gesundesMAGAZIN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION österreich IM GESPRÄCH

„ Jeder hat ein Recht auf Gesundheit. MARGIT FISCHER, “ VORSITZENDE DES ÖSTERREICHISCHEN FRAUENRATES

Thema FGÖ-Initiative Praxis Gemeinsam für Gute Kontakte zwischen Wie eine Region gesundheitliche Nachbarn fördern das Gesundheit

P.b.b. 03Z034913 M – Verlagspostamt 1020 M 03Z034913 – Verlagspostamt P.b.b. Chancengerechtigkeit Wohlbefinden lernt

14. JAHRGANG NR. 4 | DEZEMBER 2012 IMPRESSUM

Offenlegung gemäß § 25 MedG 04/12 Medieninhaber: Gesundheit Österreich INHALT GmbH, Stubenring 6, 1010 Wien, FN 281909y, Handelsgericht Wien COVERSTORY Herausgeber/in: 10 Margit Fischer im Interview über ihre Gesundheitsstrategien, ihr Mag. Georg Ziniel, MSc, Geschäftsführer GÖG, soziales Engagement und weshalb mehr Verteilungsgerechtigkeit und Mag.a Christa Peinhaupt, MBA, auch bessere Bildungs- und Gesundheitschancen für die sozial Geschäftsbereichsleiterin Fonds Gesundes Schwächsten bedeuten würde. Österreich

Redaktionsadresse und Abonnement-Verwaltung: Fonds Gesundes Österreich, Aspernbrückengasse 2, 1020 Wien, Tel.: 01/895 04 00-0, [email protected]

Redaktionsbüro: Mag. Dietmar Schobel, Hietzinger Hauptstr. 136/3, 1130 Wien, www.teamword.at, [email protected], Tel.: 01/971 26 55

Redaktion: Mag.a Gudrun Braunegger-Kallinger, Dr. Rainer Christ, Sabine Fisch, Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher, Ing.in Petra Gajar, Mag.a Rita Kichler, Foto: Klaus Pichler/FGÖ Helga Klee, Dr. in Anita Kreilhuber, Mag. Harald Leitner, 1 Frage an 3 Expert/in- Manuela Brandstetter a MENSCHEN & Mag. Hermine Mandl, MEINUNGEN nen: „Gesundheit – im Interview: Arm und Mag. Markus Mikl, Eigenverantwortung krank am Land Mag.a Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH, oder Aufgabe der 22 Mag. Dr. Klaus Ropin, Drei Porträts: Viktor Gesellschaft?“ Mag. Dietmar Schobel (Leitung), Omelko, Barbara Haider- Mag.a Gabriele Vasak, Novak, Franz Wutte 14 Wie Gesundheits- Dr. in Verena Zeuschner 4 förderung für sozial WISSEN Benachteiligte gestaltet Graphik: Mag. Gottfried Halmschlager Kurz & bündig werden kann 5-7 Kurz & bündig 23 Fotos: DI Johannes Hloch, DI Klaus Pichler, 15-17 Klaus Ranger, Dragan Tatic, Fotolia Gesünder leben in Neue Initiative des FGÖ: Niederösterreich Thema: Alle haben Für bessere Kontakte Foto Titelseite: DI Klaus Pichler, www.kpic.at 8 ein Recht auf ein zwischen Nachbarn möglichst gesundes 24 Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. Der PGA ist Österreichs Leben Erscheinungsweise: 4 x jährlich größter Gesundheitsverein 18-38 Mehr Chancengerechtig- Verlags- und Herstellungsort: Wien 9 keit durch mehr Verlagspostamt: 1020 Wien. Die 14. Gesundheitsförde- Gesundheitskompetenz Coverstory rungskonferenz des FGÖ 26 Blattlinie: Das Magazin „Gesundes 10 18 Österreich" ist Österreichs Plattform zum Christoph Reinprecht Thema Gesundheitsförderung. Es präsentiert Mehr Verteilungsgerech- im Interview: Gesund- Menschen und vermittelt Inhalte und Gastbeitrag von Michaela Moser von tigkeit bringt mehr heitsförderung für Know-how aus den Handlungsfeldern Politik, Gesundheit für alle Migrant/innen Wissenschaft und Praxis. der Armutskonferenz 13 20 28

2 gesundesösterreich EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser!

eder Mensch hat das Recht auf ein mög- Jlichst gesundes Le- ben. Doch die Chancen darauf sind ungleich verteilt. Wer arm ist, we- niger gebildet und durch Wohn- oder Ar- beitsverhältnisse beson- ders belastet, der ist auch häufiger krank und hat wahrscheinlich eine ge- Foto: Wilke ringere Lebenserwartung. Schon vier Stationen mit der U-Bahn können vier Jahre Unterschied bedeuten, Foto: Miredi – Fotolia.com 18 hat etwa der Sozialexperte Martin Schenk bei der 14. Gesundheitsförderungskonferenz des Fonds Gesun- des Österreich (FGÖ) berichtet: Nämlich jene vier Haltestellen, die zwischen Wohnungen im 15. und solchen im noblen 1. Bezirk in Wien zurückzulegen „ „Faire Chancen sind. Gesundheitsförderung hat deshalb das Ziel, vor allem sozial benachteiligte Menschen zu erreichen. auf Gesundheit Wir wollen so zu mehr gesundheitlicher Chancen- gerechtigkeit beitragen. Wie das gemeinsam mit für alle.“ verschiedensten anderen Sektoren der Gesellschaft am besten gelingen kann, war zentraler Inhalt unse- Weshalb speziell die Gesundheit sozial benachteiligter Menschen“ rer Tagung Ende November in Villach und ist auch gefördert werden sollte. das Schwerpunktthema dieser Ausgabe unseres Magazins. Auf den Seiten 18 bis 38 finden Sie Inter- views und Artikel zu den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Armut, Arbeitslosigkeit Bessere Gesundheits- „Gut drauf“: Ein Pro- PRAXIS und Migration. Auf den Seiten 20 und 21 können chancen von Anfang gramm für Jugendliche Sie nachlesen, weshalb eine Gesellschaft mit mehr an durch „Frühe Hilfen“ in Deutschland Verteilungsgerechtigkeit letztlich mehr Gesundheit Kurz & bündig für alle und besseren sozialen Zusammenhalt 30 38 43-45 bringt. Doch derzeit öffnet sich die „soziale Schere“ Die Strategien moderner SELBSTHILFE Eine Region lernt immer weiter. Deshalb wäre es notwendiger denn Suchtprävention gesund zu sein je, dem durch geeignete Strategien in allen gesell- 32 Selbsthilfe in der 46 schaftlichen Bereichen entgegenzusteuern. Das be- Schweiz: eine tont auch Margit Fischer im Interview für unsere Der „Vinzimarkt“, Standortbestimmung Wie im Land Salzburg von Coverstory auf den Seiten 10 bis 12. Dass wir uns ein Sozialmarkt in Graz 39 AVOS 81 Kleinprojekte für besonders freuen, dass wir die Vorsitzende des 33 sozial Benachteiligte um- „Österreichischen Frauenrates“ und Frau von Bundespräsident für unsere Titelge- Auf einen Blick: gesetzt wurden Warum uns Arbeit Die Adressen der schichte gewinnen konnten, muss nicht besonders 48 erwähnt werden. Wir tun es an dieser Stelle trotz- gesund erhalten kann Selbsthilfe-Dachverbände dem gerne, und dürfen Ihnen wie immer auch die 34 40 Eine Initiative bringt Artikel über erfolgreiche Praxisprojekte des FGÖ mehr Gesundheit in und aus der Selbsthilfebewegung ans Herz legen. Prekäre Arbeit, prekäre Viele Jahre an lebens- einen Grazer Stadtteil Gesundheit? wertem Leben gewinnen: 50 Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, 36 Der Dachverband Organ- transplantierte Österreich Bessere Unterstützung Christa Peinhaupt, FGÖ-Projekt: 41 für Obdachlose durch Geschäftsbereichsleiterin des FGÖ Gesund und die „Wiener Plattform arbeitsfähig von Selbsthilfe für Gesundheit und Anfang an Burnout-Betroffene Wohnungslosigkeit“ 37 42 52

gesundesösterreich 3 MENSCHEN & MEINUNGEN

BARBARA „Arbeit zu haben HAIDER-NOVAK, kann ein wesentlicher PROJEKTLEITERIN VON FIT2WORK SALZBURG Gesundheitsfaktor sein.“

„Gesundheit bedeutet für ben schöpfen könne. mich Wohlbefinden. Dass Haider-Novak ist schon seit zwischen Arbeit und Privatle- 16 Jahren für das Berufliche ben eine gute Balance be- Bildungs- und Rehabilitati- steht, ist dafür besonders onszentrum in Wien tätig. wichtig“, sagt Barbara Hai- Und im Rahmen des Projek- „Wir bringen der-Novak (44). Für die ver- tes „C4C – Check for Chan- Hilfsbedürftige mit jenen heiratete Mutter von zwei ces“ hat sie sich schon da- zusammen, die Hilfe Söhnen im Alter von neun mit befasst, gemeinsam mit und elf Jahren heißt das vor arbeitslosen und gesundheit- geben können.“ allem auch: „Für die Familie lich beeinträchtigten Men- VIKTOR OMELKO, muss ausreichend Zeit blei- schen festzustellen, welche DIREKTOR DER CARITAS KÄRNTEN ben, auch wenn die Anforde- Möglichkeiten an Beschäfti- rungen im Beruf gerade sehr gung für diese vorhanden o lange sind nicht viele Spitzenmanager im groß sind. Das hat für mich sind. Seit August 2012 ist sie faktor sein“, meint Haider- Amt: Viktor Omelko (77) ist seit 38 Jahren Priorität.“ Schließlich, so die nun Leiterin für das Projekt Novak: „Somit ist es auch SDirektor der Caritas Kärnten und trägt die Arbeits-, Klinische und Ge- zur Erhaltung von Arbeitsfä- ein wichtiger Beitrag zu mehr Verantwortung für 1.250 Angestellte. „Sicher ha- sundheitspsychologin, sei die higkeit und mehr Gesund- gesundheitlicher Chancen- be ich manchmal die Pension vor Augen“, sagt Familie für sie auch eine heit „fit2work“ in Salzburg. gerechtigkeit, Arbeitsplätze er. „Doch noch werde ich gebraucht.“ Die sozia- Quelle, aus der sie neue Kraft „Arbeit zu haben kann ein zu vermitteln und zu erhal- len Tätigkeiten der Hilfsorganisation der katho- für ihre beruflichen Aufga- wesentlicher Gesundheits- ten.“ lischen Kirche sind vielfältig. Beratung und Un- terstützung für Menschen mit Handicap, Sucht- kranke, Obdachlose und Flüchtlinge zählen eben- „Wir wollen sozial Benach- so dazu wie mobile soziale Dienste und mobile teiligte erreichen und so Hospizbegleitung. „Wir bringen jene Menschen, die Hilfe brauchen, mit denen zusammen, die Hil- deren Gesundheitschancen fe geben können“, sagt Omelko. Er stammt aus verbessern.“ Tichoja ob Sonneg im Bezirk Völkermarkt in FRANZ WUTTE, GESCHÄFTSFÜHRER VON Kärnten, hat in Klagenfurt Theologie studiert GESUNDHEITSLAND KÄRNTEN und wurde 1960 zum Priester geweiht. Ab 1961 war Omelko Kaplan in Heiligenblut und Völker- der „Kleinen Zinne“ in den Do- in Klagenfurt als Referent für markt. Er war auch Geistlicher Assistent der Ka- lomiten gestanden und hat die Krankenanstalten und Gesund- tholischen Arbeiterjugend und der Katholischen „Bügeleisenkante“ in Osttirol heit zum Land Kärnten ge- Arbeitnehmerbewegung und ab 1964 Diözesan- Franz Wutte hat einen Startvor- bewältigt. Seit der Geburt von wechselt. „Ich wollte nicht ein Jugendseelsorger. Ab 1968 hat er in Wien Sozi- teil. „Da ich beruflich damit zu Sohn Manuel 1992 beschränkt Leben lang das Gleiche tun al- und Wirtschaftswissenschaften studiert und tun habe, fällt es mir vielleicht er sich aufs „Bergwandern“ – und habe rasch zugesagt“, er- 1974 den Abschluss gemacht. Im selben Jahr leichter als anderen, auf meine oder eben auf das, was der innert er sich. Seit 2003 be- wurde er zum Caritasdirektor von Kärnten be- Gesundheit zu achten“, meint Bergfex darunter versteht. Denn schäftigt sich Wutte beruflich stellt. Wo und wie findet der Sozialmanager ge- der Geschäftsführer von „Ge- auch dabei hat er hohe Ziele. mit Gesundheitsförderung, seit sundheitlichen Ausgleich? „Vor allem im Ur- sundheitsland Kärnten“. Er 2013 will er gemeinsam mit sieben Jahren ist er Geschäfts- laub“, sagt Omelko. „Da fahre ich gerne ans achtet auf eine ausgewogene den Freunden aus seiner Kärnt- führer von Gesundheitsland Meer und gehe Schwimmen und Wandern.“ Ernährung, geht zwei- bis drei- ner Bergsteigerrunde Afrikas Kärnten. „Wir wollen in Zu- Außerdem seien ihm Kontakte mit Menschen mal pro Woche joggen und am höchsten Berg erklimmen. kunft noch mehr sozial Benach- wichtig, denn erst im anderen spiegle sich die ei- Wochenende gerne in die Na- 5.895 Meter über dem Meeres- teiligte erreichen und so deren gene Person wider. Omelko wurde 1980 mit dem tur: im Sommer zum Wandern, spiegel liegt der Gipfel des Ki- Gesundheitschancen verbes- Großen Goldenen Verdienstzeichen der Republik und im Winter macht der Ski- limandscharo. sern“, sagt Wutte. Dazu sollen Österreich ausgezeichnet und ist seit 2000 Päpst- touren oder ist mit Schnee- Als gelernter Radiotechnologe unter anderem Kooperationen licher Ehrenprälat. schuhen unterwegs. Früher war ist der heute 52-Jährige im Jahr mit dem Arbeitsmarktservice Wutte auch Kletterer.Er ist auf 1994 vom Landeskrankenhaus Kärnten beitragen.

4 gesundesösterreich MENSCHEN & MEINUNGEN Foto: Styria vitalis Geburtstagsblumen für alle: Das Team von Styria vitalis bei der Feier zum 40. Geburtstag der Einrichtung für Gesundheitsförderung. Seit 40 Jahren für mehr Gesundheit in der Steiermark

mütlichen Frühstück ins Styria Gäste mit typisch steirischen STYRIA VITALIS vitalis-Büro eingeladen. Über Torten bewirten zu können. die Website war um Tortenre- Zudem wurden Spezialitäten Die steirische Einrichtung für zepte mit typisch steirischen vom Bio-Catering „Tischlein Gesundheitsförderung Styria Zutaten, alten Obstsorten und deck dich“ serviert. Die steiri- vitalis wurde 1972 gegründet. selten verwendeten Getreide- sche Gesundheitslandesrätin Der runde Geburtstag wurde arten gebeten worden. Und Kristina Edlinger-Ploder über- heuer gebührend gefeiert. En- Mitarbeiter/innen von Styria reichte den Mitarbeiter/innen de September waren Partner/in- vitalis hatten zu Mixer und von Styria vitalis ein besonde- nen, Freund/innen und Auftrag- Backblech gegriffen, um diese res Geburtstagsgeschenk: Je- Die steirische Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder und geber/innen anlässlich des 40- Zubereitungsempfehlungen in des Teammitglied erhielt einen Karin Reis-Klingspiegl, die Jahre-Jubiläums zu einem ge- die Tat umzusetzen, und die Zyklamenstock. Geschäftsführerin von Styria vitalis

gesundesösterreich 5 MENSCHEN & MEINUNGEN Gemeinsam gesund bewegen Ein Vorzeigeprojekt Tag 2012 wird erwachsen INITIATIVE

Die Initiative „Fit für Öster- reich" hat in Kooperation mit dem Fonds Gesundes Öster- reich auch 2012 wieder den „Gemeinsam gesund bewe- gen"-Tag am 26. Oktober ver- anstaltet. Zusammen mit den drei Sportdachverbänden AS- KÖ, ASVÖ und SPORTUNION

sowie dem Verband der alpi- Foto: BMG nen Vereine Österreichs (VA- Auch Gesundheitsminister Alois Stöger nutzte bei der Veranstaltung die Foto: AVOS VÖ) hatte man sich zum Ziel Möglichkeit, sich beim Badminton gesund zu bewegen. Die Landessanitätsdirektorin Heidelinde Neumann, AVOS- Geschäftsführer Thomas Diller, Gemeindebundpräsident Helmut gesetzt, am Nationalfeiertag Mödlhammer, Landtagsabgeordneter Josef Schlömicher-Thier und das ganze Land in Bewegung nen gab es auch in diesem bote. Das Gesundheitsminis- die AVOS-Bereichsleiterin für die Gesunden Gemeinden Maria zu bringen. 291 Veranstalter Jahr wieder Aktiv-Pakete mit terium war am „Gemeinsam Pramhas (von links nach rechts im Bild) mit der Geburtstagstorte. waren bundesweit unter die- Gratis-Werbematerialien und gesund bewegen"-Tag mit ei- sem gemeinsamen Motto da- kostenlosen Give-aways. Zu- nem Stand am Heldenplatz in bei.Auch 79 Gemeinden hiel- dem wurde die Homepage Wien vertreten. Neben infor- AVOS SALZBURG ten ein Bewegungsevent ab www.gemeinsambewegen.at mativen Broschüren und Pla- und insgesamt haben sich neu gestaltet. Sie bietet wei- katen gab es hier unter ande- 1992 haben das Land Salzburg und AVOS – der Ar- rund 36.000 Österreicherin- terhin allen Veranstalter/in- rem auch die Möglichkeit, beitskreis für Vorsorgemedizin Salzburg – die Initia- nen und Österreicher aktiv be- nen und Teilnehmer/innen um- beim Badminton körperlich tive „Gesunde Gemeinden“ ins Leben gerufen. In den teiligt. Für alle Organisatio- fangreiche Bewegungsange- aktiv zu werden. teilnehmenden Ortschaften werden die Bürgerinnen und Bürger zu ihren Wünschen und Bedürfnissen im Bezug auf Gesundheit befragt. Die Ergebnisse sind Grundlage für Arbeitskreise zum Thema Gesund- Neuer Vorstand heitsförderung.An diesen sollen sich engagierte Ein- wohner/innen beteiligen, um gemeinsam Maßnah- GESELLSCHAFT FÜR PUBLIC HEALTH men in ihrer Gemeinde zu planen und umzusetzen. Dabei soll vor allem auch die Zusammenarbeit mit den Die Österreichische Gesellschaft für Ärztinnen und Ärzten im Ort im Zentrum stehen. In- Public Health (ÖGPH) ist eine multi- haltliche Schwerpunkte sind die Themen Bewegung, und interdisziplinäre Fachgesellschaft, Ernährung, Entspannung, psychische Gesundheit und die sich für die Entwicklung nachhalti- Umwelt sowie verschiedene Gesundheitsaktionen. ger gesundheitsorientierter Strukturen Heuer sind es 20 Jahre geworden, dass das Land Salz- in Gesellschaft und Politik einsetzt. Der neue ÖGPH-Vorstand: Günter Diem, Nathalie Burkhard und Thomas Dorner (von links nach rechts burg diese Maßnahmen finanziert und AVOS diese Nähere Informationen sind unter im Bild) koordiniert. Das wurde Mitte September mit 60 Ver- www.oeph.at nachzulesen. Ende Sep- treterinnen und Vertretern aus allen Bezirken im Stift tember fand die alljährliche Tagung der forscht. Schriftführerin ist die Klinische St. Peter in der Stadt Salzburg gebührend gefeiert. ÖGPH statt, bei der das Thema „Kin- und Gesundheitspsychologin Nathalie Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer, Land- der- und Jugendgesundheit“ aus einer Burkert, die seit 2010 als Universitätsas- tagsabgeordneter Josef Schlömicher-Thier und die Public Health-Perspektive betrachtet sistentin am Institut für Sozialmedizin neue Landessanitätsdirektorin Heidelinde Neumann wurde. Im Anschluss an die Konferenz und Epidemiologie der Medizinischen gratulierten den Bürgermeister/innen und Arbeitskreis- wurde die Generalversammlung abge- Universität Graz arbeitet. Kassier ist leiter/innen der Gesunden Gemeinden und bedankten halten und ein neuer Vorstand ge- Günter Diem, der bis 2011 medizini- sich besonders für das ehrenamtliche Engagement. Die wählt. Präsident ist nunmehr Thomas scher Geschäftsführer des aks – Ar- ersten „Gesunden Gemeinden“ im Land Salzburg wa- Dorner, der als Assistenzprofessor am beitskreis für Vorsorge- und Sozialme- ren übrigens Fuschl und St. Gilgen. Heute gibt es 37, Institut für Sozialmedizin der Medizi- dizin in Vorarlberg war und derzeit als darunter auch drei Salzburger Stadtteile. nischen Universität Wien lehrt und Allgemeinmediziner tätig ist.

6 gesundesösterreich MENSCHEN & MEINUNGEN Ischler Gesundheitswerkstatt

PGA OBERÖSTERREICH Foto: PGA

Gesundheit ist für alle wichtig. Trotzdem haben in Österreich nicht alle denselben Zugang zu Gesundheit. In Bad Ischl wurde die „Ischler Ge- sundheitswerkstatt“ ins Leben gerufen, um alle Die Projektleiterin Ilona Schöppl, Sonja Zauner, gesundheitsinteressierten Gemeindebürger/in- die stellvertretende Geschäfts- nen sowie speziell auch fünf Gruppen der Be- führerin des PGA und Josef völkerung zu erreichen, die sozial benachteiligt Weidenholzer, der Präsident und daher besonders gesundheitsgefährdet der Volkshilfe Österreich (von links nach rechts im Bild), bei sind. Das sind Alleinerzieher/innen, Migrant/in- der Auftaktveranstaltung für die nen, jugendliche Arbeitssuchende, ältere Emp- „Ischler Gesundheitswerkstatt“ fänger/innen der Mindestsicherung und „Wor- king-poor“ – also diejenigen, die einen oder Gemeindebürger/ innen in Bad Ischl verändert (OÖGKK) in Bad Ischl statt. Dabei waren unter mehrere Jobs ausüben – und trotzdem kaum werden sollte. Die Ergebnisse werden dann anderem Josef Weidenholzer, der Präsident der oder nicht genug Geld zum Leben haben. auch im Stadtrat der Gemeinde im Salzkam- Volkshilfe Österreich, Karin Rumpelsberger von Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes ist, mergut Thema sein – und sollen letztlich An- der OÖGKK, die Bad Ischler Stadträtin Heide dass für jede dieser fünf Zielgruppen ein „Ge- stoß für entsprechende Verbesserungen sein. Stögner, Kersten Buttinger von der Volkshilfe sundheitszirkel“ organisiert wird. Diese Treffen Gesamtziel ist es, gesundheitliche Chancen- Salzkammergut und Sonja Zauner, die stellver- werden jeweils von einer „Gesundheitstutorin“ gleichheit zu fördern und die Gesundheit von tretende Geschäftsführerin des PGA, vertreten. oder einem „Gesundheitstutor“ aus dem Menschen in schwierigen sozialen Lebenslagen Die „Ischler Gesundheitswerkstatt“ wird vom Kreis der Betroffenen moderiert. Die Tutor/in- zu stärken. Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit nen werden dafür eigens geschult. In den (PGA) mit der OÖGKK und der Volkshilfe Ober- Gesundheitszirkeln werden Belastungen Die Auftaktveranstaltung für das Projekt österreich durchgeführt und aus Mitteln des identifiziert und gemeinsam Lösungen erarbei- fand Mitte Oktober im Haus Tisserand der Fonds Gesundes Österreich finanziert. Das tet, was im Sinne besserer Gesundheit für alle Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Projekt wird bis Juni 2014 laufen.

Messe für Menschen mit Behinderungen

„JEDER FÜR JEDEN“ IN WIEN

Bereits zum achten Mal stand das Wiener Rathaus Mitte November 2012 ganz im Zeichen der Messe „Jeder für Jeden“. Mit der Veran- staltung wollte die Wiener Gesundheitsförderung die Chancen für ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen auf- zeigen. Sie richtete sich aber auch an Angehörige und Interessierte, um das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen weiter zu verbessern. Mehr als 80 Wiener Selbsthilfegruppen, Behindertenorganisationen und themenspezifische Einrichtungen gaben einen Überblick über ihre vielfältigen Unterstützungsangebote. Bei den Vorträgen und Diskussionsrunden auf der Messe wurden verschiedenste Inhalte thematisiert: die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen ebenso wie das sensible Thema Sexualität und Be- hinderung oder die Frage nach möglichen „Stolpersteinen“ im Ge- sundheitswesen. Auch die Möglichkeiten so genannte „Partnerhun- de“ einzusetzen, standen auf dem Programm. Workshops – etwa zu den Themen Humor im Alltag, Akrobatik oder persönliche Zu- die Veranstaltung für alle Besucherinnen und Besucher interessant kunftsplanung – luden zum aktiven Mitmachen ein. „Dieser gesun- gemacht“, freut sich Dennis Beck, Geschäftsführer der Wiener

Foto: WiG de Mix aus Information, Unterhaltung und Mitmach-Angeboten hat Gesundheitsförderung, über den Erfolg.

gesundesösterreich 7 Verantwortung fürihreeigeneGesundheitzuübernehmen.“ in Niederösterreich: dieLeiterinderInitiative„Tut gut!“ Edith Bulant-Wodak, pro Jahr Jahresbudget: Lebenswelten Schulen und anderen Ort in den Gemeinden, Pölten und circa 30 vor innen in der Zentrale in St. Zahl derMitarbeiter/innen: Gesundheitsvorsorge ken/Betriebe; Kindergärten und Landesklini- Gesunde Schulen, Arbeitsschwerpunkte: Sozialfonds – Initiative „Tut gut!“ Organisation: DATEN & FAKTEN MENSCHEN & MEINUNGEN Prävention“, meintBulant-Wodak. rund um Gesundheitsförderung und len AnsprechpartnerfüralleFragen mengefasst. „Jetztgibteseinenzentra- einer Organisationseinheitzusam- Initiativen unterdiesemNamenzu österreich“ sowie von zwei weiteren nen des„GesundheitsforumNieder- die AngeboteundMitarbeiter/in- größtem Bundesland.2009wurden rung undPräventioninÖsterreichs Einrichtung fürGesundheitsförde- Leiterin derInitiative„Tutgut!“, Die Ernährungswissenschafterinist nehmen“, erklärtEdithBulant-Wodak. für ihreeigeneGesundheitzuüber- sie dazubefähigen,Verantwortung W 8 gesundes NÖ Gesundheits- und Niederösterreich stärkenund Ressourcen derMenschenin ir wollendiegesundheitlichen rund 10 Millionen Euro „Wir wollendieMenschenbefähigen, österreich Gesunde Gemeinden, rund 30 Mitarbeiter/ gen. ZweiJahre langkommenBewe- liche AktivitätandieSchulen brin- 15 Jahre.Essollspeziellmehr körper- „Bewegte Klasse“gibtesschon über ligen sich100Schulen.Das Projekt licher gestaltetwerden.Aktuell betei- samtorganisation gesundheitsförder- 2007/2008 Ausbildungsstätten als Ge- len“ sollenseitdemSchuljahr Durch dasProgramm„Gesunde Schu- Schulen inBewegung tage verwendet. Projekte, Vorträge oder Gesundheits- gesundheitsfördernde Maßnahmen, nem Euro.DieseMittelwerdenfür Jahr zwischen 40 Euro-Cent und ei- gestellt wird: pro Einwohner und Gemeinde ein Budget zur Verfügung des Gemeinderates,unddassinder Teilnahme isteinpositiverBeschluss und Umwelt.Voraussetzungfürdie sundheit, medizinischeVorsorge nährung, Bewegung,mentaleGe- haltlichen SchwerpunktesindEr- „Tut gut!“begleitetwerden.Diein- von Betreuer/innen der Initiative meindemitgliedern organisiertund beitskreisen entwickelt,dievonGe- Die KonzeptedafürwerdeninAr- in ihremOrtangepasstsind. verwirklichen, die an die Bedürfnisse liche Maßnahmenzuplanenund daran beteiligen,gesundheitsförder- zahlreiche BürgerinnenundBürger sentliches Zielist,dasssichmöglichst Gemeinden in Niederösterreich. We- teil; dasistmehralsdieHälfteder schaften begonnen,heutenehmen343 führt. DamalswurdemitfünfOrt- de“ wird bereits seit 1995 durchge- Das Programm„GesundeGemein- Gesunde GemeindeninNÖ Gesünder lebenin Gesundheitsförderung undPrävention.Siesetztsichfür gesünderen LebensstilderBürgerinnenundBürgerein. Niederösterreich „Tut gut!“heißtdieniederösterreichischeInitiativefür gesündere Rahmenbedingungen,aberauchfüreinen ne: 02742/226 55. erhältlich, überdie„Tutgut!“- Hotli- www.noetutgut.at Wide Webnachzulesen, unter Weitere Informationensind imWorld Gartenarbeit, Radfahrenoder Tanzen. mehr Zu-Fuß-Gehenoderseiesdurch Alltag angeregtwerden–seiesdurch cher/innen zumehrBewegungim Durch diesesollenalleNiederösterrei- geht’s! JederSchritttutgut!“beitragen. Dazu soll die aktuelle Initiative „Los heit achten“, betont Bulant-Wodak. gleichsweise wenigaufihreGesund- schen erreichen, die bislang noch ver- „Wir wollenvorallemauchjeneMen- Jeder Schritttutgut statt, umdenErfolgzumessen. ßend findeterneuteineUntersuchung auf demProgrammstehen.Abschlie- zudem auch„seelischeGesundheit“ rung undBewegung.Ab2013wird ten StundenzudenThemenErnäh- sechs Monatehinweginje24betreu- stil zuändern.Dasgeschiehtüber bei unterstützenlassen,ihrenLebens- peut/innen undDiätolog/innenda- wissenschafter/innen, Physiothera- Ärzt/innen, Sport-undErnährungs- österreich könnensiesichvon rund 90StandorteninganzNieder- erkrankungen festgestellt wurde. An erhöhtes RisikofürHerz-Kreislauf- durch eineVorsorgeuntersuchungein nen Menschenteilnehmen,beidenen Am Programm„Vorsorgeaktiv“kön- die Pausenintegriertwerdenkann. wie BewegungindenUnterrichtund im SchulhofundaufdemSportplatz, kräften in der Klasse, dem Turnsaal, Haus und zeigen Kindern und Lehr- gungsexpert/innen kostenlosins oder telefonisch

Foto: Initiative „Tut gut!“ Foto: PGA sagt W der Verein seit2009 im Auftrag desFonds Ge- ImBurgenlandhat heitsförderung zuständig. in Wien undKärntenfürdieZahngesund- ZudemistderPGA 100.000 Kinderbetreut. JedesJahr werden soüber Volksschulen. men zweiMalimJahr inalleKindergärtenund Speziell ausgebildeteMitarbeiter/innenkom- vom PGA in ganz Oberösterreich durchgeführt. Die Zahngesundheitserziehungwirdheute In mehreren Bundesländerntätig zieher/innen auszubilden. reich zuetablierenundZahngesundheitser- Ausbildung für Arbeitsmedizin inOberöster- eine DieZielewaren zunächst, sche Dienst. und Beschäftigung und der Arbeitsmedizini- der Verein zurFörderungvon Arbeit Linz, dieStadt wie die Volkshilfe Oberösterreich, so- dieArbeiterkammer Gewerkschaftsbund, cherungsanstalt unddemÖsterreichischen der Allgemeinen Unfallversi- für Gesundheit, demBundesministerium bietskrankenkasse, der sindnebenoberösterreichischenGe- Mitglie- Der Verein wurde1991gegründet. sundheitsverein. DamitistderPGAÖsterreichsgrößterGe- tig. arbeiter sindaufBasisvon Werkverträgen tä- Rund 400weitereMitarbeiterinnenundMit- mit HauptsitzinLinzhat250 Angestellte. DerPGA chischer Gesundheitsarbeitskreise“. dem„Forum österrei- des „aksaustria“, einemvonachtMitgliedern arbeit (PGA), des Vereins fürprophylaktischeGesundheits- Das SpektrumderAktivitätendesVereinsfürprophylaktische Heinz Eitenberger Heinz Alle AngebotegehenvoneinemganzheitlichenVerständnis Gesundheitsarbeit (PGA)mitHauptsitzinLinzistbreit. Gesundheitsverein und psychosoziales Wohlbefinden“, und geistiges send – als körperliches, ir verstehenGesundheitumfas- Österreichs derGeschäftsführer , größter von Gesundheitaus. durch Oberösterreich undbringtSexualpäda- Der„LovetourBus“fährtseit2002 tinnen. vor allembenachteiligteFrauen und Migran- undzwar langen undGesundheitsfragen, raten undunterstützenhierinsozialenBe- JezweiMitarbeiterinnenbe- Wels undRied. gilt auchfürdieFrauengesundheitszentren in Das Eitenberger. sagt etwa Arbeitslosen“, wie in schwierigensozialenLagengenutzt, durchschnittlich hohemMaßvonMenschen „Dieses Angebot wirdinüber- gänglich. Bundesland kostenfreie Psychotherapie zu- therapeut/innen desPGAmachen imganzen 120angestelltePsycho- ren Erkrankungen. die Rehabilitation nachUnfällenoder schwe- genutzt werdensowiealsmobileDienstefür Riedund drei TraunTherapiezentren inPerg, Ergo-undLogotherapie könnenin Physio-, Kostenfreie Psychotherapie heitswissenschaften an. Studien derPsychologieundGesund- technik undbietetmitKooperationspartnern Akademie für Arbeitsmedizin undSicherheits- Außerdembetreibt der PGAdieLinzer gen. training und Yoga biszuöffentlichen Vorträ- Babymassage überDiplomefürLegasthenie- reicht von einer Ausbildung zum Kursleiter für DasSpektrumistsehrgroßund sonen genutzt. dagogik werdenjährlichvonrund5.000Per- Soziales und Pä- in den Bereichen Gesundheit, DieBildungsangebotedesPGA und Therapie. vor allemauchindenBereichen Ausbildung der Aktivitäten findet in Oberösterreich statt, Derweitausgrößte Teil meinden angehören. demaktuell50Ge- de Dörfer“aufgebaut, sundes ÖsterreicheinNetzwerkfür„Gesun- ihre psychischeGesundheitzufördern.“ umihrseelischesLeidzulindernund getan, Nochwirdzuwenig trächtigt oderkrank. re undalteMenschensindpsychischbeein- „Viele älte- DazuEitenberger: und Senioren. die seelischeGesundheitvonSeniorinnen Einanderes ist tensiver beschäftigenwill. mitdemsichderPGAinZukunftin- Thema, Die Adipositasprävention fürKinderistein zählt ebenfallszuden Aufgaben des Vereins. tigung der„CliniClowns“inOberösterreich denakquisition für Ausbildung undBeschäf- DieSpen- Jugendzentren undFerienlagern. zuSchulen, wosiebenötigt werden: dorthin, gog/innen undderen Aufklärungsangebote Jahresbudget: Kindergesundheit Bildung, Zahngesundheit, BetrieblicheGesundheit, Arbeitsmedizin, Arbeitsschwerpunkte: von Werkverträgen Basis und rund400externe Dienstleister/innen auf Zahl derMitarbeiter/innen: Gesundheitsarbeit (PGA) Organisation: MENSCHEN & MEINUNGEN Wohlbefinden.“ geistigesundpsychosoziales als körperliches, arbeit: des Vereins fürprophylaktische Gesundheits- derGeschäftsführer Heinz Eitenberger, „Wir verstehenGesundheitumfassend– Verein fürprophylaktische circa 9,5MillionenEuroimJahr 2012 gesundes DATEN & FAKTEN Akademie für 250 Angestellte österreich 9 IM GESPRÄCH

Die Armut nimmt zu Margit Fischer im Interview über ihre Gesundheits- strategien, ihr soziales Engagement und weshalb mehr Verteilungsgerechtigkeit auch bessere Bildungs- und Gesundheitschancen für die sozial Schwächsten bedeuten würde. Text: Dietmar Schobel

GESUNDES ÖSTERREICH meines Ehemannes intensiv teil, und schließ- Frau Fischer, was bedeutet lich habe ich mir eine Reihe von Aufgaben ge- „Gesundheit“ für Sie persönlich? stellt, wie zum Beispiel meine Tätigkeit als Vor- Margit Fischer: Gesundheit bedeutet für sitzende im ScienceCenter-Netzwerk, das mich körperliches Wohlbefinden und Lebens- Menschen aller Altersstufen einen unbefan- freude, frei von Schmerzen und Krankheit zu genen Zugang zu Wissenschaften und Tech- sein. Gesundheit ist wahrscheinlich in einem nik ermöglichen soll, oder als Vorsitzende gewissen Ausmaß auch erblich beeinflusst. Um des Österreichischen Frauenrates oder die meine Gesundheit zu erhalten, ist mir vernünf- Zusammenarbeit mit der Österreichischen tige und maßvolle Ernährung wichtig sowie Volkshilfe. Das hat automatisch weitere so- regelmäßige körperliche Bewegung – vor al- ziale Kontakte zur Folge, die mir Freude be- lem im Freien, aber auch Gymnastik zu Hau- reiten. se. Ich bin auch Nichtraucherin. GESUNDES ÖSTERREICH GESUNDES ÖSTERREICH Armut macht krank. Das wird durch wendig. Es ist aber auch wichtig auf den Zu- Welche Rolle spielen soziale zahlreiche Studien belegt. Was sollte sammenhang zwischen Bildung, Einkom- Kontakte für Ihr Wohlbefinden? in diesem Sinne für mehr „gesund- men und Gesundheit zu verweisen. Bildung Ich habe vorhin von „Lebensfreude“ gespro- heitliche Chancengerechtigkeit“ hat in nachweisbarer Weise höheres Ein- chen. Dazu gehören sicher auch soziale Kon- unternommen werden. kommen zur Folge und höheres Einkommen takte und ein guter Zusammenhalt in der Für mehr „gesundheitliche Chancengerech- sowie „bessere Jobs“ stehen wiederum mit Familie. Ich habe einen stabilen Freundeskreis, tigkeit“ ist in erster Linie ein gerechtes und besserer Gesundheit und höherer Lebenser- der bis in meine Jugendzeit zurück reicht. Ich ausgleichendes System der Krankenversi- wartung in Zusammenhang. Die Schlussfol-

nehme aber auch an den sozialen Kontakten cherung und der Sozialversicherung not- gerungen daraus liegen auf der Hand. Foto: Klaus Pichler/FGÖ

10 gesundesösterreich Margit Fischer: „Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde geboren.“

MARGIT FISCHER IM PORTRÄT Geboren: 28. Juni 1943 in Meine Musik ist: klassisch, zum Bewegung im Freien, Gymnastik und Sternzeichen: Krebs Beispiel von Vivaldi und Haydn maßvolle Ernährung Lebt mit: Heinz Fischer Auf meinem Nachtkästchen Was krank machen kann, sind Meine Hobbys sind: Bergwandern, liegt „Engel des Vergessens“ von Kränkungen, zu viel zu essen und zu Bücher und Musik der österreichischen Schriftstellerin wenig Bewegung Im Wirtshaus bestelle ich: frische, und Bachmann-Preisträgerin Welche drei Eigenschaften bodenständige Speisen; dazu trinke ich Maja Haderlap beschreiben Sie am besten? Mich zu meistens Wasser Was mich gesund erhält sind, beschreiben, überlasse ich lieber anderen.

gesundesösterreich 11 IM GESPRÄCH

GESUNDES ÖSTERREICH Sie engagieren sich schon seit Jahren für die Volks- hilfe, die zu den großen sozialen Hilfsorganisationen in Österreich zählt. Was sind Ihre Motive dafür? Diese Frage wird mir oft gestellt.Wenn man gesellschaftspolitisch interessiert ist, wenn man das europäische Menschenbild und die Menschenrechtsdeklaration, wonach alle Menschen gleich an Rechten und Würde ge- boren sind, ernst nimmt, dann ist die Antwort nahe liegend. Dann will man nicht zuschau- en, dass in einem wohlhabenden Land für ei- ne bestimmte Gruppe von Menschen die Ar- mut zunimmt, dass sich gar nicht so wenige alte Menschen oder alleinerziehende Frauen warme Kleidung, gesundes Essen oder eine geheizte Wohnung nicht leisten können. Des- halb setze ich mich für die Aktion „Armut tut weh“ der Volkshilfe ein. Und schon gar nicht will man zuschauen, dass in anderen Teilen der Welt Millionen von Menschen schwer unterernährt sind, keinen Zugang zu reinem Margit Fischer und Bundespräsident Heinz Fischer beim Wandern in den Sextener Dolomiten in Trinkwasser oder ärztlicher Versorgung haben Südtirol im Sommer 2012. und sich Bildung nicht leisten können.

GESUNDES ÖSTERREICH Aktuell Demnach sind die Vermögen äußerst ungleich werten. Die unteren zehn Prozent halten we- öffnet sich die viel zitierte „soziale verteilt. Die untere Hälfte der Haushalte in Ös- niger als 1.000 Euro. Natürlich wünscht man Schere“: Reiche werden reicher und terreich besitzt rund vier Prozent des gesam- sich auf Grund solcher Tatsachen, dass die die Zahl der armen Menschen steigt. ten Bruttovermögens (Sach- und Finanzver- österreichische – und auch die europäische – Was sollte getan werden, um dieser mögen), während die obersten fünf Prozent der Politik der Frage größerer Gerechtigkeit bei Entwicklung entgegenzusteuern? Haushalte rund 45 Prozent und damit fast die der Einkommens- und Vermögensverteilung Vor wenigen Wochen wurden in Österreich Hälfte des Bruttovermögens besitzen. Betrach- mehr Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmet. Da- von der Nationalbank Ergebnisse einer von tet man das Nettovermögen, das heißt das mit wäre auch die Chance verbunden, wichti- der Europäischen Zentralbank in Auftrag Bruttovermögen abzüglich der Schulden, so ge Ausgaben und Investitionen, wie zum Bei- gegebenen und mit größter Sorgfalt erarbei- halten zehn Prozent der Haushalte im Durch- spiel im Bildungsbereich, zu finanzieren, ohne teten internationalen Studie veröffentlicht. schnitt mehr als 542.000 Euro an Vermögens- die sozial Schwächsten neuerlich zu belasten.

EIN KURZER LEBENSLAUF VON MARGIT FISCHER

Margit Fischer wurde als Margit im fünften Wiener Gemeindebezirk dierte sie drei Jahre Kunstgeschich- tes und seit sieben Jahren auch Binder im Juni 1943 in Stockholm Margareten 1965 mit der Diplom- te an der Universität Wien. Seit 20. Vorsitzende des ScienceCenter- geboren. 1949 kehrte sie im Alter prüfung ab. September 1968 ist Margit Fischer Netzwerks. Diesem Verein gehören von sechs Jahren mit ihren Eltern Ab 1965 arbeitete Margit Fischer mit Heinz Fischer verheiratet, der über 120 Partnerorganisationen Anni und Otto Binder – die vor der als Stoffdesignerin bei der Potten- seit 2004 Bundespräsident der Re- an, die sich zum Ziel gesetzt ha- Nazidiktatur von Österreich nach dorfer Textilwerke AG. 1966 legte publik Österreich ist. Sie hat zwei ben, unabhängig von Vorwissen Schweden emigriert waren – nach sie die Meisterprüfung für die We- Kinder und zwei Enkelinnen, Anna und für alle Altersstufen Wissen- Wien zurück. Hier besuchte sie die berei ab, arbeitete 1967 als Gobe- (4 Jahre) und Una (2 Jahre). schaft auf leicht zugängliche Weise Volksschule und eine Allgemeinbil- linweberin bei Märta Måås-Fjetter- Margit Fischer war von 1992 bis unmittelbar erlebbar und begreif- dende höhere Schule. Nach der ström AB / Stockholm und von 1998 Vizepräsidentin der Hilfsor- bar zu machen. Margit Fischer un- Matura 1961 schloss sie die vier- 1967 bis 1970 als Textilrestaurato- ganisation „Rettet das Kind Öster- terstützt die Aktion „Armut tut jährige Höhere Bundes-Lehr- und rin im Museum für angewandte reich“. Sie ist seit 1993 Vorsitzen- weh“ der Österreichischen Volks- Versuchsanstalt für Textilindustrie Kunst in Wien. Anschließend stu- de des Österreichischen Frauenra- hilfe. Foto: Tatic Dragan

12 gesundesösterreich GASTBEITRAG Krank, weiblich, wenig Geld sucht ... gutes Leben!

Frauen zahlen einen hohen Preis dafür, dass sie den Großteil gesellschaftlicher Sorgearbeit unbezahlt übernehmen. Viele sind armutsgefährdet und von einem guten Leben, zu dem auch Erholung und Anerkennung gehören würden, trennt sie vieles. Dabei sollte das im reichen Österreich möglich sein, Gastautorin Michaela meint Michaela Moser von der Armutskonferenz. Moser

tellen Sie sich vor, Sie sind weib- Armut bedeutet Mangel an Möglichkeiten mert. Von einem guten Leben, zu dem lich, Anfang 40 und alleinerzie- Fehlende Finanzen bedeuten auch feh- die Absicherung der Grundbedürfnis- Shende Mutter zweier Töchter im lende Erholung. Freizeitangebote sind se genauso gehört wie gelingende Bezie- Alter von zehn und zwölf Jahren. Der nicht leistbar, für sportliche Aktivitä- hungen, Anerkennung, Zugehörigkeit, Vater, von dem Sie getrennt leben, ist ten fehlen Zeit und Energie, für bewuss- die Mitgestaltung des eigenen Lebens- freischaffender Musiker. Seine Unter- te Ernährung Geld und Aufmerksam- raums und nicht zuletzt auch Muße, haltszahlungen kommen unregelmä- keit. Zeitmangel und Angst um den Ar- Spiel und Erholung, trennt Frauen, die ßig bis gar nicht. Sie arbeiten Teilzeit als beitsplatz führen dazu, dass armutsbe- in Armut leben vieles. Sekretärin, mit Ihrem Einkommen von troffene Menschen seltener zum Arzt 800 Euro netto und der Familienbei- oder zur Ärztin gehen; im Fall einer Er- Es reicht! Für alle! hilfe kommen Sie gerade über die Run- krankung werden sie oft mit schlechte- Dabei wären die Mittel und Möglichkei- den. Unvorhergesehene Ausgaben, et- ren Bedingungen konfrontiert. Psycho- ten für ein gutes Leben aller, jedenfalls wa für eine neue Waschmaschine, sind therapieplätze deren Kosten vollständig im reichen Österreich, vorhanden, wür- eine Katastrophe. Zu Schulbeginn reicht von der Kasse übernommen werden, den Einkommen und vor allem Ver- das Geld nicht. sind rar. Scham und Stigmatisierung mögen gerechter verteilt. Internationa- behindern zusätzlich. Man liest ja so le Studien und Vorschläge von Organi- Armut macht krank oft, dass Arme selber schuld an ihrer Si- sationen wie der Armutskonferenz und Seit mehreren Monaten wachen Sie tuation seien, sich zu wenig bewegen Attac zeigen, dass bei anderer Struktur früh morgens mit Bauchschmerzen auf. und ihr weniges Geld für die falschen des Staatsbudgets höhere Mindestein- Sie fühlen sich generell angeschlagen Dinge ausgeben würden. kommen, bessere soziale Infrastruktur, und eigentlich ist Ihnen schon lange al- also mehr gute Wohnmöglichkeiten, les zu viel. Sie haben das Gefühl, gar Selber schuld? mehr und bessere Kinderbetreuung und nichts in Ihrem Leben gut zu schaffen Frauen sind laut aktuellem Sozialbe- eine umfassendere Gesundheitsvorsor- und fühlen sich allein gelassen. Fürs richt um fast ein Drittel stärker als Män- ge möglich wären. Und dass es bei glei- Ausgehen fehlt Ihnen neben Zeit und ner von Armut und Ausgrenzung be- cherer Verteilung allen besser geht: rei- Geld auch schlicht die Energie. Zur troffen, Alleinerzieherinnen fast dop- cheren und ärmeren Menschen, Frauen Ärztin gehen Sie trotzdem nicht, denn pelt so häufig wie der Rest der Bevölke- – und auch Männern. in der Arbeit wollen sie nicht fehlen rung. Sie können aufgrund ihrer Be- und wann sollten sie einen zusätzli- treuungspflichten kaum Vollzeit arbei- ZUR PERSON chen Termin unterbringen? ten, jobben oft unter prekären Bedin- Auch wenn es Sie nicht trösten wird: gungen im Niedriglohnsektor. Bei vie- Michaela Moser ist wissenschaftliche Sie sind nicht allein. Rund eine Milli- len führen Mehrfachbelastungen zu ho- Mitarbeiterin am Ilse Arlt Institut für soziale on Menschen in Österreich müssen mit hem physischem und psychischem Inklusionsforschung an der Fachhochschule einem Einkommen unter der Armuts- Druck, kurz: Frauen zahlen einen hohen St. Pölten und seit vielen Jahren in der grenze auskommen, gut die Hälfte da- Preis dafür, dass sie noch stets den Groß- österreichischen Armutskonferenz, der von ist von Entbehrungen in wesent- teil gesellschaftlicher Sorgearbeit unbe- Arbeitsgruppe „Frauen und Armut“ und im lichen Lebensbereichen betroffen. Sie zahlt übernehmen. Und sie bezahlen European Anti Poverty Network engagiert. leben in feuchten, überbelegten Woh- für gesellschaftliche Verhältnisse, in de- Moser ist Co-Autorin der Bücher nungen, können sich im Winter das nen wenig zählt und bezahlt wird, wer „Es reicht! Für alle! Wege aus der Armut“ Heizen nicht leisten und abgetragene sich um existenzielle Dinge wie Kin- und „ABC des guten Lebens“.

Foto: Heidi Harsieber Kleidung nicht ersetzen. dererziehung, Pflege, Reinigung küm-

gesundesösterreich 13 UMFRAGE Gesundheit – Eigenverantwortung oder Aufgabe der Gesellschaft? Die Lebensverhältnisse beeinflussen die Gesundheit und ärmere Menschen sind häufiger krank. Ist Gesundheitsförderung deshalb vor allem eine Aufgabe der Gesellschaft oder steht doch die Eigenverantwortung im Vordergrund? Gesundes Österreich hat dazu drei Expert/innen befragt.

Ingrid Spicker Leiterin des Teams „Gesunde Stadt – Gesunde Regionen“ der Wiener Gesundheitsförderung

Wenn Gesundheit und Krankheit maßgeblich durch unsere Lebensverhältnisse beeinflusst werden, dann sollten diese Verhältnisse so gestaltet sein, dass sie zur Verbesserung der Gesundheit für alle beitragen. Um dies zu erreichen, braucht es geteilte Verantwortung: einerseits Eigenverantwortung für Gesundheit, andererseits noch viel mehr die Wahrnehmung der Verantwortung für Gesundheit durch die Gesellschaft – Stichwort „Health in all policies“. Oft ist mit Eigenverantwortung für Gesundheit gemeint, einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und guter Stressbewältigung zu pflegen und für die Folgen eines „ungesunden Lebensstils“ einzustehen. Zur Eigenverant- wortung gehört aber immer auch ein Spielraum für Wahlmöglichkeiten. Dieser Spielraum ist stark durch die konkreten Lebensbedingungen beeinflusst und vor allem für Menschen in schwierigen sozialen Lagen häufig sehr begrenzt. Die Übernahme von Eigenverantwortung wird in dem Maße erleichtert, in dem Rahmenbedingungen geschaffen werden, die gesunde Lebensweisen ermöglichen. Es reicht zum Beispiel nicht, Kindern Wissen über gesunde Ernährung zu vermit- teln, wenn in Kindergärten und Schulen oder in der Familie ungesundes Essen angeboten wird. Genauso reicht es nicht, Jugendlichen die Bedeutung von Bewegung zu vermitteln, wenn nicht ausreichend Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten vorhanden sind. Gesundheitsförderung muss daher darauf abzielen, Gesundheitspotenziale und -spielräume insbesondere im Kontext sozialer Benachteiligung zu identifizieren und zu erweitern.

Martin Gleitsmann Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich

Wir wissen heute, dass nur 20 Prozent unserer Gesundheit von den Gesundheitsausgaben positiv beeinflusst werden können. Bei 80 Prozent spielen andere Faktoren wie etwa Eigenverantwortung, Bildung, Ernährung und Bewegung eine Rolle. Keine noch so ausgefeilte gesundheitsfördernde Maßnahme zeigt daher nachhaltige Wirkung, wenn nicht der oder die Einzelne davon überzeugt werden kann. Eigenverantwortung setzt aber immer auch Selbstbestimmung voraus, weshalb einer guten Patienteninformation eine immer größer werdende Bedeutung zukommt. Besonders hervorzuheben sind die Zusammenhänge zwischen Bildung und Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten: Wir wissen etwa, dass Frauen mit geringer Bildung ein weitaus höheres Risiko haben, an Diabetes oder Bluthochdruck zu erkranken als Männer, die dagegen ein wesentlich höheres Schlaganfall-Risiko haben. Diese Phänomene verstärken sich bei beiden Geschlechtern mit abnehmendem Bildungsgrad, sodass durch eine Verbesserung des Bildungssystems auch eine weitere Verringerung des kardiovaskulären Risikos bei Mann und Frau zu erwarten ist. Bei der Förderung eines guten Gesundheitsverhaltens nimmt die Schule eine zentrale Rolle ein, denn Kinder und Jugendliche lassen sich noch stark beeinflussen. Eine gesundheitsorientierte Schule und gut informierte Erziehungsberech- tigte können mit Information über Bewegung, Ernährung und Entspannung, Bewusstseinsbildung und der Gestaltung des sozialen Umfelds die Weichen für eine gesunde „Einstellung“ legen, die sich ein ganzes Leben lang positiv auswirkt.

Daniela Kern-Stoiber Leiterin des FEM Frauengesundheitszentrums in der Semmelweis Frauenklinik in Wien

Ich sehe bei dieser Fragestellung kein „Entweder – Oder“, denn es müssen beide Schienen gedacht und gefahren werden. Auf der einen Seite braucht es die steuernde öffentliche Hand und das intersektorale Arbeiten im Sinne des Health in all Policies-Ansatzes, mit dem Ziel, gemeinsam gesundheitliche Chancengerechtigkeit zu fördern. Die Bereiche Bildung und Armutsbekämpfung sind in diesem Zusammenhang von enormer Bedeutung, und wir wissen auch, dass 70 Prozent aller Maßnahmen, die wirklich etwas Positives in diesem Sinne bewirken, auf der Verhältnisebene angesiedelt sind. Trotzdem muss es auf der anderen Seite die freie Entscheidung des Individuums geben, zwischen vorhandenen Alternativen zu wählen. Das heißt auch: Man muss es den Menschen leicht machen, gesund zu leben. Es gilt mit Hilfe öffentlicher Unterstützung Bedingungen zu schaffen, in denen Menschen und speziell auch sozial benachteiligte Menschen sich in einer gesunden und gesundheitsfördernden Umgebung bewegen können. Und: Sie müssen im Sinne von Health Literacy dazu befähigt werden, Gesundheitsinformationen zu verstehen und anwenden zu können. Letztlich ist es dann naturgemäß die Entscheidung des einzelnen Menschen, wie er mit seiner Gesundheit umgehen will.

14 gesundesösterreich WISSEN

STUDIE

Das Institut für Jugendkulturfor- schung in Wien hat 2012 eine Begleitstudie zu einem Projekt für benachteiligte Jugendliche veröf- fentlicht. Das Projekt selbst na- mens „Pimp Your Life“ hatte zum Ziel, das unternehmerische Denken der Teilnehmer/innen zu fördern. In der Forschungsarbeit, die auf den Inhalten von Grup- pendiskussionen und Einzelin- terviews basiert, wurde unter an- derem auch der Frage nachge- gangen, was benachteiligten Ju- gendlichen in ihrem Leben wich- tig ist. Dazu schreibt Studienleiterin Beate Großegger im Abschluss- bericht unter anderem: „Als Grundregel gilt, wer ,outgoing’ und über Facebook ,connected’, also kein ,MoF’, ein ,Mensch oh- ne Freunde’ ist, ist nicht abge- hängt, sondern vollwertig ,mit dabei’. Wer die Freizeit hinge- gen primär zuhause verbringt und – mangels attraktiver Alter- nativen – mit Fernsehen und Was ist benachteiligten Computerspielen die Zeit tot schlägt, ist hingegen exkludiert oder zumindest in hohem Maße Jugendlichen exklusionsgefährdet“. Weitere Voraussetzungen, um als „In- sider“ und nicht als „Outsider“ wichtig? gesehen zu werden, seien laut dem Bericht: • „ein fitter junger Körper als zu entnehmen, dass die Zu- heim“. Die vollständige Arbeit • „Integration ins Bildungs- persönliches Kapital“ kunftswünsche der befragten so- steht zum Download zur Verfü- oder Erwerbssystem“ • „Konsumpartizipation, also zial benachteiligten Jugendlichen gung, und zwar unter: • „Einbindung in jugendliche über Konsumhandlungen ver- großteils wenig spektakulär sei- jugendkultur.at/studie-pimp- Geselligkeitskulturen – offline mittelte aktive Teilnahme an en: „ein möglichst normales Le- your-life. in Cliquen vor Ort und online der Konsumgesellschaft.“ ben führen, mit Familie,Auto, si-

Foto: bupix – Fotolia.com in Facebook-Communitys“ Schließlich ist der Studie auch cherem Arbeitsplatz und Eigen-

gesundesösterreich 15 WISSEN Männer haben Gemeinden: häufiger Heimat in einer Übergewicht globalisierten ERNÄHRUNGSBERICHT Welt 2012 Etwa 40 Prozent der Erwach- WEITERBILDUNG BEI STYRIA VITALIS senen in Österreich zwischen 18 und 64 Jahren sind über- esundheit entsteht im unmittel- gewichtig: 28 Prozent der baren Lebensumfeld: dort, wo Frauen und 52 Prozent des Gwir leben, lieben, lernen und ar- „starken Geschlechts“. Somit 1.002 Personen erhoben. Erst- schaftliche fundierte Empfeh- beiten. Ein Gefühl von Heimat ist dabei bringt also bereits jeder zwei- malig wurden auch Blut- und lungen für eine ausgewogene für unser Wohlbefinden von ganz ent- te Mann zu viel auf die Waa- Harnproben analysiert, um die Ernährung beitragen, die in scheidender Bedeutung. Ein neues ge. 15 Prozent der Männer Versorgung mit Nährstoffen Form der „österreichischen Er- Weiterbildungsangebot der steirischen sind sogar adipös, also stark genau zu bestimmen.Weiters nährungspyramide“ vorliegen. Einrichtung für Gesundheitsförderung übergewichtig, was auch auf wurden Körpergewicht und - Diese zeigt sehr anschaulich, Styria vitalis geht deshalb der Frage knapp zehn Prozent der Frau- größe sowie Taillen-, Bauch- was aus gesundheitlicher Sicht nach, welcher Zusammenhang zwi- en zutrifft. Unter den Schulkin- und Hüftumfang gemessen bei der Ernährung zu beach- schen Wohnort, Beteiligung der Men- dern zwischen sieben und 14 und der Körperfettanteil be- ten ist. Zu den praktischen schen, Lebensqualität und Heimatge- Jahren sind bereits gut ein stimmt. Durch den Nationalen Maßnahmen zählt unter ande- fühl besteht. Zielgruppe sind Personen, Fünftel der Mädchen und gut Aktionsplan Ernährung, den ren die Initiative „Unser Schul- die Beteiligungsinitiativen zur Förde- ein Viertel der Buben überge- das Bundesministerium für Ge- buffet“, die Schulverpflegungs- rung der Lebensqualität in der Gemein- wichtig oder adipös. Das zeigt sundheit 2011 veröffentlicht betriebe bundesweit kostenlos de umsetzen möchten. Die Weiterbil- der österreichische Ernäh- hat, soll bis 2020 eine Trend- dabei unterstützt, ihr Ange- dung findet im Schloss St. Martin in rungsbericht 2012, der unter umkehr erreicht werden. Der bot gesundheitsförderlicher zu Graz statt und umfasst 54 Einheiten, der Leitung des Ernährungs- Anteil von Menschen mit Über- gestalten.Weitere Informatio- die auf den Zeitraum von März bis wissenschafters Ibrahim El- gewicht und starkem Überge- nen sind auf der Website des September 2013 verteilt sind. Die Kos- madfa im Auftrag des Bun- wicht an der Gesamtbevölke- Bundesministeriums für Ge- ten für Teilnehmer/innen aus dem desministeriums für Gesund- rung soll wieder geringer wer- sundheit auf www.bmg.gv.at Netzwerk Gesunde Gemeinden in der heit durchgeführt wurde. Ins- den. Dazu sollen unter ande- unter dem „Schwerpunkt“ „Er- Steiermark betragen 180 Euro, für alle gesamt wurden Daten von rem einheitliche und wissen- nährung“ nachzulesen. anderen Interessierten 420 Euro. Nähere Informationen sind unter www.styriavitalis.at nachzulesen, in Weiterbildung für len die Teilnehmer/innen dabei der Rubrik „Beratung & Bildung“. unterstützen, Projekte, die bessere Nachbarschaft nachbarschaftliches Engage- ment fördern, zu planen und ten in diesen beiden Modellre- umzusetzen. Sie richten sich INITIATIVE DES FGÖ gionen sind auch Vernetzung besonders an Vertreterinnen und Fortbildung wesentliche und Vertreter von Gemeinden Gute Kontakte zwischen Nach- Umsetzungsstrategien. Drei 2- sowie an Organisationen, die bar/innen fördern auch die Ge- tägige Seminare bieten wissen- Nachbarschaftsnetzwerke auf sundheit. Der Fonds Gesundes schaftliche Erkenntnisse, Me- Gemeinde- oder Bezirksebene Österreich führt deshalb bis thoden und Projektbeispiele etablieren möchten. Nähere In- Ende 2013 die Initiative „Auf zum Thema „gesunde Nach- formationen gibt es im Internet gesunde Nachbarschaft barschaft“ an: am 22. und 23. unter weiterbildungsdaten- durch“, und zwar im Waldvier- März 2013 in St. Stefan im La- bank.fgoe.org tel und in Linz im Stadtteil Au- vanttal, am 25. und 26. April wiesen-Münchendorf (siehe 2013 in Linz sowie am 16. und auch Artikel auf den Seiten 24 17. Mai 2013 in St. Pölten. Die und 25). Neben den Projek- Weiterbildungsangebote sol-

16 gesundesösterreich WISSEN Wie arbeiten wir 2030? Wie wird die Arbeitswelt in 20 Jahren aussehen? Dieses Thema stand im Zentrum des 17. BGF-Informationstages in Linz. Text: Bettina Stadlmayr, OÖGKK

ir haben schon jetzt die Ant- Die Moderatorin worten auf die Fragen der Zu- Claudia Woitsch vom ORF OÖ, Wkunft. Bloß kennen wir die Fra- Klaus Ropin gen noch nicht“, sagte Markus Hengst- vom FGÖ, Stefan schläger von der Medizinischen Uni- Spitzbart vom versität Wien in seinem Referat beim 17. Hauptverband und Christian Heigl Informationstag zur Betrieblichen Ge- vom Österreichischen sundheitsförderung (BGF) im Oktober BGF-Netzwerk auf in Linz. Die Tagung beschäftigte sich dem Podium beim damit, wie die Arbeitswelt in Zukunft 17. BGF-Informations- tag in Linz aussehen wird und der Vortragende brachte die Zuhörer/innen durch sein Statement zum Nachdenken. Dann eine plausible Erklärung des in- ternational anerkannten Genetikers und Zukunftsforschers: „Wir können tionstag. Sie verwies darauf, dass das rungsträger sowie die voestalpine unmöglich vorhersehen, welche Kennt- „Spannungsfeld der zukünftigen Ar- Stahlwelt. Insgesamt kamen mehr als nisse und Fähigkeiten in zwanzig Jah- beitswelt zwischen Flexibilität und so- 320 Besucherinnen und Besucher aus ren am Arbeitsmarkt gefragt sein wer- zialer Sicherheit“ verlaufe. Die Refe- ganz Österreich nach Linz, um an ei- den. Denn es wäre sinnlos, die Erfah- rentin: „Man verlangt von der jüngeren nem der drei parallelen Workshops rungen der vergangenen zwanzig Jah- Generation in erhöhtem Maße Flexibi- teilzunehmen und aus den Vorträgen re einfach in die Zukunft projizieren lität, Innovationsfähigkeit und Kreati- der hochkarätigen Referentinnen und zu wollen. Das Weltwissen verdoppelt vität. Doch nur wer keine Existenz- Referenten neue Erkenntnisse zu den sich mittlerweile täglich, die Verände- angst hat, kann kreativ sein und sich an Zukunftstrends in der Arbeitswelt zu rung der Arbeitswelt passiert exponen- neue Gegebenheiten anpassen.“ gewinnen. Das ist ein Beleg der zuneh- tiell, Vorhersagen sind unmöglich.“ Der Wiener Freizeit- und Tourismusfor- menden Bedeutung von BGF. Was also tun? „Wir müssen schon heu- scher Peter Zellmann erklärte, dass sich te möglichst viele verschiedene Fähig- die Gesellschaft mitten in einem Wan- JAHRESBERICHT 2011 UND keiten, Interessen, Talente und Stärken del befinde, und dass wir versuchen der jungen Generation fördern. Dann müssten, diesen zu verstehen, anstatt ARBEITSPROGRAMM 2013 sind wir so breit mit Antworten aufge- nur auf ihn zu reagieren. Ein zentraler Der Jahresbericht 2011 des Fonds Gesundes Österreich stellt, dass wir alle möglichen zukünf- Denkfehler liege im viel strapazierten (FGÖ) und das vor Kurzem veröffentlichte Arbeitspro- tigen Fragen beantworten werden kön- Begriff „Work-Life-Balance“. Der gramm 2013 sind beide über das Internet unter nen“, meinte Hengstschläger. Damit Grund, so Zellmann: „Die Arbeit ist www.fgoe.org im Bereich „Publikationen“ als zeichnete er das Bild einer solidari- Teil – und nicht Gegenteil – unseres „Downloads“ verfügbar. Im Jahresbericht 2011 werden schen Gesellschaft, in die auch diejeni- Lebens. Unser heutiges Systemver- die 187 in diesem Jahr abgeschlossenen Projekte in ei- gen integriert werden, die scheinbar ständnis beruht jedoch auf der starren ner neuen Form dargestellt. Erstmals werden jeweils die gerade keine „Schlüssel-Funktion“ ha- Trennung von Beruf und Freizeit aus Ergebnisse kurz zusammengefasst, und es werden die ben. Denn schon bald könnten sie es dem Industriezeitalter. Das lassen wir Schlussfolgerungen beschrieben, die sich daraus auch sein, die unvorhersehbare Türen für aber allmählich hinter uns.“ für andere Projekte ziehen lassen. Das Arbeitsprogramm die anderen öffnen könnten. Der 17. Informationstag zur Betriebli- 2013 gibt den Rahmen für die aktuellen Aktivitäten des chen Gesundheitsförderung wurde von Fonds Gesundes Österreich vor. Im Zentrum steht, Be- dingungen zu schaffen und weiterzuentwickeln, die Flexibilität braucht soziale Sicherheit der Oberösterreichischen Gebietskran- Menschen in die Lage versetzen, ein Leben in guter Ge- Jutta Rump, Expertin für Personalmana- kenkasse veranstaltet, mit Unterstüt- sundheit zu führen. Neben seiner Kernaufgabe, der Pro- gement und Organisationsentwicklung zung durch den Fonds Gesundes jektförderung, führt der FGÖ dafür auch gemeinsam mit aus Deutschland, war eine der weite- Österreich (FGÖ), den Hauptverband Partnern gesundheitsförderliche Initiativen durch. ren Vortragenden beim BGF-Informa- der österreichischen Sozialversiche-

gesundesösterreich 17 WISSEN

FGÖ-Gesundheitsre- Wer arm ist, hat ferentin Gudrun Braunegger-Kallinger: „Für mehr gesund- schlechtere heitliche Chancen- gerechtigkeit ist Zusammenarbeit aller Politikbereiche, Chancen auf der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft notwendig.“ Gesundheit Armut und geringere Bildung stehen in Zusammen- hang zu schlechterer Gesundheit. Gesundheitliche Chancengerechtigkeit heißt deshalb auch:

o man hineingeboren ist und Einkommen gerechter zu verteilen und faire wie man aufwächst, beein- Chancen auf Bildung für alle zu schaffen. Wflusst die Gesundheit. Wer ei- nen niedrigeren sozialen Status, wer ein geringeres Einkommen und we- über das Internet abrufbar. Sie sollen chen Bereichen. Die Aufgabe, Un- niger Bildung hat, ist öfter krank und in den nächsten zwanzig Jahren da- gleichheit zu reduzieren und Chan- hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ei- zu beitragen, dass die Zahl der von cengerechtigkeit herbeizuführen, ne geringere Lebenserwartung“, sag- den Menschen in Österreich in Ge- kann deshalb auch nicht von der Ge- te Christa Peinhaupt bei der Eröffnung sundheit verbrachten Lebensjahre im sundheitsförderung allein geleistet der 14. Gesundheitsförderungskonfe- Durchschnitt um zwei Jahre steigt. werden. Vielmehr ist dafür im Sinne renz des Fonds Gesundes Österreich des Konzepts „Health in all Policies“ (FGÖ) Ende November in Villach. Kooperation aller Sektoren Zusammenarbeit aller Politikberei- Ein zentrales Ziel von Gesundheitsför- ist notwendig che, sowie der Wirtschaft und der Zi- derung sei deshalb, zu mehr „gesund- Gesundheitliche Ungleichheit ist vor vilgesellschaft notwendig. „Bei un- heitlicher Chancengerechtigkeit“ bei- allem auch durch die Lebens- und serer Konferenz in Villach sollten sich zutragen, betonte die Leiterin des Arbeitsverhältnisse bedingt. Sie hat deshalb Vertreter/innen verschie- FGÖ: „Wir wollen jene Menschen er- strukturelle Ursachen und entsteht denster gesellschaftlicher Bereiche zu reichen, bei denen der größte Bedarf in unterschiedlichsten gesellschaftli- ihren Sicht- und Handlungsweisen für Gesundheitsförderung besteht und so dafür sorgen, dass sozial Be- nachteiligte bessere Chancen haben, ihre gesundheitlichen Potenziale auch zu verwirklichen“. Die gesundheitli- che Chancengerechtigkeit zu erhö- hen, ist jedoch nicht nur Aufgabe der Gesundheitsförderung, sondern auch eines der zehn „Rahmen-Gesund- heitsziele“. Diese wurden im August Günther Albel, 2012 vom Ministerrat beschlossen. der 1. Vizebürgermeis- Das Ziel 2 lautet: „Für gesundheitli- ter von Villach, die che Chancengerechtigkeit zwischen Leiterin des FGÖ Christa Peinhaupt den Geschlechtern und sozioökono- und Peter Kaiser, mischen Gruppen, unabhängig von der Gesundheitslan- Herkunft und Alter sorgen“. Alle desrat und Landes- zehn „Rahmen-Gesundheitsziele“ hauptmannstellvertre- ter von Kärnten bei im vollständigen Wortlaut sind unter der 14. Konferenz des

www.gesundheitszieleoesterreich.at FGÖ in Villach Foto: Klaus Ranger

18 gesundesösterreich im Bezug auf die Themen Gesund- arbeitet, was im jeweiligen Bereich struktur und Kultur bis zu den Berei- heit und Gesundheitsförderung aus- für mehr gesundheitliche Chancenge- chen Soziales, Umwelt, Wissenschaft tauschen und Möglichkeiten zur Zu- rechtigkeit unternommen werden und Forschung. „Gesundheit ist ein sammenarbeit entwickeln“, sagte Gud- kann (siehe auch Artikel auf Seite 23, Thema, das alle Ressorts betrifft und run Braunegger-Kallinger, Gesundheits- „Empfehlungen für die Praxis“). eine zukunftsorientierte Gesundheits- referentin beim FGÖ mit den Schwer- politik kann deshalb nicht nur von punkten Chancengerechtigkeit und Gleiche Chancen auf Arbeit einem Bereich geleistet werden, son- Forschung. Gemeinsam mit ihrer Kol- und Bildung dern dafür ist die Kooperation meh- legin Rita Kichler, FGÖ-Gesundheits- Günther Albel, der 1. Vizebürgermeis- rerer Ressorts Voraussetzung“, be- referentin mit Schwerpunkt Ernäh- ter von Villach, wies bei der Tagung tonte Kaiser. Und ebendies, nämlich rung, war sie Hauptverantwortliche unter anderem darauf hin, dass auch intersektorale Zusammenarbeit, ist für die inhaltliche Konzeption der Ta- Arbeitslosigkeit negative Gesund- letztlich auch notwendig, um für gung in Villach. heitsfolgen haben könne. „Wer ar- mehr gesundheitliche Chancenge- Der Titel der Konferenz lautete denn beitslos ist, hat im Vergleich zu Er- rechtigkeit zu sorgen. auch: „Gemeinsam gesundheitliche werbstätigen wahrscheinlich auch ei- Chancengerechtigkeit fördern.“ Rund nen schlechteren Gesundheitszu- 260 Teilnehmer/innen waren gekom- stand“, sagte der Politiker aus der WAS IST „GESUNDHEITLICHE men, Vertreter/innen aller neun Bun- zweitgrößten Stadt Kärntens. Wer ge- CHANCENGERECHTIGKEIT“? desländer und der Bundesverwaltung sundheitliche Ungleichheit verrin- ebenso, wie von Arbeiter- und Wirt- gern und die gesundheitliche Chan- Unser Gesundheitszustand, aber auch unser schaftskammer, aus Wirtschaft und cengerechtigkeit erhöhen wolle, müs- Gesundheitsverhalten werden von verschiedensten Wissenschaft, von verschiedensten se sich deshalb auch für gleiche Chan- sozialen Faktoren beeinflusst, wie speziell der sozialen Hilfsdiensten, aus der Kin- cen auf Arbeit und gleiche Chancen Bildung, dem Einkommen, der Arbeitssituation, der- und Jugendarbeit und natürlich auf Bildung einsetzen, so Albel. dem Geschlecht, der Herkunft oder der Wohnregi- auch aus der Gesundheitsförderung Peter Kaiser, Landeshauptmannstell- on, aber zum Beispiel auch dadurch, in welchem und der Gesundheitsversorgung. Fünf vertreter und Gesundheitslandesrat Ausmaß wir Zugang zur Versorgung durch das Workshops widmeten sich den The- von Kärnten, hob hervor, dass mit Gesundheitssystem haben. „Gesundheitliche men „Arbeitssuchende, prekäre Ar- dem Kärntner Gesundheitsbericht Chancengerechtigkeit“ bedeutet in diesem Zusam- menhang, dass die Chancen darauf, gesund zu sein beitsverhältnisse und Einpersonen- aus dem Jahr 2009 das erste derarti- und gesund zu bleiben, so weitgehend wie möglich unternehmen“, „Migration und Ge- ge Dokument im Sinne des Konzep- nicht von diesen Gesundheitsdeterminanten sundheit – ungleiche Ausgangsbedin- tes „Health in all Policies“ in Öster- abhängig sein sollen. „Hierzu bedarf es unter gungen“, „Gleiche Chancen für Kin- reich erstellt worden sei. „Jedes Res- anderem der Stärkung benachteiligter Bevölke- der und Jugendliche“, „Armut und sort hat aus seiner Sicht dargestellt, rungsgruppen in allen Lebensbereichen sowie Gesundheit in der Konsumgesell- was es für die Gesundheit der Bevöl- fairer Ausgangsbedingungen im Bildungssystem“, schaft“ sowie „Auf gesunde Nach- kerung tut“, erklärte der Landespoli- heißt es dazu in den österreichischen „Rahmen- barschaft“. Gemeinsam wurden je- tiker. Das Spektrum der Sektoren Gesundheitszielen“.

Foto: Miredi – Fotolia.com weils „Handlungsempfehlungen“ er- reichte dabei von Gesundheit, Infra-

gesundesösterreich 19 WISSEN Eine faire Gesellschaft bringt mehr Gesundheit für alle Die „soziale Schere“ in Österreich öffnet sich: Es gibt immer mehr arme Menschen. Das sollte sich rasch ändern, und eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen würde gesundheitlich allen nutzen. Text: Dietmar Schobel

ie soziale Schere öffnet sich im- mer weiter“, sagt Martin Schenk, Deiner der Sozialexperten der Diakonie Österreich und Mitinitiator der österreichischen Armutskonfe- renz: „Die Zahl der Menschen, die manifest arm sind, ist seit Mitte der 2000er-Jahre von 344.000 auf 511.000 gestiegen. Die Zahl derjenigen, die Mindestsicherung beziehen, hat sich von 90.000 im Jahr 2010 auf 190.000 im Jahr 2012 erhöht.“ Von manifester Ar- mut betroffen zu sein, das heißt unter anderem: zu wenig Geld für gutes Es- sen zu haben oder nicht in der Lage zu sein, die Wohnung angemessen warm zu halten. Und es kann auch heißen, öfter krank zu sein und früher zu ster- wert bestehen, der verschiedene so- speziell für Österreich zudem zu be- ben. Elf Jahre beträgt der Unterschied ziale und gesundheitliche Faktoren zu- rücksichtigen sei, dass es zwar relativ in der Lebenserwartung bei der Ge- sammenfasst – wie unter anderem die geringe Einkommensunterschiede auf burt laut einer deutschen Studie zwi- Lebenserwartung, den Anteil an Haushaltsebene, jedoch sehr große Ver- schen Männern mit sehr niedrigem schwer Übergewichtigen, das gegen- mögensunterschiede gebe. Der Sozi- und Männern mit sehr hohem Ein- seitige Vertrauen in der Bevölkerung alexperte: „Die reichsten fünf Prozent kommen. Für Frauen sind es immer oder die Rate an Inhaftierten. Das Er- besitzen die Hälfte des Gesamtvermö- noch acht Jahre. gebnis: Wo die Einkommensunter- gens.“ Ein Vortrag zu diesem Thema, schiede am geringsten sind, wie in Ja- den Martin Schenk auf der 14. Konfe- Weniger Armut, mehr pan und vor allem auch in den skan- renz des Fonds Gesundes Österreich Gesundheit für alle dinavischen Ländern, sind die sozialen gehalten hat, steht auf der Website Alle Maßnahmen, die im Sinne einer und gesundheitlichen Werte am bes- www.fgoe.org als Audiofile zur Ver- höheren gesundheitlichen Chancen- ten. Deutschland und Österreich liegen fügung. gerechtigkeit dazu beitragen, dass es ungefähr im Mittelfeld. In Ländern mit weniger Menschen gibt, die von Armut der höchsten Einkommensungleich- Armut führt zu sozialer Isolation betroffen sind, kommen nicht nur ar- heit, wie den USA, gibt es auch am Arm zu sein, das kann auch heißen, in men oder armutsgefährdeten Men- meisten soziale und gesundheitliche überbelegten, feuchten, schimmligen schen zugute. Das zeigen die For- Probleme. „Aus diesen Resultaten lässt Wohnungen leben zu müssen, abge- schungsarbeiten des britischen Sozi- sich im Umkehrschluss ableiten, dass tragene Kleidung nicht ersetzen oder alepidemiologen Richard Wilkinson und die wachsende Ungleichheit in Öster- keine Schulsachen für die Kinder kau- der Epidemiologin Kate Pickett. Sie ha- reich zu mehr Krankheiten und gerin- fen zu können. Genauso schlimm wie ben für 22 reiche Länder der Welt die gerer Lebenserwartung, mehr Gewalt, die materiellen Sorgen ist für die meis- Zusammenhänge untersucht, die zwi- mehr Stress und weniger Vertrauen ten Armutsbetroffenen das Gefühl schen den Einkommensunterschieden in der Gesellschaft führen könnte“, nicht dazuzugehören und nicht an-

im jeweiligen Land und einem Index- sagt Schenk und weist darauf hin, dass erkannt zu werden. Sie schämen sich Foto: DOC RABE Media – Fotolia.com

20 gesundesösterreich MEHR VERTEILUNGSGERECHTIGKEIT NÜTZT ALLEN

Eine Studie des britischen Sozialepidemiologen Richard Wilkinson und der Epidemiologin Kate Pickett zeigt, dass es in jenen reichen Ländern der Welt am wenigsten soziale und gesund- für ihre Situation, laden niemanden zu heitliche Probleme gibt, in denen der Unterschied zwischen den Durchschnittseinkommen des sich nach Hause ein und geraten noch einkommensreichsten und des einkommensärmsten Fünftels der Bevölkerung am geringsten ist. stärker in soziale Isolation. „Aus einer Dieser Faktor ist in Japan mit 3,4 am niedrigsten und in den USA mit 8,5 am höchsten. In Österreich beträgt er 4,8. Der Indexwert für „soziale und gesundheitliche Probleme“ bezieht Studie, die in den Niederlanden sich im Einzelnen auf: die Lebenserwartung, die Kenntnisse in Schreiben, Lesen und Rechnen, durchgeführt wurde, wissen wir, dass die Säuglingssterblichkeit, die Zahl an Morden, den Anteil an Inhaftierten, die Zahl an Schwan- Menschen im Durchschnitt 25 bis 30 gerschaften von Teenagern, den Anteil an psychisch Kranken und Suchtkranken, Übergewicht engere Kontakte haben. Bei Armen in der Bevölkerung, gegenseitiges Vertrauen in der Gesellschaft und die soziale Durchlässigkeit sind es jedoch nur sieben – davon drei der Gesellschaftsschichten. oder vier zu Mitarbeiter/innen von Sozialeinrichtungen“, sagt Hubert Löff- Größer USA ler, Geschäftsführer des Bereiches Fa- milienarbeit beim Institut für Sozial- dienste (IfS) in Vorarlberg, das zu 80 Prozent armutsgefährdete Menschen als Klientinnen und Klienten hat. Großbritanien Gemeinsam mit der IfS-Schuldenbe- Griechenland Neuseeland ratung und der Jugendwohlfahrt in Irland Vorarlberg wurde deshalb von An- Österreich Frankreich fang 2011 bis Ende des Jahres 2012 Australien Dänemark Deutschland Kanada Italien das Projekt „trotz allem vernetzt“ Spanien Belgien durchgeführt, das durch den Fonds Finnland Schweiz Gesundes Österreich und den Fonds Norwegen Niederlande Gesundes Vorarlberg finanziert wur- Schweden de. Zentraler Bestandteil war eine Index gesundheitlicher und sozialer Probleme „Netzkarte“, auf der Zahl und Quali- Japan Geringer tät der sozialen Kontakte der armuts- Klein Ausmaß der Einkommensunterschiede Groß gefährdeten Teilnehmer/innen einge- tragen wurden. In sechs Modulen Quelle: Richard Wilkinson und Kate Pickett: „The Spirit Level – Why Equality is Better for Everyone“, Allen Lane, 2009 oder auch Handlungsbereichen soll- te für mehr Kontakte gesorgt werden. gieren. Im Modul „Inter.netz“ wurden wie Menschen mit Behinderung virtuelle Zirkel gebildet und der erhalten konkrete Hilfe. „Familiennetz“ und „Kindernetz“ „Netz.pass“ machte Sport- und „Viele unserer Klientinnen und Klien- Einer davon ist etwa das Kulturveranstaltungen oder auch ein ten haben gesundheitliche Probleme. „Familien.netz“, bei dem Familien, Fitnesscenter für die Projektteilneh- Gesundheitsförderung bedeutet für die von der Jugendwohlfahrt oder an- mer/ innen gratis oder kostengünstig sie deshalb häufig zunächst einmal, deren sozialen Institutionen betreut zugänglich. dass wir ihnen einen Zugang zur me- werden, mit anderen Familien aus ih- dizinischen Versorgung ermöglichen rer Gemeinde zusammengebracht Bei den Determinanten ansetzen oder auch Kosten für Medikamente werden sollten. Das geschah zum Bei- Maßnahmen zur Gesundheitsförde- ersetzen“, sagt Claudia Muri, die Lei- spiel bei geselligen Nachmittagen, die rung speziell für sozial benachteilig- terin des Bereiches Sozialberatung & von IfS-Mitarbeiter/innen organisiert te Menschen wie „trotz allem ver- Sozialhilfe bei der Caritas Kärnten: wurden. „Das ist sehr erfolgreich ge- netzt“ sind in Österreich noch ver- „Darüber hinaus können natürlich laufen und es gibt jetzt in verschiede- gleichsweise selten. Institutionen, die auch geeignete gesundheitsförderli- nen Vorarlberger Gemeinden sechs bereits mit und für diese Zielgruppe che Projekte viel dazu beitragen, die solche Gruppen, die sich auch nach arbeiten und deren Bedürfnisse ken- Situation sozial Benachteiligter zu Ende des Projektes weiter regelmä- nen, bieten jedoch gute Vorausset- verbessern. Gesundheitsförderung ßig treffen wollen“, sagt Löffler. Wei- zungen für derartige Initiativen. Da- und Präventionsarbeit müssen jedoch tere Module heißen „Kinder.netz“ zu zählt die Caritas, die zum Beispiel vor allem auch bei den sozialen De- und „Jugend.netz“ und im „Gemein- in Kärnten pro Jahr rund 2.000 Klien- terminanten der Gesundheit anset- de.netz“ wurden sozial Benachteilig- tinnen und Klienten betreut. Arbeits- zen, wie Einkommen, Arbeit und Bil- ten die Vereine ihres Ortes vorgestellt lose, Wohnungslose, Flüchtlinge und dung. Nur so kann allen Menschen – von der Freiwilligen Feuerwehr bis Migrant/innen, Menschen mit Sucht- ein fairer und gerechter Zugang zu zu Sportclubs – mit dem Ziel, dass sie erkrankungen, Menschen mit schwe- den Ressourcen für Gesundheit sich dann in einem davon auch enga- ren Erkrankungen und Trauernde so- ermöglicht werden.“

gesundesösterreich 21 WISSEN Arm und krank am Land Manuela Brandstetter im Interview: Weshalb der soziale Rückhalt am Land nicht größer ist als in der Stadt, warum Armut rascher auffällt und wieso bessere Integration für die Betroffenen besonders wichtig ist.

DIE WIENER TAFEL GESUNDES ÖSTERREICH GESUNDES ÖSTERREICH UNTERSTÜTZT Frau Brandstetter, Armut macht krank Wie sollte Armut und deren möglichen ARMUTSBETROFFENE und Krankheit macht arm. Ist das am Land negativen Gesundheitsfolgen speziell anders als in der Stadt? auch am Land begegnet werden? Manuela Brandstetter: Hier wie dort leiden Bei wissenschaftlichen Interviews, die wir in ei- „Jährlich werden in Wien rund 70.000 Tonnen Le- Menschen, die von materieller Armut betroffen ner ländlichen Region geführt haben, wurde bensmittel vernichtet. Zeitgleich weist Wien mit 17 sind, zusätzlich daran, dass das gesellschaftliche deutlich, dass es nicht unbedingt gesundheitli- Prozent der Bevölkerung das größte Armutsrisiko Idealbild in der Regel von einem fitten und ge- che Beeinträchtigungen sind, unter denen spe- auf. Neben den geschätzten 800 permanent Ob- sunden Subjekt ausgeht.Vereinfachend gespro- ziell auch sozial benachteiligte Menschen am dachlosen nehmen über 7.100 Menschen zeitweise chen, erleben viele Menschen, dass sie an die- meisten leiden, sondern vielmehr der Umstand, Obdachloseneinrichtungen in Anspruch“, sagte Ste- sem Gesundheitsideal auch scheitern. dass sie sich gesellschaftlich nicht integriert füh- fan Kaulich vom Verein Wiener Tafel bei der 14. Ge- len. Eine Mutter erzählte mir einmal mit Bezug sundheitsförderungskonferenz des Fonds Gesundes GESUNDES ÖSTERREICH auf die Gemeindebediensteten: „Den roten Tep- Österreich Ende November in Villach. Die „Wiener Wie kann die Lebenssituation sozial pich miassns mir net ausrollen, owa wia a Bitt- Tafel“ sammelt überzählige Lebensmittel und Hy- schwächerer Menschen am Land beschrie- stellerin brauchens me a net behaundeln.“ Ge- gieneartikel von Handel, Industrie und Landwirt- ben werden? genstrategien sollten also vor allem auf soziale schaft, die noch Sichtbare Gesundheitsmankos sowie wirtschaftli- Inklusion setzen und dies nicht durch Einzelak- einwandfrei sind, che Probleme von Familien und Personen werden tivitäten, sondern indem die Strukturen der jedoch ansonsten aufgrund der Kleinräumigkeit oftmals rascher Gemeinde in diesem Sinne verändert werden. entsorgt würden – zum Thema der örtlichen sozialen Kontrolle. Das Ein praktisches Beispiel dafür ist etwa Heiden- zum Beispiel, weil Risiko, dann als „arm“ wahrgenommen und da- reichstein in Niederösterreich, wo sehr vielfälti- zu viel davon pro- mit als „sozial schwach“ abgeurteilt zu werden, ge Aktivitäten für die Gesundheit und die Betei- duziert wurde. ist hoch und geht mit negativen Konsequenzen, ligung aller Gemeindemitglieder gesetzt werden. Diese Warenspen- wie Beschämung und weiterem sozialem Rückzug den werden zu an- einher. erkannten Sozial- einrichtungen ge- GESUNDES ÖSTERREICH Stefan Kaulich vom bracht, wie Einrich- Gibt es am Land mehr sozialen Rückhalt? Verein Wiener Tafel tungen für Obdach- Nein. Dass es am Land mehr sozialen Rückhalt lose, Frauenhäuser, – wie Sie es nennen – gibt, trifft vereinfacht ge- Flüchtlingsherbergen oder Mutter-Kind-Wohnhäu- sagt trotz dem Wissen um eine große und ser. Dort erhalten die Armutsbetroffenen die Über- evidente Hilfsbereitschaft in vielen ländlichen Ge- Lebensmittel und Hygieneartikel unentgeltlich. Die meinden nicht zu. Ländliche Regionen sind Wiener Tafel finanziert sich durch private Spenden- zunehmend dadurch geprägt, dass viele Men- gelder und Sponsoring. Im Jahr 2011 haben die schen abwandern, und dass es oft auch viele 290 ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen mit vier Pendler/innen gibt. Insgesamt leben und agie- Hilfslieferfahrzeugen 80.000 Kilometer zurückge- ZUR PERSON ren ländliche Gemeinden heute unter den Be- legt, 414.000 Kilogramm „Über-Lebensmittel“ vor dingungen eines enormen Wandels und sind Manuela Brandstetter (geboren 1973) der Entsorgung gerettet und an über 10.000 Ar- bei der Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen lehrt und forscht als Professorin an den Stu- mutsbetroffene in 80 Wiener Sozialeinrichtungen diengängen Soziale Arbeit der Fachhoch- Umwälzungen – beispielsweise durch die star- verteilt. Weitere Informationen sind über das Inter- schule St. Pölten zu den Themen „Sozial- ken Veränderungen der Lohn- und Erwerbsar- net unter www.wienertafel.at nachzulesen. raum“ und „regionale Hilfestrukturen“. beit – auf sich alleine gestellt.

22 gesundesösterreich SERVICE Empfehlungen für die Praxis aßnahmen zur Gesundheitsför- Wie kann Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte derung sollen vor allem auch MMenschen erreichen, die bezüg- gestaltet werden? In den Workshops der 14. Konferenz lich ihrer sozialen und gesundheitlichen des FGÖ wurden von den Teilnehmenden gemeinsam Chancen benachteiligt sind. Im Einzel- nen sind das laut dem aktuellen Arbeits- Empfehlungen dafür erarbeitet. programm des Fonds Gesundes Öster- reich (FGÖ): • Menschen mit einem niedrigen so- sprochen und persönlich zur Teilnah- • Um für die Teilnahme am Projekt zioökonomischen Status, zum Beispiel me eingeladen werden. Schriftliche zu motivieren, können auch spieleri- mit sehr niedrigem beruflichem Sta- Einladungen, wie Flyer oder Briefe al- sche Elemente eingesetzt werden. tus, mit niedrigem Einkommen oder leine reichen nicht aus. Es muss die • Die Ziele für die Teilnehmenden mit geringer Schulbildung, richtige Sprache gewählt werden und sollen realistisch gesetzt werden. • Menschen in schwierigen Lebenssi- Botschaften sollen an den Lebenswel- tuationen oder mit besonderen Belas- ten der Betroffenen orientiert sein. Intersektorale Kooperation tungen, wie allein Erziehende, Men- • Für bestimmte Zielgruppen kann und Nachhaltigkeit schen mit besonderen Betreuungs- und soll auch aufsuchende Hilfe vor- • Vernetzung und sektorenübergrei- pflichten, Arbeitslose, Menschen in gesehen werden. fende Zusammenarbeit sind in der Ge- prekärer Beschäftigung, Migrantinnen • Multiplikator/innen, Verbindungs- sundheitsförderung generell wichtig – und Migranten oder Wohnungslose oder Schlüsselpersonen aus den Com- und ganz besonders, wenn mehr ge- • sowie Menschen mit besonderen munities sollen für das Projekt gewon- sundheitliche Chancengerechtigkeit Bedürfnissen, wie chronisch Kranke nen werden. Dabei sollte bedacht wer- bewirkt werden soll. oder Behinderte. den, welcher Aufwand für die Betref- • Konkret kann das zum Beispiel Diese Zielgruppen zu erreichen, stellt fenden damit verbunden ist und wel- durch Kooperationen mit Wohnbau- zugleich die größte Herausforderung che Begleitung sie benötigen. genossenschaften, Hausverwaltungen, im Bereich der Gesundheitsförderung • „Offizielle“ Events können den Ein- Gemeinden oder Vereinen erfolgen dar. Bei der 14. Konferenz des FGÖ stieg erleichtern: oder durch die Zusammenarbeit mit Ende November in Villach wurden des- • Zum Beispiel eine „Gesundheits- anderen Ressorts. halb von den Teilnehmer/innen der straße“ mit kostenlosen Untersu- • Oder durch Kooperation mit sozia- Workshops gemeinsam Handlungsemp- chungen und Beratung zu Beginn len oder Arbeitsmarkt-Einrichtungen, fehlungen erarbeitet. Lesen Sie im Fol- des Schuljahres in Schulen oder die bereits für und mit den Betroffe- genden einen Auszug daraus: auch in Einkaufszentren. nen tätig sind. • Oder Einladungen von • Intersektorale Zusammenarbeit mit Projekte initiieren und umsetzen Schüler/innen und Eltern in öffentli- anderen Institutionen sorgt auch für •Die Angebote müssen niederschwel- che Einrichtungen, Ambulanzen mehr Nachhaltigkeit. lig gestaltet werden. Das heißt, oder Arztpraxen, um Hemmschwel- • Nachhaltigkeit sollte auch bei der sie müssen an der Lebenswelt der len abzubauen. Finanzierung ein Thema sein – und Zielgruppe „andocken“, mit keinem • Oder Angebote speziell für „El- bereits beim Projektkonzept bedacht oder geringem formalen Aufwand tern-Kind-Beratung“. Diese können werden. verbunden sein sowie vorhandene Eltern innerhalb ihrer Familie auch • Auch dabei kann berücksichtigt Strukturen nutzen. eine Legitimation zur Teilnahme ge- werden, welche Fördertöpfe aus ande- • Die Angebote sollen kostenlos sein ben. Dabei können auch Materialien ren Bereichen als dem Gesundheits- oder auch kostengünstig. verteilt werden – zum Beispiel sektor genutzt werden können. • Sozialräume, die Treffpunkte für Zahnbürsten für die Kinder. • Kooperationen sorgen auch für die Zielgruppe sind, wie Bahnhöfe, • Durch „Gesundheitsfeste“ können mehr Verständnis für Gesundheitsför- Einkaufszentren und Parks, können auch mehrere Zielgruppen aus einem derung in anderen Sektoren. dafür genutzt werden, das Projekt Stadtteil oder einer Gemeinde erreicht • Wissenschaft und Forschung sollen, bekannt zu machen, Teilnehmende zu werden. Dabei kann zum Beispiel wo möglich, in die Gesundheitsförde- gewinnen und es umzusetzen. Großgruppenmoderation eingesetzt rung für besonders belastete • Die Menschen sollen direkt ange- werden. Menschen eingebunden werden.

gesundesösterreich 23 WISSEN Auf gesunde Nachbarschaft Gute soziale Kontakte fördern die Gesundheit. Der Fonds Gesundes Österreich hat deshalb in zwei Modellregionen eine Initiative für mehr und bessere Unterstützung unter Nachbarn gestartet.

ZU WENIG KONTAKTE SIND SCHÄDLICHER ALS RAUCHEN Gute nachbarschaftliche Beziehungen und positive Begegnungen im eigenen Wohnumfeld tun uns gut – und können sich günstig für die Gesundheit aus- wirken. Das lässt sich auch aus einer Überblicksar- beit aus den USA schließen. Die Studie, für die Da- ten von nicht weniger als 148 einzelnen For- schungsarbeiten zum Zusammenhang von sozialen Kontakten und Wohlbefinden ausgewertet wurden, wurde im Juli 2010 von einer Gruppe von For- scher/innen rund um Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young University in Utah veröffentlicht.

Ein zentrales Ergebnis: Soziale Beziehungen ste- hen in einem engen Zusammenhang zur Lebens- ie psychosoziale Gesundheit zu tel, wo im November in Zwettl ebenfalls erwartung. Die Forscher haben versucht, die Er- fördern, ist von besonderer Be- eine Kick-off-Veranstaltung stattfand. gebnisse anhand des Vergleiches mit Risikofakto- Ddeutung, da psychische Belas- „Durch die Initiative wollen wir zei- ren zu verdeutlichen. Ein kleines und schwach tungen und Krankheiten immer mehr gen, wie gesunde Nachbarschaften ge- ausgeprägtes soziales Netz zu haben, kann sich zum Thema werden“, sagte Gesund- knüpft werden können. Die gesammel- demnach ähnlich negativ auswirken, wie der Kon- heitsminister Alois Stöger bei der Start- ten Erfahrungen werden es interessier- sum von 15 Zigaretten pro Tag oder Alkoholismus. Und ein zu geringes Maß an sozialem Austausch veranstaltung für die Initiative „Auf ten Organisationen in anderen Regio- ist sogar zweimal so schädlich wie Übergewicht. gesunde Nachbarschaft“ des Fonds Ge- nen leichter machen, selbst entspre- sundes Österreich (FGÖ) in Linz-Au- chende Nachbarschaftsaktivitäten ins Die Studie der Autor/innen Julianne Holt-Lunstad, wiesen. Diese soll den sozialen Zusam- Leben zu rufen“, erklärt Christa Pein- Timothy B. Smith und J. Bradley Layton mit dem menhalt im unmittelbaren Lebensum- haupt, die Leiterin des FGÖ, die Hinter- Titel: „Social Relationships and Mortality Risk: feld stärken und wird in zwei Modell- gründe für das Projekt. Konkret sollen A Meta-analytic Review“ wurde von der Public regionen durchgeführt. Auwiesen- bessere nachbarschaftliche Kontakte bei Library of Science (PLoS) veröffentlicht und steht Kleinmünchen, ein Stadtteil der oberös- der Initiative vor allem dadurch ent- unter www.plosmedicine.org via Internet kosten- terreichischen Landeshauptstadt, in stehen, dass Kleinprojekte, die von min- los zur Verfügung. dem ein relativ hoher Anteil von Mi- destens zwei Nachbarinnen oder Nach- Der Link lautet: www.plosmedicine.org/arti- grant/innen und sozial benachteilig- barn vorgeschlagen werden, unterstützt cle/info:doi/10.1371/journal.pmed.1000316 ten Menschen lebt, ist eine davon. Die werden. Dafür können bis zu 300 Euro

zweite Modellregion ist das Waldvier- zur Verfügung gestellt werden: für Ma- Fotos: – Fotolia.com, Robert Kneschke PGA

24 gesundesösterreich WISSEN

meinwesenarbeit (VSG), der Nachbarin- Initiative, die bis Ende 2013 laufen wird, nen und Nachbarn dabei begleiten soll, ab Februar zum Beispiel auch monatli- Ideen für eine gesündere Community che Nachbarschaftstreffen im Volks- zu finden, umzusetzen und dafür even- haus Auwiesen veranstalten. „Tausch- tuell auch materielle Unterstützung zu kreistreffen“ und zwei „Aktionstage“ erhalten. Beide Einrichtungen arbeiten sind ebenfalls eingeplant. Weitere Infor- im Rahmen der Initiative mit den Orga- mationen sind unter www.gesunde- nisationen für Gesundheitsförderung nachbarschaft.at über das Internet ihres Bundeslandes zusammen. Das nachzulesen. Auf der genannten Web- sind die Initiative Niederösterreich „Tut site stehen auch für beide Modellregio- gut!“ sowie der Verein für prophylak- nen Folder mit den Details zur Förde- tische Gesundheitsarbeit mit Hauptsitz rung von Nachbarschaftsinitiativen zur in Linz. Der VSG will im Rahmen der Verfügung.

Gesundheitsminister Alois Stöger bei der Startveranstaltung für die Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft“

WIR NACHBARN, FÜREINANDER DA terial, das Anmieten von Räumen, Ho- Auch diese Initiativen in Österreich fördern ein gutes Miteinander unter Nachbarn – norare für externe Expert/innen, An- und damit die Gesundheit: kündigungen und sonstigen Aufwen- • Durch „zusammenlebengestalten“ soll im die Leopoldstadt, Margareten, Favoriten, dungen. Voraussetzungen sind eine gu- Land Steiermark das einander Begegnen und Ottakring und die Brigittenau. Mehr dazu auf te Idee, und dass das Kleinprojekt zum miteinander Umgehen in einer bunt gemisch- der Website www.wig.or.at unter „Gesunder Ziel hat, in der Wohnumgebung oder ten Gesellschaft verbessert werden. Zum Bei- Bezirk – Gesundes Grätzel“. Nachbarschaft etwas zum Positiven zu spiel bei einem Siedlungsfest, einer Nachbar- verändern. Das kann gemeinsames schaftsaktion, einem Projekt von Schüler/innen, • Die „wohnpartner“ setzen verschiedene Gärtnern auf einem selbst angelegten einer offenen sportlichen oder kulturellen Akti- Projekte um, die Bewohner/innen von Gemein- Beet sein oder gemeinsame gesunde vität sowie einer Gemeinschaftsaktion zwi- debauten in Wien miteinander ins Gespräch Bewegung wie Qigong, Nordic Wal- schen Jung und Alt. Ideen dazu werden mit bis bringen sollen. Bei „Selber Garteln“ werden king, Radtouren oder Hip Hop-Work- zu 1.000 Euro unterstützt. Mehr Informationen Garten-Initiativen im Wiener Gemeindebau be- shops, um nur einige Beispiele zu nen- unter www.zusammenlebengestalten.at gleitet. Bei der „nachbarschaftlichen Schach- nen. partie“ kommen jedes Jahr zahlreiche Miete- • In der Bundeshauptstadt hatten die Bürge- rinnen und Mieter in den Innenhöfen der Ge- Partnerorganisationen in Linz rinnen und Bürger bis Mitte Oktober die Mög- meindebauten zum Spiel der Könige zusam- und im Waldviertel lichkeit, sich daran zu beteiligen, Grundsätze men. Der „1. Wiener Gemeindebauchor“ trifft „Der FGÖ arbeitet in den beiden Mo- und Spielregeln für gutes Zusammenleben zu sich wöchentlich in der Donaustadt sowie in dellregionen jeweils mit einer Partner- erarbeiten. Sie konnten die Themen selbst be- Favoriten zum harmonischen gemeinsamen organisation zusammen, die dort be- stimmen und aktiv mitgestalten. Rund 8.500 Gesang. Mehr dazu unter wohnpartner- reits gut verankert ist und über funktio- Wienerinnen und Wiener haben dies bei 651 wien.at im Bereich „Wohnpartner-Projekte“. nierende Netzwerke verfügt“, erläutert Charta-Gesprächen in ganz Wien auch getan. Gerlinde Rohrauer-Näf, Gesundheitsrefe- Das Endergebnis, die „Wiener Charta“ ist seit • Die „Seniorenbörse Bregenz“ ist eine rentin mit Schwerpunkt psychosoziale Ende November unter charta.wien.gv.at Tauschbörse für Dienstleistungen. Wer schon Gesundheit beim FGÖ die Struktur der nachzulesen. älter ist und fallweise kleinere Hilfsdienste be- Initiative, für die sie gemeinsam mit nötigt, soll diese kostenlos von anderen Senio- FGÖ-Kommunikationsleiter Markus • In fünf Bezirken, in denen mehr sozial rinnen und Senioren erhalten – zum Beispiel, Mikl verantwortlich ist. Im Waldviertel schwache Menschen leben als in anderen, wenn der Wasserhahn undicht ist oder der Ra- ist das die Niederösterreichische Dorf- führt die Wiener Gesundheitsförderung (WiG) sen gemäht werden muss. Unter www.senio- und Stadterneuerung. Im Stadtteil Au- ein Programm für Grätzel-Aktivitäten für mehr renboerse-bregenz.at sind weitere Einzel- wiesen-Kleinmünchen in Linz ist es der Gesundheit und Wohlbefinden durch. Das sind heiten beschrieben. Verein für Sozialprävention und Ge-

gesundesösterreich 25 WISSEN Mehr Chancen- gerechtigkeit durch mehr Gesund- heitskompetenz

Gesundheitskompetenz ist eine Voraussetzung, Der Gesundheitssoziologe Jürgen Pelikan: „Sozial benachteiligte Menschen haben häufig auch um gut auf seine eigene Gesundheit achten zu eine geringere Gesundheitskompetenz.“ können. Bei der österreichischen Bevölkerung ist sie im internationalen Vergleich relativ geringer, vor völkerung beitragen. Sofern sie speziell an so- zial Benachteiligte vermittelt wird, wäre das zu- allem auch bei sozial Benachteiligten. dem ein Beitrag zu mehr gesundheitlicher Chan- cengerechtigkeit. Das könnte zum Beispiel ge- schehen, indem Gesundheitswissen als Lernin- nter Gesundheitskompetenz wird die „Wie schwer fällt es Ihnen… halt an den Schulen mehr Bedeutung bekommt. Fähigkeit des einzelnen Menschen ver- Sinnvoll wäre es laut dem Gesundheitssoziolo- Ustanden, im täglichen Leben Entschei- • …zu verstehen, was Ihr Arzt gen auch, das Krankenbehandlungssystem ins- dungen zu treffen, die sich positiv auf die Ge- Ihnen sagt? gesamt nutzerfreundlicher zu machen, etwa in- sundheit auswirken – zu Hause, am Arbeitsplatz, …zu beurteilen, ob Informationen über dem Patientenvertreter/ innen in die Planung und im Gesundheitssystem und in der Gesellschaft • eine Krankheit in den Medien das Management von Gesundheitseinrichtungen ganz allgemein“, erklärte der Gesundheitsso- vertrauenswürdig sind? einbezogen werden, wie das zum Beispiel in den ziologe Jürgen Pelikan vom Wiener Ludwig …an Aktivitäten zur Verbesserung Niederlanden erfolgreich praktiziert werde. Boltzmann Institute Health Promotion Research • von Gesundheit und Wohlbefinden in (LBIHPR) in seinem Plenumsreferat bei der 14. Ihrer Gemeinschaft teilzunehmen? Kommunikation verbessern Gesundheitsförderungskonferenz des Fonds Ge- Auch Angebote wie NHS (National Health sundes Österreich Ende November in Villach. Ei- Nur Bulgarien ist schlechter Service) direct in Großbritannien, die einen nie- nes der zehn Rahmen-Gesundheitsziele für Ös- Ein wesentliches Ergebnis: Im Durchschnitt ha- derschwelligen, mehrsprachigen Zugang zum terreich, die im August 2012 vom Ministerrat be- ben die Europäer/innen in den acht untersuch- Gesundheitssystem ermöglichten, seien für Ös- schlossen wurden, lautet deshalb auch, dass die ten Ländern zu 12,4 Prozent eine „nicht aus- terreich zu erwägen. – NHS direct ist ein On- Gesundheitskompetenz der Bevölkerung ge- reichende“ Gesundheitskompetenz. In Öster- line- und Telefonservice, bei dem Gesundheits- stärkt werden soll. reich trifft das allerdings sogar auf 18,2 Prozent profis 24 Stunden am Tag während 365 Tagen der Bevölkerung zu. Das ist der zweitschlechtes- im Jahr für Gesundheitsfragen aus der Bevöl- Beim Forschungsprojekt „European Health Li- te Wert. Nur Bulgarien schneidet noch schlech- kerung zur Verfügung stehen. Näheres dazu teracy Survey“, das von der Europäischen Uni- ter ab.Weitere 38,2 Prozent der Österreicher/in- ist im Internet unter www.nhsdirect.nhs.uk on (EU) gefördert und in Österreich vom Fonds nen haben eine „problematische“ Gesundheits- nachzulesen. – „Unsere Ergebnisse lassen nicht Gesundes Österreich mitfinanziert wurde, wur- kompetenz.Weniger als die Hälfte, nämlich 43,6 zuletzt auch den Schluss zu, dass es den Ärzt/in- de in acht europäischen Ländern im Jahr 2011 Prozent haben eine ausreichende oder exzellen- nen, Pflegekräften und weiteren Gesundheits- erhoben, wie gut die Gesundheitskompetenz der te Gesundheitskompetenz. Sozial benachteilig- profis in Österreich häufig nicht gelingt, sich in Bevölkerung derzeit ist. Dazu wurden in Bulga- te Menschen mit vergleichsweise geringem Ein- einer Form auszudrücken, die für die Patientin- rien, im Bundesland Nordrhein-Westfalen in kommen oder weniger Bildung haben – in Ös- nen und Patienten gut verständlich ist. Das Deutschland, in Griechenland, Irland, den Nie- terreich und in den anderen untersuchten Län- heißt, es wären auch mehr Maßnahmen zur Ver- derlanden, Polen, Österreich und Spanien je dern – besonders häufig eine geringere Ge- besserung der Kommunikationskompetenz der 1.000 Menschen ab 15 Jahren befragt. 47 Fra- sundheitskompetenz. „Wir wissen auch, dass es medizinischen Fachleute notwendig“, sagte gen zur Gesundheitskompetenz für die Bereiche einen Zusammenhang zwischen der Gesund- Pelikan. Das Forschungsprojekt wurde Anfang Krankheitsbewältigung, Prävention und Ge- heitskompetenz und dem Gesundheitszustand Oktober beim European Health Forum Gastein sundheitsförderung wurden gestellt. Einzelne gibt“, betonte Pelikan. Mehr Gesundheitskom- mit dem renommierten „European Health

waren zum Beispiel: petenz könnte somit zu mehr Gesundheit der Be- Award“ ausgezeichnet. Foto: Pilo Pichler

26 gesundesösterreich Foto: Hilfswerk Österreich / Suzy Stöckl

Wir sind Ihr Partner, wenn es um Familie geht!

Das Hilfswerk ist einer der größten österreichischen Anbieter Der Hilfswerk Erziehungskompass

Eine kleine Orientierungshilfe familiärer, sozialer und gesundheitlicher Dienstleistungen. für die spannende Lebensreise mit Ihrem Kind. ■■ Kinderbetreuung, Tagesmütter, Nachmittagsbetreuung

28.03.12 14:39 ■■ Familienberatung, Lernbegleitung, Jugendarbeit 106974_Broschuere_2012_Erziehung_117.indd 1 ■■ Hilfe und Pflege daheim für kranke und ältere Menschen ■■ Hilfe und Unterstützung im Haushalt ■■ Unterstützung und Beratung pflegender Angehöriger

Informieren Sie sich unverbindlich über unsere Dienstleistungen in Ihrer Nähe und bestellen Sie die

Tipps und Information rund um kostenlosen Servicepakete unter 0800 800 820 Kinderbetreuung, Erziehung und Vorsorge oder senden Sie eine E-Mail an [email protected]

Broschuere_2012_KINDER_103.indd 1 27.03.12 17:21 Kinder-Servicepaket Infos zu Kinderbetreuung, Senioren-Servicepaket Erziehung, Wohnen und Infos zu Pflege, Vorsorge, finanzielle Vorsorge Finanzen, sowie zu Älterwerden in Bewegung, Osteoporose, Rheuma und Thrombose

Tipps und Information rund um Älterwerden und Vorsorge, Gesundheit und Pflege RHEUMA. ERKENNEN. VERSTEHEN. HANDELN. THROMBOSE. ERKENNEN. Älterwerden in Bewegung. sicher wohnen. VERSTEHEN. HANDELN.Ein praktischer Ratgeber mit Informationen, hren. richtig Bewegen. gesund ernÄ Tipps und Service. Ein praktischer Ratgeber mit Informationen, Tipps und Service.

107012_Broschuere2012_PFLEGE_105.indd 1 27.03.12 16:42

www.hilfswerk.at gesundesÖ_HW-Broschüren_dez2012.indd 1 04.12.2012 12:27:15 WISSEN Wir sind da – und stolz auf unsere Wurzeln Der Soziologe Christoph Reinprecht im Interview über die Gesundheit von Migrant/innen, Gesundheitsförderung durch soziale Teilhabe und weshalb es positiv ist, wenn neue Minderheiten entstehen. Text: Dietmar Schobel

GESUNDES ÖSTERREICH Wer ist eine Migrantin oder ein Migrant? Christoph Reinprecht Aus Sicht der Sozial- wissenschaft steht im Mittelpunkt, dass eine Migrantin oder ein Migrant jemand ist, der oder die den Lebensmittelpunkt von einem Ort an ei- nen anderen verlagert. Dadurch verändern sich auch die sozialen Bezugssysteme. Er oder sie begibt sich in einen neuen Sozialraum, und das gilt zum Beispiel auch für Migration innerhalb eines Landes. Rein statistisch betrachtet werden jedoch nur all diejenigen als Migrant/innen ge- zählt, die im Ausland geboren sind und länger als drei Monate hier leben. Etwa 40 Prozent der migrantischen Bevölkerung besitzen die öster- GESUNDES ÖSTERREICH Männern und Frauen ist sie jedoch höher als reichische Staatsbürgerschaft. Dann gibt es Warum ist das so? bei Österreicherinnen und Österreichern. Eine auch noch die Kategorie „Menschen mit Migra- Eine Erklärung besteht darin, dass Menschen, mögliche Erklärung für diesen scheinbaren Wi- tionshintergrund“. Dieser Ausdruck bezieht sich die dieser Gruppe von Migrant/innen angehö- derspruch ist der „Healthy Migrant“-Effekt. vor allem auf die zweite Generation, also jene, ren, häufig sehr anstrengende körperliche Ar- Man geht davon aus, dass es wahrscheinlich bei denen zumindest ein Elternteil nicht Öster- beiten verrichten, vergleichsweise wenig verdie- eher Menschen mit besonders guter Gesund- reich als Geburtsland hat. nen, relativ gering gebildet sind und ihre Le- heit sind, die sich entschließen ihre Heimat zu bensverhältnisse und speziell die Wohnsituation verlassen, um in einem anderen Land eine neu- GESUNDES ÖSTERREICH Gibt es schlechter sind.All diese Faktoren können sich es Leben aufzubauen. Durch Migration, sofern gesundheitliche Unterschiede zwischen auch negativ auf den Gesundheitszustand und sie freiwillig ist, könnte also eine Art positive Migrant/innen und Nicht-Migrant/innen das Gesundheitsverhalten auswirken. Dazu gesundheitliche Selektion stattfinden. Dazu in Österreich? kommt, dass Migrantinnen und Migranten auf- kommen für Migrantinnen aus der Türkei auch Das kommt darauf an, von welcher Gruppe von grund von sprachlichen Problemen oder weil es bestimmte Lebensstilfaktoren: Ihre Ernährung Migrant/innen wir sprechen. Menschen, die aus ihnen an Informationen fehlt, häufig einen ist häufig eine gesunde mediterrane Kost mit Staaten der Europäischen Union zugewandert schlechteren Zugang zur Gesundheitsversor- viel Gemüse, Obst und Olivenöl, wenig tieri- sind, unterscheiden sich insgesamt betrachtet gung haben.Typisch ist etwa, dass kaum Fach- schen Fetten und ohne Alkohol. nur wenig von der restlichen Bevölkerung. Mi- ärzt/innen aufgesucht werden, und wenn, dann grant/innen, die als Arbeitskräfte aus Ex-Jugo- nur jene wenigen, die aus demselben Her- GESUNDES ÖSTERREICH slawien, der Türkei oder anderen Ländern ge- kunftsland stammen. Wo sollte Gesundheitsförderung für kommen sind, beurteilen ihre Gesundheit je- Migrant/innen ansetzen? doch subjektiv deutlich schlechter.Auch beim GESUNDES ÖSTERREICH Resultieren Eine Studie in Großbritannien hat gezeigt, Gesundheitsverhalten gibt es wesentliche Un- daraus Unterschiede in der Lebenser- dass speziell auch für Migrant/innen soziale terschiede, sie gehen zum Beispiel seltener zu wartung? Einflüsse die wichtigsten Quellen für ihr Vorsorge-Untersuchungen, machen weniger Bei den Migrant/innen aus Ex-Jugoslawien liegt Wohlbefinden sein können. Den größten Ein-

häufig Ausgleichssport und rauchen öfter. sie unter dem Durchschnitt, bei den türkischen fluss auf die Lebensqualität hat laut dieser Er- Fotos: Jo Hloch, www.hloch.at, 3000 – Fotolia.com Farina

28 gesundesösterreich ZUR PERSON Der Soziologe Christoph Reinprecht (55) lehrt und forscht an der Universität Wien, unter anderem zu migrations- und stadt- soziologischen Themen sowie zur Analyse sozialer Ungleichheit und Unsicherheit.

hebung die Aufnahmebereitschaft und Freundlichkeit der Bevölkerung im Zielland. Weiters war von hoher Bedeutung, ob es gute Möglichkeiten gibt, sich mit der eigenen Com- munity, aber auch mit der lokalen Bevölke- rung zu vernetzen. Teilhaben zu können ist für Menschen mit Migrationshintergrund beson- ders wichtig. Sie werden häufig ausgeschlos- sen und fühlen sich dadurch isoliert, was sich auch negativ auf die Gesundheit auswirkt. Um dem entgegenzusteuern, kann auch auf den vorhandenen sozialen Ressourcen aufge- Der Soziologe Christoph Reinprecht: „Ich betrachte es als durchaus positives Zeichen, wenn in einer Gesellschaft baut werden. So gibt es etwa in muslimischen eine neue, selbstbewusste Minderheit entstehen kann.“ Gemeinschaften viel Freiwilligentätigkeit, auch von Frauen, bedeutsam sind auch die EINE KURZE GESCHICHTE DER MIGRATION NACH ÖSTERREICH Kontakte innerhalb von Familien. Österreich war lange Zeit, wie viele andere eu- Flucht vor dem Krieg und Arbeitsmigration GESUNDES ÖSTERREICH Bedeutet das, ropäische Länder, überwiegend ein Auswande- Die politischen und gesellschaftlichen Verände- dass bessere Integration die beste Form rungsland und wurde erst in den 1960er Jahren rungen in den osteuropäischen Staaten Ende von Gesundheitsförderung für Men- schrittweise zu einem Einwanderungsland. Als der 1980er-Jahre brachten eine neue Phase der schen mit Migrationshintergrund ist? der österreichischen Wirtschaft damals Arbeits- Migration. Als Folge der Kriege am Balkan ka- Im Prinzip ja. Der Begriff „Integration“ sollte kräfte fehlten, wurde damit begonnen, Gastar- men zahlreiche Menschen aus Kroatien, aus jedoch besser durch jenen des „Teilhabens an beiterinnen und Gastarbeiter anzuwerben. Im Bosnien und Herzegowina und aus dem Kosovo der Gesellschaft“ ersetzt werden. Denn Inte- Jahr 1964 wurde mit der Türkei ein „Anwerbe- als Flüchtlinge nach Österreich. Außerdem wan- gration bedeutet aus Sicht der Mehrheitsge- abkommen“ abgeschlossen, 1966 auch mit derten wieder vermehrt Arbeitsmigrantinnen sellschaft ja nichts anderes, als dass eine Jugoslawien. Zu Beginn betrachteten sowohl und -migranten aus der Türkei und dem ehema- Gruppe von Migrantinnen und Migranten sich die österreichische Wirtschaft und Politik als ligen Jugoslawien ein. 1993 trat das Aufent- so gut assimiliert, dass sie letztlich nicht mehr auch die Migrantinnen und Migranten diese haltsgesetz in Kraft, das den Neuzuzug von Mi- als solche erkennbar ist und gewissermaßen Wanderung als vorübergehend. Mehr und mehr grantinnen und Migranten erschwerte. 1995 verschwindet. Je nach Größe einer ethnischen Zuwanderer/innen blieben jedoch länger als trat Österreich der Europäischen Union (EU) bei. Gemeinschaft, dem Herkunftsland und der geplant oder kamen mehrmals wieder, um in Bürgerinnen und Bürger der EU sowie des EWR sozialen Struktur ist das bei manchen migran- Österreich zu arbeiten. Anfang der 1970er-Jahre (Europäischer Wirtschaftsraum) benötigten kei- tischen Gruppen wahrscheinlich eher der Fall, gab es immer mehr Familienmitglieder, die ne Bewilligung für die Erwerbstätigkeit und den bei anderen weniger. Deshalb betrachte ich ebenfalls nach Österreich zogen. Als Folge der Aufenthalt in Österreich mehr. Seit der Jahrtau- es als durchaus positives Zeichen, wenn in wirtschaftlichen Probleme durch den „Ölpreis- sendwende geht die Zahl der Zuwanderer/innen einer Gesellschaft eine neue, selbstbewusste schock“ wurden im Jahr 1974 Beschränkungen aus den klassischen Einwanderungsländern Tür- Minderheit entstehen kann. Das ist nach für den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte nach kei und ehemaliges Jugoslawien zurück. Die EU- meiner Beobachtung derzeit in Österreich im Österreich eingeführt. Das führte jedoch dazu, Staaten, allen voran Deutschland sowie einige Bezug auf die türkeistämmige Bevölkerung dass ein Teil der Migrantinnen und Migranten der osteuropäischen EU-Staaten, wie Rumänien, der Fall. Aus der zweiten Generation verste- seinen Aufenthalt in Österreich verlängerte. Polen, Tschechien und Ungarn, haben hingegen hen sich viele ganz selbstverständlich als Denn eine Ausreise brachte ab dann die Gefahr als Herkunftsländer stark an Bedeutung gewon- Österreicherinnen und Österreicher – und sind mit sich, dass man nicht mehr nach Österreich nen. Deutsche sind heute bereits die größte sich gleichzeitig ihrer Herkunft bewusst. Sie zurückkehren können würde. Gruppe von Zuwanderer/innen. sagen: Wir sind da und stolz darauf, türkische Quelle: Nach: „Arbeits- und Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich", 2008, Statistik Wurzeln zu haben.

gesundesösterreich 29 WISSEN Bessere Chancen auf Gesundheit von Alexandra Wucher, die bei der aks gesundheit GmbH Anfang an Vorarlberg für das „Netzwerk Familie“ verantwortlich ist. „Frühe Hilfen“ entlasten Eltern und fördern deren Babys und Kleinkinder in ihrer sozialen und gesund- arla Schwärzler (Name von der Re- daktion geändert) ist 21. Sie hat heitlichen Entwicklung. Die Angebote sollen vor allem Cgerade ihr zweites Kind bekom- auch besonders belastete Familien erreichen. men, wieder einen Buben. Ihr Erstgebo- rener, Sebastian, ist drei Jahre alt. Die Vä- Text: Dietmar Schobel ter haben sich aus ihrer Verantwortung gestohlen; Schwärzler selbst hat keine abgeschlossene Ausbildung und Schul- den bei der Bank. Keine hohen, doch noch weiß die arbeitslose Alleinerziehe- rin nicht, wie es mit zwei Kindern zu- hause weitergehen soll. Die Schwestern der Geburtsstation im Krankenhaus in Dornbirn in Vorarlberg sind auf die Situation der jungen Frau aufmerksam geworden, die bisher nur einmal Besuch erhalten hat. Im Rahmen des Vorarlberger „Netzwerks Familie“ sind sie geschult worden, aufmerksam auf psychosoziale Belastungen der jun- gen Familien zu achten. Sie haben Schwärzler über das „Netzwerk Fami- lie“ informiert. Jetzt wird sie von einer Sozialarbeiterin begleitet, die für diese Einrichtung arbeitet. Als „Case Mana- gerin“ steht sie persönlich für die junge Familie“ verantwortlich ist, das in Ko- Manche der Betroffenen haben sich Mutter zur Verfügung, erläutert ihr die operation mit dem Vorarlberger Kin- selbst gemeldet. Mehr als die Hälfte der vielfältigen Möglichkeiten zur Unter- derdorf und den Vorarlberger Kinder- Familien hat einen Migrationshinter- stützung nach einer Geburt und wird ihr und Jugendärzten umgesetzt wird. grund. später auch helfen, diese zu nutzen und Für die Familienarbeit sind sechs sie bei Bedarf bei Behördenwegen be- Sozialarbeiterinnen beim „Netzwerk „Frühe Hilfen“ umfassen viele gleiten. Familie“ angestellt sowie deren Leiterin Maßnahmen Christine Rinner. Jede Mitarbeiterin ist für Das Spektrum an sozialen und gesund- Zugang zu vorhandener Hilfe rund 30 Familien zuständig und beglei- heitlichen Dienstleistungen, die über „In Vorarlberg gibt es ein sehr dichtes tet die einzelnen Familien je nach Situa- das „Netzwerk Familie“ vermittelt oder soziales Netz. Gerade diejenigen, die es tion und Belastung unterschiedlich lan- zugänglich gemacht werden können, am nötigsten hätten, wissen jedoch oft ge. 2011 wurden 134 Familien an das ist groß. Es reicht von der Unterstüt- nichts davon oder finden keinen Zu- „Netzwerk Familie“ vermittelt – von zung bei der Versorgung des Babys und gang. Das soll das ,Netzwerk Familie’ Krankenhäusern, anderen Institutionen moderierten Eltern-Kind-Gruppen über ändern“, meint die Psychologin Alexan- oder niedergelassenen Ärzt/innen, wie Familienhilfe, Betreuung zuhause durch dra Wucher, die bei der aks gesundheit speziell Gynäkolog/innen, Kinderärzt/ Hebammen, Frühförderung und psy-

GmbH Vorarlberg für das „Netzwerk innen und Allgemeinmediziner/innen. chologische Unterstützung bis zur Fotos: „Netzwerk Familie“

30 gesundesösterreich Schuldnerberatung und Maßnahmen Inga Wagenknecht von der Justus-Lie- Elternschaft gelingt“ hat untersucht, in- zur Aus- und Weiterbildung oder für big-Universität in Gießen haben eine wieweit junge Mütter in schwierigen den beruflichen Wiedereinstieg. Fach- Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. sozialen Situationen überhaupt eine en- leute fassen derartige Dienste für Eltern Laut dieser können pro Fall durch Frü- ge und liebevolle Beziehung zu ihren vom Beginn einer Schwangerschaft bis he Hilfen Ausgaben zwischen rund Kindern aufbauen können – beispiels- zum Alter von drei Jahren oder auch bis 400.000 und bis zu einer Million Euro weise bei einer Suchterkrankung, nach zum Schuleintritt unter dem Begriff vermieden werden – durch Ersparnis- traumatischen Kindheitserlebnissen, in „Frühe Hilfen“ zusammen – sofern die- se in der Jugendwohlfahrt, der Arbeits- sozialer Isolation oder in finanzieller se Maßnahmen zur Unterstützung ko- marktintegration, bei medizinischen Be- Not. Die Ergebnisse, die 2011 veröffent- ordiniert angeboten werden und inter- handlungen und in anderen Bereichen. licht wurden, belegen deutlich, dass sektoral sind, also von Institutionen aus auch unter schwierigsten Lebensbedin- mehreren gesellschaftlichen Bereichen Studie zu „Frühen Hilfen“ in Österreich gungen eine verlässliche Elternschaft stammen. Die Gesundheit Österreich GmbH gelingen kann, sofern möglichst früh „Die positive Wirkung von Frühen Hil- (GÖG) erstellt derzeit im Auftrag des eine geeignete Unterstützung erfolgt. fen ist durch eine Reihe von Studien be- Gesundheitsministeriums eine Studie, Nach einem Jahr intensiver Mutter- legt. Unterstützung und Förderung in für die unter anderem auch alle Ange- Kind-Betreuung durch Frühe Hilfen der frühen Kindheit können die Lebens- bote für Frühe Hilfen in allen österrei- konnten fast drei Viertel der Babys aus qualität, sozioökonomische Lage und chischen Bundesländern erhoben wer- besonders belasteten Familien eine si- Gesundheit bis weit ins Erwachsenen- den. Neben dem flächendeckenden chere Bindung zu ihrer Hauptbezugs- leben positiv beeinflussen“, sagt Sabine Netz in Vorarlberg gibt es vereinzelte person, in aller Regel der Mutter, entwi- Haas, die Leiterin des Arbeitsbereichs Projekte in Tirol, Wien und Niederöster- ckeln. In einer Kontrollgruppe ohne ent- Prävention bei der Gesundheit Öster- reich. Weiters werden in der For- sprechende Betreuung waren es nur 45 reich GmbH (GÖG). Im Prinzip wenden schungsarbeit der GÖG internationale Prozent. – Das lässt auch für Carla sich Frühe Hilfen an alle Eltern, sollen Beispiele guter Praxis beschrieben. Zu- Schwärzler und ihre beiden Söhne hof- aber speziell auch jene erreichen, die dem wurden im vergangenen Herbst fen. durch ihre ökonomische, soziale oder fünf Workshops mit Vertreter/innen psychische Situation besonders belas- der wichtigsten Handlungsfelder in Be- tet sind. Dafür ist ein „niederschwelli- zug auf die frühe Kindheit durchge- WER VOM „NETZWERK ger Zugang“ besonders wichtig. Dieser führt. Gemeinsam wurde diskutiert und FAMILIE“ BETREUT WIRD wird etwa in Vorarlberg dadurch ge- erarbeitet, welches Modell für Frühe schaffen, dass Fachleute aus dem Ge- Hilfen in Österreich künftig umgesetzt Welche Familien vom „Netzwerk Familie“ in sundheitswesen, zu denen bereits ein werden könnte. Die Ergebnisse der Stu- Vorarlberg konkret betreut werden, ist in dessen Vertrauensverhältnis besteht, Eltern auf die und des gesamten Arbeitsprozes- Jahresbericht 2011 genau beschrieben. Von den das „Netzwerk Familie“ aufmerksam ses sollen im Frühjahr 2013 vorliegen. 194 laufend begleiteten Familien sind 172 von machen. besonderen sozialen Belastungen betroffen, wie Die frühen Jahre entscheiden sozialer und sprachlicher Isolation, einer finan- Umfassendes Angebot in Deutschland „Da sich Frühe Hilfen vor allem auch an ziellen Notlage, einer unerwünschten Schwanger- In Deutschland gibt es bereits ein struk- sozial benachteiligte Kinder und Ju- schaft oder davon, über keinen qualifizierenden turiertes und umfassendes Angebot an gendliche wenden, können sie wesent- Schulabschluss zu verfügen. Bei 78 Familien be- „Frühen Hilfen“. In allen Bundeslän- lich dazu beitragen, dass diese bessere stehen deutlich erhöhte Fürsorgeanforderungen dern wurden bereits Modellprojekte in Möglichkeiten bekommen, ihre gesund- für das Kind, etwa durch eine Früh- oder Mehr- Auftrag gegeben, und aktuell werden in heitlichen Potenziale auch zu verwirk- lingsgeburt, einen Entwicklungsrückstand oder 98 Prozent aller Kommunen entspre- lichen“, meint Gerlinde Rohrauer-Näf, angeborene Erkrankungen. chende Initiativen durchgeführt. Dazu Gesundheitsreferentin mit Schwerpunkt Bei weiteren 45 Familien war zu beobachten, zählen vor allem auch „Familienhebam- psychosoziale Gesundheit beim Fonds dass die Hauptbezugsperson Schwierigkeiten men“ als Angebot der Gemeinden. Gesundes Österreich (FGÖ): „In diesem hatte, das Kind anzunehmen und zu versorgen – Diese kommen nach einer Geburt Sinne sind Frühe Hilfen ein besonders zum Beispiel, weil deutliche Signale des Kindes nach Hause, unterstützen in Fragen der wichtiger Beitrag zu mehr gesundheit- übersehen werden oder unangemessen darauf Säuglingspflege oder des Stillens und licher Chancengerechtigkeit.“ Der FGÖ reagiert wird, oder weil die Hauptbezugsperson vermitteln bei Bedarf weitere gesund- hat in den Jahren 2009 und 2010 drei Pi- passiv, antriebsarm oder psychisch auffällig wirkt. heitliche und soziale Dienstleistungen an lotprojekte in Vorarlberg mitfinanziert, In 76 der vom Netzwerk begleiteten Familien die jungen Familien. Seit März 2007 gibt darunter auch das „Netzwerk Familie“ hat die Hauptbezugsperson der Kinder starke es in Deutschland auch ein „Nationales das dann für die weitere Umsetzung Zukunftsangst, fühlt sich überfordert oder vom Zentrum Frühe Hilfen“. Die Wissen- ausgewählt wurde. Kind abgelehnt. schafterinnen Uta Meier-Gräwe und Das deutsche Forschungsprojekt „Wie

gesundesösterreich 31 WISSEN Ich bin etwas wert

Moderne Suchtprävention setzt auf Programme, die das Selbstwertgefühl Barbara Drobesch-Binter, die Leiterin der Landesstelle Suchtprävention in Kärnten: „Die Heranwachsenden sollen und die soziale Kompetenz von Kindern und lernen, Konflikte zu lösen und teamfähig zu werden.“ Jugendlichen fördern.

ch bin etwas wert – und das hängt neun Bundesländern umgesetzt wer- kann ich tun?“, „Was muss ich wis- nicht davon ab, welche Kleidermar- den: „Eigenständig werden“ wendet sen?“ und: „Wie sind ähnliche Proble- Iken ich trage, welcher Religion ich sich an Volksschüler/innen, „plus“ an me gelöst worden?“. Das Programm angehöre oder aus welchem Land ich Zehn- bis Vierzehnjährige. Die konkre- wurde 2005 und 2006 evaluiert, wo- oder meine Eltern stammen. – Das ist es, ten Inhalte werden durch mehrtägige bei 1.915 Kinder aus 127 Klassen teil- was wir den Kindern und Jugendlichen Schulungen von den Mitarbeiter/in- nahmen. In Klassen, in denen „Eigen- vor allem vermitteln wollen“, erklärt nen der Suchtpräventionsstellen als ständig werden“ durchgeführt wur- Barbara Drobesch-Binter das Konzept Trainer/innen an Lehrer/innen ver- de, war das Klassenklima besser und moderner Suchtprävention. Dessen mittelt. Diese setzen die Initiativen dann es gab weniger Beteiligung an Gewalt. Kernelemente seien es, nicht mit dem er- als Multiplikator/innen an ihrer Schu- Seit 2002 wurden in Österreich bereits hobenen Zeigefinger oder abschrecken- le um. 5.893 Lehrkräfte für die Umsetzung den Bildern zu drohen, sondern viel- des Programms geschult, das in 1.461 mehr das Selbstwertgefühl und die so- Das Programm „Eigenständig werden“ Volksschulen durchgeführt wurde. ziale Kompetenz von Kindern und Ju- „Eigenständig werden“ wird seit 2002 gendlichen zu fördern. „Das bedeutet durchgeführt. In insgesamt 42 Unter- „plus“ für Zehn- bis 14-Jährige auch, dass die Heranwachsenden lernen richtseinheiten für die ersten bis vier- Das Präventionsprogramm „plus“ für sollen, Konflikte zu lösen und teamfä- ten Klassen stehen drei Bereiche im die 5. bis 8. Schulstufe ist seit 2009 in al- hig zu werden. Sie sollen erfahren, dass Mittelpunkt: Beim Thema „Ich als wer- len Bundesländern im Piloteinsatz. Es eine Gruppe, die zusammenhält und dende Persönlichkeit“ geht es um die wird an 223 Neuen Mittelschulen um- in der jeder den anderen in seiner An- Wahrnehmung, Gefühle und das sinn- gesetzt, 689 Lehrerinnen und Lehrer dersartigkeit akzeptiert, mehr erreichen liche Erleben. Im Bereich „Ich und die wurden bislang in jährlichen Schulun- kann als ein einzelner“, ergänzt Dro- anderen“ wird das soziale Miteinan- gen dafür ausgebildet, das Programm besch-Binter, die Leiterin der Landes- der thematisiert. Unter dem Motto „Ich anhand einer Arbeitsmappe mit detail- stelle Suchtprävention ist, einem Fach- und meine Umwelt“ soll schließlich liert aufbereiteten Unterrichtseinhei- gebiet der Unterabteilung Sanitätswe- auch erlernt werden, Gefahren zu er- ten an ihrer Schule durchzuführen. Je sen des Landes Kärnten. kennen und zu meiden sowie Verant- nach Jahrgang gibt es thematische Die moderne Suchtprävention geht al- wortung zu übernehmen. Eine Arbeits- Schwerpunkte: in der fünften Schul- so davon aus, dass stärkere Persönlich- mappe für die Lehrkräfte, ein Lieder- stufe steht der „Konsum“ im Mittel- keiten weniger gefährdet sind, abhän- buch und eine CD, ein Bewegungs- punkt, in der sechsten „Neue Medien“, gigkeitskrank zu werden und der Rea- buch und weitere Materialien unter- in der siebten „Nikotin“ und in der lität entfliehen zu wollen. Drobesch- stützen die konkrete Arbeit. Die Volks- achten „Alkohol“. „Auch dieses Pro- Binter: „Abhängigkeitserkrankungen schüler/innen erlernen dann zum Bei- gramm wird von den Schulen stark haben viele Ursachen – genetische, fa- spiel einfache Strategien zur Lösung nachgefragt“, freut sich Drobesch-Bin- miliäre, strukturelle und soziale. Doch von Problemen, wie die „Sieben-Finger- ter: „Lehrerinnen und Lehrer berichten ein geeignetes Umfeld kann wesentlich Methode“. – Zu jedem Finger gehört ei- mir immer wieder, dass sie anhand des dazu beitragen, sie zu verhindern.“ In ne Frage, die man sich angesichts von Klimas und der sozialen Kompetenz Österreich soll das durch zwei Pro- Konflikten oder anderen Schwierigkei- in einer Klasse sofort bemerken, ob hier gramme unterstützt werden, die von ten stellen sollte, etwa: „Was ist nur schon mit ,plus’ gearbeitet wurde, oder den Suchtpräventionsstellen in allen los, was hab’ ich bloß?“ oder: „Was ob dies nicht der Fall war.“

32 gesundesösterreich WISSEN Eine Win-win-win- Situation Der Vinzi-Markt in Graz ist ein Gewinn für die Kund/innen mit geringem Einkommen, die ehemals arbeitslosen Angestellten und die Konzerne, die ihm Lebensmittel überlassen. Text: Dietmar Schobel

s ist ein Wahnsinn.“ Anders lasse sich nen. Besonders für Familien mit Migrationshin- nicht treffend beschreiben, wie viele Le- tergrund und mehreren Kindern, die etwa ein Drit- Ebensmittel in unserer Überflussgesellschaft tel unserer Kundinnen und Kunden ausmachen, weggeworfen würden, meint Heidi Anderhuber. sind das häufig auch Obst und Gemüse“, sagt Heidi Anderhuber, die Leiterin der Weil das so ist, können die Leiterin der „Vinzi- Anderhuber. Der Vinzimarkt ist jedoch mehr als „Vinzi-Märkte“ in Graz: „Weil die Armut wächst, Märkte“ in Graz und ihre Mitarbeiter/innen täg- nur ein günstiger Supermarkt für sozial Benach- wird auch die Zahl unserer Kund/innen immer größer.“ lich die vier großen Lebensmittelkonzerne Lidl, teiligte. Hier muss sich keiner für seine Situati- Zielpunkt, Spar und Billa sowie zwei Bäckereien on schämen und die Mitarbeiter/innen haben ein in der steirischen Landeshauptstadt anfahren. offenes Ohr für alle Anliegen der Einkaufenden. Dort holen sie all das ab, was sonst entsorgt wor- „Ganz ähnlich wie das früher in einer kleinen plötzlich keinen Job mehr.“ Bei einer Reise wur- den wäre. Greißlerei der Fall war“, meint die Marktleiterin. de sie von Wolfgang Pucher, dem Pfarrer von St. Und das sind viele völlig einwandfreie Produk- Vinzenz in Graz angesprochen, ob sie nicht Lei- te, von denen zum Beispiel einfach nur eine Ehemals Arbeitslose sind angestellt terin eines von ihm initiierten Sozialmarktes Filiale bei der Zentrale zu viel bestellt hat oder Ihr Team, mit dem sie einen kleinen Markt mit werden möchte.Anderhuber hat zugesagt und die leichte Verpackungsschäden haben. Oder etwa 40 und einen großen mit etwa 80 Kundin- ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe als Quer- Kartoffelchips kurz vor dem Ablaufdatum. Oder nen und Kunden pro Tag führt, besteht aus zehn einsteigerin „by doing“ erlernt. das Brot, das die Bäckereien an diesem Tag nicht ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen und drei fest Den Vinzimarkt in Graz, über den im Internet auf verkaufen konnten. Oder sechs Stück abgepack- Angestellten – von denen zwei zuvor langzeit- der Website www.vinzi.at informiert wird, gibt te Äpfel, darunter ein fauler.„Den schmeißen wir arbeitslos waren.Wie Anderhuber selbst: „Nach es seit 2004. Der erste Sozialmarkt (SOMA) die- weg und verpacken die Äpfel neu“, erklärt 25 Jahren im Vertrieb der Steirer Krone hatte ich ser Art war jener in Linz, der schon 1999 seine Anderhuber.„Dafür fehlt in den großen Handels- Pforten für Menschen geöffnet hat, die an der ketten einfach die Zeit.“ Armutsgrenze oder darunter leben müssen. In- zwischen gibt es nach diesem Prinzip 33 SOMA Lebensmittel für Menschen Märkte für knapp 40.000 Kund/innen in nahe- mit wenig Geld zu allen Bundesländern Österreichs. Auf der 90 Prozent der Waren werden so vor dem Müll- Website www.somaundpartner.at sind da- haufen gerettet, weitere zehn Prozent sind Spen- zu weitere Informationen nachzulesen „Sozial- den: zum Beispiel vom Fleischhof Raabtal 25 Ki- märkte wie der Vinzimarkt schaffen eine Win-win- logramm frisches Fleisch pro Woche oder im win-Situation: für ehemals arbeitslose Beschäf- Sommer frischer Salat von einem Biobauern. Im tigte, für die Konzerne, die sich Entsorgungskos- „Vinzimarkt“ kosten die Lebensmittel ein Drit- ten ersparen und für die Kund/innen, deren Zahl tel des üblichen Preises. Wer einmal nachge- in den vergangenen Jahren wegen der steigen- wiesen hat, dass er weniger als 950 Euro im Mo- den Armut immer größer geworden ist“, sagt An- nat verdient, kann hier einkaufen. Das Einkaufs- derhuber. Das alles ist etwa im Fall des Vinzi- limit sind 30 Euro pro Woche. Das Brot gibt es Marktes ohne einen einzigen Euro-Cent an Zu- gratis. schüssen möglich. Da möchte man mit Erich „Viele sagen, dass sie bei uns Dinge erstehen Kästner und seinem berühmten Zitat schließen: können, die sie sich sonst nie hätten leisten kön- „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es.“

gesundesösterreich 33 WISSEN Warum wir Arbeit brauchen Wer arbeitslos ist, ist auch häufiger krank. Lässt sich daraus ableiten, dass uns Arbeit gesund erhält? Und wie sollte Gesundheitsförderung für Menschen ohne Erwerbsarbeit am besten gestaltet werden? Text: Dietmar Schobel

er wirklich arbeiten will, der nüchternen Daten aus der aktuellen ös- Erhält uns die Arbeit gesund? findet einen Job: Dieses Vorur- terreichischen Gesundheitsbefragung Lässt sich daraus im Umkehrschluss Wteil haben viele Menschen, und der Statistik Austria. Chronische Angst- ableiten, dass uns Arbeit gesund er- es sorgt dafür, dass sich Arbeitslose zustände und Depressionen sind bei hält? „Ganz allgemein gesagt: ja. Einen noch mehr ausgegrenzt fühlen“, weiß arbeitslosen Männern rund siebenein- Arbeitsplatz zu haben steht dafür, ak- Stefan Bräunling von der Arbeitsgemein- halb Mal, bei Frauen rund viereinhalb tiv zu sein, dazu zu gehören, Wertschät- schaft „Gesundheit Berlin-Brandenburg Mal häufiger als bei Erwerbstätigen. zung zu erleben und in die Gesellschaft e.V.“. Sehr vielen Arbeitslosen ermög- Doch auch körperliche Erkrankungen integriert zu“, meint Barbara Haider-No- licht jedoch auch ein starker Wille kei- treten wesentlich öfter auf, unter ande- vak vom Beruflichen Bildungs- und Re- nen Weg zurück ins Berufsleben. Man- rem Bluthochdruck bei arbeitslosen habilitationszentrum Österreich (BBRZ) che versenden in einem halben Jahr Frauen sowie Arthrose, Arthritis und mit Sitz in Wien. Die Psychologin er- hundert Bewerbungen und mehr – und Gelenksrheumatismus bei Männern. gänzt, dass natürlich auch zu beachten erhalten ebenso viele Absagen oder gar Pro Jahr sind Menschen ohne Erwerbs- sei, dass es Formen der Arbeit gebe, keine Antwort. „Das drückt einen arbeit rund 20 Tage länger krank gemel- die körperlich oder psychisch beson- hinunter und ist fast noch schlimmer als det als Beschäftigte. Das zeigt der öster- ders belastend und deshalb Gesund- die materiellen Nachteile durch Ar- reichische Fehlzeitenreport 2009 des heit schädigend sein könnten, wie beitslosigkeit“, sagt ein Betroffener. Wirtschaftsforschungsinstitutes. Und Schwerarbeit oder Schichtarbeit. Das oft große individuelle Leid von je länger die Arbeitslosigkeit andauert, Haider-Novak ist auch Leiterin von Menschen ohne Erwerbsarbeit, Geld desto länger dauern in aller Regel auch „fit2work“ in Salzburg. „fit2work“ ist

und Anerkennung zeigen auch die die Erkrankungen. eine Initiative der österreichischen Fotos: maho – Fotolia.com, e.V., Gesundheit Berlin – Brandenburg Klaus Ranger

34 gesundesösterreich Bundesregierung und soll dafür sor- gen, dass Arbeitnehmer/innen – vor allem auch nach einem längeren Kran- kenstand – nicht aus gesundheitlichen Gründen ihren Arbeitsplatz verlieren. Gleichzeitig sollen den Betrieben die Arbeitskräfte und deren Know-how er- halten bleiben. Insgesamt geht es auch darum, dazu beizutragen, dass die Österreicher/innen länger arbeiten, da- bei gesünder bleiben – und seltener in Frühpension gehen. Stefan Bräunling von der Arbeitsgemeinschaft Barbara Haider-Novak, die Leiterin von Die Arbeit anpassen statt Frühpension „Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.“: „Projekte, „fit2work“ in Salzburg: „Einen Arbeitsplatz zu die die Gesundheit Arbeitsloser fördern, können auch haben steht dafür, aktiv zu sein, Wertschätzung zu Konkret sollen dafür „fit2work“-Case- deren Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen.“ erleben und in die Gesellschaft integriert zu sein.“ manager/innen sorgen. Das sind Bera- ter/innen, die Arbeitnehmer/innen per- sönlich zur Verfügung stehen. Gemein- Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Ab nach Alter, Geschlecht, Bildung und sam wird erarbeitet, welche Tätigkeiten 2013 startet das Programm für längere ökonomischem Status sehr heterogen noch ausgeübt werden können, oder Arbeitsfähigkeit und mehr Gesundheit und schwer zu erreichen. Ein möglicher welche Möglichkeiten zur Rehabilitati- im Burgenland, Kärnten und Vorarl- Zugang, gerade zu Langzeitarbeitslo- on und Gesundheitsförderung es für die berg, und wird damit flächendeckend in sen, ist jener über Nachbarschaften und Betroffenen noch gibt. Der Betrieb soll- ganz Österreich vertreten sein. Stadtteile“, sagt Bräunling. Als Beispiel te sich ebenfalls engagieren und einen guter Praxis führt er unter anderem das Beauftragten benennen, mit dem abge- Ein Kooperationsverbund in Deutschland Projekt „Bridges“ aus Sachsen an. Bei stimmt werden kann, wie die Arbeitssi- Was bleibt im Sinne der Gesundheitsför- diesem wurden nach dem Prinzip „Alt tuation oder die -abläufe verändert derung zu tun, wenn der Arbeitsplatz hilft jung“ acht ältere Langzeitarbeitslo- werden können, um eine Weiterbeschäf- bereits verloren wurde? „Die gesund- se ab 47 Jahren dafür geschult, arbeits- tigung zu ermöglichen. heitlichen und sozialen Probleme von lose Jugendliche unter 25 Jahren mit Ein konkretes Beispiel stammt aus Arbeitslosen und anderen benachteilig- Hauptschulabschluss und schlechten Niederösterreich: Ein Kfz-Mechaniker ten Menschen können nicht durch Insti- Jobchancen zu betreuen. Das ist bei dem hatte schon mit 35 Jahren schwere Band- tutionen zur Gesundheitsförderung al- zwei Jahre dauernden Projekt erfolg- scheibenprobleme. Laut Attest eines lein gelöst werden, sondern machen die reich gelungen. Von 484 Teilnehmen- Arbeitsmediziners konnte er nicht wie Zusammenarbeit von Einrichtungen aus den wurden 212 in ein Arbeitsverhältnis gewohnt weiterarbeiten. Er hatte seinen verschiedenen Sektoren der Gesellschaft und 60 in eine Ausbildung vermittelt. Beruf jedoch mit Begeisterung ausge- erforderlich“, betont Bräunling. In „Bridges“ sei sowohl für die „Senior übt, und auch der Inhaber der Werk- Deutschland wurde deshalb auf Initia- Coaches“ als auch für die Jugendlichen stätte wollte seinen kompetenten Mitar- tive der Bundeszentrale für gesundheit- hilfreich gewesen, meint Bräunling. beiter gerne im Betrieb halten. Gemein- liche Aufklärung (BZgA) 2003 der Ko- Wäre es nicht auch aus gesundheitli- sam mit der Case Managerin wurde ei- operationsverbund „Gesundheitliche cher Sicht besser, Arbeit gerechter zu ne Lösung gefunden. Der Mechaniker Chancengleichheit“ gegründet, dessen verteilen, als mit gesundheitsförderli- wurde zur Weiterbildung für die Meis- Geschäftsstelle bei „Gesundheit Berlin- chen Maßnahmen anzusetzen, wenn der terprüfung angemeldet und die Förde- Brandenburg e.V.“ angesiedelt ist. 57 Arbeitsplatz bereits nicht mehr vorhan- rungen dafür wurden genutzt. Das war Institutionen aus Bereichen wie Gesund- den ist? „Ja, sicher wäre das besser. auch für den Unternehmer von Vorteil: heit, Gesundheitsförderung, Politik, Eine Beschäftigung bedeutet eine Aufga- Denn ein zweiter Kfz-Meister im Betrieb Stadtentwicklung und Arbeitsmarkt be und einen geregelten Tagesablauf zu ist Voraussetzung, um Kfz-Pickerl aus- gehören ihm an, darunter auch die deut- haben und Wertschätzung zu erleben“, stellen zu können. sche Bundesagentur für Arbeit, die sagt Bräunling. Doch wo es nicht gelun- Bei fit2work kann es auch darum ähnliche Aufgaben hat wie der Arbeits- gen sei, Menschen in der Beschäftigung gehen, für die Betroffenen einen anderen marktservice in Österreich. zu halten, könnten Projekte zur Gesund- Betrieb zu finden oder sie umzuschulen. heitsförderung zumindest die gesund- Nach dem Start der ersten Beratungsstel- Alt hilft jung heitlichen Chancen der Betroffenen len in der Steiermark, Niederösterreich Welche Erfahrungen gibt es in der erhöhen, so der deutsche Experte: „Und und Wien im Jahr 2011 gibt es das Gesundheitsförderung für Arbeitslose das bedeutet auch, über bessere Chan- Angebot seit August 2012 auch in in Deutschland? „Diese Zielgruppe ist cen am Arbeitsmarkt zu verfügen.“

gesundesösterreich 35 WISSEN Prekäre Arbeit,

Alexander de Brito, Jurist prekäre Gesundheit? bei der Arbeiterkammer (AK) Wien und Berater im Projekt „Flexpower“: „Prekäre Arbeit“ steht für unsichere und „Altersarmut wird für viele prekär Beschäftigte zu schlecht entlohnte Beschäftigung. Das ist auch mit einem gravierenden Problem werden.“ gesundheitlichen Nachteilen verbunden.

ntgeltfortzahlung im Krankheits- fall, Kündigungsfristen, ein kol- Elektiver Mindestlohn, bezahlter Urlaub und ein 13. und 14. Gehalt? Was für die meisten Arbeitnehmer/innen in der sozialen Marktwirtschaft selbst- verständlich geworden ist, gehört für viele der so genannten „prekär Beschäf- tigten“ längst einer besseren, weil bes- ser abgesicherten Vergangenheit an. „Geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverträge, Werkverträge und die so genannte ,Neue Selbständigkeit’ bil- den die Rechtsgrundlage für verschie- dene Formen der prekären Beschäfti- gung. Allen gemeinsam ist, dass das Einkommen vergleichsweise gering ist, und dass das Beschäftigungsverhältnis relativ einfach wieder aufgelöst wer- den kann“, erklärt Alexander de Brito, Jurist bei der Arbeiterkammer (AK) Wien und Berater im Projekt „Flexpo- wer“ von Österreichischem Gewerk- schaftsbund und Arbeiterkammer, das sich vor allem an prekär Beschäftigte wendet. Für Betriebe bringe dieses Mo- selbständige“, das heißt, dass die Unter- den Problem werden.“ „Prekäre Be- dell freilich scheinbar viele Vorteile, nehmen aus juristischer Sicht eine an- schäftigung“ steht also im Allgemei- meint der AK-Mitarbeiter. Prekär Be- dere, besser abgesicherte Form der Be- nen für hohe Unsicherheit, geringe Ent- schäftigte können bei Bedarf engagiert schäftigung wählen müssten. Die AK lohnung und immer wieder kehrende und wenn dieser Bedarf nicht mehr schätzt die Zahl der Betroffenen auf bis Phasen der Arbeitslosigkeit. „Dass sich vorhanden ist, auch rasch wieder frei zu 30.000 in ganz Österreich. all dies auch negativ auf die Gesundheit gesetzt werden. Und sie kosten das Un- Manche der prekär Beschäftigten ver- auswirken kann, ist bekannt, und inso- ternehmen weniger. dienten oder verdienen auch vergleichs- fern wären natürlich auch gesundheits- weise gut. Doch sie müssen wegen der förderliche Maßnahmen für diese Vom Abfallberater bis zum Architekten Veränderungen der vergangenen Jah- Gruppe notwendig. Noch besser wäre Das Spektrum der prekär Beschäftigten re im Pensionsrecht durch längere freilich, die Betroffenen sozial besser ist groß. Es reicht von Architekt/innen Durchrechnungszeiträume und das abzusichern“, meint der AK-Experte. und Kameraleuten bis zu Abfallbera- Pensionskonto damit rechnen, in hö- Zumindest für Call Center Agents sei ter/innen, Paketzusteller/innen und heren Jahren ebenfalls von finanziellen das vor Kurzem gelungen, sagt de Bri- den Mitarbeiter/innen von Call Cen- Schwierigkeiten betroffen zu sein. De to: „Alle Verträge der Agents wurden tern. Viele davon sind nach Ansicht der Brito: „Altersarmut wird für viele pre- auf reguläre Dienstverträge umge-

Arbeiterkammer so genannte „Schein- kär Beschäftigte zu einem gravieren- stellt.“ Fotos: belamy – Fotolia.com, privat

36 gesundesösterreich WISSEN Gesund und arbeits- fähig von Anfang an Die einen gründen ein Unternehmen, um sich selbst zu verwirk- lichen. Die anderen, weil sie keine andere Alternative sehen. Ein Projekt in Wien soll die Gesundheit beider Gruppen fördern.

Katharina Ebner vom Beratungsunter- nehmen ÖSB Consulting leitet das Projekt „Gesund und arbeitsfähig von Anfang an“.

Klaus Ropin, Gesundheitsreferent beim as eigene Unternehmen. Für viele bedeu- Freie Dienstnehmer/innen entwickeln. Es wird FGÖ: „Gesundheitsförderung für sozial tet das, einen Lebenstraum zu verwirk- vom Beratungsunternehmen ÖSB Consulting benachteiligte Menschen erfordert die lichen. Meist haben sie dafür auch kla- durchgeführt und von Katharina Ebner geleitet. Zusammenarbeit verschiedener gesellschaft- D licher Bereiche.“ re Ziele und einen detaillierten Geschäftsplan. Bei der Wirtschaftskammer oder bei Beratungsein- Gesundheitsangebote für EPU richtungen für Start-ups finden sie für ihr Vorha- Konkret gibt es für die genannten Zielgruppen, ben in verschiedenster Form Unterstützung. Für aber auch für deren „Friends & Family“ jede andere ist die Selbständigkeit eine Notlösung. Sie Woche kostenlos zwei Gesundheitsaktivitäten, lassen. Erste Ergebnisse zeigen, dass jeweils sehen am Arbeitsmarkt für sich keine anderen für die man sich auf der Website www.gesund- mehr als die Hälfte der Befragten angeben, dass Chancen und versuchen aus der Not eine Tugend undarbeitsfaehig.at online anmelden kann. sie psychisch angespannt sind, sowie dass sie sich zu machen. Zum Beispiel zu einem moderierten Gruppenge- zu wenig Zeit für Erholung nehmen können. Was beide Gruppen oftmals eint, sind stark ein- spräch zum Erfahrungsaustausch unter dem Ti- Klaus Ropin, Gesundheitsreferent mit Schwer- geschränkte Möglichkeiten, für eine gute Ba- tel: „Kein Honiglecken – der Arbeitsalltag als Ein- punkt Betriebliche Gesundheitsförderung beim lance zwischen Arbeit und Privatleben zu sorgen Personen-Unternehmen“. Oder zu einem Vortrag Fonds Gesundes Österreich (FGÖ), hebt den und auf ihre Gesundheit zu achten. Das gilt vor zu „Gesundheitsbewusster Ernährung für EPU“. sektorenübergreifenden Zugang des Pilotprojek- allem, sofern es sich um Ein-Personen-Unter- Zudem können im Rahmen des Projekts auch Ein- tes hervor: „Gesundheitsförderung und speziell nehmen (EPU) handelt, derer es in Österreich zelcoachings mit Gesundheitsbezug in Anspruch jene für sozial benachteiligte Menschen erfor- zunehmend mehr gibt.Allein in Wien sind es der- genommen werden, die von einem Berater mit dert die Zusammenarbeit verschiedener gesell- zeit schon 55.000. Ein maßgebliches Pilotprojekt viel Erfahrung in der Betrieblichen Gesundheits- schaftlicher Bereiche. Beim Projekt GAVA wird gefördert vom Fonds Gesundes Österreich soll in förderung durchgeführt werden. Eine Online- das durch die Kooperation von Wirtschaftskam- der Bundeshauptstadt deshalb Gesundheitsför- Umfrage mit bisher 460 Teilnehmer/innen soll zu- mer, mingo, der Start-up-Initiative der Stadt derung für Ein-Personen-Unternehmen und eben- dem Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand Wien, des Sozialministeriums, der AUVA und

Foto: cirquedesprit – Fotolia.com, ÖSB, Andi Bruckner/GÖG so für Gründer/innen, Neue Selbständige und und das Gesundheitsverhalten der Zielgruppe zu- des FGÖ erfolgreich umgesetzt.“

gesundesösterreich 37 WISSEN

le Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren als Zielgruppe und in dem seit Kurzem bestehen- „Gut drauf“ den Arbeitsschwerpunkt „Tutmirgut“ auch al- le Kinder im Grundschulalter und deren Eltern. „Kindern und Jugendlichen in schwierigen so- in Deutschland zialen Lagen gilt dabei jedoch unsere besonde- re Aufmerksamkeit“, sagte Mann, der bei der Ein deutsches Programm bringt gesunde Ernährung, BzgA für das Programm „Gut drauf“ verantwort- Bewegung und Stressregulation zu Kindern lich ist. Um einen hohen Anteil dieser Kernzielgruppe zu und Jugendlichen, speziell zu jenen in schwierigen erreichen, wird dort angesetzt, wo Jugendliche und speziell auch sozial benachteiligte Teen- sozialen Lagen. Pro Jahr werden eine Million ager häufig ihren Alltag verbringen: in Jugend- Heranwachsende erreicht. zentren, den Schulen – mit einem Schwerpunkt auf Haupt- und Gesamtschulen – sowie in Aus- bildungsbetrieben und Sportvereinen. Außer- dem wird mit Partnern zusammengearbeitet, die Angebote für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche machen und zum Beispiel Ferienauf- enthalte für diese Zielgruppe organisieren. Da- zu zählen Caritas und Diakonie, die Naturfreun- de oder der Internationale Bund, ein großer An- bieter der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland.

Zwei Strategien Das Programm, das inhaltlich die Bereiche Er- nährung, Bewegung und Stressregulation ab- deckt, wird durch zwei Strategien umgesetzt „Ei- nerseits durch die Ausbildung von Multiplikator/innen in Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten; und an- dererseits dadurch, dass diese Organisationen insgesamt im Sinne der Gesundheitsförderung weiterentwickelt werden“, erklärte die Sport- Reinhard Mann, der bei der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für das Programm wissenschafterin Kirsten Barske, die das Pro- „Gut drauf” zuständig ist und Kirsten Barske, die an dessen Umsetzung beteiligt ist, bei der 14. Konferenz des FGÖ. gramm unter anderem schon an Schulen in Salzburg umgesetzt hat, bei der 14. Konferenz ugendliche, die zum Beispiel durch gerin- den. Fast alle gesundheitlichen Beeinträchti- des FGÖ. Die beteiligten Organisationen kön- ges Einkommen, niedriges Bildungsniveau, gungen sind bei Heranwachsenden in schwie- nen in einem Prozess zur Qualitätsentwicklung JArbeitslosigkeit oder schlechte Wohnverhält- rigen sozialen Lagen häufiger, Übergewicht, auch ein „Gut drauf“-Zertifikat erwerben. Vo- nisse der Eltern sozial benachteiligt sind, sind Kopfschmerzen und Stress ebenso wie verschie- raussetzung ist, dass sie bestimmten Qualitäts- auch gesundheitlich benachteiligt. Deshalb be- denste andere Beschwerden. Nur Allergien sind standards entsprechen. steht für sie der größte Bedarf an gesundheits- bei sozial benachteiligten Kindern seltener als Für Schulen gilt zum Beispiel, dass diese Raum förderlichen Maßnahmen“, sagte Reinhard bei ihren Altersgenoss/innen. für Bewegung zur Verfügung stellen und genü- Mann von der deutschen Bundeszentrale für gend entsprechende Angebote machen müssen. gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bei der 14. Pro Jahr eine Million Jugendliche Für Jugendzentren, dass Kochkurse durchgeführt Gesundheitsförderungskonferenz des Fonds Ge- Das Programm „Gut drauf“ soll deshalb die oder für Betriebe, dass Entspannungspausen er- sundes Österreich Ende November in Villach. Gesundheit sozial benachteiligter Heranwach- möglicht werden müssen. 650 Organisationen Für Deutschland ist dieser Zusammenhang durch sender fördern. Es wird schon seit rund 20 Jah- in ganz Deutschland beteiligen sich inzwischen den umfassenden deutschen Kinder- und Ju- ren erfolgreich umgesetzt und erreicht jährlich am Programm. Und in zwölf deutschen Bundes- gendgesundheitssurvey (KiGGs) belegt, für den rund eine Million Jugendliche. Weil Teenager ländern von Baden-Württemberg bis Thürin- zwischen Mai 2003 und Mai 2006 Daten von vor allem als Teenager und nicht als sozial Be- gen wurden Netzwerke eingerichtet, um das insgesamt rund 17.600 Kindern und Jugendli- nachteiligte mit speziellen Defiziten gesehen Programm zur Gesundheitsförderung gezielt

chen zwischen null und 17 Jahren erhoben wur- werden wollen, hat das Programm im Prinzip al- auf regionaler Ebene umzusetzen. Foto: Klaus Ranger

38 gesundesösterreich SELBSTHILFE

n der Schweiz wurden zu Beginn der 80er Jahre die ersten Vermitt- Ilungs- und Beratungsstellen für Selbsthilfegruppen gegründet. Inzwi- Selbsthilfe in schen gibt es landesweit rund 2.000 Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige. Körperliche und psy- der Schweiz chische Erkrankungen werden in die- sen ebenso thematisiert wie soziale In der Schweiz gibt es rund 2.000 Selbsthilfegruppen für Belastungen. Betroffene und Angehörige. Die Selbsthilfe Schweiz fördert Im Jahr 2000 wurde die schweizeri- Vernetzung und setzt sich für eine stärkere Anerkennung der sche Dachorganisation der regionalen Selbsthilfe ein. Text: Hermine Mandl Kontaktstellen für Selbsthilfe gegrün- det, die Stiftung KOSCH. Seit Beginn einem gemeinsamen Anliegen oder in des Jahres 2012 tritt sie unter dem einer gleichen Lebenssituation zu- Namen „Selbsthilfe Schweiz“ auf. sammenschließen, um sich gegensei- „Wir sind schweizweit der einzige tig zu helfen,“ ergänzt die Schweizer Verband, der sich unabhängig von Expertin. Gemeinschaftliche Selbst- Thematik, Betroffenheit oder Form, hilfe könne dabei verschiedene For- für die Idee und Methode der Selbst- men annehmen – sei es als örtliche hilfe engagiert“, fasst Carmen Rahm, Selbsthilfegruppe, durch die Vernet- Geschäftsführerin der „Selbsthilfe zung einzelner Personen miteinan- Schweiz“, das zentrale Anliegen des der oder als Internetdienst. Verbandes zusammen. Konkret un- Zu Letzteren zählt das neue Webpor- terstützt „Selbsthilfe Schweiz“ die tal der Selbsthilfe Schweiz, das im Kontaktstellen in ihrer Entwicklung, Herbst online gegangen ist. Auf übernimmt zentrale Aufgaben, ist www.selbsthilfeschweiz.ch sind all- Carmen Rahm, Geschäftsführerin gemeine Informationen zum Thema der „Selbsthilfe Schweiz“: „Wir sind Ansprechstelle für nationale und in- schweizweit der einzige Verband, der sich ternationale Anliegen und vertritt das Selbsthilfe und dem nationalen Dach- unabhängig von Thematik, Betroffenheit Netzwerk der Kontaktstellen nach verband zu finden. Eine Datenbank oder Form, für die Idee und Methode der außen. Derzeit umfasst letzteres 19 der lokalen und regionalen Selbsthil- Selbsthilfe engagiert.“ regionale Selbsthilfekontaktstellen in fegruppen wird derzeit gerade aufge- 19 von 26 Kantonen der Schweiz. baut. Sie soll künftig die gezielte Su- Tatsächlich gebe es derzeit in der che nach einzelnen Angeboten zur Schweiz keine Stelle, die Menschen Selbsthilfe etablieren Selbsthilfe in der Schweiz ermögli- beratend zur Seite stehe, bevor diese Ende Oktober initiierte die Dachorga- chen. Invaliditätsrentenempfänger/innen nisation den ersten „Runden Tisch“ seien – eine Aufgabe, die eine natio- zum Thema Selbsthilfe in der Anerkennung der Selbsthilfe nale Koordinationsstelle übernehmen Schweiz. 25 Vertreterinnen und Ver- Der Verband setzt sich auch für die könnte, meint die Geschäftsführerin treter verschiedener Organisationen stärkere Anerkennung der Selbsthil- von „Selbsthilfe Schweiz“. Ihr Dach- mit Selbsthilfebezug diskutierten über fe als wichtige Säule des Gesundheits- verband werde sich jedoch in jedem die Förderung und Koordination der und Sozialwesens ein. Als Interes- Fall weiterhin engagiert für die Anlie- Gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der sensvertretung wirkt Selbsthilfe gen der Selbsthilfe in der Schweiz Schweiz. Ziel war, die Selbsthilfe zum Schweiz an der Gestaltung von Geset- einsetzen. Rahm entschlossen: „Wir Thema des politischen Diskurses zu zesvorlagen mit, welche gesundheits- rollen den Ball weiter.“ machen und die Zusammenarbeit politisch bedeutsam sind. Dabei kann und Vernetzung untereinander zu es leider auch zu Rückschlägen kom- fördern. „Wir wollen den Begriff der men, wie Rahm kürzlich erfahren INFO & KONTAKT Gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der musste: „Wir haben vier Jahre lang Selbsthilfe Schweiz Schweiz stärker etablieren. Deren am nationalen Präventionsgesetz mit- Laufenstraße 12 wichtigste Merkmale sind Selbstbe- gearbeitet. Letztlich wurden unsere CH-4053 Basel Anliegen jedoch nicht entsprechend stimmung, Selbstverantwortung, Hil- Tel. 0041 (0)61 / 333 86 01 fe und Solidarität“, so Rahm. berücksichtigt und es ist nunmehr [email protected] „Letztlich geht es darum, dass sich auch keine nationale Koordinations- www.selbsthilfeschweiz.ch Menschen mit demselben Problem, stelle vorgesehen.“

gesundesösterreich 39 SELBSTHILFE

ALLE ADRESSEN AUF EINEN BLICK

ÖSTERREICH Selbsthilfegruppen STEIERMARK VORARLBERG ARGE Selbsthilfe Österreich Tor zum Landhaus Selbsthilfeplattform Service- und Kontaktstelle Simmeringer Hauptstraße 24, Wiener Straße 54 / Stiege A / 2. Stock Steiermark – Selbsthilfe Vorarlberg 1110 Wien 3109 St. Pölten, Postfach 26 Dachverband der Selbsthilfe Höchster Straße 30 [email protected] Tel: 02742/226 44 in der Steiermark 6850 Dornbirn www.selbsthilfe-oesterreich.at Fax: 02742/226 86 Geschäftsstelle: Selbsthilfekon- Tel./Fax: 05572/26 374 Bundesvorsitzende: [email protected] taktstelle Steiermark/SBZ [email protected] Sabine Geistlinger www.selbsthilfenoe.at Leechgasse 30, www.selbsthilfe-vorarlberg.at Bundesgeschäftsführer: Johannes 8010 Graz Rampler,Tel: 0664/34 29 136 OBERÖSTERREICH Tel: 0316/68 13 25 Lebensraum Bregenz Selbsthilfe OÖ Fax: 0316/67 82 60 Drehscheibe im Sozial- und BURGENLAND – Dachverband der [email protected] Gesundheitsbereich Selbsthilfe Burgenland – Selbsthilfegruppen www.selbsthilfesteiermark.at Clemens-Holzmeister-Gasse 2 Dachverband für Selbsthilfe- Garnisonstraße 1a/2. Stock 6900 Bregenz organisationen im Sozial- PF 61, 4021 Linz TIROL Tel: 05574/527 00 und Gesundheitsbereich, Tel: 0732/797 666 Selbsthilfe Tirol – Fax: 05574/ 527 00-4 Behindertenverbände bzw. Fax: 0732/797 666-14 Dachverband der Tiroler lebensraum@lebensraum- -organisationen [email protected] Selbsthilfevereine und - bregenz.at Die Selbsthilfe Burgenland www.selbsthilfe-ooe.at gruppen im Gesundheits- übersiedelt und ist vorüberge- und Sozialbereich WIEN hend erreichbar unter: Kontaktstelle für Innrain 43/Parterre Selbsthilfe-Unterstützungs- Tel. 0660 / 48 61 821 Selbsthilfegruppen 6020 Innsbruck stelle SUS Wien [email protected] Magistrat der Stadt Wels Tel: 0512/57 71 98-0 c/o Wiener Gesundheits- www.dachverband-burgenland.at Quergasse 1, 4600 Wels Fax: 0512/56 43 11 förderung – WiG Tel: 07242/235-7490 [email protected] Treustraße 35-43 KÄRNTEN Fax: 07242/235-1750 www.selbsthilfe-tirol.at Stg. 6, 1. Stock Selbsthilfe Kärnten – Dachver- [email protected] 1200 Wien band für Selbsthilfeorganisa- www.wels.gv.at Selbsthilfe Tirol – Tel: 01/4000-76 944 tionen im Sozial- und Gesund- Zweigverein Osttirol [email protected] heitsbereich, Behindertenver- SALZBURG Selbsthilfevereine und - www.wig.or.at bände bzw. -organisationen Selbsthilfe Salzburg – gruppen im Gesundheits- Kempfstraße 23/3, PF 108 Dachverband der Salzburger und Sozialbereich Medizinisches 9021 Klagenfurt Selbsthilfegruppen c/o Bezirkskrankenhaus Selbsthilfezentrum Wien Tel: 0463/50 48 71 Im Hause der SGKK / Lienz – 4. Stock Süd „Martha Frühwirth“ Fax: 0463/50 48 71-24 Ebene 01 / Zimmer 128 Emanuel von Obere Augartenstraße 26-28 [email protected] Engelbert-Weiß-Weg 10 Hibler-Straße 5, 1020 Wien www.selbsthilfe-kaernten.at 5021 Salzburg 9900 Lienz Tel./Fax: 01/330 22 15 Tel: 0662/88 89-1800 Tel./Fax: 04852/606-290 [email protected] NIEDERÖSTERREICH Fax: 0662/88 89-1804 Mobil: 0664/38 56 606 www.medshz.org Selbsthilfe Niederösterreich [email protected] [email protected] – Dachverband der NÖ www.selbsthilfe-salzburg.at www.selbsthilfe-tirol.at/osttirol

40 gesundesösterreich SELBSTHILFE

n Österreich leben etwa 7.000 Men- schen mit einem fremden Organ, zur IZeit stehen weitere 1.108 auf der War- Viele Jahre an teliste für eine Organtransplantation. Vielerlei Erkrankungen – genetisch be- dingte und erworbene – können zur lebenswertem Leben Transplantation führen, wenn alle ande- ren Therapien das endgültige Organ- gewinnen versagen und damit den Tod nicht mehr verhindern können. Für Betroffene be- Für organtransplantierte Patienten geht es um nichts deutet dies oft jahrelangen Überlebens- kampf – mehrmals die Woche zur Dia- weniger als das Leben selbst. Ihr Dachverband setzt sich für lyse, wenn die Nieren schwer geschädigt ihre Interessen ein. Text: Gabriele Vasak sind, Abhängigkeit von Sauerstoff vor Herz- und Lungentransplantation, oft akute Gefahr und wenig verbleibende boten für die Heimdialyse fehle, die für Überlebenszeit für die Lebertransplan- viele Patientinnen und Patienten die tation. Für alle gilt: Kaum noch Mobili- Lebensqualität bis zur Transplantation tät, viele Medikamente, ständige Mü- verbessern könnte. Weitere Forderun- digkeit, Erschöpfung, Gewichtsproble- gen sind, dass die Risiken nach einer me und Angst, die Transplantation nicht Transplantation bei den Sozialleistun- mehr zu erleben. gen berücksichtigt werden sollen, und Was nach dem großen Eingriff alle zu- dass es mehr Unterstützung bei der Rein- sätzlich trifft, sind die oft schwerwie- tegration in die Gesellschaft sowie bei der genden Nebenwirkungen der nach einer Verbandsarbeit geben soll. „Wir wür- Transplantation notwendigen Medika- den uns vor allem auch wünschen, mente. „Gerade, aber nicht nur deshalb bei unserer Selbsthilfearbeit durch eine ist der Austausch mit anderen Gleichbe- gesunde Mitarbeiterin oder einen troffenen enorm wichtig, und für ein Elisabeth Netter, die Obfrau des gesunden Mitarbeiter unterstützt wer- Dachverbands Organtransplantierte solches Angebot sorgen die verschiede- Österreich den zu können“, betont die Obfrau des nen Selbsthilfegruppen und Vereine vor Dachverbandes. Ort“, sagt Elisabeth Netter, die Obfrau lichen Situation, die in Österreich alle Seit 2011 wird gemeinsam mit Trans- des Dachverbands Organtransplantier- Menschen als potentielle Organspender plantationsärzt/innen und Pflegeper- te Österreich. „Als Dachverband bieten vorsieht, die nicht ausdrücklich wider- sonal auch die Initiative „Green Rib- wir den Betroffenen zudem umfassen- sprechen und sich im Widerspruchsre- bon“ durchgeführt. Dieses Symbol für de Informationen rund um alles, was gister eintragen lassen. Andererseits Organspende und Transplantation soll Transplantation betrifft, weiters die Ver- kann jede/r schon morgen ein mögli- ebenfalls dazu beitragen, das Thema in linkung zu den einzelnen Verbänden cher Empfänger sein, auch wenn die Österreich zu forcieren. „Wir wollen ge- und Gruppierungen und die Interes- Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch ist. meinsam daran arbeiten, dass noch viel sensvertretung der Transplant-Commu- „Wir bitten daher auch alle, die Aktivi- mehr Menschen durch eine Organtrans- nity gegenüber dem Gesundheits- und täten des Dachverbands Organtrans- plantation viele Jahre an lebenswertem Sozialwesen.“ Auf der Website www.or- plantierte zu unterstützen, indem sie Leben gewinnen können“, sagt Netter. gantransplantierte ist ein Überblick über sich – kostenlos und ohne weitere Ver- die Mitglieder des Dachverbands zu fin- pflichtung, auf unserer Homepage regis- den, wie der „Austrian Transplant Sports trieren. Gemeinsam sind wir stärker“, INFO & KONTAKT Federation“ (ATSF), den „Lebertrans- sagt Netter. plantierten Österreichs“, dem Österrei- Dank der Fortschritte der Medizin ist Dachverband Organtransplantierte Österreich chischen Verband der Herz- und Lun- die Lebenserwartung nach der Trans- Obere Augartenstraße 26-28/II/1.10 gentransplantierten sowie der ARGE plantation gestiegen, doch leider seien 1020 Wien Niere Österreich. die Strukturen im Gesundheits- und So- Tel. 0664/731 11 705 zialsystem nicht entsprechend mitge- [email protected] Wir alle sind betroffen wachsen, meint die Obfrau des Dachver- www.organtransplantierte.at Die Themen „Organspende und Trans- bands. Dieser setzt sich deshalb für Ver- www.greenribbon.at plantation“ können letztlich jede/n be- besserungen im medizinischen Bereich www.facebook.com/InitiativeGreenRibbon treffen. Einerseits aufgrund der gesetz- ein, in dem es unter anderem an Ange-

gesundesösterreich 41 SELBSTHILFE Burnout Nichts geht mehr.

Burnout ist ein Zustand totaler emotionaler Erschöpfung. Zuviele Österreicher/innen sind Ralph Bartel von der Selbsthilfegruppe Burnout-gefährdet. In Selbsthilfegruppen unterstützen „BOLO: Burn Out & Live On“ in Linz sich Betroffene gegenseitig. Text: Hermine Mandl

ichts geht mehr. So kann der Kör- BOLO: Burn Out & Live On erleichtern. Manche kommen ein- bis per auf andauernden großen Auch Ralph Bartel quälten vor einigen zweimal, manche jahrelang. Auch NStress im Beruf oder auch im fa- Jahren starke Schlafstörungen, sodass jene, die den Burnout überwunden miliären Bereich reagieren, ein Zustand er sich bei seinem Hausarzt Medika- haben und in der Selbsthilfegruppe der auch als „Burnout“ bezeichnet mente dagegen besorgen wollte. „Ich bleiben, sind willkommen. Als Vor- wird. Betroffene fühlen sich emotional hatte insofern Glück“, erinnert sich bilder für aktuell Betroffene. total erschöpft. Hinzu kommt, dass ihr Bartel zurück, „dass mein Arzt um- Selbstwertgefühl in Bezug auf die eige- sichtig war. Er nahm sich viel Zeit für Den Blick auf die Ressourcen richten ne Leistungsfähigkeit erheblich redu- mich und erkannte die Überforderung Maria Köllemann vom „Lebensraum ziert ist. Da es für „Burnout“ kein klar hinter den Schlafstörungen.“ Danach Bregenz“, einer Servicestelle im definiertes Krankheitsbild gibt, fehlen wurde Bartel an einer Klinik für Psy- Sozial- und Gesundheitsbereich, be- genaue Angaben über dessen Häufig- chosomatik behandelt und das war gleitet seit dem Frühjahr 2012 eben- keit. Der Österreichische Bundesver- wesentlich für seine Heilung. falls eine Burnout-Selbsthilfegruppe. band für Psychotherapie (ÖBVP) Auch die 2006 in Linz gegründete „Dabei geht es um einen Austausch schätzt jedoch, dass etwa 1,5 Millionen Selbsthilfegruppe „BOLO: Burn Out & über die eigene Situation, also um Menschen in Österreich im Alter von 14 Live On“ hat dazu beigetragen. „Hier Hilfe zur Selbsthilfe, wobei der Rah- bis 65 Jahren unter Stress leiden, drei habe ich als selbst Betroffener in men sehr familiär ist“, sagt sie. Auf Millionen unter Schlafstörungen, und schwierigen Zeiten den erforderlichen Anonymität und Vertraulichkeit wer- dass eine Million Österreicher/innen Halt und Mut gefunden, mein Leben de großer Wert gelegt. Das sei auch Burnout-gefährdet sind. neu zu gestalten“, erzählt er. Inzwi- deshalb wichtig, da für viele Menschen schen hat sich Bartel zum „diplomier- die Hemmschwelle, eine Selbsthilfe- INFO & KONTAKT ten Burnout-Prophylaxe-Trainer“ aus- gruppe aufzusuchen, sehr groß sei. bilden lassen und leitet seit 2010 ehren- Gemeinsam richten die Teilnehmer/ BOLO: Burn Out & Live On amtlich die Selbsthilfegruppe. Deren innen den Blick auf die Ressourcen, Ansprechperson: Ralph Bartel Hauptaufgabe liegt nach wie vor da- die nach wie vor vorhanden sind und Roseggerstraße 19, 4020 Linz rin, dass die Teilnehmerinnen und lernen mehr Achtsamkeit für die eige- Tel. 0650/880 97 70 Teilnehmer im Alter zwischen 25 und nen Bedürfnisse zu entwickeln. [email protected] 60 Jahren, Erfahrungen und Informa- Beide Gruppenleiter/innen sind sich www.no-burnout.at/selbsthilfegruppe tionen austauschen können. darin einig, dass Selbsthilfe letztlich Die Treffen finden wöchentlich statt. kein Ersatz für eine ärztliche Behand- SHG Burnout Einmal pro Monat gibt es Themen- lung oder auch eine Psychotherapie Ansprechperson: Maria Köllemann abende und Vorträge. „Unsere Grup- sei. Eine Selbsthilfegruppe sei viel- Clemens-Holzmeister-Gasse 2, pe ist eine bunte Mischung unter- mehr eine alltagstaugliche Ergänzung. 6900 Bregenz schiedlichster Menschen“, erzählt der „Deshalb wird den Teilnehmer/ Tel. 05574/527 00 Leiter. BOLO soll den Burnout-Betrof- innen auch immer zusätzliche profes- [email protected] fenen den oft steinigen Weg zurück in sionelle Hilfe nahegelegt,” betonten www.lebensraum-bregenz.at einen normalen, glücklicheren Alltag Bartel und Köllemann.

42 gesundesösterreich PRAXIS

Armin J. Hanschitz, Projektleiter bei der Volkshilfe Wien, Ramazan Salman, Geschäftsführer des Ethnomedizinischen Zentrums e.V. Hannover, Petra Dachs, Projektleiterin bei der Volkshilfe Wien (im Bild in der 1. Reihe von links nach rechts) und die 26 zukünftigen interkulturellen Gesundheitslots/innen. Lotsen weisen den Weg zu besserer Gesundheit

Es heißt „MiMi – Gesundheitslots/ sagen die beiden Projektleiter für und Bewegung, seelische Gesund- VOLKSHILFE-PROJEKT FÜR innen in Wien“ und soll Migrant/in- MiMi bei der Volkshilfe Wien, heit sowie Gesundheit im Alter. MIGRANT/INNEN IN WIEN nen bei Bedarf den besten Weg in Petra Dachs und Armin Hanschitz. Das Durchschnittsalter der Kurs- das Gesundheitssystem weisen. besucher/innen beträgt rund 38 Der subjektive Gesundheitszustand Ramazan Salman, Geschäftsfüh- Teilnehmer/innen Jahre. Mehr als ein Drittel sind Aka- von Migrantinnen und Migranten, rer des Ethnomedizinischen Zen- aus 13 Ländern demiker/innen. Nach erfolgreichem speziell jenen aus der Türkei und Ex- trums e.V. in Hannover, hat das 26 Teilnehmer/innen besuchen 50 Abschluss des Kurses sollen die in- Jugoslawien, ist häufig schlechter als Projekt schon vor über neun Jah- Schulungseinheiten und müssen terkulturellen Gesundheitslots/in- es jener der Bevölkerung im Durch- ren in Deutschland entwickelt und zusätzlich rund 50 Lerneinheiten nen Informationsveranstaltungen schnitt ist (siehe auch Interview auf bereits in 57 deutschen Städten aufwenden. Sie kommen aus Af- zu Gesundheitsthemen in den Seiten 28 und 29). Einer der etabliert. Er unterstützt die Volks- ghanistan, Bosnien, Griechenland, Migrant/innen-Communities orga- Gründe dafür ist, dass das österrei- hilfe bei der Umsetzung in der Bun- Indonesien, Kamerun, Kroatien, nisieren und das Erlernte in der je- chische Gesundheitssystem für vie- deshauptstadt. Der erste Schritt ist Mazedonien, Russland, Serbien, weiligen Muttersprache und in ei- le Menschen mit Migrationshinter- eine Schulung, durch die dem Sudan,Tadschikistan, der Tür- ner kultursensiblen Weise weiter- grund weniger gut zugänglich ist. Migrant/innen aus unterschied- kei und der Ukraine. In der Schu- geben. Auch ein mehrsprachiger Das hat häufig sprachliche oder kul- lichsten Ländern als „Gesundheits- lung sollen sie Grundkenntnisse Wegweiser mit Informationen zur turelle Ursachen, oder die Betroffe- lots/innen“ ausgebildet werden. über das österreichische Gesund- grundlegenden gesundheitlichen nen verfügen einfach nicht über die Diese hat Ende November begon- heitssystem erwerben und sich mit Versorgung in Österreich ist ge- notwendigen Informationen. Ein nen und war stark nachgefragt. Themen auseinandersetzen wie: plant, der den Lots/innen zur Ver- Projekt der Volkshilfe Wien und des „Wir konnten gar nicht allen Auswirkungen der Migration auf fügung stehen wird. Für ihre Arbeit Staatssekretariats für Integration Bewerberinnen und Bewerbern die Gesundheit, Prävention und werden sie eine Aufwandsentschä-

Foto: Wien Volkshilfe soll das ändern. einen Schulungsplatz anbieten“, Gesundheitsförderung, Ernährung digung erhalten.

gesundesösterreich 43 PRAXIS

Ernährung im Alter

GESUNDHEITSLAND KÄRNTEN

„Ernährung im Alter“ war das Thema der Koch-Workshops, die die aks austria-Organi- sationen heuer im Auftrag des Fonds Gesun- des Österreich veranstaltet haben. Der Verein Gesundheitsland Kärnten hat in diesem Rah- men Anfang November ein Seminar zu die- sem Thema durchgeführt. Zwölf Köchinnen und Köche aus Einrichtungen für Gemein- / Preiss Foto:APA-Fotoservice VCÖ / schaftsverpflegung in Österreichs südlichstem Anfang Oktober wurden vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) die „Mobilitätspreise“ verliehen, unter anderem auch an das „Kinderzügle“ der aks gesundheit GmbH Vorarlberg. Bundesland hatten dabei die Gelegenheit, in Theorie und Praxis zu erlernen, was eine aus- gewogene Kost für Menschen in höheren Jah- ren ausmacht. Dabei ist unter anderem zu be- Mit dem „Kinderzügle“ rücksichtigen, dass das Geschmacks- und Durstempfinden mit zunehmendem Alter ab- gesund unterwegs nehmen und der Kalorienbedarf sinkt. Der Be- darf an Nährstoffen steigt hingegen. Speziell Calcium- und Vitamin D-Mangel sind bei Se- AKS VORARLBERG niorinnen und Senioren relativ häufig. Den Teilnehmenden wurde deshalb auch vermit- „Das ,Kinderzügle’ soll gesunde Bewe- telt, wie ältere Menschen am besten – und gung zu Fuß für Vorarlberger Kinder so schmackhaftesten – mit diesen Nährstoffen früh wie möglich alltäglich machen“, sagt versorgt werden können. Nahrungsmittelun- Stephan Schirmer, Sportwissenschafter verträglichkeiten und welche Alternativen es bei der aks gesundheit GmbH in Vorarl- in solchen Fällen gibt, waren ein weiteres The- berg und Verantwortlicher für dieses Pro- ma des Workshops, bei dem die Diätologin jekt. Die Kinder werden bei eigenen Hal- Irmgard Hörmann für die wichtigsten Infor- testellen von freiwilligen und polizeilich mationen zu den Inhaltsstoffen von Lebens- geschulten „Zügleführern“ abgeholt und mitteln verantwortlich war. Gekocht wurde zu Fuß auf dem Weg in den Kindergarten dann mit der Kochbuchautorin Sieglinde Mertlitz. begleitet. Die Initiative wird von der aks ge- sundheit GmbH mit altersgerechten Mate- rialien und fachlichem Know-How unter- stützt. Der Kindergarten in Rickenbach ist einer von mehreren Vorarlberger Kindergär- ten, die das Projekt gemeinsam mit beson- ders engagierten Eltern umsetzen. Anfang Oktober wurde er dafür vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) mit einem „Mobilitäts- preis“ ausgezeichnet. Der VCÖ setzt sich als Interessenvereinigung für „ökologisch verträgliche, sozial gerechte und ökono- misch effiziente Mobilität“ ein. „Wir freuen uns über diese Auszeichnung, noch mehr aber über die vielen aktiven Kinder“, sagt Michaela Anwander, selbst Mama eines Kindergartenkindes, die sich in Rickenbach Auch in Kärnten wurde ein Koch-Workshop für gesunde Ernährung im Alter veranstaltet. für das „Kinderzügle“ engagiert.

44 gesundesösterreich PRAXIS Gesundheitsförderung am 2. Arbeitsmarkt Rainer Saurugg- Radl von der ISOP GmbH: „Das Bildungs- niveau, die Gesund- Bildung und Beschäftigung für arbeitssuchende heitschancen und die Chancen am Arbeits- und bildungsferne Menschen sind die Kernaufgaben markt stehen in einem starken Zusammen- der ISOP GmbH. Das wird durch Maßnahmen für hang zueinander.“ mehr Gesundheit ergänzt.

as Bildungsniveau, die Gesundheits- Auch Workshops chancen und die Chancen am Arbeits- zum Thema „gesunde Ernährung“ markt stehen in einem starken Zusam- D sind Bestandteil der menhang zueinander“, sagt Rainer Saurugg- von ISOP durchgeführten Radl von der ISOP (Innovative Sozialprojekte) Projekte zur Gesund- GmbH mit Sitz in Graz. Seine Einrichtung führt heitsförderung. unter anderem pro Jahr für rund 500 Men- schen in der Steiermark Maßnahmen zur Basis- bildung durch: Kurse für Lesen, Schreiben, Rech- nen und den Umgang mit einem Computer. Für all jene, die zum Beispiel Sinn erfassendes Lesen in der Schule nicht erlernt oder es wäh- rend jahrzehntelanger manueller Tätigkeit ver- lernt haben. „Fast die Hälfte aller Arbeitssuchen- den hat laut Statistiken des Arbeitsmarktservice höchstens einen Pflichtschulabschluss“, weiß Saurugg-Radl. Deutschkurse für Migrant/innen sind ein weiterer wichtiger Teil der Arbeit von ISOP. Bis Dezember 2011 hat die Nonprofit- Organisation bereits unter dem Titel „Gesund- heitskompetenz in der Basisbildung“ zwei Jah- ermark erreichen. Das sind Unternehmen, die -potenziale der Transitarbeitskräfte gefördert re lang ein vom Fonds Gesundes Österreich ge- Langzeitarbeitslosen sechs bis zwölf Monate werden. Dafür werden je zwei Module in den fördertes Projekt durchgeführt. Externe Expert/in- lang Beschäftigung und Weiterbildung ermög- Bereichen Ernährung, Bewegung, Psychoso- nen haben Workshops für Bewegung, Ernährung lichen – mit dem Ziel, dadurch auch leichter wie- ziale Gesundheit und Suchtprävention angebo- und psychosoziales Wohlbefinden für rund 250 der eine reguläre Beschäftigung am ersten Ar- ten.Themen wie „Meine Gesundheit und ich“ Teilnehmer/innen der Basisbildungskurse ab- beitsmarkt zu finden. Zwei dieser Betriebe wer- oder „Volles Korn – volle Power“ werden in je gehalten.Auch die Mitglieder des ISOP-Teams den von ISOP selbst geführt, darunter die „Plau- vier Workshop-Einheiten behandelt. „Wir be- haben zugesehen, mitgemacht und gelernt – derbar“, das ist die Kantine dieser sozialen trachten Gesundheitsförderung als Querschnitts- und haben darauf aufbauend eigene Work- Einrichtung, die auch Catering-Service anbietet. materie und haben auch ein zwanzigstündi- shops konzipiert und erfolgreich umgesetzt. Bei Ein anderes der Unternehmen repariert Fahrrä- ges Angebot zur Weiterbildung für Multiplika- einem neuen Projekt ab Jänner 2013 werden der und betreibt zusätzlich einen Radshop. Es tor/innen in den sozialökonomischen Betrie- sie nun selbst auch als Trainer und Trainerinnen soll sozialökonomische Jugendbeschäftigung ben gestaltet, also für die Schlüsselkräfte, So- für Gesundheitsförderung aktiv werden. und Qualifizierung ermöglichen und wird vom zialpädagog/innen, Personalverantwortlichen Verein „Bicycle“ in der steirischen Landes- und Geschäftsführer/innen“, betont Saurugg- Mehr Gesundheit für hauptstadt betrieben. Radl: „In diesem Sinne wollen wir nicht nur auf Transitarbeitskräfte Ab Jänner 2013 sollen bei dem vom Fonds Ge- der Verhaltensebene bei der Zielgruppe, sondern Die Initiative heißt „Gesundheitsförderung am sundes Österreich unterstützten und von ISOP auch auf der Verhältnisebene bei den Betrieben 2.Arbeitsmarkt“ und soll 250 Transitarbeitskräf- durchgeführten Projekt nun in den 13 beteilig- ansetzen.“ – Ein wichtiger Weg, um Gesund- te in sozialökonomischen Betrieben in der Stei- ten Betrieben die Gesundheitskompetenz und heitsförderung dauerhaft zu verankern.

gesundesösterreich 45 PRAXIS Eine Region lernt gesund

Die Projektleiterin Christine Schwanke (links zu sein im Bild) und Katja Racher, die gemeinsam das Beratungsunternehmen „ck gesundheitsmanagement“ Ein Projekt bringt durch mehrere Teilprojekte das Thema Gesund- betreiben. heitsförderung in Gemeinden und Kleinregionen des östlichen Weinviertels. Zudem wurde ein Leitbild zur Gesundheits- förderung für die gesamte Region erarbeitet. Text: Dietmar Schobel

napp 112.000 Einwohnerinnen in Niederösterreich. Die Abkürzung „Weinviertler Dreiländereck“. Das Pro- und Einwohner in 57 Gemeinden „LEADER“ (französisch für: Liaison jekt namens „Rundum Gsund im Wein- Kauf rund 2.000 Quadratkilome- entre actions de développement de viertel“ wird zu zwei Dritteln vom tern im Grenzraum zwischen Öster- l'économie rurale; auf deutsch: Verbin- Fonds Gesundes Österreich finanziert. reich, der Slowakei und der Tsche- dung zwischen Aktionen zur Entwick- Das restliche Drittel des Budgets chischen Republik: Das sind die Eckda- lung der ländlichen Wirtschaft) wie- stammt zu 80 Prozent aus LEADER- ten zum östlichen Weinviertel, eines derum steht für ein Förderprogramm Mitteln und zu 20 Prozent von den be- vielfältigen ländlichen Raumes, den sei- der Europäischen Union. Nach dem teiligten Kleinregionen. Das ambitio- ne Lage innerhalb des europäischen Konzept der „Lernenden Regionen“ nierte Gesamtziel ist, dass „die Region Städtedreiecks Wien-Brünn-Bratislava dient es der Entwicklung ländlicher lernen soll, gesund zu sein“. auszeichnet. Das östliche Weinviertel ist Räume und setzt dabei vor allem auf re- Wie wurde das in die Praxis umge- auch eine von 18 LEADER-Regionen gionsspezifische Strategien und die Tat- setzt? „Zunächst haben wir in jeder kraft regionaler Akteurinnen und Ak- Kleinregion die Fachleute aus Berei- INFO & KONTAKT teure. chen wie Gesundheit, Wirtschaft, Poli- tik und Bildung sowie die Bürgerin- Projektleiterin: Partizipation und Empowerment nen und Bürger zu Gesprächsrunden Christine Schwanke Das passt gut zur Idee der Gesund- eingeladen. Dabei wurde der Ist-Zu- ck gesundheitsmanagement heitsförderung und deren Grundprin- stand im Bezug auf gesundheitliche Be- Tel. 0699/114 922 92 zipien Partizipation und Empower- lange und regionale Gesundheitsför- [email protected] ment. Diese besagen bekanntlich, dass derung analysiert und Projektideen für www.rundumgsundimweinviertel.at die Bürger/innen bestmöglich daran relevante Zielgruppen wurden entwi- beteiligt werden sollen, gesundheits- ckelt“ erklärt die Projektleiterin Chris- Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ: förderliche Aktivitäten zu planen, und tine Schwanke, die gemeinsam mit Kat- Rainer Christ dass sie dazu befähigt werden sollen, ih- ja Racher das Beratungsunternehmen Tel. 01/895 04 00-21 re gesundheitlichen Potenziale auch „ck gesundheitsmanagement“ mit Sitz [email protected] nutzen zu können. In diesem Sinne in Wolkersdorf betreibt. wird denn auch in fünf der sechs Klein- Kooperationen mit: regionen der LEADER-Region östliches Zehn Kleinregionsprojekte LEADER „Lernende Regionen“, den beteiligten Weinviertel seit 2010 ein umfassendes Von den Erstrunden ausgehend wur- Kleinregionen, verschiedenen Schulen im Bezirk Projekt zur Gesundheitsförderung um- den so nicht weniger als zehn Kleinre- Mistelbach, Gemeindeverband Weinviertelklinikum gesetzt. Die beteiligten Kleinregionen, gionsprojekte initiiert – die seither auch Mistelbach, Initiative „NÖ tut gut!“, Zukunftsinitiati- die zwischen neun und 14 Gemeinden erfolgreich umgesetzt wurden. Im ve Österreich, Forum Lebensqualität Österreich + umfassen, sind das „Land um Laa“, die „Land um Laa“ war das zum Beispiel risflecting ©, Bezirksbauernkammer Mistelbach, „Leiser Berge-Mistelbach“, die „Region das Tanzprojekt „Vor, zurück und best help.at, Kulturvernetzung Weinviertel und um Wolkersdorf“, die Kleinregion rundherum“, das zwischen Jänner und zahlreichen anderen Organisationen. „Südliches Weinviertel“ und das Juni 2011 Woche für Woche „im Radl“

46 gesundesösterreich in fünf verschiedenen Gasthäusern der Region stattfand. Alle waren hier zu gesunder Bewegung zu Musik eingela- den, Jugendliche, Erwachsene und Se- nior/innen, Menschen mit Behinde- rung, allein Tanzende und Paare. „Reaktiv Walken für berufstätige Frau- en“ war das Motto eines anderen Kleinregionsprojektes. Für elf Gemein- den wurden Walking-Instruktorinnen ausgebildet, die ihr Gesundheitswissen dann in Theorie und Praxis auf loka- len Walking-Strecken an zahlreiche Teilnehmerinnen weitergaben. In der „Region um Wolkersdorf“ gab es von Herbst 2011 bis Frühjahr 2012 zum Beispiel begleitete Gesprächsrunden Im Südlichen Weinviertel wurden bei einem Kleinregionsprojekt „Nachbarschaftshelfer/innen“ ausgebildet. und Kurz-Workshops für pflegende Angehörige unter dem Titel „Burn- nahme im Rahmen des Projekts. Ex- out-Prävention“. Diese Runden wer- pert/innen und interessierte Bürger/in- den nun in Form einer „Selbsthilfe- nen waren eingeladen, in fünf themen- gruppe“ fortgeführt, die sich jeden ers- spezifischen Dialogrunden in den Be- ten Dienstag im Monat trifft. Im Süd- reichen Gesundheit & Soziales, Wirt- lichen Weinviertel wurden Senior/in- schaft , Kultur & Bildung, Tourismus & nen bei einem Kleinregionsprojekt zu Regionalentwicklung sowie Politik ge- den Bereichen „Sicherheit“ und „Ers- meinsam zu erarbeiten, was die wich- te Hilfe“ geschult. Als Nachbarschafts- tigsten „Bausteine“ sind, um Rahmen- helfer/innen können sie ihren Mitbür- bedingungen für Gesundheitsförde- ger/innen nun Tipps geben, wie der rung in der Region zu schaffen. Die Haushalt möglichst sicher gestaltet Dialogrunden mit bis zu 100 Teilneh- werden kann. Zugleich sind sie auch mer/innen brachten schließlich 30 kon- Ansprechpersonen für andere Sorgen krete Vorschläge, aus denen lokale Po- und Anliegen. litiker/innen nach einem speziell ent- wickelten Bewertungsverfahren, die gion geschaffen und bestehende Frei- Überregionale Dialogrunden zehn wichtigsten festlegten. Zu diesen zeiteinrichtungen gemeinsam erhalten Die „Weinviertler Gesundheitsdialo- Top 10 zählt nun etwa, dass Infrastruk- werden sollen. Oder dass Personen un- ge“ sind die erste überregionale Maß- tur für sportliche Aktivitäten in der Re- terstützt werden sollen, die sich für Ge- sundheitsförderung engagieren – zum Beispiel indem Räume, Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit, finanzielle Mit- tel, Ausbildungsmöglichkeiten und an- deres mehr zur Verfügung gestellt wer- den. „Bei dem Gesamtprojekt, das noch bis Ende 2013 laufen wird, war und ist uns besonders wichtig, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen sol- len und dass so die Kraft des Dialoges für Gesundheitsförderung genutzt wer- den soll“, sagt die Projektleiterin zu- sammenfassend: „Das ist gelebte Parti- zipation, dadurch entsteht hohe Betei- ligung in den Einzelprojekten und da- durch wurde begonnen, Gesundheits- Für das Kleinregionsprojekt „Reaktiv Walken für berufstätige Frauen“ wurden für elf Gemeinden förderung als wichtiges Thema in der Walking-Instruktorinnen geschult. Region fest zu verankern.“

gesundesösterreich 47 PRAXIS 81 Projekte für Die Projektleiterin Maria Pramhas von AVOS – Arbeitskreis für Vorsorgemedizin: „Die Themen ,Bewegung benachteiligte und Ernährung’ wurden sehr gut angenommen, Angebote für ,psychische Gesundheit‘ hingegen kaum.“ Menschen er durch Einkommen, Bil- In Hallein und einem Stadtteil von Salzburg wurden dungsstand, Arbeits- oder in zahlreichen Kleinprojekten Migrant/innen und WWohnsituation benachteiligt ist und wer Migrant oder Migrantin sozial benachteiligte Menschen erreicht. Text: Dietmar Schobel aus bestimmten Herkunftsländern ist, hat schlechtere Chancen auf ein gesun- des Leben. Um zu mehr gesundheit- licher Chancengerechtigkeit beizutra- konnten.“ – 92 derartige Gesundheits- werden. „Miteinander stark sein ler- gen, sollen Projekte zur Gesundheits- initiativen wurden eingereicht und nen“ nennt sich eine Frauengruppe förderung deshalb vor allem auch die- 81 davon durchgeführt. zum Thema psychische Gesundheit. se Zielgruppen erreichen. Dieses ho- Das ist eines von vielen Kleinprojek- he theoretische Ziel ist laut vielen Ex- Von Migrant/innen für Migrant/innen ten für die türkische Community in pert/innen jedoch nur schwer in die Acht der Kleinprojekte werden mit Salzburg, das von Eylem Yildiz, einer Praxis umzusetzen. Noch gibt es nur Unterstützung der beteiligten Städte, Bankangestellten, die sich für wenige Beispiele, wie dies erfolgreich von Dachverbänden oder anderen In- „Gemeinsam gesund“ engagiert hat, gelingen kann. stitutionen und Personen auch nach organisiert wurde. Es soll ebenfalls Eines davon stammt aus Salzburg. dem Ende von „Gemeinsam gesund“ fortgeführt werden. Das vom Fonds Gesundes Österreich weitergeführt. Dazu zählt das „inter- geförderte Projekt „Gemeinsam ge- kulturelle Frühstück“, an dem sich Ärzt/innen für Obdachlose sund“ wurde von Juni 2009 bis März bereits über 500 Personen beteiligt ha- Theaterprojekte für Jugendliche fan- 2012 von AVOS – Arbeitskreis für ben. Die Idee dahinter: Migrant/innen den sowohl in Hallein als auch in Vorsorgemedizin im Salzburger Stadt- aus der Türkei und aus asiatischen Schallmoos statt. Nach Projektende teil Schallmoos und in der Stadt Hal- Ländern, dem Kosovo oder auch aus konnten einige der Salzburger Jugend- lein umgesetzt, beides Lebenswelten, den USA bereiten ein Frühstück zu, zu lichen in eine im Aufbau befindliche in denen der Anteil an sozial Benach- dem alle aus der näheren Umgebung Theatergruppe im Stadtteil Lehen in- teiligten und Migrant/innen ver- im Stadtteil Schallmoos eingeladen tegriert werden. gleichsweise hoch ist. Dabei haben sind. Dafür wird ein Raum mit Koch- Im „Saftladen“ in Schallmoos wird sich drei grundlegende, einfache Stra- gelegenheit zur Verfügung gestellt – Obdachlosen Tagesbetreuung angebo- tegien bewährt. Die Projektleiterin zum Beispiel ein Tanzstudio – und ten. Sie können dort duschen, erhal- Maria Pramhas erklärt, worauf es an- ein Teil der Kosten für den Einkauf er- ten frisches Gewand und ein günsti- kommt: „Wir haben mit Institutionen stattet. Die Organisation hat Monika ges Mittagessen. Dort wurden bei dem zusammengearbeitet, die sich bereits Chavez übernommen, die aus Peru FGÖ-Projekt „Gesundheitsnachmit- für Migrant/innen oder sozial Be- stammt. tage“ abgehalten, bei denen sich die nachteiligte einsetzen und diese Ziel- In Hallein wurde bei „Gemeinsam ge- wohnungslosen Menschen mit ihren gruppen schon gut kennen. Wir haben sund“ mit dem Büro für interkulturel- gesundheitlichen Fragen und Proble- Verbindungsleute zu verschiedenen les Zusammenleben der Stadt koope- men an eine Ärztin und eine diplo- Gruppen von Migrant/innen für das riert. Hier wurden unter anderem mierte Krankenschwester wenden Projekt gewonnen. Und wir haben ei- Bewegungsworkshops für Migrantin- konnten. Daraus ist Ende 2011 eine nen Fördertopf eingerichtet, mit dem nen und für Migranten initiiert, die Arbeitsgruppe entstanden, mit dem im Rahmen des Gesamtprojektes nun mit Unterstützung aus dem Inte- Ziel, in Salzburg ein Gesundheitsnetz- Kleinprojekte unterstützt werden grationsfonds von Hallein fortgeführt werk für Obdachlose aufzubauen.

48 gesundesösterreich Mit Hilfe von zwei pensionierten praktischen Ärzten ist es mittlerwei- le gelungen, dass sich Psychiater/in- nen, praktische Ärzt/innen, Gynäko- log/innen, Zahnärzt/innen und wei- tere Mediziner/innen bereit erklärt haben, wohnungslose Menschen zu beraten und zu behandeln. Außer dem Saftladen sind nun auch die Vin- zenzstube, der Vinzibus, die esage, die Notschlafstelle für Erwachsene und der Bahnhofsozialdienst in das Gesundheitsnetzwerk für Wohnungs- lose eingebunden. Weitere Einrich- tungen sollen folgen. Auch „Gesund- Beim Abschlussfest in Hallein konnten die Gäste türkische Spezialitäten kosten. heitsbegleiter/innen“ arbeiten ehren- amtlich mit. Sie gehen mit den woh- ein „interkulturelles Gesundheitsfest“ Sprache kommuniziert werden soll“, nungslosen Menschen zu den in einem Einkaufscenter. Ein gesundes sagt Pramhas. Kinderbetreuung bei Ärzt/innen, wenn die Hürde, selb- Frühstück mit Spezialitäten aus allen Veranstaltungen war ein Erfolgsfak- ständig einen Arzt aufzusuchen, zu Kontinenten wurde serviert, in Work- tor und noch wichtiger war es, die groß ist. shops konnten Zumba, Yoga, Hip schon erwähnten Verbindungsleute Hop und serbischer Volkstanz erprobt für die Gesundheitsinitiative zu ge- Feiern zum Abschluss werden und auf der „G’sundheits- winnen, die in ihrer Gemeinschaft Die Erfolge des Projektes wurden mit bühne“ zeigten Jugendliche ein im Respekt genießen. Nachdem mit die- zahlreichen Besucher/innen im Juli Rahmen des Projekts entwickeltes sen gemeinsam Kleinprojekte entwi- 2011 in Hallein in der Hauptschule Theaterstück. ckelt worden waren, war oft schon Burgfried gefeiert. Das bunte Fest wur- Mundpropaganda ausreichend, um de von AVOS in Kooperation mit dem Aus Erfahrungen lernen diese bekannt zu machen. „Erst da- Halleiner Büro für interkulturelles Zu- Was lässt sich aus den Erfahrungen durch ist das Projekt nach Anfangs- sammenarbeiten (IKU) organisiert. lernen, die bei dem Projekt gemacht schwierigkeiten so erfolgreich gewor- Die Teilnehmer/innen konnten un- wurden? „Die Themen ,Bewegung’ den“, sagt Pramhas zusammenfas- ter anderem Bauchtanz und Yoga er- und ,Ernährung’ wurden sehr gut an- send. proben, sich an einem Mitmach-Thea- genommen, Angebote für ,psychische ter beteiligen oder vor Ort zubereite- Gesundheit‘ hingegen kaum. In vielen te türkische Spezialitäten verkosten. In Kulturen sind seelische Krankheiten Salzburg Schallmoos gab es zum Ab- tabu oder mit Angst belegt“, sagt INFO & KONTAKT schluss des Projektes im Oktober 2011 Pramhas. Zudem sollte man sich be- wusst sein, dass Migrant/innen alles Projektleiterin: andere als eine homogene Zielgrup- Maria Pramhas pe seien, sagt die Projektleiterin: „Die Tel. 0662/887588-20 Unterschiede je nach Herkunftsland [email protected] mögen offensichtlich sein, doch es gibt unabhängig davon auch nach Religi- Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ: on, Region, Alter, Geschlecht und so- Rita Kichler zialem Status sehr unterschiedliche Tel. 01/895 04 00-13 Untergruppen.“ [email protected] Jede davon sollte in der passenden Weise angesprochen werden und die Kooperationen mit: dem Land Salzburg, Öffentlichkeitsarbeit sei deshalb ge- dem Integrationsbüro der Stadt Salzburg, der nerell ein „heikles Thema“. „Wir ha- Stadtgemeinde Hallein, dem Integrationsbüro ben bei vielen Veranstaltungen be- Hallein (IKU), Kindergärten und Schulen in Hallein und Salzburg-Schallmoos, Jugendzentren, wusst auf Fotos verzichtet, und wir ha- Migrant/innenvereinen sowie Fachreferent/innen ben gelernt, dass bei Foldern und Bro- und Trainer/innen aus den Bereichen Bewegung, schüren sehr genau darauf geachtet Ernährung und psychische Gesundheit. werden muss, was, an wen, in welcher

gesundesösterreich 49 PRAXIS Beziehung ist Gesundheit Gute Vernetzung mit anderen ist ein starker gesundheitsfördernder Faktor. Auf dieser Erkenntnis baut auch ein spannendes und innovatives Projekt für sozial schwache und gesundheitlich benachteiligte Menschen in Graz auf. Text: Gabriele Vasak

insame kränkeln mehr und ster- ben früher als Menschen mit häu- Efigen und befriedigenden sozia- len Kontakten. Das ist durch zahlrei- che wissenschaftliche Studien belegt und diese Tatsache ist auch Grundla- ge eines höchst erfolgreichen, vom Fonds Gesundes Österreich mitfinan- zierten Projekts in einem sozial und gesundheitlich benachteiligten Stadt- teil von Graz an der Schnittstelle der Stadtbezirke Liebenau und Jakomini. 42,4 Prozent der Menschen haben hier nur einen Pflichtschulabschluss, im Grazer Durchschnitt sind es 26,5 Pro- zent. Und: 37,2 Prozent alleinerzie- henden Müttern stehen 25,7 Prozent im Mittel in der steirischen Landes- hauptstadt gegenüber, um nur zwei Beispiele zu nennen. „Nur das individuelle Gesundheits- verhalten ändern zu wollen, wäre hier wenig zielführend. Stattdessen haben benau in Graz den Ansatz. Das SMZ Vernetzung ist alles wir darauf gesetzt, die Beteiligung Liebenau verwirklicht in seiner Ar- Das Projekt sta.ges (Stadtteilgesundheit der Menschen an der Gestaltung ihrer beit im Setting Stadtteil bereits seit für alle) sorgte daher zunächst dafür, nächsten Wohnumgebung zu för- über 28 Jahren einen interdisziplinä- dass die Menschen besser miteinan- dern“, erklärt die Projektverantwort- ren Ansatz, der die Bereiche Medi- der vernetzt werden. Dazu wurden liche Inge Zelinka-Roitner vom Sozial- zin, Soziales und Gesundheitsförde- ihnen Multiplikator/innen zur Seite medizinischen Zentrum (SMZ) Lie- rung verbindet. gestellt, mit denen sie gemeinsam kon-

50 gesundesösterreich Das Projekt „sta.ges“ beinhaltete zahlreiche Teilprojekte für mehr Gesundheit in einem Stadtteil von Graz, in dem relativ viele sozial benachteiligte Menschen leben. krete Teilprojekte planen und durch- linka-Roitner dazu, und: „Auf das Ge- das Erwecken von echter Eigeninitia- führen konnten. Schon dabei forderten flecht von gesundheitsfördernden Be- tive bei den Projektteilnehmer/innen. einige Bewohner/innen am Grünanger ziehungen, das so geschaffen wurde, Aber meiner Meinung nach liegt die etwa, einen Garten, der ursprünglich bin ich stolz.“ Zurecht stolz ist die Pro- Aufgabe der Gesundheitsförderung zu einem Schülerhort gehörte, öffent- jektleiterin auch auf den kontinuierli- bei solchen und ähnlichen Projekten lich zugänglich und somit für die Men- chen Austausch, der im Laufe des in- ohnehin eher darin, eine gute und schen nutzbar zu machen. Die Idee tegrativ angelegten Projekts, in dem nachhaltige Basisversorgung zur Ver- wurde aufgegriffen, der Garten ver- nicht zielgruppenspezifisch, sondern fügung zu stellen und den Menschen schönert, mit Sitzgelegenheiten aus- „offen für alle“ gearbeitet wurde, zwi- jene Unterstützung zur Verfügung zu gestattet, ein Blumen- und Gemüse- schen einzelnen Zielgruppen entstand. stellen, die sie benötigen.“ Sta.ges wird beet wurde errichtet, das Gebiet wur- übrigens im Rahmen der Gemeinwe- de zum Treffpunkt und zum „Garten Beste Evaluationsergebnisse senarbeit weitergeführt: Die Koopera- für alle“. Sta.ges beinhaltete aber noch Tatsächlich ergab auch die Evaluation, tionen mit den Schulen und viele Teil- viele andere Teilprojekte wie „Walken bei der die Teilnehmer/innen unter projekte laufen erfolgreich weiter. an der Mur“, „Brunch am Grünanger“, anderem Teilprojekte beurteilen konn- die Stadtteilzeitung „Nahaufnahmen“, ten, allerbeste Daten. So bewerteten INFO & KONTAKT Kreativworkshops, „Musik für alle“, etwa alle Bewohner/innen, die am „Interkulturelles Kochen“ oder das „Brunch am Grünanger“ teilgenom- Projektleiter/innen: Kindergartenprojekt „Ganz früh“, um men hatten, die Aktivität als „sehr gut“ Gustav Mittelbach und Rainer Possert (Ärzte für nur einige der spannenden Aktivitäten oder „gut“. Oder: An den Stadtteilfes- Allgemeinmedizin und Vorstände im SMZ zu nennen, die im Laufe des Projekts, ten in der Schule nahmen insgesamt Liebenau), Inge Zelinka-Roitner (Soziologin) welches im November 2008 startete rund 1.200 Personen teil, und über Tel. 0699/180 84 375 und im Dezember 2011 abgeschlossen ebendiese Feste am Grünanger wurden [email protected] wurde, entstanden. Entscheidend für weitere rund 280 Menschen erreicht. den Erfolg der Gesundheitsinitiative Und noch eine Zahl: Mit Hilfe von Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ: war auch, dass es gelungen ist, mit be- sta.ges konnten in drei Jahren an die Verena Zeuschner sonders vielen Einrichtungen aus un- 3.000 Kontakte im benachteiligten Tel. 01/8950400-30 terschiedlichsten Sektoren zu kooperie- Stadtteil geknüpft werden. [email protected] ren: von mehrere Jugendzentren über Pfarren und Bezirksämter bis zu den Warum es so gut läuft Kooperationen mit: Jugendamt Graz Südost, Apotheken und Ärzt/innen im Stadt- Interessant sind auch einige resümie- Verein WIKI, Polizeistelle Finanz, Polizeistelle Liebe- teil und der Hauskrankenpflege. rende Gedanken der Projektleiterin. nau, Wohnungsamt der Stadt Graz, Sozialamt der So ist Inge Zelinka-Roitner etwa davon Stadt Graz, Jugendzentrum am Grünanger,Verein Beziehungsgeflecht und steter Austausch überzeugt, dass sta.ges zum einen auch Pro Health, Jugendzentrum Funtastic, Jugendzen- „Alle Interventionen verfolgten das deshalb so gut lief, weil das SMZ schon trum Dietrichskeuschn, Gärtnerei Edler, Pfarren im Ziel, die Menschen stärker in soziale seit 28 Jahren im Gebiet verankert ist, Bezirk, Bezirksämter Jakomini und Liebenau, VIVID, Schlupfhaus Graz, Apotheken und Ärzte im Stadt- Netzwerke einzubinden, denn jeman- zum anderen aber auch, weil zahlrei- teil, Hauskrankenpflege, GWS Hausverwaltung, den zu kennen, an den man sich wen- che, einzelne, hoch engagierte Perso- Verein „Große schützen Kleine“ und weiteren den kann und dem man vertraut, ist nen sich intensiv persönlich einbrach- Organisationen. per se gesundheitsfördernd“, sagt Ze- ten. „Schwierig ist hingegen wie immer

gesundesösterreich 51 PRAXIS Vom Projekt zur Institution Wie können Sozialarbeit und Gesundheitswesen vernetzt werden, um wohnungslosen Menschen bessere Leistungen zu bieten? Ein Projekt in Wien zeigt vor, was bessere Kooperation ermöglicht. Text: Sabine Fisch Die Projektleiterin Daniela Kern-Stoiber: „Wir haben es geschafft unsere Zusammenarbeit über alle hierarchischen Grenzen hinweg zu etablieren.“ Österreich, der Wiener Gebietskran- Gesundheitsförderung in der Woh- kenkasse, des Sozialministeriums und nungslosenhilfe“. Auf der Website der MA 57 wurden deshalb im Rah- www.gesundheit-wohnungslosig- nfang 2010 wurde von F.E.M., men des Projektes mehrere Vernet- keit.at gibt es dazu weitere Informa- dem Gesundheitszentrum für zungstreffen, eine umfangreiche Web- tionen. Hier wurden auch geschlosse- AFrauen, Eltern und Mädchen site, ein Newsletter und schließlich ne Internetforen eingerichtet, die von und dem Männergesundheitszentrum auch eine Fortbildungsreihe geschaf- den Teilnehmer/innen auch nach M.E.N. in Wien das Projekt „Wiener fen, die vor allem eines kann: „Wir dem Ende der Fortbildung dazu be- Plattform Gesundheit und Woh- haben es geschafft unsere Zusammen- nutzt werden können, Wissen und nungslosigkeit“ ins Leben gerufen. arbeit über alle hierarchischen Gren- Erfahrungen auszutauschen. „Unsere multidisziplinäre Zusam- zen hinweg zu etablieren“, so Kern- 2011 wurde das Projekt offiziell been- menarbeit war vor allem auch darauf Stoiber: „Zu uns kommt die Primaria, det. Die Vernetzungstätigkeit der ausgerichtet, die Sektoren Gesund- um mit dem Sozialarbeiter und der Plattform wurde auch danach fortge- heit und Wohnungslosenhilfe be- Psychologin eine bessere Kooperation führt. „Aus der Initiative zur Gesund- reichsübergreifend zu vernetzen“, bei der Arbeit mit und für wohnungs- heitsförderung ist inzwischen eine In- sagt die Projektleiterin Daniela Kern- lose Menschen zu diskutieren.“ stitution geworden, die sich aus ei- Stoiber im Interview mit Gesundes gener Kraft finanziert und auch wei- Österreich: „Und das ist geglückt.“ Fachspezifische Fortbildung terhin in der Vernetzung und der in- Gerade auch bei der Arbeit mit und Das Fortbildungsangebot das aus der tersektoralen Zusammenarbeit tätig für wohnungslose Menschen ist eine zweijährigen Vernetzungsaktivität sein will“, sagt Kern-Stoiber. enge Kooperation zwischen Gesund- der Wiener Plattform Gesundheit und Auch die weiteren Erfolge der Platt- heitssystem und Sozialarbeit wichtig. Wohnungslosigkeit entstanden ist, form können sich sehen lassen: So er- Mit Förderungen des Fonds Gesundes heißt „Werkstatt Gesundheit und scheint viermal im Jahr ein Newslet- Wohnen“. Es wurde nach einer Be- ter, der an rund 1.500 Interessierte INFO & KONTAKT fragung von 200 Plattformteilneh- versendet wird. Die Website bietet mer/innen ganz auf deren Wünsche umfassende Informationen zu Ein- Projektleiterin: ausgerichtet. Mit Hilfe von richtungen des Gesundheitssektors Daniela Kern-Stoiber Partner/innen wie der Pro Mente und der Wohnungslosenhilfe. Und Institut für Frauen- und Männergesundheit, Akademie Wien, der Fachhochschu- für Anfang 2013 ist das nächste Platt- Frauengesundheitszentrum F.E.M. le (FH) Campus Wien, dem Wiener formtreffen geplant. Es wird sich der Tel. 01/476 15-5771 Krankenanstaltenverbund, dem Psy- „Kindergesundheit in der Wohnungs- [email protected] chosozialen Dienst oder dem Fonds losenhilfe“ widmen. „Das ist ein As- Soziales Wien wird nun eine fachspe- pekt, dem bislang noch viel zu wenig Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ: zifische Möglichkeit zur Weiterbil- Aufmerksamkeit geschenkt wird“, Gerlinde Rohrauer-Näf dung angeboten, die drei Semester meint Kern-Stoiber. „Aber das Frau- Tel. 895 04 00-19 dauert. en- und das Männergesundheitszen- [email protected] Zu den Inhalten zählt zum Beispiel trum haben sich durch die Plattform das Thema „Psychiatrische Erkran- den Ruf erarbeitet, bei solchen The- Kooperationen mit: kungen und Wohnungslosigkeit“, men ,nicht um den heißen Brei he- Einrichtungen des Wiener Gesundheitswesens und der Wiener Wohnungslosenhilfe oder es gibt ein Seminar mit dem rum zu reden’, sondern an konkre- Titel „Von der Idee zum Projekt – ten Lösungen mitzuwirken.“

52 gesundesösterreich DER FGÖ IM ÜBERBLICK

KURATORIUM WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT GESCHÄFTSSTELLE

Bundesminister für Gesundheit Alois Univ.-Prof. Dr.Wolfgang Freidl, Mag.a Christa Peinhaupt, MBA Stöger, Vorsitzender des Kuratoriums Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie Leiterin des Geschäftsbereichs FGÖ Fredy Mayer, der Med. Universität Graz Mag.a Gudrun Braunegger-Kallinger erster Stellvertretender Vorsitzender des Martin Hefel, Mag. Dr. Rainer Christ Kuratoriums, Bundesministerium für Gesundheit Leitung Marketing & Kommunikation Mag.a (FH) Sandra Dürnitzhofer SL Priv.-Doz.in Dr. in Pamela Rendi-Wagner, (Fachhochschule Vorarlberg GmbH), Mag.a (FH) Marion Fichtinger MSc, zweite Stellvertretende Vorsitzende Obmann des Vorarlberger Familienverbandes Ing.in Petra Gajar des Kuratoriums, Bundesministerium für Univ.-Prof. Dr. Horst Noack, Mag.a (FH) Barbara Glasner Gesundheit em. Vorstand des Institutes für Sozialmedizin Bettina Grandits Landesrat Dr. Christian Bernhard, an der Med. Universität Graz Mag.a Rita Kichler Landeshauptleutekonferenz Univ.-Prof.in Dr. in Anita Rieder, Helga Klee Dr. in Ulrike Braumüller, Verband der Curriculum Direktorin der med. Universität Anna Krappinger, MA Versicherungsunternehmen Österreichs Wien, stellv. Vorstand des Instituts für Susanne Messnig Vizebürgermeisterin Dr.in Christiana Sozialmedizin der med. Universität Wien Mag. Markus Mikl Dolezal, Österreichischer Städtebund Ass.-Prof.in, Dr. in Petra Rust, Katharina Moore MR.in Dr. in Silvia Janik Institut für Ernährungswissenschaften Gabriele Ordo Bundesministerium für Finanzen der Universität Wien Manuela Pirker, MA Dr. Josef Kandlhofer, Hauptverband der Mag. Günter Schagerl, Mag.a (FH) Sandra Ramhapp Österreichischen Sozialversicherungsträger ASKÖ – Leiter des Referats für Fitness Mag.a Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH Abg. z. Wr. Landtag und Gesundheitsförderung Mag. Dr. Klaus Ropin Ingrid Korosec, Österreichischer Seniorenrat a.o. Univ.-Prof.in Dr. in phil. Beate Sandra Schneider Manfred Lackner, Wimmer-Puchinger, Mag.a (FH) Elisabeth Stohl Österreichischer Seniorenrat Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien Alexander Wallner Vizepräsident Dr. Harald Mayer, und Professorin am Institut für Psychologie Mag.a Dr. in Verena Zeuschner Österreichische Ärztekammer der Universität Salzburg Präsident Bürgermeister Helmut Mödlhammer, Österreichischer Gemeindebund SC Kurt Nekula, M.A., Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Stadträtin Mag.a Sonja Wehsely, Konferenz der Gesundheitsreferentinnen und Gesundheitsreferenten der Länder Präsident Mag. Max Wellan, Österreichische Apothekerkammer

GESUNDHEIT FÜR ALLE

Als die bundesweite Kontakt- Wir unterstützen in der arbeit wollen wir das Bewusst- KONTAKTINFORMATIONEN und Förderstelle für Gesund- Gesundheitsförderung sein möglichst vieler Menschen heitsförderung und Prävention • praxisorientierte und betriebli- für Gesundheitsförderung und Fonds Gesundes Österreich, wurde der Fonds Gesundes che sowie kommunale Projekte Prävention erhöhen. Außerdem ein Geschäftsbereich der Österreich 1998 aus der Taufe • Fort- und Weiterbildung unterstützen wir bestimmte Gesundheit Österreich GmbH gehoben. Und das auf der und Vernetzung sowie Aktivitäten im Bereich der Aspernbrückengasse 2 Basis eines eigenen Gesetzes – internationale Projekte. Selbsthilfe. Für all das steht uns 1020 Wien was auch international als Dazu kommen andere wichtige ein jährliches Budget von 7,25 T 01/895 04 00 vorbildlich gilt. Aufgaben: Durch Information, Millionen Euro aus öffentlichen [email protected] Aufklärung und Öffentlichkeits- Mitteln zur Verfügung. www.fgoe.org

gesundesösterreich 53 GRATIS BESTELLEN Medien des Fonds Gesundes Österreich

ERNÄHRUNGS-HOTLINE Kompetente und unabhängige Antworten zu allen Fragen rund um das Thema Ernährung 0810-810 227 Mo bis Fr 9.00-15.00 Uhr (max. 10 Cent/Minute)

Alles zu den Themen Magazin Gesundes Österreich Bewegung, Ernährung, Bietet Ihnen unabhängige, qualitätsgesicherte und Seelische Gesundheit, serviceorientierte Informationen rund um die Themen Älter werden, aktiv Gesundheit und Krankheit. bleiben sowie Gesunde Klein- und Mittelbetriebe mit wertvollen Tipps und Adressen.

Das Magazin Gesundes Österreich und alle anderen Publikationen können Sie kostenlos beim Fonds Gesundes Österreich bestellen, einem Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH. Jetzt bestellen! Einfach per Post an: Fonds Gesundes Österreich, Aspernbrückengasse 2, 1020 Wien, direkt am Telefon unter: 01/895 04 00, flott per Fax an: 01/895 04 00-20, bequem per E-Mail an: [email protected] oder gleich online unter www.fgoe.org im Bereich „Presse, Publikationen“

54 gesundesösterreich TERMINPLANER 2013

JAN,FEB , MÄRZ , APR,MAI,, JUN AUG ,OKT

ALLES WICHTIGE IM JÄNNER ,06.-07.03. ALLES WICHTIGE IM AUGUST 18. Kongress Armut und Gesundheit 24.-25.01. „Brücken bauen zwischen Wissen , und Handeln – Strategien der ,21.08. 14. Nationale Gesundheitsförderungs- „Mehr Wert durch Vielfalt: gesunde Teams Gesundheitsförderung“ Konferenz „Gesellschaftlichen Wandel und Führung“ Nationale Tagung für Berlin, Deutschland gestalten: Betriebliche Gesundheit 2013 Information: Praxisbeispiele aus Gesundheitsförderung, Universität Zürich, Schweiz www.armut-und-gesundheit.de Umwelt und Gender“ Information: Swissôtel Zürich-Oerlikon, Schweiz www.gesundheitsfoerderung.ch/ Information: www.gesundheitsfoerderung.ch ALLES WICHTIGE IM APRIL ,25.-29.08. Best Investments for Health 27.-28.01. ,25.-26.04. 21st IUHPE World Conference on Health , Jahrestagung des Verbands der Tagung „Irrsinnig weiblich – Selbstbewusstsein Promotion Ernährungswissenschafter Österreichs 2013 und psychische Gesundheit bei Frauen“ International Union for Health Promotion „Food News und Food Trends“ Wiener Rathaus und Medizinische and Education (IUHPE) und Festsaal des Bundesministeriums für Universität Wien Thai Health Promotion Foundation (ThaiHealth) Gesundheit Information: Pattaya, Thailand. Information: www.veoe.org www.frauengesundheit-wien.at/ Information: konferenz/Irrsinnig_weiblich http://www.iuhpeconference.net/en/index.php ALLES WICHTIGE IM MAI ALLES WICHTIGE IM FEBRUAR ALLES WICHTIGE IM OKTOBER ,22.-24.05. 15.-16.02. 21st International Conference on Health , Promoting Hospitals and Health Services ,03.10. „Nicht mit dir und nicht ohne dich?“ 18. Informationstag zur Betrieblichen Gothenburg, Schweden Zum Verhältnis von Theorie, Wissenschaft Gesundheitsförderung Information: und Praxis in professionellen Feldern Salzburg www.hphconferences.org/gothenburg2013 München, Deutschland Information: Information: unter www.ksfh.de im www.netzwerk-bgf.at Bereich „Weiterbildung“ unter „Fort- und Weiterbildungsangebot“ bei den „Symposien ALLES WICHTIGE IM JUNI und Tagungen“ ,15.-16.10. 2. Wirtschaftskonferenz zum ,05.-06.06. Generationen-Management Symposium des „forums ernährung heute“: ALLES WICHTIGE IM MÄRZ „Praktische Beispiele alter(n)sgerechter „Markt. Wert. Wahrnehmung – Arbeitsgestaltung“ Was ist Essen wert?“ Bregenz, Festspielhaus Information: unter www.forum-ernaeh- 05.03. Information: , rung.at im Bereich „Veranstaltungen“ Satellitenveranstaltung zum 18. Kongress www.bf-geissler.com „Armut und Gesundheit“ Ein gesundes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen ermöglichen - Strategien ,12.-13.06. Europäisches Forum für evidenzbasierte ,18.-20.10. kommunaler Gesundheitsförderung “Fit für Österreich” – Kongress Gesundheitsförderung und Prävention Technische Universität Berlin, Hauptgebäude Saalfelden EUFEP-Kongress 2013 Information: Information: „Adipositasprävention – eine (ge)wichtige www.armut-und-gesundheit.de www.fitfueroesterreich.at Herausforderung“ Kloster Und, Krems Information: www.eufep.at

gesundesösterreich 55 GOE_U4 17.12.2012 15:39 Uhr Seite 2