BIRGIT JOOSS KUNSTINSTITUTIONEN ZUR ENTSTEHUNG UND ETABLIERUNG DES MODERNEN KUNSTBETRIEBS

Allgemein gilt das 19. Jh. als das Jahrhundert der Institu­ aufstellten und einen enormen Zulauf erfuhren. Sie alle tionalisierung von Kunst: Zum einen erlangten Akademien trugen zur Expansion einer medialen und zunehmend und Kunstschulen eine Vorrangstellung in der Ausbildung kommerzialisierten Kunstwelt bei.l und Produktion von Kunst, zum anderen sorgten Museen Allgemein betrachtet dient eine Institution der Fest­ und Ausstellungshäuser für ihre Publizität und Vermark­ schreibung von Handlungs- und Beziehungsmustern, der tung. Auch die sich formierenden Universitätsinstitute, an Aufstellung und Kontrolle von Regeln sowie der Qualitäts• denen sich das Fach Kunstgeschichte allmählich als wissen­ sicherung. Da sie gemeinhin die Lebensspanne ihrer Mit­ schaftliche Disziplin etablierte, sowie die Instanzen Kunst­ glieder übertrifft, steht sie - positiv formuliert - für die kritik und Kunstmarkt bestimmten zunehmend den Kreis­ generationsübergreifende Dauerhaftigkeit und Verlässlich• lauf des Kunstbetriebs und damit auch die Ausbildung eines keit ihrer Regeln, im negativen Sinne dagegen für Starrheit gültigen Kanons der Kunst. Die Institutionen setzten die und Reformresistenz. Bestimmend sind stets Individuen Unterschiede zwischen Kunst und Nicht-Kunst, zwischen und Institutionen gleichermaßen, die in enger Beziehung Professionalität und Dilettantismus. zueinander stehen und im Idealfall die fachliche Kompe­ Hatte am Ende des 18. Jhs. die Französische Revolution für tenz als Leitungsinstanz anerkennen.2 eine gravierende Neuordnung der politischen, gesellschaft­ Institutionen sind immer auch verbunden mit bestimm­ lichen und kulturellen Verhältnisse gesorgt, so wurde die ten Orten. Gerade im Kunstkontext wurden Leitideen wie Umorientierung in der Kunstwahrnehmung erst im 19. Jh. Qualität und Kontinuität im 19. Jh. gerne durch das Er­ sichtbar. Akademien und Museen, die zunächst noch mit scheinungsbild der Gebäude repräsentiert: Architektur, Fürstenhäusern in enger Verbindung standen, wandelten Fassadengestaltung und Bauschmuck machten die ein­ sich bald zu Orten aufklärerisch-historischenDenkenseiner schlägigen Leitgedanken nach außen hin sichtbar, im In­ neuen, bürgerlichen Gesellschaft. Ihre Konzeptionen waren neren sorgten Bildprogramme mit Fresken oder Skulptu­ beeinflusst von Schillers Ideal einer ästhetischen Gemein­ ren für ihre Veranschaulichung. Das hatte zur Folge, dass schaft, von der sakralen Überhöhung der Kunst der Roman­ die Bauten in permanentem Konflikt zwischen Historisie­ tiker sowie zunehmend von einem wachsenden nationalen rung und aktueller Funktionsbestimmung standen.3 Bewusstsein; ihre Blütezeit erlebten sie in der zweiten Jahr­ Die Geschichte der Kunstinstitutionen im 19. Jh. ist eine hunderthälfte im Zusammenspiel historistischen Denkens der Etablierung von Strukturen, aber auch der ausgepräg• mit fürstlichen, partikularstaatlichen sowie wirtschafts­ ten Reformresistenz bei gleichzeitiger Attackierung der­ bürgerlichen Bildungskonzepten und Prestigebedürfnis• selben durch fortschrittlichere, jüngere Generationen - sen. Neben den staatlich gelenkten Projekten bildeten sich ein Kampf, der ihnen niemals ernsthaft etwas anhaben, zahlreiche bürgerliche Initiativen, in denen sich Künstler der ihnen jedoch neue Richtungen weisen konnte. wie Kunstfreunde zu Kunst- und Museumsvereinen so­ wie Künstlergenossenschaften und -gemeinschaften zu­ sammenschlossen, dort ihre eigenen- von den Höfen nun­ DAS ERLERNEN UND SCHAFFEN VON KUNST mehr weitgehend unabhängigen - Regeln und Statuten Kunstakademien als Ausbildungsstätten für freie Künst• ler waren keine Erfindung des 19. Jhs. Als Begegnungsorte

1 Peterven Cornelius, Freskenausstattung der Alten Pinakothek, für Gelehrte finden sich Akademien seit der Antike, ein Loggiengang, Blick nach Westen, Fotografie um 1930 Gedanke, der in der Renaissance wieder aufgegriffen wur-

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de. Im 16. Jh. entwickelten sich vor allem in Italien daraus Weltausstellungen - wie stark Industrie und Handwerk erste Akademien, die sich auch der Künstlerausbildung wid­ unter dieser elitären Trennung in Deutschland litten, kam meten. Mit der Gründung der Pariser Academie Royal es in den 186oer Jahren zu Gründungen eigener Kunstge­ 1648 etablierte sich ein System, das für alle folgenden werbevereine, -schulen und -museen. Deren Aktivitäten Kunstakademien - auch für die deutschen des 18. und sowohl im Sammlungs- als auch im Vermittlungsbereich 19. Jhs.- Maßstäbe setzte: Ein Protektor, meist der jeweili­ sollten die Krise des deutschen Handwerks beheben. Ihre ge Landesfürst oder Statthalter, garantierte den Bestand Blütezeit erlebten sie im letzten Viertel des 19. Jhs., als ihre und Erhalt der Institution; Ehrenmitglieder prägten ne­ Produkte dem historistisch geprägten Geschmack der meist ben dem Lehrpersonal das Leben an der Akademie. Die aus dem gehobenen Bürgertum stammenden Kunden ent­ »Akademiker« wurden von den beruflichen Beschränkun• gegenkamen. Zur Jahrhundertwende geriet das Kunstge­ gen durch Zünfte befreit und erfreuten sich damit profes­ werbe-gemeinsam mit dem Historismus-aufgrund seiner sioneller und merkantiler Freiheit. Theoretische Debatten eklektizistischen Vergehensweise in Verruf. Erst mit dem und Vorlesungen sorgten für den geistigen Austausch. Jugendstil erfuhr die angewandte Kunst eine Neuorien­ Die kostenlose Ausbildung umfasste das Zeichnen nach tierung, da nun die Gestaltung aller Bereiche des Lebens graphischen Vorlagen, nach Gipsabgüssen von Antiken nicht durch die Nachahmung historischer Stile, sondern und schließlich nach dem Aktmodell, ein Privileg, das den durch einen eigenen, an der Natur orientierten Stil ange­ Zünften nicht zuteil wurde. Erst zu Anfang des 19. Jhs. bot strebt wurde. Obwohl die Ausdifferenzierung der Künstler• ein Akademiestudium auch das Erlernen von Malerei und ausbildung vielleicht als eine Schwächung der Kunstaka­ Bildhauerei. Ergänzt wurde das Angebot um Wettbewer­ demien gedeutet werden könnte, erlebten diese eine neue be, Stipendien und Ausstellungen. Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Vor allem die Bei der Gründung einer großen Zahl neuer Akademien in Münchner Kunstakademie zog -nur vergleichbar mit der Deutschland-vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jhs.­ Pariser Akademie - ihre Studierenden von weit her an übernahm man das System von künstlerischem Austausch (KAT. 3). Die akademische Ausbildung galt gerade für die und Lehre. Obwohl zu Beginn des 19. Jhs. vor allem deut­ Künstler aus mittel- und osteuropäischen Ländern, in denen sche Künstler der Romantik Kritik am System der Akade­ häufig vergleichbare Lehrinstitutionen fehlten, als Garant mien geübt hatten, waren es gerade die aus Rom zurück• für eine qualitätvolle Vermittlung von Techniken und In­ gekehrten Nazarener, die in den 182oer und 30er Jahren die halten. Zu jenem Zeitpunkt erhielten allerdings nur Män• deutschen Kunstakademien maßgeblich bestimmen sollten. ner Zutritt zu den Akademien. Frauen mussten sich privat Ihre Vorstellung vom Künstler als einem autonomen, außer­ ausbilden lassen, so dass zu Ende des Jhs. eigene Damen­ halb der Gesellschaft stehenden Genius prägte schließlich vereine und -akademienentstanden (KAT. 8). nicht nur die Ausbildungsstätten, sondern auch den Sta­ Die Kritik am starren Ausbildungssystem, der Ruf nach tus des Künstlers in der Gesellschaft. Die Einführung des künstlerischer Autonomie gegenüber den Institutionen, Meisterklassensystems zuerst in Düsseldorf (KAT. 1), spä• der Zweifel am Geniekult und die Frage nach Lehr- und ter auch in allen anderen deutschen Akademien beruhte Lernbarkeit von Kunst führten gleichzeitig zu Gegenmodel­ auf der Idee der Weitergabe des Genius des Meisters an len, die sich etwa in den progressiv ausgerichteten Privat­ seine Schüler durch direkte Nachahmung. Kritik an diesem schulen (KAT. 4) oder in selbst organisierten Künstlergrup• System konnte sich innerhalb der Institution nicht dauer­ pen- vor allem die der zahlreichen ländlichen Künstler• haft durchsetzen4 kolonien (KAT. 9) -finden lassen.5 Hier ging man flexibler Im Laufe des 19. Jhs. kam es zu einer Ausdifferenzierung auf neue künstlerische Methoden und Themen ein und von Ausbildungsstätten; zu den Kunstakademien gesellten ebnete den Weg für eine Avantgarde, die den Begriff »aka­ sich schon früh reine Bauakademien - etwa die bereits demisch« schließlich als Schimpfwort benutzte, wenn auch 1799 eingerichtete Berliner Bauakademie (vgl. Geschichte ihre Vertreter meist an Akademien ausgebildet worden wa­ der bildenden Kunst, Bd. VI, KAT. 35) -,später dann die Kunst­ ren und nicht selten an diese zurückkehrten. gewerbeschulen (KAT. 2). Die alten Hierarchien zwischen so genannterhoher Kunst und Kunsthandwerk wurden also nicht durch die Integration der angewandten Kunst DI E VERMARKTUNG VON KUNST in die Akademien aufgehoben, sondern als unüberwind­ bar empfundene Gegensätze durch die Schaffung neuer Auch die Kunstvereine, die seit der ersten Hälfte des 19. Jhs. Institute festgeschrieben. Die Akademien folgten immer entstanden und das Modell der Selbstorganisation vertra­ noch der klassizistischen Kunsttheorie, nach der nur Ma­ ten, waren überwiegend bürgerliche, hofunabhängige In­ lerei, Bildhauerei, Grafik und Architektur als hohe Gattun­ stitutionen. Für den Beitritt war lediglich der Erwerb von gen anerkannt wurden. Das Kunstgewerbe galt als Teil der Aktien erforderlich, so dass sie entscheidend zur Ausbil­ Industrieproduktion, das man nach technischen, nicht aber dung moderner, demokratischer Strukturen in Deutschland nach ästhetischen Werten beurteilte. Als jedoch zur Jahr­ beitrugen. Innerhalb des reich ausdifferenzierten Vereins­ hundertmitte deutlich wurde - vor allem in Folge der ersten wesens des frühen 19. Jhs. war gerade die Kunst ein äußerst KUNSTINSTITUTIONEN 191

2 Hermann von der Hude, Georg Theodor Schirrmacher, Außenansicht f J,l, der Kunsthalle Hamburg, Illustration in der Zeitschrift für Bauwesen XVIII

prestigeträchtiges VereinszieL Hier konnten aristokratische In der Vergangenheit war es das Privileg des Adels, der Motive des Luxus und des Genusses vom Bürgertum über• Geistlichkeit und einiger weniger Patrizier gewesen, der nommen, die Reduktion auf eine berufliche Rolle des Ein­ Neigung des Sammelns nachzugehen. Nun eroberte das zelnen aufgebrochen und ein gesellschaftlich attraktives gehobene Bürgertum- nach der ökonomischen Macht­ Freizeitangebot etabliert werden. Der unterentwickelte auch die Bereiche Bildung und Kultur. Kunst diente zur Markt für zeitgenössische Kunst sowie die Unzufrieden­ Repräsentation, die den zuReichtumgekommenen Eigen­ heit der Künstler mit den Beschränkungen bei Akademie­ tümer ideell aufwertete und bald aus den Bürgervillen ausstellungen verliehen den Kunstvereinen ihre zentrale nicht mehr wegzudenken war. Man »adelte« sich durch das Bedeutung: In permanenten, öffentlich zugänglichen, nicht Sammeln und Präsentieren originaler Kunstwerke, und so reglementierten Verkaufsausstellungen erhielt nun ein wandelten sich manche Villen von Wohnhäusern zu klei­ größerer Kreis von Künstlern die Gelegenheit, ihre Werke nen Privatmuseen. Verlässliche, sich an wissenschaftlichen anzubieten (KAT. 6). Im Gegensatz zu den regulären Aus­ Zuschreibungen orientierende Kunsthändler, auf deren Ur­ stellungen der Akademien mit ihrer Ausrichtung am Histo­ teil sich die neue Käuferschicht verlassen konnte, waren rienbild gaben die Kunstvereine den dort weniger angese­ gefragter denn je. Zunächst traten neben die Kunstvereine henen Gattungen ein urbanes Forum: Porträt, Landschaft, Kunsthandlungen, die vor allem Bücher und Graphiken ver­ Stilleben und dem bald überaus populären Genrebild. trieben, später etablierten sich in den größeren deutschen Gegen die als überholt angesehene, akademische Doktrin Städten auch Auktionshäuser (KAT. 24) sowie - zu Ende sorgten sie für die Vermittlung einer als zeitgenössisch des Jhs.- moderne Kunsthandlungen (KAT. 25). Sie wur­ empfundenen Kunst. Mit diesen Ausstellungen, dem An­ den zu bedeutenden Vermittlungsinstanzen zwischen kauf von Kunstwerken aus dem oft beträchtlichen Vereins­ Künstlern und Käufern7 vermögen, einer jährlichen Kunst-Verlosung und der Ver­ teilung von Auflagengraphik als Jahresgaben konnten sie viele Künstler fördern und ihre zahlreichen Mitglieder SAMMLUNG UND ERFORSCHUNG VON KUNST zufrieden stellen (KAT. 7). Weitere Ziele waren, Kunstdenk­ mäler zu erhalten, Kunstsammlungen anzulegen und so­ Seit dem späten 18. Jh. waren im Zuge der Übereignung gar Museen zu errichten, so dass die Kunstvereine mitunter fürstlicher Sammlungen sowie der Säkularisation kirchli­ die fehlende kommunale Kunstpflege übernahmen (KAT. 5); chen Kunstgutes nach der Französischen Revolution und so war ihre große historische Leistung im 19. Jh. die Insti­ den napoleonischen Kriegen bedeutende öffentliche Samm­ tutionalisierung einerneuen Kunst-Öffentlichkeit. Ihre Be­ lungen entstanden, deren Bestände zunächst nach ästhe• deutung schwand, als die sich ausweitende staatliche und tischen, bald auch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kommunale Verwaltung eigene Ausstellungseinrichtungen präsentiert wurden. Im Laufe des Jhs. kristallisierten sich schuf, Künstler sich in neuen Genossenschaftsmodellen vier Leitgedanken für das Museum heraus: Sammeln, Be­ organisierten und ein leistungsfähiger privater Kunsthan­ wahren, Erforschen und Vermitteln von Kunst. Diese Leit­ del entstand (KAT. 25). 6 gedanken ließen die Museen zu den maßgeblichen Insti- 192 KUNSTINSTITUTIONEN

3 Karl Louis Preusser,ln der Dresdner Ga lerie, 188g, Öl auf Leinwand, 68 x 8JCm, Dresden, Staatliche Kunstsammlung Dresden

tutionen der wissenschaftlichen Bildung, der kulturellen einmal getroffene Abstimmung zwischen Bildprogram­ Identitätsstiftung, der ästhetischen Reflexion sowie des men und Exponaten sollte keine späteren Veränderun• individuellen Genusses werden. Basierend auf Ideen der gen erlauben, die als Sinnverlust hätten gelten müssen. Aufklärung und Romantik waren sie von Beginn an zu­ Im Laufe des 19. Jhs. entstand dann eine große Band­ gleich Musentempel wie Lernorte, Monumente wie Bil­ breite musealer Präsentations- und Inszenierungskonzep­ dungsinstitute. Indem sie das Gesammelte aus seinem tionen. Der älteste und zugleich prestigeträchtigste Mu­ ursprünglich religiösen oder profanen Kontext herauslö• seumstyp war das kunsthistorische Museum, das mit der sten und in einen neuen Zusammenhang stellten, kon­ Einrichtung des Louvre 1793 als öffentliche Institution einen struierten sie (Kunst-)Geschichte.S Prototyp ausbildete. An die Stelle eines Kanons vorbildli­ Mit den Museen stellten sich für Architekten neue Bau­ cher Werke, die hauptsächlich zur Nachahmung für Künstler aufgaben: als >>sprechende Hüllen« präsentierten sie die ausgestellt worden waren, trat bald der Versuch, die histo­ Kunst, meist begleitet von Skulpturen- und Freskenpro­ rische Entwicklung der bildenden Künste in einer reprä• grammen (ABB. 2). Baumeister wie Raumgestalter be­ sentativen Auswahl vorzuführen. Museumsexperten und stimmten mit ihren Entwürfen Auswahl und Umfang der Kunstvermittler, die zunehmend kunsthistorisch ausgebil­ Exponate und interpretierten das Museumskonzept als det waren, ersetzten allmählich die Künstler, die zunächst Ganzes. Architekten wie Klenze, Stüler oder Semper, Ma­ als Museumsdirektoren agiert hatten (ABB. 3). ler wie Cornelius oder Kaulbach, Bildhauer wie Schwant­ In Deutschland war bereits 1776 mit dem Museum Fride­ haler oder Hähnel waren unmittelbar an der wissenschaft­ ricianum in Kassel (Geschichte der bildenden Kunst. Bd. VI, liehen Konzeption der von ihnen errichteten und ausgestat­ KAT. 23) das erste Museumsgebäude außerhalb eines Resi­ ten Museen beteiligt und traten nicht selten in denzschlossprogramms entstanden, in dem die Kunst je­ Auseinandersetzung mit Auftraggebern sowie mit dem doch noch keine singuläre Position besaß. Die Eröffnung der sich neu ausbildenden Berufsstand der Konservatoren. Die Glyptothek in München 1830 (Geschichte der bildenden KUNSTINSTITUTIONEN 193

4 Leo von Klenze, Glyptothek München, Äginetensaal. 1816-1830, Zeichnung, Berlin, Staatsbibliothek

Kunst, Bd. VI, KAT. 24)- erbaut von Klenze, freskiert durch Augen, die dann beim Abschreiten der Enfilade von Cornelius -,die die Skulpturensammlung des bayerischen Schauräumen anhand der Exponate nachvollzogen wer­ Königs aufnahm, stellte erstmals das Ideal des »monumen­ den konnte (ABB. 1). talen Museums« in Deutschland dar (ABB. 4). Der Versuch, Zunächst noch den historischen Sammlungen verpflich­ durch mehrere Museen ein »Universalmuseum« zu schaf­ tet, entwickelten die Museen seit Mitte des 19. Jhs. auch fen, wurde in Berlin auf der Museumsinsel unternommen ein Interesse an zeitgenössischer Kunst, für die man nun (ABB. 5). Mit Schinkels 1830 in der Nähe von Schloss und eigene Häuser errichtete. Die Neue Pinakothek in München Dom eröffnetemAlten Museum mit zentralem Weiheraum von 1853 ist das früheste Beispiel (KAT. 13). In Berlin hinge- und einer Abfolge von chronologisch und nach Schulen geordneten, visuell vereinheitlichen Schauräumen hatte sich der Idealismus ein Heiligtum seiner Kunstreligion er­ richtet (ABB. 6). Hier sollte die Betrachtung der antiken Kunst und der Alten Meister den Menschen sittlich ver­ edeln {Geschichte der bildenden Kunst, Bd. VI, KAT. 26). In Stülers 1857 eingeweihtem Neuen Museum war an die Stel­ le der Andacht vor der Kunst die Andacht vor den Kunst­ und Geschichtswissenschaften getreten, verdeutlicht im Bildungsprogramm von Kaulbachs Fresken im Treppen­ haus {Geschichte der bildenden Kunst, Bd. VI, KAT. 29). Die Leitgedanken von Kunst und Wissenschaft wurden mit der Nationalgalerie erstmals um den der Nation ergänzt (KAT. 17). Nirgendwo sonst in Deutschland wurden diese führenden Ideen des 19. Jhs. so anschaulich wie in den drei Museumsgebäuden der Berliner MuseumsinseL Ludwig I. und Klenze schufen - zeitgleich zu Schinkels Altem Mu­ seum- mit der Alten Pinakothek in München ein vorbild­ liches Museum Alter Meister (Geschichte der bildenden Kunst, Bd. VI, KAT. 25). Das komplexe Freskenprogramm von Cornelius führte hier die Geschichte der Kunst vor 5 Luftaufnahme der Museumsinsel Berlin, um 1925 194 KUNSTINSTITUTIONEN

dabei gerade nicht die Autonomie der ausgestellten Kunst­ werke, sondern der lebenspraktische Bezug zur Alltags­ welt betont. 10 Der jüngste Typ unter den Kunstmuseen war das Kunst­ gewerbemuseum, das im Zuge der bereits erwähnten Kunstgewerbebewegung entstand. Nach der- in Hinblick auf künstlerische Qualität- ernüchternden Bilanz auf der ersten Weltausstellung in London 1851 wurde im folgenden Jahr das South Kensington Museum in London gegründet. Diesem Beispiel eiferten in den 186oer Jahren die Museen in Wien, Berlin (KAT. 15}, Harnburg (KAT. 16} und Leipzig nach. In Deutschland gingen sie zunächst auf Privatinitia­ tiven bürgerlicher Vereine zurück, um dann - nach einer Zeit der Konsolidierung- in staatliche Führung überzuge• hen. Gegründet als Vorbildersammlungen für Handwerk und Industrie, konzentrierten sie sich auf angewandte Kunst aus vorindustrieller Zeit und auf zeitgenössisches Industriedesign, geordnet nach Materialgattungen, so dass Typenreihen gleichartiger Gegenstände entstanden.n Alle Museen des 19. Jhs. -unabhängig welchen Typs - 6 Carl Emanuel Conrad, Innenansicht der Rotunde im Alten Museum, waren grundsätzlich der Forderung nach historischer und um 183o,Aquarell wissenschaftlicher Aufklärung und Bildung verpflichtet. Stets lückenhaft, trachteten sie nach Vollständigkeit, min­ gen dauerte die äquivalente Einrichtung aufgrundder Dis­ destens aber nach Repräsentativität und Erweiterung. Das kussionen um die Vermittlung nationalen Gedankenguts enzyklopädische Sammeln geriet aber in ein Spannungs­ durch aktuelle Kunst bis in die 187oer Jahre (KAT. 17). In den verhältnis mit dem Anspruch auf Qualität. Vor allem ab Augen der Öffentlichkeit bürgte das Museum nun als an­ 1880 kritisierte die so genannte Museumsreformbewegung erkannte Fachinstitution für die ästhetische Qualität und die Fülle der Präsentation sowie das gleichförmige Erschei­ Tragfähigkeit aktueller Kunst. Die Museumskomplexe in nungsbild von Museums räumen, die jeder Vermittlungs­ München und Berlin wurden schließlich für alle späteren arbeit zuwiderliefen. An die Stelle systematischer Vollstän• Museumsgründungen in Deutschland des 19. Jhs. vorbild­ digkeit sollte eine strenge Auswahl der Exponate nach for­ lich. Neben der Pflege der fürstlichen Sammlungen in den malen Qualitätskriterien treten und gleichzeitig Depots und Residenzstädten entwickelte sich im Laufe des Jhs. auch Studiensammlungen eingerichtet werden; an die Stelle ein bemerkenswertes bürgerschaftliches Engagement beim einer einheitlichen Inszenierung die Differenzierung ein­ Aufbau von Kunstsammlungen und der Errichtung von Mu­ zelner Schauräume; an die Stelle raum- bzw. wandfüllen• seen, so etwa in Bremen (ABB. 7), Frankfurt (KAT. n), Hagen der Dichte die Isolation der einzelnen Werke voneinander. (KAT. 18), Harnburg (KAT. 5}, Köln (KAT. 14) oder Leipzig 9 Zum Ende des Jahrhunderts setzte sich ein ästhetischer Der etwas jüngere Typ des kulturhistorischen Museums, Modernismus durch, der Anregungen aus der Galerien­ das alle Zeugnisse vergangener Generationen sammelte, szene und der Secessionsbewegung aufnahm. Nach jahre­ kann in seiner Entstehung auf den Anspruch des Bürger• langen museumstheoretischen Diskussionen und dem Er­ tums zurückgeführt werden, seine eigene Geschichte jen­ scheinen einer richtungweisenden Denkschrift realisierte seits der feudalen Herrschaftsverhältnisse zu konstruieren. man die Reform erstmals im Kaiser-Friedrich-Museum in Den Anfang machte das in der Jahrhundertmitte entstan­ Berlin (KAT. 19). dene Germanische Nationalmuseum (KAT. 12), dessen Grün• dungsgeschichtenoch eng mit der Nationalbewegung von 1848 verbunden war. Die anhaltende Popularität kultur­ VERMITTLUNG VON KUNST historischer Museen, die später auch aufLänderebene ein­ gerichtet wurden, führte zu didaktischen Programmen mit Anregungen zu neuen Präsentationsstrategien von Kunst dem Ziel, auch die gesellschaftlichen Unterschichten in die erhielten die Museen auch durch temporäre Ausstellungen bürgerliche Gesellschaft zu integrieren. Diese Aufgabe spie­ (KAT. 23). Die Einrichtung regelmäßig wiederkehrender, aka­ gelte sich um 1900 in einer eigenen Bautypologie wider, demischer Salon-Ausstellungen in Paris im Jahre 1737 gilt als indem historische Nachbauten verschiedener Epochen col­ Ursprung der modernen Kunstausstellung. Seit den 182oer lageartig aneinandergefügt wurden, um die chronologische Jahren erweiterten die Kunstvereine das Angebot. Neue Abfolge eines historischen Ambientes anschaulich zu ma­ Ausstellungsmöglichkeiten boten die Künstlergenossen• chen. Im Gegensatz zum kunsthistorischen Museum wurde schaften, die seit der Einrichtung der Deutschen Kunstge- KUNSTINSTITUTIONEN 195

7 Johann Bremermann, Außenansicht der Kunsthalle Bremen, um 1849. Lithographie

nossenschaft 1856 den Akademien und Kunstvereinen Kon­ Absichten, Ausstellungsgebäude, -kataloge, -plakate etc. kurrenz machten. Mächtige Auswahlkommissionen regu­ wirkten nach außen; bekämpft oder unterstützt durch lierten die Zulassung zu vielbeachteten Präsentationen eine leidenschaftliche Kunstkritik in den Zeitungen. Doch und wirkten so auf den »Offiziellen« Kunstgeschmack ein. außer der Absicht, Qualität zu zeigen, gab es inhaltlich Die Genossenschaften verstanden sich zweckgerichtet als und stilistisch keine Vorgaben; die Pluralität des Gezeigten Schutz- und Ausstellungsver bände, um die Künstler ökono• ließ sich nicht unter dem Begriff einer »Secessionskunst« misch zu fördern. Ihre Ausstellungen traten entsprechend subsumieren. So waren sie vielmehr neue Ausstellungs­ in Erscheinung. indem viel Kunst dicht an dicht präsen• verbände, die sich gegen das alte System aufgelehnt hat­ tiert wurde. Große Ausstellungs- und Kunsthallen entstan­ ten, womit deutlich wird, dass Ausstellungsfragen eine den, darunter architektonische Wegmarken wie der Münch• Hauptrolle im Konflikt zwischen Tradition und Avantgar­ ner Glaspalast (KAT. 20), die der wachsenden Produktion de gespielt hatten.B Ihre Heterogenität führte bald zu von Bildern sowie der bürgerlichen Nachfrage ein Forum neuen Abspaltungen und Gruppierungen, so dass das boten.l2 19. Jh. in ein neues Jahrhundert der Avantgarden mündete. Machtkonzentration, kommerzielle Interessen und ein Eine Einbindung in starre Strukturen war den nachfol­ Regelwerk, das sich häufig nach Netzwerken dominanter genden Generationen suspekt; die Kurzlebigkeit ihrer Künstler richtete, riefen schließlich heftige Kritik hervor. Programme war der Preis für den Verzicht auf deren Insti­ In vielen europäischen Kunstzentren formierten sich fast tutionalisierung. So ist es nicht verwunderlich, dass das gleichzeitig Gruppierungen, die unter Protest die Künstler• 19. Jh. als das Jahrhundert der Kunstinstitutionen gilt verbände verließen. Die erste Secession avant la lettre war und im 20. Jh.- abgesehen von ephemeren, ortsunabhän• 1884 die Societe des Independants in Paris, in der sich die gigen Erscheinungen - keine grundlegend neuen hinzu­ Impressionisten gegen den Salon wandten. In Opposition kamen. zur vorherrschenden Ausstellungspolitik versuchten seit 1892 auch in Deutschland- zunächst in München (KAT. 21), später in Berlin (KAT. 22) und anderen Städten- die Seces­ 1 Lenman 1994- Mai/Paret 1993- Nipperdey 2000. sionen, die sich von den Künstlergenossenschaften abge­ 2 Gehlen 1964- Mansfield 2002-Rehberg 1994, 47-84- Schülein 1987- 3 Marr1999. spalten hatten, das etablierte Ausstellungswesen zu refor­ 4 Pevsner 1986-Ruppert 1998. mieren. Ihre Prinzipien waren Qualität statt Quantität, Elite 5 Ausst.Kat. Nürnberg. 2001- Rödiger-Diruf/Baumstark 1998. 6 Gerlach 1994- Romain 1984- Schmitz 2001. statt Mittelmaß, Internationalität statt lokaler >>Vettern­ 7 Bonus/Rente 1997- Drechsler 1996-Thurn 1994. wirtschaft«, optimale Präsentationskriterien, die die helle 8 Bennett 1995- Grasskamp 1981- Pearce 1992. Wand bevorzugten, die Bilder möglichst einreihig auf 9 Grasskamp 1989- Hochreiter 1994-Joachimides/Kurau!Vahrson/ Bemau 1995-Joachimides 2001-Krämer/John 1998-Plagemann 1967- Augenhöhe und Unterkante präsentierten, die Werke gut Sheeha 2002. beleuchteten sowie auf überflüssigen Raumschmuck ver­ 10 Joachimides 2001. 11 Joachimides 2001 - Mundt 1974. zichteten; Prinzipien, die später auch von Museen über• 12 Haskell2ooo- Hofmann 1988. 87-91- Koch 1967-Mai 1986. nommen wurden (KAT. 23). Statute manifestierten ihre 13 Best 2000-Teeuwisse 1986. 196 KUNSTINSTITUTIONEN

11 Kunstakademie Düsseldorf (gegr.1767)

Oskar Söhn, um 188o-1890 Fotografie, Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, Archiv

Die Düsseldorfer Kunstakademie ging aus der um 1762 durch Lambert Krahe begrün• deten Zeichenschule hervor und wurde 1773 als Kurfürstlich-Pfälzische Academie der Ma­ ler, Bildhauer- und Baukunst von Kurfürst Carl Theodor (geb.1724, reg.1742-1799) ein­ gerichtetinfolge der Napoleonischen Krie­ ge wurde die bedeutende kurfürstliche Bil­ dersammlung evakuiert und schließlich 1806 als Familienvermögen des Hauses Wit­ telsbach nach München gebracht. Im selben Jahr musste die kaum mehr lebensfähige Kunstakademie umsiedeln; ihr blieben nur noch Reste der Gemäldegalerie und die Sammlung Krahe. Erst 1819 beschloss die 1 Düsseldorf, Kunstakademie preußische Regierung eine Neueröffnung als Königlich-Preußische Kunstakademie zu 183oer Jahren der Begriff der sog. Düssel• 2 I Königliche Kunstgewerbeschule Düsseldorf. dorfer Malerschule, die schließlich über München (gegr. 1868) Erster Direktor wurde 1821 Peter von Corne­ den heimischen Kreis der Akademielehrer Anonym, um 1877. Fotografie (Lichthof) lius, der jedoch bereits 1824 nach München und -schülerhinaus reichte. Zahlreiche Ma­ ging. Ihm folgte, aus Berlin kommend, Wil­ ler aus Skandinavien, Russland oder den Spätestens die Londoner Weltausstellung helm von Schadow, unter dessen Ägide bis Vereinigten Staaten von Amerika kamen 1851 hatte den künstlerischen Tiefstand 1859 sich die Akademie zu einer Institution zur Ausbildung nach Düsseldorf, das für in Handwerk und Industrie Deutschlands von internationalem Rang entwickelte. Der einige Zeit zu einem wichtigen Zentrum deutlich vor Augen geführt. Nach einer in Aufbau eines ausgeklügelten Ausbildungs­ europäischer Kunst wurde. Durch den 1829 Bayern heftig geführten Diskussion um den systems, das auf dem Prinzip der Meister­ gegründeten Kunstvereinfür die Rheinlande Stellenwert des Kunstgewerbes erfolgte klasse beruhte, sollte bei den meisten euro­ und Westfalen (KAT. 7) stand der Akademie schließlich im Jahr 1868 die offizielle Grün• päischen Akademien Schule machen. Nach eine hervorragende Vermarktungsorgani­ dung der Königlichen Kunstgewerbeschule einer Grund- oder Elementarklasse, in der sation zur Seite, indem er die alljährlichen München. Sie integrierte zwei wichtige Vor­ die Schüler das Kopieren von Zeichnungen Ausstellungen sowie den Verkauf organi­ gängerinstitutionen: den Verein zur Aus­ und später das Abzeichnen von Abgüssen sierte. bildung der Gewerke und die Kunstschule von Teilen menschlicher Körper lernten, Als das alte Schloss, in dem die Akademie für Mädchen. Damit war ihre Einrichtung folgte die Vorbereitungsklasse. Hier arbei­ mit dem Kunstverein untergebracht war, im nationalen Vergleich eine frühe Initia­ teten die Schüler nach ganzen Gipsabgüs• 1872 abbrannte, wurde 1875 bis 1879 ein tive. Vorbild war die 1867 gegründete Wiener sen sowie nach der Natur. In der obersten Neubau im alten Sicherheitshafen nörd• Kunstgewerbeschule, die ihren Impuls aus Klasse führten die Studenten ihre eigenen lich der Altstadt nach Plänen von Hermann England erhalten hatte. Entwürfe aus und nahmen an der Arbeit Riffart errichtet. Durch den Aufstieg Mün• Unterrichtet wurde- im Gegensatz zu den ihres Meisters teil. Besonderst talentierte chens nach der Jahrhundertmitte zum Kunstakademien- nicht die freie, sondern Schüler konnten schließlich die Meister­ wichtigsten Künstlerausbildungszentrum die angewandte Kunst in allen Facetten. klasse besuchen. im deutschsprachigen Raum sowie mit dem Dem Verlust der Einheit von Entwurf und Wesentlich toleranter als Cornelius an der Verlust ihres starken Direktors Schadow Ausführung, die durch die arbeitsteilige, Münchner Akademie, ließ Schadow ver­ büßte die Düsseldorfer Akademie rasch ihre industrielle Produktweise entstanden war, schiedene Kunststile zu. So bevorzugte er hohe Bedeutung ein, die sie erst im 20. Jh. sollte entgegengewirkt werden, wobei die die Ölmalerei, schätzte das Arbeiten mit wieder erlangen sollte. BI Zielrichtung zwischen Förderung der Wirt­ der Farbe und förderte das Naturstudium. schaft und Erziehung zur Kunst schwank­ Pevsner 1986- Trier 1973- Speziell die Landschaftsmalerei, die als ei­ te. Die Blütezeit der Kunstgewerbeschulen gene Klasse 1836 mit der Berufung Wilhelm -so auch der Münchner- fällt zusammen Schirmers eingeführt wurde, aber auch das mit der Blütezeit des Historismus, in dem Genre genossen einen hervorragenden Ruf. Muster und Vorbilder früherer Zeiten der Mit der Akademie verband sich seit den ästhetischen Erziehung dienten. Das Kopie- KUNSTINSTITUTIONEN 197 renvon Vorlagen sowie eine intensive Aus­ dertwende erhielt die Bezeichnung Kunst­ hann Peter von Langer. Ihm folgte 1824 Peter einandersetzung mit Material und Herstel­ gewerbe allmählich einen negativen Bei­ von Comelius, der durch seine Bevorzugung lungstechniken standen im Vordergrund geschmack. Auch dem 1913 nachfolgenden der monumentalen Historien- wie Fresken­ der Ausbildung. Direktor Richard Riemerschmid, der ra­ malerei die Akademie entscheidend prägen Während die Kunstgewerbeschulen in der dikale Reformen plante, gelang es nicht, sollte. Regel eng verknüpft mit entsprechenden sich gegen die konservative Grundgesin­ Von Beginn an waren Klassen für Malerei, Kunstgewerbemuseen waren, war die Situa­ nung des Lehrkörpers durchzusetzen. Die Bildhauerei, Architektur und Kupferstecher­ tion in München eine andere. Die Schule Münchner Kunstgewerbeschule, die ver­ kunst vorgesehen. Neben ihrer Rolle als besaß zwar eine Lehrsammlung, die sich geblich versuchte, ein neues Image zu ent­ Lehranstalt fungierte die Akademie auch jedoch nie zu einem eigenständigen Mu­ wickeln, wurde schließlich 1946 in die als Künstlergesellschaft, die Hof und Staat seum entwickelte, was an der Existenz des Münchner Kunstakademie integriert. BJ in kulturellen Angelegenheiten beraten Bayerischen Nationalmuseums gelegen ha­ und unterstützen sollte. Durch den Bedeu­ Festschrift Kunstgewerbeschule 1877- ben mag, in dessen Zentrum die kunstge­ Schmalhafer 2005. tungsverlust der Düsseldorfer (KAT. 1) fiel werbliche Sammlung der Wittelsbacher der Münchner Akademie kurz nach der stand. Bereits 1872 ermöglichte die Kunstge­ Jahrhundertmitte die führende Rolle unter werbeschule eine erste staatlich anerkannte den deutschen Kunsthochschulen zu; un­ Ausbildung für Frauen, die dann ein Drittel 3 I Königliche Akademie der Bildenden ter dem Direktorat der Maler Wilhelm von der Studierenden ausmachten. Insbeson­ Künste München (gegr. 1808) Kaulbach (ab 1849) und Kar! von Piloty (ab dere ihre Ausbildung als Zeichenlehrerin­ 1874) wurde sie neben der Pariser Akade­ August Mandllek (1860-um 1920), Skizzen nen ist als Fortschritt hervorzuheben. mie zur wichtigsten Ausbildungsinstitution von der Münchner Kunstakademie, um 188o, Der Studienplan und die Prüfungsordnung Xylographie, Akademie der Bildenden Künste Europas: Von Skandinavien über das Balti­ mit Fächern wie Methodik, Didaktik und München, Archiv und Sammlungen kum und Russland bis nach Rumänien und praktischer Lehrsimulation erwiesen sich TAFELS. 94 Griechenland zog sie ihre Studenten an, als einzigartig in Deutschland. Vor allem aber auch Maler aus den Vereinigten Staa­ unter dem Direktor Ernil von Lange wurden Bereits vor der offiziellen Gründung im ten bevorzugten nun München gegenüber maßgebliche Weichen gestellt, so wurde Jahre 1808 existierte in München eine Zei­ Düsseldorf. Vor allem für polnische, tsche­ die »Weibliche Abteilung« eingegliedert, der chenschule, die seit 1770 als Akademie von chische und ungarische Künstler war Mün• programmatische Neubau im Neorenais­ Kurfürst Maximilian lii. Joseph (geb. 1727, chen die bedeutendste Ausbildungsstätte sancestil 1877 eingeweiht und vor allem reg. 1745-1777) unterstützt worden war. im 19. Jh. Um die Jahrhundertwende lehr­ die nationale und internationale Reputa­ Nach langen Auseinandersetzungen um ten hier Franz von Defregger, Kar! von Marr, tion der Institution gestärkt. Aufgrund des eine »Verbesserung der Kunstschulen in den Franz von Stuck (KAT. 275, 345), Heinrich konservativen Verständnisses von Langes churpfalz-bayerischen Staaten« um 18oo er­ von Zügel sowie der Bildhauer Adolf von konnte sich die Kunstgewerbeschule jedoch ließ MaxI. Joseph (geb.1756, reg.18o6-1825) Hildebrand (KAT. 74, 75, 90). nur schwer von der im Historismus ge­ schließlich am 13. Mai 1808 die Konstitution Besonders das spätere Ansehen ihrer Stu­ wonnenen Position distanzieren und ein der Königlichen Akademie der Bildenden denten macht Münchens Vorrangstellung zeitgemäßes Profil entwickeln. Mit der Eta­ Künste. Erster Direktor wurde der vormalige um die Jahrhundertwende anschaulich: Zu blierung des Jugendstils um die Jahrhun- Leiter der Düsseldorfer Kunstakademie, Jo- ihnen zählten Lovis Corinth (KAT. 344, 356, 357), Otto Mueller, Giorgio de Chirico, Was­ sily Kandinsky, Altred Kubin, Christian Schad, Alexander Kanoldt, Paul Klee, Franz Mare, Josef Albers, Richard Riemerschmid (vgl. KAT. 290, 291) und Bruno Paul. Sie mar­ kieren zusammen mit ihren Lehrern einen weiteren Höhepunkt der Münchner Aka­ demiegeschichte zu einer Zeit, in derBer­ lin als konkurrierender Kunstmarkt und Akademiestandort an Bedeutung gewann. Nach dem Ersten Weltkrieg büßte die Aka­ demie ihre Bedeutung ein. Statt internatio­ naler Offenheit sorgte nun nationalistische Engstirnigkeit für die Provinzialisierung der einstigen Kunstmetropole Mitteleuropas. 2 München, Im Rahmen der nationalsozialistischen Kul­ Königliche Kunstgewerbe­ turpolitik nahm die Akademie schließlich schule eine bevorzugte Stellung ein.ln den Nach- 198 KUNSTI NSTITUTIONEN

kriegsjahrenfiel es der Münchner deutlich vatschulen und -ateliers. Die bekannteste hinaus Anatomie und Perspektive. Malen schwerer als anderen westdeutschen Aka­ unter ihnen gründete der Slowene und Aka­ in der freien Natur war wichtiger Bestand­ demien, sich von ihrer nationalsozialisti­ demieabsolvent Anton Azbe 1891 in Schwa­ teil der Ausbildung. Er brachte seinen Schü• schen Prägung zu lösen und zu einer in­ hing, in der er zeitweilig etwa 100 Schüler lern ein besonderes Gefühl für Farbwerte zwischen internationalen Modeme aufzu- zugleich unterrichtete. Sein Ruf als hervor­ bei und ermutigte sie, die reinen Farben mit schließen. BJ ragender Pädagoge und großzügiger Lehrer breitem Pinsel pastos zu verarbeiten, so dass führte dazu, dass seine Schule Magnet für sie eine frische und spontane Wirkung er­ Stieler 1909-Pevsner 1986 - Zacharias 1985- Maler aus der ganzen Welt und somit eine zielten. In der Theorie vertrat er zwei Prin­ Ruppert 1998. internationale Begegnungsstätte wurde. zipien, das der sog. >> Farbkristallation«, bei Azbe hatte in dem Polen J6zef von Brandt dem die Farben ungemischt auf die Lein­ und dem Ungarn Sirnon Holl6sy wichtige wand aufgetragen wurden, und das sog. 4 I Die private Malschule von Anton Azbe, Vorläufer, die in den 186oer bzw. 188oer >>Kugelprinzip«, das die Kugel als geome­ München (gegr. 1891) Jahren eine große Anzahl von Schülern um trische Grundform der Darstellung von al­ sich scharten. Während die Akademie in lem Plastischen zugrunde legte. Beide Prin­ Ludvik Kuba (1863-1956), 1900 München (KAT. 3) immer noch den Unter­ zipien offenbarten sein dem Positivismus Öl auf Leinwand, 46 x 40 cm, Hradec Kralove, des 19. Jhs. fernes, modernes Verständnis Krajskagalerie, Inv. Nr. KG HK 0306 richt in Landschafts- und Genremalerei zu­ gunsten der Historienmalerei vernachläs• der Naturnachahmung. So kann Anton Ai­ Ein Anzeichen für den Machtverlust der gro­ sigte, boten die Privatschulen die Ausbil­ be als geistiger Mentor einer bedeutsamen ßen öffentlichen Ausbildungsinstitutionen dung in diesen auf dem Kunstmarkt stark Epoche gelten, die in kurzer Folge den Rea­ war die Ausbreitung von Privatschulen in nachgefragten Kunstgattungen Brandt und lismus durch den Impressionismus und der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Sie boten vor allem Holl6sy lehnten die Münchner den Expressionismus ablöste. Zu seinen ihren Schülern eine modernere, den aktu­ Kunstakademie als Lehrinstitut weitgehend Schülern zählten bedeutende Maler der ellen Strömungen angepasste Ausbildung. ab, AZbe hingegen unterhielt-trotz anderer Avantgarde wie !gor Grabar, Hans Hof­ Zum Ende des Jahrhunderts besaßen diese Ansichten zur Unterrichtsmethode - rela­ mann, Alexej Jawlensky oder Wassily privaten Ausbildungsstätten bisweilen eine tiv engen Kontakt mit ihr und wurde von Kandinsky. Mit Azbes frühem Tod 1905 größere Anziehungskraft als die staatlichen ihr im Gegenzug anerkannt. Jedem einzel­ wurde die wohl bekannteste private Mal- Akademien. Vor allem in München - ver­ nen Schüler sollte eine persönliche künst• schule Deutschlands geschlossen. BJ gleichbar mit der Situation in Paris-bot sich lerische Entfaltung ermöglicht werden. Er Weiss 1979 - Ambrozic 1988. eine ganze Reihe von Möglichkeiten der pri­ nahm Männer wie Frauen in seine ganztä­ vat organisierten Künstlerausbildung. Um gig geöffnete Schule auf. die Jahrhundertwende zählte man in der Der Lehrplan Azbes sah Zeichnen und Ma­ bayerischen Hauptstadt einige Dutzend Pri- len nach dem lebenden Modell vor, darüber 5 I Kunstverein (gegr. 1822) und Kunst­ halle (gegr. 1869 ), Harnburg

Hans von Bartels, Permanente Ausstellung des Kunstvereins in Hamburg, 1884, Aquarell, Hamburg, Kunstverein

In Städten, die weder über eine Akademie noch einen fürstlichen Protektor verfüg• ten, kam es früh zur Gründung von Kunst­ vereinen. Gerade in klassischen deutschen Handelszentren wie Bremen, Hamburg, Köln oder Leipzig dominierte von Beginn an das Wirtschaftsbürgertum. Der Harnbur­ ger Kunstverein zählte dabei zu den ersten seiner Art. Bereits 1817 fanden wöchentliche Konversationsabende statt, deren Teilneh­ mer schließlich 1822 einen Verein gründe• ten. Zunächst ging es ihnen um die gesel­ lige Kunstbetrachtung im kleinen Kreis, ab 1826 auch um das Ausstellen von Werken >>vaterländischer« Künstler. In Ermangelung einer Gemäldesammlung in Harnburg be­ 4 Ludvik Kuba, Die private Malschule von gannen sie 1836, eine solche durch Kauf Anten Azbe und Schenkungen anzulegen. Als sie sich KUNSTINSTITUTIONEN 199

August 1869 die Eröffnung auf dem vom Quaglio, Peter von Heß, Joseph Kar] Stieler Senat gestifteten Grundstück inmitten der und Friedrich von Gärtner - Genre- und Wallanlagen auf einem Hügel mit Aussicht Landschaftsmaler, die sich 1823 zusam­ auf die beiden Alsterbecken. Der von außen menschlossen. im Kern als einfacher Quader auf einem Durch die Eintritte von adeligen, beamte­ Sockel stehende Bau erhielt eines der um­ ten und bürgerlichen Kunstinteressierten fangreichsten Bildprogramme in der Ge­ verwandelte sich die Vereinigung schnell schichte des Museums, das den bedeutend­ in einen Kunstverein. Sein Anliegen war sten Künstlern huldigte. die Vermarktung zeitgenössischer Kunst Der 1886 eingesetzte, reformerisch gesinnte sowie die Befreiung von einer als überholt Direktor Altred Lichtwark setzte die Samm­ erkannten, akademischen Linie im Münch• lungstätigkeit des heute kaum noch bekann­ ner Kunstleben. Nun sollte endlich auch ten Kunsthändlers, Sammlers und Unter­ Künstlern eine Absatzmöglichkeit geboten stützers der Kunsthalle, Georg Ernst Harzen, werden, die sich nicht der historischen Mo­ fort, so dass eine systematisch aufgebaute numentalmalerei widmeten, sondern mit Sammlung entstand; Kunsthalle und Kunst­ den auf der Kunstakademie nicht vertrete­ 5 Hans von Bartels, Permanente Ausstellung verein trennten sich institutionell. Die Ham­ nen Gattungen der Landschafts-und Genre­ des Kunstvereins burger Kunsthalle wurde 1921 und 1995 malerei eine immer größer werdende Kund­ durch Anbauten erweitert. BJ schaft bedienten. Dennoch ist der Kunst­ 1848 mit dem parallel bestehenden Verlo­ verein nicht als reine Konkurrenz, sondern Hude!Schirrmacher 1868-Plagemann 1967- sungsverein zusammenschlossen, gaben sie Grasskamp 1989, 14-26- Schmitz 2001- eher als Ergänzung zur Akademie zu se­ sich den Namen Kunstverein in Hamburg. Sheehan 2002. hen. Trotz anfänglicher Skepsis des Königs Ziel dieses Vereins war die Gründung einer wurde er durch den Kronprinzen Ludwig öffentlichen Gemäldesammlung. Bereits (1786-1868, reg. 1825-1848), den Galerie­ 1850 konnte die städtische Galerie in den 61 Kunstverein München (gegr.1823) direktor Johann Christian von Mannlieh Neuen Börsenarkaden eröffnet werden. und später auch durch den Akademie­ Georg Pettendorfer (1858-1945), 1815, Zwei Jahre später wurde eine permanente direktor Peter von Cornelius anerkannt. Fotografie, Stadtarchiv München Verkaufsausstellung für zeitgenössische Der Kunstverein München gehört zu den Kunst eingerichtet, die bis Ende des 19. Jhs. In den Akademiestädten gingen die ersten frühesten und wichtigsten seiner Art und Bestand haben sollte. Initiativen zu Kunstvereinsgründungen wurde aufgrund seiner umfassenden Tä• In den 186oer Jahren kam es zur spektaku­ meist von der Künstlerschaft aus, sei es tigkeit und seiner Größe Vorbild für die lärsten und weitest reichenden Aktivität des von Seiten der etablierten Akademiker, meisten nachfolgenden Kunstvereine in Kunstvereins: zur Gründung der Kunsthal­ sei es gerade in Opposition zur Akade­ Deutschland. Man konzentrierte sich an­ le. Ähnlich den eigens zu diesem Zwecke mie durch die freien Künstler. In München fangs auf die kostenlosen, frei zugänglichen, gebildeten Museumsvereinen - etwa in waren es - unter Leitung von Domenico permanenten Wochenausstellungen ohne Düsseldorf, Hannover oder Köln - war der Hamburger Kunstverein aufgrund seines sammlerischen Eifers entscheidender Im­ pulsgeber für die Einrichtung eines öffent• lichen Museums und übernahm damit die Aufgabe einer bis dato fehlenden kommu­ nalen Kunstpflege. Wichtigstes Vorbild für Harnburg war der Bremer Kunstverein, der aus dem Beitragsaufkommen seiner Mit­ glieder bereits ab 1845 das erste, nicht von einem Fürsten getragene deutsche Kunst­ museum errichtete. Mit diesem frühen Bei­ spiel konnte der Verein bei den Hamburger Bürgern sowie beim Senat patriotischen Ehrgeiz entfachen und ein ähnliches Pro­ jekt initiieren. Die Ausschreibung gewannen die jungen Architekten Hermann von der Hude und Georg Theodor Schirrmacher. Im Dezember 1863 erfolgte die Grundsteinlegung und im 6 Außenansicht Kunstverein München 200 KUNSTINSTITUTIONEN

Reglementierung und Programm, den Er­ 7 Festsaal des Düssel ­ dorfer Kün stlervereins werb von Kunstwerken durch den Verein, Malkasten die jährlichen Verlosungen der Kunstwerke an die Mitglieder sowie die Verteilung von graphischen Jahres gaben. Finanziert wur­ den die Aktivitäten durch den Verkauf von Aktien an die Vereinsmitglieder, wobei der Münchner Kunstverein mit zwölf Gulden Jahresbeitrag zu den teuersten in Deutsch­ land zählte. Erst mit der Gründung der Münchner Künstlergenossenschajt, ein Aus­ stellungs- und Berufsverband der bildenden Künstler, der seit Mitte des Jhs. für die Jahres­ ausstellungen Münchens zuständig war, erfuhr der erfolgreiche Kunstverein ernst zu nehmende Konkurrenz. Zunächst in privaten Vereinslokalen, dann das Ziel des Vereins nicht allein die Förde• nahmen sie diesen Moment zum Anlass, in den ehemaligen Galerieräumen in den rung der zeitgenössischen Kunst, sondern sich zu einer Vereinigung zusammenzu­ Hofgartenarkaden untergebracht, erhielt darüber hinaus-im Gegensatz zum Münch• schließen, die sie Malkasten nannten. Zu der Kunstverein erst 1865/66 ein eigenes Ge­ ner Kunstverein (KAT. 6) - die Förderung den 112 Gründungsmitgliedern des Vereins bäude im Nordosten des Münchner Hof­ der Kunstakademie. Den Lehrern und Ab­ zählten viele Akademieprofessoren, aber gartens, das nach Plänen des Hofbauin­ solventen sollte ein Markt geboten werden, auch zahlreiche freie Künstler. Laut Sta­ tendantenrats Eduard Riede! erbaut und auf dem sie ihre Werke präsentieren und tuten verstand sich diese Gesellschaft als 18go durch Friedrich von Thiersch umge­ verkaufen konnten. »Verein für geselliges Künstlerleben« ohne baut wurde. Nach der Jahrhundertwende Neben jährlichen Ausstellungen und der ausdrückliche künstlerische oder gesell­ führten ein drastischer Mitgliederrück­ Vergabe von Reisestipendien gab es Ver­ schaftspolitische Ziele. Höhepunkte ihrer gang, die Abkehr von der zeitgenössischen losungen von angekauften Kunstwerken Zusammenkünfte waren Festumzüge, Kar­ Kunst mit kunsthistorisch orientierten Pro­ unter den Mitgliedern, die der aufblühen­ nevalsredouten und das jährlich im Spät• gramm-Ausstellungen und der Verlust der den Schadow-Schule den Absatz sicherten, sommer stattfindende Stiftungsfest. Unabhängigkeit zum gravierenden Bedeu­ sowie die Stiftung von großformatigen 1867 konnte ein eigenes Vereinshaus mit tungsrückgang des Kunstvereins, der zu­ Wandmalereien und Denkmälern für Mu­ großem, historistisch ausgestatteten Fest­ dem im Zweiten Weltkrieg sein Gebäude seen und den öffentlichen Raum. Die Mit­ saal eingeweiht werden, das nun Raum verlor. BI glieder waren vor allem Förderer und und Hintergrund für die phantasievollen Sammler der Düsseldorfer Malerschule (vgl. Künstlerfeste bot, die über die Grenzen Langenstein 1983 - Schmitz 2001. KAT. 1), vorrangig Bürger, Beamte, Militärs Düsseldorfs hinaus bekannt wurden. Der oder Adelige, weniger die bildenden Künst• bis heute bestehende Künstlerverein Mal­ ler se!bst.1881 wurde aufinitiative der Düs• kasten ist neben dem 1841 gegründeten 7 I Kunstverein für die Rheinlande und seldorfer Künstler die KunsthaJ!e, ein mäch• Verein Berliner Künstler eine der ältesten Westfalen (gegr. 1829) und Künstlerverein tiges, neobarockes Gebäude, fertig gestellt, und traditionsreichsten Künstlergesell-

Malkasten (gegr. 1848}, Düsseldorf das nun ausreichend Platz für die Ausstel­ schatten. BJ lungen und Versammlungen des Kunstver­ Wilhelrn Otto (1868-1950), Festsaal des Schmitz 2001 - Künstler- Verein Malkasten eins bot. Um 1900 zählte dieser fast 14 ooo Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten, 1998-Biedermann 2001-Schroyen 2001- 1898, Lichtdruck nach einer Fotografie, Mitglieder und hatte sich zu einer kultur­ Grasskamp 2004, 22-35. Düsseldorf, Archiv des Künstlervereins politisch außerordentlich starken Organi­ Malkasten, Inv.Nr. D-KVM 1898-3646 sation entwickelt. Noch bis in die 1g6oer Jahre war er alleinige Ausstellungsinstitu­ 8 I Verein der Künstlerinnen und 1829, drei Jahre nach seiner Ankunft in Düs• tion in Düsseldorf. Kunstfreundinnen in Berlin (gegr. 1867} seldorf, gründete der aus Berlin stammende Knapp zwanzig Jahre nach der Initiierung Anna von Wahl (geb.1861), Plakat zur Direktor der Kunstakademie Wilhelm von des Kunstvereins gründete die Künstler• 16. Vereinsausstellung des Vereins der Schadow den Kunstverein für die Rheinlande schaft einen weiteren Verein, der jedoch Berliner Künstlerinnen, 1898, Farblitho­ und Westfalen. Bis 1872 hatten dieser und nicht auf Ausstellungen und Vermarktung graphie, 70 x 48 cm, Kunsthalle Bremen die Akademie gemeinsam ihren Sitz im zielte. Als Düsseldorfer Künstler im Zusam­ TAFELS. 95 Düsseldorfer Schloss, wodurch die Aktivi­ menhang mit den politischen Wirren im täten beider Institutionen in Personal- und Revolutionsjahr 1848 für die Ausgestaltung Frauen waren in der Regel weder zu Kunst­ Lokalunion stattfanden. Entsprechend war des Festes der deutschen Einheit sorgten, vereinen noch zu Akademien des 19. Jhs. KUNSTINSTITUTIONEN 201 als Mitglieder zugelassen. Selbst als außer• Slavona, Käthe Keilwitz (KAT. 141, 329) oder ruhe, Cronberg bei Frankfurt oder Ditters­ ordentliche Mitglieder in Kunstvereinen Paula Modersohn-Eecker (KAT. 353). Das bach bei Dresden - lag bei hatten sie- meist als wirtschaftlich selbst­ von Anna von Wahl gestaltete Plakat zur Bremen fernab der großen Künstlerausbil• ständige, unverheiratete Frauen oder Wit­ 16. Vereinsausstellung 1898 zeugt vom dungszentren. Hier waren die Künstler, die wen-bis in das 20. Jh. hinein kein Stimm­ selbstbewussten Auftreten der organisier­ sich nach Studien in Düsseldorf, München recht. Sie konnten sich nicht- über ein auto­ ten Künstlerinnen. Gemeinsam mit dem oder Karlsruhe dorthin zurückgezogen hat­ didaktisches Lernen oder eine kostspielige Münchner Verein (KAT. 6) bestimmten die ten, auf sich selbst gestellt. Enttäuscht vom Privatausbildung hinaus-professionell und Berliner später maßgeblich die Geschicke lebensfremden Atelierbetrieb und dem systematisch zur Künstlerin ausbilden las­ des ersten Dachverbandes Bund deutscher »hohlen Pathos«, der an den Akademien sen. Auch in Berlin wurden Frauen nicht vor und österreichischer Künstlerinnenvereine, gelehrt wurde, fanden sie in der Natur ihre 1919 an der Akademie zugelassen. So ent­ der 1908 gegründet wurde. Die Nachfol­ Lehrmeisterin.1884 hatte der Düsseldorfer schlossen sie sich, eigene Vereine zu grün­ georganisation des Berliner Vereins der Kunststudent diese Ge ­ den, die sowohl Kunst- wie auch Künstle• Künstlerinnen und Kunstfreundinnen exi­ gend zufällig entdeckt und konnte 1889 sei­ rinnenvereine sein konnten und zumeist stiert bis heute. BJ ne Studienfreunde und eine Kunstschule integrierten. Diese Auf­ Hans am Ende überzeugen, dauerhaft zu Müller!Merkert 1992- Schmitz 2001- gaben erfüllte der 1867 ins Leben gerufene Matz2ooo. bleiben und eine Warpsweder Malerverei­ Verein der Künstlerinnen und Kunstfreun­ nigung zu gründen. dinnen in Berlin, der durch seine hohen Mit ihrer lyrischen Landschaftsauffassung Mitgliedszahlen und seine vielfältigen Ak­ hatten die »Worpsweder«- inzwischen um tivitäten bald zu den führenden Frauen­ 91Künstlerkolonie Worpswede (gegr. 1889) , Carl Vinnen und Heinrich verbänden im Kunstkontext zählte. Vogeler verstärkt- seit ihrem Durchbruch Heinrich Vogeler (1872-1942), Sommerabend Die Ziele des Berliner Vereins waren soziale in der Bremer Kunsthalle und anschließend auf dem Barkenhoff, 1905, Öl auf Leinwand, Absicherung, eine professionelle, künstle­ im Münchner Glaspalast 1895 enormen Er­ 175 x 306 cm, Osterholz rische Aus- und Weiterbildung, gesellschaft­ folg. Ihre stimmungsvollen Landschaften TAFELS. 97 liche Anerkennung und Vermarktung, dafür trafen den Nerv eines städtischen Kunst­ geeignete Maßnahmen die Einrichtung ei­ Privat initiierte Künstlergruppen entstan­ publikums, das alsbald selbst nach Worps­ ner Kranken-, Pensions-, Darlehens- und den im Lauf der Geschichte stets dann, wenn wede pilgerte. Immer mehr Maler wurden Unterstützungskasse, eine eigene Malschu­ sich institutionelle Ordnungen auflösten. auf das Dorf im Teufelsmoor aufmerksam, le, ein Zeichenlehrerinnenseminar, Jahres­ So bildeten sich die ersten Künstlergemein­ darunter auch Frauen, denen der Zugang zu ausstellungen mit internationalem Cha­ schaften Anfang des 19. Jhs. mit dem Ende den Akademien noch verwehrt war. Allen rakter, Hilfsmaßnahmen wie Verlosungen, der Zünfte. Für das letzte Drittel des 19. Jhs. voran ist Paula Becker zu nennen, die heu­ Wettbewerbe oder Stipendien und nicht ist die Griindung von zahlreichen, ländlichen te mit ihren unsentimentalen und auf das zuletzt die starke Einbindung von Ehren­ Künstlerkolonien in ganz Europa sympto­ Elementare reduzierten Menschendarstel­ mitgliedern sowie das königliche Protek­ matisch für den Bedeutungsverlust der Aka­ lungen als bedeutende Wegbereiterin der torat. Als erster deutscher Berufsverband demien.ln Reaktion auf die Griinderzeit ent­ Moderne gilt. BJ bildender Künstlerinnen, der mit Hilfe fi­ wickelten städtische Künstler ihre Idee von Kirsch 1987 - Düring 1991 - Ausst. Kat. nanzkräftiger und einflussreicher Damen der Erneuerung der als dekadent empfunde­ Worpswerde!Domstadt!Hamm, 1997- und Herren ins Leben gerufen wurde, woll­ nen Gesellschaft durch die Rückbesinnung Rödiger-Diruf!Baumstark 1998-Pese 2001. te er auf allen Ebenen die Randposition von auf die unverfälschte Natur, auf natürliche Künstlerinnen im 19. Jh. beenden. Er war der Lebens- und Arbeitsformen oder die Tradi­ Prototyp, dem weitere in anderen Städten tionen des bäuerlichen Brauchtums. Die in 10 I Künstlerkolonie Darmstadt Deutschlands folgten, so der Künstlerinnen• Deutschland entstandenen Künstlergrup• (gegr.1899) verein München 1882, der Malerinnenverein pen orientierten sich meist an der ersten Eröffnung der Künstlerkolonie-Ausstellung Karlsruhe 1893 oder der Bremer Malerinnen­ Künstlergemeinschaft dieser Art in Barbi­ in Darmstadt am 15-5-1901, Fotografie, verein 1899. zen bei Paris, wo sich bereits in den 183oer Darmstadt, Museum Künstlerkolonie, Durch diese Zusammenschlüsse sicherten Jahren naturbegeisterte Künstler zusam­ Inv. Nr. 140 KH sich die Künstlerinnen einen ihnen zuvor mengefunden hatten. Durch Freilichtma­ nicht anerkannten Status und erschlossen lerei und eine subjektive Annäherung an Die Darmstädter Künstlerkolonie von 1899 sich das Berufsfeld der Künste, indem sie die Natur entwickelte sich ein neuartiger ist- als mäzenaUsehe Gründung- das Ge­ sich erstmals nicht einzeln, sondern ge­ Typus der Landschaftsmalerei. genmodell zu den zahlreichen ländlichen, meinsam und übergreifend organisierten. Als bekannteste Künstlerkolonie in Deutsch­ von individuellen Künstlern ins Leben ge­ Um 1900, in der Hochzeit der Berliner Zei­ land gilt die Worpsweder. Während die mei­ rufenen Künstlergemeinschaften. Großher­ chen- und Malschule, wurden etwa 400 sten Gemeinschaften in Vororten von Aka­ zog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein Schülerinnen unterrichtet, unter ihnen demiestädten entstanden - Dachau und (1868-1937, reg. 1892-1918) war Initiator Künstlerinnen wie Clara Siewert, Maria Murnau bei München, Grützingen bei Karls- dieser Lebens- und Arbeitsgemeinschaft 202 KUNSTINSTITUTIONEN

11 I Städeisches Kunstinstitut, Frankfurt (gegr. 1817)

J. Bamberger, Saal mit Gipsabgüssen, 1875, Fotografie, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut

Das Städelsche Kunstinstitut, das sich so­ wohl der Künstlerausbildung als auch der Sammlung von Kunst widmet, kann als Prototyp einer bürgerlichen Stiftung ange­ sehen werden. Bereits während der Fran­ zösischen Revolution verfasste der Kauf­ mann und Bankier Johann Friedrich Städel (1728-1816) ein Testament, in dem er sein Vermögen - darunter auch eine Kunst­ sammlung - zur Gründung des Städelschen Kunstinstituts bereit stellte. 1817, ein Jahr nach seinem Tod, nahm die Stiftung ihre 10 Eröffnung der Künstlerkolonie-Ausstellung in Darmstadt Arbeit auf. Sie vergab Stipendien, richtete den Unterricht für elementares und archi­ auf dem Gelände der sog. Mathildenhöhe, 1901 unter dem Titel Ein Dokument deut­ tektonisches Zeichnen ein und machte die die untrennbar mit seinem Namen verbun­ scher Kunst mit einer feierlichen und sym­ Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich. den bleibt. 1898 hatte er die ersten sieben bolreichen Zeremonie eingeweiht, die man Wegen eines langwierigen Rechtsstreits Maler, Bildhauer, Architekten wie Kunst­ als »erstes großes Fest im Geiste moderner um das Städelsche Testament erfolgte erst gewerbler verpflichtet, drei Jahre lang in Ästhetik« bezeichnete. Idee und Inszenie­ 1824 die Berufung des Leiters der Architek­ Darmstadt tätig zu sein, und ihnen ermög• rung stammten von Peter Behrens. Neben turklasse; fünf Jahre später konnten auch licht, frei von materiellen Sorgen künstle­ den acht individuellen Künstler- und Pri­ die Klassenleitung für Bildhauerei und risch zu arbeiten. vathäusern waren eine Reihe temporärer Malerei besetzt werden. Ziel des Großherzogs war es, Kunst und Bauten wie das Haus für Flächenkunst, ein Die Berufung des Nazareners Philipp Veit Handwerk in seinem Land von Grund auf zu Blumenhaus oder ein Restaurant entstan­ im Jahre 1830 als »Vorsteher der Malschule reformieren, sie unter gemeinsamen Stil­ den. Das nach dem Großherzog benannte, und Direktor der Galerie« bedeutete einen vorstellungen zu verbinden und einen re­ klar und funktional gestaltete Ernst-Lud­ Neubeginn für Frankfurt, obwohl der Zenit gionalen wirtschaftlichen Aufschwung zu wig-Haus diente als Ateliergebäude mit gro­ der Nazarener bereits überschritten war. erreichen. Die noch immer weit verbreitete ßem Empfangsraum. Die weiß verputzte, Sein Ziel war es, die führende Kunstakade­ Orientierung an früheren Epochen sollte 55 m breite Wandfläche wird dominiert mie in Düsseldorf (vgl. KAT. 1) durch Qua­ überwunden und unter dem Vorzeichen von einem schmuckreichen Mittelportal in lität statt Quantität in der Künstlerausbil• des Jugendstils neue Wege in Architektur, Omega-Form, dem die beiden Kolossalsta­ dung zu übertreffen. Sein umfangreichstes Innenausstattung, Kunst und Kunsthand­ tuen von Mann und Frau bzw. Kraft und und reifstes Werk schuf er für das 1832 ein­ werk, ja in der alltäglichen Lebensgestal­ Schönheit des Bildhauers Ludwig Habich geweihte Gebäude an der Neuen Mainzer tung schlechthin eingeschlagen werden. In vorstehen. Straße: das Wandbildprograrnrn Die Einfüh• der Rekordzeit von eineinhalb Jahren gelang Mit der Ausstellung wurden erstmals bei­ rung der Künste in Deutschland durch das es den Künstlern unter Leitung von Joseph spielhafte Entwürfe einerneuen Wohnkul­ Christentum, das sich einerseits auf die aus­ Maria Olbrich, acht Privathäuser auf der tur der Öffentlichkeit zugänglich. Sie wur­ gestellten Kunstwerke bezog und anderer­ Mathildenhöhe zu erbauen und vom Keller den mit großer Begeisterung aufgenom­ seits die nazarenische Kunsttheorie als eine bis zum Dachboden individuell künstle­ men, und es dauerte nicht lange, bis der »Ideengeschichte« der Kunst von ihrer my­ risch auszugestalten (KAT. 297, 298). Unter­ Künstlerkolonie internationale Anerken­ thischen Entstehung bis zur Gegenwart vor­ stützung fand das großherzogliche Projekt nung zuteil wurde und Darmstadt neben stellte. 1840 wurde Johann David Passa­ durch den Darmstädter Verleger Alexander Paris, Wien und Glasgow zu einem der Zen­ vant für zwei Jahrzehnte Inspektor, wobei Koch, der seine publizistischen Möglichkei­ tren der europäischen Jugendstilbewegung seine Kennerschaft zu einer Reihe von ten zu nutzen wusste und in der von ihm um 1900 avancierte. Die Kolonie bestand bis glanzvollen Erwerbungen für die Sarnrn­ herausgegebenen Zeitschriftenreihe Innen­ zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. lung führte. Dekoration wiederholt für die Arbeiten der BJ Das liberale Klima an der Städelschule zog Koloniekünstler warb. um die Mitte des 19. Jhs. zahlreiche auswär­ Koch 1901- Ulmer 1990. Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie tige Künstler nach Frankfurt. Die Städel• auf der Mathildenhöhe wurde am 15. Mai Administration kaufte, um den neuen Ten- KUNSTINSTITUTIONEN 203

denzen Rechnung zu tragen, Werke von gesamten Kunst und Kultur der deutschen Verständnis seiner Zeit-in ihrer ursprüng• Düsseldorfer Künstlern an. Der Rückzug Vergangenheit widmet. Sein Ursprung liegt lichen Umgebung zu rekonstruieren und Veits 1842 verschaffte den Düsseldorfern weniger im musealen als vielmehr im do­ stimmungsvoll zu präsentieren, ein Bau­ schließlich auch in der Lehre eine starke Po­ kumentarisch-archivarischen Bereich und programm, das für die Gestaltung kultur­ sition. Nun wurde- neben der Landschafts­ ist einer privaten Initiative zu verdanken. historischer Museen um die Jahrhundert­ malerei - offiziell das Fach Genremalerei Der fränkische Freiherr Hans von und zu wende charakteristisch wurde. Aus dem eingerichtet, Ausdruck einer sehr aufge­ Aufseß {1801-1872) war davon überzeugt, an Dokument wurde ein künstlerisches Expo­ schlossenen Haltung gegenüber neuen Ten­ den vorhandenen Relikten der deutschen nat, aus der Sammlung ein universal an­ denzen. In der 2. Hälfte des 19. Jhs. mach­ Vergangenheit eine verloren gegangene gelegtes, kulturhistorisches Museum. Die­ ten sich zunehmend Einflüsse der französi­ deutsche Einheit festmachen und aus den ser Wandel zum Anschaulichen führte zu sehen Malerei bemerkbar. 1860 wurde der historischen Zeugnissen Maßstäbe für die einem enormen Aufschwung, wobei die Unterricht für Freihandzeichnen einge­ Ordnung und Zielsetzung der eigenen Ge­ anhaltende Popularität nun auch für die führt. 1869 eine Frauenklasse gegründet. genwart gewinnen zu können. Integration kleinbürgerlicher und proletari­ 1878 zog das Institut von der Neuen Main­ Nach jahrzehntelanger Vorbereitung und scher Unterschichten in die national kon­ zer Straße nach Sachsenhausen in das von unterstützt durch die Nationalbewegung turierte bürgerliche Gesellschaft genutzt

Oskar Sommer erbaute Haus am Schau­ von 1848 gründete schließlich die Versamm­ werden sollte. BJ mainkai, das größere Räumlichkeiten be­ lung deutscher Geschichts- und Altertums­ Deneke/Kahsnitz 1978-Bott 1982, 5-14- reitstellte. BJ forscher im August 1852 einen Gesamtver­ Hochreiter 1994, 58-86. ein deutscher Geschichtsvereine sowie das Ziemke 1980-Beaucamp u. a. 1982- Germanische Nationalmuseum mit Sitz in Salden 1995. der gerühmten, »altdeutschen« Reichsstadt Nürnberg, das bald vom bayerischen Kö• 13 I Neue Pinakothek, München nig als Stiftung genehmigt wurde. Den Be­ (eröffnet 1853) griff »germanisch« übernahm Aufseß aus Georg Durand, Neue Pinakothek von Süd• der Sprachforschung als eine idealistische osten, um 1853,lavierte Federzeichnung, Überhöhung von »deutsch«, aber auch als München, Stadtmuseum, Inv. Nr. GRM Jl/252

Ausweg aus der Schwierigkeit, eine pas­ TAFEL 5.100 sende Bezeichnung für die Gesamtheit al­ ler Deutschen ungeachtet ihrer staatlichen Die Neue Pinakothek in München war der Zugehörigkeit zu finden. dritte Museumsbau Ludwigs I. {1786-1868, Schon im Juni 1853 konnten Ausstellungs­ reg.1825-1848). Nach Errichtung der Glyp­ räume im Tiergärtnertorturm eröffnet wer­ tothek für die antike Skulpturensammlung den, im April1857 wurde das aufgelassene, und während der Arbeiten an der Alten Pi­ spätmittelalterliche Kartäuserkloster zum nakothek für die fürstliche Gemäldesamm• bleibenden Sitz bestimmt. Aufseß hegte lung plante der bayerische König das erste zeitlebens den Plan, ein »Generalreperto­ Museum zeitgenössischer Kunst in Deutsch­ 11 Frankfurt/M., Städelsches Kunstinstitut, rium« der deutschen Kulturgeschichte als land. Es war- gemäß seiner Rede bei der Saal mit Gipsabgüssen Beitrag zur Identität der Nation anzulegen. Grundsteinlegung im Oktober 1846- "für Sein Ziel war es, den gesamten deutschen Gemälde aus diesem und aus künftigen 12 I Germanisches Nationalmuseurn, Sprachraum in den Denkmälern seiner Jahrhunderten« bestimmt. Mit dieser Maß• Nürnberg (gegr.1852) Kunst, Kultur und Geschichte vom einfach­ gabe sollte sich in Zukunft die Kunstpro­ sten Gebrauchsgegenstand bis zum Kunst­ duktion wesentlich ändern: Entstammten Louis (Ludwig) Braun (1836-1916), Ansichten werk höchsten Ranges zu sammeln, zu aus dem Germanischen Museum, um 1868, die Werke älterer Kunst stets einem ur­ lavierte Bleistiftzeichnung auf Papier, erhalten, zu erforschen und museal dar­ sprünglichen Funktionszusammenhang, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, zustellen und somit eine zugleich wis­ so entstand nun erstmals der Anspruch an Inv. Nr. Hz1034. Kapsel1442 a senschaftliche und nationalpädagogische die Kunst »galeriefähig« zu sein. Die neuen T AFEL 5. 98 Bildungsinstitution zu schaffen. Die Bedeu­ Werke mussten neben den alten Meistern Zum Gebäude vgl. KAT. 36 tung eines Objekts für die deutsche Ge­ in einem Museum bestehen können und schichte war somit höher geschätzt als wurden nun mit dem Blick auf eben jenes Das 1852 gegründete Germanische Natio­ dessen künstlerische Qualität. geschaffen. nalmuseum gilt als frühes Beispiel eines Dieses Konzept änderte sich erst mit dem Oberbaurat August von Voit wurde mit der kulturhistorischen, »vaterländischen« Mu­ 1866 berufenen Leiter August ottmar Essen­ Aufgabe betraut, in der Nähe der beiden seums, das sich- im Gegensatz zu fürstli• wein (vgl. KAT. 29). Der ausgebildete Archi­ anderen Museumsbauten das neue Muse­ chen Sammlungen wie etwa der des Baye­ tekt ließ für die Sammlung neue fiktive um zu errichten. Er entschied sich für einen rischen Nationalmuseums in München-der historische Räume errichten, um sie - im schlichten, zweigeschossigen Baublock über 204 KuNSTINSTITUTIONEN

lang gestrecktem, rechteckigem Grundriss. den mussten, herrschte bald eine qualvolle der Architekt Joseph Felten, erweiternd der Eine den Eingang hervorhebende Fassade Enge. Das Gebäude selbst fiel der Kriegs-wie Stadtbaumeister Julius Carl Raschdorff so­ fehlte, weder architektonische Motive noch Nachkriegszerstörung zum Opfer, Alexan­ wie beratend der Berliner Architekt Fried­ Skulpturenprogramme kennzeichneten den der von Branca errichtete in den 1970er rich August Stiller (KAT. 27) beteiligt waren. Bau als Museum. Größte Außenwirkung er­ Jahren an gleicher Stelle ein neues Haus Man einigte sich auf einen stark klassizi­ zielten die von Wilhelm von Kaulbach ent­ für die bayerische Sammlung des 19. Jahr­ stisch geprägten Bau im neogotischen Stil, worfenen, riesigen Fresken am Außenbau hunderts, das 1981 eröffnet wurde. BI der somit auch in seiner Außenwirkung der zur neueren Kunstgeschichte, die dem Stif­ mittelalterlichen Sammlung Rechnung tra­ Plagemann 1967 - Sheehan 2002 - Rott 2 0 0 3 . ter Ludwig I. huldigten, deren Ausführung gen sollte. Neben dem Museum fanden hier Friedrich Christoph Nilsan übernahm und auch der 1839 gegründete Kölnische Kunst­ die witterungsbedingt bald wieder zerstört verein sowie die Zeichenschule Platz, die waren. Schon im Oktober 1853 war die Neue 14 1Wallraf-Richartz -Museurn, Köln Ende des 19. Jhs. aus Platzgründen verdrängt Pinakothek dem Publikum zugänglich, doch (eröffnet 1861) wurden. Der Österreichische Maler Eduard erst im Herbst 1854 der Bau vollendet. von Steinle zeichnete für die Ausmalung 1861, Fotografie, Rheinisches Bildarchiv Köln Die Dimensionierung der Säle im Inneren der Haupttreppe verantwortlich, die eine hatte sich nach dem Format des bereits aus­ Das Kölner Wal/raf-Richartz-Museum ver­ Apotheose der Stadt Köln darstellte: In vier geführten monumentalen Gemäldes Die dankt seine Entstehung den beiden Män­ großen Feldern zeigte sie das Blühen der Zerstörung Jerusalems durch Titus von Kaul­ nern, deren Namen es trägt, und ist damit Kunst dort während der Römerzeit, im Mit­ bachs zu richten. Für die 23 griechischen ein wichtiges Beispiel bürgerlichen Engage­ telalter, in der frühen Neuzeit und im 19. Ih.; Landschaften Carl Rottmanns wurde ein ments. 1824 hatte der Gelehrte, Kanoniker auf einer Reihe kleinerer Bilder waren ver­ besonderer Saal vorgesehen. Eine wichtige und Kölner Universitätsrektor Ferdinand schiedene Aspekte der Kölner Gesellschaft Ergänzung der seit 1810 zusammengetra­ Franz Wallraf seiner Heimatstadt seine be­ und Kultur dargestellt. genen Sammlung Ludwigs, der damals um­ achtliche Kunst-und Naturaliensammlung Im Oktober 1855 war im Beisein des preu­ fangreichsten und im künstlerischen Rang durch eine testamentarische Verfügung ßischen Königs die Grundsteinlegung auf bedeutendsten ihrer Art in Deutschland, hinterlassen, darunter zahlreiche Werke dem Boden des ehemaligen Minoriten­ bildete die von Leo von Klenze übernom­ rheinischer Kunst, die er während der Revo­ klosters erfolgt, im Juli 1861 die feierliche mene Sammlung. lutionszeit und der Säkularisation zusam­ Einweihung. Der integrierte Kreuzgang des Die Neue Pinakothek nahm auffallend viele mengetragen hatte. Nach seinem Tod wur­ Klosters nahm die römischen und mittel­ Werke von Künstlern auf, die bis dahin ab­ de diese Sammlung zunächst provisorisch alterlichen Skulpturen auf, während in sei­ seits der offiziellen akademischen Richtung und unzureichend im Kölner Hof öffentlich nem Obergeschoss die von den Brüdern Sul­ von Cornelius und seinen Anhängern ge­ zugänglich gemacht. Anschließend folgte piz und Melchior Boisseree gestifteten mit­ standen hatten. Erweiterungssäle waren eine endlos erscheinende Diskussion um telalterlichen Glasgemälde untergebracht gleich mitkonzipiert, da die Sammlung auf einen geeigneten Standort sowie um die wurden. Der Schwerpunkt der Sammlun­ Zuwachs angelegt war. Mit diesem Bau entsprechende Finanzierung. Erst als der gen lag auf der Gemäldegalerie, die - ge­ endete also der Gedanke der Einheit von Kaufmann Johann Heinrich Richartz im mäß der Geschichte der Stadt Köln - nicht Bau und Kunstwerken im Innern. Nach­ August 1854 der Stadt Köln 100 ooo Taler fürstlich, sondern bürgerlich und kirchlich dem aber ab den 188oer Jahren auch die für einen Museumsbau stiftete, kam es zu geprägt war. Mit der Eröffnung des Hauses staatlichen Ankäufe untergebracht wer- konkreten Plänen, an denen grundlegend wurden erste gezielte Ankäufe getätigt, aber auch Schenkungen und Stiftungen vermehrten die städtischen Sammlungen, die zu Ende des Jhs. durch den 1890 erst­ mals als wissenschaftlich ausgebildeten Direktor berufenen Carl Aldenhoven neu strukturiert wurden. Ihm gelangen bedeut­ same Ankäufe, die das Museum über seinen lokalen Charakter wachsen ließen. BI

Wallraf-Richartz-Museum 1911 - Plagemann 1967-Budde 1993- Thierhoff 1997- Sheehan 2002.

14 Kö ln, Wallraf-Richartz-Museum KUNSTINSTITUTIONEN 205

schwebte ihm ein »Zentral-Institut« vor, das einen universalen Überblick über die Entwicklung des Kunstgewerbes aller Län• der und Zeiten gewähren sollte. Ihm gelang es, das Kunstgewerbemuseum- ursprüng• lich als Mustersammlung gedacht - zum führenden Museum seiner Art zu machen. 1921 trennten sich Sammlungen und Lehr­ institute. Das Museum zog in das von der kaiserlichen Familie verlassene preußische Stadtschloss. 1985 fand es seine Bleibe am Kulturforum. BJ

Mundt 1974- Dreier 1985, 7-15.

16 I Museum für Kunst und Gewerbe, Harnburg (gegr. 1874) 15 Berlin, Kunstgewerbeschule und -museum Das »Pariser Zimmer«, 1901, Fotografie, Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe 151 Kunstgewerbeschule und Kunst­ teilungenund didaktische Aktionen, Schau­ gewerbemuseum, Berlin (gegr. 1867} abteilungen und -Veranstaltungen sowie Bereits 1863lag in Harnburg ein im Auftrag Forschungsabteilungen ineinander greifen der Patriotischen Gesellschaft entstandener Anonym, 1881, Iithographie, in: Festschrift sollten. Entsprechend war die angegliederte Bericht vor, in dem die Gründung eines Berlin 1881 Kunstgewerbeschule das Herz der Berliner ••gewerblichen Museumsec empfohlen wur­ Zum Gebäude vgl. KAT. 62 Institution. Die Ausbildung, die auf der Prä• de. Nachdem dieser keine Wirkung gezeigt Das Berliner Kunstgewerbemuseum ver­ senz bedeutender Beispiele als Anschau­ hatte, veröffentlichte der junge Jurist und dankt seine Entstehung einem im Jahre ungsmaterial beruhte, stand im Zentrum Kunstkritiker Justus Brinckmann 1866 in 1867 gegründeten Privatverein, der eine der Einrichtung, die sich zunächst als Deut­ denHamburgischen Nachrichten einen öf• Lehrsammlung zur Qualitätsverbesserung sches Gewerbemuseum bezeichnete und erst fentlichen Aufruf zur Einrichtung einer des zeitgenössischen Kunstgewerbes bil­ 1879 in Kunstgewerbemuseum umbenannt solchen Institution, um ••die Einsicht des den wollte. In diesem Sinne war bereits im wurde. Im Januar 1868 begann der Unter­ Volkes in den geschichtlichen Entwick­ Jahre 1852 das South Kensington Museum richt, im April wurden die ersten beiden lungsgang der Kunstindustrie zu fördern in London gegründet worden. Gottfried Sammlungssäle mit zeitgenössischen Ex­ und veredelnd auf die Geschmacksrich­ Sempers (KAT. 35, 386) »Plan für ein ideales ponaten eröffnet. tung einzuwirken.« Doch erst 1874 erfolgte Museum für Kunsthandwerk«, der dort Erst 1872, als Julius Lessing Kommissar der die Gründung des Museums für Kunst und zum Tragen kam, hatte auch in Deutsch­ im Zeughaus veranstalteten Ausstellung äl• Gewerbe. land seine Wirkung: 1863 folgte das Öster­ terer kunstgewerblicher Gegenstände wurde, Im April1877 übernahm die Stadt Harnburg reichische Museumfür Kunst und Industrie zeigte die Institution auch ältere Werke aus die zunächst nur provisorisch unterge­ in Wien. In Berlin ging die Initiative vom königlichem Besitz. Aufgrund des durch­ brachten Sammlungen, denen seit Februar Kronprinzenpaar aus, das den Auftrag für schlagenden Erfolges beschloss man den Brinckmann offiziell als Direktor vorstand. eine Denkschrift über die Voraussetzun­ Bau eines eigenen Gebaudes. Das 1877 bis Bereits im September 1876 war die Eröff• gen einer »Kunstindustrieschulecc gab und 1881 von Martin Gropius und Heino Schmie­ nung eines neuen Schul- und Museums­ somit die in England bereits verwirklichte den errichtete zweistöckige Museum im Stil gebäudes gefeiert worden. Der damalige Idee nach Preußen brachte. der Neorenaissance in der Prinz-Albrecht­ Baudirektor Carl Johann Christian Zimmer­ Ziel eines solchen Kunstgewerbemuseums Straße sollte der durch umfangreiche Stif­ mann hatte das Gebäude als ausgedehn­ war es, nicht nur zu sammeln und zu kon­ tungen-so etwa Teile der brandenburgisch­ ten Palazzo im Renaissancestil errichtet. Es servieren, sondern auch auf das aktuelle Ge­ preußischen Königlichen Kunstkammer - beherbergte die allgemeine Gewerbeschu­ schehen von Handwerk und Industrie ein­ schnell gewachsenen Sammlung endlich le, die Schule für Bauhandwerker, eine Bi­ zuwirken, bei gestalterischen, technischen einen würdigen Rahmen bieten.1885 wur­ bliothek, botanische und völkerkundliche und wirtschaftlichen Fragen zu helfen, zu de sie schließlich den Königlichen Museen Sammlungen sowie seit September 1877 lehren und zu forschen. Die Vorstellung von angeschlossen. die Sammlung für Kunst und Gewerbe.

dem veredelnden und erzieherischen Ein­ Lessing richtete neben der Sammlungstä• Wie in Berlin (vgl. KAT. 15) griffen auch hier fluss vorbildlicher Produkte beherrschte das tigkeit seine ganze Energie auf die pädago• die Ideen von Sammlung und Lehre inein­ Bildungswesen des 19. Jhs., wobei Lehrab- gische Arbeit. Ganz im Sinne von Semper ander, die Institution war darauf angelegt, 206 KUNSTINSTITUTIONEN

bergt heute die bedeutendste Jugendstil­ und Stülers Neuern Museum, war doch sammlung in Deutschland. BJ die gesamte Museumsinsel seit Friedrich Wilhelms IV. (reg. 1840-1861) und Stülers Spielmann 1965- Mundt 1974 - Spielmann ••Masterplan« von 1841 für die Ausweitung 1983- Saldern 1988 -Spielmann 2002- Klemm2004. der Berliner Sammlungen zum »Univer­ salmuseum« vorgesehen. 1876 in Anwe­ senheit des deutschen Kaisers feierlich 17 1Alte Nationalgalerie, Berlin eröffnet, galt die Nationalgalerie als be­ (eröffnet 1876) deutender Repräsentationsträger des neu­ en Staates und •• Bildungstempel« für die um 1905, Photochrome (kolorierte Fotografie), Pflege der Künste; ihr belehrendes Bildpro­ Berlin, SMB, Zentralarchiv gramm war ganz auf den nationalen Ruhm TAFELS. 101 ausgerichtet. 16 Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe, Die Alte Nationalgalerie in Berlin visuali­ Während die Werke aus der Sammlung Pariser Zimmer sierte das Wunschbild einer nationalen Ein­ Wagener in den Nebenräumen hingen­ heit der Deutschen: Alle Elemente des Ge­ darunter auch holländische, belgisehe und praktisch, didaktisch und populär zu sein. bäudes waren dazu bestimmt, die Ver­ französische Bilder -. waren die beiden Da in Harnburg eine fürstliche Sammlung schmelzung von nationaler Kunst und Hauptsäle den großformatigen Kartons des fehlte, begann Brinckmann 1869 als Vorsit­ Kultur, Geschichte, Patriotismus und dyna­ Peter von Cornelius (1783-1867) gewidmet. zender der Kunstgewerblichen Abteilung stischer Macht zu verherrlichen, die den Geehrt durch eine monumentale Büste, der Patriotischen Gesellschaft- den posi­ ideologischen Kern des Deutschen Reiches wurde dieser als der Höhepunkt der deut­ tivistischen Vorstellungen seiner Zeit fol­ bildeten. Bereits 1835 wurde in Berlin eine schen Kunst im jungen Kaiserreich zele­ gend - mit dem enzyklopädischen Sam­ Gesellschaft ins Leben gerufen, um eine »Na­ briert, in dem man die ideale Konsensfigur meln von künstlerisch und technisch vor­ tionai-Gallerie« zu gründen, die die Werke für den ungebrochenen Kulturföderalismus züglichen »Vorbildern« aller Stilperioden einheimischer Künstler ausstellen sollte. der gerade erst politisch geeinten, jungen und Kunstlandschaften, die nach Gattun­ 1843 hatte der Kunsthistoriker Franz Theo­ deutschen Nation sah. gen und Materialgruppen geordnet wur­ dor Kuglereine »Nationalgalerie« zeitgenös• Auf den Gründungsdirektor der National­ den. Doch erkannte er bald, dass eine Er­ sischer Kunst vorgeschlagen, eine Forde­ galerie, Max Jordan, folgte 1896 Hugo von neuerung der angewandten Kunst nicht rung, die schließlich nach der Revolution Tschudi, der durch eine mutige Ankaufs­ allein vom Beispiel der europäischen Stile 1848 von deutschen Künstlern und libera­ politik schließlich die internationale Mo­ ausgehen konnte. Früher als die meisten len Politikern vorangetrieben wurde. derne in den Tempel der deutschen Kunst seiner Kollegen entdeckte er die Bedeu­ Die Gründung der Deutschen Kunstgenos­ einziehen ließ, die Nationalgalerie grund­ tung der Volkskunst sowie den künstleri­ senschaft 18 56 und die erste länderübergrei• legend reformierte und auf Weltniveau hob. schen Rang japanischer Kunst, die er seit fende Kunstausstellung 1858 in München Die Etablierung der Moderne im Museum 1873 ankaufte. forcierten das Bedürfnis nach einer Ein­ vollzog sich nicht in Paris, London oder Die Krönung seiner Bemühungen stellte heit auf dem Gebiet der Kunst, wie sie das New York, sondern um 1900 erstmals in die international und fächerübergreifend in viele Klein- und Mittelstaaten zersplit­ Berlin. BJ ausgerichtete Sammlung des Jugendstils terte Vaterland nicht bieten konnte. Als Ausst.Kat. Her/in /München u. a., 1996 - dar. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 schließlich der Bankier und Konsul Joachim Rückert/Kuhrau 1998 - Sheehan 2002- erwarb er zahlreiche Objekte des franzö­ Heinrich Wilhelm Wagener 1859 dem preu­ Schuster 2001 - Schuster 2001 /2,5-12 - sischen Art Nouveau, die er in seinem so ßischen König seine bedeutende, 262 zeit­ Schuster/Steingräber 2004. genannten ••Pariser Zimmer<< vorbildlich genössische Gemälde umfassende Kunst­ zusammenstellte. Hier verzichtete er auf das sammlung vermachte, war der Grundstock althergebrachte Sammlungssystem, denn einer entsprechenden Sammlung gelegt. 181 Folkwang Museum, Hagen die Künste sollten in ihrer Einheit begrif­ Mit der Schenkung verband er die Auflage, (eröffnet 1902) fen werden, in ihrer Wechselwirkung in eine Nationalgalerie für zeitgenössische Großer Bildersaal, 1901, Fotografie, Form und Farbe und in ihrer Ausstrahlung Kunst in einem eigenen Gebäude einzu­ Bildarchiv Foto Marburg auf ihre Umgebung und den Alltag. Das richten. Zimmer zeigte alle Werkgruppen des Ju­ 1866 wurde die von Friedrich August Stü• Das Folkwang Museum gilt in Deutschland gendstils, selbst die Schauschränke wur­ ler (KAT. 27) entworfene und unter der Lei­ als erstes Museum der Moderne. Der eigen­ den in Bau und Ausstattung den Expona­ tung von Johann Heinrich Strack vollendete willige, aus einer wohlhabenden Bankiers­ ten angepasst. Das Hamburger Museum für Galerie in Form eines antiken Tempels auf familie stammende Kar! Ernst Osthaus Kunst und Gewerbe war somit eines der er­ hohem Sockel begonnen. Als Bauplatz wähl­ (1874-1921) plante in der Industriestadt sten, dem es gelang, der Avantgarde einen te man die unmittelbare Nachbarschaft Hagen ein Zentrum ästhetischer Innova­ adäquaten Platz einzuräumen; es beher- zu Kar! Friedrich Schinkels Altem Museum tion, mit dem er der »Entartung des Zeital- KUNSTINSTITUTIONEN 207 ters« durch den Einsatz von Kunst begeg­ prinzipien einzuführen und somit sowohl 19 I Kaiser-Friedrich-Museurn, Berlin nen wollte. Nachdem er 1896 eine große die klassische kunsthistorische Erzählung (eröffnet 1904) Erbschaft gemacht hatte, engagierte er den als auch die traditionelle Definition der Der Quattrocento-Saal, um 1904, Fotografie, Berliner Architekten Carl Gerard, um ein schönen Künste abzulösen. Der Sammler Berlin. SMB, Zentralarchiv Museum zu errichten. das seine Sammlung erwarb seit der Jahrhundertwende bedeu­ naturwissenschaftlicher, volkskundlicher tende Werke von Auguste Renoir, Paul Gau­ Das von Ernst Eberhard von Ihne {1848-1917) und kunstgewerblicher Objekte aufnehmen guin, Vincent van Gogh oder Paul Cezan­ erbaute, von Wilhelm von Bode {1845-1929) sollte. Dieser entwarf einen historistischen ne, damals weitgehend unbekannte und in eingerichtete Kaiser-Friedrich-Museum er­ Neorenaissancebau mit Turm. schmücken• Deutschland als Franzosen verpönte Künst­ gänzte im Oktober 1904 das Ensemble der der Kuppel, großer Eingangshalle und Trep­ ler. Auch brachte er von seinen Reisen Zeug­ Berliner MuseumsinseL Benannt war es penhaus. nisse außereuropäischer Kulturen mit. Im nach seinem einstigen Protektor, dem 1888 Der gewählte nordische Name uFolkwang« Juli 1902 wurde das Museum mit den Ab­ verstorbenen Vater des damaligen Mo­ - Halle des Volkes - ging auf die Wohn­ teilungen moderner Kunst, europäischen narchen Kaiser Wilhelm I!. (1859-1941, reg. stätte Freyas, der Göttin der Schönheit, in und außereuropäischen Kunstgewerbes 1888-1918}: dem nur 99 Tage regierenden Walhall zur\lck und sollte die Einheit von und der Naturkunde eröffnet, das dem da­ deutschen Kaiser Friedrich IIl. (1831-1888). Kunst und Leben symbolisieren. Um die maligen Besucher ästhetischen Genuss im Im Namen von dessen Gattin, der engli­ Jahrhundertwende erfolgte jedoch ein Ge­ modernsten Ambiente ermöglichte. Später schen Prinzessin Victoria {1840-1901}, war sinnungswandel, als Osthaus den progres­ ergänzten auch Werke der Brücke oder des bereits im Januar 1883 eine Denkschrift siven Jugendstilk\lnstler Henry van de Velde Blauen Reiters die Sammlung. erschienen. die ein so genanntes ••Renais­ (1863-1957) beauftragte, das Innere des Mu­ Osthaus verfolgte über die Idee einer Bilder­ sancemuseum« vorschlug. in dem die im seums auszugestalten und ihn bei Ankäu• galerie hinaus eine pädagogische Mission, Alten Museum unzulänglich untergebrach­ fen f\lr seine Kunstsammlung zu beraten. wie aus seinem 1904 gehaltenen Vortrag ten Gemälde und Skulpturen in organischer In Gerards historischer Hülle schuf dieser ••Museen im Dienste der Kunst« hervor­ Verbindung ausgestellt werden sollten. Da­ ein Gesamtkunstwerk, in dem sich jedes geht. Wie Alfred Lichtwark und viele an­ mit war eine grundsätzliche Debatte um Objekt und Schmuckmotiv zu einem har­ dere Kunstreformer schloss er sich 1907 die Konzeption kunsthistorischer Museen monischen Ganzen verband. Ohne histori­ dem Werkbund an und unterstützte Projek­ entfacht. Die Vermittlung wissenschaftli­ sche Anleihen und tiefere programmatische te, die der ästhetischen Bildung dienten. cher Bildung, die das Museum des 19. Jhs. Absicht entwickelte er eine neue visuelle Als er 1921 starb, verfügte er testamenta­ bestimmt hatte, sah sich nun mit einer Sprache, die Wellenlinien, organischen For­ risch, dass seine Sammlung durch einen ästhetischen Reformbewegung konfron­ men und - erstmals in einem Museum - städtischen Ankauf gesichert werden soll­ tiert. hellen, klaren Farben verpflichtet war. Ost­ te. Dies gelang jedoch nicht fur Hagen, Entgegen der Erwartung, die die historisti­ haus selbst sprach sogar von ••möglichst sondern durch den eigens daf\lr gegr\lnde­ sche Erscheinung des Museumsbaus weckt, weißen« Wänden und Decken, »um recht ten Folkwang-Museumsverein f\lr Essen, der einer Schlossarchitektur in Renaissance­ viel Licht zu sparen«. wohin der Großteil der Bestände 1922 und Barockformen folgte und ganz dem Das Design sollte wirksam, funktional und ging. BJ repräsentativen Geschmack der Wilhelmi­ ästhetisch angenehm sein. An keinem an­ nischen Gr\lnderzeit entsprach, handelt es Hesse-Fnelinghaus 1971-Lepik 1996,302-306- deren Museum wurden die Bemühungen Sheehan 2002- Hohenzollern/Gaßner 2004. sich bei dem Gebäude um eine neue Mu­ stärker deutlich, den Begriff der Kunst zu seumskonzeption, die auf das formalästhe­ erweitern, rein ästhetische Anordnungs- tische Erlebnis des Besuchers zielte. So of­ fenbart sich die Raumaufteilung als locker gefugte Ansammlung von in sich geschlos­ senen ästhetischen Angeboten, aus der der Besucher nach Belieben seine Wahl treffen konnte. Bei der Präsentation der Sammlung verfolgte Bode den Grundsatz, das einzelne Kunstwerk stärker zur Geltung zu bringen und eine malerische, mannigfaltige Anord­ nung des einzelnen Raums zu verwirkli­ chen. Er bemühte sich um einen historisch angemessenen architektonischen Rahmen, so dass Architekturteile, Möbel, Gebrauchs­ gegenstände, Gemälde und Skulpturen - ähnlich wie in kulturhistorischen Museen­ 18 Hagen, Folk­ wang Museum; zu Stilräumen verschmolzen und nicht-wie Großer Bildersaal sonst bei kunsthistorischen Sammlungen 208 KUNSTINSTITUTIONEN

üblich-nach Gattungen getrennt wurden. 20 I Kunstausstellungen im Glaspalast, schaftsmalers Eduard von Schleich einge­ Ziel seiner auf kunsthistorischer Kenner­ München {1858- 1933) richtete Erste Internationale Kunstausstel­ schaft basierenden Auffassung war es, dem lung 1869, die erstmals zeitgenössische, Eingangshalle der 1. Internationalen Kunst­ internationale Kunstströmungen, darunter Kunstwerk, das aus einem originären Zu­ ausstellung, 1869, Fotografie, München, vor allem den französischen Realismus mit sammenhang gerissen war, die ursprüng­ Akademie der Bildenden Künste, Archiv Gustave Courbet, Camille Corot, Edouard liche Funktion und Wirkung so weit wie und Sammlung Manet und Jean - Fran~ois Millet, in Deutsch­ möglich zurückzugeben. TA FELS. 93 Mit diesem Typus erfuhr das kunsthistori­ land bekannt machte. sche Museum einen Paradigmenwechsel: 1853 bestimmte König Maximilian I!. (geb. Die Hängung erfolgte nach Nationen und weg vom multifunktionalen variablenAus­ 1811, reg.1848-1864), eine Industrieausstel­ Schulen und bot einen nie da gewesenen, stellungsraum, der- vielfach als Enfilade lung in München abzuhalten. Zu diesem umfassenden Überblick auch jenseits der angelegt- einen magazinartigen Eindruck Zwecke ließ er eine riesige Ausstellungshal­ akademischen Normen. Die bis dahin größ• machte, hin zu unterschiedlich akzentuier­ le im alten botanischen Garten unweit des te Ausstellung in Deutschland mit über ten Sammlungsräumen, die im Grundriss, Centra/bahnhofs errichten. In Anlehnung 3400 Exponaten war künstlerisch, finan­ in Größenverhältnissen und Beleuchtung an den Crystal Pa/ace in London, der zwei ziell und gesellschaftlich ein enormer Er­ differierten. Eine lockerere, durchdachte Jahre zuvor für die Erste große Weltausstel­ folg und trug zum herausragenden Ruf lung gebaut wurde, schuf August von Voit Münchens als eine über die nationalen ein riesiges Gebäude in moderner Eisen­ Grenzen hinausweisende Ausstellungsstadt Glas-Konstruktion, das damals als Höhe­ ersten Ranges und bedeutenden Ort des punkt des deutschen Ingenieurbaus galt. Kunsthandels bei. Auf der anderen Seite Der Münchner Glaspalast sollte ursprüng­ führten sie aber auch zur Kommerzialisie­ lich nur der Industrie als temporäre Aus­ rung einer nun massenhaft produzierten, stellungshalle dienen und nach der Nut­ teils mittelmäßigen Kunst. In Berlin, das zung wieder abgetragen werden. Doch der lange Zeit nur ein behelfsmäßiges Kunst­ Erfolg der Gewerbe- und Industrieausstel­ ausstellungsgebäude besaß, fand erst 1886 lungen sprach für die Weiterverwendung mit der Jubiläumsausstellung die erste in­ des Gebäudes. 1858 nutzte man es mit der ternationale Kunstausstellung statt, so dass Ersten deutschen allgemeinen und histori­ München innerhalb Deutschlands lange schen Kunstausstellung erstmals auch im konkurrenzlos blieb. Ab 1889 bis zum Brand Kunstkontext, obwohl es eigentlich archi­ des Glaspalastes im Jahr 1931 fanden regel­ tektonisch für diese Zwecke ungeeignet mäßig Kunstausstellungen mit internatio­ war, was man durch Einbauten und Deko­ naler Beteiligung statt. BJ rationen im Inneren zu kaschieren suchte. Hunold 1931, 513-524- Roth 1971-Hütsch 1985 Ziel war es, einen neuen Absatzmarkt in - Grösslein 1987- 19 Berl in, Kaiser-Friedrich -Museum, reizvollem Rahmen zu schaffen und mit Quattrocento-Saal einer bewusst eingesetzten Kunstpolitik, die politische und wirtschaftliche Schwäche Präsentation auf symmetrisch gehängten Bayerns auszugleichen. In großem Umfang 21 I Secession München (gegr. 1892) Wänden sollte komponierte Gesamtbilder war Malerei und Plastik aus ganz Deutsch­ Kuppelsaal, 1893, Fotoreproduktion, aus: ergeben. Doch auf Dauer führte die Ver­ land zu sehen, historisch und nach Schulen »Die Kunst unserer Zeit«, 4.2.1893, S.101 wendung derartiger Stilräume zu gravie­ geordnet, beginnend mit Werken von As­ renden Problemen. Sie waren unflexibel mus Carstens und gipfelnd in den Arbei­ Die erste große deutsche Künstlergruppe, und teuer und erforderten die Entschei­ ten von Peter Cornelius. die sich von einer etablierten Vereinigung dung zwischen historischer Genauigkeit Die Konzeption folgte damit einem seit An­ abspaltete, war mit über 100 Mitgliedern und ästhetischer Wirkung. fang des Jhs. gängigen Kunstbegriff. Orga­ der Verein bildender Künstler Münchens, Das Museum wurde im Krieg stark beschä• nisator dieser und der folgenden »Verkaufs­ bald auch Münchner Secession genannt. Sie digt, seine Bestände - soweit nicht verlo­ messen« war vor allem die Münchner Künst­ wandte sich gegen die veralteten Ausstel­ ren- auf Ost- und Westberlin verteilt. Nach lergenossenschaft, ein Interessensverein, der lungsprinzipien der Münchner Künstler­ langer Restaurierungszeit wurde das seit sich bereits in den 184oer Jahren formiert genossenschaft (vgl. KAT. 6), deren Haupt­ 1957 so genannte Bode-Museum 2006 wie- hatte, obwohl er erst 1868 offiziell gegrün• augenmerk seit der Internationalen Kunst­ der eröffnet. BJ det wurde (vgl. KAT. 2). Wichtige Ausstel­ ausstellung 1888 auf der Versorgung lokaler lungen folgten, darunter die Internationa­ Künstler lag. Das finanzielle Fiasko der Aus­ Gaehtgens 1992- Gaehtgens 1993,153-172 - Sheehan 2002-Joachimides 2001- Schuster/ len Kunstausstellungen 1869, 1879, 1883 und stellung 1891 und die Entlassung des Ge­ Steingräber 2004. 1888. Die bedeutendste unter ihnen war oh­ schäftsführers Adolf Paulus im Februar 1892 ne Zweifel die unter der Leitung des Land- war Auslöser des Bruchs. KUNSTINSTITUTIONEN 209

21 Secession der Galerie von Eduard Schulte ausrichte­ München te, sowie die Freie Künstlervereinigung. die sich in Reaktion auf die umstrittene Schlie­ ßung einer Munch-Ausstellung gebildet hatte. Unmittelbarer Anlass der Abspal­ tung war die Zurückweisung eines Gemäl• des von Leistikow für die Große Berliner Kunstausstellung durch den konservativen, von Anton von Werner (KAT. 121,122) domi­ nierten Verein Berliner Künstler. Unter der Leitung des angesehenen Max Liebermann konstituierte sich im Mai 1898 die opposi­ 78 Künstler traten aus der Künstlergenos• Kunsthandel wurde die Münchner Secession tionelle Berliner Secession, der schon zu Be­ senschaft aus und formierten sich zwei Mo­ zum Vorbild aller nachfolgenden deutschen ginn 65 Künstler beitraten. nate später unter der Führung des Malers Sezessionsgruppen. Doch ihre letztlich nicht Ein eigenes, privat finanziertes. provisori­ und Bildhauers Bruno Piglhein zur Secession. konsequente Anhebung des ästhetischen sches Ausstellungsgebäude an der Kant-/ Als Ziel nannten sie in ihrem Memorandum, Niveaus unter Beibehaltung einer strengen Ecke Fasanenstraße wurde 1899 von Hans dass ••die repräsentativen Münchener Aus­ Jury führte ebenso schnell zu weiteren Ab­ Grisebach errichtet. Dieses gewährleistete stellungen Elite-Ausstellungen sein müs• spaltungen. Bereits im Januar 1894 trat die einen unabhängigen Ausstellungs betrieb, sen! Die Interessen des rein Künstlerischen Freie Vereinigung. initiiert von Otto Eck­ den bald schon die Kunsthändler Bruno dürfen von keinerlei anderen Interessen al­ mann, aus der Secession aus, darunter und Faul Cassirer als Geschäftsführer ver­ terirt oder gekreuzt werden." Was sie zu­ Künstler wie Peter Behrens, Lovis Corinth walteten. Unter großer Anteilnahme der sammenhielt war ihr Wille zur Qualität, die (KAT. 344, 356, 357) oder Wilhelm Trübner Öffentlichkeit wurde die erste Ausstellung Ablehnung von Mittelmaß und ihre inter­ (KAT. 373). Weitere Gruppen bildeten sich mit einem Festakt eröffnet. Die wichtigste nationale Ausrichtung. Stilistisch hinge­ in schneller Abfolge und führten zur Aus- Aufgabe sahen die Secessionisten darin, gen setzten sie keine Maßstäbe. differenzierung des Kunstbetriebs. BI zeitgenössischen, talentierten Künstlern ein Die Secession war die institutionelle Ant­ freies, demokratisches Forum zu bieten, Makela 1990-Harzenetter 1992-Best 2000. wort auf den herrschenden Pluralismus das sich durch kleine, anspruchsvolle Aus­ Ende des 19. Jhs., was aufgrund des enor­ stellungen hervortat. Im Vergleich zur men Zulaufs zu Konturenlosigkeit führen Münchner Secession (vgl. KAT. 21) agierte die musste. Die Naturalisten um Fritz von Uhde 22 I Secession Berlin (gegr. 1898) Berliner Secession moderner, sie ließ zwar (KAT. 133. 321) waren ebenso vertreten wie eine Vielzahl von Stilrichtungen zu. för• Ausstellungsraum, 1899, Fotografie, symbolistische Stilkünstler um Franz von derte aber insbesondere den Impressio­ Staatsbibliothek Berlin Stuck (KAT. 275, 345) oder späte Vertreter der nismus. Deshalb zog es Maler wie Lovis Gründerzeitmalerei. Es gab kein einheitli­ Die Berliner Secession wurde zwar erst 1898 Corinth (KAT. 344. 356, 357) oder Max ches ästhetisches Programm oder gar einen gegründet, doch gab es bereits seit 1892 Sievogt (KAT. 274, 341. 342, 371) nach Ber­ »Secessionsstil«, stattdessen zeigte sich be­ wegweisende Vorläufer, so etwa die Aus­ lin, die damit einmal mehr den ••Nieder• reits auf der ersten Ausstellung im Juli 1893 stellungsgemeinschaft Vereinigung der gang Münchens als Kunststadtee vor Au­ in ihrem neuen, provisorischen Gebäude Elf mit Künstlern um Max Liebermann gen führten. von Faul Pfann an der Prinzregentenstraße (KAT. 208, 273, 320, 366) und Walter Leisti­ Die Berliner Secession war künstlerisch oh­ ein sehr heterogenes Bild. Doch formal un­ kow (KAT. 201), die freie Ausstellungen in ne Zweifel die kämpferischste und weltof- terschied sich ihre Präsentation maßgeb• lich von der drangvollen Enge, die im Glas­ palast (vgl. KAT. 20) herrschte. und zeigte sich äußerst innovativ: Eine Jury wählte zu­ nächst wesentlich weniger Kunstwerke aus als üblich. Die Hängung erfolgte nach neuen Regeln, wie etwa Einreihigkeit in einer Linie auf Augenhöhe und in großzügigerem Ab­ stand, mit optimalem Oberlicht unter Ver­ zicht auf reich ausgestattete Interieurs. De­ zente, meist hell getönte, luxuriöse Tapeten schufen ein modernes Ambiente. Durch ihre innovative Ausstellungspraxis und den Erfolg bei Presse, Publikum und 22 Secession Berlin 210 KUNSTINSTITUTIONEN

fenste jener Institutionen in Deutschland. ke sicherte. Sie hatten bereits ihren Ausstel­ Organisatorisch lehnte sie sich in vielem lungen eine "corporate identity« gegeben, an die Strukturen der Münchner Secession wie es auch Behrens durch die Gestaltung an, etwa bei der strengen Auswahl nur we­ von Räumen, Plakaten und Drucksachen fiir niger Exponate, der Integration ausländi• die Berliner Jahrhundertausstellung gelang. scher Künstler oder der engen Anhindung Wenngleich die Schau ein vorübergehen• an den Kunsthandel. Geringere Mittel und des Ereignis war, zeigte sie doch dauerhaf­ weniger Platz zwangen sie jedoch, die aus­ te inhaltliche wie formale Wirkung. Eine gestellten Bilder meist in zwei Registern grundlegende Reform, die in den bewegten übereinander zu hängen. Nicht nur finan­ Jahren der Auseinandersetzung zwischen zielle Gründe, sondern auch der Bezug auf der sezessionistischen und der akademi­ die bewusst provisorischen Atelierraum­ schen Künstlerschaft stattfand, wandelte simulationen führten zu einem weniger ex­ die Nationalgalerie in eine "Moderne Bil- klusiven und luxuriösen Erscheinungs bild, dergalerie« um. BI wie es sich etwa bei den mit grober Sack Pau/1993, 238-241- Zel11993194, 7-83, bes. 23 Berlin,Jahrhundertausstellung der Ieinwand bespannten Wänden bemerkbar 23-27- Wesenberg 1996,364-370- Beneke deutschen Kunst machte. 1999- Schuster/Bärnreuther 1999. Auch die Berliner Secession blieb nicht vor Abspaltungen verschont. So formierte sich blendet; stattdessen erhielt die nicht offi­ 1910 die Neue Secession durch die jüngeren zielle, bürgerliche Kunst breiten Raum. Mit 241 Auktionshaus Heberle (gegr. 1802) Expressionisten, 1914 kam es zur Aufspal­ ihrem über 2000 Exponate umfassenden und Lempertz (gegr. 1845), Köln Überblick gab sie eine neue, antiakade­ tung in die Berliner Secession und die Freie Umschlag des ,.(atalogs der nachgelassenen Secession. BI misch geprägte Sicht auf die deutsche Kunst Kunst-Sammlungen des Bildhauers und des 19. Jhs., mit der sie erstmals einen bis Pfefferkorn 1972- Doede 1981- Paret 1981- Architekten Herrn Lorenz Gedon in München. heute verbindlichen Kanon etablierte. Teeuwisse 1986- Best 2000. Versteigerung zu München 17.-21.6.1884 Diese neuartige Sicht auf die Kunstwerke durch J. M. Heberle (H. Lempertz' Söhne) spiegelte sich auch in der modernen Prä• aus Cöln, München 1884" sentation wider. Der renommierte Archi­ 23 I Jahrhundertausstellung der tekt und Designer Peter Behrens war im Ok­ Die Anfänge des heute noch üblichen Kunst­ deutschen Kunst, Berlin (1906) tober 1905 von Tschudi mit der Gestaltung auktionshandels lagen im 16. Jh. in den Nie­ der Ausstellung beauftragt worden. Da sie derlanden, ohne dass sich damals bereits Nationalgalerie, Wandgestaltung, 1906, in sämtlichen Räumen der Nationalgalerie Häuser fest etabliert hätten. Erst im 18. Jh. Fotografie, Berlin, SMB, Archiv der entstanden mit dem Dorotheum, mit Chri­ Nationalgalerie und in vier Sälen des Neuen Museums ge­ zeigt werden sollte, sah er eine ephemere stie's und Sotheby's große, bis heute existen­ Ein Jahr nach der Menzel-Retrospektive Verkleidung der Räume vor, hinter der die te Auktionshäuser in Wien und London. In wurde im Januar 1906 die lang vorberei­ vorhandenen Dekorationen im Geschmack Deutschland hingegen sollte es bis zum tete Jahrhundertausstellung der deutschen der Gründerzeit sowie schwer transportable, 19. Jh. dauern, bis sich ähnliche Institutionen Kunst 1775-1875 in der Berliner National­ ständige Exponate wie die Kartons von Pe­ entwickelten. Ein Bedarf entstand durch die galerie (KAT. 17) in Anwesenheit des preu­ ter von Cornelius verschwinden konnten. Säkularisation, als die meisten geistlichen ßischen Kronprinzen eröffnet. Die Retro­ Entsprechend musste der obere Raumab­ Fürstentümer aufgehoben wurden und spektive der deutschen Malerei von Anton schluss durch geraffte Tuchsegel verdeckt immense Kunstschätze und Klosterbiblio­ Graff bis Wilhelm Leib! (KAT. 143, 265, 323), werden. Die verbleibende Wand war mit theken auf den Markt gelangten. differenziert nach regionalen Kunstzen­ hellem Leinen bespannt, in zwei Zonen Das offizielle Gründungsdatum des ältesten tren, entsprach in Auswahl und Akzentset­ untergliedert durch eine sparsam aufge­ heute noch im Familienbesitz befindlichen zung der Ästhetik der Veranstalter Alfred druckte, goldene Ornamentik, die auf den Auktionshaus Lempertz in Köln wird mit Lichtwark (1852-1914), Hugo von Tschudi bürgerlichen Klassizismus um 1800 Bezug dem Jahr 1845 angegeben, doch seine Ge­ (1851-1911), Julius Meier-Graefe (1867-1935) nahm. schichte führt bereits in die Anfänge des und Woldemar von Seidlitz (1850-1922). Vorläufer dieser Gestaltung war der von 19. Jhs. zurück. 1802 eröffnete Johann Ma­ AusschlaggebenderWertmaßstab war für Josef Hoffmann und Kaloman Moser seit thias Heberle in der Handelsstadt Köln eine sie die rein malerische Qualität eines Kunst­ 1902 in der Wiener Secession erprobte Ga­ Druckerei, die fünf Jahre später um einAn­ werks. Ihr Blick ging vom internationalen lerietyp, der der Erkenntnis folgte, dass die tiquargeschäft mit Auktionsanstalt erwei­ Naturalismus, Pleinairismus und Impres­ Reduktion des Ornaments zugunsten einer tert wurde. Hier fand im August 1811 die sionismus aus; ein Blick, von der Moderne wahrnehmungsästhetisch neutralen und in erste Auktion der Firma J M. Heberle statt, zurück auf die historische Kunst. Die aka­ der Nutzung flexiblen Ausstellungsfläche der weitere Buch- und Kunstauktionen folg­ demische Historienmalerei wurde ausge- die Autonomie der ausgestellten Kunstwer- ten. Nach dem Tod Heberies 1840 übernahm KUNSTINSTITUTIONEN 211 sein 24-jähriger Mitarbeiter Heinrich Lem­ rischen Erkenntnissen beruhte. Basis der händler, der auch bereit war, kommerziel­ pertz, Geschäftsmann und Wissenschaft­ Auktionen waren die gewissenhaft recher­ Je Wagnisse einzugehen. In Berlin wiesen ler, das Unternehmen, machte es zu einem chierten Kataloge, die schon damals alle Fritz Gur litt, Eduard Schulte oder Paul Cas­ der größten Buch-und Kunstauktionshäu• wissenswerten und notwendigen Details sirer seit den 188oer Jahren den Weg, den ser Europas und übergab es 1872 an seine bereithielten: die Verkaufsordnung und später auch Ernst Arnold in Dresden oder beiden Söhne Carl und Heinrich. -bedingungen, eine genaue Beschreibung Heinrich Thannhauser in München gehen Während dieses Haus nur bis in die 192oer der zur Versteigerung anstehenden Objekte sollten, indem sie die umstrittene französi• Jahre bestand, konnte sich eine Zweigfirma mit Maß-und Preisangaben, häufig ergänzt sche Malerei erstmals nach Deutschland bis heute behaupten: 1844 hatte Heinrich durch ein Vorwort und vereinzelt durch Ab­ holten, die deutsche Freilichtmalerei sa­ Lempertz in Bonn eine Filiale eröffnet und bildungen. BJ lonfähig machten, der künstlerischen seinen Bruder Mathias als Geschäftsfüh­ Avantgarde Rückhalt boten und in engem Hanstein 1952- Wilhelm 1990 - Gerlach 2003. rer eingesetzt, der diese ab 1854 unter sei­ persönlichen, nicht selten freundschaftli­ nem Namen leitete. Nach beachtlichen chen Kontakt mit den Künstlern standen. Bücher-Auktionen spezialisierte er sich Vor allem in den Jahren 1898 und 1899 jagte in der 2. Hälfte des 19. Jhs. auf Gemälde 25 I Kunstsalons und moderne Kunst­ in Berlin eine bedeutende Ausstellung die handlungen (um 1900), Berlin nächste. Keller & Reiner präsentierten erst­ mals neoimpressionistische Künstler, der Anonym, Die Berliner Kunst-Salons, 18gg, Kunstsalon Ribera widmete den Warpswe­ Illustration, in: Lustige Blätter, Bd. 14, Heft 12 der Malern (vgl. KAT. 9) eine Ausstellung, TAFELS. 99 Gurlitt zeigte die deutschen Impressioni­ Spielte Berlin während des 19. Jhs. keine sten und Symbolisten. Schulte Arbeiten der führende Rolle in der Produktion und Dis­ Gruppe der Elf(vgl. KAT. 22) und Cassirermo­ tribution von Kunst, so gelang es der preu­ derne holländische Meister. Pierre Puvis de ßischen Hauptstadt Ende des Jährhunderts Chavannes, Edgar Degas, Claude Monet. gewaltig aufzuholen. Sie wurde vor allem Auguste Renoir, Giovanni Segantini und aufgrund ihrer bedeutenden Kunstsalons Altred Sisley waren erstmals in Deutsch­ und modernen Kunsthandlungen - ver­ land zu sehen. Herausragendes Beispiel für gleichbar mit Paris - zum Magneten für die neue Generation der später als Galeristen Künstler und Kunstpublikum Um neue Re­ bezeichneten Kunsthändler ist die Familie zipienten- und Käuferkreise zu erschließen, Cassirer, die seit 1898 im Rampenlicht des entwickelten die Kunsthändler innovative Geschehens stand. Ihre von Henry van de Strategien: Die wohl uberlegte Gestaltung Velde modern und schlicht ausgestatteten 24 Katalog Auktionshaus Heberle und Lempertz ihrer Präsentationsräume mit gut ausge­ Ausstellungsräume waren Treffpunkt der leuchteten Exponaten wurde ergänzt durch Berliner Kunstszene. ••Durch Manet und und Kunstgewerbe. Es kamen bedeutende Bibliotheken und Leseräume, die zum Ver­ Monet zu money«- die Devise einer Kari­ Kunstsammlungen zum Aufruf, wodurch weilen einluden. Hier konnte sich die neue katur in den Lustigen Blättern 1899 offen­ die Firma Math. Lempertz zu einem der Käuferschicht in Büchern und Periodika bart ihr Programm, das sich vor allem den führenden Kunstauktionshäuser Deutsch­ Informationen über Künstler, Trends und französischen Impressionisten widmete. lands avancierte. Maßgeblichen Anteil da­ den Markt verschaffen. Vortragsveranstal­ Der Einfluss der Galeristen auf die Durch­ ran hatte Lempertz' Mitarbeiter Peter Han­ tungen ausgewiesener Experten klärten den setzung und Etablierung einzelner Künst• stein, der 1875 die Führung des Unterneh­ Laien über künstlerische Entwicklungen auf. ler sowie ganzer Kunstströmungen sollte mens übernähm und das Auktionsgeschäft Dichterlesungen und Musikaufführungen schließlich die weitere Entwicklung der sukzessive nach Köln verlagerte. waren zusätzlich dazu angetan, ein Publi­ Kunstgeschichte bestimmen. BJ Profitieren konnte der Auktionshandel kum anzulocken. Teeuwisse 1986-Lenman 1994- Thurn 1994 - durch die rasante Preisentwicklung wäh­ Wichtigste Aufgabe der Händler, die meist Walter-Ris 2003. rend der Gründerzeit, die durch eine wach­ auch publizistisch und editorisch aktiv wa­ sende Nachfrage von Privatsammlern und ren, bildete die intensive Betreuung der von öffentlichen Museen nach originalen Kunst­ ihnen vertretenen Künstler. Mit diesem werken entstand. Kunst wurde gar zum Panorama von Tätigkeiten und Ereignissen, Spekulationsobjekt, ihr Wert zunehmend die auf eine weite Öffentlichkeit zielten, durch Originalität bestimmt. Dabei musste entstand um die Jährhundertwende eine der Sammler bei der Beurteilung sicher ge­ neue Institution: Neben die alte Kunsthand­ hen, dass er keine Kopie erwarb, und war lung, die das Geschäft mit wertmäßig ge­ damit auf einen seriösen Kunsthandel an­ sicherten Werken betrieb, trat die moder­ gewiesen, dessen Angebot auf kunsthisto- ne Galerie mit einem überzeugten Kunst-