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Newsletter SFMT/ASMT – Februar 2016

Geschätzte Leserinnen und Leser KEBQ-Skala und Loop-Techniken – wer gerne wissen möchte, was sich hinter diesen Begriffen ver- birgt und von wem die Aussage „Musik ist der Büchsenöffner für das Gespräch“ stammt, ist herzlich dazu eingeladen, sich einen müssigen Moment zu gönnen und die Tagungsberichte der Arbeitskreise Musiktherapie in der Psychiatrie und Kreative Therapien in der Neurorehabilitation zu lesen. In „Dieses und noch mehr…“ würdigt Professor Decker-Voigt den kürzlich verstorbenen Walliser Chefarzt, der die deutschsprachige Musiktherapieszene mitgeprägt und gefördert hat – Dr. med. Josef Escher. Herr Eschers Herz hat bis ins hohe Alter so sehr für seine Musiktherapie geschlagen, dass er es sich auch viele Jahre nach der Pensionierung nicht nehmen liess, gelegentlich bei „seinen Musik- therapeutInnen“ im Spitalzentrum Oberwallis in Brig vorbei zu schauen. Mein Perkussionsprofessor möge es mir nachsehen, dass die Berufseinsteigerin damals im Versuch, Doktor Escher ein ange- messenes Willkommen zu bereiten, beim Besuch des so bekannten ehemaligen Chefarztes eine Djembe als Ablage für die Kaffeetassen benutzt hat... Rahel Sutter

Tagung des Arbeitskreises Musiktherapie in GruppenteilnehmerInnen hinzu und berichteten der Psychiatrie sehr berührend über ihre persönlichen Erfahrun- gen. Ein Teilnehmer beschrieb die Wirkung des Donnerstag 12. Nov. 2015, 10.00 bis 16.45 Uhr Musizierens als „Dosenöffner für das Gespräch“ Thema: Ambulante Gruppenmusikpsychotherapie und erklärte, dass er durch die Musik zum einen Ursula Wehrli Rothe mit seinen Gefühlen in Kontakt komme und sich Geri Rauber (Klinische Musiktherapeutin MAS/ zum anderen beim Musizieren nach Gesprächen SFMT) und Arnold Frauenfelder (Psychoanalytiker seine Gefühlswelt kläre. und Fachpsychologe für Psychotherapie FSP/ Im dritten Tagungsteil fand ein Workshop zum ASP) hatten im November in ihren wunderbaren nicht therapeutisch definierten ambulanten Frei- Praxisraum in Schaffhausen eingeladen. Sie bo- zeit-Angebot für Menschen mit psychischen Be- ten den zahlreich erschienenen Musiktherapeu- einträchtigungen, den „Werkstätten für musika- tInnen einen vielschichtigen Einblick in ihre Arbeit lische Begegnung und Improvisation“ statt. mit einer ambulanten Langzeit-Musiktherapie- gruppe für Erwachsene. Die Gruppe findet wö- Abschliessend wurden anhand von Beispielen aus chentlich 1 ¾ Stunden, unter Co-Leitung durch ei- der Arbeit in der Therapiegruppe das Zusammen- nen Psychoanalytiker und eine Musiktherapeutin spiel der Methodik von Musiktherapie, Psychoana- statt. Die maximal acht TeilnehmerInnen kommen lyse und Psychodrama im Rollenspiel experimen- meist anschliessend an einen Klinikaufenthalt und tell erlebbar. sind überwiegend BezügerInnen von IV oder ste- Einmal mehr war das Arbeitskreistreffen sehr an- hen in IV-Abklärung. regend und bereichernd und bot daneben Raum Die Gastgeber stellten in einem ersten Teil die für wertvollen Austausch unter BerufskollegInnen. Langzeitentwicklung dieser Gruppe über 120 Sit- Herzlichen Dank an Geri Rauber und Arnold zungen vor und zeigten die stetig besser gelin- Frauenfelder für die perfekte Organisation und die gende Verschränkung der musiktherapeutischen grosszügige Gastfreundschaft. und psychotherapeutischen Methoden bei einer Das nächste Treffen findet Anfang 2017 in Lan- Co-Leitung. In einem zweiten Teil kamen fünf genthal statt.

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Tagung des Arbeitskreises „Kreative Thera- zu hören. Ein Beispiel: beim Cello verblüffte, wie pien in der Neurorehabilitation“ zum Thema ein einzelner Cello-Ton bereits innere Bilder aus- „Körpererleben und rezeptive Techniken“ lösen kann und wie vielseitig das Instrument die eigene Stimme „ersetzen“ kann. Ein noch pointier- Rita Hersperger-Koch – Studentin MAS Klinische teres „Beleben“ der Töne bewirkte ein Mikrofon. Musiktherapie ZHdK, Praktikantin Rehaklinik Rhein- Das Cello wurde auch als Erweiterung des Kör- felden pers erlebt. So lässt sich dieses Saiteninstrument Am Freitag, 24. April 2015 traf sich der Arbeits- vielseitig einsetzen, natürlich ebenso rezeptiv. kreis „Kreative Therapien in der Neurorehabilitati- Vor der Mittagspause stellte Ulrike Noffke einen on“ zum 15. Mal, turnusgemäss in der Reha Teilbereich des EBQ-Instrumentes vor, einen Be- Rheinfelden. Nach einem feinen Begrüssungs- obachtungsschwerpunkt der intra-/interperso- apéro eröffnete die Leiterin der Therapien, Frau nellen Beziehung, nämlich den Körperkontakt. Heike Rösner, mit einem Grusswort und einer Dabei gab sie eine Einführung in die KEBQ- kurzen Vorstellung der Klinik die Tagung. Sie be- Skala (Merkmalliste zur Einschätzung des körper- nannte das Zurückfinden zur grösstmöglichen lich-emotionalen Ausdrucks, z. B. für eine Klientel, Selbständigkeit der Patientinnen und Patienten als die sich weder vokal noch instrumental mitteilen das wichtigste Ziel der Rehabilitation. Auf diesem kann) und deren sechs Modi. EBQ steht für „Ein- Weg werden sie auch durch Musiktherapie unter- schätzung von Beziehungsqualitäten und - stützt und begleitet. fähigkeiten“ während des musiktherapeutischen Ein reichhaltiges Programm erwartete die zahl- Therapieprozesses. Vier Skalen wurden dazu reich erschienenen Tagungsteilnehmerinnen und - entwickelt: die KEBQ (Körperlich-Emotionale Be- teilnehmer, unter denen die Wiedersehensfreude ziehungsqualität), die VBQ (Vokale Beziehungs- genauso gross war, wie die Vorfreude auf den qualität), die IBQ (Instrumentale Beziehungsquali- gemeinsamen Tag. tät) und die TBQ (Therapeutische Beziehungsqua- Das Team der Musiktherapie, Beate Roelcke, Ul- lität). rike Noffke und Clemens Kluge, hatte folgende Karin Schumacher, die Entwicklerin dieses Ver- Schwerpunkte vorbereitet: fahrens, Claudine Calvet und Silke Reimer haben Beate Roelcke referierte zu Beginn über das dazu das Buch „Das EBQ-Instrument und seine Thema „Körperwahrnehmung und -erleben in entwicklungspsychologischen Grundlagen“ (Van- der Musiktherapie bei neurologischen Patien- denhoeck & Ruprecht, 2011) herausgegeben, das ten“. Sie ging auf eine Auswahl der Begrifflichkeit vorwiegend aus der Arbeit mit autistischen Men- ein, erläuterte die Folgen einer Hirnverletzung schen entstanden ist. Das Vorgehen mit diesem hinsichtlich der Sinnesfunktionen, der Mitteilbar- Instrument basiert auf Videoaufnahmen sowie der keit gegenüber der Umwelt, der vegetativen Funk- Analyse von Therapiesequenzen und deren Ein- tionen, der komplexen „höheren“ Fähigkeiten schätzung anhand der Modi. Die Anwendung des (Problemlösung, Gedächtnis, Lernen, Planen, EBQ-Instruments ist zeitaufwändig, aber sehr hilf- adäquate Affekte) und die statistisch erfassten reich, u. a. als diagnostisches Verfahren, für eine prozentualen Erfolgschancen auf Heilung. Sie Evaluation von Therapiemethoden oder auch für schilderte den Ablauf eines Erstkontakts in der den Aufbau von Therapiesequenzen. Klinik und die vielfältigen Herausforderungen be- Am Nachmittag erläuterte Ulrike Noffke das Kon- züglich des Einbezugs des Körpers in die Musik- zept der Gruppe „Musik und Bewegung“. An- therapie. Wie vielschichtig der Verlauf einer mu- hand eines praktischen Beispiels zur Musik von siktherapeutischen Begleitung aussieht, welche Loreena McKennitt („The Gates of Istanbul“) und musikalischen Wirkfaktoren zum Tragen kommen einer gedanklichen Körperreise von den Füssen und was im Wahrnehmungsprozess allein bei der bis zum Kopf, teilweise mit aktiven Bewegungen, Therapeutin abläuft, zeigte sie anhand des Bei- durften alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die spiels eines Patienten auf, der kaum sprechen Erfahrung gleich selber machen. Fragen wie „Wo konnte. Eindrücklich war auch das Interview mit startet die Bewegung in der Vorstellung? Was einer Patientin, die rückblickend nach einem Jahr macht in dem Moment das rechte Knie, wenn die ihre Erinnerungen an die Musiktherapie wieder- linke Schulter bewegt wird?“ fördern ebenso wie gab. imaginäre Bilder („In einem Weizenfeld stehen“) Nach einer Pause wurden die Themeninhalte des die Körperwahrnehmung des Menschen, eine vorangegangenen Referates in Kleingruppen mit wichtige Grundlage für die Gesundung. Hilfe körpernaher Instrumente wie Cello, Klanglie- Es geht also darum, sich selber wahrzunehmen, ge und Stimme praktisch erlebbar gemacht und Freude an einer Bewegung zu entwickeln und zu die Erfahrungen anschliessend im Plenum ausge- realisieren, was sich vielleicht anders anfühlt als tauscht. Erstaunliches war aus allen drei Gruppen zuvor und was alles, trotz momentaner Ein-

Newsletter SFMT/ASMT Februar 2016 2 schränkungen, im Körper erlebt werden kann. In ter Künstler (Van Gogh, Degas, Rodin, Monet, der Gruppe „Musik und Bewegung“ hat jede Per- Miro…) oder die Gestaltung von Collagen mit son die Gelegenheit, sich als selbstbestimmend „Farbflecken“ aus Zeitschriften. Die Kommunikati- zu erleben und ihre Ressourcen zu stärken. on läuft dabei oft über kleinste Zeichen von Mimik, Clemens Kluge gab eine „Einführung zu den ak- z. B. einem Lachen in den Augenwinkeln. Grund- tiven und rezeptiven Aspekten der Loop- sätzlich hilfreich für das Ausfindigmachen von Technik“. Letztere ist eine Möglichkeit, der Ver- Vorlieben ist ganz sicher auch die Einbeziehung gänglichkeit der improvisierten Musik entgegen zu von Ehepartnern oder weiteren Bezugspersonen. wirken, mit musikalischen Sequenzen zu spielen, Was nahmen die Mitglieder der Arbeitsgruppe sie zu verändern und sie nochmals anzuhören. Im „Kreative Therapien in der Neurorehabilitation“ Gegensatz zur Maltherapie kann ja in der Musik aus dieser Tagung mit auf den Heimweg? Einen das entstandene Werk ohne Tonaufnahmen nicht reich bepackten Rucksack an Ideen für den Be- nachträglich „betrachtet“ werden. Die Musik lebt rufsalltag und erweiterte Kenntnisse über das Ta- im JETZT. Der Loop ist für Menschen geeignet, gungsthema! die eine klare Vorstellung davon haben, wie ihre Ein herzliches Dankeschön an das ganze Organi- Musik tönen soll, für Menschen mit einer Selbst- sationsteam! Ebenso gilt der Dank der Reha wertthematik wie beispielsweise Perfektionisten, Rheinfelden für die Gastfreundschaft und den die das eigene Spiel schnell abwerten, für trauma- Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihre aktive tisierte Menschen mit beeinträchtigtem Selbstver- Beteiligung! trauen, für Angst-Patienten oder allgemein auch Nächstes Mal wird sich der Arbeitskreis am 29.4. für Menschen mit einer starken Aussenorientie- 2016 in Zurzach treffen. rung. So können z. B. eine Trommelsequenz, Harfen- klänge und eine passende Klaviersequenz im „Dieses und noch mehr…“ Loop übereinander gelegt werden, woraus ein Ein Hamburger Rückblick auf Dr. med. Josef „fertiges“ tolles Musikstück entsteht, das der Pati- Escher, Brig ent oder die Patientin als Tonaufnahme mitneh- Hans-Helmut Decker-Voigt men kann. Das Vorgehen verstärkt wiederum die Er sass in der ersten Reihe links aussen auf einer für diese Klientel so wichtige Selbstwirksamkeit unserer Hochschul-Tagungen für Musiktherapie und unterstützt die Ressource der ausgeprägten Anfang der 80er Jahre im Congress Centrum „Aussenantennen“ hin zu einer schrittweise mög- Hamburg: ein hochgewachsener Herr mit einem lich werdenden Selbstannahme und Selbstfürsor- gegerbten Gesicht, welches Menschenfreundlich- ge. keit derart ausstrahlte, dass ich diese während Clemens Kluge erklärte anhand des Zwei- meines Redens wahrnahm und mich zudem an Schleifen-Modells von Prof. Dr. med. Cornelius einem offenbar extremen Interesse dieses Zuhö- Weiller der Neurologischen Universitätsklinik Frei- rers erfreute. Er schrieb geradezu fieberhaft mit – burg, wie das Gehirn des Menschen durch eine bei allen Referaten. Zweigliederung organisiert zu sein scheint – so Er wartete nach meiner Vorlesung geduldig in ei- sind beispielsweise das Sprechen und Denken, ner Schlange und als wir voreinander standen, also ein „Tun“ und ein „Wissen, was man tut“ mit- fühlte ich den Eindruck seiner Menschenfreund- einander verknüpft. Das Kreieren eines Loops lichkeit und Bescheidenheit nochmals verstärkt. weist Parallelen zum Zwei-Schleifen-Modell auf Erst auf Nachfragen wurde seine wichtige langjäh- und das Netzwerk Gehirn wird dabei „gehörig“ ak- rige Arbeit als Chefarzt der Inneren Medizin am tiviert. Mit der damit verbundenen Zuwendung, Oberwalliser Kreisspital deutlich. Menschen waren dem In-Beziehung-Treten des Musiktherapeuten seine Leidenschaft, dann die Medizin und die Mu- zum Patienten, kommen zum Musizieren und Kre- sik, die doch auch anderen helfen können müsse, ieren weitere bedeutungsvolle Elemente hinzu. wo sie ihm selbst so helfe… Loops seien auf dem Handy einfach herunterzula- Musiker war er immer schon „nebenbei“ und von den, so mit „Loopstack“ für Android-Tablets und Musiktherapie hatte er gehört, gelesen. Jetzt woll- Smartphones und mit „Everyday Looper“ für iPho- te er mehr wissen. nes und iPads. Zurück in der Schweiz schrieb er, ob ich, bzw. das Abschliessend wurden im Plenum Beispiele aus Institut für Musiktherapie der Hochschule für Mu- dem Berufsalltag zu rezeptiven Techniken in sik und Theater Hamburg, bei ihm in Brig ein Pra- den künstlerischen Therapien genannt und er- xisforschungsprojekt etablieren könne. Ich warnte läutert: das Betrachten, das Auswählen und die ihn, er wisse doch: Forschung kostet Geld für Umgestaltung von Bildern – wie das Colorieren Personal, Forschungsdesign, Auswertung, muss von Schwarz-Weiss-Kopien von Werken berühm-

Newsletter SFMT/ASMT Februar 2016 3 in der Klinik bei Geschäftsführung, Ärzteschaft, und späterem Nachfolger Dr. Josef Fischer und Pflegepersonal auf hohe Akzeptanz stossen kön- mitbehandelnden Assistenzärzten wie Dr. Stucky nen, wenn es denn erfolgreich sein solle. Er wuss- sowie den benachbarten Chefärzten und dem te und hatte Vieles schon vorbereitet. Pflegepersonal seiner Inneren Abteilung pflegte. Forschungsansprüche: Wir forschten nach qualita- Escher gelang mit seiner Begeisterungsfähigkeit tiven Kriterien durch Evaluationen der Fallbeispiel- und Überzeugungskraft eine die ganze Klinik Analysen vor phänomenologischem Hintergrund – durchziehende Akzeptanz in Zeiten, als solche damals das überwiegende Verfahren – und mit Kohäsion im Blick auf Musiktherapie noch kei- Escher und seinem Kollegen Anthenien zusam- neswegs so selbstverständlich ist wie heute, wo men streng quantitativ zu z.B. der „Humoralen die Musiktherapie der Schweiz intensiv und breit Immunabwehr unter Musiktherapie bei Patienten aufgestellt weiter entwickelt wurde durch die Ar- mit akutem Herzinfarkt“, Wegbereiter des deut- beit von Prof. Dr. Fritz Hegi und seinem Team (s. schen Folge-Projektes an der Curschmann-Klinik BAM-Studiengang, erst privat, dann als staatl. Timmendorfer Strand mit Prof. Dr. med. Karl Masterstudiengang) und seiner Nachfolgerin Dr. Friedrich Maetzel in Verbindung mit dem Hambur- Sandra Lutz Hochreutener und Joachim Marz und ger Institut. seinem Studiengang Musiktherapie und Instru- mentenbau (in Verbindung mit der Hamburger Er war – wie ich dann in meinen „Briger Jahren“ Hochschule und der Karajan-Stiftungsakademie). lernte – neben allem auch ein „Kulturpapst“ in sei- ner geliebten Walliser Region und als solcher wie Musiktherapie wurde vor den 80er Jahren in der auch als Chefarzt und zeitweilig Ärztlicher Direktor Allgemeinheit und im Gesundheitswesen über- des Gesamtspitals beschaffte er Akzeptanz, Geld wiegend mit Psychiatrie, Koma- u.ä. Klientel und und Fach-Personal. Zusammen engagierten wir Heilpädagogik assoziiert: die „Leidenschaft“ des die Musiktherapeutinnen Christine Wasem (Bern), Dr. Escher leitete den Einzug der Musiktherapie in die zwei Jahre in einer Weiterbildung bei mir stu- inzwischen ausnahmslos sämtliche Bereiche des diert hatte und Ulrike Höhmann, die soeben ihr Gesundheitswesens ein, von A angefangen (An- Hochschuldiplom im ersten Diplom-Studiengang giologie) bis Z (Zerebralstörungen u.ä,). auf der Ebene einer wissenschaftlich-künst- Es war ihm und uns in Hamburg eine Freude, als lerischen Hochschule erhalten hatte. er – nun schon in der Musiktherapie bekannt und Josef Escher hielt in demselben Kongress- viele Aufsätze publizierend – ein Semester im Zentrum Hamburg gut zehn Jahre später zwei Rahmen seines Sabbaticals als „Senior-Student“ Vorträge über die inzwischen von ihm in Brig initi- unseres Instituts verbrachte, zusammen mit seiner ierte, patronierte, entwickelte „Musiktherapie in Frau Hanni, Cellistin, die später Rezeptive Musik- der Inneren Medizin“ vor internationalem Publikum therapie in Lausanne studierte und vor ihrem frü- aus 52 Nationen. Zu dem Zeitpunkt war er längst hen Tod anwandte. über Brig und die Schweiz hinaus „der Fachmedi- Gleichzeitig lehrte der Senior-Student als Lehr- ziner, der Musik als psychotherapeutische Son- beauftragter unserer Hochschule „Propädeutik der derform in der Inneren Medizin“ vertrat. Er tat dies Medizin unter musiktherapeutischen Aspekten“, konsequent aus seiner Rolle als Arzt heraus, sei- und dies tat er jahrelang. ne von ihm hauptamtlich angestellten Musikthera- Wir wurden enge persönliche Freunde und unsere peutinnen und mich als Supervisor des fünfjähri- Frauen auch. Musiktherapie zeigt sich bis heute gen Praxisforschungsprojekts begleitend und lei- überwiegend in klinischen oder ambulanten tend. Teams mit Supervision, Kontrollsupervision, Eva- Unser Band „Neue Klänge in der Medizin – Musik- luation, Zertifizierung und Re-Zertifizierung – dem therapie in der Inneren Medizin“ (Trialog Verlag, stellte sich das Briger Team auch immer. Aber es 1994) war ein Fachbuch, aber ein ausreichend verband Musiktherapie mit Wandern und Skilau- populäres, so dass das Fernsehen des Norddeut- fen und Ausflügen in die damals erst sehr jungen schen Rundfunks das Buch zum Anlass für die „Ostländer“ des wiedervereinigten Deutschlands. Produktion des einstündigen Films „Musik auf Da oder in gemeinsam besuchten (und auch Krankenschein“ nahm, der teilweise in Hamburg, manchmal bespielten) Gottesdiensten zeigte sie teilweise in Brig gedreht wurde und seit 1985 in sich immer wieder: Die Bescheidenheit und Lei- allen Programmen der ARD gesendet wurde, denschaft einer Persönlichkeit, die eben nicht al- ebenso im DRS und ORF. Zuletzt tauchte der Film lein Mediziner war, sondern „Arzt“ in einem ganz- 2004 im Programm auf. heitlichen, humanistischen Sinn. Projekt wie Buch baute auf dem intensiven Team- Zum Titel dieser Würdigung: von ihm lernten wir Geist auf, den Escher mit den o.g. Musiktherapie- das kürzeste Tischgebet, das es je gab: „Dieses Kolleginnen und mir sowie seinem Stellvertreter und noch mehr, Herrgott uns bescher!“

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Die demütige Haltung, die er vor und für mensch- kantem Sound, Tempo und Rhythmus geprägt ist, liches Sein immer zeigte, war mit dieser entwaff- gibt es doch Stücke, in welchen berührende Me- nend kindlichen und praktischen Lebensein- lodien hörbar werden. Ich habe auch festgestellt, stellung verbunden, dass man schon „um mehr dass diese Musik subtil und komplex sein kann. bitten muss“, wenn das Erreichte sich weiter ent- Ich möchte hier also einige Künstler und Stücke wickeln soll. vorstellen, die ich für mich persönlich entdeckt Die deutschsprachige Musiktherapie verdankt Jo- habe. sef Escher eine Prägung unserer nun weit und Beginnen wir mit Aphex Twin, einem der bedeu- weithin entwickelten Fachwissenschaft, die bereits tendsten Künstler der elektronischen Szene. Sein in einigen schriftlichen wissenschaftlichen Rück- Waxen Pith basiert auf einer meditativen Geigen- blicken auf die Geschichte des Faches ihren Dank stimme. Im selben Stil, genannt „ambient music“, auch ausdrückt. Wie dieser an dieser Stelle von arbeitet Autechre in Bike. Im Gegensatz zu Wa- seinem Freund und musiktherapeutischen Weg- xen Pith ist dieses Stück weniger seriell und setzt gefährten. dafür auf reine Synthesizertöne. Pete Standing Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Helmut Decker-Voigt M.A. Alone von Boards of Canada steht für schwe- Lesley Coll.,Cambridge/USA bende Klänge, durchsetzt mit markanten Rhyth- men. The Box (Part One) von Orbital erinnert an Prof. h.c. der Kunstwissenschaften und Dr. h.c. der eine instrumentale und melodische Ballade. Sie ist Rostropovitch-Hochschule Orenburg/ Russ. Leiter ein gutes Beispiel dafür, wie akustische Instru- des ersten Modellstudiengangs Musiktherapie in Hamburg 1985-90, Gründungsdirektor des Instituts mente eingesetzt werden können und erinnert an für Musiktherapie der Hochschule für Musik und „traditionelle“ Musik. Das Duo Plaid führt uns in Theater Hamburg und dort seit der Emeritierung spielerische (in Dang Spot) und melancholische weiterhin Leitung des Promotionsstudienganges (al- (in Sincetta) Welten. und ter Ordnung) und der Forschungsstelle künstlerische haben ein ganz besonderes Stück produziert: Therapien sowie Präsident der Akademie der Herbert Rotary. Achtung, festhalten! Obwohl dieses Stück von Karajan-Stiftung Köln (vorm. ), Herausge- mit sehr vielen Klangeffekten arbeitet, setzt er da ber und Autor verschiedener Lehrwerke mit Überset- nach meiner Einschätzung auf melodischer Ebene zungen in 14 Sprachen, Herausgeber der Zt. „Musik auf „Weniger ist mehr“. Der Aufschwung ab Minu- und Gesundsein“ und des Decker-Voigt Archiv. te 2:14 ist speziell eindrücklich. Dann gibt es wei- ter mit dem Stück Déboutonner (feat. ) mit schweren und gesättigten Tö- nen und einer höchst erstaunlichen zweiten Hälfte Elektronische Musik und Musiktherapie? (Minute 2:18). Zum Schluss Cucuma von Stephan Antoine Gautier, Musiktherapeut SFMT Bodzin, eine arpeggio-artige Mondlandschaft im Da ich selber elektronische Musik produziere, ha- Sinne des dancefloor. be ich mich oft gefragt, ob es möglich sei, sie Man kann der elektronischen Musik vorwerfen, zu auch in einem therapeutischen Kontext einzuset- repetitiv zu sein. Ich habe mich intensiv damit zen. Wie viele Musiker hatte ich negative Vorurtei- auseinandergesetzt und verteidige diesen repetiti- le und hielt elektronische Musik für einfach spiel- ven Aspekt. Die genannten Beispiele sind der bar und für gefühllos. Auch während meines Mu- Beweis dafür, dass man eine musikalische Ge- siktherapiestudiums in Colorado hörte ich von schichte auch mittels Wiederholung erzählen niemandem, der therapeutisch mit elektronischer kann, auch wenn man deren Fluss dadurch viel- Musik arbeitete. Es galt allgemein, dass gehörte leicht etwas unterbricht. Nicht zu vergessen: die- oder gespielte Musik eine akustische Quelle ha- ses Prinzip wurde nicht von Maschinen erfunden ben muss, oder anders gesagt, ein vom Synthesi- und ist z.B. in der afrikanischen Musik sehr ver- zer gemachter Ton – bezw. von einem Sampler breitet. abgespielte Musik – den Menschen nicht berühren Ich weiss nicht, ob die genannte Auswahl im the- könne. rapeutischen Kontext eingesetzt werden kann. Zu Ab Mitte der 90er Jahre entdeckte ich Künstler, bedenken ist dabei, dass Drogenkonsum in Klubs deren elektronische Musik mich berührte. Meine und auf Festivals oft mit dieser Musik verbunden Ausbildung zum Schlagzeuger hat da sicherlich ist; es ist also sehr wichtig zu wissen, mit wem eine Rolle gespielt. man arbeitet. Ich finde aber auch, dass jeder Die Bandbreite der elektronischen Musik ist sehr Therapeut mit derjenigen Musik arbeiten sollte, gross. Es gibt allerlei Untergruppen, in denen es die ihn selber berührt; er muss dabei jedoch offen von aggressiven und industriellen Tönen bis hin bleiben für die Reaktion des Patienten. zu sanften und schwebenden Stimmungen alles Antoine Gauthier ist zur Zeit als Musiktherapeut in gibt. Obwohl diese Musik normalerweise von mar- einem Alters- und Pflegeheim tätig, wo er unter

Newsletter SFMT/ASMT Februar 2016 5 anderem mit Perkussionsinstrumenten arbeitet. Er überaktivierten Rückkoppelung im Hörsystem und ist auch daran, ein Projekt für Jugendliche mit somit zum Tinnitus führen, genutzt werden, um Problemen zu entwickeln, bei dem die elektroni- den Tinnitus in den Hintergrund zu verbannen. sche Musik Improvisationsbasis ist. Er produziert Da Stress einen grossen Einfluss auf das Hörsys- selber elektronische Musik unter dem Namen Le tem hat, beinhaltet ein Teil der Behandlung das Twan. Kontaktadresse: [email protected]. Bewusstmachen eines möglichen Zusammen- hangs von allgemeinem Stress und Tinnitus. Links: Aus der beschriebenen persönlichen Erfahrung - Aphex Twin, Waxen Pith heraus kann ich den SFMT Mitgliedern die TIM - Autechre, Bike Ausbildung nur empfehlen (momentan nur in - Boards of Canada, Pete Standing Alone Deutschland möglich). Sie erweitert unsere musik- therapeutischen Kompetenzen und eröffnet Mög- - Orbital, The Box (Part One) lichkeiten in einem noch jungen, aktuell jedoch - Plaid, Dang Spot sehr gefragten Therapiebereich. - Plaid, Sincetta Übers. UWR - Ellen Allien et Apparat, Rotary - Modeselektor, Déboutonner (feat. Siriusmo) European Music Therapy Day - Stephan Bodzin, Cucuma Rahel Sutter - Le Twan Die EMTC berichtet, dass am zweiten durch Al- Übers. DH bert Berman und den holländischen Musikthera- pieverband initiierten European Music Therapy Day bereits 21 Länder mitgewirkt haben. Darunter Musiktherapie bei Tinnitus TIM waren: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, (Tinnituszentrierte Musiktherapie) Griechenland, Grossbritannien, Island, Italien, Lu- Anne Bolli Lemière xemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Nach einer positiven Erfahrung mit einer Tinni- Spanien, Schweden, die Schweiz, Tschechien, Ungarn und Zypern. Zudem mit Israel, Rumänien tuspatientin dank dem CD-Buch Tinnitus: Wirksa- und Russland auch zwei Länder, die (noch) nicht me Selbsthilfe mit Musiktherapie, Dr. Annette vollständige Mitglieder der EMTC sind. Cramer, CD-Buch Trias Verlag, 2008, habe ich Der SFMT freut sich zu berichten, dass bei der 2014 die Weiterbildung TIM bei Elisabeth Schmitt ersten Schweizer Teilnahme gleich acht Events in Bingen am Rhein angefangen. stattgefunden haben. Ein grosses Kompliment (http://www.musiktherapeutikum.de/tim-tinnitus- und herzliches Dankeschön an unsere engagier- 1.html) ten Mitglieder! Seither habe ich immer wieder erfahren, wie diese Nachfolgend finden sich ein Überblick über die Methode das Leiden von Patienten mit Tinnitus Schweizer Projekte und Videobeiträge, die unter und Hyperakusis mindern kann. In der französi- anderem den zum Tagesmotto entworfenen „Let’s schen Schweiz sagen leider viele HNO-Ärzte ih- play-Song“ präsentieren. ren Patienten mit Tinnitus oder Hyperakusis, dass man nichts dagegen machen kann und sie sich an Weiterbildungshinweis: „Meine Musik – meine ihre Symptome gewöhnen müssen. Ich sehe innere Natur“ manchmal Patienten in meiner Praxis, die durch eine solche Aussage in Panik geraten sind. Die erfahrene Musiktherapeutin Martina Baumann, Dipl. Musiktherapeutin, Kinder- und Ju- Der Tinnitus ist kein objektiv erfassbares, von gendlichenpsychotherapeutin, Hypnotherapie aussen kommendes Geräusch oder Ton. Er kann (M.E.G.), Körpermusik (AKM, Liestal CH) aus sehr viel verschiedene Ursachen haben. Häufig Heidelberg kommt in die Schweiz und hält ein spielen Schädigungen oder Störungen im Aussen- Selbstfürsorgeseminar mit Körpermusik und Acht- , Mittel- oder Innenohr eine Rolle. In der Regel samkeit, Titel: „Meine Musik – meine innere Na- werden solche Störungen durch das Gehirn kom- tur“, vom 1.-3. April 2016 im Kleinen Saal der Ru- pensiert, sodass sie gar nicht bewusst wahrge- dolf Steiner Schule Bern (CH). Sie lädt ein, in sich nommen werden. Beim Tinnitus ist dies nicht der als Körper-Geist-Seele-Instrument hineinzuhor- Fall. Diese komplizierten Mechanismen werden chen, „das, was da ist“, neugierig und liebevoll zu vom limbischen System kontrolliert. Unter Stress beachten und es zum Klingen zu bringen. Dabei geschieht dies verstärkt und führt im Cortex zur kommen aus dem reichhaltigen Pool der Überkompensation der Hörstörung und zum Tinni- Körpermusik „tönende“ Aufwärmübungen (atmen, tus. tönen, summen, dehnen, das Bewusstsein in den Dank konkreter Hörübungen der TIM Methode Körper lenken), sanfte und lebendige Bodyper- können dieselben Mechanismen, die zu einer

Newsletter SFMT/ASMT Februar 2016 6 cussion in Verbindung mit Liedern und „Loop Musiktherapie in der Depressionsbehandlung Songs“ und die tragende und regenerierende Kraft Ute Rentmeister, 19. März 2016 von Klang- und Rhythmusreisen zum Einsatz. Da- zu kommt das Ritual des „Circle Singings“ nach Zusatzqualifikationen

Bobby McFerrin und andere Stimmimpro- Trommelpower – Gewaltprävention und soziale In- visationsspiele, die es ermöglichen, sowohl tegration mit Musik schöpferisch hervorzutreten als auch Teil eines Dr. Andreas Wölfl, Yoshi Kinoshita, Dr. Thomas klingenden Gruppenkörpers zu sein. Boetsch u.a. Das Seminar ist für die eigene Selbstfürsorge und 7 Termine, beginnend 8. April 2016 kann gleichzeitig sehr anregend sein für die Arbeit mit Patienten, Klienten und Schülern. Alle denen Anmeldung:

Musik viel bedeutet sind willkommen; unabhängig Freies-Musikzentrum e.V. von musikalischen Vorkenntnissen. Wer ein Lieb- Ismaninger Str. 29, D-81675 München lingsinstrument oder persönliche Lieder mitbrin- Tel.: +49/(0)89-414247-0 (Fax: -60) gen möchte – herzlich willkommen! www.freies-musikzentrum.de

Kosten: 280.- inkl. Pausengetränk / 260.- für Mit- glieder SFMT

Für nähere Informationen und Anmeldung: www.koerpermusik-heidelberg.de [email protected]

Seminarprogramm Sommer 2016 Institut für Musiktherapie, FMZ

24. Fachtagung Musiktherapie „Musik, Therapie und Spiritualität“ Ltg. Michael Metzger, 5./6. März 2016

Seminare

Musiktherapeutische Spiele – Spielen in der Musiktherapie Hanns-Günter Wolf, 28./29. Mai 2016

Begegnung im sprachlosen Raum – Kommunika- tion und Beziehungs-gestaltung mit Menschen in veränderten Bewußtsteinszuständen Maret Jochheim, 3.-5. Juni 2016

Musiktherapie mit demenzkranken Menschen Mary Laqua, 9./10. Juli 2016

Musiktherapeutische Selbsterfahrung Impressum Sabine Reimold, 10./11. September 2016 Hrsg: Schweizerischer Fachverband für Musikthe- Berufsspezifische Fachseminare rapie SFMT Sekretariat: Seldwylastr. 30, 8217 Wilchingen, Stimme und Singen im musiktherapeutischen Tel. 079 280 69 27 E-Mail: [email protected] Setting Red.: Matthias Andenmatten Dreiteilige Reihe, Andreas Dittrich, Evelyn Löhr, Scheffelweg 10, 3600 Thun Matthias Otto E-Mail: [email protected] Termine: 23./24. April, 16./17. Juli, Layout: [email protected] 17./18. September 2016

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