfurt am Main, Tenor von Scharfs Beitrag, sei das öffentlich• Stuttgart sowie Harnburg folgten im ersten Halbjahr rechtliche Rundfunksystem eine Erfolgsgeschichte 1924. Und vor 50 Jahren (1949) wurden viele der gewesen - trotz Anfechtungen der Politik -, weil das heute noch bestehenden ARD-Rundfunkanstalten Bundesverfassungsgericht »in wohl absichtsvoll ste­ von den Alliierten in deutsche Hände übergeben. reotyper Eindringlichkeit« den Ländern aufgegeben Aber nur der Bayerische Rundfunk (BR) nahm dies habe, »den Rundfunk staatsfrei zu organisieren und zum Anlaß, mit einer großen Ausstellung im Münch• gesetzliche Vorsorge zu treffen, daß dieser Rundfunk ner Funkhaus (samt Katalog), mit zahlreichen Radio­ nicht politischer oder sonstiger [ökonomischer] Macht und Fernsehsendungen, einer für Oktober 1999 an­ ausgeliefert werde.« (S. 20) Es folgen Beiträge aus gekündigten umfangreichen Publikation »Vom Sen­ der Feder u.a. der SR-Direktorinnen Gabriele v. despiel zur Medienkunst Die Geschichte des Hör• Watzdorf bzw. Jutta Lowag zu juristischen, politi­ spiels im BR 1949 - 1999« sowie einer Doppel-CD schen. ökonomischen und programmliehen Aspekten, »Radiozeiten. 50 Jahre Bayerischer Rundfunk« die­ die die Rolle des Rundfunks in Staat und Gesell­ ses Jubiläum eingehend zu feiern. Die Vorstellung, schaft beschreiben. daß in Bayern doch ein größeres Bewußtsein von der Wie sich das Medium seit seiner Gründung ent­ Bedeutung der (eigenen) Geschichte besteht als im wickelt und gleichzeitig in den vier Epochen der übrigen Deutschland, ist da nicht von der Hand zu (west)deutschen Geschichte verändert hat, ist neun weisen. Aufsätzen zu entnehmen, die sich mit den organisato­ Die »Radiozeiten« beginnen mit einem Ausschnitt rischen, aber auch technischen Grundlagen befas­ aus der Rede des ersten Intendanten des Bayeri­ sen. Die Darstellung der Hörfunk- und Fernsehpro­ schen Rundfunks, Rudolf von Scholtz, anläßlich der gramme haben sich die SR-Direktoren Thomas Gru­ Übergabe des Senders in deutsche Hände (25.1. ber und Gerhard Fuchs vorbehalten, die sie in ihrer 1949) und enden mit einer Collage zur 500. Sendung 50jährigen Nachkriegsentwicklung in groben Zügen des »Tagesgesprächs« (28.10.1997). Die zweite CD beschreiben. beginnt mit dem Zwischenspiel aus dem »Capriccio« Der größte Platz im Buch wurde einzelnen von Richard Strauss, dirigiert vom Komponisten Aspekten des Programms eingeräumt - sie reichen selbst (1949) und endet mit einem Gespräch, das Mi­ von den Nachrichten im Hörfunk und im Fernsehen, chael Stürmer mit dem früheren amerikanischen Au­ über das Korrespondentennetz in Bayern und im ßenminister Henry Kissinger über die Stellung des Ausland, die Landespolitik und Reportagen, Mundart­ wiedervereinigten Deutschland in Europa führte sendungen und Volksmusik, das Studienprogramm, (1997). Es ist nicht klar erkennbar, nach welchen Ge­ aus dem das dritte Fernsehprogramm hervorging, bis sichtspunkten sich die erste CD von der zweiten un­ zu Hörspiel und Fernsehspiel, Musikprogrammen und terscheiden soll, wenn man davon absieht, daß sich Klangkörpern des BR; auch das Schallarchiv und das auf der zweiten eher die »Hochkultur« befindet, also Fernseharchiv dürfen sich vorstellen. Das dem Publi­ Ausschnitte aus Hörspielen (z. B. »Apocalypse kum vorbehaltene Kapitel enthält u. a. Beiträge zur now«) , Lesungen (»Felix Krull«, gelesen von Thomas Medienforschung von den Anfängen bis zu Gegen­ Mann), Vorträge (»Werden wir richtig informiert?«, wart und zu öffentlichen Veranstaltungen. Karl Jaspers) oder Probenmitschnitte (Eugen Jochum Fürwahr, es ist eine »Festschrift« (Scharf, S. 5) und Rafael Kubelik). Aber auch auf der ersten CD entstanden, die solide Daten und Fakten dokumen­ gibt es Vorträge (»Die Medienweit von morgen« von tiert und durch Schwarzweiß- und Farbfotos sowie SR-Intendant Albert Scharf aus dem Jahre 1994) Faksimiles illustriert. So ist eine solide Grundlage für oder Hörspiele (»Der Brandner Kaspar und das ewig' eine vertiefende Beschäftigung mit der Geschichte Leben«). Die insgesamt 62 Titel haben eine Länge des Rundfunks in Bayern geschaffen worden. zwischen einer und drei Minuten und können in vielen Ansgar Diller, Frankfurt am Main Fällen einen Eindruck von der jeweiligen Radiosen­ dung vermitteln, ob dies aber bei den doch recht zahlreichen Hörspielausschnitten ausreicht, darf be­ zweifelt werden. Was leider fast durchweg fehlt, sind Tonaufnah­ men zur politischen Entwicklung in Bayern oder auch in Deutschland - keine Aufnahme mit einem bayeri­ schen Ministerpräsidenten, keine mit einem Bundes­ kanzler, auch keine Aufnahme zur deutschen Wie­ dervereinigung - etwas überspitzt formuliert: Nach der Ablehnung des Grundgesetzes durch den Bayeri- Rezensionen 173

sehen Landtag (CD 1, Nr. 2) war das Interesse des Gleichschaltung nicht ähnliche Wirkung zeitigt« (S. BR an der Politik erschöpft. Natürlich stimmt dies 74) wie die von der SED betriebene Medienkontrolle nicht, gerade der BR hat mit der Einführung des in der DDR. Nachrichtensenders »B 5 aktuell« (1991) erfolgreiche Wie unterschiedlich die Medien in beiden deut­ Pionierarbeit für die ARD geleistet (die dann vom schen Staaten tatsächlich funktionierten, das illustrie­ MDR, SFB/ORB und vom NDR mit eigenen Nach­ ren eher unfreiwillig andere Schilderungen. Mehrfach richtenkanälen nachgeahmt wurde), gerade der BR beginnt Selbmann die Darstellung von Veränderun• hat mit der Leitung des Südosteuropa-Studios der gen des Fernsehprogramms mit einem Rekurs auf ARD in Wien die wichtige Aufgabe, seit über zehn SED-Parteitage oder Konferenzen des ZK der SED. Jahren unter schwierigsten Bedingungen über die Dem VIII. SED-Parteitag 1971 (bei dem Erich Honek­ Krise und den Krieg in Jugoslawien zu berichten - ker als Ulbricht-Nachfolger an die Parteispitze trat) auch darüber leider kein Wort auf den beiden CDs. folgten bald Programmreformen: darunter die profes­ Oder, um abschließend ein näherliegendes Beispiel sionellere Gestaltung der Nachrichten und eine ge­ zu nehmen: in Nürnberg befindet sich die Bundesan­ schicktere Agitation . Das Dokument der ZK-Abteilung stalt für Arbeit, und der BR ist auch dafür bekannt, für Agitation »Zur Arbeit des Fernsehens« vom 26. daß er fundierte Reportagen , Interviews und Kom­ Februar 1982 führte im Dezember des Jahres zur mentare zur Arbeitslosigkeit als eines der großen schärferen Profliierung beider Fernsehprogramme Probleme des heutigen Deutschland ausstrahlt - und zum Ausbau der Unterhaltung im Abendpro­ auch hiervon ist auf den CDs nichts zu hören. gramm. Die Beschreibung der Programmreform von Sicher hat Intendant Albert Scharf recht, wenn er 1982 (S . 350ft.) gehört zu den informativsten Passa­ im Vorwort des Booklets schreibt, daß der BR »seit gen des Buches. Ansonsten wird Selbmann zu selten 50 Jahren das Kulturinstitut Nr. 1 im Freistaat« ist und der Rolle des »Insiders« gerecht, als den ihn der dies auf der CD auch entsprechend dokumentiert Klappentext ankündigt. Mit der Schilderung beider wird, aber nach dem Anhören von über 140 Minuten Programmreformen belegt Selbmann die direkte Ab­ Originalton muß man fast den Eindruck gewinnen, hängigkeit des Mediums von seinen politischen Kon­ daß sich der BR für seine Leistungen auf dem Gebiet trolleuren - und damit den fundamentalen Unter­ der Information geniert. Das Konzept des »Wahren, schied zum bundesdeutschen Rundfunksystem. Schönen, Guten« wurde hier vielleicht etwas zu sehr Der Buchtitel gibt sich ambitioniert. »Wege übers in den Vordergrund gerückt und die Konflikte und Land«, ausgestrahlt Ende 1968, hieß einer der be­ Spannungen der heutigen Gesellschaft etwas zu sehr rühmten TV-Mehrteiler im DDR-Fernsehen der 60er vernachlässigt. Jahre. Große historische Bögen spannen, einzelne Walter Roller, Frankfurt am Main menschliche Schicksale mit der geschichtlichen Ent­ wicklung verbinden, der DDR in den Jahren nach dem Mauerbau eine historische Legitimation ver­ Erich Selbmann schaffen - das waren die vorrangigen Aufgaben die­ OFF Adlershof. ser Großproduktionen. »Wege übers Fernsehland« Wege übers Fernsehland. kommt mit 473 Seiten ähnlich episch daher. Mancher Zur Geschichte des DDR-Fernsehens. Exkurs über die internationale Politik oder die Bezie­ Berlin : edition ost 1998, 473 Seiten. hungen zwischen BRD und DDR wäre verzichtbar gewesen, auch wenn die ostdeutsche Medienent­ Man stelle sich vor, Ulrich Deppendorf, langjähriger wicklung zweifellos eng mit den politischen Konstel­ Chefredakteur von »ARD aktuell« in Hamburg, lationen zusammenhing. Die thematische Konzentra­ brächte seine Berufserfahrungen zu Papier. Vielleicht tion ist erkennbar der Berufsbiographie des Autors schriebe er einmal über »Unser Fernsehen«, um die geschuldet. Von Herbst 1966 bis 1978 leitete Selb­ ARD-Nachrichten von denen des ZDF zu unterschei­ mann die Redaktion der »Aktuellen Kamera«. So be­ den. Schwer vorstellbar freilich, daß sein Bericht handelt er für diesen Zeitabschnitt vorrangig die permanent von »unserem Land«, »Unserer Republik«, Fernsehpublizistik. Vom Jahresende 1978 bis Herbst ja sogar von »Unserer Innenpolitik« handelte. Es ist 1989 amtierte Selbmann als Leiter der Dramatischen das permanent gebrauchte Possesivpronomen, das Kunst und stellvertretender Vorsitzender des Staatli­ den Rezensenten an der DDR-Fernsehgeschichte chen Fernsehkomitees. Für diese Zeit gilt sein Au­ von Erich Selbmann so stört. Und es ist wohl auch genmerk bevorzugt den Fernsehfilmen, Fernseh­ die Haltung, die daraus spricht: Die DDR-Gesellschaft spielen, den auch im DDR-Fernsehen zunehmend wird rückblickend zur Einheit verklärt. Die mentale ausgestrahlten Serien und den seltener gewordenen Trennlinie zwischen »bei uns« und denen im Westen, Literaturverfilmungen. Leider beschränkt sich die hat der Autor auch sieben Jahre nach der Wiederver­ Darlegung über weite Strecken auf kurze Inhaltsan­ einigung fest verinnerlicht. gaben zu einzelnen Sendungen oder Serien. Der Zu­ Da paßt es ins Bild, wenn er das Massaker in Pe­ griff auf die Programmgeschichte des Fernsehens king 1989 zur »Auflösung der Kundgebung auf dem bleibt wenig analytisch. >Platz des Hirnmischen Friedens«< schön redet (S. Selbmann wehrt sich in einer Nachbemerkung 453), wenn er - ohne erkennbare Ironie - von »den gegen den seiner Ansicht nach »hämischen Begriff« etwas eigenwilligen Leitungs- und Anleitungsstruktu­ der Ostalgie. Tatsächlich handele es sich um den ren« in Medien und Kultur der DDR spricht (S. 217) »Versuch vieler Menschen, doch zu erreichen, daß und sein deutsch-deutscher Systemvergleich in der wichtige Erlebnisse und Erfahrungen ihrer Vergan­ Frage mündet, »ob eine nicht ideologisch, sondern genheit nicht noch weiter ins Abseits und ins Verges­ mit der Konkurrenz und dem Kapital begründete sen gedrängt werden.« (S . 471) Der Blick in die der Nachbemerkung folgende Verlagswerbung bestätigt, 174 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) daß diese Gefahr der Verdrängung keinesfalls be­ rechtlichen und den privaten Rundfunk in einem steht. Dort wirbt die edition ost für Bücher des einsti­ dualen Rundfunksystem der Länder des vereinten gen DDR-Korrespondenten in Bonn, Günter Herlt, Deutschlands« ankündigt, mit der Entwicklung der und des langjährigen Sprechers der Aktuellen Kame­ Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu ra, Klaus Feldmann. Rundfunkfragen, mit dem Sonderproblem, das durch Noch ein sprachliches Detail. ln den mittlerweile Artikel 111 a der Bayerischen Verfassung entstanden zahlreich vorliegenden schriftlichen und mündlichen ist, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugeord­ Erinnerungen von DDR-Journalisten werden häufig neten Grundversorgung und dem Ausbau sowie der Zensurerfahrungen benannt. Zumeist geschieht das Fortentwicklung des privaten Rundfunksystems in der im Passiv, so auch bei Selbmann: »Eingeführt wurde dualen Rundfunkordnung. Mit ihrer dezidierten Mei­ eines Tages die unbedingte Pflicht zur Abstimmung nung halten sich die Verfasser nicht zurück, wenn sie des Ablaufplanes der Hauptausgabe der >AK< und beispielsweise im Zusammenhang mit dem Paragra­ ihrer Schwerpunkte.« Es scheint vielen Mitarbeitern phen 11, der sich mit der funktionsgerechten Finanz­ der DDR-Medien bis heute schwer zu fallen, die Zen­ ausstattung und dem Grundsatz des Finanzaus­ soren beim Namen zu nennen. gleichs befaßt, schreiben: »Im Bereich des Hörfunks Bedenkenswert ist freilich die einleitende Überle• überschreiten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkan­ gung des Autors. Einerseits wird das DDR-Fernsehen stalten den Programmauftrag in vielen Fällen. Da­ seit der Wende oftmals pauschal kritisiert, nicht sel­ durch wird die Gebührenfinanzierung des öffentlich• ten als rein agitatorische Veranstaltung denunziert. rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt. Zahlreiche Andererseits nehmen seine Produktionen besonders Hörfunkprogramme der öffentlich-rechtlichen Anstal­ in den Dritten Programmen des MDR und des ORB ten unterscheiden sich von den privaten Radiosen­ beachtlichen Raum ein, wie Selbmann mit detaillier­ dern nicht mehr.« (S . 167) Bezeichnend ist, daß für ten Programmbeobachtungen aus den Jahren 1994 diese Aussage als Quelle eine Veröffentlichung des und 1996 belegt. So schlecht könne das Fernsehen Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikati­ der DDR mithin nicht gewesen sein. Offen bleibt die on e. V. angegeben wird. Während die anderen Ge­ Frage, ob die neuerliche Ausstrahlung bei MDR und setzestexte in Wortlaut und Kommentar abgedruckt ORB tatsächlich ein untrügliches Indiz für Qualität werden, wird der Rundfunkstaatsvertrag zusätzlich bedeutet. durch ein differenziertes Sachregister erschlossen. Rolf Geserick, Münster/Osnabrück Angekündigt wird im Vorwort eine sofortige Aktuali­ sierung des Kommentars, wenn in Kürze der vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft treten soll­ Klaus Beucher u.a. te. Mediengesetze. Das Buch »Rundfunkrecht«, aufgeteilt in sieben Rundfunk, Mediendienste, Teledienste. Kapitel, beginnt zunächst mit einem komprimierten München: Verlag Franz Vahlen 1999, 749 Seiten. Überblick zur Geschichte des Rundfunks von der Weimarer Republik bis zur deutsch-deutschen Verei­ Albrecht Hesse nigung. Es beschäftigt sich anschließend mit den Rundfunkrecht verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Die Organisation des Rundfunks in der Rundfunkorganisation und thematisiert den Rund­ Bundesrepublik Deutschland funkstaatsvertrag- in seinem allgemeinen Teil und in (= Vahlens Studienreihe Jura). den Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen München: Verlag Franz Vahlen 1999, 356 Seiten. Rundfunk sowie den privaten Rundfunk. Den Schluß bilden Abschnitte über den digitalen Rundfunk sowie Die raschen Veränderungen der medienrechtlichen den Rundfunk im europäischen Raum. Ganz ohne Entwicklung haben dazu geführt, daß nahezu zeit­ Polemik heißt es zum Programmauftrag: »Neben ( .. ) gleich im gleichen Verlag zwei Publikationen erschie­ speziellen Ausformungen des gesetzlichen Pro­ nen sind, die sich in unterschiedlicher Weise mit ihr grammauftrags in ( ... ) einzelnen ( ... ) Staatsverträgen befassen. Seide Veröffentlichungen nehmen jeweils tritt für den überwiegenden Teil der Landesrundfunk­ Zustandsbeschreibungen vor und erörtern, wie es im anstalten die Generalklausel zur Veranstaltung von Verlauf der medienrechtlichen Gesetzgebung und der Rundfunksendungen. ( .. .) Durch diese Ermächtigung Rechtsprechung der Gerichte, vor allem des Bundes­ wird in programmlicher Hinsicht der gesamte Tätig• verfassungsgerichts, dazu gekommen ist. keitsbereich der jeweiligen Rundfunkanstalt abge­ Das voluminöse Buch »Mediengesetze« vereinigt deckt.« (S . 127f.) Auch das »Rundfunkrecht« enthält Kommentare zum Rundfunkstaatsvertrag, Medien­ ein differenziertes Register, das den Benutzer schnell dienste-Staatsvertrag, Teledienstegesetz und Tele­ zu den von ihm gesuchten Begriffen führt. dienstedatenschutzgesetz. Im Mittelpunkt steht der Seide Publikationen schlagen Schneisen in die am 1. Januar 1992 in Kraft getretene »Staatsvertrag immer unübersichtlicher werdende, von rechtlichen [der Länder] im vereinten Deutschland« in der Fas­ Rahmenbedingungen geprägte vor allem elektroni­ sung der Veränderungen von Ende 1996. Für jeden sche Medienlandschaft und tragen dazu bei sie Abschnitt des 55 Paragraphen umfassenden Rund­ transparenter werden zu lassen. funkstaatsvertrags werden bis zu 40seitige Erläute• Ansgar Diller, Frankfurt am Main rungen und Interpretationen geboten, die auch je­ weils rechtshistorische Diskurse beinhalten. So be­ schäftigen sich die Kommentatoren im Zusammen­ hang mit der Präambel des Staatsvertrags, die u. a. »grundlegende Regelungen für den öffentlich- Rezensionen 175

Walter Klingler u.a. (Hrsg.) Schäfer: »Zum Zusammenhang zwischen Publikums­ Fernsehforschung in Deutschland. und Geschlechterforschung«, Michael Buß/Erk Si­ Themen- Akteure- Methoden. 2 Teilbände mon: »Die Vielseher«). Hier wird ein systematischer (= Südwestrundfunk Schriftenreihe Aufriß der Nutzungsforschung gegeben, der, ange­ Medienforschung, Bd. 1). sichts der Herausforderung durch die »individuali­ Baden-Baden: Nomos 1998, 1005 Seiten. sierte Nutzung« im Kontext neuer Medien, wiederum zu problematisieren wäre. Ohne Frage hat sich die »Fernsehforschung in Die folgenden Kapitel zur »Sendungs- und pro­ Deutschland« im letzten Jahrzehnt sprunghaft ent­ grammbezogenen Fernsehforschung« weisen die wickelt - nicht zuletzt im Kontext der Entwicklung Geschlossenheit, Präzision und Originalität des er­ Neuer Medien. Eine kaum mehr überschaubare Zahl sten nicht mehr auf. Die vorgestellten Ansätze zur neuerer Publikationen liegt vor, nicht nur im Bereich »Konvergenzforschung« von Udo Michael Krüger, zu der quantitativen, sondern auch in dem einer qualita­ »Programmangebot und Spartennutzung« von Maria tiven Fernsehforschung. Zu begrüßen ist deshalb der Gerhards/Andreas Grajczyk!Walter Klingler bleiben Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der For­ weithin ohne Reflexion des Konvergenz- bzw. Spar­ schungstrends einerseits, einer Übersichtsdarstellung tenbegriffs. Der Ansatz zur Fernsehprogrammanalyse andererseits. von Ralf Hohlfeld ist überzeugend, aber die Analyse Der zweiteilige Sammelband »Fernsehforschung auf wenigen Seiten kaum zu leisten. Thomas Quasts in Deutschland« erfüllt den mit dem Titel gegebenen Hinweise auf »reflexive Medienberichterstattung« Anspruch jedoch nur zum Teil. Schwerpunkt ist die belassen es weitgehend beim »blinden Fleck«. Gun­ quantitativ orientierte Rezeptionsforschung. Hier bie­ nar Raters/Oliver Turecek/Andreas Grajczyk bieten tet der Band neue Perspektiven, interessante metho­ eine im Gesamtrahmen der bereits angesprochenen dische Ansätze und auch erste beachtliche Ergebnis­ Nutzungsstudien verortete Übersicht über die »Vi­ se. Zentrale Forschungsperspektiven qualitativer Art deonutzung im Alltag der deutschen Bevölkerung«, dagegen, wie die der historischen Fernsehforschung, Andreas Grajczyk!Christian Schröter über die Video­ der Fernsehästhetik und -wertung, der Erforschung textnutzung in Deutschland. Damit wird die Nut­ der Gattungs- und Formatentwicklung, der Fernseh­ zungsforschung auch auf weitere Medien ausge­ ökonomie und -technologie im Kontext der Digitalme­ dehnt. dien wird man nur randhaft und punktuell behandelt Eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen ist finden . Eine Fernsehtheorie (oder Fernsehtheorien) in der Rubrik »Politiksendungen im Fernsehen« ver­ sowie eine Systematik des Forschungsfeldes wird sammelt, von der politikwissenschaftlichen Über• nicht angegangen. sichtsstudie von Hans Bernd Brosius, über den Bei­ Dies ist, wie das Vorwort ausweist, auch nicht Ab­ trag zum »Polit-Fiimmern« von Ulrich Sarcinelli/Jens sicht der Herausgeber gewesen. Die Titel von Sam­ Tenscher mit dem unsäglichen Modebegriff »Talk­ melbänden, so darf man sagen, haben eigene Geset­ showisierung«, den kommunikationswissenschaftli­ ze, die nicht gerade auf präzise Orientierung über ehen Überlegungen von Michael Jäckel, der sprach­ »Inhalte« ausgerichtet sind. Auch ist das Zustande­ wissenschaftlichen »ZAK«-Analyse von Christof kommen oft durch Zufälle geprägt. Dies gilt für den Barth, bis zur Frage nach Sinn und Zweck von »Eu­ vorliegenden Band: Er sammelt Beiträge aus Tagun­ ropamagazinen« von Maria Gerhards. Ein themati­ gen, die unter Leitung und Anregung der Herausge­ scher Schwerpunkt ist mit »Geschichtsvermittlung im ber in den Ietzen Jahren stattgefunden haben. Inso­ Fernsehen« (Walter Kingler/Andreas Grajczyk!Gun­ fern repräsentiert der Band einen Ausschnitt aus For­ nar Raters bzw. Christian Schröter/Oliver Zöllner) an­ schungsdiskussionen, deren Wert aber nicht gering gesprochen, punktuell damit auch eine »Qualitative geschätzt werden sollte. Fernsehforschung«. Hinweischarakter auf laufende Um die Schwerpunkte des Bandes zu erkennen, Einzelforschungen haben auch die Beiträge zu »Un­ seien die einzelnen Beiträge in der Anordnung der terhaltungsformaten im Fernsehen«, zum »Fernseh­ Herausgeber kurz referiert. Daß sie einen sehr unter­ krimi« (lngrid Brück/Andrea Guder/Reinhold Viehoff/ schiedlichen Zuschnitt haben, sich teils auf kurzfristi­ Karin Wehn), zum »performativen Auftritt« in der ge, teils auf längerfristige Forschungsvorhaben be­ »Traumhochzeit« (Ja Reichertz) und zu den »Fern­ ziehen, kann aus den Titeln nicht abgelesen werden. sehstars« (Ricarda Strobei!Werner Faulstich). Auch wird nicht nach den Forschungskontexten (z. B. Der erste Teilband wird abgeschlossen mit einem aus der Publizistik- und Kommunikationswissen­ Abschnitt »Neue Angebotsformen des Fernsehens«, schaft, der Soziologie, der Psychologie, der Medien­ in dem Ulrich Kamp/Winand Gellner über »Offene wissenschaft) mit ihren jeweilig unterschiedlichen Kanäle in Deutschland«, Ulrike MandellAibrecht Kut­ methodischen Ansätzen unterschieden. terhoff über »Business TV« in Baden-Württemberg Der erste Teil gibt allgemeine Übersichten zu For­ und Oliver Turecek/Oiiver Kopitzke über »Digitales schungen über »Fernsehnutzung in Deutschland«, so Fernsehen« schreiben. Hier sind aktuelle Themen in Aufsätzen von Marie-Luise Kiefer über die Lang­ unterschiedlichster Dimension angesprochen. zeitstudie Massenkommunikation, von Wolfgang Dar­ Der zweite Teilband nimmt Themen und Metho­ schin über Fernsehgewohnheiten und Programmbe­ den des ersten auf und erweitert sie vor allem um wertung, geht über zu einer »zielgruppenbezogene medienpsychologische Ansätze der letzten Jahre zu Femsehforschung« (Sabine Feierabendffhomas Fragen der Wirkungen und Rezeptionsmuster des Windgasse: »Was Kinder sehen«, Walter Kling­ Fernsehens. Michael Schenk gibt einen Überblick, Jo ler/Mario Gerhards: »Femsehnutzung von Jugendli­ Groebel spricht die »UNESCO-Medienstudie« an. Die chen«, Andreas Grajczyk/Walter Klingler/Oiiver Zöll• »Gewaltdarstellungen« bieten den thematischen ners: »Fernsehverhalten älterer Menschen«, Gudrun Schwerpunkt für Michael Kunczik/Astrid Zipfel, Hans- 176 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Werner Ludwig/Guido Mare Pruys und Peter Vitouch/ ehester gearbeitet haben. Dagegen wird nur wenig Günter Kernbeiß. Psychologische und Emotionale vom Orchester selbst oder einzelnen Musikerinnen Wirkungsaspekte untersuchen Gary Bente/Bettina und Musikern berichtet. Unter den porträtierten Per­ Fromm, Roland Mangold sowie Uli Gleich/Eva Krei­ sonen finden sich so klangvolle Namen von Chefdiri­ sei/Lars Thiele/Matthias Vierling/Stephan Walter. Mit genten wie Hans Rosbaud, Dean Dixon, Eliahu lnbal »Parasozialen Beziehungen« im Blick auf Fernse­ und Gastdirigenten wie Kurt Weill, Karl Böhm, Micha­ hunterhaltung befaßt sich Peter Vorderer. Michael el Gielen. Vor allem die Chefdirigenten werden aus­ Charlton/Michael Klemm thematisieren die »An­ führlich vorgestellt. Nach kurzen biographischen An­ schlußkommunikation«. Christian Doelker fordert gaben wird der Frage nachgegangen, welche inhaltli­ »neue Medienkompetenz«. Aufgenommen wird er­ chen Schwerpunkte die Dirigenten setzten und wel­ neut die Frage nach den »Nutzungsmustern der che besondere Aktivitäten sie entfalteten. Daneben Femsehrezeption« (Helena Bilandzic) bzw. »Muster charakterisiert der Autor auch ihre sehr gegensätzli• individueller Fernsehnutzung« (Sascha Blödorn). chen Persönlichkeiten und verschweigt hierbei auch Den Abschluß des zweiten Teilbandes bildet eine nicht die Momente, die zu Spannungen in der Arbeit Sammelrubrik »Trends und Entwicklungen«. Michael mit dem Orchester geführt haben. Diese Charakteri­ Buß referiert das »System der GfK-Fernsehfor­ sierungen sind vom Bemühen um Ehrlichkeit und Se­ schung«, Axel Schlote/Peter Latzel geben einige riosität geprägt. Sie fallen angenehm zurückhaltend Hinweise zur »Bewertung von Fernsehsendungen«, aus, niemals entsteht beim Lesen das Gefühl, daß Marduk Buseher zeigt Probleme der Dokumentation hier Interna um der Sensation willen ausgebreitet von Fernsehsendungen auf. Monika Baldauf/Steffen werden. Auch die ansonsten so beliebten Anekdoten Müller vertreten die »Sicht einer Media-Agentur«, fehlen weitgehend, ebenso Anmerkungen zum Pri­ Hedwig Zehetner die der »Medienforschung im privat­ vatleben. rechtlichen Rundfunk«, Kari-Heinz Hofsümmer die Zwischen die Porträts der Dirigenten sind Passa­ »Sicht der ARD-Werbung«, Walter Klingler die einer gen eingefügt, in denen die Zeitumstände geschildert öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Norbert werden, aus deren Kontext heraus eine Würdigung Schneider die der Landesmedienanstalten, Peter der jeweiligen Dirigententätigkeit und der Leistungen Behrens/Sabine Feierabend/Themas Schmid die des des Orchesters versucht wird. Darüber hinaus be­ »Medienpädagogischen Forschungsverbundes Süd• schäftigt den Autor hier immer wieder die Frage, wie west« . Ansätze zur Kritik der »Quote« als »Leitwäh• durch die Orchesterarbeit die Verbreitung neuer Mu­ rung« finden sich in den Aufsätzen von Dieter Prokap sik gefördert werden kann. und Volker Lilienthal. Ein nützliches »Glossar Fern­ Die musikalische Qualität des Orchesters und sehforschung« ist dem Werk beigefügt. seiner Dirigenten wird vor allem anhand von zahlrei­ Erkennbar ist, daß die Herausgeber eine integra­ chen Konzertrezensionen der Presse beleuchtet, die tive Rezeptionsforschung präferieren, die eine pro­ ausführlich in die Darstellung aufgenommen wurden. blematisch gewordene ältere Fernsehnutzungsfor­ Daneben findet auch Aktenmaterial Berücksichtigung, schung paradigmatisch ablösen soll. Deren Konturen so etwa die Korrespondenz zwischen Orchestervor­ sind erkennbar. Insgesamt handelt es sich um stand und Intendant. ln die Darstellung der jüngeren ein durchaus nützliches Sammelunternehmen, dem Geschichte fließen zudem sicherlich viele persönliche ein Titel wie »Neuansätze der Fernseh-Rezeptions­ Erlebnisse des Autors ein. forschung« durchaus angestanden hätte. Versammelt Der sorgfältig gestaltete Band mit zahlreichen Ab­ sind viele Namen von Rang und viele Themen. Wer bildungen vermittelt interessante Einblicke in die Dy­ sich über »die Fernsehforschung« in Deutschland namik von Orchesterarbeit und ein Stück bewegter orientieren will, wird umfangreiche Zusatzstudien be­ Musikgeschichte, womit die Geschichte des Radio­ treiben müssen. Die Herstellung der Übersicht bleibt Sinfonie-Orchesters Frankfurt sicherlich nicht nur für dem Nutzer überlassen - und damit noch immer ein dessen Liebhaber von Interesse sein kann. Desiderat. Themas Münch, Oldenburg Helmut Schanze, Siegen

Heinz W. Burow Alfred Sous Musik, Medien, Technik. Ein Orchester für das Radio. Ein Handbuch. Das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt. Laaber: Laaber 1998, 348 Seiten. Frankfurt am Main: Verlag Waldemar Kramer 1998, 196 Seiten. Das Handbuch erhebt den Anspruch, den Einfluß der Technik und der Medien auf die Musik in einer Ge­ 1929 entsteht mit dem Radio-Sinfonie-Orchester samtübersicht zu referieren. Alle wichtigen For­ Frankfurt einer der ersten sinfonischen Klangkörper schungsbereiche sollen Berücksichtigung finden und für das neue Medium. Schon bald wird es zu einer die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen anerkannten Institution im Musikleben, und auch so miteinander verbunden werden, daß das Hand­ heute ist es ein nicht zuletzt aufgrund seiner zahlrei­ buch zur hilfreichen Orientierung für die Schul- und chen Tonträgeraufnahmen und Konzerttourneen in­ Hochschulausbildung wird. Dabei fühlt sich der Autor ternational bekanntes und anerkanntes Ensemble. nicht dem Zwang zu höchster Aktualität verpflichtet, Altred Sous, selbst langjähriges Mitglied des Or­ sondern versucht in knapper Form grundlegende Ent­ chesters, hat eine Chronologie dieser Institution von wicklungslinien herauszuarbeiten. den Anfängen bis 1997 verfaßt Im Mittelpunkt seiner Das Buch gliedert sich in fünf Abschnitte: Gegen­ Darstellung stehen die Dirigenten, die mit dem Or- stand und Methode, Musikproduktion, Musikdistributi- Rezensionen 177 on, Musikrezeption, Zukunftsaussichten. Ein Anhang Kaspar Maase mit Sachregister und hilfreichem Glossar beschließt Grenzenloses Vergnügen. die Ausführungen. Während der erste Abschnitt sich Der Aufstieg der Massenkultur 1850 - 1970. mit grundlegenden Begrifflichkeiten auseinandersetzt Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag und etwa der Zusammenhang zwischen Musik und 1997, 307 Seiten. Semiotik angesprochen wird, versuchen die übrigen Abschnitte sehr konkret, in die einzelnen Themenbe­ Seit der deutschen Vereinigung hat die Geschichte reiche einzuführen. Technische Grundlagen werden der Freizeit und des Konsums einen starken Auf­ erläutert, »Zahlen und Fakten« in Tabellenform auf­ schwung erlebt. Das hängt wohl zum einen damit zu­ geführt, kurze historische Abrisse gegeben oder auch sammen, daß nach etwa 30 Jahren ein historischer die Funktion von Organisationen erläutert. Überall ist Gegenstand im allgemeinen als bearbeitbar gilt - das Bemühen um Breite in der Darstellung zu spüren, nicht zuletzt aufgrund der Quellenzugänglichkeit. ln­ auch wenn nicht alle Medien in gleichem Umfang Be­ sofern liegt es nahe, in den 90er Jahren die ersten rücksichtigung finden . Im Vergleich zu Tonträgern Detailstudien über die Konturen der westdeutschen und dem Radio, findet das Fernsehen kaum Erwäh• Wirtschaftswundergesellschaft vorzufinden. Anderer­ nung, die Musikpresse bleibt unerwähnt. seits hängt diese Tendenz wohl auch mit einem poli­ Die Absicht, ein Handbuch zu einer so umfassen­ tischen Paradigmenwechsel zusammen. Während in den Thematik zu schreiben, fordert Respekt ab. Je­ den 60er und 70er Jahren die Ausprägungen der doch schon in der Einleitung wird deutlich, daß der Konsumgesellschaft primär negativ interpretiert wur­ Autor selbst nicht recht an das Erreichen seiner den - als Fremdsteuerungs-, Manipulations- und Ent­ hochgesteckten Ziele glaubt. Zu zahlreich sind seine fremdungszusammenhang, so änderte sich dies im Einschränkungen, was alles nicht geleistet werden . Laufe der 80er Jahre. Schon vorher hatten britische, könne. Und in der Tat: ln dem Bestreben, möglichst französische und amerikanische Geschichts- und So­ viele Aspekte anzusprechen, bleibt zu vieles kurso­ zialwissenschaftler differenziertere Konzepte vorge­ risch. Der Komplexitätsgrad der Darstellung schwankt legt, die das schlichte Manipulationsschema durch­ erheblich, so daß nicht deutlich wird, welcher Kennt­ brachen und nach den Möglichkeiten und Realitäten nisstand vorausgesetzt wird. So sind etwa die Aus­ eigensinniger Stildefinitionen in der Konsumgesell­ führungen zur Technik sicherlich nicht verausset­ schaft suchten und auch fündig wurden. Der Autor zungslos verständlich. der vorliegenden Studie gehörte bereits in den 80er Als problematisch ist die Berücksichtigung von Jahren zu jenen, die sich in der Bundesrepublik mit Forschungsergebnissen anzusehen. Ganze Passa­ der Sinnproduktion der Arbeiter jenseits der Ar­ gen, wie etwa zur Musikindustrie, enthalten keine Li­ beitssphäre zugewandt hatten. 1992 legte Kaspar teraturhinweise, andere Abschnitte stützen sich nur Maase dann eine Studie über die Amerikanisierungs­ auf eine Literaturquelle. Fremdsprachige Literatur fin­ tendenzen in der populären Jugendkultur der 50er det fast keine Berücksichtigung, obwohl sie etwa zur Jahre vor - einem Kernbereich der neuen westdeut­ Darstellung von Aufbau und Funktion der Musikindu­ schen Identitätsbildung unter den Bedingungen der strie unverzichtbar wäre. Im Abschnitt Musikrezeption entstehenden Konsumgesellschaft. Und nun liegt ei­ dominiert die »Wirkungsperspektive«, nur ein knap­ ne Überblicksdarstellung zur europäischen Ge­ per Verweis auf Baacke und Holly deutet den Para­ schichte der Massenkultur in der klassischen Moder­ digmenwechsel in der Medienforschung an. Konse­ ne vor. quenterweise fehlen alle Arbeiten, die z.B. Aneig­ Der Verlag hat gut daran getan, mit der Reihe zur nungsprozesse bei der Rezeption von Videoclips »Europäischen Geschichte«, in der vorliegender herausarbeiten (z.B. Bechdolf), statt dessen wird nur Band erschienen ist, zu einer vergleichenden Per­ die Arbeit von Bastian (1986) zur Musik im Fernsehen spektivierung der verschiedenen nationalen Entwick­ erwähnt. lungen beizutragen, die in den historischen Diszipli­ Schwierig erscheint mir auch das Verhältnis des nen zur Zeit Konjunktur hat. Dadurch schälen sich die Autors zur populären Musik. Bemerkungen, daß in spezifischen nationalen Entwicklungen deutlicher der populären Musik im Gegensatz zur »ernsten« heraus, als es ansonsten zumeist der Fall ist. Dieses technische Möglichkeiten oft um ihrer selbst Willen Verdienst kommt auch Maases Buch zu. Der Autor und als Effekte eingesetzt werden, mit denen modi­ schöpft das Gros seines Materials aus den deutschen schen und aktuellen Trends folgende Wirkungen er­ Verhältnissen, und dies spiegelt sich in der Darstel­ zielt werden (S. 74), sind wenig hilfreich zum Ver­ lung wider. Allerdings werden stets europäische Di­ ständnis der Entwicklung von Sound in diesem Mu­ mensionen dargelegt, insbesondere die Entwicklun­ sikbereich, sondern konstruieren Gegensätze, die gen in Großbritannien und Frankreich, später auch in eigentlich überwunden sein sollten. den USA - als einerseits Gegenpole, andererseits Insgesamt hinterläßt das Handbuch einen sehr Impulsgeber deutscher »Kultur«. Mit einer solchen zwiespältigen Eindruck. Es mag hilfreich sein, um hin- und herreflektierenden Darstellung treten tat­ sich einen ersten Eindruck von unbekannten Wis­ sächlich deutsche Besonderheiten stärker hervor. So sensgebieten zu verschaffen. Für Studienzwecke etwa im Umgang der etablierten Hochkultur mit der kann ich es nicht empfehlen. vermeintlichen »Schmutz- und Schundliteratur«, die in Themas Münch, Oldenburg Deutschland seit 1926 gesetzlich geregelt war und also von staatlicher Seite kontrolliert wurde, während der Staat sich in den westlichen Ländern hier weit weniger stark engagierte. Andererseits treten aber auch die Gemeinsamkeiten der europäischen Moder- 178 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) ne stärker hervor. Insbesondere im Hinblick auf die die »feinen Unterschiede« nicht ähnlich hierarchisie­ vermeintlich so spezifische Modernität des National­ rend wirken wie einstmals die groben, auf den ersten sozialismus fallen solche Gemeinsamkeiten ins Auge. Blick sichtbaren Klassenunterschiede. Maase selbst Es zeigt sich, daß just auf diesem Gebiet, wo dem reflektiert diesen verfeinerten Hierarchisierungsvor­ Dritten Reich stets besondere Modernisierungslei­ gang, hält jedoch an seiner These vom verschobenen stungen attestiert wurden, nicht Deutschland die eu­ Kräfteverhältnis fest. ropäische Spitzenposition einnahm. Bei der Verbrei­ Insgesamt erscheinen die »kleinen Leute« weithin tung des Radios etwa standen Großbritannien und als positive Bezugsgröße - ihre kulturellen Präferen• die skandinavischen Länder an der Spitze, in der zen als ~inleuchtend und gerechtfertigt -, während Entwicklung des Fernsehens hatten ebenfalls die die Bevormundungsabsichten der elitären Interpreten Briten die Nase vorn, bei der individuellen Motorisie­ als Versuche zur Sicherung der geistigen Oberhoheit, rung wiederum Großbritannien und auch Frankreich. aber auch zur Bewahrung ihrer materiellen Position Maase beschreibt den Aufstieg der modernen interpretiert werden. ln diesem insgesamt gut be­ Massenkultur zwischen 1850 und 1970 in seiner gan­ gründeten Interpretationstableau geraten freilich die zen Breite, differenziert und anschaulich: vom kar­ Unterschichten durchweg in ein positives Licht. So gen, aber heftigen Freizeitvergnügen bei den wieder­ berechtigt es ist, die immer noch elitären Interpreta­ kehrenden Festen im Jahresverlauf, Jahrmarkt und tionen der Massenkultur durch die gebildeten Fastnacht, über die Freizeitindustrien, die allmählich Schichten kritisch zu betrachten, so notwendig wäre - eben bei zunehmend freier Zeit - auch den Alltag es wohl auch, autoritäre Tendenzen und antimoderni­ bestimmten bis hin zu den Ausprägungen der begin­ stische Ressentiments unter den »kleinen Leuten« zu nenden Konsumgesellschaft mit Fernsehkonsum und benennen. Maase hingegen tendiert dazu, dies unter individueller Motorisierung. Diese sich über mehr als den Tisch fallen zu lassen. Dadurch entsteht etwa ein Jahrhundert erstreckende Entwicklung wird als dort ein schiefes Bild, wo der Autor darauf besteht, ein widersprüchlicher Prozeß beschrieben, in dem die daß die »terroristische Gegenmoderne« des Natio­ Konturen der jeweiligen nationalen Gesellschaften nalsozialismus hauptsächlich das Werk von »Dema­ verhandelt wurden. Dies geschah allenthalben auf gogen« gewesen sei, »denen es nicht um Kunst und sehr kontroverse Weise, bei der die sozialen Hierar­ Moral ging ( ... ), sondern einzig um die Diskreditierung chien verändert wurden und - so Maases These - der Republik« (S. 155). Dagegen muß man wohl ein­ eine Kräfteverschiebung hin zu den »einfachen Leu­ wenden, daß ja auch viele »kleine Leute« viele Aus­ ten« stattfand. Während die hauptsächlich auf Ent­ prägungen der Moderne als Bedrohung empfanden. spannung von harter Arbeit, auf Vergnügen, ausge­ Auch ihnen galt die Weimarer Republik als staatliche richteten Vorlieben der Unterschichten lange Zeit als Inkarnation einer modernen Verlustgeschichte. Hoff­ minderwertige und, insbesondere in Deutschland, als nungen auf ein Drittes Reich, die auch von unten ge­ geistfeindliche Massenkultur angesehen wurden, fi­ nährt wurden, verbanden sich eben auch mit der Vor­ gurieren diese am Ende des behandelten Zeitraums stellung, nun nicht nur die Demokratie, sondern auch als eine weithin akzeptierte »Basiskultur« der moder­ all die anderen vermeintlichen Verfallserscheinungen nen Massendemokratien, die auch von Intellektuellen der modernen Gesellschaft überwinden zu können. ernstgenommen wurden. Maase versteht Massen­ Hier bekam der »Eigensinn« eine antimodernistische kultur als »Element der Demokratisierungsprozesse Dynamik, die kaum auf eine lnstrumentalisierung der Moderne«, die sich in einem engen Wechselver­ durch Demagogen zurückgeführt werden kann. Ähn­ hältnis von Freizeitindustrie und Konsumenten ent­ lich beeinflußten derartige Ressentiments von unten wickelte- als ein demokratischer Prozeß, in dem sich auch die Wahrnehmung der neuen Jugendkultur oder der Geschmack der Unterschichten durchsetzte, weil der sexuellen Liberalisierung seit Mitte der 50er Jah­ der industrielle Produktionspart - anders als die in­ re. ln den 60er Jahren schnitten nicht rechtskonser­ tellektuellen Opinion Ieaders - nicht an der Aufrecht­ vative Intellektuelle, sondern Bauarbeiter jungen erhaltung von Sinn interessiert war, sondern am Männern gewaltsam die »Pilzköpfe«, sprachen sich quantitativ orientierten Massenabsatz. Dies war ein Hausfrauen dafür aus, Gammler zu »vergasen«, demokratischer Prozeß, weil der Massengeschmack wollten (West)Berliner Taxifahrer Rudi Dutschke den wichtiger war als die kulturellen Präferenzen der klei­ Garaus machen, indem man ihn etwa - so die ver­ nen Führungsschichten. Ob sich dabei tatsächlich die träglichste · Variante - in einen Sack zu stecken und gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verschoben - über die Mauer zurück in die DDR werfen könnte. darüber ließe sich trefflich streiten. Denn auch wenn Dieses Problem löste dann Ostern 1968 ein Hilfsar­ am Übergang zur Postmoderne Fußballspiel und beiter mit einer selbstgebastelten Pistole auf andere Boxkampf, Rockmusik und Kinofilme auch von den Weise. Und auch in den 90er Jahren entstanden intellektuellen Eliten konsumiert wurden, so verschob ausländerfeindliche Tendenzen nicht zuletzt unter sich doch damit nicht unbedingt die Definitionsmacht den Deklassierten. über die Massenkulturen. Man könnte auch von ei­ Dieser Einwand zeigt freilich vor allem, wie anre­ nem Okkupationsvorgang sprechen, bei dem es im­ gend die vorgelegte Arbeit für die weitere Debatte ist. mer noch die gebildeten Eliten sind, die definieren, Maase hat auf knappem Raum eine insgesamt sehr welche Elemente der Populärkultur wie zu deuten differenzierte und abgewogene Darstellung vorgelegt, sind, die auch erst jene Verbindung zur Hochkultur die sich manchen zur Zeit gängigen Interpretation­ herstellen können, die den meisten »einfachen Leu­ strends durchaus entzieht. So wird etwa die Politisie­ ten« auch heute noch verschlossen ist. Kein Zweifel, rung des Körpers in der Weimarer Republik gezeigt, daß die sozialen Diskrepanzen abgenommen haben, aber auch darauf verwiesen, daß ihre jeweiligen Ziele die kulturellen Grenzen durchlässiger geworden sind. - Kriegsvorbereitung, Rassenpolitik oder sozialisti­ Fraglich aber bleibt wohl, ob die Distinktionen durch sche Solidarität - nicht egalisiert werden können. Rezensionen 179

Insgesamt liegt damit eine gut lesbare und spannen­ zio-technische Systeme« (S. 24f.). Darüber hinaus de, dabei empirisch breit abgesicherte und theore­ generieren technische Mitteilungsmedien durch ihre tisch reflektierte Arbeit vor, die die großen Linien der Operationen (Selbst-)Beschreibungen von Welt. Zu Entwicklung europäischer Massenkultur zuverlässig beachten ist: »Wirklichkeitsverändernd werden Mit­ beschreibt und zum Weiterforschen und Weiterdisku­ teilungsmedien erst dann, wenn sich signifikante tieren anregt. Kommunikationseffekte einstellen, die neue generali­ Detlef Siegfried, Kopenhagen sierende Beschreibungen der veränderten Wirklich­ keit der Kommunikation erfordern« (S. 74). Der mediale Sinnhorizont der lnformationsgesell­ Udo Thiedeke schaft, innerhalb dessen sich Realität darstellt, ist Medien, Kommunikation und Komplexität. wegen der medialen Vermittlungsbedingungen - Vorstudien zur Informationsgesellschaft (= Studien sprich Verdichtung, Entgrenzung, Entzeitlichung, Ent­ zur Kommunikationswissenschaft, Bd. 30). örtlichung usw. - gemäß der Luhmannschen Unter­ Opladen!Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1997, scheidung von Information/Nichtinformation bezie­ 363 Seiten. hungsweise Thiedekes respezifizierter Unterschei­ dung für sozio-technische Systeme, »Vermittelbarkeit ln seiner kommunikationswissenschaftliehen Studie versus Nichtvermittelbarkeit«, als »informationell« (S. analysiert der Soziologe Udo Thiedeke, inwieweit 85) zu charakterisieren. Aufgrund der Zunahme an sich Korrelationen zwischen technischen Mittei­ informationeller Komplexität qua Medientechnik wird lungsmedien, sozialer beziehungsweise medialer nicht nur ein Typus medialer Wirklichkeit erzeugt, Kommunikation sowie unterschiedlichen gesellschaft­ sondern deren gleich drei: »Derealisation, Simulation lichen Differenzierungstypen beobachten und be­ und Virtualisierung« (S. 85). Die Entstehung einer schreiben lassen. Um dieser abstrakten Problemex­ umfassenden Medienstruktur zeitigt Folgen und Kon­ position durch ein adäquates Theoriedesign Rech­ sequenzen für Kommunikation und soziales Handeln. nung zu tragen, präferiert er Positionen des aktuellen Mit Blick auf die Sozialdimension im Sinnhorizont konstruktivistisch-systemtheoretischen Diskurses. der Informationsgesellschaft wird deutlich, das ein Der Verfasser rekapituliert die jüngsten multi- und Gesellschaftstypus, dessen Einheit im Prozessieren hypermedialen Trends und Tendenzen. Die Befunde von Information respektive Vermittelbarkeit besteht, lassen Thiedeke die Arbeitshypothese formulieren: eines »kompatiblen Integrationsmodus der Vergesell­ »Es gibt Anzeichen dafür, daß sich ein Transformati­ schaftung von Individuen, Gruppen und Organisatio­ onsprozeß in Gang setzt, der die funktional differen­ nen« bedarf - Thiedecke spricht von »informationel­ zierte Gesellschaft zu einer informationeil differen­ le[r] Inklusion« (S. 89). ln der Informationsgesell­ zierten Gesellschaft erweitert« (S. 12). Präzisierend schaft erschließen sich soziale Partizipations- und fügt er in Form einer ersten definitorischen Fixierung lnklusionspotentiale zunehmend über alltagsästheti• hinzu: »Bei einer informationeil differenzierten Ge­ sche Evaluationen sowie expressive Stilisierungen in sellschaft basieren die Vergesellschaftung und die anschlußfähigen Kommunikationen: HipHop, Punk innere Strukturierung weniger auf faktischen Funkti­ und Cyber-ldentitäten dienen als Beispiele. onsunterschieden, als vielmehr auf Funktionsbe­ Außer der Sozial- ist auch die Sachdimension hauptungen, Selbstvermittlungsprozessen und der Veränderungen unterworfen. Die Sachdimension ma­ Konstruktion virtueller Wirklichkeitsentwürfe« (S. 12). nifestiert sich in der Differenz von sachlich an­ ln der Entfaltung der Fragestellung folgt Thiedeke schlußfähigen Themen, die im Kommunikationsge­ Luhmanns Theorie autopoietischer sozialer Systeme, schehen von sachlich nicht anschlußfähigen Themen indem er die für seine Studie konstitutiven Begriffe unterschieden werden. Extrapoliert bedeutet dies für »Kommunikation« und »Sinn« als wechselseitige Be­ den informationeil basierten Gesellschaftstypus: »Ei­ obachtungsoperation sowie als Wirklichkeitskon­ ne Fülle an Welttatsachen sind überhaupt nur des­ struktion voraussetzt. Unter »Gesellschaft« faßt er halb kommunikativ zu behandeln, weil sie durch me­ sämtliche Kommunikationen eines umfassenden au­ diale Beobachtungs- und Beschreibungstechniken in topoietischen sozialen Systems, welches seine Ope­ Informationen umgewandelt werden, die dann The­ rationen aufgrund der eigenen selbstreferentiellen men und Themenkomplexe aktualisieren« (S. 175). Organisation von seiner Umwelt zu unterscheiden Hier konstatiert Thiedeke ein »lndifferenzproblem der weiß. Die korrelativen Bezüge sozialer respektiver lnformationsgesellschaft« (S. 191), das nicht in der medialer Kommunikationsformen als Fundament ei­ Verweigerung strategischer Informationen besteht, nes informationeil differenzierten Gesellschaftstypus vielmehr in der inflationären Verfügbarkeil von Infor­ rekonstruiert der Verfasser in vier zusammenhängen• mationen, die ihrem Anschein nach als strategisch den Teilstudien zu den Mitteilungsmedien und zu der gelten. Hierbei tritt ein Selektionskalkül sachlichen sozialen, sachlichen sowie zeitlichen Dimension im Sinns auf den Plan, das bewußt mit themenbezoge­ Sinnhorizont der lnformationsgesellschaft. ner Indifferenz arbeitet, was der Verfasser exempla­ Im Rekurs auf Luhmanns Kommunikationsbegriff risch anhand von Werbung und Public Relations de­ führt Thiedeke aus, daß man mit Hilfe symbolisch ge­ monstriert. neralisierter Kommunikationsmedien Unterscheidun­ Schließlich erfährt auch die Zeitdimension eine gen zwischen Information und Mitteilung vornehmen Wandlung. Der Zeitbegrifflichkeit droht durch die Ex­ kann. Solche Differenzerfahrungen ermöglichen die pansion der Medienstrukturen und deren temporäre Bildung von Strukturen, redundante Operationen und Operationsmodi eine massive Deontologisierung - stabile Prozesse. Mitteilungsmedien gelten als »tech­ mit Auswirkungen auf ein Zeit prozessierendes so­ nische Strukturen« und soziale Systeme, die sich ziales System: »Im System muß eine Auswahl von mittels technischer Medien (re)produzieren, als »so- Elementen getroffen werden, die durch Relationen zu 180 Rundfunk und Geschichte 25 (1999) verknüpfen sind. Es steht aber ( ...) nur eine be­ beitshypothese bei, so gebührt ihrem Verfasser zwei­ grenzte Zeit zur Verfügung , in der eine Auswahl aus felsohne das große Verdienst, einen soliden Theorie­ den Sinnmöglichkeiten getroffen und realisiert werden beitrag zur Modeliierung einer emergierenden Infor­ kann« (S. 249). ln der »medial dynamisierte[n) Ge­ mationsgesellschaft geleistet zu haben. - Daran läßt sellschaftszeit« (S. 313) treten Vergangenheit und sich in vielfältiger Weise anschließen. Zukunft näher an die Gegenwart, was Auswirkungen Christian Filk, Köln hat: Im Bereich der individuell verfügbaren Zeit erfol­ gen daraus fragmentarisierte Zeiterfahrungen, im Be­ reich der gesellschaftlichen Zuschreibung von Ent­ Stiftung Haus der Geschichte der wicklungsmöglichkeiten besteht das Erfordernis der Bundesrepublik Deutschland {Hrsg.) Selbstreflexion auf eigene Voraussetzungen sowie Bilder, die lügen. auf das Wahrscheinlichwerden von Risiken. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Um seine Intention, den Vorentwurf einer lnfor­ Geschichte der Bundesrepublik, Bonn, mationsgesellschaft, ins Werk zu setzen, unternimmt 27. November 1998 bis 28. Februar 1999. Thiedeke einen - in Ansätzen - vielversprechenden Bonn: Souvier 1998, 100 Seiten. Versuch. Der Verfasser vermag auf einer system­ theoretischen Matrix, Spezifika der lnformatisierung Für den Historiker ist das Thema des Buches nicht der Sinndimensionen gesellschaftlicher Kommunika­ neu. Spätestens seit den Flugschriften der Reforma­ tion herauszustellen, ohne dabei den Anspruch einer tion wurde immer wieder versucht, mit Bildern An­ in sich geschlossenen Theorie zu erheben. Seine dersdenkende zu diffamieren und/oder für den eige­ Projektionen weisen weit über die quantitativen Re­ nen Standpunkt zu werben. Schon vor dem Ersten sultate der geläufigen Mediennutzungsforschung hin­ Weltkrieg finden sich in deutschen Akten immer wie­ aus. der Hinweise auf vermeintliche oder wirkliche Verun­ Mithin gelingt es Thiedeke - und das ist seine ei­ glimpfungen von Vertretern des Kaiserreichs in Form gentliche Leistung - einen sich vage abzeichnenden von Bildern. Seit dieser Zeit wurde unter demokrati­ Gesellschaftstypus zu skizzieren, der sich in großen schen Regierungen immer wieder über den Wahr­ Teilen seiner Strukturen, Prozesse und Semantiken heitsgehalt von Bildern diskutiert. Vor dem Hinter­ von konventionellen Wirklichkeitserfahrungen entkop­ grund dieser Diskussionen und einer Vervielfachung pelt, und dessen Identität auf der stetigen Konfron­ des zur Verfügung stehenden Bildmaterials stellt sich tation mit komplexen und zirkulären Kommunikations­ die Frage nach den neuen Aspekten, die der vorlie­ bedingungen gründet. Hierbei vermag der Verfasser gende Katalog zum Thema beizutragen hat. Im Vor­ zu illustrieren, wie eine Gesellschaft idealiter kodifi­ wort heißt es bezogen auf die Hollywood-Produktion ziert sein könnte, wenn sich die Prämissen der Kom­ »Wag the dog <<: »Die Ironie, mit welcher der Macht munikation von sozialer zu medialer Kommunikation der Medien begegnet wird, kann auch schaudern las­ »erweitern«, sich der Differenzierungstypus von funk­ sen vor der Macht der Bilder und ihren zynischen tional auf informationeil »umstellt«. Verfälschungen. Einerseits werden in einer Welt Mitunter bleibt aber gerade hier unklar - die scheinbar unendlicher technologischer Manipulati­ grundsätzlichen Einwände gegen konstruktivistisch­ onsmöglichkeiten Zuverlässigkeit und Integrität des systemische Theoriedetails beiseite gelassen - wie >Bildmachens< immer wichtiger. Andererseits muß der das Neben- oder Nacheinander von Industrie- und Betrachter immer stärker die Glaubwürdigkeit jeder Informationsgesellschaft mit ihren jeweiligen Differen­ Information prüfen«. Aus dieser unbestreitbaren Zu­ zierungstypen in der theoretischen (Re-)Konstruktion standsbeschreibung wird das Ziel der Ausstellung vonstatten gehen soll. Hier treten kaum benannte, und damit auch des Katalogs definiert: Beide sollen geschweige denn gelöste Probleme größeren Aus­ aus dem Wissen um die Möglichkeiten von Bildmani­ maßes auf den Plan. Es sei beispielhaft verwiesen pulationen »die kritische Wahrnehmung der Betrach­ auf: den systemischen Status der Medien, die Diffe­ ter schärfen« (S. 6) oder wie es an anderer Stelle renzkriterien einer funktionalen oder informationeilen heißt: »>Bilder, die lügen< will aufrütteln und verunsi­ Zuschreibung in Kommunikationsprozessen sowie die chern« (S . 7). Präzisierung des gesellschaftlichen Komplexitätsni• Dieser aufklärerischen, einem Museum zur Ehre veaus, das eine Umstellung des Gesellschaftstypus gereichenden Aufgabe, an Hand von konkreten und evoziert. signifikant einprägsamen Beispielen die Frage von Konzediert man auf der einen Seite die Vorzüge Bildmanipulation zu stellen, trägt das vorliegende des ambitionierten Theorieentwurfs, so hat man auf Buch Rechnung. Es verzichtet weitgehend auf theo­ der anderen Seite dessen Dilemmata und Leerstellen retische Auseinandersetzungen. ln seinem kurzen mit ins Kalkül zu ziehen, die vor allem aus den »Nie­ reich bebilderten Aufsatz »Macht der Bilder« stellt derungen« des sozialwissenschaftliehen Forschungs­ Jürgen Reiche zwei grundsätzliche Probleme in den gangs resultieren. So gesehen trägt das systemtheo­ Mittelpunkt: »Bild und Gedächtnis« sowie »Abbild und retische Prozedere Thiedekes wenig bei zur Klärung Wirklichkeit«. Wesentlicher Ausgangspunkt seiner offener Fragen wie etwa: der prognostischen Relati­ Überlegungen ist die Feststellung: »Jede Kultur be­ vität der informationstechnologischen Evolution, dem setzt und verbindet ihre Welt der Gedanken und Problem der Operationalisierung des Parameters Wahrnehmungen durch Bilder und Symbole. Mit ih­ »Information« und nicht zuletzt der Generierung em­ nen versuchen die Menschen, sich einen allgemein pirischen Datenmaterials zur lnformationsökonomie. verständlichen Erfahrungs- und Erwartungshorizont Hinterläßt die Studie Thiedekes zuweilen einen aufzubauen«(S. 9). Das bedeutet, wie bereits auch im »work in progress«-Eindruck und bringt sie auch kei­ Vorwort deutlich wurde, Bilder stehen hier für das ne empirischen Resultate zur Validierung ihrer Ar- Rezensionen 181 kollektive Gedächtnis von Kulturen, Staaten usw.; der Günter Agde Verfasser spart von vornherein alle weiteren Pro­ Flimmernde Versprechen. blemtelder aus. Dazu würden etwa Fragen zählen wie Geschichte des deutschen Werbefilms die nach dem Verhältnis von privatem Erleben und im Kino seit 1887. Signifikanz des Abgebildeten, also danach, inwieweit Berlin: Verlag Das Neue 1998, 175 Seiten. die jeweiligen Bilder das Selbstverständnis des ein­ zelnen spiegeln. Insbesondere unter diktatorischen Obwohl die Mehrzahl der hergestellten Filme nicht Verhältnissen, in denen Bilder, wie gegenwärtig auch dem Spielfilmgenre zuzurechnen sind, steht der auf dem Balkan erkennbar, dem Machterhalt der Füh• Spielfilm seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der Filmge­ rungsclique dienen, sind diese Diskrepanzen erheb­ schichtsschreibung. Dieser einseitige Blick vernach­ lich. lässigte unter anderem auch den Werbefilm, dessen Der Leser des Katalogs wird mit einem »Lügen Geschichte nun erstmals in einer reich bebilderten ABC« konfrontiert, das heißt, jeder Buchstabe steht Buchausgabe von Günter Agde vorgestellt wird. ln für ein bestimmtes Thema: A für Aktuell, B für Born, sechs chronologisch strukturierten Kapiteln zeichnet Michael und C für Comic. Allein die ersten drei Buch­ der Autor die Entwicklung der Produktwerbung von staben verdeutlichen bereits die Spannbreite und ihren Anfängen auf noch flimmernden Streifen bis zu damit auch die unterschiedlichen Arten von Bildfäl• den 70er Jahren, als im Westen Onkel Otto, die schungen. Der aktuelle Bereich wird an zwei Bei­ Mainzelmännchen oder das HB-Männchen und im spielen präsentiert: Nach dem Massaker in Luxor Osten die Tausend Tele-Tips, besser bekannt unter wurde eine Wasserpfütze zur Blutlache umgearbeitet. »ttt«, dem Publikum die Erleichterung von Alltags­ Es wird auf ein Katalogbild der Thüringischen Lan­ schwierigkeiten versprachen. desregierung verwiesen, das den Ministerpräsidenten Der Beginn des Werbefilms ist in Deutschland, Vogel zusammen mit Clinton und Kohl zeigt. Ein im wie so oft in der Filmgeschichte, mit dem Namen Os­ Original vorhandenes, offensichtlich unbequemes kar Messter verbunden. Sein erster, als verschollen Protestplakat mit der Aufschrift »Ihr habt auch in geltender Werbefilm vergleicht eine neue Badvor­ schlechten Zeiten dicke Backen« wurde wegretu­ richtung mit einer alten. Zu dieser Zeit, also um 1897, schiert. Am Beispiel Michael Borns wird indirekt noch war z.B. im Berliner Schloß noch kein Wannenbad einmal auf das A gleich aktuell Bezug genommen. eingebaut. Der Film huldigt damit Prinzipen, die bis Am Beispiel des freien Journalisten und der von ihm heute zu den Konstanten von Werbung gehören. Zu belieferten Magazine wird gewarnt, daß auf der Su­ diesen zählt neben der Gegenüberstellung »früher - che nach neuen Bildern zu aktuellen Themen die heute« die Information über den neusten Stand von Sorgfaltspflicht im Umgang mit den Informationen Produkten. nicht immer beachtet wird. Am Beispiel der Comics Günter Agde interessieren weder kultur- noch wird der Zusammenhang zwischen herrschender werbetheoretische Fragestellungen, sondern Werhe­ Auffassung über die Minderwertigkeit der Bildge­ filmgeschichte und Geschichte des Werbefilms. Als schichten und Eingriffen der Zensur in die Bildge­ Ausgangspunkt dienen ihm überwiegend konkrete schichten dargestellt. Biographien, um jeweils relevante Tendenzen des Der letzte Buchstabe, Z, steht nicht, wie man Genres an konkreten Einzelbeispielen zu erläutern. vielleicht erwarten würde, für Zensur, sondern für Zu­ Unter diesem Aspekt ist nicht Messter, sondern Julius kunft und macht auf die im digitalen Zeitalter immer Pinschewer, der 1910 sein Berliner Unternehmen er­ leichter werdende Bildmanipulation aufmerksam. Im öffnete, der wichtigste und prägendste deutsche Umkehrschluß verweist er auf die Grundaussage und Werbefilmer der zehner und 20er Jahre. Dem deut­ den Anlaß der Ausstellung, es wird für den einzelnen schnationalen Filmemacher, der vom Entwurf bis zum immer schwieriger werden, den Wahrheitsgehalt von fertigen Endprodukt all seine Filme in eigener Regie Bildern zu beurteilen. produzierte, schaffte es, ein künstlerisch kreatives Am Ende des Katalogs befindet sich noch ein Klima zu erzeugen, das beispielhaft für die Werbe­ kurzer Aufsatz zur »Bildpropaganda und Bildfäl• filmproduktion schlechthin wurde. Auch Hans Fi­ schung im Stalinismus« von Hermann Weber, der ei­ scherkösen, Lotte Reininger, Oskar Fischinger, Wal­ nige Aspekte, die bereits an anderen Stellen benannt ter Ruttmann, Hans Poelzig und Guido Seeher ar­ sind, vertieft bzw. erweitert. beiteten ebenfalls nach dem Autorenprinzip Pin­ Unter wissenschaftlichen Aspekten wird man in schewers und verliehen so ihren Produktionen, wie dem vorliegenden Buch sicher kaum wesentlich neue der Autor nachweist, eine unverwechselbare Hand­ Aspekte finden. Für all jene aber, die sich in den ver­ schrift. Der Einfluß des Begründers einer eigenstän• schiedensten Bildungseinrichtungen mit Bildmanipu­ digen deutschen Werbefilmästhetik reicht bis in die lationen beschäftigen oder dieses für die Zukunft pla­ Filmavantgarde der 20er Jahre, der er wesentliche nen, bietet der Katalog eine ausgezeichnete, gut er­ Impulse verlieh. So wurde Ruttmann hier zu seinen klärte Materialbasis, die eine schnelle Orientierung Ideen vom abstrakten Film angeregt und Reiniger ermöglicht. stellte den ersten Scherenschnittfilm her. Insofern er­ Wolfgang Mühi-Benninghaus, Berlin öffnete der offensichtlich gut bezahlte Werbefilm ex­ perimentelle Möglichkeiten, die den Spielfilmprodu­ zenten in der Regel verwehrt blieben, deren Ergeb­ nisse sie aber später nutzen konnten. Klassisches Beispiel hierfür sind etwa die frühen tönenden Wer­ bespots und die ersten Farbaufnahmen. Die bereits genannten Namen verkörpern die er­ ste Blütezeit des Werbefilms, der auch zu einer Um- 182 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

wertung des öffentlichen Raumes beitrug. Markenzei­ hend zurückzog. Der Schluß scheint aber auch im chen von Massenprodukten, wie etwa der Erdal­ Medium selbst begründet zu sein. Mit den neuen Frosch klebten schon vor dem Ersten Weltkrieg an elektronischen Aufnahmetechniken wird der Werbe­ den Litfaßsäulen und Plakatwänden. Indem Maße, film erneut zum Vorreiter neuer Filmtechniken. Deren wie sie auch im Kino erscheinen und animiert wer­ Ergebnisse verlangen nicht nur einen anderen Zugriff den, entstehen, und dies weist Agde sehr genau auf die Geschichte als die stark personalisierte, son­ nach, gegenseitige Verweise zwischen Plakat, An­ dern möglicherweise auch das Anlegen anderer Krite- nonce, Kino und Produkt. Es wird weiterer Untersu­ rien . chungen bedürfen, ob und in welchem Umfang die Wolfgang Mühi-Benninghaus, Berlin technischen Möglichkeiten genutzt wurden, um mit ihrem konzentrierten Einsatz Werbekampagnen zu veranstalten. Jan Foitzik Die ästhetische Breite, die den Werbefilm in den Sowjetische Militäradministration in 20er Jahren charakterisierte, ist nach 1933 Ge­ Deutschland (SMAD), 1945 - 1949. schichte. Obwohl nur wenige Werbefilmer das Land Struktur und Funktion(= Quellen und verlassen - zu ihnen zählt Pinschewer, der in der Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 44). Schweiz zum Vater des Werbefilms der Alpenrepublik Berlin: Akademie Verlag 1999, 544 Seiten. wird - schränken die neuen Machthaber die Gestal­ tungsbreite des Genres ein. Da die Industrie an der Vom Verlag lange angekündigt und in Fachkreisen Wirksamkeit der von ihr bezahlten Produktionen gro­ gespannt erwartet, füllt Jan Foitziks Untersuchung ßes Interesse hat, wirkte sich der nationalsozialisti­ der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland sche Zugriff nicht abrupt, sondern, wie der Autor ver­ (SMAD) eine Lücke in der Geschichtsschreibung über deutlicht, in Etappen aus. Wichtige Einschnitte sind die Besatzungszeit Es fehlte auf dem deutschspra­ hier die Jahre 1936, 1939 und 1942/43. ln der Zeit chigen Büchermarkt bis dato der Versuch einer Ge­ des totalen Krieges sind es nur noch die Sparkas­ samtdarstellung der komplexen Organisationsstruktur senfilme, die in den Kinos gezeigt werden. Sie sollen der sowjetischen Besatzungsverwaltung, ihrer Verän• die Bevölkerung zum Sparen anhalten, etwa um nach derungen und Interdependenzen mit den verschiede­ dem Krieg ein Haus im Grünen bauen zu können. nen vorgesetzten Behörden in Moskau. Foitziks Ziel Ein wichtiges Element des deutschen Werbefilms, ist zu erklären, wie die SMAD als Apparat funktio­ der Zeichentrickfilm, wurde in seinen personellen nierte, und darzulegen, daß ihre Entwicklung nicht Traditionen durch den Krieg kaum berührt, denn bis stringent aus der Verfolgung eines - wechselnden - zum Ende des Krieges wurden Zeichentrickfilmer in deutschlandpolitischen Ziels zu erklären ist. Statt den reichsmittelbaren Zeichentrickstudios benötigt, dessen lautet Foitziks These, daß der Apparat als die nach den Wünschen Goebbels Disney Konkur­ komplexe Großorganisation eine eigene Dynamik renz machen sollten. Abbildungen aus Filmen wie entwickelte. Er versucht, das Gewirr sich überschnei• »Die verwitterte Melodie« und »Der Schneemann« dender Kompetenzen, paralleler Unterstellungs- und von Fischerkäsen stehen am Ende dieser Entwick­ Abhängigkeitsverhältnisse, sich widersprechender lung. Eine weitere Verwendung fanden die Trickfilm­ Maßnahmen, das Dickicht also einer sich ständig zeichner in der 1941 gegründeten Mars-Film GmbH, verändernden Großorganisation zu entzerren, um die Lehr- und Ausbildungsfilme für die gesamte deutlich zu machen, daß die Ergebnisse und Wirkun­ Wehrmacht herstellen sollte. gen der SMAD - in letzter Konsequenz also die Ent­ Mit der Teilung Deutschlands entstanden auch stehung der DDR - das »strukturell-immanente Re­ . unterschiedliche Traditionen im Werbefilm. ln der sultat« und die »Objektiv unvermeidbare Folge der Bundesrepublik war sie eingebettet in das soge­ Organisation der sowjetischen Deutschlandpolitik« nannte Wirtschaftswunder, das auch den Werbe­ waren (S . 14). Damit richtet der Autor die Aufmerk­ filmgestaltem neue Aufträge bescherte. Es sind die samkeit auf die Funktionsweise des Apparates als bereits aus der Vorkriegszeit bekannten Namen, wie dritte entscheidende Konstante für die Ergebnisse Fischerkäsen oder der Erfinder des Sarotti-Mannes, sowjetischer Deutschlandpolitik neben den in Moskau Wolfgang Kaskeline, die als Gründungsväter des von Stalin und seinem engeren Führungszirkel ver­ westdeutschen Werbefilms fungieren. Obwohl die folgten deutschlandpolitischen Zielen und den Rich­ DEFA schon vor der Gründung der DDR beginnt, tungskämpfen einzelner Gruppierungen innerhalb der wieder Werbefilme zu produzieren, führt hier dies SMAD. Genre eher ein Schattendasein, aus dem es kurzzei­ Um die Funktionsweise des Apparates zu erklä• tig auf Anordnung Ulbrichts herausgeholt wird, um vor ren, stellt Foitzik zunächst den formalen Aufbau der allem auch gegenüber der Bundesrepublik die Errun­ SMAD vor. Beschrieben werden die zentralen Ein­ genschaften der DDR im Bereich des privaten Kon­ richtungen der SMAD in Berlin und ihrer territorialen sums zu demonstrieren. Unter Honecker verschwin­ Gliederungen in den Ländern und Provinzen der So­ den die ersten Ansätze weitgehend, weil die zuneh­ wjetischen Besatzungszone (SBZ) sowie einzelne mende Mangelwirtschaft Produktwerbung absurd er­ sogenannte »Sonderorganisationen«, zu denen Foit­ scheinen läßt. zik unter anderem auch die Massenkommunikati­ Günter Agde setzt einen Schnitt in den 70er Jah­ onsmittel und das Sowjetische Nachrichtenbüro der ren . Dieser ist historisch gerechtfertigt, weil Deutsch­ SMAD zählt. Ergänzt wird die Darstellung der forma­ land zu diesem Zeitpunkt längst seine ehemals füh• len Struktur durch einen Überblick über die Persona­ rende und international anregende Rolle im Werbe­ lentwicklung in der SMAD und durch einen Abschnitt filmgeschäft eingebüßt hatte und die Generation der über die SMAD als Arbeitsplatz, d.h. über die Ar- Werbepioniere sich aus dem Geschäftsleben weitge- Rezensionen 183 beitsbedingungen der SMAD-Angehörigen, über ihr aber nur mühsam zu finden, da ein Sachregister fehlt. Gehalt und die interne Hierarchie zwischen Militäran• Trotzdem gibt es in Einzelbereichen auch neue Er­ gehörigen in Uniform und Zivilangestellten. Darauf kenntnisse und Daten, z.B. über den Verlag der aufbauend werden die externen und die SMAD­ SMAD, der ins Deutsche übersetzte sowjetische Lite­ internen Führungsstrukturen und ihre Kommunikati­ ratur in hohen Auflagen herausgab. Diese ungleich­ onsformen untersucht: Zum einen werden die ver­ mäßige Darstellung dürfte mit einiger Sicherheit dem schiedenen vorgesetzten Behörden in Moskau wie ungleichmäßigen Zugang zu sowjetischen Quellen das Staatliche Verteidigungskomitee, der Ministerrat, geschuldet sein, der eine systematische Suche häu• die einzelnen Fachministerien einschließlich des Mi­ fig nicht ermöglicht und gleichzeitig auf unerwarteten nisteriums für Staatssicherheit, der Generalstab der Gebieten zu Entdeckungen führt. Roten Armee und natürlich die Führung der Die Informationspolitik der SMAD betrachtet Foit­ KPdSU(B) im Hinblick auf ihre Einwirkungen auf die zik unter dem Gesichtspunkt der Zentralisierung der SMAD dargestellt und ihre unterschiedlichen Interes­ Kontrolle über die Massenmedien (S. 324ff.). Dazu senlagen betont. Da sie alle in direkter Form Einfluß diente nach Zulassung der Parteipresse im Juni 1945 auf einzelne Bestandteile des SMAD-Apparates hat­ eine Politik der »aktiven lnformationslenkung« durch ten, erklären sich die widersprüchlichen Ziele und den Aufbau eines Nachrichtenmonopols. Instrumente Maßnahmen der SMAD zum Teil aus dieser Vielfalt. der aktiven Informationslenkung waren das Informati­ Zum anderen werden die SMAD-interne Leitungs­ onsbüro der SMAD (auch Sowjetisches Nachrichten­ ebene und ihre wechselnde Führungsstruktur vorge­ büro genannt) und die im Herbst 1946 lizensierte All­ stellt. Hier wendet sich Foitzik unter anderem gegen gemeine Deutsche Nachrichtenagentur (ADN). Der eine Überbewertung der Rolle des Leiters der SMAD­ Rundfunk konnte zunächst nur bedingt zum Aufbau Propagandallnformationsverwaltung Sergej Tjulpa­ des Nachrichtenmonopols eingesetzt werden, weil die now, der- in der Literatur seit langem umstritten- in Radiogeräte in der SBZ (soweit bekannt nicht in allen den letzten Jahren durch die Veröffentlichung einer Besatzungszonen) nach Kriegsende abzugeben wa­ Quellensammlung zur Arbeit dieser Verwaltung er­ ren und die Einzelbenutzung von Rundfunkgeräten neut Aufmerksamkeit erfahren hat.1 Auf bereits ver­ erst im April 1946 wieder erlaubt worden sei - hier irrt öffentlichte eigene Forschungen stützt sich Foitzik bei Foitzik: die Einzelbenutzung war bereits mit Befehl der Untersuchung der Befehlsformen und -Organisa­ Nr. 78 vom 27. September 1945 gestattet worden. tion, mit deren Hilfe nicht nur die groben besatzungs­ Dennoch konnte Foitzik zufolge das Nachrichtennetz politischen Linien, sondern auch nebensächlichste in der SBZ bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt Verfahrensregeln festgelegt werden konnten.2 Zu­ zentralisiert werden, u.a. durch die Nutzung des sammen mit verschiedenen Formen der Kontrolle wie Leipziger Senders für die Ausstrahlung des Pro­ dem Berichtswesen, Stichproben-Überprüfungen und gramms des Berliner Rundfunks sowie deutschspra­ häufigem Kontakt zwischen deutschen Instanzen und chige Sendungen Radio Moskaus und durch den sowjetischem Personal ergaben sie ein, wenn auch Aufbau des Funkhauses Grünau in (Ost)Berlin, von nicht sehr rationell arbeitendes, so doch engmaschi­ dem aus die Länder- und Provinzsender der SBZ ges System der Anleitung und Lenkung. Ein letzter zentral mit Nachrichten und politischen Sendungen Teil der Untersuchung ist der Entwicklung der Bezie­ versorgt wurden. Der Berliner Rundfunk sei dabei als hungen zwischen der SMAD und den deutschen Körperschaft des öffentlichen Rechts unmittelbar der Selbstverwaltungsorganen gewidmet. Die KPD/SED SMAD unterstellt gewesen. Ein weiteres Indiz für die ist in diesem Prozeß, Foitzik zufolge, durchaus eine aktive Informationslenkung durch die SMAD sieht eigenständige politische Größe gewesen, die in Foitzik darin, daß es ab Frühjahr 1946 ein soge­ gänzlicher Abhängigkeit von Moskau, aber teilweise nanntes Berliner Radiozentrum innerhalb der SMAD­ an der SMAD vorbei in direkter Kommunikation mit Propagandaverwaltung gegeben habe. Foitzik ver­ der Moskauer Führung und Stalin handelte. mutet darunter eine Tarnbezeichnung für ein Ausbil­ Problematisch an Foitziks Buch ist, daß sein auch dungsprogramm der SMAD für deutsche Rundfunk­ im Titel vertretener Anspruch, eine Darstellung der journalisten. SMAD zu liefern, dazu verführt, das Buch als Hand­ Foitziks Grundthese, daß die SMAD versucht ha­ buch zu nutzen; diesem Anspruch wird es aber nur be, ein Informationsmonopol zu errichten, kann sicher bedingt gerecht. Die Betonung liegt eindeutig auf der zugestimmt werden. Im einzelnen aber verlief der detailgesättigten und mit vielen neuen Quellen be­ Prozeß nicht ganz so gradlinig, wie der Autor dies legten Darstellung von Verwaltungsabläufen und dem schildert: So hatte die SMAD zwar tatsächlich im Verhältnis deutscher zu sowjetischen Strukturen. September 1945 die Anweisung gegeben, »beim Ausgespart bleiben aber wichtige Bereiche der Wir­ Leipziger Sender eine Empfangsstation zu errichten, kungen des Apparates wie die SMAD-Kulturpolitik. die die Moskauer und Berliner Sendungen empfan­ Und auch auf dem Sektor Informationspolitik bleibt gen und weiterleiten« sollte. Umgesetzt werden einiges zu wünschen übrig. Die Darstellung der Mas­ konnte dieser Befehl aber nur für die Sendungen des senkommunikationsmittel in der SBZ geht zunächst Berliner Rundfunks, und auch sie wurden ein Drei­ nicht über das hinaus, was bereits aus Foitziks Auf­ vierteljahr später, nachdem das Leipziger Funkhaus satz über die SMAD im 1993 veröffentlichten SBZ­ wieder instand gesetzt worden war, durch ein in Leip­ Handbuch des Instituts für Zeitgeschichte in München zig produziertes Programm ersetzt. Für die Aus­ bekannt ist. Es fehlt die Zuordnung der einzelnen strahlung des deutschsprachigen Dienstes von Radio Medienbereiche - Presse, Rundfunk, Film, Verlags­ Moskau konnte sogar erst Anfang 1947 eine Lang­ wesen - zur SMAD und eine systematische Darstel­ wellenfrequenz sporadisch genutzt werden. Regel­ lung der Tätigkeit. Teilweise liegen diese Informatio­ mäßig auf einer gut hörbaren Mittelwellenfrequenz nen verstreut in anderen Abschnitten vor, sie sind ausgestrahlt wurde Radio Moskau erst ab April 184 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

1948.3 Auch unterstand der Berliner Rundfunk nicht 3 Vgl. Petra Galle: Radio Moskau und Berliner unmittelbar der SMAD, vielmehr war ab Dezember Rundfunk 1945- 1949, in: RuG Jg. 25 (1999), H. 1945 die Deutsche Verwaltung für Volksbildung 1,S.5ff. (DVN) dazwischengeschaltet Der Berliner Rundfunk 4 Dies geht aus den SMAD-internen Mitteilungen wurde erst Ende 1946 zur Körperschaft des öffentli• »informazionaja swodka« ab Ende 1945 und aus chen Rechts, allerdings ohne eigene Rechtspersön• den Namen von Kontrolloffizieren hervor, die in lichkeit, die bei der DVN blieb. Die Zwischenschal­ den Gehaltslisten der SMAD-Informationsverwal­ tung einer deutschen Verwaltung hinderte die SMAD tung ab 1948 genannt werden. Vgl. Archiv für zwar nicht daran, die Fäden in der Hand zu behalten, Außenpolitik der Russischen Föderation, Mos­ sie ist aber in Zusammenhang mit der - von Foitzik kau: 0457b/1/8/2 und Staatsarchiv der Russi­ ansonsten bestätigten - generellen Linie der SMAD schen Föderation, Moskau: 7317/59/82. zu sehen, die Ausführung der Maßnahmen auch im Bereich der Massenmedien in KPD/SED-Hände zu geben. Zu Unrecht vermutet Foitzik des weiteren in European Broadcasting Union (Hrsg.) dem Berliner Radiozentrum eine Tarnbezeichnung für EBU Yearbook 1997. ein Ausbildungsprogramm der SMAD. Als Berliner Red.: Jean-Pierre Julien. Radiozentrum wurde die Gruppe der Kontrolloffiziere Grand-Saconnex: European Broadcasting Union/ bezeichnet, die ab Sommer 1945 im Funkhaus in der Union Europeenne de Radio-Television 1997, 52 Masurenallee arbeitete und in dieser Funktion aller­ Seiten. dings die deutschen Mitarbeiter anleitete.4 Diese »pädagogischen« Aufgaben waren nach Kriegsende European Broadcasting Union (Hrsg.) Bestandteil der Tätigkeit der Kontrolloffiziere aller Be­ EBU Yearbook 1998. satzungsmächte. Ein weiterer Irrtum unterläuft Foit­ Red.: Jean-Pierre Julien. zik, wenn er die Aussagen des ersten Intendanten Grand-Saconnex: European Broadcasting Union/ des Berliner Rundfunks, Hans Mahle, so interpretiert, Union Europeenne de Radio-Television 1998, 48 daß die Westalliierten nach Kriegsende bei der Seiten. S_MAD (sie existierte zu diesem Zeitpunkt noch gar mcht) dagegen protestiert hätten, daß der Berliner Wer an Legenden der Samstagabendunterhaltung wie Rundfunk in deutscher Sprache und nicht in russi­ etwa »Einer wird gewinnen« zurückdenkt, mit Euro­ scher Sprache sendete. Aus diversen veröffentlichten pahymne im Vorspann zeitgleich in Deutschland, Interviews mit Mahle ist bekannt, daß die Westalliier­ Osterreich und der Schweiz ausgestrahlt, an das euro­ ten Ende Mai 1945 dagegen protestierten, daß das paweite »Spiel ohne Grenzen« oder an den »Grand Programm in deutscher Sprache ohne alliierte Kon­ Prix d'Eurovision de Ia chanson« mit seinen transkonti­ trolle, d.h. in diesem Fall ohne sowjetische Vorzensur nentalen Schlagern zwischen »douze« und »zero gesendet wurde. Daraufhin veranlaßte die Politische points«, der ist ihr schon ganz nahe: der Europäischen Hauptverwaltung der Armee, daß eine Gruppe von Rundfunkunion, meist englisch EBU abgekürzt, mit Sitz Kontrolloffizieren in das Funkhaus geschickt wurde. in ~inem Genfer Vorort. Zu verdanken hat ihr der ge­ Mahle bestreitet also keineswegs - wie Foitzik be­ meme Fernseh- oder Hörfunknutzer nicht nur die öf• hauptet (S. 330) - den Sachverhalt, daß es ab die­ fentlich-rechtlichen Programmverbünde Eurovision und sem Zeitpunkt sowjetische Kontrolloffiziere im Rund­ Euroradio, sondern auch zwei beachtenswerte TV­ funk gegeben hat. Programme: Eurosport und Euronews, die von Mit­ Dennoch: Ungeachtet der hier geäußerten Detail­ gliedsanstallen gegründet wurden. Und dennoch ist kritik auf einem Gebiet (Massenkommunikationsmit­ die EBU außerhalb der engeren Fachöffentlichkeit tel), dem sicher nicht die volle Aufmerksamkeit des kaum im Bewußtsein verankert. . Autors galt, und der nicht einfachen Nutzung des Bu­ »The EBU has always been an excessively Iew­ ~hes, _ist Foitziks Studie für künftige Forschungen profiie organization. For the public at large ( ... ) the uber d1e SMAD unentbehrlich. Was es unentbehrlich EBU's werk largely goes on backstage.« Mit diesen macht, ist neben vielen hier erstmals genannten Worten leitet denn auch der Präsident der European Quellen die Zusammenschau der Funktionsmecha­ Broadcasting Union (und Intendant des Bayerischen nismen innerhalb des Apparates und mit den vorge­ Rundfunks), Albert Scharf, sein Vorwort zum ersten setzten Moskauer Behörden. Jahrbuch der Organisation überhaupt ein, das 1997 Petra Galle, Berlin erschien. Es war wohl in der Tat ein Paradoxon, daß die EBU mit ihren damals 66 aktiven Mitgliedsanstal­ Sowjetische Politik in der SBZ, 1945- 1949. Do­ ten aus 49 Ländern seit ihrer Gründung 1950 nie ein kumente zur Tätigkeit der Propagandaverwaltung Jahrbuch vorgelegt hatte (S. 3).1 Doch spätestens (lnformationsverwaltung) der SMAD unter Sergej seit der immer stärkeren Zunahme des kommerziel­ Tjul'panov. Hrsg. von Bern Bonwetsch u.a. Bonn len Rundfunks in Europa vor allem ab den 80er Jah­ 1997. Vgl. Rezension RuG Jg. 25 (1999), H. 1, S. ren steht die Kooperative unter Legitimitätsdruck. 71; vgl. auch Norman Naimark: Die Russen in Öffentliche Präsenz und Eigendarstellung - lies: Pu­ Deutschland. Die Sowjetische Besatzungszone blic Relations - werden in Zeiten der Deregulierung 1945- 1949. Berlin 1997. und des Wettbewerbs der Systeme notwendiger denn 2 Jan Foitzik (Hrsg.): Inventar der Befehle des je. ln diesem Zusammenhang ist auch das Jahrbuch Obersten Chefs der SMAD. München 1995. Vgl. 1997 zu verstehen. Die EBU scheint es durchaus auch die Rezension in: RuG Jg. 25 (1999), H. 1, ernst zu meinen: 1998 erschien das zweite.2 S. 90. Rezensionen 185

Rund 70 000 Sendungsteile - vom kurzen Bericht Jürgen Kirschner bis zur kompletten WM-Übertragung - laufen jährlich Fischer Handbuch. über das EBU-Ausstrahlungszentrum und inzwischen Theater, Film, Funk und Fernsehen. 20 Eutelsat-Satellitenkanäle. Programmaustausch und Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag Förderung des öffentlich-rechtlichen, dem Gemein­ 1997, 325 Seiten. wohl verpflichteten Rundfunks sind zwei fundamen­ tale Ziele der Organisation. Dazu zählen etwa die ln zehn Abschnitten breitet Jürgen Kirschner, dem Unterstützung grenzüberschreitender Koproduktio­ Carsten Gier und Eva Werth redaktionell zur Seite nen, das Aushandeln von Ausstrahlungsrechten be­ standen, Wissenswertes zu Geschichte und Gegen­ deutender Sportereignisse oder das Anbieten rechtli­ wart von Theater, Film und Rundfunk (und nicht zu cher, strategischer (marktforscherischer) und techni­ »Funk und Fernsehen«, wie der Titel des Buches an­ scher Hilfestellungen und Harmonisierungen. Nicht kündigt) aus. Dokumentiert werden im Kapitel »Lite­ zuletzt wird auch die Lobbyarbeit bei der Europäi• ratur« Einführungen und Handbücher, Lexika und schen Kommission und beim Europarat immer wichti­ Wörterbücher, Bibliographien und Referateorgane, ger. Die Jahrbücher 1997 und 1998 bieten zu diesen Zeitungen und Zeitschriften. Im Kapitel »Adressen« und weiteren Themen jeweils kurze, lesenswerte Arti­ sind einschlägige Angaben zu Archiven, Museen und kel, die je nach Bedarf mit graphisch aufbereiteten Bibliotheken nachzuschlagen. Im nahezu 50seiligen Zusatzangaben und Statistiken ergänzt werden. Der Register finden sich - alphabetisch aufgelistet - ne­ Informationsgehalt ist für einen ersten Einstieg in die ben den Namen von Autoren und Institutionen auch Materie durchaus zufriedenstellend. Mehr als ein die Titel von Büchern und Buchreihen sowie von Aperitif sind sie freilich nicht. Sendungen und Sendereihen. Ein Blick auf die im Anhang befindliche Auf­ Die Informationen sind allgemein als zutreffend, stellung der inzwischen 68 aktiven Mitgliedsanstalten aber nicht als vollständig einzustufen, auch wenn (die nicht nur in West- und Osteuropa, sondern auch man dem Kompilator die Freiheit der Auswahl zuge­ im angrenzenden Mittelmeerraum zu finden sind) ruft steht. Für ein »Handbuch« ist es aber nicht akzepta­ in Erinnerung, daß die EBU mit der Eingliederung des »sozialistischen« Gegenverbandes Organisation Inter­ bel, wenn von der fünfbändigen Reihe »Geschichte nationale de Radiodiffusion et Television (OIRT) 1993 des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland« dazu beigetragen hat, die Spaltung Europas auch im nur die Bände eins und vier jeweils eigens bibliogra­ Rundfunk zu überwinden. Die 50 assoziierten Mitglie­ phiert werden und es zur ebenfalls fünfbändigen Rei­ der zwischen Australien und Venezuela verweisen auf he »Rundfunk in Deutschland« zwar einen Sammal­ die nicht zu unterschätzende Stellung der EBU im eintrag gibt, aber nur der erste Band separat erwähnt weltweiten Kommunikationsgefüge. Daß freier Nach­ wird. Dafür darf sich der Studienkreis Rundfunk und richten- und Informationsaustausch auch heute noch Geschichte gleich zweier Einträge im Register erfreu­ nicht überall selbstverständlich ist und von manchen en, die sich beide auf nur eine Stelle im Hauptteil be­ Regimen offensichtlich gefürchtet wird, zeigt die Reak­ ziehen. Das Deutsche Rundfunkarchiv muß sich hin­ tion Jugoslawiens (dessen staatlich gelenkter Rund­ gegen mit vier Einträgen im Register bescheiden, funk nicht EBU-Mitglied ist) bei Beginn der NATO­ obwohl es rund zwei Dutzend Mal in verschiedenen Kampfhandlungen im März 1999, das sofort, wenn Zusammmenhängen im Hauptteil auftaucht - als auch nur vorübergehend, die Leitungen der Organisa­ Herausgeber von Büchern, Bestandsverzeichnissen tion kappte. und Anlaufstelle für die rundfunkgeschichtliche For­ Oliver Zöllner, Köln schung. Ansgar Diller, Frankfurt am Main Zur Frühgeschichte der Organisation vgl. Le temps des pionniers. L'UER et !'Eurovision de 1950 a 1970. Diffusion Jg . 6, Sonderheft Mai 1997 (auch in englischer Version verfügbar); in anderer Form erschienen als Wolfgang Degenhardt u. a.: Europäisches Fernsehen bis 1970. Eine Idee wird zum Laufen gebracht. Eine kleine Geschichte der Europäischen Rundfunkunion und der Eurovision. Siegen 1996. 2 Unter dem Titel »Annuaire UER 1997 [1998]« sind sie zeitgleich auch in französischer Sprache auf­ gelegt worden. Bibliographie

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Siegen: Sozial. tainment, deren Prototyp erstmals Dietmar Schönherr Analyse, Berichte, Kontroversen. Jg. 3. 1998. H. 2. S. 1973 mit >Je später der Abend .. .< moderierte.« 34-50. darin: Zur Entwicklung des Talkshow-Genres; darin: Herkunft und Vorbilder. Einfluß des »Code of Conduct« auf die Genre­ Entwicklung; Von der Talkshow zum Live-Life-Drama Mattusch, Uwe: Nachrichten im Kinderprogramm. Kinder und Nachrichten. ln: Hans-Dieter Erlinger u.a. Heinrichs, Elke, Michael Jäckel: Aus dem Alltag in (Hrsg.): Handbuch des Kinderfernsehens. 2. Aufl. den Alltag? Zur Bedeutung von Daily Soaps und Se­ Konstanz 1998. S. 307-320. rien für Programmanbieter und Zuschauer. ln: Medi­ darin: Zur Entwicklung der Kindernachrichten in en praktisch. Jg. 23. 1999. H. 1. S. 35-40. der BRD darin: Soap opera: Hinweise zur historischen Entwicklung eines Genres Mühlfenzl, Rudolf: Auftrag und Wirken der »Einrich­ tung«. Ein Kapitel Mediengeschichte der Wiederver­ Hickethier, Knut: Die Anfänge des deutschen Kin­ einigung. ln: Helmut G. Bauer, Stephan Ory (Hrsg.): derfernsehens und llse Obrigs Kinderstunde. ln: Inhalt gestalten - Technik nutzen. Beiträge zur Me­ Hans-Dieter Erlinger u.a. (Hrsg.): Handbuch des Kin­ dienentwicklung im vereinten Deutschland. Fest­ derfernsehens. 2. Aufl. Konstanz 1998. S. 151-163. schrift für Claus Detjen. Berlin 1996. S. 105-116. darin: Kinderfernsehen im Dritten Reich; Das Ra­ diovorbild: Zum Beispiel llse übrig, Die Anfänge des Orth, Stefan: Verstummt. Der christliche Rundfunk­ Kinderfernsehens beim Nordwestdeutschen Rund­ sender Radio Campanile hat Konkurs angemeldet. ln: funk Herder-Korrespondenz. Jg. 52. 1998. H. 8. S. 383f. Der private katholische Sender strahlte vom 8. Hickethier, Knut: Produzenten und Vermittler von Dezember 1996 bis Juli 1998 ein tägliches 15stündi• Medienkultur - am Beispiel des Fernsehspiels. ln: Ul­ ges Programm aus Ludwigshafen aus. rich Saxer (Hrsg.): Medien-Kulturkommunikation. (Publizistik. Sonderheft 2). Opladen, Wiesbaden Paus-Haase, lngrid: Vom Sesam-öffne-Dich des Vor­ 1998. S. 141-159. schulbooms hin zur guten alten Tante des Kinder­ darin: Kunstproduzenten in den Medien; vom fernsehens der 90er Jahre. Die wechselvolle Ge­ Hörspiel zum Fernsehspiel; vom Theater zum Fern­ schichte der Sesamstraße. ln: Hans-Dieter Erlinger sehspiel; kulturelle Verflechtung in der Phase der In­ u.a. (Hrsg.): Handbuch des Kinderfernsehens. 2. dustrialisierung des Fernsehens; von Literatur und Aufl. Konstanz 1998. S. 199-214. Film zum Fernsehen 196 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Rebehn, Lars, Christoph Schmitt: Kasper, Kermit, Typologie der deutschen Fernsehstars. ln: Walter Kalle Wirsch. Zur Entwicklung des Puppenspiels im Klingler u.a. (Hrsg.): Fernsehforschung in Deutsch­ Fernsehen. ln: Hans-Dieter Erlinger u.a. (Hrsg.): land. Themen - Akteure - Methoden. Teilband 1. Ba­ Handbuch des Kinderfernsehens. 2. Aufl. Konstanz den-Baden 1998. S. 441-454. 1998. S. 321-338. Weiher, Sigfrid von: Radiogrüße aus Moskau. Erinne­ Rosenthal, Themas, Ralf Töllner: Gesundheit und rungen an die Kindertage des Radios. ln: Kultur & Unterhaltung. Arzt- und Krankenhausserien im Fern­ Tech~k . Jg.22. 1998.H.4.S.32[ sehen. Ergebnisse einer lnhaltsanalyse. ln: Medien Medienbiographisch gefärbte Erinnerungen des praktisch. Jg. 23. 1999. H. 2. S. 54-58. Autors an die Vor- und Frühgeschichte des Rund­ funks in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen technik­ Saxer, Ulrich: Annäherung an eine Rundfunk-lnstitu­ geschichtliche und persönliche Erinnerungen an tionsgeschichte. ln: Wolfgang Duchkowitsch [u.a.] Manfred von Ardenne. (Hrsg.): Journalismus als Kultur. Analysen und Es­ says. Opladen/Wiesbaden 1998. S. 213-225. 20 Jahre Zeugen des Jahrhunderts. Programm­ Medienhistoriographie als theoriegeleitete lnstitu­ schwerpunkt ZDF/!PHOENIX ab 17. Januar tionengeschichte; Eine institutionsgeschichtliche Pi­ 1999. ln: ZDF. MonatsjournaL Jg. 15. 1999. H. 1. S. lotstudie [Uirich Saxer, Ursula Ganz-Biättler: Schwei­ 78f. zer Fernsehen: Werden und Wandel einer Institution. Zürich 1998] Rudolf Lang, Köln Schäfer, Dieter: Gameshows und Quizsendungen für junge Menschen. ln: Hans-Dieter Erlinger u.a. (Hrsg.): Handbuch des Kinderfernsehens. 2. Aufl. Konstanz 1998. S. 291-306. Schäffner, Gerhard: Fernsehen. ln: Werner Faulstich (Hrsg.): Grundwissen Medien. 3., erw. Aufl. München 1998. s. 174-200. darin: Begriff und Theorie; Geschichte; Produkti­ on; Programme; Rezeption. Schäffner, Gerhard: Hörfunk. ln: Werner Faulstich (Hrsg.): Grundwissen Medien. 3., erw. Aufl. München 1998. S. 253-273. darin: Begriff und Theorie; Geschichte; Produ­ zenten/Produktion; Programm; Rezeption. Schausten, Bettina: Zum 150. Mal: »Was nun ... ?«. Die politische Talksendung 1999 alle 14 Tage im ZDF-Programm. ln: ZDF. MonatsjournaL Jg. 15. 1999. H. 3. S. 72-73. Scheicher, Ursula: 15 Jahre »Die ZDF-reportage«. Lange Nächte mit den Glanzlichtern der Reportage [28 ., 29., 30. Dezember 1998, 1. Januar 1999]. ln: ZDF-MonatsjournaL Jg. 15. 1999. H. 1. S. 76-77. Schimanski, Helmut: Ein Stück Mediengeschichte & -gegenwart. 30 Jahre »Länderspiegel« - 30 Jahre po­ litische Information am Samstagnachmittag. Inter­ view: Themas Hagedorn. ln: ZDF-Kontakt. 1999. H. 1. s. 16-18. Unter dem Titel: »Wir setzen den Deckel auf die Woche«. ln: ZDF. MonatsjournaL Jg. 15. 1999. H. 1. S. 80-81. Schönbach, Klaus: Winfried Schulz 60 Jahre. ln: Pu­ blizistik. Jg. 43. 1998. H. 4. S. 427-428. Kommunikationswissenschaftler, geboren 11. Au­ gust 1938. Stötzel, Dirk Ulf: Die Maus wird älter. Redaktions­ und Sendungskonzept einer Kindersendung im WDR. ln: Hans-Dieter Erlinger u.a. (Hrsg.): Handbuch des Kinderfernsehens. 2. Aufl. Konstanz 1998. S. 215- 225. Strobel, Ricarda, Werner Faulstich: Von Peter Fran­ kenfeld bis Themas Gottschalk: historiegraphische Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte

Mitgliederversammlung des Reinhold Viehoff, (Medienwissenschaften, Uni­ Studienkreises Rundfunk und versität Halle). Als Schriftführer bzw. Schatzmei­ ster wurden Dr. Edgar Lersch (Historisches Ar­ Geschichte in Siegen chiv des SWR, Stuttgart) bzw. Dr. Michael Crone (Dokumentation und Archive des HR, Frankfurt Am 7. Mai 1999 fand in Siegen am Rande der am Main) bestätigt. Zu Beisitzern gewählt wur­ Jahrestagung turnusgemäß die Mitgliederver­ den Dr. Marianne Ravenstein (Universität Mün• sammlung des Studienkreises Rundfunk und ster), Dr. lngrid Scheffler (Universität Halle), Dr. Geschichte e.V. statt. Die Versammlung wurde Ansgar Diller (Deutsches Rundfunkarchiv, eröffnet durch einen kurzen Rechenschaftsbe­ Frankfurt am Main) und Dr. Oliver Zöllner (Medi­ richt des scheidenden Vorsitzenden, Dr. Helmut enforschung , Köln). Der Vor­ Drück. Er führte u.a. aus, daß die Mitgliederzahl stand des Deutschen Rundfunkarchivs, Direktor stabil geblieben sei, Austritte bzw. Abgänge Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard (Frankfurt am durch Todesfälle sich mit Neueintritten die Waa­ Main-Berlin), und der Leiter der Hauptabteilung ge hielten. Insgesamt sei jedoch die Entwicklung ABO des ZDF, Dr. Heiner Schmitt (Mainz), gehö• unbefriedigend: praktizierende Journalisten sei­ ren dem Vorstand qua Amt an. ln den ersten en kaum noch unter der aktiven· Mitgliederschaft beiden Sitzungen hat der neugewählte ge­ auszumachen, ähnliche Zurückhaltung übten Hi­ schäftsführende Vorstand folgende Damen und storiker aus dem wissenschaftlichen bzw. uni­ Herren für das erweiterte Gremium kooptiert: versitären Bereich. Die Zeitschrift >Rundfunk und Frau Dr. Gerlinde Frey-Vor (Medienforschung Geschichte< habe sich seit der letzten Ver­ MDR, Leipzig), Prof. Dr. Lothar Albertin (Univer­ sammlung weiter positiv entwickelt, sie stelle ein sität Bielefeld}, Dr. Peter Dusek (ORF, Wien}, wichtiges Identifikationsmoment für den Verein Dr. Fritz Hausjell (Publizistik- und Kommunikati­ dar in dem sich seine Arbeit dauerhaft wider­ onswissenschaft, Universität Wien}, Dr. Michael spi~gele . Allerdings bereite die Finanzierung Harms (Hauptabteilungsleiter Dokumentation größte Sorgen, neue Modelle (nur noch zwei und Archive beim SWR, Baden-Baden}, Prof. Dr. Hefte pro Jahr und ein unabhängig vom Verein Friedrich P. Kahlenberg (Präsident des Bundes­ finanziertes Jahrbuch oder ggf. nur ein Jahr­ archivs, Koblenz), Christian Schurig (Geschäfts• buch) würden vom Vorstand schon seit län• führer des Landesrundfunkausschusses Sach­ gerem erörtert. Angesprochen wurden die übri• sen-Anhalt, Halle) und Prof. Dr. Dieter Wiede­ gen Aktivitäten des Studienkreises, so das Dok­ mann (Hochschule für Film und Fernsehen torandenkolloquium - inzwischen unbenannt in »Konrad Wolf«, Potsdam-Babelsberg). Ein stu­ »Examenskolloquium Rundfunkforschung« -, dentisches Mitglied des erweiterten Vorstands das vor allem dank des Engagements von Dr. soll nach dem im November 1999 stattfindenden Walter Kl ingler einen neuen Veranstaltungsort in Kolloquium »Rundfunkforschung« in Baden-Ba­ Baden-Baden gefunden habe und dessen Exi­ den hinzugewählt werden. stenz auf diese Weise gesichert sei, sowie die Der Studienkreis will - so kündigte der neue Arbeit der Fachgruppen. Die Jahrestagungen Vorsitzende nach seiner Wahl an - die Öffnung bedeuteten jedes Mal einen hohen Aufwand, sie zu den Neuen Medien und zu den privaten fänden allerdings nicht über den engeren Kreis Rundfunkveranstaltern intensivieren und eine der Mitgliedschaft hinaus die Resonanz, die sie gewichtigere Mittler- und Kommunikationsro_lle verdienten, dies sei mit der insgesamt geringen zwischen Medienpraxis und Wissenschaft spie­ Teilnehmerzahl aus dem Studienkreis auf der len. jetzigen Veranstaltung deutlich geworden. Dr. EL Drück dankte den Mitgliedern des Vorstands für die gute Zusammenarbeit in den gemeinsamen Jahren in der Führung des Vereins seit 1991 . Internet, E-Mail und Studienkreis Bei den anschließenden Vorstandswahlen wurde zum Vorsitzenden des Studienkreises E-Mail und das Internet sollen künftig intensiver Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz (Medienwissen­ der Kommunikation unter den Mitgliedern des schaft und Medienkultur, Universität Leipzig) Studienkreises und den Abonnenten seiner Zeit­ gewählt, zu Stellvertretern des Vorsitzenden Dr. schrift dienen. Die Adresse der Hornepage des Walter Klingler (Medienforschung des Südwest• Studienkreises lautet: rundfunks- SWR -, Baden-Baden) und Prof. Dr. http://www.uni-leipzig.de/-skrug. 198 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

Dort soll auch ein Chat-Forum eingerichtet ben klassischen rundfunkhistorischen Fragen und ein Newsletter publiziert werden, der her­ auch die Etablierung des dualen Systems sowie unterzuladen und auszudrucken ist. Eine Über• das Ende der DDR die Erfahrung medialer Zäsu• sicht über den Inhalt der Zeitschrift >Rundfunk ren vermittelt haben. und Geschichte< ist ebenfalls auf der Hornepage An den Tagungsort Baden-Baden kann der zu erhalten und zwar unter der Adresse: Studienkreis Rundfunk und Geschichte bis zu 30 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschr/ Teilnehmerinnen und Teilnehmer einladen. An­ RuGe/rugindex.htm. meldeschluß ist der 31. Oktober 1999. Über• Bitte teilen Sie Ihre e-maii-Adresse mit, damit nachtung und Verpflegung sind kostenlos. Ver­ Ihnen der Newsletter und andere Informationen antwortlich für das Kolloquium sind Dr. Ralf übermittelt werden können: Holhiteid (Universität Eichstätt), Dr. Marianne [email protected] Ravenstein (Universität Münster) und Norbert RSt Weigend (Universität Essen). Interessenten können die Anmeldeunterlagen erhalten bei: Dr. Marianne Ravenstein, Univer­ 27. Examenskolloquium sität Münster, Institut für Kommunikationswis­ Rundfunkforschung des Studienkreises senschaft, Bispinghof 9-14, 48143 Münster, Tel. 0251/ 832-4262, Fax 0251/832-8394, emaii­ in Baden-Baden 1999 Adresse: [email protected]

Vom 19. bis 21. November 1999 findet das Ex­ Folgendes Programm istvorgesehen: amenskolloquium Rundfunkforschung des Stu­ dienkreises Rundfunk und Geschichte statt. Der Freitag, 19. November 1999 Studienkreis folgt mit seinem Kolloquium Rund­ funkforschung zum zweiten Mal einer Einladung 17.00 Uhr Anreise des Südwestrundfunks und wird sich daher in Baden-Baden zum Diskurs mit Studierenden 17.30 Uhr Begrüßung und Vorstellung treffen. der Teilnehmer(innen) Während des alljährlich veranstalteten Kollo­ 18.30 Uhr Abendessen quiums haben Doktoranden, Diplomanden und Magisterkandidaten und -kandidatinnen die Mög• 20.00 Uhr Besuch beim Jugendmultimedia-Projekt lichkeit, sich in Fragen ihrer geplanten Examens­ des SWR »DAS DING« arbeiten von Kommunikationswissenschaftlern, Rundfunkpraktikern und Archivfachleuten inten­ Samstag, 20. November 1999 siv beraten zu lassen und ihre konzipierten For­ schungsprojekte einem sachkundigen Publikum 8.00 Uhr Frühstück vorzustellen. Die Erfahrungen mit den Examens­ 9.00 Uhr Bildung der Arbeitsgruppen, kolloquien der letzten Jahre zeigen deutlich, daß Gruppenarbeit rundfunkbezogene Forschung nicht mehr das Monopol einer einzelnen wissenschaftlichen Dis­ 12.30 Uhr Mittagessen ziplin ist. Gerade zur Zeit wird deutlich, daß ver­ Fortsetzung der Gruppenarbeit schiedene universitäre Fachrichtungen ihren anschl. klassischen thematischen Kanon erweitert und 18.30 Uhr Abendessen sich rundfunkbezogenen Fragestellungen geöff• net haben. Den Informationsbedarf der Teilneh­ Sonntag, 21. November 1999 mer(innen) erfüllen Wissenschaftler und Archiv­ fachleute, die bei methodischen und inhaltlichen 8.00 Uhr Frühstück Fragen sowie Quellenproblemen weiterhelfen. Teilnehmen können Studierende, die im Rah­ 9.30 Uhr Dietz Schwiesau, Chef der Redaktion men ihrer Abschlußarbeit ein Thema aus dem Nachrichten/Zeitgeschehen (MDR): Bereich der Rundfunkforschung bearbeiten. Dies Stellenwert von Nachrichten in der können sowohl historische wie auch gegen­ lnformationsgesellsct)aft wartsbezogene Themen sein, mit organisations­ Schlußdiskussion geschichtlichen, programmwissenschaftlichen, technikbezogenen oder rezeptionsorientierten anschl. Mittagessen und Abreise Schwerpunkten. Vor allem beim Rundfunk ist die Historizität der Medien offenkundig geworden. Marianne Ravenstein, Münster Gerade die Examenskolloquien der letzten Jahre haben immer wieder deutlich gemacht, daß ne- Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv

Weitere Publikationen Technikgeschichte von Hörfunk und Fernsehen in der Buchreihe des DRA befassen oder deren Untersuchungen sich auf mediengeschichtliche bzw. -politische Fragestel­ lungen beziehen. Die Arbeiten sollen sich - wie Mit der Publikation »Günter Eich und der Rund­ bisher schon - auf Primärquellen stützen und funk« setzt das Deutsche Rundfunkarchiv Frankfurt am Main - Berlin seine Buchreihe vorrangig Aktenbestände, Tonträger und Film­ »Veröffentlichungen des Deutschen Rundfun­ materialien des Deutschen Rundfunkarchivs am karchivs« fort. Standort Berlin auswerten. Die Arbeiten an der Das Buch bietet einen Überblick über das Dissertation sollten sich bereits in einem fortge­ schrittenen Stadium befinden. Rundfunkschaffen von Günter Eich, der wie Die zwei Stipendien sind mit je DM 1 500,­ kaum ein anderer Kontinuität bzw. Diskontinuität der Rundfunkentwicklung in sich verkörpert. Als monatlich dotiert. Bewerbungen, denen eine Autor schon in den letzten Jahren der Weimarer Projektskizze, eine Inhaltsübersicht sowie be­ reits fertige Teile der Dissertation beiliegen sol­ Republik für das damals neue Medium aktiv, war len, können bis zum 15. Oktober 1999 an den er auch in den Jahren des Dritten Reiches als Mitarbeiter gefragt und erlebte -den Höhepunkt Vorstand des Deutschen Rundfunkarchivs, Prof. · seiner »Karriere« in den 50er Jahren in West­ Dr. Joachim-Felix Leonhard, 60620 Frankfurt am Main, gerichtet werden. deutschland, als das Radio ungeahnte Hörer• DRA potentiale erschloß. Die vorliegende Publikation trägt sämtliche ermittelten Arbeiten von Günter Eich für den Rundfunk zusammen, erschließt in chronologischer Reihenfolge die Titel der Sen­ dungen, nennt die produzierenden Sender, ge­ Kalter Krieg und Mauerfall gebenenfalls Koautor(en), Mitwirkende und Re­ »Stimmen des 20. Jahrhunderts« gisseur. Der Schwerpunkt der Dokumentation mit zwei neuen CDs liegt auf der inhaltlichen Erschließung der ein­ zelnen Arbeiten und ihrer kommentierten Ein­ ln der CD-Reihe »Stimmen des 20. Jahrhun­ ordnung in das Gesamtwerk des Autors, wozu derts« mit Tondokumenten, die das Deutsche Materialien in zahlreichen Archiven ausgewertet Historische Museum (OHM), Berlin, und die wurden, vor allem der Nachlaß von Günter Eich Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv (DRA), sowie seine Arbeiten begleitende gedruckte Pu­ Frankfurt am Main - Berlin, gemeinsam heraus­ blizistik. Ein einleitender Essay, in dem Eichs geben, sind zwei weitere Editionen erschienen: Rundfunkwerk gewürdigt wird, ist der Doku­ zum Ost-West Konflikt 1949 - 1956 sowie zum mentation vorangestellt. Fall der Berliner Mauer und zur Wende in Hans Ulrich Wagner: Günter Eich und der Deutschland 1989/90. Die Tondokumente ent­ Rundfunk. Essay und Dokumentation (= Veröf• stammen - wie auch bei früheren Editionen - im fentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs, wesentlichen den Phonotheken des DRA an sei­ Bd . 27). Verlag für Berlin-Brandenburg 1999, nen beiden Standorten, die Fotos für die Bebil­ 422 Seiten, ISBN 3-932891-46-4. derung der Beihefte dem Bildarchiv des OHM; DRA einige Tonaufnahmen haben ARD-Rundfunkan­ stalten und ein Privatarchiv zur Verfügung ge­ stellt. Die CD zum Ost-West-Konflikt bzw. zu Wie­ ARD-Stipendien zur Erforschung derbewaffnung und Kaltem Krieg in Deutschland des DDR-Rundfunks für 2000 von 1949 bis 1956 enthält 20 Tondokumente, vom 17. Dezember 1949 mit einer Umfrage des Süddeutschen Rundfunks zum Erneut schreibt die ARD durch das Deutsche Rundfunkarchiv Frankfurt am Main - Berlin zwei Thema »Soll es wieder deutsche Soldaten ge­ Stipendien zur Erforschung der Rundfunkge­ ben«, das letzte vom 30. April 1956 mit einer schichte der DDR aus. Gefördert werden für das Reportage zur Fahnenübergabe an das erste Jahr 2000 die Dissertationen vorzugsweise jün• mechanisierte Regiment der ersten Division der gerer Wissenschaftler (bis 35 Jahre), die sich mit Nationalen Volksarmee durch DDR-Verteidi­ Aspekten der Programm-, Organisations- und gungsminister Willi Stoph. Die maßgeblichen Politiker Ost- und Westdeutschlands kommen in 200 Rundfunk und Geschichte 25 (1999)

den Aufnahmen zu Wort: Theodor Heuss und innerdeutschen Grenze, Rundfunknachrichten, Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß und Auszüge aus Pressekonferenzen und aus Sit­ Theodor Blank, Kurt Schumacher und Eiich 01- zungen der Volkskammer uhd des Deutschen lenhauer, Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Bundestages. Alle Tondokumente vermitteln et­ Willi Stoph. Adenauer nutzte am 20. Oktober was von der Atmosphare und der politischen 1950 das Plenum des ersten Bundesparteitags Dynamik dieses »deutschen Jahres«. der CDU in Goslar, um mit Hinweisen auf die Die beiden CDs können vom Deutschen Hi­ Macht der Sowjetunion und dem »mit aller Kraft storischen Museum oder vom Deutschen Rund­ gegen uns geführt[en]« Kalten Krieg die Wieder­ funkarchivjeweils für 9,95 DM bezogen werden. aufrüstung in der Bundesrepublik Deutschland DRA zu begründen. Den Abschluß des Vertrages über die Europaische Verteidigungsgemein­ schaft im Mai nahm Ulbricht am 9. Juli 1952 zum Anlaß, wahrend der zweiten Parteikonferenz der SED die Aufstellung »nationaler Streitkrafte« für die DDR »zur Sicherung unseres Friedens­ kampfes sowie des demokratischen Fortschritts und des sozialistischen Aufbaues der DDR ge­ genüber den Aggressionsakten vom Westen« anzukündigen. Warnern vor einer drohenden Aufrüstung in Deutschland kommen zu Wort, wie der in die DDR gewechselte Prasident des Bun­ desamtes für Verfassungsschutz, Otto John, der sich am 11 . August 1954 in einer Sendung des DDR-Deutschlandsenders außerte, oder Gustav Heinemann, der Vorsitzende der Gesamtdeut­ schen Volkspartei, der auf einer Kundgebung in der Frankfurter Paulskirche am 29. Januar 1955 sprach. Wie die spatere Entwicklung zeigen sollte, appellierten sie vergeblich: Bundeswehr und Nationale Volksarmee wurden gegründeten, die Bundesrepublik trat der NATO und die DDR dem Warschauer Vertrag bei. Den Fall der Berliner Mauer und die Wende in Deutschland 1989/90 dokumentieren 25 Ton­ aufnahmen: Die erste datiert vom 19. Januar 1989, als der Generalsekretar der SED und Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, bei einer Tagung des Thomas-Müntzer• Komitees im Berliner Staatsratsgebaude erklar­ te, die Mauer werde »in 50 und auch in 100 Jah­ ren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vor­ handenen Gründe noch nicht beseitigt sind.« Die letzte beinhaltet einen Auszug der Rede von Bundesprasident Richard von Weizsacker wah­ rend des Staatsaktes in der Berliner Philharmo­ nie am 3. Oktober 1990 zum Tag der deutschen Einheit mit einem Appell an die »Landsleute überall«, die innere Einheit Deutschlands zu vollenden und den Verfassungspatriotismus der einen Seite mit der menschlichen Solidaritat der anderen Seite zu verbinden. Zu hören sind au­ ßerdem Günter Schabowski und Egon Krenz, Hans Modrow und Lothar de Maiziere, Helmut Kohl und Willy Brandt, Sabine Bergmann-Pohl und Rita Süßmuth, Christa Wolf und Markus Wolf, Reportagen von den Leipziger Montags­ demonstrationen und den Grenzübergangen nach dem Fall der Mauer und der Öffnung der