DEZ.17/JAN.18

2017 EINSCHLAUFEN Betrifft: Feiern. Trinken. Denken. Schweigen. Impressum Nº 10.17 DER MUSIKZEITUNG LOOP 20. JAHRGANG Rückblickend zerfällt alles. Und fügt sich zu- das winzige Schriftstück verblüfft entgegen, sammen zu einer neuen Erzählung. Es ist eine grinste – und spielte «She’s a Woman» und P.S./LOOP Verlag traurige Geschichte, die mit einer Party be- «Centre Pompidou». Langstrasse 64, 8004 Zürich ginnt. An einem Samstagabend im Spätsom- Zurück ins Jahr 2017. Wir schreiben den Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 mer 2017. Anlass der Feier in der Acapulco- 21. Oktober. Ein weiterer Geburtstag, der www.loopzeitung.ch Bar ist der 50. Geburtstag von Martin Stricker. gefeiert wird. Diesmal ist es meiner. Kein Ka- Ein Treffen in ausgelassener Gesellschaft, raoke, stattdessen ein Restaurantbesuch mit Verlag, Layout: Thierry Frochaux standesgemäss mit Heavy-Metal-Karaoke und Freunden. Die Gesellschaft ist ausgelassen, [email protected] lustigen Getränken. Vorne an der Bar steht die Getränke sind lustig, und als ich am frü- Rockmaster K, Bartträger und Bassist wie hen Abend draussen vor der Tür des Restau- Administration, Inserate: Manfred Müller das Geburtstagskind neben ihm, und aus der rants eine Rauchpause einlege, kommt Boris [email protected] Ferne sehen sie aus wie Brüder. Ich muss leise Müller vorbeispaziert. Er ist bestens gelaunt, grinsen und mache mich auf den Heimweg. wir plaudern kurz, dann muss er weiter. Redaktion: Philippe Amrein (amp), Knapp zwei Wochen später in Bern. Die Unsere kleine Festgemeinde verschiebt sich Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe beiden Loop-Redaktoren wollen nach einer erst ein paar Stunden später. Zwischen Strategiesitzung noch eine Kleinigkeit trinken Meyer’s und Minirock bleibt einer aus der Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden gehen. Sie stehen vor der Kreisssaal-Bar, als Truppe kurz stehen, um sich mit einem vor- (ash), Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, ein SMS eintrifft: «Grant Hart ist tot.» Das beischlendernden Bekannten zu unterhalten. Marcel Elsener, Roman Elsener, Christoph Fellmann, Gespräch verstummt, der Absacker gerät Drei Minuten später kehrt er zurück. Entgeis- Chrigel Fisch Christian Gasser, Michael Gasser, zum Abschiedsdrink. Dann setzt die Erinne- tert und blass spricht er vier Worte: «Martin Christa Helbling, Christian Helmle, Nick Joyce, rung wieder ein, an das Solokonzert, das der Stricker ist tot.» Der Schock sitzt tief, bei Erich Keller, Matthias Krobath, Hanspeter Künzler, Mann Ende der Nullerjahre im Club Zukunft allen. Wir liefern uns in die nächste Bar ein, Tony Lauber (tl), Peter Lauth, Susanne Loacker, gespielt hat. Ein Auftritt vor überschaubarem betäuben die Trauer mit Bourbon und füttern Mathias Menzl, Sam Mumenthaler, Markus Naegele, Publikum, aber Hart war gut gelaunt und die Jukebox, die natürlich weder Celtic Frost Jürg Odermatt, Philipp Niederberger, David Sarasin, kehrte für Zugaben auf die Bühne zurück. noch Hüsker Dü im Repertoire hat. In dieser Veit F. Stauffer Zwei meiner Lieblingssongs hatte er bis da- Situation der Hilflosigkeit helfen Anekdoten. hin noch nicht gespielt, also schrieb ich deren Jeder hat eine. Zu Grant, zu Martin. Sie bilden Titelbild: Martin Stricker (© Boris Müller) Titel auf einen Zettel. Einfach so Requests – neben Werk und Wirken – das Vermächtnis. reinbrüllen? Geht nicht. Stattdessen bat ich Beredtes Zeugnis zweier grosser Existenzen. Druck: Tagblatt Print, St. Gallen Rockmaster K, der neben mir stand, dem Der Rest ist Schweigen. Und Dank. Das nächste LOOP erscheint am 26.1.2018 Meister den Zettel zuzustecken. Hart nahm Philippe Amrein

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] DAS GEBROCHENE HERZ Tom Petty ist Anfang Oktober 66-jährig gestorben. Von Kollegen wurde der Sänger, Songwriter und Gitarrist aus Florida sehr geschätzt. Bob Dylan half er einst, wieder auf die Beine zu kommen.

Tom Petty hatte am Wochenende in seinem Haus in Ma- libu das Bewusstsein verloren und wurde am Sonntag in ein Spital von Los Angeles überführt, konnte aber nicht wiederbelebt werden. Der Musiker starb an Herzversagen – im Kreis von Familie, Freunden und Bandmitgliedern. Er war 66 Jahre alt gewesen, der schlanke Mann mit dem schmalen Gesicht und dem charakteristisch langen, blon- den Haar. «Das ist eine schockierende Nachricht», schrieb Bob Dylan der Zeitschrift «» und sprach wohl für viele, wenn er seinen langjährigen Musikpartner und gemeinsamen Songschreiber «als grossartigen Perfor- mer voller Licht» bezeichnete, «einen Freund, den ich nie vergessen werde». Die Freundschaft zwischen den beiden konnte man in der Schweiz während einer für Dylan besonders schmerzhaften Phase erleben. Das war 1987 in der Basler St.-Jakobs-Hal- le. Tom Petty und seine Heartbreakers hatten ein vorzügli- tom petty ches Set gespielt, als sie sich daran machten, einen konfu- sen und sichtlich berauschten Dylan zu begleiten, der sich an keine Abmachung oder Tonart hielt und einen desast- reren Veröffentlichungen, die zum Erfolg führen sollten. rösen Auftritt produzierte. Weder Petty noch seine Band Dazu gehört das live im Studio aufgenommene «Let Me konnten Dylans Absturz verhindern. Dennoch kamen die up I’ve Had Enough» mit den Heartbreakers oder «Full beiden Bandleader ein Jahr später wieder zusammen und Moon Fever» von 1989, Pettys erstes Soloalbum und sein spielten, gemeinsam mit Jeff Lynne, George Harrison und erfolgreichstes überhaupt. Dass er sich trotzdem wieder Roy Orbison, unter dem Künstlernamen The Traveling mit seiner Hausband zusammentat, belegt den partizipati- Wilburys eine ebenso gelobte wie erfolgreiche Platte ein, ven Charakter eines Musikers, der auch für seinen Humor die Dylans Karriere neu lancieren sollte. und sein gesellschaftliches Engagement bekannt war. «Ich habe als Solist nichts zu bieten, das ich mit der Gruppe EIN SONGWRITER UNTER EINFLUSS nicht besser machen könnte», sagte er einmal, «es ist fast peinlich, wie gut wir miteinander auskommen.» Dass man bei Petty so rasch ins Aufzählen seiner Kollegen kommt, hat mehrere Gründe: seine eigene Bescheidenheit, DROGEN UND DEPRESSIONEN sein Talent zur Kooperation und zur Grosszügigkeit, dann aber auch die direkten Einflüsse auf sein Gitarrenspiel und Umso verstörter reagierte die Öffentlichkeit, als eine Bio- seinen Gesang. Letzterer war in seiner nasalen Insistenz grafie des Musikers, Fans und Freundes Warren Zanes ebenso stark von John wie von Bob Dylan geprägt, die schwerwiegenden psychischen Probleme des Künstlers und auf der Gitarre orientierte er sich am schimmernden bekannt machte. In seiner Kindheit war Petty von seinem Klang von George Harrison und dem Byrds-Sänger Roger Vater heftig geschlagen worden, was ihn ein Leben lang McGuinn; er war also ein Songwriter unter Einfluss, ein verfolgen sollte. Eine traumatische Scheidung trieb ihn Vertreter des sogenannten . Schliesslich hat- in den 90er-Jahren in eine langjährige Depression, die er te der Amerikaner Musiker zu werden beschlossen, als er mit Kokain und Heroin behandelte, bis er süchtig wur- die Beatles zum ersten Mal spielen sah, 1964, in der Ed de. Eine sechsjährige Psychotherapie und eine zweite Ehe Sullivan Show. Tom Petty war, wie alle grossen Musiker, halfen ihm über Sucht und Schwermut hinweg. Die Leh- selbst ein Fan. rerin Dana York, seine zweite Frau, hatte ihn nach einem Dabei hat sich der Südstaatler aus Gainesville im nörd- seiner Konzerte kennen gelernt. «Die Depression ist eine lichen Florida auch als Songschreiber und Bandleader eigenartige Krankheit», sagte Tom Petty einmal in einem durchgesetzt. Mit Songs wie «American Girl», «Refugee», Interview: «Du musst realisieren, dass du nicht verrückt «Breakdown» oder «I Won’t Back Down» hat er eine be- geworden bist, sondern krank.» achtliche, auch kommerziell erfolgreiche Karriere gestal- Thomas Earl Petty hinterlässt zwei Töchter aus seiner tet. Tom Petty arbeitete 50 Jahre lang und verkaufte dabei ersten Ehe und einen Stiefsohn aus der zweiten. Mit den 80 Millionen Platten. Auf ihnen spezialisierte er sich auf Heartbreakers gab er im Hollywood Bowl, Los Angeles, harmonisch einfache, orgel- und gitarrengetriebene Songs, sein letztes Konzert. «Ich jage einem Traum nach», sang er die er in den Strophen gelegentlich in einem lasziven in «Runnin’ Down a Dream», «der niemals zu mir kom- Sprechgesang vorantrieb, um den Refrain dann mit souli- men wird.» Es war sein letzter Song vor den Zugaben. Er ger Intensität wiederzugeben. sang ihn eine Woche vor seinem Tod. «Damn the Torpedoes», das dritte von ihm und sei- ner Band, geriet zum Millionenhit. Es war eine von meh- Jean-Martin Büttner

GONE JOHNNY GONE Chuck Berry hat den Rock’n’Roll auf chuck berry den Punkt gebracht. Mitte März ist der Autor von Klassikern wie «Johnny B. Goode» oder «Roll Over Beethoven» mit 90 Jahren gestorben.

1985 stellte sich Amerika vor, der Rock’n’Roll sei von ei- nem Teenager aus der weissen Suburbia erfunden worden. In «Back to the Future» reiste Michael J. Fox als Marty McFly in die Fünfzigerjahre zurück, um die Ehe seiner Eltern einzufädeln und nebenbei einen Musiker namens Chuck zum «neuen Sound» zu inspirieren. Seither wird darüber diskutiert, ob es sich bei dieser berühmten Film- szene um eine Hommage oder um einen kulturellen Über- griff handelt – um einen Versuch, sich die Popgeschichte ohne schwarze Pioniere zu träumen. So oder so war der Song richtig gewählt: Denn wer immer vom Anfang des Rock’n’Roll erzählen will, muss auch von Chuck Berry er- zählen und von «Johnny B. Goode». Chuck Berry war schon 32 Jahre alt, als er «Johnny B. Goode» veröffentlichte. Das war 1958, drei Jahre nach seinen ersten Singles, auf denen er den «neuen Sound» ja bereits ziemlich schlüssig formuliert hatte. Auch andere Sänger wie oder Jerry Lee Lewis hatten unter- dessen die Herzen der amerikanischen Teenager gestürmt und brachten ihre Lieder zuverlässig in die Hitparaden. Und doch gilt «Johnny B. Goode» als Prototyp der Rock- musik – so sehr, dass der Song ausgewählt wurde, auf der Raumsonde Voyager 1 ins All zu fliegen, um hörbegabte Ausserirdische von der stupenden Musikkultur auf der Erde zu überzeugen. SCHWARZER JUNGE VOM LAND

Tatsächlich fällt es schwer, sich eine Welt mit Rock’n’Roll, aber ohne «Johnny B. Goode» vorzustellen. Gäbe es in der Geschichte eine Logik, hätte das Genre mit diesem Song begonnen, der das Wesen und die Geschichte dieser Musik in sagenhaften zwei Minuten und vierzig Sekunden bün- delt. Wie jeder gute Rock’n’Roll-Song klingt auch dieser in der Erinnerung stets schneller und wilder, als er wirk- lich ist. Er beginnt mit einem emblematischen Intro auf der elektrischen Gitarre, das vorwärtsstürmt, dies aber auf eine seltsam maulfaule Weise: Da will jemand die Welt erobern, sich dabei aber nicht allzu sehr ins Zeug legen müssen. Das Lied erzählt die Geschichte des gleichnamigen Musi- kers. «Johnny» dürfte sich dabei auf Johnnie Johnson bezie- hen, den Förderer und späteren Pianisten von Chuck Berry; «Goode» auf die gleichnamige Strasse, an der Charles Ed- ward Anderson Berry in St. Louis aufgewachsen war; und mit dem «B.» dürfte sich der Sänger selbst in der Rockge- schichte verewigt haben. Dieser Johnny B. Goode war ein «little coloured boy», bevor Berry den Text auf Druck der «Johnny B. Goode» lebt von der Spannung, dass die Musik Plattenfirma auf «little country boy» ändern musste. Doch nicht zu den Worten passt. Zu den Bildern, die der Sän- auch so wird klar, dass Goode als schwarzer Junge vom ger beschwört, stellt man sich eine schwermütige, akus- Land das Leben eines Bluessängers lebt. Er wandert entlang tische Bluesgitarre vor. Aber die Musik hat den Sprung der Eisenbahnlinie, die Gitarre auf dem Rücken, und setzt zum elektrischen Rock’n’Roll schon gemacht. Sie platzt sich dann in den Schatten eines Baumes, um im ratternden vor Selbstbewusstsein, und wenn Chuck Berry im Refrain Takt der vorbeifahrenden Züge ein paar Akkorde zu spie- schliesslich das berühmte «Go Johnny go» singt, klingt das len und sich an das Versprechen seiner Mutter zu erinnern: weniger wie ein Ansporn als wie ein Triumph. Im Text er- «Many people coming from miles around / To hear you zählt dieser «kleine schwarze Junge» vom Tramperleben play your music when the sun goes down.» Eines Tages auf der Landstrasse, das er führte – und in der Musik vom werde er ein Star sein. «neuen Sound» der Stromgitarre, der Gibson, der ihn da- von erlöste. Dieser Song ist die Geschichte des Rock’n’Roll fats domino auf engstem Raum, in höchster Intensität. Es gibt keinen besseren Rocksong. Was nicht heisst, dass andere Rock’n’Roll-Sänger nicht wilder waren. Chuck Berry hatte nicht den Irrsinn von Jerry Lee Lewis oder die sexuelle Anzüglichkeit von El- vis Presley. Wenn es aber darum ging, die neue Markt- macht der Teenager und damit den Aufstieg der Jugend- kultur in griffige, ja triumphale Lieder zu fassen, gelang dies niemandem besser als diesem bereits etwas älteren Musiker, der als Coiffeur und Kosmetiker gearbeitet und nach Raubüberfällen bereits drei Jahre im Jugendgefäng- nis abgesessen hatte. Ab 1955 zeigte Chuck Berry in einer Reihe von Hits, was es geschlagen hatte: In «Roll Over Beethoven» gab er der Hochkultur den neuen Tarif durch; Fats Domino in «Sweet Little Sixteen» liess er das ganze Land mit einer 1928 – 2017 Sechzehnjährigen tanzen; und in «School Day» trafen sich die Schüler nach dem Glockenschlag an der Jukebox und Wenn Elvis Presley den Sexappeal des frühen Rock’n’Roll ver- gaben die Losung aus: «Hail, hail / Deliver körperte, Jerry Lee Lewis und Little Richard die durchgeknall- me from the days of old.» te Energie der Teen-Revolte auslebten, dann war Fats Domino In seinen Songs feierte Chuck Berry ganz den Moment, in in den Fifties der vitale Ausdruck purer Lebensfreude. Anto- dem der Rock’n’Roll zu sich kam; doch in seinem Gitar- ine Domino Jr. wurde am 26. Februar 1928 als jüngstes von renspiel wies er direkt in die Zukunft. In seinen Händen acht Kindern in eine französisch-kreolisch sprechende Familie wurde die elektrische Gitarre zum Leitmedium der Rock- im Lower Ninth Ward von New Orleans geboren. Schon als musik, und es gab in den 60er-Jahren keinen aufstreben- Zehnjähriger begann er in die Tasten zu hauen und speziali- den Gitarristen, der sich nicht bei Berry bedient hätte, bei sierte sich auf Boogie-Woogie. Seine Idole waren Albert Am- seinen Powerakkorden, seinen schnellen, gedrungenen, mons und Amos Milburn. 1947 begann er in kleinen Clubs zu eng gespielten Figuren, seinen Bendings über zwei Saiten. spielen, tagsüber arbeitete er in einer Matrazenfabrik. Der Pro- In England coverten ihn die Beatles und die Rolling Stones, duzent, Talentscout und Trompeter Dave Bartholomew wurde und meinte, man könne Rock’n’Roll notfalls auf den Pianisten aufmerksam, der in der Band von Billy Dia- auch einfach «Chuck Berry» nennen. In den USA war mond spielte. 1949 nahmen Fats Domino und Bartholomew Bob Dylan beeindruckt von den teilweise surrealen Lyrics, die Single «The Fat Man» auf, ein beschwingtes Stück, welches die Berry in späteren Songs wie «Brown Eyed Handsome bereits die Elemente enthielt, die das Rock-Genre definierten. Man» einbaute: Darin verliert die Venus von Milo ihre Doch Dominos erster R&B-Hit wurde im segregierten Louisi- Arme im Ringen um einen schönen, offenbar schwarzen ana lediglich in den Jukeboxes der schwarzen Lokale gespielt. Mann. 1955 ereignete sich die Rock’n’Roll-Explosion: «Ain’t That a Shame» machte aus Domino einen Star. Zwischen 1956 und KONKURRENZ AUS ENGLAND 1957 trat er in zwei Kinofilmen auf («Shake, Rattle & Rock!» und «The Girl Can’t Help It»), 17 seiner Singles schossen in die Die Beach Boys wiederum guckten sich bei ihm ihren gros- nationalen Charts – «I’m Walkin’», «Blue Monday», «I’m in sen Hit «Surfin’ U.S.A.» ab, worauf sich Berry vor Gericht Love Again», «Blueberry Hill» –, alle nach ähnlichem Rezept einen Anteil an den Tantiemen des Songs erstritt. Hier gestrickt, doch melodisch geschickt variiert. Der typische Domi- zeigte sich eine andere Seite dieses Musikpioniers. Sosehr no-Sound war eine Fusion aus kreolischen Rhythmen, Count- er in seinen Liedern den Rock’n’Roll feierte, so verbittert ry- und Golfküsten-Blues. Bei dem das leicht schleppende Piano machte ihn bald das Geschäft, das weisse Männer mit ihm die Rhythmusgruppe anführte und schnarrende Saxophone als machten. Als er 1955 bei Chess Records in Chicago sei- Stimmungsuntermalung eingesetzt wurden. Der Erfolg von Do- ne erste Single herausbrachte, «Maybellene», musste er mino, Little Richard und anderen Interpreten machte New Or- die Autorenschaft mit Geschäftsmann Russ Fratto teilen, leans in den Fünfzigerjahren zu einer Rock’n’Roll-Hochburg. der sich teils mit Songrechten bezahlen liess, und mit Alan Sämtliche wichtigen Plattenfirmen eröffneten dort Filialen und Freed, einem DJ, der in seiner Show gerne jene Songs spiel- nahmen lokale Talente unter Vertrag. Bis 1964 hatte sich der te, an denen er beteiligt war. Noch in seiner späten Karri- schwergewichtige Sänger mit der penibel gefetteten Brikettfri- ere, als er keine Platten mehr machte, nur noch Konzerte sur schon ein beträchtliches Vermögen ersungen. Dann kam die spielte, witterte Berry gerne Betrug. Bei Veranstaltern galt British Invasion – der Stern der Rockpioniere verblasste. Fortan er als misstrauisch und unberechenbar. unterhielt Fats Domino in Las Vegas oder in Europa ein vor- Zur schlechten Laune trug aber auch bei, dass seine bes- nehmlich weisses Publikum mit seinen Goldhits. Nackte Ironie ten Jahre längst hinter ihm lagen. 1959 wurde er erneut ist, dass sein letzter Charterfolg ein Cover des Beatles-Stücks verhaftet, nachdem er mit einer Minderjährigen verkehrt «Lady Madonna» war. Das Original war Paul McCartneys hatte; und als er 1964 nach 20 Monaten das Gefängnis Tribut an die Musik aus Amerika, welche ihn und seine Kolle- verliess, war die Musikwelt eine andere: Junge englische gen aus Liverpool zum Musikmachen inspiriert hatte. In seiner Bands hatten den Rock’n’Roll zum Rock weiterentwickelt Karriere verkaufte Fats mehr als 65 Millionen Schallplatten. und damit auch die USA erobert. 1972 hatte Chuck Berry 1986 wurde er in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen, mit dem eher peinlichen «My Ding-a-Ling» zwar noch- 1987 erhielt er einen Grammy für sein Lebenswerk. 2005 wur- mals einen grossen Hit. Doch mehr und mehr verwandelte de Dominos Haus in New Orleans durch Hurricane Katrina er sich nun in eine «lebende Legende», in ein Museum aus zerstört. Er selbst konnte gerettet werden, nachdem er zunächst Fleisch und Blut, das noch regelmässig auf Tournee ging als vermisst gegolten hatte. Mit der Tribut-CD «Goin’ Home: A und die alten Hits aufführte. Seine letzte Platte aber er- Tribute to Fats Domino», an der Künstler wie Tom Petty, Willie schien bereits 1979. Nelson, Toots & The Maytals, Herbie Hancock u. a. mitwirk- Im Oktober 2016 kündigte Chuck Berry an seinem 90. Ge- ten, wurde Geld für obdachlos gewordene Musiker gesammelt. burtstag ein Album mit neuen Songs an. «Chuck» ist dann Fats Domino selbst trat in den folgenden Jahren mehrfach auf, im Juni erscheinen; aber sein Star hat die Veröffentlichung um Geld für den Aufbau seiner Stadt einzusammeln. Zuletzt am nicht mehr erlebt. Charles Edward Anderson Berry starb 19. Mai 2007 im Tipitina’s. Antoine «Fats» Domino einer der am 18. März in seinem Haus in Wentzville bei St. Louis. Gründerväter des Rock’n’Roll, starb am 24. Oktober im Alter Johnny is gone. von 89 Jahren in seiner Heimatstadt New Orleans. Christoph Fellmann Tony Lauber

DER BOSS Wahrlich keine revolutionäre Botschaft. Dennoch trieb diesen frühen Tagen geblie- Polo Hofer prägte das Lebensgefühl mich das Lied um. Warum? Dass einer berndeutsch über ben. Dem Publikum, das den Lauf der Dinge sang und darum zumindest phonetisch sie noch heute Wort für einer ganzen Generation mit. Im Sommer verstanden wurde, war nicht neu. In der Schule hatte uns Wort mitsingt, ist es ohne- die Französisch-Lehrerin Mani Matters Chansons vorge- hin egal, ob Polo der Erste starb der Berner Mundartrocker im Alter spielt (wohl, weil Matter ein Brassens-Schüler war), und war. Manche Fans stiessen noch bevor ich das rote und das blaue Doppelalbum der erst viel später auf seine von 72 Jahren. Was er alles hinterlässt. Beatles erstand, erhielt ich ein grünes und ein blaues Bänd- Musik und sangen andere chen mit allen Texten des 1972 tödlich verunfallten Berner Songs mit, als die, die mei- Was war das für ein Gefühl, als Elvis Presley zum ersten Troubadours geschenkt. ne Jugend begleitet hatten. Mal im Radio gespielt wurde, als die Beatles in der Ed Sul- Doch das, was der mir damals noch unbekannte Sänger Denn Polo Hofer prägte livan Show auftraten? Zeitzeugen, die damals zur richti- im Radio sang, hatte nichts mit diesen «Lumpeliedli» zu die Schweizer Musikszene gen, sprich: zur jungen Zielgruppe gehörten, erzählen von tun. «Muschle» verhiess jugendliche Respektlosigkeit, auf- rund 30 Jahre entscheidend grenzenloser Euphorie, und davon, dass für sie damals keimendes Selbstbewusstsein und Zusammengehörigkeits- mit. Das schafft nur einer, eine neue Zeitrechnung begann. Musik als Revolution in gefühl, diese «Muschle» war definitiv noch frisch. Das lag der sich verwandeln und der eigenen Biografie, Musik, die das Lebensgefühl einer an Polos geschmeidiger Stimme, aber auch an der Band, den Zeitgeist deuten kann. ganzen Generation mitprägt: Einer der ganz wenigen, die die einen funkigen Rock’n’Roll spielte, der sich irgendwo in der Schweiz solche Veränderungen auslösen konnten, zwischen den Jazz Crusaders und Elton John bewegte. Bald LEIDENSCHAFT war Polo Hofer, der diesen Sommer 72-jährig gestorben ist. übertrug das Radio einen ganzen Rumpelstilz-Auftritt von Zwar war sein Einfluss immer wieder umstritten, gerade einem Festival in Lenzburg, wo die Stilze die Konkurrenz Urs Hofer, wie sein eigent- bei den Musik-Nerds und Indie-Freaks gilt Polo bis heute mit ihrer Spielfreude wegfegten. Dann folgten der dezent licher Name lautet, wurde als Leichtgewicht. Das lässt sich zwar erklären, wird aber reggae-angehauchte «Teddybär», ein Song, der perfekt zu wenige Wochen vor dem dadurch nicht wahr. ersten pubertären Hormonschüben passte, und die Auto- Ende des Zweiten Welt- stopper-Ballade «D’Rosmarie und i», in der es um die Sehn- kriegs geboren und wuchs ANFÄNGE sucht nach dem Aufbruch und die Ernüchterung nach der als ältester von vier Brü- scheinbar unvermeidbaren Rückkehr zur Realität ging. dern in Interlaken auf, Ich erinnere mich vage an die erste Begegnung vor mehr Ob Polo Hofer zusammen mit Rumpelstilz den Schweizer wo die Eltern ein Mode- als 40 Jahren am Radio. Vor den Mittagsnachrichten, die Mundartrock erfunden hat, oder ob nicht doch eine andere geschäft betrieben. Vom damals zum familiären Pflichtprogramm gehörten, lief Band aus dem Aargau oder anderswo schneller war, wurde Vater hatte er die Gesel- «Muschle», die Single aus dem ersten Rumpelstilz-Album immer wieder debattiert. Das Resultat braucht uns nicht ligkeit und das Talent zum «Vogelfuetter». Darin ging es um das «Gschtürm uf dr zu kümmern: Einzig Hofers Lieder (Polo war der Texter, Witzeerzählen geerbt, von Wält» und den Rückzug ins Reduit einer Muschelschale. die Musik stammte meist von seinen Musikern) sind aus der Mutter den Kunstsinn. polo hofer Früh schon entflammte er a für die Musik der Afro- amerikaner, zuerst für den Jazz von Louis Armstrong. «Polo», wie ihn ein Pfadi- führer in Anspielung aufs Kleidersortiment der El- tern getauft hatte, zeichne- te tagsüber Porträts seiner Vorbilder von Satchmo bis zu Ray Charles und ver- grub sich nächtens unter der Bettdecke, wo er den Soldatensender AFN hörte. «I wär gärn e Neger gsy», meinte er später. Bald trat er «blackfaced» als Louis Armstrong an einem Unter- haltungsabend der Pfadis auf, spielte Schlagzeug in der Band The Jetmen und übernahm dort rasch die musikalische Leitung und das Gesangsmikro. Unter Hofers Leitung wurden die Jetmen von einer Tanzka- pelle zur «Real In Group» (Werbeslogan) mit einem gepflegten Repertoire von Doch Rumpelstilz waren zu gut, um nur den Hippies zu ge- Fabrikanten. Daneben verfolgte er einen journalistischen Sam Cooke bis zu James fallen. Die eingangs erwähnte «Muschle» öffnete das Tor Ansatz und verstand sich als Chronist der laufenden Ereig- Brown, das die Profibeat- zum Mainstream. Bald posierte die Band für die Teenager- nisse. Er setzte auf Mitsing-Refrains und spielte vor jeder bands in Bern, Zürich und postille «pop» und das Schweizer Fernsehen, ennet der Gren- Sprossenwand in jeder Mehrzweckhalle des Mittellands. Basel blass aussehen liess. ze versuchte man sie mit einer eingedeutschten Version ihres Nachdrängende Musikergenerationen versuchten, Polo Als Sänger ging Polo da- Hits «Kiosk» als rockende Emils zu vermarkten. Das konnte zu ignorieren oder wie Züri West und Baby Jail mit Pa- mals auf tutti, er shoutete nicht gutgehen, denn die Stilze waren keine Kabarettisten, rodien aufs Korn zu nehmen. Um ihn herum kamen sie und schuftete, bis ihm die sondern ambitionierte Musiker. 1978 verliess Polo sie – zum nicht, er blieb der «Boss» für alle, die in der eigenen Spra- Stimme versagte. Bald wur- Unmut der Fans. «Zu wenig professionell», liess er sich erst- che rockten. Polo nahm Jungtalente unter seine Fittiche, de er Profi und tingelte mit mals im Ton des späteren KMU-Direktors vernehmen. Eine fuhr anderen an den Karren und lieferte der Ringier-Presse seiner neuen Band Pop Ta- Kaltschnäuzigkeit, die ihm manche nie verziehen. ab und zu einen wohl platzierten Primeur, etwa, wenn er les als menschliche Jukebox Dass Hofer sich nun mit den Berner Southern Rockern forderte, den Rentnern das Auto-Permis zu streichen (er durch die Dancings. Doch Span zusammentat und straighten Rock’n’Roll zu spielen selber hatte nie einen Führerschein). Damit unterstrich er Polo war auch ein Kind begann, kam auch nicht überall gut an. Mittlerweile blies seine Marktführerschaft. Doch Polo einfach als berech- von 1968. Er begann mit den 68ern, deren musikalisches Sprachrohr Polo (vielleicht nenden Geschäftsmann abzutun, würde ihm absolut nicht psychedelischen Drogen zu unbewusst) gewesen war, ohnehin ein rauer Punk-Wind gerecht. Immer wieder lieferte er nachhaltige Lieder, etwa experimentieren, las Timo- entgegen. Als Polo’s Schmetterding auch noch einen Wer- das grüblerisch-trotzige «Im Letschte Tram» oder das in thy Leary und das Rubai- besong für Roger Schawinskis Radio 24 einspielten und sich ruhende «Stilli Wasser». Wenn er wollte, konnte Polo yat, startete füdleblutt mit damit ganz vorn in der Hitparade landeten, war das Ver- mit grosser Sorgfalt an einem Song arbeiten, nächtelang. So den Härdlütli eine kurzle- dikt vieler Bewegter klar: «Scheisstyp», schrieb damals ein bleiben in einem Werk von Hunderten von Songs mehr als bige Politkarriere und stu- Anonymus auf ein Konzertplakat und generell wurde Polo zwei Dutzend Klassiker. dierte das Songbuch von kommerzieller Ausverkauf vorgehalten. Bob Dylan wie die Bibel. ABSCHIED RÜCKSCHLAG «OBERLÄNDLI BÄNDLI» In den letzten Lebensjahren forderte ein lustbetonter Lebens- So wurde 1980 zu einem zweiten Schlüsseljahr. Bei einem stil seinen Tribut. Polo wurde krank, zog sich schrittweise 1971 war ein Schlüsseljahr. Festivalaufritt in Zürich wurde Polo von Eierwerfern in die zurück, lieferte den Medien ab und zu noch ein Bonmot Im Frühling wurden Rum- Flucht geschlagen und war angezählt: Berner Rock schien oder ein kerniges politisches Statement (seinen 68er-Wurzeln pelstilz gegründet, Polos passé, «Züri brännt!» die Gegenwart. Erstmals erlebten blieb er stets treu). Von der Abschottung anderer Musiker «Oberländli Bändli» mit die bewegten 68er selber, wie es ist, als Teil des «Estab- hielt er nichts, er fuhr Tram und war telefonisch erreichbar. einem Haufen langhaariger lishments» davongejagt zu werden. Dabei geht manchmal Polo blieb ein begnadeter Stammtischunterhalter, und wer Musiker, die einiges jün- vergessen, dass Polo in der Schmetterding-Phase auf dem ihn in seinen späten Konzerten sah, spürte die Emotionalität ger waren. Zielpublikum Höhepunkt seiner an Bob Dylan geschulten Reimkunst seines Gesangs. So volksnah er sich gab, so verloren konnte von Rumpelstilz waren die war und einen süffigen, frechen Rock spielte, der erstaun- er in einer Menschenmenge wirken, ein einsamer Bluesmann Freaks und Hippies der lich gut gealtert ist. Wie auch immer: Polo musste sich neu in einer geschäftigen Welt, von der er sich langsam verab- 70er, die Polo mit Texten erfinden, als rockender Provokateur war er zu etabliert, schiedete. Polo war stolz darauf, den Soundtrack zu zahllo- über Kif, Fremdarbeiter musikalisch wurde er gleich auf mehreren Spuren überholt. sen Schweizer Biografien geschrieben zu haben, ohne dass und Konsumwut bei Laune Doch wenn Polo etwas besass, war es die Gabe, Probleme er mit diesen Biografien wirklich etwas zu tun haben wollte. hielt. Erstmals sang Polo auszusitzen. Bald frass die Bewegung ihre eigenen Kinder Bis zuletzt predigte er das Lied von der guten Musik, emp- berndeutsch, inspiriert von und Punk sich selber. Polo ging 1984 mit der Schmetter- fahl anspruchsvolle Literatur und kommentierte Tagesaktu- politischen Bands wie Ton, band und einem eingeschweizerten Americana-Sound er- elles. Sein Tod traf viele härter, als sie erwartet hätten. «Man Steine, Scherben oder Ihre neut an den Start und war nun quasi das Festzelt-Pendant schaut der Sonne zu, wie sie langsam untergeht», zitierte ei- Kinder, die in Deutschland von Bruce Springsteen und seiner E-Street Band. Die Musik ner von ihnen eine alte Weisheit. «Aber in der Dunkelheit ist angloamerikanischen Rock wurde volkstümlicher, die Texte vielseitiger, berechnender man dann doch sprachlos». mit der eigenen Sprache auch. Polo lieferte in den nächsten 20 Jahren Songs für alle kombinierten. Zielgruppen, von den Hundezüchtern bis zu Meringue- Text Sam Mumenthaler Foto Christian Helmle

PLANET STRICKER martin stricker a

entstehen zu lassen. Hellhammer hatte sich beinahe bis zur betriebs noch immer nicht Metal-Legende, Musiker, Partymogul Parodie an Musik und Image der britischen Band Venom die Anerkennung gefunden abgearbeitet, der Begründerin des Black Metal. Das alles ge- hat, die ihr eigentlich zu- und Unternehmer – Ende Oktober hörte zusammen: Musik, Filme, Okkultismus, Satanismus, steht, hat im letzten Jahr Kunst – und bald wurde klar, dass sich keiner so gut im zu einer kurzen, gehässigen verstarb der Zürcher Martin Stricker Verknüpfen der verschiedenen Medien verstand wie Mar- Kontroverse geführt. Doch tin. Er sprengte damit kurzerhand das apologetische Kon- es ist so: Keine hiesige Mu- alias Martin Eric Ain überraschend zept von Hellhammer, deren Demokassetten auf beträcht- sikgruppe war je einfluss- liche internationale Resonanz gestossen waren. Gemeinsam reicher als Celtic Frost. Das erst fünfzigjährig. Der Nachruf eines entwickelten Tom und er die Vision einer neuen Band. Die lässt sich leicht erkennen, beiden wurden zu einem Zweikomponentenkleber. Tom man braucht bloss den Blick Freundes. konnte seine unergründliche Wut in zersetzende Musik ver- über die engen Grenzen zu wandeln, Martin wusste das Gitarrengewitter in Bilder und heben. Andere mögen mehr Ich lernte Martin zweimal kennen. An das erste Mal erin- Symbole zu übertragen. Adoleszente Allmachtsfantasien Tonträger verkauft haben nere ich mich nicht genau. Es könnte in Rapperswil gewe- liessen sie detaillierte Veröffentlichungspläne schmieden, be- oder stromlinienförmige- sen sein, im Frühjahr 1984. Drei Jahre zuvor war H. R. vor sie überhaupt etwas aufgenommen hatten. Von Anfang re Musik gemacht haben, Giger mit dem Oscar ausgezeichnet worden für die Spezi- an stand etwa der Titel des ersten fest: «To Mega doch keine andere Band aus aleffekte in «Alien». Nun fand die erste grosse Ausstellung Therion» («Das Grosse Tier», nach dem Titel der Autobio- der Schweiz fand internati- seiner Werke und Filmrequisiten im Seedamm-Shopping- grafie des Okkultisten Aleister Crowley). Ein besonders pro- onal eine solche Resonanz. Center statt, in einem betont düster gehaltenen Nebenraum vokantes Giger-Bild müsste aufs Frontcover. Unüberschaubar gross ist des Einkaufstempels. Etwas über ein Jahr später waren die gesteckten Ziele in zum Beispiel die Zahl der Da standen wir also und bestaunten etwas verschämt Gi- einem atemberaubenden Tempo erreicht, mehrere Platten von Bands weltweit aufge- gers Welt, in der christliche Symbolik, primäre und sekun- der neuen Band mit dem Namen Celtic Frost waren erschie- nommenen Coverversionen däre Geschlechtsteile und ölige Hybridwesen ineinander nen, darunter auch besagte LP mit dem Giger-Umschlag. von Celtic Frost und Hell- übergehen. Oder das Plattencover von Debbie Harrys De- Der erste Auftritt der Band hatte im Leutschenbach stattge- hammer. bütalbum «KooKoo», auf dem der Kopf der Sängerin von funden, in einer Musiksendung des Schweizer Fernsehens, langen Nadeln durchstossen zu sehen ist. Playback. Live betraten sie wenige Tage danach in der Gra- ANGESAGT, ABER benhalle St. Gallen zum ersten Mal die Bühne. Ich hatte das NICHT MAINSTREAM OKKULTISMUS, SATANISMUS, KUNST Konzert organisiert, trotz schwerer Bedenken der örtlichen linksalternativen Szene, die damals argwöhnisch über die Das zweite Mal lernte ich Wenige Monate zuvor war Martin Bassist bei Hellhammer richtige Verwendung der ehemaligen Turnhalle wachte. Martin 2002 kennen. Un- geworden. Doch bereits hatten Thomas «Tom Warrior» Fi- Darüber, was danach passierte, wird in diesen Tagen viel sere Wege hatten sich 1985 scher und er beschlossen, die Band sterben und eine neue geschrieben. Dass die Band vonseiten des etablierten Kultur- schon wieder getrennt. Mittlerweile hatten sich Celtic Frost im Streit aufgelöst. malcolm young Martin hatte seinen Namen und seine internationalen Ver- bindungen genutzt, um sich – vorübergehend – aus der ri- giden Metalszene zu lösen. PLANET STRICKER In den neunziger Jahren wurde er zum Partymogul und Un- ternehmer und ich zu einem linksradikalen Kleingeist. Nie hätte ich einen Fuss ins «Atelier Milvus» gesetzt, seinen ersten, irgendwie stets halb legalen Club, der dem alterna- tiven Zürich zwei Jahre lang die letzten Reste der Achtziger aus dem Gehörgang pumpte. Ein zermürbender Kleinkrieg mit den Behörden führte 1993 zur Clubschliessung. 1994 folgte das «Luv» im Seefeld, und auch hier war Martin der prägende Kopf, kannte keine Berührungsängste, pro- grammierte mit sicherer Hand Konzerte. Grunge, Hip-Hop oder Hardcore, was immer gerade angesagt und doch nicht Mainstream war. Die Liberalisierung des Gastgewerbege- setzes beendete 1998 den Höhenflug. Der Chic des Halble- galen verpuffte, man bekam über Nacht jede Menge Kon- kurrenz. Der Schritt in die endgültige Professionalisierung folgte. «Acapulco», «Cinque», «Mascotte», «Mata Hari», «Alte Metzg» – die sehr männlich zusammengesetzte Be- treibergruppe war nun eine mitbestimmende Grösse im Malcolm Young Zürcher Nachtleben. So wie Martin früher die Bild- und 1952 – 2017 Klangwelten zusammengeführt hatte, verknüpfte er später die verschiedensten Menschen und Szenen miteinander. Am 6. April 2009 übertrafen AC/DC im Zürcher Hallen- So also trafen wir uns zufällig wieder, in einem DVD-Fach- stadion alle hohen Erwartungen, die man an ihre Konzer- geschäft, an dessen Aufbau er ebenfalls beteiligt gewesen te stellt. Angus Young zog mit nacktem Oberkörper und war. Zögerlich kamen wir ins Gespräch. Stunden später, in kurzen Hosen jene ekstatisch-absurden Show-Einlagen der gemeinsam gespeiste Redefluss war nie abgerissen, lan- durch, die seit mehr als dreissig Jahren zu seinem Pflicht- deten wir spätabends irgendwie in Wipkingen. Ich müsse programm gehören, ohne dass diese abgenutzt oder abge- seine Sammlung sehen. Der Weg führte eine Treppe hin- spult wirkten. Sänger Brian Johnson krächzte sich genüss- ab, denn seine Wohnung lag unterirdisch. «Weisst du, wer lich durch Klassiker wie «Back in Black», «Hell’s Bells» hier reinkommt, sieht sofort, wer ich bin», meinte er beim und «Let There Be Rock» und veredelte auch Songs aus Aufschliessen der Tür. Und in der Tat: Martin hatte sein dem damals aktuellen Album «Black Ice». Im Maschinen- Leben in eine Objektwelt verwandelt. Der riesige Raum, raum sorgten Rhythmusgitarrist Malcolm Young, Bassist vielleicht vier Meter hoch, quoll über von Unmengen an Cliff Williams und Schlagzeuger Phil Rudd dafür, dass die Toys, Büchern, Platten, DVDs, zeitgenössischer Kunst in Turbinen der australischen Rockband mit einer trockenen jeder Grösse und Form. Man hätte ganze Ladensortimente Präzision drehten, die AC/DC ihren besonderen Groove damit bestücken können. Alleine die Comicsammlung war verlieh. monumental in ihrer Dimension. Und zu jedem einzelnen Das Zürcher Konzert war kurzfristig vom 29. März auf den Objekt konnte er ohne Punkt und Komma einen Vortrag 6. April verlegt worden. Die Gründe für die Verschiebung halten. Ich ging erst im Morgengrauen nach Hause, in mei- waren damals nicht einmal dem Veranstalter Good News nem Rucksack zwei Dutzend Pornofilme, die ich mir erst bekannt, und sie bleiben bis heute ungeklärt. Rückblickend mal in Ruhe anschauen solle. Genreklassiker, Filme, die wird darüber spekuliert, ob Malcolm Young schon 2009 man gesehen haben müsse, bevor man sich Urteile erlau- Symptome seiner Demenzerkrankung aufgewiesen hatte, ben könne, wie ich das gerade getan hatte. Er war zu einem die ihn schliesslich zum Rückzug aus AC/DC zwangen. Auf Gelehrten der Popkultur geworden. ihrem 2014 veröffentlichten letzten Album «Rock or Bust» und der darauffolgenden Welttournee wurde er durch sei- NIE KOMMT DER TOD GELEGEN nen Neffen Stevie Young ersetzt. Dieser war bereits 1988 eingesprungen, als Malcolm sich Es gibt wohl kein Thema, das wir nicht gemeinsam näch- in den Alkoholentzug verabschiedete. Es heisst, dass das telang seziert, nichts, worüber wir uns nicht gestritten hät- Publikum ihn damals kaum vermisst habe, glauben kann ten. Wir lernten, welche Themen wir besser bleiben lassen. man das kaum. Während Angus Young den Gitarrenhel- Politische etwa. Auch konnte er mir sehr fremd sein, wenn den markierte, hielt Malcolm die Band von der zweiten er mit einer unglaublichen Inbrunst seine Karaoke-from- Reihe aus zusammen. In den gestanzt scharfen Riffs, die er Hell-Show abzog. Genauso wenig habe ich verstanden, für AC/DC generierte, war kein Platz für Schlamperei oder warum er die Finger nicht lassen konnte von dem, was ihn Genudel. Auf der Bühne achtete Malcolm darauf, dass AC/ krank machte. Auch die Celtic-Frost-Reunion von 2006 DC immer den richtigen Gang einlegten. schien mir ein Fehler zu sein. Er sah das anders. Mit über 200 Millionen verkauften Alben gehören AC/DC In den wichtigen Dingen aber näherten wir uns einander zu den erfolgreichsten Familienunternehmen der Musikge- an. Ich begleitete ihn auf Comicmessen, in Clubs, er folgte schichte. Malcolms und Angus’ älterer Bruder George, frü- mir in die eine oder andere Univorlesung und beschenkte her mit seiner eigenen Band The Easybeats berühmt, hatte mich in seiner überaus grosszügigen Art, als ich mein Studi- die Geschwister nach der Bandgründung 1973 als Mana- um abschloss. Da waren wir nun beide mittelalt geworden, ger betreut und auch ihre ersten Alben produziert. Am 22. und ich dachte eigentlich, es würde noch lange so weiterge- Oktober ist George Young verstorben, am 18. November hen. Doch an einem Samstag gegen Ende Oktober hat ihn ist Malcolm ihm in den Tod gefolgt. Malcolm sei im Al- ein Herzinfarkt im lächerlichen Alter von fünfzig Jahren ter von 64 Jahren friedvoll eingeschlafen, schrieb Angus aus dem Leben gerissen. Nie kommt der Tod gelegen, aber Young in einer kurz darauf veröffentlichten Presseerklä- hier hat er sich definitiv in der Zeit geirrt. Wie kann man rung. Ein bisschen hatte er sich bereits früher von seinem einen Planeten, wie Martin einer war, beschreiben? Es geht Bruder verabschieden müssen: «Ich weiss nicht, ob Mal- nicht. colm mich überhaupt wahrnimmt, wenn ich bei ihm bin», Text Erich Keller Foto Peter Lauth sagte Angus Young 2016. «Ich versuche ihn aber irgendwie spüren zu lassen, dass wir an ihn denken.» Dieser Text erschien erstmals in der WOZ. Nick Joyce SZENE

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DEZEMBER 2017 STEVEN SPIELBERGS KINO DES STAUNENS

xenix.ch / Close Encounters of the Third Kind TODESJAHR 2017

John Wetton erfolgreichen Psychedelic-Popband Bystanders, zusammen 1949 – 2017 und gründete Man. Die Band zog nach London, nahm zwei Alben auf und Der aus dem englischen avancierte ab 1970 auf dem europäischen Festland – be- Derby stammende John sonders in Deutschland – zum beliebten Liveact. Deke Le- Wetton lernte bereits onard verliess die Band mehrmals und kehrte 1974 wieder als Kind das Bass- und zurück. Zwischen den Engagements bei Man veröffent- Klavierspiel. Er ver- lichte er zwei Soloalben («Iceberg», «Kamikaze»). Nach suchte sich in mehreren Tourneen durch Europa und die USA, sowie vier Alben in Schülerbands, unter an- den britischen Top 40, lösten sich die walisischen Grateful derem zusammen mit Dead 1976 auf. Zurück liessen sie Fans wie John Lennon Richard Palmer-James, und Frank Zappa. mit dem er lebenslang Leonard nahm ein weiteres Soloalbum auf («Before Your als Freund und Kollege Very Eyes»), gründete mit die kurzlebige Band verbunden blieb. Nach The Force, ehe Man 1983 – mit Mickey Jones, Martin Ace seinem Profi-Debüt mit sowie Gentle-Giant-Drummer John «Pugwash» Weathers Mogul Trash spielte er – wiederbelebt wurden. 1996 erlitt Deke einen Schlagan- bei einigen der kreativsten britischen Rockbands der Sieb- fall, kehrte jedoch wieder zur Band zurück. Er blieb bis ziger und Achtziger: Er war Mitglied bei Renaissance und 2004, dann reaktivierte er sein Soloprojekt Iceberg. 2005 Family, ehe ihn Robert Fripp 1972 zu King Crimson holte. erschien sein letztes Soloalbum «Freedom and Chains». Auf den Alben «Larks’ Tongues In Aspic», «Starless and In seinen letzten Jahren moderierte Leonard TV- und Ra- Bible Black» und «Red» war er als Sänger und Bassist zu diosendungen und präsentierte live ein Soloprogramm. hören. 1974 löste sich die Band auf. John Wetton tourte Und er schrieb drei höchst amüsante, lesenswerte Bücher mit Roxy Music, ging mit Uriah Heep ins Studio. Er wirk- über die Achterbahn seiner Musikerlaufbahn: «Rhinos, te auf Alben von Brian Eno, Peter Banks, Peter Sinfield, Winos & Lunatics» (1996), «Maybe I Should’ve Stayed Bryan Ferry oder Roger Chapman mit. 1977 gründete er in Bed?» (2000) und «Maximum Darkness – Man on the mit King-Crimson-Drummer Bill Bruford die kurzlebige Road to Nowhere» (2015). 2012 folgte «The Twang Dy- Prog-Supergruppe U.K. Nach einer Liaison mit Wishbone nasty», eine Hommage an seine Lieblingsgitarristen («ohne Ash kehrte Wetton als Frontmann von Asia zurück, einem Scotty Moore hätte ich nie eine Gitarre in die Hand ge- in den Achtzigern erfolgreichen All-Star-Vehikel («Heat of nommen!»). Kevin Allen, Regisseur des walisischen Kult- the Moment») mit Carl Palmer (ELP), Steve Howe (Yes), films «Twin Town», sagte über seinen Freund: «Deke war Geoff Downes (Yes/Buggles) sowie Trevor Rabin (Yes). Mit ein echter Gentleman des Acid Rock. Und er hatte eine fan- wechselnden Partnern (Phil Manzanera, Steve Hackett so- tastische Präsenz auf der Bühne.» wie mit der Progressive-Gruppe Quango) nahm der Bassist Tony Lauber mehrere Soloalben auf, ehe er 2006 mit einer Neuauflage von Asia auf Tour ging. Im Jahr darauf musste er sich, der jahrelang an einer schweren Alkoholsucht litt, einer Herz- operation unterziehen. Er tourte danach weiter und nahm 1944 – 2017 mit Geoff Downes unter dem Namen Icon mehrere Alben auf. 2015 wurde bei ihm Darmkrebs diagnostiziert, eine David Peel, der New geplante Tour mit Asia musste er absagen. Am 31. Janu- Yorker Folksänger und ar 2017 starb der Musiker schliesslich an den Folgen der Strassenmusiker schaff- Erkrankung. te es um 1970 zur Iko- Tony Lauber ne der subversiven Ge- genkultur. Am 9. Mai 2017 starb der einstige Deke Leonard Freund von John Len- 1944 – 2017 non nach einer Herzat- tacke. Mit Songs wie «I Sein Leben verschrieb Like Marijuana» sowie er ganz der Rockmu- der Anarcho-Hymne sik. Roger «Deke» Le- «Up Against the Wall», onard kam aus Llanelli von der Debüt-LP in Südwales. Bekannt «Have a Marijuana», avancierte der als David Rosario ge- wurde er als Grün- borene Strassenmusiker 1968 zum Bürgerschreck. Das Fol- dungsmitglied der le- gealbum «The American Revolution» (1970) wartete mit gendären Rockband weiteren Kiffer-Songs wie «Legalize Marijuana» oder «I Man. In den frühen Want to Get High» auf, es sprach auch Themen mit grös- Sechzigerjahren spielte serer sozialer Sprengkraft wie den Vietnamkrieg («I Want Deke in vielen lokalen to Kill You», «Hey, Mr. Draft Board») sowie Polizeigewalt Bands, darunter Luci- an («Oink, Oink»). 1971 wurden John Lennon und Yoko fer and the Corncra- Ono, die kurz zuvor nach gezogen waren, auf ckers, The Jets, The Peel aufmerksam. «Er kann weder singen, noch wirklich Blackjacks und Dream. Mit den Jets tourte Roger durch spielen. Picasso brauchte 40 Jahre, um es so simpel hin- England und Wales, er gastierte auch im legendären Ham- zukriegen», sagte ein faszinierter Lennon und winkte mit burger Star Club. Ende 1968 tat sich Leonard mit Micky einem Vertrag bei Apple Records. Lennon und Ono pro- Jones, Ray Williams und Clive John, alle Mitglieder der duzierten Peels nächste LP «The Pope Smokes Dope» und bitte umblättern

TODESJAHR 2017 verschafften ihrem Schützling publikumswirksame Auf- zigerjahren zwei unspektakuläre, traditionell ausgerichtete tritte am John Sinclair Freedom Rally und in David Frosts Bluesalben. Später kehrte er zu seiner ersten Liebe zurück, TV-Show. Im Song «» (auf «Some Time In dem Jazz der Vierziger und Fünfziger. 2012 wollten seine New York City», 1972) erinnerte sich Lennon an die erste Mitmusiker ohne ihren Gitarristen und Namensgeber auf Begegnung mit David Peel: «Up come a man with a guitar Tournee gehen, weshalb dieser sie verklagte. J. Geils starb in his hand / Singing, ‘Have a marijuana if you can’ / His am 11. April 2017 in seinem Haus in Groton, Massachu- name was David Peel / And we found he was real. He sang, setts. Er war 71. ‘The Pope smokes dope every day’ / Up come a policeman, Tony Lauber shoved us to the street / Singing, ‘Power to the People to- day.» «The Pope Smokes Dope» war Peels einziges Apple-Album. Gregg Allman Trotzdem wurde der Folksänger nie müde, Lennon und die 1947 – 2017 Beatles zu preisen: 1977 mit «Bring Back » (in- klusive Punk-Version von «Imagine») und «John Lennon Nur wenige Rocksän- for President» (1980), nur Monate vor der Ermordung des gern besassen die Gabe, Beatle erschienen. Und Peel blieb weiter engagiert: Mit dem nackte Seelenpein so Lied «Howard Stern For Governor» lancierte er 1994 den intensiv auszudrücken Kampf des Medienstars um den Gouverneursposten in New wie Gregory LeNoir York. Während der Occupy-Wall-Street-Proteste tauchte er Allman – und er hat- im Zuccotti Park wieder als Strassenmusiker auf. Aus sei- te früh Grund dazu. nem alten Protestsong «Up Against the Wall» bastelte er Geboren wurde er in «Up Against the Wall Street». «Leute kommen zu mir und Nashville, Tennessee, glauben nicht, dass ich noch lebe», verriet er der «New York wuchs jedoch in Flo- Times» 2012. «Ich werde immer weiter singen, bis zum Tag, rida auf. Seine Mutter an dem ich in den Rock’n’Roll-Himmel fahre!» war alleinerziehend, Tony Lauber nachdem der Vater 1950 erschossen wor- den war. In seinen Memoiren «My Cross To Bear» schrieb J. Geils Allman, dass sein Bruder Duane nach dem Tod des Vaters 1946 – 2017 die zentrale Figur in seinem Leben war. Gregg klimperte als erster auf der Gitarre, doch da Duane – wahrschein- 1967 gründeten der lich der beste Slide-Gitarrist des Rock – talentierter darin 21-jährige Gitarrist war, verlegte er sich fortan auf die Hammond-Orgel. Die John Warren Geils Jr. Brüder, inzwischen Fans der Bluesmusiker Howlin’ Wolf und seine Jugendfreun- und Muddy Waters, gründeten die Allman Joys und Hour de Peter Wolf (Gesang), Glass, ehe beide in Jacksonville, Florida, den Kern der All- Richard Salwitz (alias man Brothers Band bildeten. Gregg Allman schrieb moder- Magic Dick, Mundhar- ne Klassiker wie «Midnight Rider», «Melissa», «Dreams» monika), Danny Klein und «Whipping Post». Neben dem sensationellen Gitarren- (Bass) sowie Stephen Tandem Duane Allman und Dickie Betts war seine dunkle Jo Bladd (Drums) in Stimme das Markenzeichen einer Band, welche als Pioniere Worcester, Massachu- des Southern Rock und des Jamband-Genres gelten (ne- setts, eine Blues-Grup- ben Grateful Dead, versteht sich). Der Durchbruch gelang pe. Es war ein langer, ihnen 1971 mit dem Livealbum «At Fillmore East», einer turbulenter Weg, der Sternstunde der Rockmusik. Im selben Jahr starb sein Bru- die Band von der Bühne kleiner Clubs an der Ostküste zum der Duane bei einem Motorrad-Unfall. Ein tragischer Ein- kommerziellen Durchbruch führte. Mit Seth Justman (Key- schnitt in Greggs Leben, der seinen Schmerz mit Drogen boards) nahm die J. Geils Band 1970 und 1971 zwei starke und Alkohol zu betäuben versuchte. Besonderes Aufsehen Studioplatten auf, deren frenetisch vorgetragener R&B le- erregte damals seine 1975 geschlossene Ehe mit der Sänge- diglich ein Vorgeschmack auf das sensationelle Live-Album rin und Schauspielerin Cher. Parallel neben der ABB lan- «Full House» war. cierte er in den Siebzigerjahren eine Solokarriere. Während der Siebzigerjahre veröffentlichte die J. Geils Band Die Allman Brothers Band löste sich 1980 auf. Erst mit sieben Studio- und zwei Live-Alben. Darauf perfektionierte neuen Musikern wie Warren Haynes konnte sie ab 1990 an sie ihr Sound-Amalgam aus messerscharfem, treibendem ihre besten Zeiten anknüpfen. 1995 wurde die Band in die Bluesrock, R&B und Soul, ohne jedoch den Durchbruch zu Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen, im Jahr darauf schaffen. Mit dem Wechsel zu EMI stellte sich der kommer- wurde sie für «Jessica» mit einem Grammy für das beste zielle Erfolg ein: 1980 veröffentlichte die Band ihr erstes Rock-Instrumental ausgezeichnet. 2012 erhielt sie einen Platinalbum «Love Stinks», dem sie 1982 «Freeze-Frame» Grammy für ihr Lebenswerk und verabschiedete sich 2014 folgen liessen. Mit der Hitsingle «Centerfold» schoss The mit einer Serie von Konzerten von ihren Fans. J. Geils Band an die Spitze der Album- und Singles-Charts. Gregg Allman machte Mitte der Neunzigerjahre einen Dro- Musikalisch allerdings war die Gruppe nicht wiederzuer- genentzug. Doch seine jahrelange Sucht brachte ihm eine kennen: Den packend vorgetragenen Bluesrock- und Hepatitis-C-Erkrankung ein. 2010 unterzog er sich einer der Siebziger hatte sie gegen einen gesichtslosen, keyboard- Lebertransplantation. Im März 2016 musste er einige Tour- lastigen Mainstream-Pop eingetauscht. daten absagen, da er an Leberkrebs litt. Mit «Low Country Auf dem Gipfel des Erfolges begann es intern zu kriseln. Blues» (2011) und dem posthum veröffentlichten «Southern Peter Wolf verliess die Band und war auf dem letzten Stu- Blood» hinterlässt er zwei wunderschöne musikalische Ab- dioalbum «You’re Gettin’ Even While I’m Gettin’ Odd» schiedsgeschenke. Gregg Allman, der sieben Mal verheiratet nicht mehr dabei. Offiziell löste sich die J. Geils Band 1985 war, starb am 27. Mai 2017 (vier Monate nach dem Tod auf, um sich mehrmals – zuletzt 2009 – für einige Kon- des ABB-Gründungsmitglieds Butch Trucks). Er hinterlässt zerte zu reformieren. John Geils blieb musikalisch aktiv. seine Frau Shannon, vier Kinder und drei Enkel. Zusammen mit Magic Dick veröffentlichte er in den Neun- Tony Lauber

Gunter Gabriel Glen Campbell 1942 – 2017 1936 – 2017

Es gibt ein Foto von «Adios» hiess sein 2013, auf dem ein la- vorletztes Album, die- chender Gunter Gabri- sen Sommer hat Glen el mit ausgestrecktem Campbell Abschied Mittelfinger posierte. genommen. Der in Die «taz» schrieb dar- Billstown, Arkansas, unter: «Gunter Gabriel geborene Sänger und zeigt seine Lieblingsges- Gitarrist wuchs mit elf te.» Der Sänger erin- Geschwistern auf einer nerte damit an das be- Farm auf. Trotz mate- rühmte Bild von Johnny rieller Not schenkten Cash 1969 beim Ge- die Eltern dem Sechs- fängniskonzert in San jährigen eine Gitarre. Quentin mit derselben Der Fan von Django Fuck-off-Geste. Cash war Gabriels grosses Vorbild, und in Reinhardt und Barney Kessel lernte sein Instrument autodi- den letzten 15 Jahren beschränkte sich sein musikalischer daktisch und spielte als Teenager in der Country&Western- Output vornehmlich auf deutsche Adaptionen von Cash- Band seines Onkels. Wenige Jahre später gründete Glen Songs. In einem «Playboy»-Interview erzählte er: «Ich war Campbell seine eigene Band, The Western Wranglers. Er mit Cash 25 Jahre befreundet. Mein erster Song in der Hit- zog nach Los Angeles und schaffte es in den Kreis der ge- parade hiess: ‹Ich werd gesucht in Bremerhaven›. Der ging fragtesten Sessionmusiker. Als Mitglied der Wrecking Crew zurück auf ‹Wanted Man› von Bob Dylan und Cash. Cash spielte er auf Hunderten von Aufnahmen von Künstlern hatte den auf dem Album ‹At San Quentin› gespielt. Als wie Dean Martin, Nat King Cole, Frank Sinatra, von Elvis der 1972 auf Deutsch mein Hit wurde, wollte Cash mich Presley bis zu The Byrds, The Beach Boys («Pet Sounds»!), kennenlernen. [...] Immer wenn er und seine Frau June in The Monkees und auf vielen von Phil Spectors grössten Deutschland auf Tour waren, haben die mich angerufen, Hits (Ronettes, The Crystals). Wrecking-Crew-Drummer über 25 Jahre. Ganz zum Schluss hat Johnny Cash 2003 Hal Blaine sagte über Campbell: «Er war ein grossartiger auf meinen Anrufbeantworter gesprochen: ‹Komm bitte Gitarrist, der einen Part bloss einmal hören musste, bis er zu mir rüber und sing meine Lieder auf Deutsch.› Da gab ihn beherrschte. Arrangeure schätzten auch seine Gabe, es für mich kein Halten mehr.» In Cashs Studio nahm er unorthodoxe Soli zu spielen.» Dabei konnte der Mann, «Gabriel singt Cash – Das Tennessee-Projekt» auf. Gabriel dessen akustische, elektrische oder zwölfsaitige Gitarre auf hatte wie Cash immer etwas Rebellisches, er war selbst- vielen Beach-Boys-Klassikern zu hören war, nicht mal No- ernannter «Malochermucker» und «Deutschlands einziger ten lesen. proletarischer Sänger», der über und für Unterprivilegier- Seit den frühen Sechzigern versuchte Campbell eine Solo- te sang, verbreitete handkehrum grossmäulige Plattitüden karriere zu lancieren. 1965 schrieb ihm Brian Wilson die und gab sich als Weiberheld und Macho – verlor aber auch Single «I’m Dumb», ein erneuter Flop. Erst die Zusammen- in seinen dunkelsten Zeiten nie die Selbstironie. Denn die arbeit mit dem damals noch unbekannten Komponisten Geschichte seines Lebens – so formulierte es «Die Zeit» –, Jimmy Webb brachte den Erfolg. Die Partnerschaft begann war «hinfallen, aufstehen, weitermachen. Scheisse bauen, mit «By The Time I Get to Phoenix» (1967) und gipfelte Sorry sagen, weitermachen.» in den Country-Pop-Hits «Wichita Lineman» (1968) und 1942 als Günter Caspelherr geboren, mit einer Mutter, «Galveston» (1969). Dank diesen Chartstürmern (insge- die sehr früh starb, und einem gewalttätigen Vater, brach samt verkaufte Campbell 45 Millionen Platten) avancier- er ein Maschinenbau-Studium ab, um sich der Musik zu te er nicht nur zum Showbiz-Promi mit eigener TV-Show widmen. Zuerst als DJ und Mitarbeiter einer Plattenfirma, und einem Auftritt an der Seite von John Wayne (1969 im dann als Komponist für andere Künstler, schliesslich als So- Western «True Grit»), er wurde auch zum möglicherweise lomusiker. In den 70er-Jahren mischte Gabriel mit Country, ersten Pop-Country-Crossover-Superstar. In den Siebziger- Cowboystiefeln und Hits wie «Hey Boss, ich brauch mehr jahren verbuchte er weitere Hits («Rhinestone Cowboy», Geld» die Schlagerszene auf. Daneben schrieb er erfolgrei- «Southern Nights») und kam mit einem Cover von Con- che Stücke für Peter Alexander oder Wencke Myhre und way Twittys «It’s Only Make Believe» auf beiden Seiten des die Emanzipationshymne «Wenn du denkst, du denkst» für Atlantiks in die Top 10. In den Achtzigern begann die Kar- Juliane Werding. Gabriel verdiente viel Geld, dann stürzte riere des Sängers zu schlingern. Alkohol, Kokainsucht und er in den 80er-Jahren in die Tiefen ab, die er vorher besun- die stürmische Affäre mit der halb so alten Tanya Tucker gen hatte: Alkohol, Kokain, Pleite und Millionenschulden schockierten das konservative Country-Music-Publikum. nach Spekulationen mit Immobilien. Er stand wieder auf, Seine vierte Ehefrau Kim Woollen und der Glaube an Gott doch auch später wechselte sich Krudes wie die Teilnahme hätten sein Leben wieder auf Kurs gebracht, verkündete am RTL-Dschungelcamp mit cleveren Ideen wie Konzerten der Wiedergeborene Christ im Jahr 2003. für 1000 Euro in den Wohnzimmern seiner Fans ab. Über Mitten in seiner Comeback-Tour 2011 wurde bei ihm die seinen Wunsch-Grabspruch meinte er einmal: «Er hat sein Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. Aus dem geplanten Bestes gegeben, mehr war verdammt noch mal nicht drin.» Fünf-Wochen-Trip wurde eine anderthalb Jahre dauernde Gunter Gabriel starb am 22. Juni in Hannover an den Ver- «Goodbye Tour», während der Glen Campbell mit drei sei- letzungen eines Treppensturzes, die er sich am Morgen sei- ner Kinder auf der Bühne stand und sich von seinem Publi- nes 75. Geburtstag elf Tage zuvor zugezogen hatte. kum verabschiedete. Am 6. August 2017 starb er 81-jährig in einem privaten Pflegeheim. Philipp Anz Tony Lauber bitte umblättern

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TODESJAHR 2017

Walter Becker Primitive Musik: Das 1950 – 2017 wollte der Bassist Hol- ger Czukay also, nach- «Two Against Nature» dem er in den Sechzi- nannten sie ihr Come- gerjahren bei Karlheinz back-Album von 2000, Stockhausen Neue zu dem sie nach meh- Musik studiert hatte reren getrennten und und 1968 mit seinen gemeinsam tourenden Studienkollegen, dem Jahren zusammenge- Schlagzeuger Jaki Lie- funden hatten: als sei es bezeit und dem Key- unnatürlich, was sie da boarder Irmin Schmidt, machten. Wahr daran die Band Can grün- ist, dass Donald Fagen dete. Gemeinsam mit und Walter Becker eine wechselnden Sängern und dem Gitarristen Michael Karoli komplexe, stark vom spielten sie eine Musik, die im weitesten Sinne Rockmu- Jazz beeinflusste, gleis- sik war, doch gleichzeitig auf alles rockistische und alles send elegante Musik mit sarkastischen Texten zusammen- riffhafte, das Zeitgenossen wie Led Zeppelin pflegten, ver- brachten. Donald Fagen sang und bediente die Keyboards, zichtete. Und natürlich auch auf all das pfiff, was sie bei Walter Becker spielte Bass und Gitarre, zusammen schrie- Stockhhausen lernten: «Alles, was Stockhausen gemacht ben sie Songs, in denen Einsame, Süchtige, Suizidale, Atten- hat, ist das, was wir nicht machen werden.» täter, Alte, Triebtäter und andere Männer auftraten, die mit Viel lieber setzte man auf anarchische Arbeitsmethoden, ihren Gefühlen nicht klarkamen. auf motorische Beats und auf die Repetition als Stilmittel. Das Duo nannte sich Steely Dan nach einem hydraulischen Can erfanden gemeinsam mit Bands wie den Düsseldorfern Dildo in William Burroughs «Naked Lunch». Obwohl ihre Neu! und auch den frühen Kraftwerk das, was in der Pop- Texte unangenehme Themen behandelten und ihre Musik geschichte unter dem Kapitel Krautrock abgespeichert ist komplex angelegt war und kein bisschen spontan – dazu – und den Czukay als Produzent in seinem Tonbandschnei- waren die beiden Studienfreunde zu perfektionistisch, wa- deraum mitschneiderte. Und mit seinen Experimenten das ren ihre Ansprüche an die Studiomusiker zu hoch –, brach- Sampling quasi vorwegnahm. te es das Duo auf 40 Millionen verkaufte Alben. «Wir Klassische Alben wie «Tago Mago» (1971) oder «Ege Ba- wollten die Mitte vom Rand her erobern», sagte Walter myasi» (1972) entstanden derart, mit Tracks wie «Vitamin Becker einmal der «New York Times», «weil wir als Typen C» oder dem monströsen Funk von «Halleluwah», die im- Randständige waren, Entfremdete.» mer noch so frisch und visionär klingen, als seien sie eben Die Krise ereilte sie 1980, nach Fertigstellung des Albums erst aufgenommen worden. Denn es ist hier eine Band mit «Gaucho» und auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Donald Musikern zu hören, die stets neugierig und auf der Suche Fagen musste eine bittere Scheidung bewältigen, Walter Be- geblieben ist. Eine Band, so erzählte Czukay einst, der Sex- cker verfiel dem Heroin, von dem er lange nicht loskam. Pistol-Sänger Johnny Rotten sehr gerne beigetreten wäre. Als es ihm gelungen war, versuchte er sich zuerst als Avo- Neugierig und stets auf der Suche: Das zeichnete Czukay, cado-Pflanzer auf Maui in Hawaii, bevor er als Produzent der Rückwärtsorientierung für Unsinn hielt, auch nach und Instrumentalist in die Musik zurückfand. Becker und dem Ende von Can 1978 aus. Auch, weil sein Name, den Fagen veröffentlichten nur noch zwei Platten zusammen, seine Familie aus Angst vor den Nazis verschleierte, auf gingen aber extensiv auf Tourneen. Was sie früher gehasst polnisch ja «Suche» bedeute und zu seinem Wesen passe. hatten, weil es mit ihrem Perfektionismus kollidierte, berei- Er experimentierte mit der Kurzwelle, nahm Soloalben auf, tete ihnen offensichtliches Vergnügen, wie ihr sensationel- arbeitete mit Musikern wie Brian Eno, dem U2-Gitarristen les Luzerner Konzert im Juli 2007 belegte. Auf ihre Virtu- The Edge, dem Bassisten Jah Wobble oder dem Popduo osität war man vorbereitet gewesen; aber so entspannt, so Eurythmics und gab dem Blur-Sänger Damon Albarn den warmherzig und grosszügig hatte man sie nicht erwartet. Tipp, er solle doch eine interaktive Band gründen – weil Walter Beckers Tod Anfang September kommentierte Do- «virtuelle Musiker wenigstens keine halbvollen Kaffeetas- nald Fagen mit den Sätzen, sein Freund habe «zynisch auf sen rumstehen» lassen. Worauf dieser dann die Cartoon- die Welt gesehen und auf sich selber, dabei war er unglaub- band Gorillaz gründete. lich komisch. Wie viele Kinder aus zerbrochenen Familien Wie sich ein Klangsuchender wie Czukay denn die Musik im hatte er das Talent, die heimlichen Wünsche der Leute zu Jenseits vorstelle, wurde er auch gefragt. Seine Antwort: «Ich lesen und sie in Kunst zu verwandeln.» Beckers Tod wurde habe immer gehofft, dass es dann ganz ruhig sein wird.» auf seiner Webseite bekannt gegeben, ohne einen Grund anzugeben. Der Musiker scheint schon eine Weile krank Benedikt Sartorius gewesen zu sein, konnte er doch an zwei Festivalauftritten von Steely Dan nicht mehr teilnehmen. Walter Becker war 67 Jahre alt. Jessi Zazu 1989 – 2017 Jean-Martin Büttner Im Dezember 2016 machte Jessi Zazu mit einem You- tube-Video öffentlich, dass sie an Gebärmutterhalskrebs Holger Czukay erkrankt war. Darin trug sie ein T-Shirt mit der Aufschrift 1938 – 2017 «Ain’t afraid», das an einen Song ihrer Band Those Darlins erinnerte. Zazu gründete Those Darlins 2006 als Teenager Er bezeichnete sich als «universalen Dilettanten», als einer, mit Nikki Kvarnes und Kelley Anderson in Nashville, nach- der nichts richtig spielen kann. Er sagte im gleichen Inter- dem sie sich im Southern Girls Rock & Roll Camp getrof- view mit der «Süddeutschen Zeitung» auch, dass er «eine fen hatten. In einem Interview erzählte Zazu, deren Onkel lebende Suchmaschine» sei. Und dass seine Band zu Beginn der Country-Musiker Steve Wariner ist: «In meinem Leben eine eher schlechte Band gewesen sei und eigentlich nur ei- gab es immer Musik, ich wuchs in einer Familie von Musi- nes wollte: primitive Musik spielen. kern auf. Mein Grossvater brachte mir die Gitarre bei, als

ich neun war.» 2009 Vertrag beim Plattenmulti Warner. Mit ihrer Mischung aus erschien das Debütal- zornig rausgeprügelten Stakkato-Songs und cleveren Me- bum «Those Darlins», lodien ebneten sie den Weg für Bands wie Sonic Youth oder auf dem sie ziemlich Nirvana. Hüsker Dü selbst blieb der grosse kommerzielle erfrischend Rockabil- Durchbruch freilich verwehrt. Während der Tournee zum ly, Punk und Country Doppelalbum «Warehouse: Songs and Stories» führten mischten. Im Internet Spannungen und Substanzenmissbrauch zum Zerwürfnis. lässt sich aus diesen Grant Hart musste sich mit seiner Heroinsucht und einer Anfangstagen ein wun- HIV-Fehldiagnose herumschlagen, veröffentlichte aber derbares Video einer tapfer zwei Soloplatten, bevor er in den frühen Neunziger- unplugged Version von jahren die Band Nova Mob gründete und damit vor allem «Keep My Skillet Good in Europa erfolgreiche Konzertreisen unternahm. Danach and Greasy» finden, weist seine Diskographie grosse Lücken auf. Dem formida- das die Band auf einer blen «Good News for Modern Man» (1999) liess er zehn Veranda in Athens, Georgia, und Jessi Zazu an der Uku- Jahre des Schweigens folgen, bevor dann «Hot Wax» und lele zeigt. 2011 folgte «Screws Get Loose», auf dem die schliesslich das ambitiöse Spätwerk «The Argument» folg- Band weiter zwischen Zärtlichem und Ausschweifungen, ten. Von den Nachwirkungen der Rauschgiftmissbrauchs zwischen Fun und Fury wechselte, aber den Country zu- gezeichnet und von diversen privaten Katastrophen gebeu- gunsten von Garage-Punk in den Hintergrund schob. «Sie telt, zog Hart weiter durch die nunmehr kleiner geworde- klingen mehr nach Detroit oder Brooklyn als nach Tennes- nen Konzertlokale. Im vergangenen Sommer heiratete er see», schrieb ein Kritiker. Danach kam es zu Besetzungs- seine langjährige Freundin, knapp zwei Monate später wechseln, und das letzte Album «Blur the Line» verlor starb er an den Folgen einer Leberkrebserkrankung – dann 2013 etwas von dieser Frische. Zazu begann danach 46 Jahre nach seinem grossen Bruder. verstärkt politische Inhalte in ihren Songs zu verarbeiten oder schrieb ein Lied über die Benachteiligung von Frau- Philippe Amrein en im Musikbusiness. Die Songs blieben unveröffentlicht, denn Ende 2015 gaben Those Darlins nach einer letzten Tour ihre Auflösung bekannt. Charles Bradley Nach dem Bandsplit wandte sich Zazu erst einmal der 1948 – 2017 Kunst zu, malte und organisierte erste Ausstellungen, als sie im Frühjahr 2016 die Krebsdiagnose erhielt. Mit dem Charles Bradley veröf- erwähnten T-Shirt «Ain’t afraid» sammelte sie Geld für fentlichte sein Debüt- ihre Behandlung und Therapien, wollte aber auch ihren album 2011, da war Kampfgeist demonstrieren. Der Zeitschrift «Nashville er 62. «Why Is It So Scene» erklärte sie: «Zuvor fühlte ich mich niedergeschla- Hard» hiess der Schlüs- gen, weil ich so viel Energie in die Band gesteckt hatte und selsong, und er sang diese implodierte. Ich dachte, niemand hätte gehört, was darin mit seiner vom ich in all den Jahren sagen wollte. Aber nach dem ‹Ain’t Leben gezeichneten, afraid›-Video und den Reaktionen darauf merkte ich, dass ungemein kraftvol- die Leute mir die ganze Zeit zugehört hatten.» Bis zuletzt len Stimme über sein blieb sie auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken ak- Schicksal in Amerika: tiv, zeigte sich mutig und humorvoll. Jessi Zazu starb an ih- Geboren in Gainesville, rer Erkrankung 28-jährig am 12. September in Nashville. Florida, wuchs er bei seiner Grossmutter auf. Philipp Anz Als er acht war, holte ihn seine Mutter, die ihn als Baby im Stich gelassen hatte, nach New York; mit 14 verliess er den Keller, wo er auf dem Sandboden schlafen musste, lebte auf Grant Hart der Strasse und in der Subway. 1961 – 2017 Dank eines Sozialprogramms konnte Bradley als Koch ar- beiten, er reiste durchs Land und kehrte 1996 zurück zu Ein Todesfall stand am seiner Mutter. Der ewige Traum, Musiker zu werden, hielt Anfang der Karriere. ihn wohl am Leben, als er wenig später im Spital mit Peni- Als Grant Vernon Hart zillin behandelt wurde und an einer allergischen Reaktion gerade mal zehn Jahre fast gestorben wäre. alt war, starb sein gros- 2002 nahm Bradley, der als James-Brown-Imitator auftrat, ser Bruder bei einem seine erste Single im Daptone Studio auf – jenem Studio, in Verkehrsunfall. Sein dem die Soulmusik so gespielt wurde wie in den 60ern. Er materielles Vermächt- sang sie so stark, dass er bald mit dem Übernamen «The nis: ein Schlagzeug, Screaming Eagle of Soul» bekannt wurde und eine der hinter dem sich der grossartigen Stimmen des Soul-Revivals wurde. Nachgeborene fortan Drei Alben sang Bradley ein – und als seine nunmehr letzte zu schaffen machte. Platte «Changes» 2016 erschien, da meinte man, er habe Nach Teenagerjahren Frieden geschlossen mit seinem Land, das ihn so plagte, in diversen lokalen wie auch mit seinem Schicksal. Wenig später wurde bei Bands gründete Hart 1979 zusammen mit dem Bassisten ihm Magenkrebs diagnostiziert. Den Kampf gegen die Greg Norton und dem Gitarristen Bob Mould ein Trio, Krankheit hat er Ende September verloren: Charles Brad- das die nächste Generation alternativ rockender Musiker ley wurde 68 Jahre alt. beeinflussen sollte: Hüsker Dü. Die drei Musiker probten Benedikt Sartorius wie die Besessenen, veröffentlichten erste Werke auf dem eigenen Reflex-Label, wechselten zur chaotischen Unter- grund-Firma SST und unterschrieben schliesslich einen SZENE

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Musik im Briefkasten loopzeitung.ch TOP TEN Tony Lauber Hanspeter Künzler Marcel Elsener Benedikt Sartorius Joan Osborne: Songs of Bob Dylan Jane Weaver: Modern Kosmology Protomartyr: Relatives In Descent Laurel Halo: Dust Lizz Wright: Grace Mario Batkovic: Mario Batkovic Mark Wynn: More Singles… Jeans for Jesus: P R O Alejandro Escovedo: Burn Something Michael Chapman: 50 Richard Dawson: Peasant Sophia Kennedy: Sophia Kennedy Beautiful Egopusher: Blood Red Sleaford Mods: English Tapas Grizzly Bear: Painted Ruins Dan Baird: So Low Seamus Fogarty: The Curious Hand King Krule: The Ooz Equiknoxx Music: Colón Man Peter Perrett: How The West Was Won Melanie De Biasio: Lilies Open Mike Eagle: Brick Body Kids Still St. Vincent: Masseduction Gov’t Mule: Revolution Come... Lilly Hiatt: Trinity Lane Daydream Protomartyr: Relatives in Descent Revolution Go Kacy & Clayton: The Siren’s Song Rolling Blackouts Coastal Fever: Avey Tare: Eucalyptus Ozomatli: Non-Stop: Mexico to Jamaica Ride: Weather Diaries The French Press Mount Eerie: A Crow Looked at Me Tedeschi Trucks Band: Live from the Rolling Blackouts Coastal Fever: Michael Head And The Red Elastic Vince Staples: Big Fish Theory Fox Oakland The French Press Band: Adios Senor Pussycat Rhiannon Giddens: Freedom Highway Alan Jenkins: Disaster Cake Sam Mumenthaler Reggie Young: Forever Young Susanne Loacker Interrogation Bunny Randy Newman: Dark Matter Rodney Crowell: Close Ties Wire: Silver/Lead Queens of the Stone Age: Villains Philipp Niederberger Willie Nelson: God’s Problem Child Hurray for the Riff Raff: The Navigator Timmy’s Organism: Eating Colors Thomm Jutz: Crazy If You Let It Roman Elsener Jeans for Jesus: P R O Destination Lonely: Death of an Angel Dale Watson & Ray Benson: Dale & Ride: Weather Diaries Baze: Bruchstück Ophelia‘s Iron Vest: The Holy Gospel of Ray The Church: Man Woman Life Death Nikki Lane: Highway Queen The Mavericks: Brand New Day Infinity Bob Dylan: Trouble No More The Sex Organs: Intergalactic Sex Bruce Robison & The Back Porch Band: Nits: Angst Jason Isbell and the 400 Unit: Tourists Same Zueri West: Love The Nashville Sound The : Satan’s Graffiti Or God’s Van Morrison: Roll With the Punches Wire: Silver / Lead Min King: Immer Wieder Art? Tom Russell: Folk Hotel The Feelies: In Between Ray Davies: Americana Sleeping Beauties: Same Jason Isbell & The 400 Unit: Michael Head & The Red Elastic Band: Martin Savage Gang: Same The Nashville Sound Adios Senor Pussycat David Sarasin Melissa Kassab: Dog Neil Young: Hitchhiker Protomartyr: Relatives in Descent Kendrick Lamar: Damn Tim Evans: Wretched Wings Liam Gallagher: As You Were King Krule: The Ooze The Rubs: Impossible Dream Reto Aschwanden Luna: A Place of Greater Safety / St. Vincent: Masseducation St. Vincent: Masseduction A Sentimental Education Stereo Luchs: Lince Philipp Anz : Waiting on a Song Sampha: Process Big Thief: Capacity Myrkur: Mareridt Matthias Krobath Vince Staples: Big Fish Theory Kelly Lee Owens: Kelly Lee Owens Mark Lanegan: Gargoyle Stereo Luchs: Lince RIN: Eros Juliana Hatfield: Pussycat The Dream Syndicate: How Did I Find Loyle Carner: Yesterday’s Gone Tyler, The Creator: Flower Boy Baxter Dury: Prince of Tears Myself Here Lautrec: Hapax Jeb Loy Nichols: Country Hustle Fishbach: À ta merci Garbage: No Horses (Single) Dizzee Rascal: Raskit Sheer Mag: Need to Feel Your Love Aldous Harding: Party Christiane Rösinger: Lieder ohne Leiden Kendrick Lamar: Damn Sophia Kennedy: Sophia Kennedy Lana Del Rey: Lust For Life Jamila Woods: Heavn Chrigel Fisch K. 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White: Robyn Hitchcock: Robyn Hitchcock Mogwai: Every Country’s Sun Papiro: Automare Gentlewoman, Ruby Man Faber: Sei ein Faber im Wind : Go Farther in Lightness The Great Park: Do Not Walk Under Rhiannon Giddens: Freedom Highway Orelsan: La fête est finie Grizzly Bear: Painted Ruins Wing Dan Auerbach: Waiting on a Song Molden Resetarits Soyka Wirth: Yeah Kevin Morby: City Music Courtney Barnett & Kurt Vile: Lotta Sea Laura Cahen: Nord Future Islands: The Far Field Jürg Odermatt Lice Charlotte Gainsbourg: Rest At the Drive-In: Interalia LCD Soundsystem: American Dream This Is The Kit: Moonshine Freeze Ghostpoet: Dark Days + Canapés Christa Helbling Markus Naegele Feist: Pleasure Veit F. 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sounds better with you www.fmws.ch Musiktherapeut/in Berufsausbildung mit integriertem Instrumentenbau loopzeitung.ch ab November 2017 bis 2021 DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Cutty Ranks arbeitete tatsächlich in einem Schlachthaus in Kingston – seine «Chop Chop»-Metapher im gleichnami- gen Track über einen Schlachthof gründet also in eigenen Erfahrungen. Scharf, mechanisch und rhythmisch wie Hie- be mit dem Metzgerbeil sind Sly Dunbars elektronisch ver- fremdete Riddims; man sieht geradezu, wie die Rinder- und Songhoy Blues The Magpie Reggie Young Schweinehälften rhyhtmisch im Kühlraum zucken. Résistance Salute Forever Young Dancehall, die jamaikanische Tanzkultur, stand ausserhalb (PIAS) The Magpie Salute (Ace) Jamaikas bis weit in die Achtzigerjahre im Schatten von (Eagle Records/Universal) Bob Marley und rootsigem Reggae. Zwei Sampler zeichnen Das aus Mali stammende Reggie Youngs entspannter nun die Entwicklung des Dancehall nach: Die Wiederveröf- Trio Songhoy Blues war die Schon die Ankündigung Gitarrenstil prägte unzäh- fentlichung von «Dancehall. The Rise of Jamaican Dance- Liveentdeckung dieses Jahr ihrer ersten Shows löste lige Aufnahmen aus Mem- hall Culture» versammelt die Stars und die Hits aus den beim Reeperbahn-Festival. Euphorie unter den Black- phis. Dort spielte er mit Jahren 1977 bis 1993; «Studio One Supreme. Maximum am Musikbranchen-Treff in Crowes-Fans aus. Schliess- Elvis Presley («In the Ghet- 70s and 80s Early Dancehall Sounds» (beide Soul Jazz Re- Hamburg spielte die Band lich fanden unter dem Na- to», «Suspicious Minds»), cords) legt den Schwerpunkt auf Studio One, dessen Pro- um den charismatischen men Magpie Salute drei Neil Diamond, Box Tops, duzent Clement Dodd bereits in den frühen Siebzigerjahren Sänger Aliou Touré gleich Mitglieder dieser famosen Joe Tex, Bob Dylan, Jer- auf der Suche nach neuen Sounds und Grooves war. zwei Shows: Nachmittags Southern-Rock-Band wie- ry Lee Lewis oder Dusty Dancehall beinhaltete ursprünglich alles, was die Jamai- in Unplugged-Besetzung der zusammen: Bassist Sven Springfield («Son of a kaner in den Dancehalls zum Schwofen brachte. Anfäng- und abends vollelektrisch. Pipien sowie die Gitarren- Preacher Man»). Youngs lich rezyklierten DJs und Toaster berühmte Studio-One- Beide Male boten Song- Achse Rich Robinson und charakteristischer Sound Riddims aus den 60er-Jahren, so etwa Sugar Minott oder hoy Blues grandiose Sets. Marc Ford, die 1997 ausei- und seine exquisite Technik Prince Jazzbo, dessen verzückt shufflendes «Minstral» «Bluesrock» als Genre nander brach. Zur 10-köp- öffneten ihm auch Türen eigentlich der Equals-Hit «Queen of the Minstrels» war. greift bei der Band nur figen Band gehören auch in Nashville, wo er mit J.J. «Studio One Supreme» zeigt, wie sich aus dem verschlurf- ungefähr, haben die leicht- Drummer Joe Magistro, Cale, George Strait, Billy ten Offbeat nach und nach eine neue Ästhetik schälte, eine füssigen Interpretationen der nach den Aufnahmen Swan, B.B. King und an- eigentliche Groove-Mechanik bestehend aus stampfenden von Songhoy Blues doch leider verstorbene Crowes- deren im Studio war. Jetzt, Beats, primitiven Elektroloops, wirkungsvollen Bässen auch gar nichts mit dem zu Keyboarder Eddie Harsch, mit 80, hat der Altmeister und Drums und einem lässigen Sprechgesang: Möglichst tun, was einem sonst unter Matt Slocum, Gitarrist Nico ein erstes Soloalbum mit geradlinig, möglichst einfach und direkt, ohne unnötigen diesem Oberbegriff um die Bereciartua, Leadsänger sieben Instrumentals pro- Schmuck. Sach- und zweckdienliche Tanzmusik ohne spiri- Ohren gehauen wird. Denn John Hogg, die Sänger und duziert, welche nach Pop tuellen oder politischen Ballast: Lieber «Chop Chop» oder das hier groovt und rockt, Sängerinnen Charity White, und Jazz klingen, sich nahe «Bam Bam» als Rastafari, lieber Goldketten und Sex als riecht nach Wüste und Ga- Adrien Reju, ferner Katrine am Laidback-R&B eines naturverbundene Bescheidenheit. rage und packt einen so- Ottosen. Wie stark die mu- J.J. Cale («Memphis Gre- 1985 kam der grosse Einschnitt: Digitale Produktionstech- fort. Auch auf Konserve. sikalische Verbindung ist, ase») bewegen oder zum niken erreichten auch Jamaika, und fortan klingelten die Neben Damon Albarn ist stellt dieses im kleinen Kreis Country tendieren. Young Dancehall-Grooves elektronischer, waren noch maschinel- auch Nick Zinner von den live aufgenommene Album ist ein begnadeter Musiker, ler und mechanischer; Dancehall mutierte zum Synonym Yeah Yeah Yeahs ein För- unter Beweis: Mitreissend doch er ist kein Improvisa- von Ragga (oder umgekehrt) und sorgte vor allem wegen derer der Band, der nicht zelebrierter Jamband-Sound tor wie Pat Metheny oder homophober Texte für Aufsehen, so dass hierzulande das nur deren Debüt, sondern zwischen Rock, Blues, Folk Kenny Burrell. Er bewegt Interesse abflaute. Zu Recht aber wird auf diesen Samplern auch das neue Album mit und Reggae, getrieben von sich nah an der Melodie, mit den Hits von Chaka Demus and Pliers, Jackie Mittoo, dem schönen Titel «Ré- Spielfreude, dem Groove während seine Begleiter ein Gregory Isaacs oder Jacob Miller die Blüte des Dancehall sistance» produziert hat. und der harmonischen Rhythmusgerüst zimmern, gewürdigt. Ebenfalls als Fan outete Schönheit tänzelnder Klän- das sich am Funk oder Auf die Dauer und der Heimanlage schleicht sich indes eine sich Iggy Pop, der hier auf ge. Neben zwei eigenen Country orientiert. Hier gewisse Monotonie ein; die tanzpopulistische Aggressivität dem tollen Track «Saha- Songs – darunter ein Re- wird die Essenz eines Mu- ist nur in homöpathischen Dosen erträglich – da kommt ha» als Gastsänger dabei make des Black-Crowes- sikers eingefangen, dessen die dritte jamaikanische Compilation aus dem Hause Soul ist. Während «Mali Nord» Titels «Wiser Time» – be- Spiel noch immer vor Soul Jazz Records wie gerufen: «Black Man’s Pride» versam- mit dem Rapper El Kid steht das Repertoire dieses und Coolness strotzt. «Fo- melt Studio-One-Songs über schwarzes Selbstbewusstsein. aufwartet, singt auf dem Debütalbums aus fremden rever Young» klingt lieb- Alton Ellis’ «Black Man’s Pride», Horace Andys «Child völkerverbindenden «One Favoriten aus den frühen lich und entspannt, wie ein of the Ghetto», «Equal Rights» der Heptones und andere Colour» ein Kinderchor. Siebzigern: von Delaney & Sonntagnachmittag auf der entspannte, nachdenkliche, versöhnliche Tracks von Sugar Gesungen in der Sprache Bonnie Bramletts «Comin’ Veranda. Eine sanfte Brise Minott, Cedric Im Brooks, John Holt oder Dennis Brown. der Region – dem alten Home», dem Traditional streift das Gesicht und ein Diese Black Pride war ein Anliegen von Clement Dodd – er Songhoi – sind vor allem «Ain’t No More Cain» Krug Eistee mit Limetten war schliesslich der erste schwarze Labelbesitzer Jamaikas. die Songs «Bamako» und (The Band), «Goin’ Down glitzert in der Sonne. «Yersi Yadda» echte Hits. South» (The Crusaders), Christian Gasser «War Drums» (War), bis zu tl. tb. «Fearless» von Pink Floyd. Pure musikalische Magie.

tl. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline War das wieder ein Tag! Am erstaunlich frühen Morgen – 10:30 Uhr, tiefste Nacht für die meisten Rock’n’RollerInnen – Ezra Furman, der fluid-sexuelle singende Songschreiber aus Chicago. Und am Nachmittag der baumlange frühere Gospelsänger Robert Finley aus Louisiana, der mit 62 Jah- ren sein Debüt veröffentlichte, und ein Jahr später schon Joan Osborne Anna St. Louis Larry Campbell nachdoppelt mit «Goin’ Platinum!». Songs of Bob Dylan First Songs & Teresa Beide Begegnungen wurden sehr kurzfristig einberufen, (Womanly Hips) (Mare Records) Williams erst am Tag vorher war ich aus Zürich nach London zu- Contraband Love rückgekehrt. Wenigstens etwas hatten die beiden sonst so Dylan lässt sich in vielen Etwas im Schatten des Vi- (Red House) unterschiedlichen Männer gemeinsam: Sie kamen ganz in Genres interpretieren – von nyl-Revivals feiert auch die Schwarz daher. Folk zu Country, Blues zu Audiokassette ein – kleine- Das zweite Album des Paa- Das neue Album von Furman erscheint erst im Februar und Rock, Pop bis zu Gospel, res – Comeback. Anna St. res Larry Campbell & Te- trägt den Titel «Transangelic Exodus». Furman war höchst R&B und allem dazwi- Louis’ Debütalbum «First resa Williams beginnt mit umgänglich. Und dennoch brachte er mich an den Rand schen. Die amerikanische Songs» erschien zuerst auf einem Stinkefinger an den meiner Fähigkeiten, ja, darüber hinaus. Wie in meinem Le- Sängerin Joan Osborne Kassette mit fünf Songs auf Ex. Obwohl die folgenden ben kaum je zuvor war ich vor die Schwierigkeit gestellt, hat Titel aus verschiede- der einen und vier auf der Tracks nicht ganz so ätzend mit einem Menschen, dem ich vor einer Viertelstunde erst nen Karrierephasen ausge- anderen Seite, bevor die di- sind wie «The Other Side of vorgestellt worden war, über diffizile Themen zu reden – wählt. Bekanntes aus den gitalen Ausgaben nachfolg- Pain», hat sich Campbell, Sexualität, Religion, soziale Akzeptanz –, die sonst nur Sixties («Masters of War»), ten. Verantwortlich dafür Autor oder Co-Autor der aufs Tapet kommen, wenn man jemanden bereits sehr gut dann «Quinn the Eski- ist Mare Records, das neue meisten Stücke, einige düs- kennt, oder wenn diese Person militant für eine Diskussion mo» und «You Ain’t Goin’ Sublabel des Woods-Labels tere Szenarien ausgemalt. agitiert. Nowhere». Sie gräbt tiefer Woodsist, für welches Ke- Mal werden animalische Beides traf auf Furman nicht zu. Aber es sind Themen, und fördert «Tryin’ to Get vin Morby verantwortlich Symbole wie weisse Wölfe ohne die seine Erscheinung wie auch seine Texte nicht zu to Heaven» (aus «Time zeichnet. Anna St. Louis oder Höllenhunde bemüht, verstehen sind. Natürlich will man sich nicht als Ignorant Out of Mind»), «Ring ist nach Shannon Lay sein um den Horror eines Dro- outen – und tappt in der Verkrampfung unweigerlich ins Them Bells» («Oh Mer- zweites Signing. Die junge genentzugs zu beschreiben. Fettnäpfchen. Erzählt zum Beispiel die Geschichte einer be- cy») und «High Water (For Sängerin wuchs in Kansas Und dann «It Ain’t Gon- freundeten Frau, die daran ist, ein Mann zu werden, und Charlie Patton)» («Love City auf, begann in Punk- na Be a Good Night», ein vergisst, dass aus dem «sie» nun ein «er» geworden ist. and Theft») zu Tage. Eini- bands und lebt seit drei Songtitel, der andeutet, Furman weist einen höflich auf den Lapsus hin. Die Mu- ges hat sie umarrangiert. Jahren in Los Angeles. Mit dass hier, trotz aufgekratzt sik lässt die harzige Situation vergessen. Über ein Album «Highway 61 Revisited» ihrer akustischen Gitar- bluesigem Thema, nichts von Allen Ginsberg landen wir beim grossartigen singen- klingt nach Southern Rock. re, expressivem Fingerpi- Gutes schwant. Doch das den Songschreiber Stephen Yerkey. Furman kennt ihn nicht Anderes wie «Buckets of cking und herbem Gesang Duo kann auch anders: Wer und macht sich sogleich ans Downloaden von dessen bei- Rain» orientiert sich näher knüpft sie beim 60er-Folk es zartbitter und etwas me- den Alben. Da kommt sein Manager aus der Küche und am Original. Hier ist eine mit Country-Anleihen lancholisch mag, wird mit sagt: «Stephen Yerkey, den wollte ich mal managen…» It’s charismatische Performerin an. Es sind gottverlassene «Save Me from Myself» a small world: Zwei von den vielleicht zwölf Menschen in am Werk, ihre Soundcheck- Songs, in dem Sinne, dass und der Bessie-Smith-Num- ganz London, die wissen, wer Yerkey ist, treffen sich zufäl- Fassung von «Tangled sie auf ihre Knochen run- mer «My Sweetie Went lig in einer Loft in Stoke Newington. Up in Blue» gerät schlicht tergeschält werden und Away» bestens bedient. Am Nachmittag dann Robert Finley. Finley wuchs in Finns- mitreissend. «Rainy Day sich komplett auf St. Louis’ Teresa Williams’ Gesang boro, Louisiana auf, spielte Gitarre und sang Gospel, ver- Women» gewinnt durch Stimme und Instrument ab- verströmt hier den sinnli- brachte viele Jahre als Musikant in der Armee, ehe er sich trägen, erdigen Groove stützen. Manchmal schaut chen Schmelz von Linda sein Leben als Schreiner verdiente und nur noch nebenher und Slide-Gitarre. «Spa- ein Piano vorbei, Begleit- Ronstadt respektive Maria musizierte. So mit sechzig bastelte er auf dem Parkplatz ei- nish Harlem Incident», musiker tauchen auf, aber Muldaur. «Contraband nen «Fender Bender» und merkte, dass er nicht mehr gut dieser ursprünglich karge sie halten sich stets im Hin- Love» bringt Americana genug sehen konnte, um sich hinters Steuer zu setzen. Da Folksong, hört sich jetzt, tergrund. So fordert «First in allen Schattierungen, wechselte er zurück zur Musik, «nicht wegen dem Geld, mit einer Prise Soul, wie Songs» aufmerksames Zu- inspiriert von der Vergan- das brauchte ich nicht». Durfte an einem Festival zwei, drei ein Outtake aus «Dusty hören und belohnt dafür, genheit, beseelt, bewegend, Songs spielen, erntete derartigen Applaus, dass er von da in Memphis» an. All die- auch wenn noch nicht jeder zeitlos. Leidenschaft prägt an in einem Crayfish-Restaurant jeden Dienstag auftrat. sen Kompositionen drückt Song dieselbe Wirkung ent- die Ballade «When I Stop Sein Ruf drang an die Ohren von Fat Possum Records, die Joan Osborne ihren eige- faltet. Loving You», «Slidin’ Del- sein Debüt veröffentlichten – und nun hat er mit Black Key nen Stempel auf. Sie lässt ta» dagegen führt knietief Dan Auerbach sein herrliches, klassisch soulig-bluesiges altes Material in neuem anz. in die Sümpfe. Über ei- Neuwerk eingespielt. «Ich war zufrieden als Schreiner», Licht erscheinen, sichtet nem aufreizend langsamen sagte er und grinst genüsslich: «Aber jetzt mache ich das, selten Gehörtes und be- Groove singen die beiden: was ich immer schon tun wollte. Und das will ich nicht weist einmal mehr, wie viel- «Well I can’t do nuthin’ but verspielen!» fältig und kraftvoll Dylans hang my head and cry». Werk bis heute ist. Tolle Stimmen, exzellentes Hanspeter Künzler Material, saftig produziert. tl. tl. DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Erfahrungsgemäss schmecken Singles am besten und blei- ben auch länger haltbar, wenn sie frisch aus dem Band- Merchandise-Koffer gekauft werden. So geschehen im Koch-Areal wo Psychobilly-Bands eher die Ausnahme stellen. X Ray Cat Trio aus Leeds erinnern live in gemäs- sigteren Momenten durchaus auch an Stray Cats, bevor P.P. Arnold Témé Tan ColdCell wieder mehr Russ ausgestossen wird und man sich vor The Turning Tide Témé Tan Those dem grossen Label Nervous Records verneigt. Auf ihrer (Kundalini) (PIAS) (Czar of Bullets) ersten Single «I Lied» (Killjoy) starten sie aber mit einem 60s-Garage-Stomper, der trotz viel Generika sehr gut heilt In Grossbritannien zählt Ein bisschen erinnert Témé Basel und Düster-Metal, und einen gleich Swingin’-Neckbreakers-Platten ausgraben P.P. Arnold zu den gefrag- Tan an seinen berühm- das wird langsam zur un- lässt. Entsprechend ihrem Live-Repetoire sind auch hier testen Session-Sängerinnen, ten Landsmann Stromae. endlichen Geschichte. mit «Ram Riders» und «The Devil’s Come Rag» gleich die ihr Talent in den Dienst Denn beiden ist ein ausge- Das neuste Kapitel schrei- zwei Instrumentalstücke am Start, die Surf, von Künstlern wie Roger sprochen breiter Musikge- ben ColdCell mit ihrem und Garage ungewohnt elegant vermengen. Das Highlight Waters oder Paul Weller schmack eigen, und wenn dritten Album. Wie bei dann die Doo-Wop-Ballade «Lonely on a Saturday Night». stellt. Nach England kam man sich das wundebare Schammasch, mit denen Schelmisch nahe am Kitsch von Showaddywaddy wird die- sie 1966 mit der Ike & Tina Debütalbum von Témé sich ColdCell zwei Musi- ser Song bestimmt die nächste Zusammenstellung «Eis am Revue. Mick Jagger ver- Tan anhört, dann sprüht ker teilen, fusst der Sound Stiel – Die grössten Hits» anführen. half der 20-Jährigen zum auch dieser junge Belgier in Black Metal, erweitert Ebenfalls zu Besuch war das Detroit-Rock-City-Gone- Deal mit Immediate, dem nur so vor Ideen. Jedenfalls das Spektrum aber weit Punk-Trio Timmy’s Organism aus ebenda und legte die LP- Label von Andrew Loog offenbaren die zwölf Titel, über Blastbeats und Raffel- Auskopplung «Revolution Eyes» des lokalen Labels Det- Oldham. Fortan peppte dass hier einer am Werk gitarren hinaus. Die Band roit Magnetic Tape Co. ins Nestchen. Alice-Cooper-Rock, sie Studioaufnahmen der ist, der offensichtlich seine spricht augenzwinkernd Killed-By-Death-Punk und Chrome-Soundscapes treffen Small Faces auf, im Gegen- Ohren überall hat und die von «Swiss-German Ext- auf ausufernde Live-Shows. Auf ihrer neunten LP sind sie zug spielten Steve Marriott verschiedenen Einflüsse reme Rock’n’Roll» und ist erstaunlich relaxed – die Songs atmen nun Tee anstatt Cola & Co. auf der Debüt-LP auch glänzend einzusetzen dem schwarzen Humor zu- – zu Werke gegangen, ohne aber die Härte zu verlieren. der «First Lady of Imme- versteht. Aufgewachsen getan. Das erlaubt Sänger S Und so startet «Revolution Eyes» mit einem gemächlichen, diate». 1967 schoss P.P. mit Zouk und Rumba, so richtig abzudrehen, ne- eingängigen Gitarrenriff, welches sich durch den ganzen Arnolds Version von «The sind ihm Brasiliens Sounds ben Schimpf und Schande Song nie hetzen lässt. Wer Schlagzeuger Blake Hill live ge- First Cut Is the Deepest» in ebenso wenig fremd wie auch Hohn und Spott aus- sehen hat, wird kaum glauben, dass sich dieser derart zu- die Charts und beförderte obskurer japanischer Elec- zuspucken und bei Bedarf rückhalten kann. Einzig zu Bassist Jeff Fournier passt, dass die Amerikanerin für kurze tro-Pop von Cornelius & wie ein Irrer rumzugreinen. er dahin schlendert, wo er will, auch wenn eine Mauer im Zeit ins Rampenlicht. Im- Co., Hip-Hop, Electro und In melodiöseren Passagen Wege steht. Wärs nicht so bescheuert, ich würds Stoner- mediate ging Pleite. Robert der interessante Soundbas- hingegen erinnert er an Punk nennen. « Sun» dann eine Liebeserklärung Stigwood (RSO Records) tard Congotronic. Aber Johan Edlund (Tiamat). an die gute Heimat, wo eben nicht an der «California Sun» nahm sie 1969 unter Ver- auch Stromae oder der Anders als Schammasch gebadet, sondern die Kälte gefeiert wird. trag. Sein Schützling Bar- französische Rockstar –M– fordern ColdCell ihr Publi- ry Gibb wollte mit ihr ein scheinen Spuren interlassen kum nicht mit Avantgardis- Philipp Niederberger Album aufnehmen. Ausser zu haben. So ist «Menteur» mus. Was sie spielen, wirkt einer Single wurde nichts ein an –M– erinnernder auf den geübten Metal- davon veröffentlicht. Bis French-Pop-Heuler. Dau- Hörer vertraut. Ihre Kom- jetzt. Sally Cradock und ihr menklavier und afrikani- bination verschiedener Stile Mann Steve, der Gitarrist sche Bläser sind bei «Tatou von Baller-Attacken über bei Paul Weller und Ocean Kité» tragend, «Coup de Doom bis zu psychotisch- Color Scene ist, mischten Griffe» klingt, als hät- psychedelischen Passagen die Aufnahmen neu ab und te sich ein brasilianischer ist aber doch recht eigen. publizierten sie auf ihrem DJ in Tokios Szeneviertel Zudem sind die Stück mit eigenen Label. «The Tur- Shibuya umgesehen, «Ou- viel Sinn für Dramaturgie ning Tide» ist kein bahn- vrir La Cage» sollte auch arrangiert, so dass auch brechendes Werk, sondern in Pariser Electro- der Zwölfminüter «Tainted eine solide Kollektion von gespielt werden, während Thoughts» keine Sekunde Soul-, Pop- und Rocktiteln «Champion» ein kleiner langweilt. «Those» ist ein wie das dynamische Co- Ohrwurm ist. finsteres Stück Metal in der ver von «Spinning Wheel» Tradition von Celtic Frost, oder Traffics «Medicated tb. das wir im Gedenken an Goo» und Van Morrisons Martin Eric Ain noch ein «Brand New Day». bisschen lauter drehen. tl. ash. SZENE PALACE ST.GALLEN LIVE KONZERTE LIVE 9.2. 02. DEZEMBER 2017 DINNER (DK) SCHNELLER- 21. DEZEMBER 2017 EUROPA: NEUE LEICHTIGKEIT (CH) TOLLERMEIER 11. JANUAR 2018 WOLFMAN (CH) 15.2. 15. FEBRUAR 2018 GRIEVES (US) ALGIERS 20. FEBRUAR 2018 (US) PEACH PIT 1 4 . 4 . 1. MAI 2018 (US) OUGHT MARTIN KOHLSTEDT

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Einsendeschluss 31. Dezember 2017

Unsere Glücksfee ermittelt die Gewinner/innen, die per E-Mail benachrichtigt werden. NACHTSCHICHT

Überwintern mit Robertson Head X-Mas Bash mit Sein

Es ist schwierig geworden, geheimnisvoll zu bleiben. Smartphones, Social Es ist eine längst vergessene Zeit, als das Niederdorf ein Zentrum des Zür- Media und Suchmaschinen sorgen dafür, das selbst Bands, die sich sorgfäl- cher Nachtlebens war, sich hier die Punkszene traf oder regelmässig Jazz- tig mitt Mythen und Legenden umranken, bald schon aus der gepflegten Konzerte stattfanden. Heute ist das Altstadtquartier beruhigte Zone und Anonymität herausgehoben werden. Das gilt auch für das Zürcher Duo tagsüber primär ein Einkaufsort. Als der ehemalige Betreiber und Hausbe- Robertson Head, von dem – offiziell – kein Bandfoto existiert, sondern sitzer Felix Lenz Ende 2015 die Schliessung der Traditionslokale Züri-Bar lediglich ein rudimentärer Linolschnitt. Ihr musikalisches Wirkungsfeld und Kontiki bekannt gab, ging deshalb ein sentimentales Raunen durch umreissen sie allerdings mit klaren Worten: «Robertson Head play and die Medien. Doch die beiden Bars wurden gerettet – Lenz verpachtete sing mostly country-blues, as well as some country and even a lot of blues. sie an ein jüngeres Betreiberteam. Dieses kündigte an, im Kontiki regel- It’s not very far away from punk or other forms of rock and roll. This is mässig Konzerte veranstalten zu wollen. Doch wie so oft in Zürich sah happy music, dealing largely in sorrow and despair.» Dahinter stecken Bice man sich mit Lärmbeschwerden der Nachbarschaft und Misstrauen eines Aeberli (Baby Jail) und Stephen Thomas (The Radio Rat Misery Hour), Quartiervereins konfrontiert. «Nun», sagt Ueli Herzog», «haben wir in und mit ihren zehn Saiten – ein Kontrabass und eine Parlor-Gitarre – spie- den Lärmschutz und die Bühne investiert. Wir wollen weiterhin Konzerte len sie den Winter über alle zwei Wochen dort, wo man diese wunderbare im Niederdorf durchführen!» Herzog sieht sich als Bindeglied zwischen Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert formvollendet geniesst, während der jungen Generation und dem vormaligen Chef Lenz. Dieser schenkte die eine oder andere Träne ins Bierglas kullert. Danach darf man sich dann den Gästen der Züri-Bar jeweils ein Gratiskonzert zu Weihnachten. Und in Fachdiskussionen über Schraubenschlüssel verwickeln lassen, über das so veranstaltet Herzog im Kontiki nun ein fünftägiges Festival mit lauter Pentalobe-Profil, den guten alten Allen Key oder eben den vierkantigen Züri-Bands: die lokalen Legenden Rams und Sein treten auf, Heinz Rohrer Robertson Head. Besser überwintern? Geht nicht. (amp) und Gustavo Nanez mit ihrem neuen Strassenmusik-Projekt Root Hog or Die, oder die Elektronik-Rapper von None of Them. Es wird voll werden 18.12./1.1./15.1./29.1., El Lokal, Zürich – der Vorverkauf ist dringend empfohlen. (anz)

19.12., Root Hog or Die; 20.12., None of Them; 21.12., Shadow of Defeat, Rhabarber, Rams; 22.12., Paul das Pausenbrot; 23.12. Sein, Schoedo; www.kontikibar.ch

Präzisieren mit Kreidler Protestieren mit Marc Ribot

Eigentlich hatten sie bereits ein Album eingespielt. Eines, das leicht und Als die Truppen von George W. Bush gerade im Irak einmarschiert waren, luftig hätte ausfallen sollen. Die Band aus Düsseldorf reiste dafür eigens in spielte Marc Ribot an einem Solokonzert in einem Freiburger Altstadt- ein Studio nach Mexiko. Doch dann wurde Trump zum US-Präsidenten jazzlokal auf seiner Sperrholzmüllgitarre Bob Dylans «Master of War». gewählt, und für Kreidler fühlte sich alles nicht mehr richtig an, zumal in Irgendwann zerplatzte er mit seinen Füssen Luftballons, einige Anwesende Europa ähnliche rechtspopulistische Gesellen vor der Tür standen. So ist lachten gequält, doch eigentlich hätten sie weinen sollen. Weil Ribot mach- ziemlich hastig «European Song» entstanden, auf dem die vier Herren eine te mit dieser entstellten und brutalen Version des Antikriegslieds klar: Da elektroakustische Musik erfinden, die von eisigem Postpunk und Störsen- ist ein Krieg im Gange, der auch uns etwas angeht und aufrütteln sollte. dern durchzogen ist. Natürlich gibt es auch motorische Krautrock-Beats, Marc Ribot, der in den Achtzigern mit verschiedenen Bands und Musi- in dieser wortlosen und aufrüttelnden Protestmusik, denn die Herkunft, kern wie John Zorn die New Yorker Downtown-Szene prägte und lange die verpflichtet schliesslich. Was Kreidler mit diesem beeindruckenden Al- Zeit vorab durch sein Gitarrenspiel auf Tom Waits Meisteralben wie «Rain bum aber auch sagen: Europa ist noch immer ein Ort und eine Idee, die Dogs» bekannt war, forscht seither noch immer an den Möglichkeiten von man unbedingt beschützen sollte. Auch wenn die Fahrt durch den Konti- Protestmusik und von Protestsongs. Denn dass sich seit diesem denkwürdi- nent derzeit ruckliger und dunkler ist als seinerzeit mit dem Trans-Europa- gen Abend die Welt in einen besseren Ort verwandelt hätte: Das kann nun Express. (bs) wirklich nicht behauptet werden. (bs)

20.12., Sedel, Luzern; 21.12., Zukunft, Zürich 27.1., Bad Bonn, Düdingen (Support: Manuel Troller) SZENE Atlantis_2016_Version_3_Atlantis_2016 26.01.16 18:18 Seite 1

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