Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

ROLF HERZOG

Warum hat Nachtigal nur wenig über Kordofan berichtet?

Originalbeitrag erschienen in: Herbert Ganslmayr(Hrsg.): Gedenkschrift : 1874 - 1974. Bremen: Selbstverl., 1977, S. 113 – [133] R. Herzog Warum hat Nachtigal nur wenig über Kordofan berichtet?

Aus: GEDENKSCHRIFT GUSTAV NACHTIGAL 1874 - 1974

Veröffentlichungen aus dem Übersee-Museum Bremen Reihe C, Band 1 (= Deutsche Geographische Blätter, N.F., Band 1) WARUM HAT NACHT1GAL NUR WENIG ÜBER KORDOFAN BERICHTET?

Rolf Herzog

Die letzte Etappe von Gustav Nachtigals großer Reise führte von el-Fasher (Darfur) über el-Obeid (Kordofan) nach Khartum. Nach einem etwa viermonati- gen Aufenthalt in dem damals noch unabhängigen Darfur stattete Nachtigal Anfang Juli 1874 dem ihm wohlgesonnenen Herrscher einen Abschiedsbesuch ab. Er trat wenige Tage danach in Begleitung ortskundiger Händler die Reise ost- wärts an, in eine Landschaft, die in diesen Wochen bereits Aufmarschgebiet von Truppen war, die gemäß den türkisch-ägyptischen Expansionsplänen das unab- hängige Darfur erobern sollten, wovon noch zu sprechen sein wird. Im Westen Kordofans überschritt Nachtigal nach eigenem Empfinden die Grenze zur Zivi- lisation. So verstand er wohl den Eintritt in das Hoheitsgebiet des osmanischen Reiches, zu dem das Deutsche Reich diplomatische Beziehungen unterhielt, d.h. einen Gesandten in Konstantinopel, einen Generalkonsul in Kairo und einen Honorarkonsul in Khartum. Diese vorwiegend formale Absicherung hätte Nachtigal eigentlich nicht das Gefühl der Rückkehr in geordnete Verhältnisse, in seiner Sprache in die Zivilisation, vermitteln dürfen, denn die ägyptische Verwaltung Kordofans entsprach zu jener Zeit kaum strengen Maßstäben. Wenn sich auch die Gouverneure und darunter rangierende Verwaltungsbeamte nicht mehr offen selbst am Sklavenhandel beteiligten, so duldeten sie ihn doch oft stillschweigend. Der Khedive Said hatte zwar während seiner Regierungszeit (1854 - 63) den Sklavenhandel im verboten und zu unterdrücken versucht, jedoch mit nur geringem Erfolg (R. Hill, 1959: 102).

Im 3. Bande seines berühmten Reisewerkes „Sahara und Sudan" kam tdiese Weg- strecke nur sehr kurz weg. Im folgenden möchte ich mutmaßen, warum wohl Nachtigal so wenig über Kordofan berichtete. Zuerst ist festzuhalten, daß Nachtigal am Ende seiner Reise noch einen längeren Erholungsaufenthalt in dem Schwefelbad Helwan bei Kairo einlegte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland - 114 -

wurde er als Entdecker gefeiert, Ämter und Aufgaben politischer, diplomatischer und wissenschaftsorganisatorischer Art wurden ihm angetragen. Solche Aktivi- täten nahmen ihn so stark in Anspruch, daß die Arbeit am Manuskript seines Afrikawerkes nicht sonderlich rasch vorankam. 1882 wurde er schließlich zum Generalkonsul in Tunis und später zum Beauftragten des Kaisers für die Erwer- bungen deutscher Schutzgebiete ernannt. Von dieser politisch nachhaltig wirken- den Tätigkeit kehrte er nicht mehr zurück. An Bord eines deutschen Kriegsschif- fes starb er im April 1885 im Alter von nur 51 Jahren.

Immerhin lagen zehn Jahre zwischen der Rückkehr von der Expedition und seinem frühen Tode. Erst fünf Jahre nach Abschluß der Reise erschien 1879 in einem Berliner Verlag der erste, nochmals drei Jahre später der zweite Band sei- nes Werkes über die Sahara und den Sudan. Vergleicht man die Zeitspanne zwischen Heimkehr und Fertigstellung des 1. Bandes der Ergebnisse, so bleibt Nachtigal - etwa im Vergleich zu Barth, Rohlfs, Schweinfurth und Junker - der publizistisch langsamste der großen deutschsprachigen Entdecker Afrikas.

Den abschließenden Teil hat er selbst nicht vollendet. Die Herausgeberin des 3. Bandes schreibt: " . . . doch war seinerzeit der Bericht über die Reise von Bornu nach Wadai und Darfur und von da nach el-Obeid von ihm einem Steno- graphen in die Feder dictirt worden. In gleicher Weise war der Aufenthalt in Wadai und Darfur geschildert, jedoch sämmtliche Dictate waren späterer Bearbei- tung vorbehalten und aus diesem Grunde von dem Verfasser weder der Correctur noch auch einer Durchsicht unterworfen worden. Außer den genannten Manuskripten lagen Tagebücher und Aufzeichnungen des Verstorbenen aus Bornu, Wadai und Darfur vor, die zum größeren Theile auf Erkundigungen beruhten und die Gebräuche Wadais, die Volksstämme des Landes, Sitten und Gebräuche usw. betrafen . . . ". Offenbar lagen keine über das Diktat hinausgehenden Unter- lagen über Kordofan vor. Nachtigal scheint die frischen Eindrücke der letzten Reisewochen weder in Khartum noch in Ägypten zu Papier gebracht zu haben.

Erst vier Jahre nach seinem Tode erschien der Schluß bei Brockhaus in Leipzig, somit in einem anderen Verlag als die beiden vorangegangenen. Herausgegeben wurde er von Frau E. Groddeck, über die ich keine biographischen Angaben erreichen konnte. Nur das, was sie selbst im Vorwort schreibt, steht zur Verfü- gung. Daraus geht einmal hervor, daß ihr „afrikanische Verhältnisse nicht fremd waren", daß sie mit Nachtigal den Inhalt des 3. Bandes oft besprochen und er dabei die Absicht zu erkennen gegeben hatte, sie bei der Redaktion mitwirken zu lassen, und daß er schließlich ihr letztwillig seinen literarischen Nachlaß anver- traute. Sie gesteht selbst ein, daß sie sich weder als Gelehrte noch als fachlich kompetente Frau fühlte und es deshalb als ihre Aufgabe ansah, sich streng an das zu halten, was Nachtigal noch zu Lebzeiten diktiert hatte. Über den Schluß des Nachtigalschen Manuskriptentwurfs erfahren wir von Frau Groddeck: „Dr. Nachtigals Reisebericht, wie er ihn selbst dem Stenographen dictirt hatte, schließt mit seiner Ankunft in el-Obeid ab. Es wird vielleicht als eine Lücke empfunden werden, daß derselbe nicht nach den , vorhandenen Quellen bis zur Ankunft des Reisenden in Kairo fortgeführt ist." •

Fand Nachtigal nicht mehr die Zeit, weitere Beobachtungen in Kordofan ins Stenogramm zu diktieren? Waren ihm im Laufe der Jahre schon Einzelheiten und Zusammenhänge entfallen? Hielt er den letzten Teil seiner Reise etwa für uninteressant, weil andere über Kordofan schon berichtet hatten? Glaubte er den Umfang seines bereits mehrbändigen Reisewerkes nicht noch weiter aus- dehnen zu dürfen? Es soll im folgenden untersucht werden, ob Nachtigal Grund hatte, bei wissenschaftlich interessierten deutschsprachigen Lesern eine schon ausreichende Information über Kordofan voraussetzen zu dürfen, die ihm eine nochmalige Beschreibung entbehrlich scheinen ließ. Welche Quellen standen über Kordofan damals zur Verfügung? Von welchen Forschungen, die noch zu seinen Lebzeiten durchgeführt oder wenigstens begonnen wurden, konnte Nachtigal Kenntnis genommen haben? Im folgenden soll ein Abriß der über Kordofan vorhandenen Publikationen deutscher Sprache die Grundlage für eine Antwort auf die angeschnittenen Fragen geben.

Die Reisenden, welche vor Nachtigal Kordofan erreichten, sind verkehrsgeo- graphisch in zwei Gruppen zu gliedern. Ein Teil gelangte bis el-Obeid, d.h. in die Hauptstadt der Provinz, manche sogar von dort aus nach den Nubabergen oder -116-

nach Westkordofan an die Grenze Darfurs. Nicht wenige berührten Jedoch nur den äußersten Nordosten Kordofans, wenn sie die Route von Ägypten nach Khartum über Dongola legten. Dann verkürzten sie, wie man es heute noch tut, den Weg, indem sie vom Nilknie bei ed-Debba durch die Bajuda-Wüste mit nur geringer Abweichung von der Luftlinie nach Omdurman ritten. Diese Durchquerung wurde in deutscher Sprache erstmals von Krump beschrieben, der sie 1 700 miterlebte. Sie vermittelt allerdings nur eine dürftige Vorstellung von den Verhältnissen Kordofans.

Im 18. Jahrhundert blieben Nachrichten über Kordofan spärlich: Krump (Herzog 1957) am Anfang und W.G. Browne am Ende dieses Jahrhunderts. Das Ziel des englischen Reisenden war Darfur, welches er auf der berühmten Karawanenstraße Darb el Arbain (Herzog 1963) erreichte. Über Kordofan, damals von einem Statthalter Darfurs regiert, gab es nur beiläufige Informationen von Gewährs- leuten. Auch der berühmte Schweizer Forscher J.L. Burckhardt (1819) konnte 1813 in Nubien nur wenige Aussagen von reisenden Händlern über Kordofan sammeln, welches zu betreten ihm die unruhigen politischen Umstände ver- wehrten.

Nach der Eroberung Kordofans durch die türkisch-ägyptischen Truppen 1821 war der deutsche Naturforscher Eduard Rüppell (1794 - 1884) der erste, der Kordofan erforschte. Zunächst hatte er die Bajuda-Wüste durchquert und andere Teile des Sudans durchstreift. Im Winter 1824/25 hielt er sich einige Wochen in Zentral- kordofan, besonders in el-Obeid, auf. Er war vom Nilknie aus auf einer seltener benutzten Piste genau südwärts nach Bara geritten. Nach weiteren Forschungen am Roten Meer und auf dem Sinai kehrte er 1827 nach Deutschland zurück. Schon zwei Jahre später veröffentlichte er in gedrängter Form, und nicht in der damals üblichen Art eines Tagebuchs, seine Forschungsergebnisse (vgl. R. Mertens, 1949).

Nach Rüppells Aufenthalt in Kordofan vergingen immerhin ein Dutzend Jahre, bis die nächsten Europäer nach Kordofan gelangten. Es war einmal ein etwas ex- zentrischer, aber sehr schreibfreudiger Deutscher, Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785 - 1871), der seine Durchquerung der Bajuda- Wüste im Juli 1837 in seinem Buche mit dem nicht sonderlich aussagekräftigen Titel „Die Rückkehr; vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen" schildert. Er- kundigungen über andere Teile Kordofans arbeitete er in sein Buch „Aus Mehemed Alis Reich" ein. Der österreichische Geologe und Bergfachmann Josef Russegger (später Ritter von Russegger, 1802 - 1863) war 1835 in den Dienst Mohammed Alis getreten, um in Oberägypten und im Sudan nach Bodenschätzen zu suchen. Darunter ver- stand der Herrscher in Kairo in erster Linie Gold. Hartnäckigen Gerüchten zufolge sollte es dergleichen in den Nubabergen geben. Diese Erwartungen wurden zwar durch Russeggers Expedition nicht erfüllt, doch hatte die Wissenschaft durch seine Berichte echten Gewinn. 1837 hielt er sich in Kordofan auf. In einem kaum noch bekannten Fachorgan berichtete er von der Verarbeitung von Raseneisenerz in einer Landschaft nördlich von el-Obeid. Zu Russeggers Mannschaft gehörte der österreichische Botaniker und Zoologe Theodor Kotschy (1813 - 66). Nachdem sich die Expedition nach Abwicklung ihres Auftrages auflöste, ging Kotschy 1839 noch einmal allein nach Kordofan. Auszüge aus einem lange unveröffentlicht gebliebenen Tagebuch wurden 23 Jahre später von A. Petermann/B. Hassenstein herausgegeben (vgl. L. Keimer, 1953: 14).

Russegger und Kotschy begegneten in Kordofan dem . britischen Arzt T. Holroyd, der als unabhängiger Weltreisender diese entlegenen Gegenden durchstreifte. Er veröffentlichte seinen Bericht über Kordofan 1839 im Journal der Londoner Geographischen Gesellschaft.

Von einem Deutschen, der als Regierungsarzt längere Zeit am einzigen Hospital in Kordofan praktizierte, sind leider keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Bevölkerung Kordofans, die er um diese Zeit vermutlich besser als irgend ein an- derer Europäer kannte, gefunden worden. Dr. med. Iken wird von zwei deutsch- sprachigen Reisenden erwähnt. 1837 wirkte er als Arzt in Dongola. Bald darauf hat er den Dienst in Kordofan angetreten. Daß er sich freiwillig nach Kordofan begeben hat, scheint nicht wahrscheinlich, denn er dürfte gewußt haben, wie viele seiner Vorgänger dem Klima und den Tropenkrankheiten dort schon erlegen waren. I. Pallme, auf den gleich eingegangen wird, schildert die Kurzlebigkeit der Regierungsärzte in Kordofan (5. 118): „Von den seit 17 Jahren in Kordofan angestellten 16 europäischen Ärzten und Apothekern starben sieben, und von acht Engländern, welche zur Eröffnung der Eisenminen in diese Provinz abge- sandt wurden, starben in weniger als zwei Monaten sechs, und die anderen zwei konnten nur durch eine eilige Flucht aus dieser ungesunden Gegend dem Tode entgehen." Das Hospital von el-Obeid, in dem Dr. Iken Dienst zu tun hatte, war an sich nur für das Militär eingerichtet und wohl nicht einmal für ambulante Be- handlungen von Zivilisten gedacht. Wurde einer von den Soldaten krank, „so kommt er zwar in das Spital, aber dies ist ein wahrer Schrecken, denn sobald einer krank diesen Ort betritt, so kann er auch sein Testament machen und sich auf sein Ende vorbereiten, denn wenige sind so glücklich, diesen Ort lebend zu verlassen; man würde wirklich besser tun, die Soldaten nach ihrer Lebensart sich selbst kurieren zu lassen . . . " (5. 130). Aufgrund der Totenlisten und der Zahl der Spitaleinweisungen kommt Pallme zu dem Ergebnis, daß von den er- krankten Soldaten, die sich selbst mit landläufigen Heilmitteln kurierten, 27 v.H. mehr am Leben blieben als von den mit ägyptisch-europäischer Medizin behan- delten. „Die ägyptischen Ärzte und Apotheker, kaum der Elementarschule entlaufen und sich selbst überlassen, behandeln den kranken Soldaten wie das liebe Vieh, untersuchen keine Krankheit, verschreiben was ihnen gerade in den Sinn kommt, und kümmern sich wenig, ob sie einen Menschen am Leben erhalten oder nicht . . . Als ich in Lobeid ankam, traf ich nur einen europäischen Arzt, Dr. Iken, einen Hannoveraner daselbst an, der bereits leidend keinen Dienst mehr versehen konnte, und auch nach kurzer Zeit starb. Es traf sich nun, daß der arabi- sche Arzt, welcher seinen Unfug früher im Spital trieb, in der Regenzeit auch erkrankte, und so kam der Dienst auf den Apotheker . . ." (S. 130/31). Dr. Iken wurde wie sieben vor ihm verstorbene Europäer gleich nahe dem Spitalplatz begraben. Pallme pflanzte auf dem Grabhügel ein Bäumchen und war schon bereit, in der Nähe seinen Ruheplatz zu suchen (S. 170), weil auch er schwer erkrankte.

Dieser Einschub in die Publikationsübersicht soll zeigen, daß von Rüppell und Russegger bis Pallme gewiß Europäer nach .Kordofan gelangten, auch zum Teil sich dort länger aufhielten, aber eben viel zu schnell den strapaziösen Lebens- bedingungen erlagen, wie der beschriebene Arzt, um noch wissenschaftliche Nachrichten an die Heimat zu schicken.

Für das Bild Kordofans in Europa wurde die Beschreibung eines reisenden Kauf- mannes besonders bedeutsam. Nicht nur, daß er sich von allen bisherigen Auto- ren am längsten in diesem Lande aufhielt, sondern auch durch den Umstand, daß seine Beschreibung in zwei Sprachen erschien, nämlich zuerst im deutschen Original 1843, und ein Jahr später in der englischen Übersetzung. Über lgnaz Pallme ist wenig bekannt. Er soll 1810 in der Kleinstadt Rumburg in Nordböhmen geboren sein (vgl. Keimer, 1953: 15; Hill, 1967: 301), war also österreichischer Staatsangehöriger. Ich habe mich vor einigen Jahren vergeblich bemüht, Nachrich- ten aus dem Stadtarchiv, sofern ein solches die Kriegswirren überdauert hat, oder aus Kirchenregistern über ihn zu beschaffen. Rumburg ist mir aus meiner Jugend bekannt. Ich bin deshalb der Vorrede der Herausgeber der deutschen Ausgabe, Widemann, Redakteur des Auslandes, und Hauff, Redakteur des Morgenblattes, gegenüber skeptisch, wonach Pallme des Deutschen nur unzuläng- lich mächtig gewesen wäre und „das Deutsche mehr vom Umgange mit Deutschen als genau grammatikalisch lernte". Rumburg war eine der nördlichsten Städte Böhmens in rein deutschsprachigem Gebiet. Falls er nicht als Kleinkind schon seine Heimatstadt verlassen hat, ist er auf jeden Fall mit Deutsch als Mutter- sprache aufgewachsen und dürfte nur in beträchtlicher Entfernung Gelegenheit gehabt haben, Tschechisch zu hören. Das Schulwesen war in Rumburg zu dieser Zeit nicht schlechter als in anderen deutschsprachigen Ortschaften der Donaumo- narchie von vergleichbarer Größe. Kurz, mir klingt die Notiz der Herausgeber, daß „das Manuskript nicht ohne sorgfältige Korrektur gedruckt werden konnte", überheblich. Geistig so unbedarft, wie sie den Autor mit fast spürbarer Arroganz zu charakterisieren beliebten, war Pallme gewiß nicht. Er hatte ihnen auf jeden Fall voraus, daß er einigermaßen arabisch sprach, was er in längerem Aufenthalt in Ägypten erlernt hatte. Einige Stellen seines Buches könnte man auch so ver- stehen, als habe er davor einige Zeit in Algerien gelebt.

Seinen schon als Weggefährten Russeggers genannten österreichischen Lands- mann Kotschy hatte er nach eigenen Angaben (5. 62) in den letzten fünf Jahren vor seiner Kordofanreise in drei Erdteilen insgesamt fünf Mal zufällig getroffen, zuletzt auf Zypern. Pallme war allen Indizien nach ein Kaufmann mit beträchtli- cher Erfahrung in Nordafrika und der Levante. Auch spricht für seine Kompetenz der Umstand, daß es der zu dieser Zeit schon berühmte Afrikaforscher Antoine dAbbadie war, der ihn aufgefordert hatte, seine Beobachtungen niederzuschrei- ben. Das Manuskript wurde in Kairo im September 1841 abgeschlossen. Es zeigt, daß Pallme solide Kenntnis der einschlägigen Literatur besaß, daß er auch die Publikationen der beiden vorangegangenen deutschsprachigen Reisenden Rüppell und Russegger kannte. Nach Hill ist Pallme bald nach seiner Rückkehr von dieser Reise in Kairo gestorben. Daß seine Transkription sudanarabischer Namen und Termini uns heute oft ungewohnt erscheint, darf nicht verwundern, denn in diesen Jahrzehnten gab es noch keine Regeln für die Übertragung des Arabischen in lateinische Schriftzeichen. Jedem Autor blieb also ein weiter Ermes- sensspielraum, den er je nach seiner phonetischen Begabung oder zuweilen auch nach seinem Verlangen, vulgärarabische Termini der vermeintlichen hoch- arabischen Schreibung anzugleichen, ausfüllte.

Zwei Kapitel seines Buches erschienen noch vor Fertigstellung der englischen Aus- gabe in britischen Zeitschriften, wozu ein prominenter Vertreter der Anti- sklavereibewegung in Pallmes Zustimmung eingeholt hatte. Alles, was Pallme über das Stromsystem des Weißen Nils und seiner westlichen Nebenflüs- se, besonders des Bahr el-Ghazal, von Informanten an Auskunft erlangen konnte, stellte er dem schon genannten dAbbadie zur Verfügung, der dies mit seinen eigenen Interpretationen der Akademie in Paris und der Geographischen Gesell- schaft in London 1840 vortrug. Auch das mag als Beweis für das Ansehen Pallmes gelten.

Das Motiv zu seiner Reise war aber weder die Bekämpfung des Sklavenhandels noch die Erforschung der Nilquellen. Er ging mit einer rein merkantilen Ziel- setzung von Kairo aus auf die Reise. Die europäischen Handelshäuser waren in erster Linie an drei Produkten Kordofans interessiert, die sie durch Agenten in Ägypten einkaufen ließen: Elfenbein, Straußenfedern und Gummiarabikum. Bevor der Suez-Kanal eröffnet wurde, transportierte man diese Güter von eI- Obeid oder von el-Fasher bzw. Kobe in Darfur auf der berühmten Wüstenroute des Darb el-Arbain (=Straße der 40 Tage) westlich des Nils bis Asiut im mittleren Ägypten und von dort auf Nilbarken bis Alexandria (Herzog 1963). Pallme sollte offenbar direkte Handelsbeziehungen auskundschaften oder anbahnen, um die zu zahlreichen kostentreibenden Zwischenhändler auszuschalten, vielleicht auch, um die Grenze der Wirksamkeit der Staatsaufsicht über die Handelsmono- pole zu ermitteln.

In den ersten zehn Jahren nach Pallmes Aufenthalt in el-Obeid sind mindestens drei Deutsche durch Kordofan gereist: Gemeinsam mit dem späteren preußischen Diplomaten und Generalstabsoffizier Heinrich Abeken (1809 - 72) durchquerte der international anerkannte, ja bahnbrechende Ägyptologe Richard Lepsius (1810 - 84) die Bajuda, um von dem einen berühmten Ruinenfeld von Meroe zum anderen am Djebel Barkal zu gelangen. In seinen „Briefen" (1852: 227ff.) schil- derte er einige Erlebnisse und Beobachtungen. Abeken trug seine Beobachtungen der Berliner Gesellschaft für Erdkunde vor. Der dritte war ein bedeutungsloser Abenteurer. Russegger (S. 94) charakterisiert ihn als einen „Zeugschmied aus Baden", der 1843 weite Teile Kordofans durchstreift haben soll. Doch gehört er zu jenen, die keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen haben.

Die nächste Gruppe bestand aus dem Baron Johann Wilhelm von Müller (1824 - 60), der zeitweise als österreichischer Generalkonsul für Zentralafrika amtierte, und dem später durch sein „Tierleben" berühmt gewordenen Zoologen Alfred Edmund Brehm (1829 - 84), der als Achtzehnjähriger den erstgenannten als Sekretär begleitete. Beide hatten schon die Bajuda auf einer sehr weit öst- lichen Route, die Adalbert von Barnim (S. 245) kartographisch festhielt, durch- quert. In Khartum machten sie die Bekanntschaft von John Petherick (1813 - 82), einem Waliser Bergbauingenieur, der von Mohammed Ali als Geologe in Dienst genommen war, um in verschiedenen Teilen von dessen Reich nach Boden- schätzen, in seinem Falle besonders nach Kohlevorkommen, zu suchen. Er be- herrschte das Arabische besser als die beiden Deutschen und war im Range eines Majors eingestuft, was ihm auch den Behörden gegenüber eine stärkere Position verschaffte. Diese Vorteile im Auge, schlossen sich die beiden Deutschen Petherick nach Kordofan an. Der Brite hat länger als irgendeinert ,der bisher genannten Autoren im Sudan zugebracht. Nach seinem Ausscheiden als Regie- -122-

rungsgeologe blieb er wegen des Gummiarabikumhandels noch bis 1853 in el-Obeid. Als dieser Handel nicht mehr lukrativ blieb, verlegte er sich auf den An- kauf von Elfenbein am Weißen Nil, wurde 1858 zum britischen Vizekonsul in Khartum ernannt, spielte dann eine Rolle bei der Bekämpfung des Sklaven- handels, in den auch einige in Khartum ansässige Europäer verwickelt schienen, und kehrte erst 1865 nach England zurück. Er schrieb zwei Bücher über seine langjährigen Erfahrungen (1861 und 1869), Werke also, die Nachtigal durchaus hätten zur Verfügung stehen können.

1847/48, offenbar ohne Kontakt zu den anderen Europäern, hielt sich mit Mansfield Parkyns (1823 - 94) ein weiterer Engländer in Kordofan auf. Er kam von Äthiopien und zog nach Ägypten weiter.

Im Gegensatz zu Petherick hielten sich die beiden Deutschen 1848 bei weitem nicht so lange in Kordofan auf. Sie wurden, wie viele ihrer Vorgänger, von Tropenkrankheiten heimgesucht. „Ich unterlasse es", stöhnte Brehm (S. 288), „um nicht zu ermüden, die Aufzählung der Reihe von Krankheiten, welche uns - auch der Baron bekam schon am folgenden Tage das sogleich mit Delirium begin- nende klimatische Fieber - von nun an unablässig quälten, und schicke voraus, daß wir während der vier Monate unseres Aufenthaltes in dem Steppenlande Kordofan das Fieber in seinen verschiedenen Gestalten und Arten gar nicht los werden konnten. Mehr als dreißig Tage mußten wir auf elendem Schmerzenslager zubringen, dreifach schwer wurden uns die Beschwerden, denen jeder Reisende in diesem Lande ausgesetzt ist, dreifach schwer alle Entbehrungen, welche er zu ertragen hat." Brehm hat dann noch ein zweites Mal die Bajuda 1850 durch- quert. Seine Reiseerlebnisse waren 1862 in Jena erschienen.

Rascher hatte von Müller, der vor Brehm nach Europa zurückgekehrt war, einen Teil seiner Erlebnisse publik gemacht. Im April 1849 trug er der Wiener Akademie der Wissenschaften einen Bericht über seine wissenschaftliche Reise in Afrika vor, worin er auch einige Beobachtungen aus Kordofan einflocht, die insbesondere heftige Anklage gegen die Türken und Ägypter enthielten, denen er wohlorgani- sierte Sklavenjagden vorwarf. Der Akademie-Abhandlung sind Zeichnungen von der Durchquerung der Bajuda und eines Stadtteiles von el-Obeid beigegeben. -123-

Blutjung wie Brehm war auch Adalbert Freiherr von Barnim (1841 - 1860), als er zusammen mit seinem Begleiter Robert Hartmann (1831 - 93) die Bajuda durchquerte. Weniger glücklich lief allerdings das Unternehmen für ihn aus, denn er erlag in er-Roseires einer Tropenkrankheit. Die Reiseaufzeichnungen wurden 1863 von seinem Begleiter herausgegeben. Sie enthielten vergleichsweise wenig über Kordofan. Über die Karawanenroute durch die Bajuda hatte v. Barnim noch selbst eine kartographische Skizze entworfen, die 1862 in einer geographi- schen Zeitschrift erschien (Herzog 1975).

Der deutsche Forschungsreisende Eduard Vogel (1829 - 56) war von der African Society in London nach dem Zentralsudan entsandt worden, um dort bei dessen Forschungen zu unterstützen. Nach Absprache mit Barth hatte er 1856 von Kuka aus das zu dieser Zeit extrem fremdenfeindliche Wadai zu erforschen versucht, soll aber dort mit Billigung des Herrschers wegen Spionage- verdachts erschlagen worden sein. Sein Schicksal wurde erst viel später von Nachtigal aufgeklärt (vgl. hierzu auch F. Ratzel, 1906: S. 476 - 80). Unter den zahlreichen Expeditionen, die, solange man noch hoffte, ihn lebend wiederzufin- den, von verschiedenen afrikanischen Ausgangspunkten nach Wadai vorstießen, ging eine auch über Khartum. Die vom Herzog von Coburg-Gotha finanzierte Expedition zur Suche nach dem verschollenen Eduard Vogel versammelte sich 1861 in Massawa. Sie stand unter Leitung Theodor von Heuglins. Die weiteren Teilnehmer waren die Deutschen Hermann Steudner und Theodor Kinzelbach und der Schweizer Werner Munzinger. Heuglin nahm sich in Äthiopien so viel Zeit, daß das Komitee in der Heimat ungeduldig wurde. Es entzog schließlich Heuglin brieflich die Führung und beauftragte Munzinger, mit den verbliebenen Geldmit- teln die Suche nach Vogel aufzunehmen. Heuglin hatte weit im Süden, fast am Nordsaum der Sümpfe, nach Wadai vorstoßen wollen; Munzinger zog den kurzen Weg nach Kordofan vor. Er holte, nur von Kinzelbach begleitet, von April bis Juli 1862 in el-Obeid Erkundigungen über die mögliche Route ein, vernahm Gewährsleute über die Zustände in Wadai und das Schicksal Vogels. Als der Herrscher von Darfur jedoch die Durchreiseerlaubnis verweigerte, kehrten die bei- den nach Khartum zurück. Ein Abschlußbericht nach Gotha setzte den Schluß- , punkt unter eine im Grunde erfolglose Expedition (vgl. J. Keller-Zschokke, 1891 und 1912). Munzinger (1832 - 75) fügte seinen „Ostafrikanischen Studien" 1864 ein fast 40 Druckseiten langes selbständiges Kapitel an, welches er „Einige Bemerkungen über Ethnographie von Kordofan" überschrieb. Es enthält z.T. erstaunliche Spekulationen über die anthropologischen und linguistischen Beziehungen zwi- schen den Bergnuba Kordofans und den Nil-Nubiern. Auf der anderen Seite sind aber auch recht detaillierte Beobachtungen niedergeschrieben. Der Handel Kordo- fans hatte sich nach Munzingers Erfahrungen hinsichtlich der Erzeugnisse nicht wesentlich verändert, wohl aber im Preisgefüge. Er lobt zunächst (S. 570) Pallmes präzise Darstellung und fügt dann an, daß sich seit dessen Aufenthalt bis zu dem seinen (Anfang 1862) alle Waren um nahezu 50% verteuert hätten.

Im gleichen Jahr, in dem sich Munzinger und Kinzelbach in Kordofan aufhielten, stellten zwei Gelehrte im fernen Thüringen die bisherigen geographischen Kennt- nisse über Afrika zusammen und kartographierten, was irgendwo einigermaßen topographisch bestimmt war. August Petermann und B. Hassenstein veröffent- lichten als Ergänzungsheft 7 zu „Petermanns Geographischen Mitteilungen" „Inner-Afrika nach dem Stand der geographischen Kenntnisse im Jahre 1861". Das Kartenblatt 6 umschließt Kordofan. Die Dichte der Itinerarien zeigt, wie viele Reisende bereits durch dieses Gebiet gezogen waren. Petermann/Hassenstein veröffentlichten gleichzeitig Kotschys Bericht über Kordofan und verarbeiteten die kartographischen Aufzeichnungen eines Grafen von Schlieffen, der 1853 von Dongola aus nach el-Obeid geritten war, etwa auf der Route von Rüppell. Übrigens erschienen im gleichen Jahre (1862) in Frankreich die nachgelassenen Tagebücher von Charles Cuny (1811 - 58), der, von Haus aus Arzt, versucht hatte, über Dongola und el-Obeid Darfur zu erforschen, aber in el-Fasher verstor- ben war.

Hätte Nachtigal von der sehr sorgfältigen Kompilation Petermanns vor Reisean- tritt gewußt, wären ihm nicht nur wichtige Informationen zuteil, sondern mit den Karten auch eine schätzenswerte praktische Reiseerleichterung an die Hand gege- ben worden. Man verstünde dann leicht, daß er sich über den letzten Reiseab- schnitt nur sehr kurz ausließ. Als Nachtigal im August 1874 in el-Obeid ankam, scheint außer dem griechischen Arzt des Generalgouverneurs kein Europäer in Kordofan gelebt zu haben. Dieses Jahr war für wissenschaftliche Forschungen keineswegs günstig. Politische Span- nungen drohten in militärische Auseinandersetzungen auszuarten. Der historische Hintergrund zum Verständnis der Situation in Kordofan während Nachtigals kurzem Aufenthalt sei im folgenden knapp skizziert: Ägypten versuchte, seinen Machtbereich in Afrika erheblich zu erweitern. Zuerst stieß es auf dem Weißen Nil stromauf in die jetzigen Südprovinzen der Republik Sudan vor. Eine andere Stoß- richtung wies nach dem Osthorn. Teile Erythräas mit Massawa waren schon vor- her unter ägyptischer Flagge. Es folgten Okkupationen am Bab el-Mandeb, am Kap Guardafui und sogar noch weiter an der Somaliküste bis Kismayu. Auch Harrar in Südäthiopien wurde von den Ägyptern besetzt. Da die militärischen Kräfte offenbar in diesem Raum weitgehend in Anspruch genommen waren, blieb es zunächst an der Westgrenze des ägyptischen Sudans vergleichsweise ruhig. Wohl hatte es da oder dort gelegentlich ein Scharmützel gegeben. Doch war nie sicher, ob der Herrscher von Darfur der Initiator solcher Grenzstrei- tigkeiten war, obwohl man ihm unterstellen durfte, er hätte gern Kordofan in sein Reich, dem es bis zum ägyptischen Einmarsch 1821 zugehörte, zurückge- gliedert. 1866 hatten Baggara von Darfur aus einen zu Kordofan gezählten Land- strich überfallen, wo sie von ägyptischen Truppen zurückgeschlagen wurden. Folgenschwer wurden die Auseinandersetzungen erst 1872/73, als sich der nahe- zu unabhängige Zubair Bey (später Pascha), in dessen Handelsposten und Sklaven- depots auch Schweinfurth während seiner großen Reise in Zentralafrika als Gast gewesen war, mit den Rizaiqat, einem der mächtigsten Stämme Darfurs, anlegte. Der machtgierige Zubair begann 1873 eine Art Privatkrieg gegen den Sultan von Darfur, dem er im Januar 1874 eine empfindliche Niederlage beibrachte. Jener ahnte wohl, daß Zubair keine Ruhe geben und die ägyptischen Behörden seinen Eroberungen folgen würden. In dieser gespannten Atmosphäre verabschiedete sich Nachtigal von ihm, um ostwärts ins feindliche Ausland zu ziehen. Die Be- fürchtungen hatten zu Recht bestanden: Zubair griff weiter an. Um ihm den Ruhm nicht allein zu lassen, rückte im Oktober 1874 auch Ismail Aiyub, der Generalgouverneur des Sudan, mit regulären Truppen von el-Obeid aus auf el- Fasher vor, das er allerdings erst fünf Tage nach dem freiberuflichen Feldherrn Zubair erreichte. -126-

Diese militärische Invasion wurde von keinem Wissenschaftler begleitet. Wir wissen über den tatsächlichen Verlauf also nur aus den wenigen militärischen Auf- zeichnungen. Wohl aber begann kurze Zeit danach eine vom ägyptischen General- stab geleitete Erforschung und kartographische Aufnahme. Der historische Hin- tergrund ist folgendermaßen: Der Khedive Ismail, in Europa bekannt als der Mann, unter dessen Herrschaft der Suez-Kanal gebaut und dem als dem wohl am stärksten verschuldeten Staatsoberhaupt seiner Zeit eine recht mächtige fremde Finanzverwaltung aufgezwungen wurde, hatte schon bei seiner Thronbesteigung erkannt, daß Ausrüstung und Ausbildung seiner Armee veraltet waren. 1870 nahm er eine stattliche Gruppe amerikanischer Berufssoldaten, die während des ameri- kanischen Bürgerkrieges auf beiden Seiten gekämpft hatten, für seine Land- und Seestreitkräfte in Dienst. Der amerikanische Brigadegeneral Stone wurde zum Chef des Generalstabes ernannt. In der zweifellos richtigen Erkenntnis, daß jeder vorausschauenden strategischen Planung eine ausreichende geographische Wissensbasis zugrundegelegt werden muß, setzte er verschiedene Erkundungs- expeditionen in Marsch. Die eine, welche zunächst unter dem Kommando von Colston, später von H.G. Prout, Kordofan und Darfur erschließen sollte, wurde geplant, als Nachtigal die Grenze zum ägyptischen Machtbereich überschritt. Ihr beigegeben war als Naturwissenschaftler der Deutsche J.G. Pfund. Von einigen dieser militärisch-wissenschaftlichen Erkundungsexpeditionen gab der ägyptische Generalstab gedruckte Abschlußberichte heraus, wobei sicher militärisch interes- sante Einzelheiten ausgelassen wurden. Für die Geographie blieb als ein bedeu- tendes Resultat die große Generalstabskarte, die 1877 auch unter Mitwirkung eines der besten ägyptischen Geographen dieser Zeit, Mohammed Maher Pascha, fertiggestellt wurde.

Dr. Johann Gabriel Pfund (1813 - 76), ein gebürtiger Hamburger, hatte Medizin und Botanik studiert und sich schon in jungen Jahren als Arzt in Alexandria niedergelassen. Als er sich entschloß, das Angebot der ägyptischen Regierung zur Teilnahme an der Erdkundung von Kordofan und Darfur anzunehmen, war er bereits 60 Jahre alt. Er ist mit Abstand der Senior unter den Forschern in dieser Landschaft. Nach mehr als zwanzigmonatiger Tätigkeit bei der Expedition, in der er erstaunliche körperliche Kondition und Zähigkeit bewies, e plag er im August 1876 in el-Fasher überraschend einer Tropenkrankheit. Pfunds Tagebücher sind nur in Auszügen in die allgemeine Berichterstattung eingegangen und danach in ägyptischen Militärarchiven verschwunden. Freunde veröffentlichten 1878 in den Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg Briefe, die Pfund aus Kordofan und Darfur an seine Frau in Kairo geschrieben hatte. Auch diese posthume Publikation wie den Bericht von Prout und die Generalstabskarte hätte Nachtigal noch kennen können.

Mit Pfund trafen weitere deutschsprachige Forscher oder Regierungsbeamte in el-Obeid zusammen, nämlich Ernst Marno, Karl Giegler und Rudolf Slatin. Im September 1875 gaben sich somit in Kordofan überraschend viele Persönlich- keiten ein Stelldichein, die später in der Politik des Sudans noch wichtige Rollen spielten.

Ernst Marno (1844 - 83), der in seinem Buch (1878: 288 und 254/55) diese verschiedenen Begegnungen schildert, hatte neben Pfund eine rein wissenschaft- liche Zielsetzung während seines Aufenthaltes in Kordofan. Bald danach trat er in den Dienst der ägyptischen Regierung; er wurde später Provinzgouverneur im Süden.

Karl Giegler (später Pascha, 1844 - 1921) war wegen des Ausbaus des Telegrafen- netzes, das ihm unterstand, in Kordofan. Später hat er als amtierender General- gouverneur in der ersten Phase den Mandi bekämpft.

Rudolf Slatin (später Pascha, 1857 - 1932) kehrte bald nach dieser seiner ersten Reise durch Kordofan nach Österreich zurück, um seinen Militärdienst abzulei- sten. Von 1878 an war er im Dienste Gordon Paschas erneut im Sudan, seit 1879 als Gouverneur von Darfur. Er geriet dort in die Gefangenschaft des Mandi, spiel- te als hervorragender Landeskenner bei der Rückeroberung durch die britisch- ägyptische Armee und bei der Einrichtung der Kondominiumsverwaltung bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges eine wichtige Rolle. Seinen kurzen Bericht über den Aufenthalt bei den Baggara und Bergnuba überließ er 1876 einer führen- den Zeitschrift. Vor Slatin war ein anderer Deutscher Gouverneur von Darfur gewesen: Friedrich Rosset (1842 - 78). Er hat zwar keine Publikation, dafür aber eine ethnographi- sche Sammlung aus verschiedenen Landschaften des Sudans, jetzt im Freiburger Völkerkundemuseum, hinterlassen (Herzog 1976).

Faßt man das Ergebnis dieser Erörterungen und Literaturübersicht zusammen, so ergibt sich, daß Nachtigal - immer vorausgesetzt, er kannte die meisten dieser Veröffentlichungen - guten Grund hatte, über Kordofan nur wenig zu berichten und davon auszugehen, daß dem deutschsprachigen Leser eine Vielzahl von In- formationen hierüber bereits zur Verfügung stand, die seit 1862 auch übersichtlich zusammengestellt in vielen öffentlichen Bibliotheken greifbar waren. -129-

LITERATUR

Abeken, Heinrich 1848 Auszug aus dem Tagebuch einer Reise durch die Wüste Agyllif. Monatsbericht über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. 9, Berlin. von Barnim, Adalbert 1862 Entwurf einer Karte der Karawanen- straße zwischen Dabbeh und Khartum. Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N.F. Bd. 12, Berlin.

Born, Martin 1965 Zentralkordofan. Marburger Geographische Schriften. Bd. 25, Marburg.

Brehm, 1862 Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika Alfred Edmund oder den unter ägyptischer Herrschaft stehenden Ländern: Ägypten, Nubien, Sennahr, Rosseeres und Kordofan. Jena.

Browne, W.G. 1799 Travels in . London.

Burckhardt, John Lewis 1819 Travels in Nubia. London.

Cuny, Charles 1862/63 Journal de voyage de Siout ä EI-Obeid. Nouvelles Annales de Voyages. T. 3 u. 4, Paris.

Hartmann, Robert 1863 Reise des Freiherrn Adalbert von Barnim durch Nord-Ost-Afrika. Berlin. - 130 -

Herzog, Rolf 1955 Die Hawawir, eine Berbergruppe in der Bajuda-Wüste. Mitteilungen des Inst. f. Orientforschung. Bd. 3, Berlin.

1957 Ethnographical Notes an the Sudan in an early Travellers Account. Sudan Notes and Records. Vol. 38, Khartum. 1963 Der Verfall alter Karawanenrouten zwischen dem Sudan und Ägypten. Trudy 25 Megdunarodnogo kongressa vostokovedov (25. Intern. Orienta- listenkongreß). Bd. 5, Moskau.

1975 Robert Hartmanns Leistungen für die Völkerkunde Afrikas. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. 100, Braunschweig.

1976 Eine alte ethnographische Samm- lung aus dem Sudan. Tribus. Bd. 25, Stuttgart. von Heuglin, Theodor 1859 Erforschung der Bajuda-Landschaft zwischen Ab-Dom und Chartum im Jahre 1856. Petermanns Geograph. Mitteilungen. Bd. 5, Gotha.

Hill, Richard 1959 Egypt in the Sudan 1820 - 1881. London.

1967 A Biographical Dictionary of the Sudan. 2. Aufl., London. Holroyd, T. 1839 Notes an a journey to Kordofan in 1836 - 37. Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 9, London.

Keimer, Ludwig 1953 Les Voyageurs de langue allemande en Egypte entre 1800 et 1850 ainsi que leurs relations de voyage. Cahiers dhistoire egyptienne, Serie V/1, Kairo.

Keller-Zschokke, J. 1891 Werner Munzinger-Pascha; sein Leben und Wirken. Aarau. 1912 Betätigung Werner Munzingers von Solothurn bei der Aufsuchung des in Wadai verschollenen Dr. Ed. Vogel von Krefeld. Solothurn. von Kotschy, Theodor 1862 Reise nach Kordofan 1839. Petermanns Geographische Mitteilungen (Petermann/Hassenstein). Ergänzungsheft 7, Gotha.

Lepsius, Richard 1852 Briefe aus Ägypten, Äthiopien und der Halbinsel des Sinai. Berlin.

MacMichael, H.A. 1967 The tribes of Northern and Central Kordofan. Nachdruck d. Ausg. v. 1912, London.

Marno, Ernst 1878 Reise in der ägyptischen Äquatorial- provinz und in Kordofan in den Jahren 1874 - 1876. Wien. Mertens, Robert 1949 Eduard Rüppell; Leben und Werk eines Forschungsreisenden. Frankfurt. Müller, 1849 Bericht über einzelne erheblichere Johann Wilhelm Momente seiner in den Jahren 1845 - 49 Freiherr von unternommenen wissenschaftlichen Reisen in Afrika. Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften Wien. Wien.

Munzinger, Werner 1864 Ostafrikanische Studien. Schaffhausen.

Pallme, Ignaz 1843 Beschreibung von Kordofan und einigen angrenzenden Ländern, nebst einem Überblick über den dasigen Handel, die Sitten und Gebräuche der Einwohner und die unter der Regierung Mehemed Alis stattgefundenen Sklavenjagden. Stuttgart.

Parkyns, Mansfield 1851 The Kubbabish Arabs between Dongola and Kordofan. Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 20, London. Petermann, August 1862 Inner-Afrika nach dem Stande der und geographischen Kenntnis im Jahre 1861. Hassenstein, B. Petermanns Geographische Mitteilungen. Ergänzungsband II (Ergänzungsheft 7 - 8, 10 - 11), Gotha.

Petherick, John 1861 Egypt, the Soudan and Central Africa. Edinburgh. Pfund, 1876/77 Reisebriefe aus Kordofan und Darfur. Johann Gabriel Hrsg. von Friederichsen. Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg. Hamburg.

Prout, H.G. 1877 General Report an the Province of Kordofan. (Publications of the Egyptian General-Staff). Kairo. Pückler-Muskau, 1844 Aus Mehemed Al is Reich. Hermann Ludwig Heinrich Stuttgart.

1846 Die Rückkehr. Berlin.

Ratzel, Friedrich 1906 Über den Tod Eduard Vogels in Wadai. Kleine Schriften. Bd. 1, München.

Rüppell, Eduard 1829 Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien. Frankfurt.

Russegger, Josef 1838 Über das Vorkommen und die Verarbeitung des Raseneisensteins auf den Savannen des nördlichen Kordofans und über das Vorkommen des Goldes am Gebbel Tira im Lande Nuba. Archiv für Mineralogie. Bd. 12, Berlin.

1844 Reisen in Europa, Asien und Afrika. Stuttgart. Slatin, Rudolf 1876 Bagara und Nubaner. Das Ausland. Bd. 49, Stuttgart.