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JENNIFER LAWRENCE

THORSTEN WORTMANN LAWRENCEJennifer Die illustrierte Biografie

SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF Vorwort

ollywood-Stars wirken oft unnah- bar. Sie leben in einer Welt voll Glanz Und ob sie im Fernsehen oder auf Fotos H und Glamour, die Normalsterblichen makellos aussieht oder nicht, ist ihr nicht vorenthalten zu sein scheint. Ihr Äußeres wichtig – wenn sie will, schneidet sie Gri- massen oder zeigt bei Fotocalls den an- der weltbesten Designer, gehen in den wesenden Fotografen auch schon mal den besten Restaurants essen, feiern in den exklusivsten Clubs und haben stets einen hat etwas unge- Bodyguard an ihrer Seite, damit ihnen mein Erfrischendes an sich. Seit diese niemand zu nahe kommt. Wenn sie einen junge Schauspielerin 2010 den Durch- neuen Film zu promoten haben oder auf bruch schaffte, als der Independent-Film renommierten Preisverleihungen auf Winter’s Bone mit dem damals noch völ- dem roten Teppich Interviews geben, hört lig unbekannten Newcomer in der Haupt- man von ihnen perfekt einstudierte Sätze, damit sie nichts Ungewolltes preisgeben Hollywood wieder ein frischer Wind. Den und nichts und niemand an ihrem Image Zuschauern präsentierte sich ein junges kratzen kann. Einen Hollywood-Star muss Talent, das mit seiner natürlichen Darbie- eine rätselhafte Aura umgeben, den einen tung begeisterte, und man fragte sich: Wo oder anderen Skandal darf man sich leis- kommt sie plötzlich her? Zunächst hielt ten, aber meist nur um im Gespräch zu man Jennifer für jemanden, der wie bei- bleiben und in der Masse der Schauspie- spielsweise Michelle Williams oder Chris- ler nicht unterzugehen. tina Ricci wie gemacht fürs Independent- Stars hat Jennifer Lawrence, der junge sie in der Rolle der blauhäutigen Mutantin Mystique in dem Hollywood-Blockbuster ins Wanken gebracht. Sie hat zwar alles, X-Men: Erste Entscheidung was man als Hollywood-Schauspielerin zu sein schien, dass sie als Nächstes nur braucht – ein fantastisches Aussehen, noch in ähnlichen Actionkrachern zu se- viel Selbstbewusstsein und vor allem Ta- hen sein würde. Als Nächstes war sie in lent –, aber sie ist beileibe nicht so un- Die Tribute von Panem zu sehen, und für Jennifer ein Interview gibt, kommt der alle schien klar, dass ein neuer Teeniestar Reporter meistens gar nicht zu Wort, weil wie Twilight - geboren war – der es schwer haben wür- plappert. Doch wenn sie einem großen de, sich nach so einem Riesenerfolg in an- Hollywood-Schauspieler über den Weg deren Rollen etablieren zu können. 2012 läuft, bekommt sie vor lauter Ehrfurcht kam schließlich mehr oder weniger aus und Aufregung meistens kein Wort he- Silver Linings, raus – obwohl sie selbst ein Star ist. Bei wo Jennifer neben Hangover-Star Brad- öffentlichen Auftritten wie bei der Oscar- ley Cooper und Hollywood-Ikone Robert Verleihung stolpert sie gern mal über ihr De Niro zu sehen war. Und mit ihrer Dar-

8 Kein gewöhnlicher Hollywood-Star bietung als durchgeknallte Sexsüchtige überzeugte sie nicht nur das Publikum, sondern auch die Jury der – mit nur 22 Jahren bekam Jen- nifer Lawrence den Oscar verliehen und war plötzlich in der obersten Riege der Hollywood-Stars angekommen. Wer dies für einen einmaligen Erfolg hielt, wurde eines Besseren belehrt: Ein Jahr darauf begeisterte sie als frustrierte Hausfrau Rosalyn in American Hustle und stand erneut zur Auswahl für den begehrten Filmpreis. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich die junge Frau durch zahlreiche Film- genres gespielt, und in allen war sie über- aus überzeugend gewesen. Egal worum es geht – Jennifer Lawrence kann einfach alles spielen. Trotz ihres großen Erfolgs in so jungem Alter ist sie immer noch das Mädchen von nebenan geblieben, und das lieben ihre Fans so sehr an ihr. Jennifer ist quir- lig und extrovertiert und sagt Dinge, die - halten würden. »Ich weiß nie im Voraus, was aus meinem Mund kommt«, gesteht sie. »Generell bin ich viel zu redefreudig. Ich kann den Mund nicht halten, vor allem wenn ich nervös bin, und dann werde ich auch ziemlich laut. Das mag gut für Chat- shows sein, ist aber keine normale Reak- tion, ich weiß.« Jennifer bei den Film Independent Spirit Awards So sprach sie mit Talkshow-Host Da- in Santa Monica, 2013 über Verdauungsprobleme, gab in der rend eines Filmkusses mit Co-Star Josh Sendung Late Night With Seth Meyers zu, Hutcherson in Die Tribute von Panem der auf einer Party in Madonnas Haus einen Rotz aus der Nase lief. Cocktail zu viel getrunken und sich in den Diese lockere Redseligkeit und Natür- Blumen kübel vorm Haus übergeben zu lichkeit macht Jennifer so besonders und haben, und plauderte in einem anderen Interview fröhlich darüber, dass ihr wäh- So sagte Schauspieler Woody Harrelson,

9 Vorwort mit dem sie in der Panem-Reihe zu sehen und ihren Beruf nimmt sie so ernst, wie ist, über sie: »Sie ist einfach einmalig. Sie sie es muss, aber sie hat immer noch den ist einfach so, wie sie ist. Ich liebe es, wie sie sich nicht selbst zensiert. Sie sagt den sie ist noch jung, aber sie ist auch eine unglaublichsten Scheiß. Ja, es ist unglaub- erwachsene Frau. Manche ältere Schau- lich, was sie manchmal von sich gibt!« spieler verhalten sich ja immer noch wie Der Regisseur David O. Russell, mit dem Jungen und Mädchen, nicht wahr? Aber sie bisher Silver Linings und American sie ist einfach eine Frau, und dazu auch Hustle gedreht hat, sagte: »Sie wuchs mit noch eine sehr starke.« zwei älteren Brüdern auf, deshalb ist sie Bisher hat Jennifer es vorgezogen, Meisterin darin, unanständige Witze zu überaus toughe Frauen zu verkörpern, erzählen, womit sie dich erst schockiert, die sich in einer feindlichen Umgebung dann ganz heftig zum Lachen bringt. Und behaupten müssen. Erlebt hat sie solche dann macht sie einfach weiter ihre Arbeit, Szenarien selbst nicht, daher handelt sie als wäre nichts geschehen.« Jodie Foster, hier sehr instinktiv – sie überlegt sich, wie mit der sie in Der Biber ihre Figur handeln könnte, und erschafft für jede Rolle eine eigene Gefühlswelt. Genau das »Ein Filmprojekt muss mich auf irgendeine Weise macht ihre Darbietung in ganz tief berühren, etwas in meiner Seele zum jedem ihrer Filme so na- Schwingen bringen. Und ich bin da um Gottes willen türlich und überzeugend. nicht nur auf Independent-Material festgelegt.« Dabei muss sie nicht viel sagen, sondern drückt an- hand ihres Blickes oder stand, stimmt dem zu: »Das gehört zu den Dingen, die ich an ihr liebe – ihr derber Zuschauer in jenem Filmmoment wissen Teeniejungen-Schnellfeuer-Humor.« In muss – eine Gabe, die nicht viele Schau- einem Artikel beschrieb ein Reporter des spieler haben. SPIEGEL ihren Charakter sehr treffend: Ihre instinktive, unbekümmerte »Sie vermittelt das Gefühl, dass man mit Arbeitsweise begeistert nicht nur ihre ihr das Zimmer verwüsten und eine wilde Schauspielkollegen, mit denen sie am Set arbeitet, sondern auch die Regisseure. Als alberner, ewiger Teenie wird sie So sagte David O. Russell weiter: »Es ist dennoch nicht betrachtet, sondern eher eine dieser privilegierten Beziehungen, - die manchmal, wenn man Glück hat, ent- spieler, sondern auch für ihr Publikum. stehen. Wir beide haben einen intuitiven »Sie ist ein großartiges Vorbild«, sagt Instinkt für das, was wir tun wollen und James McAvoy, ihr X-Men-Co-Star, über wie wir dorthin gelangen können. Wir Jen, »weil sie sich für ihren Job nicht hören einander zu. Sie stellt viele Fragen, prostituiert, aber gleichzeitig nimmt sie sie ist sehr klug. Die Figur muss für sie sich auch nicht allzu ernst. Sich selbst Sinn machen, und sobald das der Fall ist,

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sich nicht quälen lässt. Sie muss immer das der Fall ist, gibt sie sich der Rolle hin, wie nur sie es tun kann, so wie ein Finger- abdruck. Das ist etwas ganz Besonderes an ihr.« Auch bei ihrer Rollenwahl geht die junge Schauspielerin meistens gänzlich instinktiv vor. Sie verfolgt keinen be- das, was sie anspricht und interessiert. »Ein Filmprojekt muss mich auf irgend- eine Weise ganz tief berühren, etwas in meiner Seele zum Schwingen bringen«, sagt sie. »Und ich bin da um Gottes willen nicht nur auf Independent-Material fest- gelegt. Es kann auch die Rolle der Bella Swan für Twilight sein, für die ich auch vorgesprochen, die ich aber leider nicht bekommen habe. … Deshalb gehe ich zu jedem Casting, von dem ich mir etwas verspreche. Ich bin zum Beispiel sehr Immer eine Augenweide: Jennifer auf dem froh, dass ich in X-Men die Mystique ver- roten Teppich, Februar 2014 körpern darf … Mein Traum wäre natür- lich, Blockbuster-Movies mit anspruchs- sollte man sich besser anschnallen. Dann volleren Filmen mit kleinerem Budget zu verwandelt sie sich zu der Seele dieser mixen.« Diesen Traum hat sie sich bisher Figur, und ungewöhnliche Dinge entste- erfüllen dürfen, und das sogar überaus hen – Dinge, von denen sie selbst nicht erfolgreich. Wenn ihr Name auf einem weiß, dass diese entstehen können. Ich Filmplakat auftaucht, wird der Streifen mit großer Garantie zum Hit. ihre Arbeitsweise nicht wirklich in Worte Jennifer Lawrence hat mit Mitte 20 be- fassen kann, und ich würde es auch sehr reits das geschafft, was viele Schauspie- begrüßen, wenn das so bliebe, denn das ler ihr ganzes Leben lang nicht erreichen. ist wahrscheinlich der Grund, warum ihre Innerhalb kürzester Zeit ist sie einen un- Darbietung manchmal so zauberhaft ist. glaublichen Weg gegangen, und geholfen haben ihr dabei in erster Linie ein eiser- in Worte fassen muss. Sie weiß, wie sich ner Wille, ihre Natürlichkeit sowie ihr ihre Figuren anfühlen und wie sie diese einzigartiges Talent. Dies ist ihre bishe- spielen muss … Ihre Arbeit entsteht aus rige Geschichte, ihr einzigartiger Weg an einem sehr reinen Verlangen, von dem sie die Spitze Hollywoods.

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Kapitel 1

GROSSE TRÄUME IN KENTUCKY Kapitel 1

er US Zeitungsbericht der NY Daily News hieß. nicht gerade bekannt dafür, Holly- D wood-Stars en masse zu produzie- - ren. Zwar sind Johnny Depp und George feriencamp namens Camp Hi Ho, das we- Clooney dort zur Welt gekommen, aller- dings bringt man die beiden nicht unbe- dem familieneigenen Pferdehof lag. Jen- dingt mit dem relativ kleinen Bundesstaat im östlichen Teil der USA in Verbindung. nach Bruder Benjamin (genannt Ben), der zehn Jahre älter als sie ist, sowie Blaine, dem Glanz und Glamour der Filmwelt ha- der sechs Jahre vor ihr geboren wurde. ben die Bewohner nicht allzu viel am Hut. Ihre Eltern beschrieb Jennifer in einem Man könnte den »Bluegrass State«, so ge- Interview mit der Vogue so: »Meine Mut- nannt wegen der im Frühling blaugrün ter ist ein sehr lustiger Mensch, jedoch auf blühenden Wiesen in der Region, durch- sehr laute Weise. Und mein Dad ist das aus auch als verschlafen bezeichnen. genaue Gegenteil – der lustigste Mensch, Umringt vom Mississippi und dem Ohio den man sich vorstellen kann, aber er River, angrenzend an West Virginia, Virgi- wird nie laut. Er kann schnell kontern und nia, Ohio, Tennessee, Missouri, Illinois und - - nitiv in einem lustigen Umfeld auf.« Dann fügte sie noch lachend hinzu: »In unserer Getreideanbau. Bedeutende Wirtschafts- Familie muss man auch guten Humor ha- zweige sind Pferde- und Viehzucht, ein ben, da wir alle ziemlich gemein zueinan- großer Arbeitgeber ist der Spirituosen- der sein können!« hersteller Brown-Forman, der bekannte Jennifer hatte es als Jüngste und als Whiskey-Marken wie Jim Beam und Wild einziges Mädchen nicht gerade leicht, Turkey produziert, sowie die Fast-Food- sich gegen ihre großen Brüder durchzu- setzen. Der große Altersunterschied zu Hauptstadt des Bundesstaates ist das Ben und Blaine kam dadurch zustande, dass mit den beiden Söhnen die Familien- im Nordosten des Staates. Nur knapp planung eigentlich abgeschlossen schien, - liegt Louisville, mit etwa einer halben legte. Sie hatte sich immer eine Tochter Million Einwohnern die größte Stadt in gewünscht, wie sie der NY Daily News ver- - riet, und freute sich, als dieser Wunsch rence am 15. August 1990 zur Welt. letztendlich doch noch in Erfüllung ging: Im Osten der Stadt, genauer gesagt in »Ich konnte es kaum erwarten, ein klei- der noblen, idyllischen Waldsiedlung In- nes Mädchen zu haben und ihm hübsche dian Hills, befand sich damals das Zuhau- se der Familie Lawrence, laut Nachbarn Allerdings blieb die kleine Jen meistens eine »überaus nette Christen-Familie mit sich selbst überlassen, da ihre Eltern viel arbeiteten. Deshalb blieb ihr nicht viel

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wusste, dass ich im Auto immer hinten sitzen musste, dass ich nie übers Fernseh- programm entscheiden oder bestimmen durfte, in welches Restaurant wir essen gingen«, verriet sie gegenüber dem Tele- graph. Ein besonders beliebtes Hobby unter den beiden Brüdern war, ihrer kleinen Schwester Streiche zu spielen, so wie es bei Geschwistern in diesem Alter nun mal üblich ist. Aber die kleine Jen entwi- ckelte schnell die nötige Schlagfertigkeit und den Willen, sich durchzuboxen – eine - re weiterhelfen sollte. Immer wenn ihre aus der Gegend spielten, wollte Jenni- fer natürlich dabei sein – aber Ben und Blaine zogen es meistens vor, ihre kleine ein erfolgreicher Baseballspieler bei den New York Yankees, gehörte damals zum Freundeskreis von Jennifers Bruder Blai- Foto aus dem Jahrbuch der Kammerer High School: ne. In einem Interview mit der New York Jennifer in der 8. Klasse (2005) Times erinnerte sich der Sportler an diese Zeit, als die kleine Jennifer den Streichen anderes übrig, als sich an ihren großen ihrer Brüder ausgesetzt war. »Sie war fünf Brüdern zu orientieren. »Ich hatte nie- oder sechs Jahre jünger, daher kannte ich manden, der mir zeigte, wie man Make-up sie nicht so gut«, erzählte er. »Aber ich kann mich noch an sie erinnern. Ich weiß Gespräch mit dem britischen Telegraph. noch, dass sie immer bei uns rumhing und »Ich wollte ein Mädchen sein, ich wusste von allen geärgert wurde, nun ja, was man nur nicht wie.« So kam es, dass Jennifer mit kleinen Schwestern eben so macht. Ich weiß noch, wie wir sie einmal in den Blaines Geschmack richtete, wie Mutter Trotz allem liebt Jennifer ihre Brüder über alles, und auch damals gab es na- ihrer Brüder.« türlich Zeiten, in denen die Geschwister Ben und Blaine hatten im Hause Law- sich gut verstanden. So verbrachten Ben, rence ganz klar das Sagen, woran Jenni- Blaine und Jennifer gemeinsam viel Zeit fer anfangs nicht viel ändern konnte. »Ich vor dem Fernseher. »Was meine Brüder

15 Kapitel 1 taten, machte ich auch – so sah ich mir Mac Gyver an und hörte Vanilla Ice«, sagte sie der NY Daily News. Eine Besonderheit, die sich bei Jennifer ausgeprägtes Interesse an Geschichten. In jenem Gespräch mit der NY Daily News sagte sie: »Ich war wie besessen von Ge- schichten. Wenn ich nicht vorm Fernseher saß, schaute ich mir Bücher an oder ließ mir etwas vorlesen.« Bereits im zarten Al- ter von drei wollte sie von ihrem Großvater Geschichten erzählt bekommen, und wenn dieser bei einer seiner Erzählungen, die Jennifer immer und immer wieder hören wollte, ein wichtiges Detail vergaß oder wegließ, machte sie ihn sofort darauf auf- merksam, so aufmerksam folgte sie ihm. Auch wenn sie fernsah, durfte man sie meistens nicht stören. »Sie saß nicht wie und schaute nur zu, sondern kniete direkt vor dem Bildschirm und studierte förm- lich alles, was dort geschah«, sagte Mutter - schen Fernsehsender WDRB. Die Liebe zum Film entdeckte Jennifer Jennifer war begeistert davon, wie schon früh. Mit ihren Brüdern schaute sie Schauspieler einfach in andere Figuren Dumm und Dümmer oder Ace Ventura mit Jim vermehrt damit an, in Rollen zu schlüp- Carrey, dessen komische Darbietungen sie aufsog wie ein Schwamm. Aber laut Sätze aus dem Adam-Sandler-Streifen Jennifer gab es ein Schlüsselerlebnis, das Billy Madison – Ein Chaot zum Verlieben dem kleinen Mädchen die Tore zur Schau- und machte Cheri Oteri aus der erfolg- spielerei öffnete. »Das war ganz klar Gena reichen amerikanischen Comedyshow Rowlands in dem John-Cassavetes-Film Saturday Night Live nach. Mit zehn hatte «, sagte sie gegen- sie großen Spaß daran, bei ihren Eltern an über dem SPIEGEL. »Das klingt jetzt sehr der Haustür zu klingeln und, wenn diese dramatisch, aber dieser Film hat mein Le- an der Gegensprechanlage antworteten, ben verändert. Als ich ihn gesehen hatte, so zu tun, als sei sie eine Fremde, und zu wollte ich Schauspielerin werden.« sagen: »Hi, mein Name ist Susan. Ich habe

16 Große Träume in Kentucky eine Autopanne und möchte Sie fragen, ob nifer mit Medikamenten behandelt wer- ich mal Ihr Telefon benutzen dürfte.« den musste und Therapiestunden bekam. Unter dem manchmal harten Regime In der Mittelstufe, genauer gesagt an ihrer Brüder hatte die kleine Jennifer jedenfalls gelernt, sich durchzusetzen. Sie von Louisville, lief es merklich besser, - dort war Jennifer nie eine Außenseiterin dern eher ein kleiner Wirbelwind, was merkwürdiges und extremes Verhalten in ihrer Umgebung erfahren mussten. So immer auf wie ein bunter Hund. »Ich war kam es, dass sie in der Vorschule einmal nicht mehr mit den Mädchen aus ihrer der Vogue. »Ich wurde nicht gemobbt oder Gruppe spielen durfte, weil sie mit ihnen zu grob umging. Generell war Jennifer ein sehr aktives »Mein Spitzname lautete ›Nitro‹, wie in ›Nitroglyzerin‹. Ich war Softball, schlug im Garten unermüdlich hyperaktiv und extrem neugierig.« Räder und ging auf der Pferdefarm ihrer Eltern reiten. Ihre große Liebe war da- so, ich war auch nicht klüger als die ande- sich mit Hingabe kümmerte. ren – ich hatte einfach nur diese sonder- »Mein Spitzname lautete ›Nitro‹, wie bare Angst. Ich hasste Schulhofpausen. Ich in ›Nitroglyzerin‹«, sagte sie gegenüber der Zeitschrift Madame Figaro. »Ich war haben mich echt gestresst. Außerdem hat- hyperaktiv und extrem neugierig. Immer te ich einen ganz eigenwilligen Humor.« So hielt die junge Jennifer es beispiels- spricht, sagt sie, dass in mir ein Licht weise für eine gute Idee, aus dem Schul- leuchtete, ein Funke, der mich ständig in- bus durch den Notausgang auszusteigen – spirierte.« Aber als sie in die Schule kam, während der Fahrt. Auch ihre offene Art, erlosch dieses Licht auf unerklärliche für die sie heute weltweit verehrt wird, Weise. »Mit meiner Einschulung ging die- wurde ihr damals öfter zum Verhängnis, ses Licht aus. Wir wussten nicht warum, beispielsweise als sie es als Siebtkläss- es war eine Art Sozialphobie.« lerin völlig natürlich fand, vor der ge- In der Grundschule wurde die unter Angstzuständen leidende Jennifer von der vergangenen Nacht das Bett genässt hatte. Ausweglos peinliche Situationen sodass sie mehrmals die Schule wech- machte sie durch andere gleichwertig seln musste. »Ich war auf verschiedenen dumme Aktionen noch schlimmer, wie Grundschulen, da einige der Mädchen sehr sie gegenüber der Vogue verriet: »Irgend- gemein zu mir waren«, gab sie gegenüber wann kam ich von einer Familienkreuz- der britischen Zeitung The Sun zu. Die fahrt mit einem total bescheuerten Haar- Angst wurde sogar so schlimm, dass Jen- schnitt zurück – bitte merken: Geht auf

17 Kapitel 1 einem Schiff niemals zum Friseur! Ich hat- Jennifer setzte sich auch für schwäche- te also auf einmal eine blonde Afrofrisur, re Mitschüler ein, beispielsweise für einen und wir hatten am ersten Schultag Sport. Jungen namens Andy, der mit Down- Ich betrat die Sporthalle, wobei mich alle Syndrom geboren wurde. Im Interview anderen einfach nur anstarrten, und aus mit der NY Daily News sagte dessen Mut- irgendeinem Grund glaubte ich genau zu ter: »[Jennifer] hatte immer ein Herz für wissen, was ich nun tun musste: Ich sprin- ihn. Sie passte auf ihn auf. Auf der Mittel- tete von einem Ende der Halle zum ande- schule ist es nicht leicht, vor allem nicht ren und fand das total witzig – im Gegen- - war wirklich verrückt.« dafür, dass Andy zum beliebtesten Schü- Dass sie trotz allem schon damals sehr schlagfertig war, wurde sehr deutlich in - einem Interview mit der Globe and Mail. Hier berichtete Jennifer von einem Vor- einen Tag. Sie nominierte ihn, und er ge- fall in der Schule, als ein Mädchen sie bat, wann. Sie hatte alle ihre Freunde mobi- Einladungskarten für eine Geburtstags- lisiert und sie aufgefordert, für Andy zu party zu verteilen, zu der Jen selbst nicht stimmen. Sie ist sehr charismatisch und eingeladen war. »Mal ehrlich, wer tut so sehr natürlich.« Ihrem Charisma hatte was?«, sagte sie in dem Interview. »So ou- sie es wohl auch zu verdanken, dass ihre tet man sich als mieser Charakter.« Aber Mitschüler sie liebevoll »J-Law« nannten, Jennifer wusste genau, was sie zu tun hat- eine Anlehnung an den Spitz namen »J.Lo« des Weltstars Jennifer Lopez. rüber zum Mülleimer und warf die Ein- Ihr Freund Andy jedenfalls war glück- ladungen hinein. Und als ich Geburtstag lich, jemanden wie Jennifer seine Freun- hatte, lud ich das Mädchen ein. Ich hatte din nennen zu dürfen. In einem Interview gewonnen.« mit Fort Thomas Matters sagte Andys Abgesehen von diesem einen Vor- Mutter: »Er liebte die ganze Aufmerk- fall wurde Jennifer von den Mitschülern samkeit. Die beiden haben jahrelang viel der Middle School stets respektiert und Zeit miteinander verbracht. Jennifers El- gemocht, und sie selbst fügte sich, trotz tern hatten einen Swimmingpool im Gar- ihrer immer wiederkehrenden Ängs- ten, und Andy durfte darin schwimmen te, in das Schulleben ein, so gut es ging. gehen, wann immer er wollte. Meistens Sie war Mitglied bei der schuleigenen leistete Jennifer ihm dabei Gesellschaft, Cheer leadergruppe und spielte in ersten und sie schwammen gemeinsam. Sie war Theater aufführungen mit. Schon damals ihm gegenüber immer sehr respektvoll war sie unter ihren Mitschülern als Plap- und äußert nett zu ihm.« permaul bekannt, und so kürten sie ihre Jennifer und Andy stehen heute noch - Talkative«, der redefreudigsten Schülerin spielerin nach Louisville zurückkehrt, versucht sie, Andy einen Besuch abzu-

18 Große Träume in Kentucky

Beine stellte. Einer der ersten Bühnenauftritte der kleinen Jen war in einem Bibelstück über das Buch Jonah, wo sie eine Prostituierte aus Ninive spielte. »Sie spielte zwar nur eine kleine Nebenrolle, aber sie stach extrem her- vor«, erinnerte sich ihre Mutter in einem Inter- view mit Louis ville.com. »Sie spielte von allen später verkörperte sie eine Spielkarte in einer Aufführung von Alice im Wunderland im Music Theater Louis ville. Bereits bei diesen ersten Gehversuchen hatte die junge Jennifer Jung und hübsch: Jen als Teenager gepackt, sie wollte ein berühmter Film- star werden und nichts anderes. Aller- statten. Da Jennifer aber die meiste Zeit dings machten sich ihre Eltern ein wenig an Filmsets rund um die Welt verbringt, Sorgen um ihre Zukunft. »Ich war nicht schafft sie es nur noch selten nach Hau- gut in der Schule«, erinnerte sich Jennifer se, und so lässt sie ihrem Freund Andy im Interview mit der Vogue. »Jedes Mal, Fotos und Filmplakate zuschicken. Andys wenn es Zeugnisse gab, wurde ich auf den Mutter: »Sie ließ ihm über ihre Tante ein Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die signiertes Filmposter von Silver Linings Schauspielerei war nie eine Option, mei- zukommen. So ist sie einfach – sie hat nie ne Eltern sagten leider nicht: ›Oh, du hast vergessen, wo sie herkommt.« eine Drei in Mathe, das ist nicht gut. Aber hey, du darfst Schauspielerin werden!‹« Middle School nahm der Traum des jun- Für Jennifer kam ein Nein jedoch auch gen Mädchens, Schauspielerin zu wer- nicht infrage, sie konnte sich nicht vor- den, konkrete Formen an. Jennifer trat - - ben und dort einen gewöhnlichen Job ne Aufführungen in Louisville auf die auszuüben. »Das Mädchen hatte einen

19 Kapitel 1 verrückten Traum«, sagte Bruder Ben gegenüber NY Daily News. »Louisville ist ihres Alters.« eine Arbeiterstadt. Sie ist nicht bekannt Mit zwölf drängte Jennifer ihre Eltern dafür, Filmstars hervorzubringen.« Gary dazu, mit ihr zu einem örtlichen Talent- scout zu gehen, einem Fotografen namens Wunsch ihrer Tochter jedoch gar nichts anfangen und hielten deren Traum für das erste Treffen mit dem Mädchen erin- eine kurzzeitige Spinnerei. »In unserer nern kann. Im Interview mit der NY Dai- Familie drehte sich alles nur um Sport«, ly News verriet er, dass er Jennifer und sagte Jennifers Mutter gegenüber Louis- ihren Eltern gesagt habe, dass es noch ville.com. »Wenn sie einen Baseball hätte »ein bisschen früh« für Jen sei. Aber das werfen können, hätten wir erkannt, ob sie Mädchen blieb am Ball und kam ein hal- pitchen kann oder nicht. Aber wir haben bes Jahr später wieder zu ihm. »Sie war ihr Schauspieltalent anfangs einfach nicht immer noch sehr jung und klein, aber sie erkannt.« hatte eine unverkennbare Ausstrahlung.« Jennifer ließ sich nicht beirren. Sie - verfolgte weiter ihren Traum von der chen und machte erste Fotos von ihr. Er Schauspielerei und ergatterte eine der ließ seine Beziehungen spielen und orga- Hauptrollen in dem Shakespeare-Stück nisierte Termine mit verschiedenen New Othello, das im Walden Theater in Louis- Yorker Model- und Schauspielagenturen, ville aufgeführt wurde. Als Desdemona riet Jen jedoch dazu, sich erst einmal als zeigte sie eindrucksvoll ihre schauspie- Model zu versuchen. »Ich sagte ihr: ›Für lerischen Qualitäten, was nicht nur dem Schauspielerinnen gibt es nur ein be- grenztes Rollenangebot, lass uns zuse- künstlerischen Leiter des Walden Thea- hen, dass wir dich zu einem Model ma- ters, Charlie Sexton. Dieser bemerkte zu- chen. In der Branche lässt sich gut Geld dem, wie vorausschauend die junge Jen- verdienen.‹ Aber sie sagte nur: ›Nein, ich nifer war in Sachen Schauspielkarriere. will Schauspielerin werden.‹ Sie war fest »Sie stach hervor«, sagte er im Interview entschlossen, als sie nach New York ging.« mit der britischen Daily Mail. »Sie war Jennifers Eltern hielten den Wunsch wissbegierig, eifrig und passte immer gut ihrer Tochter nach wie vor für eine ver- auf. Ich weiß noch, wie sie in dem Stück Othello mitspielte, und sie hatte ihre Rol- le nach sehr kurzer Zeit drauf. Sie lernte sehr schnell. Ich wusste, dass sie es noch Tochter dorthin zu begleiten und diesen weit bringen würde. Mir war nicht klar, einen Versuch zu wagen. »Wir taten es, dass es so schnell gehen würde, aber sie - sagte nur: ›Ich werde das hier schaffen.‹ men«, so Jennifers Mutter. Wir haben nicht viele Achtklässler, die Im Frühjahr 2005 während der Schul- sagen: ›Ich werde nach New York gehen.‹ ferien machten die beiden sich also auf Ich hatte immer das Gefühl, dass sie ent- den Weg nach New York, wo das jun-

20 Große Träume in Kentucky ge Mädchen sich gleich pudelwohl fühl- viele Jahre damit verbracht, mich in der te. »Als meine Füße den Bürgersteig in Schule verloren zu fühlen und mir dumm berührten, wusste ich, dass vorzukommen.« ich mein spirituelles Zuhause gefunden hatte«, sagte Jennifer gegenüber der L.A. Tochter bei ihrem Vorhaben zu unter- Times. Vor Ort stellte sie sich mehreren stützen, allerdings musste Jennifer mit Agenturen vor, die sogleich begeistert von ihnen einen Deal machen: Sie erlaubten dem jungen Talent waren. Aber Jennifers ihrer Tochter, einen Versuch als Model Mutter machte sich Sorgen, dass dieses oder Schauspielerin zu wagen, wenn sie erste Lob ihrer Tochter große Hoffnungen im Gegenzug versprach, die Schule nicht machte, die letztendlich nicht erfüllt wür- hinzuschmeißen und ihren Highschool- den. Im Interview mit der Globe and Mail Abschluss zu machen. Ihre Eltern wollten erinnerte sich Jennifer sehr gut daran, wie sichergehen, dass das Mädchen etwas in ihre Mutter sie zu beschützen versuch- der Hand hatte, falls es mit dem großen te. »Eine Agentur sagte, es sei das beste Traum nichts werden sollte. Für Jennifer Vorsprechen gewesen, das sie jemals mit war die Sache aber sonnenklar. »Es kam einer 14-Jährigen erlebt hatten«, so Jen- mir nie in den Sinn, dass ich vielleicht kei- nifer. »Meine Mom sagte mir, dass diese nen Erfolg haben würde«, sagte sie der Leute bloß logen. Meine Eltern waren das Globe and Mail. »Ich dachte nie: ›Wenn absolute Gegenteil von sogenannten Stage das mit der Schauspielerei nicht klappt, kann ich immer noch Ärztin werden.‹ Der zu Stars machen wollen. Sie taten alles in Satz ›Wenn das nicht klappt‹ existierte für ihrer Macht Stehende, um dies alles zu mich nicht. Und diese naive Entschlossen- bremsen. Aber es sollte einfach geschehen, heit einer 14-Jährigen hat mich bis heute egal wie. Meine Haltung war: ›Danke, dass nicht verlassen.« Eigentlich war geplant ihr mich großgezogen habt, aber von hier an übernehme ich das Steuer.‹« Middle School auf die Ballard High School Aufgrund von Jennifers Ehrgeiz und in Louis ville gehen sollte, aber dazu soll- ihrer Zielstrebigkeit erkannten ihre El- - tern bald, dass sich mehr hinter dieser gen des jungen Mädchens nicht mehr ganzen Geschichte verbarg als nur eine kommen. vorübergehende Laune. »Das war das ein- Während jener Zeit in New York im zige Mal, wo ich wirklich sagen kann, dass Frühjahr 2005 sorgte eine zufällige Be- sie etwas von ganzem Herzen liebte und Jennifer stand mit ihrer Mutter gerade am Louisville.com über die Union Square und sah ein paar Tänzern ersten Vorsprechen in New York. Jennifer: auf der Straße zu, als sie von einem Mann »Zum ersten Mal in meinem Leben er- angesprochen wurde, der ein Foto von ihr kannte ich, dass ich hundertprozentig für machen wollte. »Es war nicht unheimlich eine bestimmte Sache gemacht war und oder so, er wollte mich auch nicht irgend- dass ich etwas verstand, denn ich hatte so wohin mitnehmen«, erinnerte sich Jenni-

21 Kapitel 1

22 Große Träume in Kentucky fer im Interview mit der NY Daily News. Mit vollem Eifer warf sich das junge »Er wollte einfach nur ein Foto von mir Mädchen in seine ersten Vorsprechen und machen, mehr nicht.« merkte sofort, dass es sich wohlfühlte wie Der Mann war Talentscout und auf der ein Fisch im Wasser. Über ihre ersten Cas- Suche nach neuen Gesichtern für eine Werbekampagne des Modehauses H&M, ein überwältigendes Gefühl zu verspüren, und Jennifer zögerte nicht, sich an Ort an Ort und Stelle genau das liefern zu kön- nen, was von mir verlangt wurde. Jedes später stand bei den Lawrences das Tele- fon nicht mehr still, reihenweise melde- ten sich Agenten, die das vielversprechen- »Ich fing einfach an, ein überwältigen- de Talent unter Vertrag nehmen wollten. des Gefühl zu verspüren. Jedes Mal Jennifer entschied sich schließlich für wenn ich eine Agentur nach dem die Agentur CESD, die sich eher auf Schau- spielerei anstatt auf das Modelbusiness Vorsprechen verließ, wollte ich gleich konzentrierte. Dort gab man dem auf- mit dem nächsten weitermachen.« strebenden Talent den Rat, gänzlich nach Mal wenn ich eine Agentur nach dem Vor- sprechen verließ, wollte ich gleich mit einfach nicht auf. Und CESD auch nicht.« dem nächsten weitermachen.« Jennifers Mutter gab sich schließlich ein- Da ihre Eltern sahen, wie sehr Jennifer verstanden mit dem Vorschlag der Agen- sich in diese Sache reinkniete, beschlos- tur, Jennifer sechs Wochen lang in den sen sie, sich eine Meinung über das Sommerferien in New York wohnen zu Schauspieltalent ihrer Tochter einzuho- lassen, damit das Mädchen an weiteren len, und zwar von der professionellen Castings teilnehmen konnte. Schauspiellehrerin Flo Greenberg, die unter anderem bereits mit Darstellern eine Bleibe, ein Apartment im Big Apple, wo Jennifer den Sommer über wohn- LeBlanc und Emmy Rossum zusammen- te – natürlich nicht allein, ein Elternteil gearbeitet hatte. blieb immer bei ihr. Im Interview mit In einem Interview mit der britischen Louisville. com Daily Mail, als Jennifer bereits berühmt sich noch genau an jene Zeit. »Sie rief war, sagte Greenberg: »Jennifer handelt eines Abends an und sagte: ›Oh Mann, unglaublich instinktiv. Als Schauspiel- ich habe gesehen, wie eine Ratte so groß coach hält man Ausschau nach Leuten, die exzellente emotionale Instinkte haben, gekrochen kam.‹« Vater Gary fügte hin- und Jen gehört zu den wenigen Leuten, die zu: »Ich wusste, dass sie es mit dieser ihrem natürlichen Instinkt folgen. So war Sache sehr ernst nahm, da sie sich nie sie, als sie zu mir kam, bereits ein brillan- beschwerte.« tes Talent. Das gibt es sehr selten: Man

23 Kapitel 1 trifft nicht auf viele junge Leute mit die- - ser Eigenschaft … Sie war so voller natür- lard High School und schrieb Jennifer in lichem Talent, dass ihre Instinkte auf wun- - dervolle Weise durchschienen. Ich hoffe, rerin bestätigte gegenüber der NY Daily dass sie daran nichts ändert und allein an News, dass Jennifers Mutter damals im- sich arbeitet, was sie offenbar auch tut. Sie mer noch an eine Rückkehr glaubte: »Ihre liefert fantastische Arbeit ab.« Mutter sagte: ›Wahrscheinlich kommen wir bald zurück. Nur kann ich sie im Mo- »Für mich war es so, als hätte einen Versuch gewähren.‹ Aber Jennifer ich endlich etwas gefunden, kam nie wieder zurück.« bei dem die Leute mir sagten, Während Jennifer sich im Sommer dass ich gut darin sei.« erste Angebote aus Los Angeles für soge- nannte Screentests, Testaufnahmen für Jennifers Eltern waren immer noch mögliche Fernseh- und Filmproduktio- nicht hundertprozentig überzeugt davon, nen. Dazu gehörte auch ein erster großer dass ihre Tochter in der Medienbranche, Job für den Musiksender MTV und dessen egal ob als Schauspielerin oder als Model, Teenie-Soap My Super Sweet 16, für die dauerhaft Erfolg haben würde. Schließ- Jennifer einen Werbeclip drehen sollte. lich gibt es gerade in den USA Schauspie- Darin spielt sie ein junges Mädchen, das ler wie Sand am Meer, und viele von ih- von seinen Freunden mit einer exklusiven nen sind arbeitslos oder müssen sich mit Geburtstagsparty überrascht wird. Dieser Zweitjobs über Wasser halten. So erwog kurze Clip wurde natürlich von einem großen Publikum gesehen und auch von nach den Sommerferien wieder zurück weiteren Castingagenturen bemerkt. In der Folge wurden die Anfragen aus ihre Schulausbildung weitermachte. Los Angeles so zahlreich und bedeutend, Da Jennifer zu jener Zeit aber schon ei- dass Jennifer und ihrer Mutter nichts an- nige wichtige Aufträge als Model oder in deres übrig blieb, als die Wohnung in New Werbespots, unter anderem für die Mode- York aufzugeben. Die zahlreichen Flüge marke Abercrombie & Fitch oder die Fast- wären auf Dauer zu teuer gewesen, und so beschlossen sie, an die amerikanische ziehen können, war die Rückkehr nach Westküste zu ziehen, genauer gesagt in Louisville für das junge Mädchen keine ein Apartment in Santa Monica im Westen Option mehr. Sie wusste, dass sie in New von Los Angeles. Das überraschende Inte- York bleiben musste, um überhaupt eine resse an Jennifer und die ersten Jobs im - - rys Glauben an ihre Tochter, und so unter- denklich zu tun, damit sie ihren Traum stützten sie Jennifer weiterhin tatkräftig. verwirklichen konnte, und so kontaktier- »Wir hätten sie zerstört, wenn sie ihrem

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Jennifer: »Für mich war es so, als hätte ich endlich etwas gefunden, bei dem die Leute mir sagten, dass ich gut darin sei, was ich vorher nie gehört hatte. Und das war einer der Hauptgründe, warum mei- ne Eltern mich dies tun ließen.« Die Erlebnisse in New York und Los Angeles schienen für Jennifer auch eine therapeutische Wirkung zu haben, da ihre Angstzustände auf einmal wie weg- geblasen waren, seit sie Louisville ver- lassen hatte. Die Behandlung mit Medi- kamenten, die Jennifer jahrelang hatte durchmachen müssen, schien plötzlich - wann telefonierte meine Mom mit mei- nem Dad und sagte ihm: ›Die Therapie und all diese Medikamente – die brau- chen wir nicht, wenn sie hier ist. Sie ist glücklich.‹« Mit nur 15 Jahren war Jennifer also in Los Angeles angekommen, dem Mekka al- ler Schauspieler und Filmfreaks. Sie wuss- te, dass sie noch einen langen, harten Weg vor sich hatte, und so bündelte sie all ihre der Showbranche zu sammeln – wobei jeder ihrer Schritte wachsam von ihrer Jen auf der Paris Fashion Week als Gast Familie beäugt wurde, aus Sorge, dass sie bei Christian Dior, Sommer 2014 vielleicht doch auf die Nase fallen könn- te. »Das war fremd für uns alle«, sagte Traum nicht hätte nachjagen dürfen«, Jennifer, »die Vorstellung von Hollywood, Louisville. com. von Filmen und der Schauspielerei. Aber Aber wäre Jennifer nicht so hartnäckig ge- alle wollten mich dabei unterstützen, bis ich scheiterte, und dann wollten sie mich Treiben im Sommer 2005 sicherlich ein wieder nach Hause zurückholen. Aber Ende gesetzt. Im Vogue-Interview sagte zum Glück scheiterte ich nicht.«

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