Libellen (Odonata) 109-145 Veröffentlichungen Naturkundemuseum Erfurt 24/2005 S
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Veröffentlichungen des Naturkundemuseums Erfurt (in Folge VERNATE) Jahr/Year: 2005 Band/Volume: 24 Autor(en)/Author(s): Bößneck [Bössneck] Ulrich Artikel/Article: Fauna des Stadtgebietes von Erfurt, Teil I: Libellen (Odonata) 109-145 Veröffentlichungen Naturkundemuseum Erfurt 24/2005 S. 109–145 Fauna des Stadtgebietes von Erfurt, Teil I: Libellen (Odonata) ULRICH BÖSSNECK, Erfurt Zusammenfassung die ihm zugänglichen unveröffentlichten Belege aus Im Rahmen einer lokalfaunistischen Bearbeitung Thüringer Museen und Privatsammlungen zu einer wurden mehr als 1500 überwiegend neuere Angaben Übersicht zum Vorkommen von Libellen in Thürin- zum Vorkommen von Libellen im Gebiet der Stadt gen zusammen (RAPP 1943). Als erste libellenkund- Erfurt zusammengefaßt und kritisch überprüft. Für liche Arbeit Thüringens mit ökologisch-lokalfaunis- insgesamt 44 Arten liegen Verbreitungskarten sowie tischem Charakter gilt die unveröffentlicht gebliebe- Anmerkungen zu Bestandsentwicklung und Ökolo- ne Bearbeitung von FALK (1956) über das mittlere gie vor. Als bedeutendster Libellen-Lebensraum im Saaletal. Stadtgebiet gelten die Tongruben bei Mittelhausen Innerhalb der heutigen Verwaltungsgrenzen der thü- (nördliches Stadtgebiet) mit Nachweisen von bis- ringischen Landeshauptstadt Erfurt wurde bis in die her 33 Arten. 1990er Jahre kaum Libellen-Faunistik betrieben. Abgesehen von Einzelangaben zu überwiegend weit Summary verbreiteten Taxa in der erwähnten Zusammenstel- The fauna of the city of Erfurt, Part I: Dragon- lung von Otto RAPP (1943) liegt nur für ein einziges flies (Odonata) Gebiet – das NSG „Alacher See“ – eine detaillier- During a local faunistic investigation 1500 new re- tere Artenliste aus früherer Zeit vor: In den Jahren cords of Dragonflies were summarized and viewed 1968 und 1969 konnte Wolfgang Zimmermann dort critical. From 44 species a distribution map and re- 16 verschiedene Libellen nachweisen (ZIMMERMANN marks to population development and ecology in the 1970 u. 1976). Ab der Mitte der 1990er Jahre setz- city area of Erfurt are given. The most important ha- te eine intensivere Geländearbeit zur Erfassung der bitat of dragonflies in the city area are the clay pits lokalen Libellenfauna ein. Allerdings wurden bis- near Mittelhausen (north part of the city) with cur- her nur für zwei Gebiete – den Standortübungsplatz rent records of 33 species. Drosselberg mit seinen zahlreichen Kleingewässern sowie die Tongruben bei Mittelhausen – Ergebnis- Key words: Fauna, Odonata, distribution, ecology, se von über mehrere Jahre geführten Untersuchun- Thuringia gen niedergelegt (BÖSSNECK 1996; KRECH, i.Pr.). In Publikationen zu einigen Schutzgebieten der Stadt Erfurt finden sich darüber hinaus kommentierte Ar- 1. Einführung tenlisten über die dort vorkommenden Libellenarten (BÖSSNECK &WEIPERT 1997,SPARMBERG &BÖSSNECK Im Unterschied zu anderen als Bioindikatoren weit- 2003, SPARMBERG et al. 2005, WEIPERT 1997, WEI- hin akzeptierten Wirbellosen-Gruppen wurden Li- PERT & BÖSSNECK 1999 u. 2001). Schließlich führ- bellen erst sehr spät als Objekte heimatkundlicher ten MAUERSBERGER & PETZOLD (1997) in einer Ar- Forschung oder faunistisch-ökologischer Untersu- beit über die Frühe Heidelibelle (Sympetrum fonsco- chungen „entdeckt“. Während für Käfer, Schmet- lombei) ebenfalls Fundorte aus dem Stadtgebiet auf. terlinge oder Mollusken bereits im 19. Jahrhundert Nahezu zeitgleich mit der vorliegenden Erfurter Lo- teils umfangreiche Lokal- und sogar Regionalfau- kalfauna ist der Verbreitungsatlas der Libellen Thü- nen aus Thüringen vorlagen, finden sich aus dieser ringens erschienen (ZIMMERMANN et al. 2005). In Zeit nur wenige Angaben zu Libellen im Schrifttum. diesem Übersichtswerk konnten die meisten Anga- Erstmalig stellte im Jahr 1943 der Erfurter Entomo- ben zu Erfurt vorab bereits berücksichtigt werden. loge Otto Rapp die verstreuten Literaturdaten sowie 109 Karte 1: Übersichtskarte zum Stadtgebiet von Erfurt 2. Untersuchungsgebiet und -methoden NN und im Westen im Bereich der Fahner Höhe et- 2.1. Naturraum und Gewässer im Gebiet der wa 350 m NN erreicht. Am Fuß und auf den flach Stadt Erfurt geneigten Ausläufern der Fahner Höhe und des Stei- ger-Drosselberg-Zeisigberg-Haarberg-Komplexes Der größte Teil des 269,1 Quadratkilometer gro- finden sich flachwellige, weitgehend von Äckern ßen Stadtgebietes von Erfurt gehört zum innerthü- bedeckte Lößmulden und -sattel. ringischen Ackerhügelland, das sich überwiegend Von Süd nach Nord durchziehen die Gera mit ih- aus Gesteinen des Keupers, untergeordnet auch des ren Nebengerinnen sowie die in der Innenstadt vom Muschelkalks aufbaut. Flach gerundete Formen und Hauptfluß abgeschlagene Schmale Gera das Stadtge- weite Muldentäler mit breiten Talauen geringen Ge- biet. In die Gera fließen im Untersuchungsraum nur fälles kennzeichnen die Landschaft, aus der einige wenige größere Bäche. Als wasserreichste tangie- Härtlingshügel aus Gipsen des Mittleren Keupers ren Apfelstädt und Wipfra die administrativen Gren- herausragen (HIEKEL et al. 2004). Das Stadtzentrum zen des südlichen Stadtgebietes von Erfurt nur peri- von Erfurt liegt unweit des Durchbruchs der Gera pher im Einmündungsbereich. Wie die Gera gehört zwischen den Höhenrücken der Fahner Höhe und auch die Gramme zum Saale-Unstrut-Elbe-Einzugs- des Steigerwaldes, der sich nach Osten zum Dros- gebiet. Neben der Gramme selbst, von der nur ein selberg-Zeisigberg-Haarberg-Komplex fortsetzt – al- kurzer Abschnitt des Oberlaufs im äußersten Osten le aus den relativ harten Gesteinen des Oberen Mu- zum Untersuchungsgebiet zählt, ist der Linderbach schelkalks bestehend. Diese Erhebungen, überwie- als wichtiger Zufluß erwähnenswert. Der gesam- gend mit artenreichen Laubmischwäldern bestockt, te Westteil von Erfurt wird von der Nesse entwäs- bilden Hügelplateaus, die zur Gera und in kleinere sert, die über die Hörsel ein Tributär der Werra ist Nebentälchen mehr oder weniger steil abfallen. In- (Karte 1). Die meisten Fließgewässer im Erfurter Ge- nerhalb des Stadtterritoriums werden im Gebiet der biet sind durch Ausbau und Begradigung weitgehend bewaldeten Muschelkalkplateaus im Osten 430 m verändert und ihrer natürlichen Dynamik beraubt. Le- 110 diglich die Gera selbst weist im südlichen Stadtgebiet lung nehmen die Kleingewässer auf dem bei Egstedt sowie sehr lokal im Norden abschnittsweise noch na- gelegenen Standortübungsplatz Drosselberg ein, der turnahe Verhältnisse auf (Abb. 1), außerdem der Wie- naturräumlich zur Ilm-Saale-Ohrdrufer (Muschel- senbach im Süden sowie der Weißbach im Norden – kalk-)Platte gehört. In flachen Geländemulden, die beides kleine Bäche des Gera-Systems. durch Verwitterungsmaterial und den militärischen In den stark anthropogen beeinflußten Bach- und Fahrbetrieb abgedichtet sind, haben sich in offener Flußauen des Erfurter Umfeldes finden sich heute Plateaulage zahlreiche Tümpel und wassergefüllte keine Altwässer oder Auentümpel mehr. Deren öko- Fahrspuren gebildet. Viele dieser Gewässer sind fast logische Funktion wurde teilweise von verschieden völlig vegetationsfrei, andere werden durch Röh- großen Kiesgruben unterschiedlicher Sukzessions- richt-Gesellschaften geprägt und neigen zum Ver- stadien vor allem im Norden von Erfurt übernom- landen (Abb. 8). Im Zuge der Umsetzung von Aus- men. Der Naßabbau mächtiger weichselkaltzeitli- gleichsmaßnahmen für den Bau der A 71 wurden auf cher Kieslagen der so genannten „Erfurter Tiefen- dem Standortübungsplatz im Jahr 2005 zahlreiche rinne“ ist hier mindestens seit Anfang des 20. Jahr- Tümpel neu angelegt, die zur weiteren Aufwertung hunderts belegt und dauert weiter an (Abb. 2). Zum des Lebensraumes beitragen. Untersuchungsgebiet gehören etwa ein Dutzend grö- Eine Übersicht zum Stadtgebiet von Erfurt ist aus ßere und zahlreiche kleinere Kiesgruben mit Grund- Karte 1 ersichtlich. wasseranschluß. An zwei Stellen – im Norden bei Mittelhausen und im Südwesten bei Bischleben – wurde Ton bzw. Lehm abgebaut. Während die klein- 2.2. Untersuchungsmethodik flächigen, heute mit Wasser gefüllten Lehmgruben bei Bischleben seit langem aufgelassen sind und sich Im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung wurden ganz überwiegend in einem weit fortgeschrittenen alle für das Gebiet der Stadt Erfurt relevanten Anga- Sukzessionsstadium zeigen (Abb. 4 u. 5), wird nörd- ben über Vorkommen von Libellen ausgewertet. Als lich des Roten Berges nahe Mittelhausen weiterhin Datenquellen dienten neben wenigen publizierten abgegraben. Im ausgedehnten Abbaugelände befin- Beobachtungen insbesondere unveröffentlichte Ex- den sich ganz verschieden strukturierte kleinere und kursionsprotokolle und zahlreiche Gutachten. Davon größere Gewässer, wovon einige durch die andau- galten viele der Beurteilung von Eingriffen in natür- ernde bergbauliche Tätigkeit ständigen Veränderun- liche Lebensräume und deren Kompensation bzw. gen unterliegen (Abb. 3). der Untersetzung der Schutzwürdigkeit ausgewähl- Aus naturräumlichen Gründen sind im Stadtgebiet ter Gebiete. Außerdem wurden durch das Umwelt- von Erfurt nur sehr wenige Teiche vorhanden. Le- und Naturschutzamt der Stadt Erfurt zwischen 1995 diglich bei Schaderode im Westen sowie bei Win- und 2002 einige Spezialkartierungen aquatischer Or- dischholzhausen, Dittelstedt und Vieselbach/Hoch- ganismen (darunter auch Libellen) in Auftrag gege- stedt im Südosten und Osten sind kleinere Teiche ben. Die wenigen vorhandenen Sammlungsbelege bzw. Teichgruppen