Kiff Aarau We Keep You in the Loop
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DEZ.17/JAN.18 2017 EINSCHLAUFEN Betrifft: Feiern. Trinken. Denken. Schweigen. Impressum Nº 10.17 DER MUSIKZEITUNG LOOP 20. JAHRGANG Rückblickend zerfällt alles. Und fügt sich zu- das winzige Schriftstück verblüfft entgegen, sammen zu einer neuen Erzählung. Es ist eine grinste – und spielte «She’s a Woman» und P.S./LOOP Verlag traurige Geschichte, die mit einer Party be- «Centre Pompidou». Langstrasse 64, 8004 Zürich ginnt. An einem Samstagabend im Spätsom- Zurück ins Jahr 2017. Wir schreiben den Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 mer 2017. Anlass der Feier in der Acapulco- 21. Oktober. Ein weiterer Geburtstag, der www.loopzeitung.ch Bar ist der 50. Geburtstag von Martin Stricker. gefeiert wird. Diesmal ist es meiner. Kein Ka- Ein Treffen in ausgelassener Gesellschaft, raoke, stattdessen ein Restaurantbesuch mit Verlag, Layout: Thierry Frochaux standesgemäss mit Heavy-Metal-Karaoke und Freunden. Die Gesellschaft ist ausgelassen, [email protected] lustigen Getränken. Vorne an der Bar steht die Getränke sind lustig, und als ich am frü- Rockmaster K, Bartträger und Bassist wie hen Abend draussen vor der Tür des Restau- Administration, Inserate: Manfred Müller das Geburtstagskind neben ihm, und aus der rants eine Rauchpause einlege, kommt Boris [email protected] Ferne sehen sie aus wie Brüder. Ich muss leise Müller vorbeispaziert. Er ist bestens gelaunt, grinsen und mache mich auf den Heimweg. wir plaudern kurz, dann muss er weiter. Redaktion: Philippe Amrein (amp), Knapp zwei Wochen später in Bern. Die Unsere kleine Festgemeinde verschiebt sich Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe beiden Loop-Redaktoren wollen nach einer erst ein paar Stunden später. Zwischen Strategiesitzung noch eine Kleinigkeit trinken Meyer’s und Minirock bleibt einer aus der Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden gehen. Sie stehen vor der Kreisssaal-Bar, als Truppe kurz stehen, um sich mit einem vor- (ash), Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, ein SMS eintrifft: «Grant Hart ist tot.» Das beischlendernden Bekannten zu unterhalten. Marcel Elsener, Roman Elsener, Christoph Fellmann, Gespräch verstummt, der Absacker gerät Drei Minuten später kehrt er zurück. Entgeis- Chrigel Fisch Christian Gasser, Michael Gasser, zum Abschiedsdrink. Dann setzt die Erinne- tert und blass spricht er vier Worte: «Martin Christa Helbling, Christian Helmle, Nick Joyce, rung wieder ein, an das Solokonzert, das der Stricker ist tot.» Der Schock sitzt tief, bei Erich Keller, Matthias Krobath, Hanspeter Künzler, Mann Ende der Nullerjahre im Club Zukunft allen. Wir liefern uns in die nächste Bar ein, Tony Lauber (tl), Peter Lauth, Susanne Loacker, gespielt hat. Ein Auftritt vor überschaubarem betäuben die Trauer mit Bourbon und füttern Mathias Menzl, Sam Mumenthaler, Markus Naegele, Publikum, aber Hart war gut gelaunt und die Jukebox, die natürlich weder Celtic Frost Jürg Odermatt, Philipp Niederberger, David Sarasin, kehrte für Zugaben auf die Bühne zurück. noch Hüsker Dü im Repertoire hat. In dieser Veit F. Stauffer Zwei meiner Lieblingssongs hatte er bis da- Situation der Hilflosigkeit helfen Anekdoten. hin noch nicht gespielt, also schrieb ich deren Jeder hat eine. Zu Grant, zu Martin. Sie bilden Titelbild: Martin Stricker (© Boris Müller) Titel auf einen Zettel. Einfach so Requests – neben Werk und Wirken – das Vermächtnis. reinbrüllen? Geht nicht. Stattdessen bat ich Beredtes Zeugnis zweier grosser Existenzen. Druck: Tagblatt Print, St. Gallen Rockmaster K, der neben mir stand, dem Der Rest ist Schweigen. Und Dank. Das nächste LOOP erscheint am 26.1.2018 Meister den Zettel zuzustecken. Hart nahm Philippe Amrein Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] DAS GEBROCHENE HERZ Tom Petty ist Anfang Oktober 66-jährig gestorben. Von Kollegen wurde der Sänger, Songwriter und Gitarrist aus Florida sehr geschätzt. Bob Dylan half er einst, wieder auf die Beine zu kommen. Tom Petty hatte am Wochenende in seinem Haus in Ma- libu das Bewusstsein verloren und wurde am Sonntag in ein Spital von Los Angeles überführt, konnte aber nicht wiederbelebt werden. Der Musiker starb an Herzversagen – im Kreis von Familie, Freunden und Bandmitgliedern. Er war 66 Jahre alt gewesen, der schlanke Mann mit dem schmalen Gesicht und dem charakteristisch langen, blon- den Haar. «Das ist eine schockierende Nachricht», schrieb Bob Dylan der Zeitschrift «Rolling Stone» und sprach wohl für viele, wenn er seinen langjährigen Musikpartner und gemeinsamen Songschreiber «als grossartigen Perfor- mer voller Licht» bezeichnete, «einen Freund, den ich nie vergessen werde». Die Freundschaft zwischen den beiden konnte man in der Schweiz während einer für Dylan besonders schmerzhaften Phase erleben. Das war 1987 in der Basler St.-Jakobs-Hal- le. Tom Petty und seine Heartbreakers hatten ein vorzügli- tom petty ches Set gespielt, als sie sich daran machten, einen konfu- sen und sichtlich berauschten Dylan zu begleiten, der sich an keine Abmachung oder Tonart hielt und einen desast- reren Veröffentlichungen, die zum Erfolg führen sollten. rösen Auftritt produzierte. Weder Petty noch seine Band Dazu gehört das live im Studio aufgenommene «Let Me konnten Dylans Absturz verhindern. Dennoch kamen die up I’ve Had Enough» mit den Heartbreakers oder «Full beiden Bandleader ein Jahr später wieder zusammen und Moon Fever» von 1989, Pettys erstes Soloalbum und sein spielten, gemeinsam mit Jeff Lynne, George Harrison und erfolgreichstes überhaupt. Dass er sich trotzdem wieder Roy Orbison, unter dem Künstlernamen The Traveling mit seiner Hausband zusammentat, belegt den partizipati- Wilburys eine ebenso gelobte wie erfolgreiche Platte ein, ven Charakter eines Musikers, der auch für seinen Humor die Dylans Karriere neu lancieren sollte. und sein gesellschaftliches Engagement bekannt war. «Ich habe als Solist nichts zu bieten, das ich mit der Gruppe EIN SONGWRITER UNTER EINFLUSS nicht besser machen könnte», sagte er einmal, «es ist fast peinlich, wie gut wir miteinander auskommen.» Dass man bei Petty so rasch ins Aufzählen seiner Kollegen kommt, hat mehrere Gründe: seine eigene Bescheidenheit, DROGEN UND DEPRESSIONEN sein Talent zur Kooperation und zur Grosszügigkeit, dann aber auch die direkten Einflüsse auf sein Gitarrenspiel und Umso verstörter reagierte die Öffentlichkeit, als eine Bio- seinen Gesang. Letzterer war in seiner nasalen Insistenz grafie des Musikers, Fans und Freundes Warren Zanes ebenso stark von John Lennon wie von Bob Dylan geprägt, die schwerwiegenden psychischen Probleme des Künstlers und auf der Gitarre orientierte er sich am schimmernden bekannt machte. In seiner Kindheit war Petty von seinem Klang von George Harrison und dem Byrds-Sänger Roger Vater heftig geschlagen worden, was ihn ein Leben lang McGuinn; er war also ein Songwriter unter Einfluss, ein verfolgen sollte. Eine traumatische Scheidung trieb ihn Vertreter des sogenannten Classic Rock. Schliesslich hat- in den 90er-Jahren in eine langjährige Depression, die er te der Amerikaner Musiker zu werden beschlossen, als er mit Kokain und Heroin behandelte, bis er süchtig wur- die Beatles zum ersten Mal spielen sah, 1964, in der Ed de. Eine sechsjährige Psychotherapie und eine zweite Ehe Sullivan Show. Tom Petty war, wie alle grossen Musiker, halfen ihm über Sucht und Schwermut hinweg. Die Leh- selbst ein Fan. rerin Dana York, seine zweite Frau, hatte ihn nach einem Dabei hat sich der Südstaatler aus Gainesville im nörd- seiner Konzerte kennen gelernt. «Die Depression ist eine lichen Florida auch als Songschreiber und Bandleader eigenartige Krankheit», sagte Tom Petty einmal in einem durchgesetzt. Mit Songs wie «American Girl», «Refugee», Interview: «Du musst realisieren, dass du nicht verrückt «Breakdown» oder «I Won’t Back Down» hat er eine be- geworden bist, sondern krank.» achtliche, auch kommerziell erfolgreiche Karriere gestal- Thomas Earl Petty hinterlässt zwei Töchter aus seiner tet. Tom Petty arbeitete 50 Jahre lang und verkaufte dabei ersten Ehe und einen Stiefsohn aus der zweiten. Mit den 80 Millionen Platten. Auf ihnen spezialisierte er sich auf Heartbreakers gab er im Hollywood Bowl, Los Angeles, harmonisch einfache, orgel- und gitarrengetriebene Songs, sein letztes Konzert. «Ich jage einem Traum nach», sang er die er in den Strophen gelegentlich in einem lasziven in «Runnin’ Down a Dream», «der niemals zu mir kom- Sprechgesang vorantrieb, um den Refrain dann mit souli- men wird.» Es war sein letzter Song vor den Zugaben. Er ger Intensität wiederzugeben. sang ihn eine Woche vor seinem Tod. «Damn the Torpedoes», das dritte Album von ihm und sei- ner Band, geriet zum Millionenhit. Es war eine von meh- Jean-Martin Büttner GONE JOHNNY GONE Chuck Berry hat den Rock’n’Roll auf chuck berry den Punkt gebracht. Mitte März ist der Autor von Klassikern wie «Johnny B. Goode» oder «Roll Over Beethoven» mit 90 Jahren gestorben. 1985 stellte sich Amerika vor, der Rock’n’Roll sei von ei- nem Teenager aus der weissen Suburbia erfunden worden. In «Back to the Future» reiste Michael J. Fox als Marty McFly in die Fünfzigerjahre zurück, um die Ehe seiner Eltern einzufädeln und nebenbei einen Musiker namens Chuck zum «neuen Sound» zu inspirieren. Seither wird darüber diskutiert, ob es sich bei dieser berühmten Film- szene um eine Hommage oder um einen kulturellen Über- griff handelt – um einen Versuch, sich die Popgeschichte ohne schwarze Pioniere zu träumen. So oder so war der Song richtig gewählt: Denn wer immer vom