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ISEK 2030 Integriertes Stadtentwicklungskonzept Teil 1

4 Beiträge zur Stadtentwicklung

ISEK Erfurt 2030 Integriertes Stadtentwicklungskonzept Teil 1

Inhalt Teil 1

Zum Geleit 2 1 Einführung – Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung 7 1.1 Die Stadt Erfurt in Veränderung 8 1.2 Fortschreibung ISEK Erfurt 11 1.3 Arbeitsformate und Prozessablauf 12 1.4 Aufbau des ISEK Erfurt 2030 14 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel I Veränderte Rahmenbedingungen 17 2.1 Rolle in der Stadtregion und regionale Verflechtung 18 2.2 Demografische Situation und Perspektive 21 2.3 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur 29 2.4 Wohnen und Wohnbedarfsprognose 37 2.5 Wirtschaft, Beschäftigung, Handel 60 2.6 Soziales Miteinander, Daseinsvorsorge, Kultur und Sport 71 2.7 Bildung und Wissenschaft 89 2.8 Landschaft und Freiraum 102 2.9 Mobilität und technische Infrastrukturen 114 2.10 Ordnung und städtische Sicherheitsinfrastrukturen 124 2.11 Konsequenzen und Aufgabenfelder für die Stadtentwicklung 128 3 Handlungsfelder – Ziele der Stadtentwicklung 133 3.1 Handlungsfeld Wirtschaft, Arbeit, Handel 134 3.2 Handlungsfeld Bildung 136 3.3 Handlungsfeld Mobilität, Verkehr 138 3.4 Handlungsfeld Wohnen 140 3.5 Handlungsfeld Freiraum, Natur und Freizeit 142 3.6 Handlungsfeld Kultur 144 3.7 Handlungsfeld Sport 146 3.8 Handlungsfeld Ortsteile 148 3.9 Handlungsfeld Soziale Infrastruktur 150 3.10 Handlungsfeld Generationengerechte Stadt 152 3.11 Handlungsfeld Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz 154 3.12 Handlungsfeld Tourismus und Stadtmarketing 156 3.13 Handlungsfeld Ordnung und Sicherheit 158 Verzeichnisse 163

Inhalt Teil 2

4 Leitbild – Positionen der Stadtentwicklung Erfurt 2030 5 Strategie – Konzeptbausteine 6 Programmatik – Förderprogramme ISEK Erfurt 2030

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Erfurterinnen und Erfurter,

Erfurt wächst, und es wächst stetig weiter. Zum 31. Oktober 2018 lebten insgesamt 214.130 Men- schen mit Hauptwohnsitz und damit genau 1.219 Erfurterinnen und Erfurter mehr in unserer Stadt als noch ein Jahr zuvor.

Das ist ein gutes Zeichen – aber was bedeutet solch ein Wachstum eigentlich für die Stadt? Welche Folgen hat das, welche neuen Chancen und Mög- lichkeiten eröffnen sich, aber auch: Welche neuen Konflikte und Probleme treten auf? Welche zusätz- lichen Belastungen müssen getragen werden? Wie und wo organisiert die Stadt überhaupt ihr künfti- ges Wachstum? Auf all dies muss ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept Antworten bereithal- ten.

Als vor zehn Jahren das vorangegangene Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK 2020) beschlossen wurde, hatte Erfurt gerade erst einen schmerzhaf- ten Schrumpfungsprozess hinter sich. Noch ganz im Eindruck der zurückliegenden Stadtumbau- phase hatte das vorherige ISEK immerhin schon einen deutlich optimistischeren Entwicklungskor- ridor für den Zeitraum bis 2020 dargestellt. Mutig wurde damals von einer nur noch leicht negativen Bevölkerungsentwicklung ausgegangen, die sich vielleicht sogar für einige Jahre in eine fast stabile Entwicklung umsteuern ließe.

Kaum zwei Jahre später zeichnete sich bundesweit ein grundlegender Trendwechsel „zurück in die Städte“ ab. Insbesondere in den attraktiven Groß- städten mit Hochschulen stellten sich erhebliche Bevölkerungszuwächse ein. Diese Entwicklung setzt sich bis auf Weiteres mit hoher Dynamik fort, vor allem natürlich in großen Metropolen wie , , München, Leipzig oder Frankfurt, aber auch in vielen anderen Städten.

Auch in Erfurt liegt heute die tatsächliche Einwoh- nerzahl knapp 30.000 Personen über dem Wert, den das damalige ISEK für 2018 angenommen hatte! Das ist eine Abweichung um nicht weniger als eine komplette Mittelstadt wie beispielsweise Arnstadt oder Ilmenau. Zum Geleit 3

Doch Wachstum will gut geplant sein. Schließ- Hier gilt es, einen sachgerechten, zukunftsfähigen lich soll die Stadt nicht ungesteuert irgendwie Ausgleich zu schaffen und die Belange unter- und wachsen, sondern möglichst so, dass es für alle gegeneinander gerecht abzuwägen. Denn Stadt- Menschen eine für sie passende Wohnung gibt, entwicklung und Stadtplanung sind immer ein von der sie fußläufig ihren Einkauf machen können, komplizierter Aushandlungsprozess. Auch wenn dass es einen guten öffentlichen Nahverkehr gibt, bei jedem Baugebiet und jeder Planung die Dinge für die Kinder ausreichend Plätze in neuen Schulen immer anders liegen, ist doch offensichtlich, und Kindertagesstätten, einen grünen Stadtteil- dass es für die großen Leitlinien und Ziele einen park in der Nähe und ein angenehmes, sicheres gemeinsamen Grundkonsens in der Stadtgesell- Wohnumfeld. Möglichst ruhig sollte es sein, viel schaft geben muss, nach dem sich die Stadt weiter Platz für Fahrräder geben, möglichst autoarm entwickeln soll. Und es ist auch klar, dass sich diese sein, aber doch für jeden einen sicheren Stellplatz Fragen gerade in den wachsenden Städten noch garantieren. Der Weg zu den Arbeitsstätten sollte viel eindringlicher stellen. Diesen gemeinsamen möglichst kurz sein, am besten gleich im Quartier, Grundkonsens der Stadtgesellschaft herzustellen, ein paar fußläufig erreichbare Gaststätten wären ist die wichtigste Aufgabe des vorliegenden Inte- schön, auch ein Areal mit Freiräumen für spontane grierten Stadtentwicklungskonzepts. Kreativität und selbstorganisierte Projekte der Be- wohner. Mit dem Wachstum der Stadt geht auch eine er- hebliche Eigendynamik auf dem Immobilien- und Nachhaltig muss es natürlich sein, ressourcenspa- Wohnungsmarkt einher. Fast alle der vor zehn Jah- rend und anpassungsfähig für den Klimawandel, ren noch als unsanierbar geltenden Wohnhäuser in damit die Gebiete auch bei extremen Klima- und den Gründerzeitquartieren sind inzwischen saniert Wettersituationen noch ein angenehmes Leben und bewohnt. Leerstände gibt es kaum noch, die ermöglichen. Dafür müssen alle Kaltluftschneisen Neubautätigkeit hat erheblich zugenommen, der frei bleiben, und es soll möglichst auch kein neuer Erfurter Wohnungsmarkt ist heute voll funktions- Boden versiegelt werden, vor allem dürfen die fähig und intakt, in manchen Angebotssegmenten wertvollen Ackerböden im Erfurter Stadtgebiet zeichnet sich eine deutliche Verknappung ab. nicht zerstört werden. Selbstverständlich, dass alle alten Bäume erhalten bleiben müssen. Bezahlbar Die Jahr für Jahr hinzukommende Wohnungsnach- soll die wachsende Stadt natürlich auch noch sein, frage von 800 bis 900 Wohnungen muss folglich am besten mit so preiswerten Mieten, wie wir sie durch entsprechenden Wohnungsneubau gedeckt aus der Zeit der großen Leerstände noch kennen. werden. Auf vielen innerstädtischen Brach- und Andernfalls müssen der Staat oder die Stadt eben Konversionsflächen sind bereits neue Wohnungs- das preiswerte Wohnen subventionieren. bauvorhaben umgesetzt worden oder in Bau, für fast alle verbliebenen sind neue Projekte in So oder so ähnlich liest sich manch ein Wunsch- Planung. Diese Flächenreserven sind in weni- zettel für die Quartiersplanung, und keine dieser gen Jahren absehbar erschöpft. Hieraus entsteht Forderungen ist für sich gesehen unberechtigt oder zwangsläufig ein Entwicklungsdruck auf neue, bis- falsch. Aber es liegt auf der Hand, dass nicht alle her unbebaute Flächen im Stadtgebiet. diese Wünsche miteinander vereinbar sind und in Erfüllung gehen können. Denn dahinter stehen Das vorliegende ISEK 2030 muss auch hierauf lang- zahlreiche harte Konflikte und Konkurrenzen um fristige strategische Antworten geben. Denn die Flächen, Grundstückswerte, Nutzungen, tatsächli- planerische und erschließungsseitige Vorbereitung che oder beanspruchte Vorrechte und nicht zuletzt der Baugebiete ab Mitte der 2020er Jahre muss um öffentliche Mittel. jetzt anlaufen, um keine weitere Verschärfung des Wohnungsmarkts zu riskieren. 4 ISEK Erfurt 2030

Zugleich verändert sich die Welt in rasender Ge- Siedlungs- und Nutzungsstrukturen so fortentwi- schwindigkeit: Klimaveränderung, Globalisierung ckelt werden können, dass für das Bevölkerungs- und die zunehmende Digitalisierung des Alltags- wachstum mit seinen Ansprüchen an Wohnraum, lebens, aber auch immer komplexere ethnische Mobilität, Versorgung, Bildung, Kultur und Freizeit und religiöse Konflikte wirken sich immer stärker der notwendige Entwicklungsrahmen bereitge- unmittelbar auf das Zusammenleben in unserer stellt werden kann. Stadt aus. In diesem Kontext möchte das ISEK nachhaltige Handlungsoptionen anbieten, um der Viele Flächen für mögliche Siedlungserweiterun- Stadtgesellschaft möglichst lebenswerte Zukunfts- gen dienen heute noch anderen wirtschaftlichen perspektiven zu erschließen. Verwertungsinteressen, vielfach werden sie in An- betracht der hervorragenden Böden rund um Erfurt Dabei überlagern sich auch vor Ort ganz verschie- landwirtschaftlich genutzt. Zugleich erfüllen sie dene Entwicklungen und Erfordernisse mit unter- häufig wichtige ökologische und stadtklimatische schiedlicher räumlicher, zeitlicher und sozialer Funktionen, die für eine nachhaltige Stadtentwick- Dimension: Der demografische und gesellschaft- lung in Zeiten des Klimawandels und der Klima- liche Wandel, tiefgreifende Veränderungen in den anpassung von elementarer Bedeutung sind. privaten Lebensentwürfen und Lebensstilen, im Mobilitätsverhalten, aber auch der Wandel der Umgekehrt muss die Zielstellung der Stadt darin Arbeitswelten und Informationstechniken sind liegen, hinreichend Flächen für den Wohnungsbau weitere Faktoren, die die Entwicklung der Städte und neue Arbeitsplätze bereitzustellen und gleich- verändern werden. zeitig gemäß dem Leitbild der kompakten Europäi- schen Stadt die Zersiedelung im Übergangsbereich Von herausragender Bedeutung ist die neue zen- in die Landschaft so gering wie möglich zu halten trale Lage Erfurts im Hochgeschwindigkeitsnetz und sparsam mit Grund und Boden umzugehen. der Bahn. Damit eröffnen sich große Zukunfts- chancen für die Landeshauptstadt. Unsere neuen Parallel zu den notwendigen Siedlungserweite- Nachbarn Leipzig, Halle, Nürnberg und Erlangen rungen müssen aber auch die zugehörigen neuen sind aber nicht nur lohnende Ausflugsziele und Freizeit- und Naherholungsräume sowie die Aus- zusätzliche Besucherpotenziale, sondern sie stellen gleichsflächen für die neuen Quartiere hergestellt auch harte Konkurrenten im Wettbewerb um An- und strukturell in die Stadt eingebunden werden. siedlungen, Arbeitsplätze, Einwohner, Kaufkraft Ihre weitere Qualifizierung und langfristige Si- und Wohnraum dar, auf die sich die Stadt schnell cherung in Bestand und Qualität trägt wesentlich und effektiv einstellen muss. zur Gewährleistung der Lebensqualität in unserer Stadt bei. Zwangläufig auftretende Konflikte durch Im Ergebnis all dieser Anforderungen ergeben Konkurrenzen zwischen Siedlungsbedarf und ande- sich grundlegend neue Rahmenbedingungen für ren, schützenswerten Nutzungen, insbesondere mit die Stadt mit deutlichen Auswirkungen auf die rechtlich vielfach kaum überwindbaren stadtklima- vom Stadtrat beschlossenen Handlungsfelder der tischen, naturräumlichen und umweltrechtlichen Stadtentwicklung. Vor allem braucht die Stadt ein Anforderungen, müssen dabei genau untersucht Grundgerüst aus räumlichen „Korsettstangen“ für und bewertet werden. eine mittel- und längerfristige Stadtentwicklung, an denen entlang sie ihr weiteres Wachstum orga- Im Ergebnis sind im ISEK 2030 mögliche „Such- nisieren kann. räume“ für neue Wohnungsbau- oder Gewerbe- flächenentwicklungen definiert worden, innerhalb Hierfür hat das vorliegende ISEK ein räumliches derer die tatsächlich geeigneten Flächen für eine Leitbild aufgestellt, mit dem die überkommenen bauliche Entwicklung identifiziert werden können. Zum Geleit 5

Aufbauend auf den positiven Erfahrungen aus bis- Auf dieser Grundlage gilt es nun, die anstehenden herigen ISEK-Erarbeitungen wurde das ISEK 2030 konkreten Aufgaben im Alltagsgeschehen Schritt in einem mehrstufigen, dialogorientierten und ko- für Schritt umzusetzen. Hierfür hoffen wir ganz operativen Prozess entwickelt. Somit ist es in den persönlich auch auf Ihr Interesse und Ihre Mit- vergangenen Jahren gelungen, ein völlig neues ISEK wirkung an der gemeinsamen Weiterentwicklung für die Landeshauptstadt Erfurt in Kooperation von unserer Stadt. Stadtpolitik, Stadtverwaltung, Vereinen, Verbän- den und Interessengruppen, ansässigen Unterneh- Andreas Bausewein men und natürlich den Bürgerinnen und Bürgern zu Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt erarbeiten. Beteiligung und Dialog zwischen allen Beteiligten während des gesamten Entstehungs- Alexander Hilge prozesses haben zu einer hohen und breiten Ak- Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, zeptanz der Ergebnisse bei allen Akteuren geführt. Verkehr und Liegenschaften Der Erfurter Stadtrat hat sich zum Abschluss dieses intensiven Prozesses ohne eine einzige Gegenstim- Paul Börsch me zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und 2030 bekannt. Stadtplanung

Das Resultat dieser überaus konstruktiven Zusam- menarbeit halten Sie mit dem ISEK 2030 in Ihren Händen. Zur leichteren Lesbarkeit ist die Broschüre in zwei Teile gegliedert worden:

Teil 1 beinhaltet eine Zusammenfassung zum Fortschreibungsprozess des ISEK, die veränderten Rahmenbedingungen der Landeshauptstadt Erfurt im Wandel sowie die gesamtstädtischen Ziele der Stadtentwicklung in nunmehr 13 Handlungs- feldern. Auf Basis dieser Handlungsfelder, welche vom Erfurter Stadtrat im Oktober 2017 beschlossen wurden, erfolgte die weitere Fortschreibung des ISEK.

Teil 2 umfasst die einzelnen thematischen Erarbei- tungen auf Basis der Handlungsfelder. Neben dem gesamtstädtischen Leitbild für die Erfurter Stadt- entwicklung beinhaltet dieser Band unter anderem Entwicklungsstrategien in den sechs Konzeptbau- steinen Wirtschaft und Innovation; Wohnen und Städtebau; Soziale Infrastruktur, Teilhabe und Daseinsvorsorge; Stadt- und Freizeitlandschaft; Mobilität, Klima und Energie sowie Zentrenfunk- tion, Stadt- und Ortsteile.

7 1 Einführung Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung

Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept – kurz ten Ziele, Umsetzungsstrategien und Maßnahmen ISEK – benennt die zentralen Leitlinien der Stadt- so angelegt sind, dass die Stadt Erfurt auch über entwicklung und nimmt die Themen, Stadträume 2030 hinaus über hohe Lebens-, Arbeits- und Auf- und Maßnahmen in den Fokus, die von besonderer enthaltsqualitäten verfügt und die dafür erforderli- strategischer Bedeutung für die Gestaltung der chen Infrastrukturen bereit gestellt werden können. Landeshauptstadt und für ein funktionierendes Zu- sammenleben in Erfurt sind. Die Inhalte des Konzeptes wurden in einem vielsei- tigen Prozess gemeinsam von der Erfurter Stadt- Der Titel „ISEK Erfurt 2030“ verweist bereits auf die politik, Stadtverwaltung, zahlreichen Akteuren und Ausrichtung des Konzeptes auf den Planungszeit- Partnern der Stadtgesellschaft sowie den Bürgerin- raum 2030. Dies bedeutet, dass die im ISEK definier- nen und Bürgern erarbeitet.

Mit dem ISEK 2030 liegt nunmehr ein umfang- seitdem als informelle planerische Rahmensetzung reiches Planungsinstrument vor, das sowohl die für die Stadtentwicklung hervorragend bewährt. Grundlage für ein abgestimmtes Handeln bei So konnten in den seither vergangenen zehn Jahren der Planung und Realisierung von Maßnahmen zahlreiche vor allem inhaltliche Zielsetzungen als auch bei der Bewilligung von Finanzierungs- umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht mitteln bietet. Mit der Erstellung dieses Entwick- werden. lungskonzeptes im Zeitraum 2015 bis 2018 fing die Landeshauptstadt jedoch nicht bei „Null“ an. Der Mit dem durch den Stadtrat am 17. Oktober 2018 Vorgänger, das Integrierte Stadtentwicklungskon- beschlossenen ISEK Erfurt 2030 liegt nun die Fort- zept Erfurt 2020, wurde am 29. Oktober 2008 vom schreibung dieses Konzeptes vor. Stadtrat einstimmig beschlossen und hatte sich

Foto 1 (Seite 6): Stadtverwaltung Erfurt 8 ISEK Erfurt 2030

1.1 Die Stadt Erfurt in Veränderung

Das ISEK 2020 griff vordringlich konkrete Hand- nerzahlen nur noch von künftig leicht negativen lungserfordernisse in einem breiten Spektrum der Einwohnerentwicklungen ausging. Stadtentwicklung auf, integrierte sie in einem strategischen und handlungsorientierten Konzept Inzwischen haben sich die Trends zu den Rah- und formulierte dabei inhaltliche Grundaussagen menbedingungen der Stadtentwicklung in Erfurt zu verschiedenen sektoralen Themenbereichen. Im jedoch sehr viel grundlegender verändert: Rahmen der Leitsätze und der daraus abgeleiteten strategischen Projekte wurden diese konkretisiert Dass sich bereits 2009/2010 bundesweit ein Trend- und teils dezidierte Aussagen zur Umsetzung ge- wechsel einstellen würde, der insbesondere in den troffen. attraktiven Städten mit Hochschulstandorten zu erheblichen, kontinuierlichen Bevölkerungszu- Die damals gesetzten Entwicklungsziele mit den wächsen führen würde, war 2008 genau so wenig Handlungsfeldern, Konzeptbausteinen, Leitsätzen abzusehen wie die inzwischen erhebliche Dynamik und strategischen Projekten stellten somit einen auf dem Immobilien- und Wohnungsmarkt, die vor allem inhaltlichen Orientierungsrahmen für die mittlerweile vollkommen neue Anforderungen an Entwicklung der Stadt dar. Sie wurden aus vertief- die räumliche Planung stellt. So liegt die Einwoh- ten Analysen und einer Verständigung mit Betei- nerzahl von Erfurt bei einem durchschnittlichen ligten und Akteuren des ISEK-Prozesses wie Politik, Bevölkerungszuwachs von ca. 1.500 Einwohnern pro Öffentlichkeit und Verwaltung hergeleitet. Jahr heute bereits etwa 29.500 Personen über der angenommenen Mittelvariante für das Prognose- Entsprechend des integrierten und langfristigen jahr 2020 aus dem ISEK 2020. Ansatzes betrachtete das ISEK 2020 vorwiegend die Gesamtstadt und die Stadtregion Erfurt. Damit Infolgedessen sind die Leerstandsquoten in allen fand erfolgreich eine Profilierung mit geeigne- Bau- und Wohnungstypen auf sehr niedrige Werte ten Aktivitäten, Maßnahmen und Projekten als abgesunken. Ein erheblicher Teil der 2008 noch zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort mit hoher als unsanierbar geltenden Wohnhäuser in den Anziehungskraft und Ausstrahlung und guten Gründerzeitquartieren ist inzwischen saniert oder Lebensqualitäten in der Region, in Thüringen und in Sanierung und auch die Neubautätigkeit hat in einem veränderten deutschen und europäischen erheblich zugenommen. Zugleich haben sich die Städtesystem statt. Marktsegmente stark verändert. War 2008 noch ein Großteil der Neubauten Einfamilienhäuser, wird Die räumlichen Entwicklungsvorstellungen der das Neubaugeschehen heute überwiegend vom Landeshauptstadt Erfurt waren 2008 – noch ganz barrierearmen Geschosswohnungsbau in inner- im Eindruck des zurückliegenden Schrumpfungs- städtischen Lagen geprägt. prozesses und einer im günstigsten Fall stabilen Entwicklungsperspektive geschuldet – hingegen Nachdem vor 2008 kaum eine Entwicklung auf den nur rudimentär und holzschnittartig betrachtet innerstädtischen Brachflächen zu verzeichnen war worden. Die wenigen großräumigen Entwicklungs- (erinnert sei an die Initiative „Genial zentral“ des ziele waren zum damaligen Zeitpunkt eher auf eine Landes), sind heute auf einem Großteil der inner- Konsolidierung und geordnete Restrukturierung städtischen Brachflächen neue Wohnungsbauvor- ausgerichtet. haben in Vorbereitung, Planung oder Realisierung.

Trotz in der Vergangenheit stark rückläufiger Bevöl- Standen bislang infolge des Strukturwandels nach kerungsprognosen von Bund, Land und Stadt hatte 1990 in großem Umfang geeignete Brach- und das ISEK 2020 immerhin bereits einen deutlich Konversionsflächen in der Stadt für derartige Ent- optimistischeren Entwicklungskorridor dargestellt, wicklungen zur Verfügung, werden diese Flächenre- der in Anbetracht damals bereits stabiler Einwoh- serven in wenigen Jahren absehbar entwickelt, also Kapitel 1 Einführung | Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung 9

erschöpft sein. Verstetigt sich die aktuelle positive Weitere Entwicklungen wie der fortschreitende Entwicklungsdynamik und wird die Nachfrage demografische und gesellschaftliche Wandel, nach Flächen für Gewerbe und insbesondere auch grundlegende Veränderungen in den Lebensent- für den Wohnungsbau weiter anhalten, entsteht würfen und Lebensstilen, im Mobilitätsverhalten, zwangsläufig ein Entwicklungsdruck auf neue, bis- in Arbeitsprozessen und Informationstechniken her unbebaute Flächen im Stadtgebiet. stellen die Landeshauptstadt vor zusätzliche Her- ausforderungen. Diese Flächen werden in Anbetracht der hervor- ragenden Böden rund um Erfurt landwirtschaft- Mit der vollständigen Einbindung des ICE-Knotens lich genutzt. Zugleich erfüllen sie häufig wichtige Erfurt in das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn stadtklimatische Funktionen, die für eine nachhal- im Dezember 2017 haben sich die Raumwider- tige Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels stände grundlegend geändert: Erfurt rückt eng mit und der Klimaanpassung von hoher Bedeutung Halle, Leipzig und Berlin im Nordosten, sowie Bam- sind. berg, Erlangen, Nürnberg und München im Süden zusammen. Diese hochattraktiven Metropolregio- Umgekehrt muss die Zielstellung der Stadt darin nen sind nicht nur interessante Besucherpotenziale liegen, hinreichend Flächen für den Wohnungsbau und lohnende Ausflugsziele, sie stellen auch harte und neue Arbeitsplätze bereitzustellen und gleich- Konkurrenten dar, auf die sich die Stadt schnell zeitig gemäß dem Leitbild der kompakten Europäi- und effektiv einstellen muss. schen Stadt die Zersiedelung im Übergangsbereich in die Landschaft so gering wie möglich zu halten Zugleich ist zu erwarten, dass die Rahmenbedin- und sparsam mit Grund und Boden umzugehen. gungen, unter denen die Stadtentwicklung in Hinzu kommt ein wachsender Flächenbedarf für Erfurt stattfinden wird, in immer stärkerem Maße Naherholung und Freizeitnutzungen in der wach- auch von externen, europäischen oder globalen senden Stadt. Die Konfliktpotenziale sind an dieser Entwicklungen beeinflusst werden, die nicht selten Stelle offensichtlich. weitgehend unberechenbar ablaufen. Die zurück-

Foto 2: Stadtverwaltung Erfurt 10 ISEK Erfurt 2030

liegende Finanzkrise im Euro-Raum oder der starke können. Damit wird deutlich, dass Wachstum und Zuzug von Flüchtlingen 2015/2016 sind hierfür ein- Schrumpfung künftig mehr denn je als Variablen drucksvolle Beispiele. zu betrachten sind, auf die sich eine Stadtstruktur einstellen können muss. In Anbetracht von Klimawandel, Ressourcenver- knappung, Globalisierung von Wirtschafts- und Anders gesagt: Je besser eine Stadt entlang klarer Finanzströmen, aber auch angesichts immer struktureller, räumlicher Vorgaben und Leitlinien komplexerer weltwirtschaftlicher, ethnischer, reli- wirklich nachhaltig wachsen oder bei Bedarf auch giöser und anderer Konflikte werden sich exogene zu geringen Folgekosten wieder schrumpfen kann, Einflussfaktoren immer stärker unmittelbar auf die desto erfolgreicher wird sie sich im internationalen Stadtentwicklung auch von Erfurt auswirken. Wettbewerb der Städte behaupten können.

Daher muss die Stadt immer in der Lage sein, auf jederzeit mögliche, neue Trendbrüche reagieren zu

Foto 3: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 1 Einführung | Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung 11

1.2 Fortschreibung ISEK Erfurt

Mit Blick auf diese veränderten Rahmenbedingun- zukunftsfähige Entwicklung der Stadtstruktur ge- gen, neu auf die Agenda gerückte Themen sowie währleisten soll. die im ISEK 2020 zunächst zurückgestellte Ausein- andersetzung mit der räumlichen Entwicklung des Darüber hinaus erfolgte eine kritische Prüfung der Stadt-, Siedlungs- und Naturraumgefüges wird die 2008 aufgestellten Ziele. Dies geschah sowohl mit Notwendigkeit einer grundlegenden Fortschrei- der Unterstützung einer breit aufgestellten Bürger- bung des ISEK deutlich. beteiligung zu den grundlegenden Fragestellungen als auch im Zuge einer intensiven Arbeit in ämter- Vor allem ergeben sich durch teilweise grund- und fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppen. legend neue Rahmenbedingungen massive Aus- wirkungen auf die vom Stadtrat beschlossenen Als Grundlage für die Neufassung der thesenarti- Handlungsfelder des ISEK 2020. Die veränderte gen „Handlungsfelder“ dienten die Formulierungen Situation verlangt nicht nur die Ausbildung neuer des ISEK Erfurt aus dem Jahr 2008. Sämtliche darin strategischer Projekte und eine weitere Profilie- enthaltenen Aspekte wurden geprüft, ob sie rung der Stadt und des Wirtschaftsstandortes, sondern vor allem ein Grundgerüst aus räumlichen weiterhin wichtig sind und Bestand haben Leitlinien für eine mittel- und längerfristige Stadt- und damit im gleichen Wortlaut in das neue entwicklung. ISEK aufgenommen werden können,

Aus diesen Gründen erfolgte am 3. September 2014 aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Verän- durch den Stadtrat der Landeshauptstadt Erfurt derungen und Trendwechsel im Wortlaut ge- der Beschluss zur Fortschreibung des ISEK. Diese ändert bzw. angepasst werden müssen oder beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit der übergeordneten stadträumlichen Nutzungsvertei- komplett gestrichen werden können, da die lung. formulierten Ziele entweder bereits erreicht worden sind oder die Zielformulierung inzwi- Zwangläufig entstehende Konflikte durch neue schen überholt und unzutreffend ist. Konkurrenzen zu Flächen mit anderen, schützens- werten Nutzungen mit rechtlich vielfach kaum Schließlich erfolgten im Zuge der Fortschreibung überwindbaren stadtklimatischen, naturräum- die Definition neuer strategischer Ziele und Projek- lichen und umweltrechtlichen Anforderungen te sowie die Erarbeitung zusätzlicher Konzeptbau- wurden untersucht und verarbeitet. steine.

In der Folge wurde ein gesamtstädtisches räum- liches Konzept erstellt, das eine ausgeglichene, 12 ISEK Erfurt 2030

1.3 Arbeitsformate und Prozessablauf

Arbeits- und Abstimmungsformate Abstimmung mit der Stadtpolitik Der Arbeitsprozess war von Anbeginn so konzipiert, Parallel dazu wurde frühzeitig mit der „AG Frak- dass neben der fachlichen Analyse von Datengrund- tionen“ ein aus dem zurückliegenden ISEK-Prozess lagen und zahlreichen bereits vorliegenden Kon- bewährtes Beteiligungsformat wieder eingerichtet, zeptionen zu wichtigen Teilaspekten das Wissen um den ISEK-Prozess von Anfang an gemeinsam mit vieler Akteure der Stadtentwicklung, zahlreicher Vertretern aller Fraktionen des Stadtrats kontinu- Bürgerinnen und Bürger, die sich am Prozess betei- ierlich abzustimmen. Dieses Format hat sich erneut ligt haben, sowie das Fachwissen der Verwaltung in hervorragender Weise bewährt und ganz maß- in die Konzepterarbeitung eingeflossen sind. geblich dazu beigetragen, die gemeinschaftlich von der Kommunalpolitik verfolgten längerfristi- Am Beginn des Arbeitsprozesses stand zunächst gen Entwicklungsperspektiven in den ISEK-Prozess eine kritische Bewertung der Zielsetzungen des zu integrieren. Die im Kreis der AG Fraktionen ISEK 2020. Parallel zur schrittweisen Aktualisie- gemeinsam weiterentwickelten und abgestimmten rung der Handlungsfelder folgte seit 2015 eine ein- Handlungsfelder wurden bereits im Oktober 2017 gehende Analyse sowohl relevanter Daten und Kon- vom Stadtrat beschlossen und bilden die inhalt- zepte, als auch der Topografie und Morphologie des lich-programmatische Grundlage des ISEK 2030. Stadtgebiets, auf deren Grundlage dann eine aus- differenzierte Siedlungstypologie erstellt wurde. Beteiligung der Öffentlichkeit Besonders intensiv wurden die lokalen Bezüge und Bereits nach einer ersten Aufarbeitung der Grund- emotionalen Bindungen zu den unterschiedlichen lagen begann im Juni 2015 die Beteiligung der Freiräumen in und außerhalb der Stadt betrachtet. Öffentlichkeit mit einer Bürgerinformationsveran- Im Ergebnis der ersten Bürgerversammlungen und staltung im Erfurter Rathaus. Ziel war es, frühzeitig Beteiligungsprozesse startete die Entwicklung der die vielfältigen Interessenlagen und Erwartungen räumlichen Leitbilder zu den jeweiligen sektoralen aus der Bevölkerung kennenzulernen und den Zielstellungen. Planungsprozess daraufhin mit auszurichten. Diese Veranstaltung wurde von zahlreichen Bürgerinnen Im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsformats und Bürgern genutzt, um sich über den aktuellen im November 2015 wurde mit einem Katalog an Stand der Fortschreibung des ISEK zu informieren. offenen Fragen zur Zukunft der Stadt der Versuch Bereits damals sind seitens der Bevölkerung zahl- unternommen, der Stadtgesellschaft innewohnen- reiche und sehr konstruktive Beiträge, sowohl mit de Erwartungen und Perspektiven, aber auch die gesamtstädtischem Bezug als auch mit einzelne unausgesprochenen „Heiligtümer“ und Tabuberei- Stadtteile und Teilräume der Stadt betreffenden che herauszuarbeiten.

Ab 2016 wurde mit dem Kriterienkatalog zur möglichen künftigen Entwicklung der Ortsteile begonnen. Parallel startete die integrierte Kon- zeptbearbeitung. Insbesondere die Definition von Suchräumen für die künftige Siedlungsflächenent- wicklung war aufgrund vielfacher, komplizierter Konflikte im Spannungsfeld zwischen Entwick- lungserfordernissen und Stadtwachstum auf der einen und den Erfordernissen aus Natur-, Umwelt- und Klimaschutz bzw. den Nachhaltigkeitserforder- nissen auf der anderen Seite extrem konfliktreich und erforderte einen sehr intensiven Arbeits- und Abstimmungsprozess. Kapitel 1 Einführung | Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung 13

Ideen und Anmerkungen, formuliert worden, die ISEK in Form einer Ausstellung und Präsentation – soweit sie die Ebene des ISEK berühren – berück- dargelegt und zur Diskussion gestellt wurden. sichtigt worden sind. Im Anschluss war die Arbeitsausstellung zum Von Oktober 2015 bis Januar 2016 folgte eine wei- ISEK-Verwaltungsentwurf vom 30. November 2017 tere Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit der bis 7. Februar 2018 im Bauinformationsbüro auf- gezielt die Fortschreibung der Handlungsfelder gebaut und öffentlich zugänglich. der Stadtentwicklung diskutiert wurde. Sowohl im Bauinformationsbüro als auch über eine eigens da- In der zweiten Phase der Beteiligung 2018 wurden für eingerichtete Internetplattform hatten Interes- relevante Akteure aus der Landeshauptstadt sowie sierte die Möglichkeit zur Einsicht in den aktuellen dem Umland (Institutionen, Verbände, Nachbar- Stand der Synopse der Handlungsfelder sowie zur landkreise und -kommunen etc.) in den Fortschrei- Abgabe ihrer Einwände und Hinweise. bungsprozess eingebunden.

Aufgrund des hohen Interesses von Vereinen, Seit Januar 2018 wird parallel zum Beteiligungspro- Verbänden, Institutionen und anderen Akteuren zess intensiv an den teilräumlichen Vertiefungen wurde diese Beteiligung auf vielfachen Wunsch gearbeitet. Dieser Erstellungsprozess ist für den verlängert. So wurden auch Einsendungen, welche Zeitraum 2018/2019 geplant und überschreitet den im Sommer 2016 und darüber hinaus die Stadtver- des ISEK Erfurt 2030 bei weitem. Daher werden die waltung erreichten, noch angenommen und in den Vertiefungen (Wohnsuchräume) im ISEK soweit Fortschreibungsprozess integriert. beschrieben und inhaltlich untersetzt, wie es im Rahmen des ISEK leistbar und in dessen Betrach- Nach einer intensiven Arbeitsphase an der voll- tungsmaßstab erforderlich ist. ständigen Textfassung sowie nach Beschluss des Verwaltungsentwurfs zum ISEK 2030 durch den Im Ergebnis der bisherigen Betrachtungen kann Stadtrat am 16. November 2017 erfolgte eine weite- jedoch bereits konstatiert werden, dass die Such- re, zentrale Etappe der Beteiligung. räume mittelfristig die für das Stadtwachstum erforderlichen Flächenangebote bedienen können Unter der Überschrift „Arbeitsausstellung und (vgl. strategisches Projekt P 11 – Identifizierung von öffentliche Diskussion“ waren am 29. November Suchräumen für eine mögliche Wohnungsbauent- 2017 alle Interessierten in den Großen Saal im Haus wicklung innerhalb des vorrangigen Entwicklungs- der sozialen Dienste eingeladen, wo die Inhalte des bereiches, ISEK Erfurt 2030, Teil 2).

Abb. 1 (Seite 12): Stadtverwaltung Erfurt Foto 4: Büro für urbane Projekte 14 ISEK Erfurt 2030

1.4 Aufbau des ISEK Erfurt 2030

Die Aufgabenstellung zur Fortschreibung des ISEK Erfurt spiegelt sich im Aufbau des Konzepts wider:

Teil 1 Teil 2

Kapitel 1 | Einführung – Anlass, Zielstellung und Kapitel 4 | Leitbild – Positionen der Methodik der Fortschreibung Stadtentwicklung Erfurt 2030 Der Prozess zur Erarbeitung des ISEK Erfurt 2030 In diesem Kapitel werden die Ansprüche des war mit dem Anspruch verbunden, die verschiede- Leitbildes der kompakten Europäischen Stadt nen Themen und Aufgaben der Stadtentwicklung sowohl an die gebaute Stadt selbst als auch an das aufzurufen und sowohl fachlich interdisziplinär Funktionieren ihrer gesellschaftlichen Aufgaben als auch mit Blick auf die Akteure der Stadtpolitik, formuliert. Diese werden direkt auf die Stadt Erfurt Stadtverwaltung sowie die Partner der Stadtent- umgelegt und in Form eines räumlichen Leitbildes wicklung und die Bürgerinnen und Bürger der auf den Grundriss der Stadt übertragen. Mit diesem Stadt integrativ zu betrachten. Hierfür wurde ein Schritt gelingt es, die in den Handlungsfeldern interaktiver Prozess initiiert, der allen Beteiligten zunächst abstrakt formulierten Zielstellungen die Möglichkeit gab, ihre jeweiligen Positionen auf konkrete Aufgabenbereiche und Teilräume der einzubringen und an gemeinsamen Strategien zu Stadt herunterzubrechen. arbeiten. Dabei werden räumliche Leitlinien definiert, die Der Anlass zur Fortschreibung des ISEK, Vorgehens- Grundlage für eine strategische und langfristig weise sowie die Arbeitsformate und Prozessmei- nachhaltige Siedlungs- und Flächenpolitik sind. lensteine werden im Kapitel 1 beschrieben. Kapitel 5 | Strategie – Konzeptbausteine Kapitel 2 | Status Quo – Veränderte Die Konzeptbausteine haben die Aufgabe, die ge- Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung samtstädtischen Stadtentwicklungsziele der Im Rahmen der Konzepterstellung ging es zunächst 13 Handlungsfelder thematisch zu bündeln und um die Bestimmung des Status Quo und eine aktu- auf der räumlichen Ebene anzuwenden. Dabei elle Positionierung Erfurts in Auseinandersetzung formulieren sie konkrete inhaltliche wie räumli- mit sich vollziehenden und absehbaren Rahmen- che Empfehlungen zur Umsetzung der Ziele. Diese bedingungen. Maßgebliche Grundlage sind dafür Aufgabe leisten sie in Form von Leitsätzen, thema- die Analysen, Prognosen und Konzeptionen der ver- tischen räumlichen Leitbildern (in Orientierung an schiedenen Ressorts der Erfurter Stadtverwaltung. das übergeordnete gesamtstädtische räumliche Leitbild und die Leitlinien) sowie strategischen Kapitel 3 | Ziele – Handlungsfelder der Projekten. Stadtentwicklung In einem partizipativen Abstimmungsprozess zwi- Kapitel 6 | Programmatik – Maßnahmeplan schen Stadtpolitik, Verwaltung und Stadtöffent- Erfurt 2030 lichkeit wurden die Ziele der Stadtentwicklung, Schließlich geht es im Kapitel 6 um die erforder- wie sie im ISEK 2020 verankert waren, evaluiert, lichen Aussagen zu den Schwerpunkträumen der kritisch hinterfragt, neu ausgerichtet, ergänzt oder Stadtentwicklung sowie um Schlussfolgerungen thematisch erweitert. für die künftige Förderkulisse. Im Hinblick auf eine Verstetigung des ISEK-Prozesses beinhaltet dieses Im Ergebnis stehen 13 Handlungsfelder mit einem Kapitel zudem Empfehlungen für eine tragfähige abgestimmten, durch den Stadtrat beschlossenen Kommunikations- und Beteiligungsstruktur für die Zielsystem, das in Kapitel 3 wiedergegeben wird. Umsetzungsphase des ISEK Erfurt 2030. Kapitel 1 Einführung | Anlass, Ziel und Methodik der Fortschreibung 15

17 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel Veränderte Rahmenbedingungen

In diesem Kapitel wird der Status Quo der Landes- Die nachfolgenden Inhalte zielen jeweils auf die hauptstadt Erfurt für insgesamt zehn Themenfelder Darstellung der gegenwärtigen Situation Erfurts so- analysiert. Diese sind jeweils auf die spezifischen wie auf die Einschätzung von Entwicklungstrends. inhaltlichen Aspekte des kommunalen Handelns, Zugleich zeigen sie die Ansätze für ressortspezi- also auf die verschiedenen Fachbereiche der Stadt- fische Empfehlungen in Bezug auf die thematische verwaltung ausgerichtet. Dabei bestehen jedoch im sowie räumliche Fokussierung auf. Sinne einer integrierten Stadtentwicklung vielfach Querbezüge und gegenseitige Einflussnahmen.

Dabei wurden die Darstellungen zu den Themen- Die Betrachtungsebenen umfassen dabei sowohl feldern der Stadtentwicklung so geordnet, dass ein die Stadtregion als auch die Gesamtstadt Erfurt. direkter inhaltlicher Bezug zu den im Kapitel 3 auf- gestellten Handlungsfeldern sowie den in Kapitel In der Konsequenz der Entwicklungen in den fünf formulierten Konzeptbausteinen hergestellt Themenfeldern der Stadtentwicklung ergeben sich werden kann. Ansprüche an das Handeln bis 2030 und darüber hinaus. Diese werden ab Seite 105 in Kap. 2.11 im Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen Sinne zentraler Aufgabenstellungen für die Stadt- und zugrunde liegenden Planungs- und Datenma- entwicklung in Erfurt zusammengefasst. terialien sind sie in ihrem Aufbau vergleichbar und zeigen in der Bestandsanalyse und -prognose die wesentlichen Erfolgspositionen, Hemmnisse sowie Entwicklungstendenzen Erfurts auf.

Foto 5 (Seite 16): Stadtverwaltung Erfurt 18 ISEK Erfurt 2030

2.1 Rolle in der Stadtregion und regionale Verflechtung

2.1.1 Rolle als Landeshauptstadt und Oberzentrum

Die Landeshauptstadt Erfurt markiert die geo- den Raum der Thüringer Städtekette von grafische Mitte von Deutschland und liegt damit und über Erfurt, Weimar und Jena bis zugleich im Zentrum des größer gewordenen und Altenburg. Wirtschaftsraumes der Europäischen Union. Erfurt ist der bedeutendste Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Aufgrund der vergleichsweise großen Entfernungen Verwaltungs- und Arbeitsmarktschwerpunkt in zu den Kernen der Metropolregionen in Deutsch- Thüringen mit einer Ausstrahlung auf die periphe- land (zwischen Leipzig, Nürnberg, Frankfurt/Main ren Grenzregionen der benachbarten Bundesländer und Hannover) bekommt Erfurt ein zusätzliches Hessen und Bayern. Gewicht und eine besondere Rolle im Raum. Diese hebt sich gegenüber einem klassischen Oberzen- Die Stadt Erfurt bildet zudem das Zentrum eines trum heraus und wird zudem von einem überdurch- Verdichtungsraumes, zu dem neben dem über- schnittlichen Metropolfunktionenindex begründet. wiegend ländlich geprägten Umland auch der Für die Landeshauptstadt Erfurt beruht dieser auf Kranz der Mittelstädte Gotha, Arnstadt, Weimar und Sömmerda zählt. Zugleich bildet Erfurt ge- den Gatewayfunktionen in Bezug auf die meinsam mit Gotha, Weimar und Jena die urbane, Einbindung in das überregionale und trans- attraktive Regiopolregion Thüringens, die mit nationale Verkehrsnetz, die in Erfurt durch ihren Hochschulen, ihren Forschungs- und Wis- die Lage an den ICE-Strecken der Deutschen senschaftseinrichtungen, dem unvergleichlichen Bahn, den Bundesautobahnen A 4 und A 71 kulturellen Angebot und einer hohen Lebensquali- und mit dem Verkehrsflughafen in Bindersle- tät den zukunftsfähigen Wachstumskern in der ben gegeben sind, Mitte von Thüringen darstellt. Mit insgesamt etwa 450.000 Einwohnern ist die Impulsregion zugleich den Steuerungsfunktionen, die durch den der starke westliche Eckpfeiler im polyzentrisch Sitz der Landesregierung und die Existenz geprägten mitteldeutschen Wirtschaftsraum, der hochrangiger Bundesinstitutionen (Bundes- sich zwischen den drei Landeshauptstädten Erfurt, arbeitsgericht) repräsentiert werden, Magdeburg und Dresden aufspannt. den Innovationsfunktionen, die mit der Die Funktionen Erfurts als Landeshauptstadt und Universität und der Fachhochschule, promi- Universitäts- und Hochschulstandort sowie als Teil nenten Forschungseinrichtungen im Zusam- einer Region mit einem hochkarätigen historischen menhang mit der Wirtschaft und den Medien Erbe stärken zusätzlich die überregionale Bedeu- sowie hochrangigen Kulturstandorten und tung der Stadt. Dies bezieht sich insbesondere auf kulturellen Ereignissen verbunden sind.

2.1.2 Regionale Verflechtung

Durch die zentrale Lage und die sehr gute Einbin- und Berlin). Diese Zentralität Erfurts hat sich in dung in das überregionale Verkehrsnetz ist Erfurt den letzten Jahren durch die Fertigstellung be- im Individualverkehr heute aus allen Richtungen deutender Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in sehr gut erreichbar. Wesentlich sind dabei die An- Verantwortung des Bundes enorm gesteigert. Zu schlüsse an die A 4 Frankfurt-Dresden sowie die nennen ist dabei zum einen die Realisierung der A 71 Sangerhausen-Schweinfurt (mit Anschluss an A 71 im Abschnitt Erfurt-Meiningen, was zu stär- die A 7 / A 81 nach Würzburg, Augsburg und Stutt- keren Verflechtungsbeziehungen insbesondere gart bzw. ab Suhl über die A 73 / A 9 nach Nürnberg zwischen dem Raum Ilmenau und Erfurt sowie und München sowie Richtung Norden nach Halle im Zusammenhang mit der A 73 zu einer besseren Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 19

Anbindung an die dynamischen Wirtschaftsräume einen stündlichen ICE-Takt mit hochattraktiven im Süden und Südwesten Deutschlands führte. Zu- Reisezeiten nach Leipzig/Berlin, Dresden, Frankfurt dem erfolgte mit dem Lückenschluss der A 71 nach sowie Nürnberg/München verfügt. Ergänzt wird Norden eine durchgehende Verbindung an die A 38 dieses Angebot durch die vorhandene IC-Verbin- Göttingen-Halle. dung von Erfurt in Richtung Kassel – Ruhrgebiet, welche ab dem Fahrplanwechsel 2018 Richtung Os- Eine der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen ten bis über Jena nach Gera verlängert wird. Nach stellt die Inbetriebnahme der ICE-Neubaustrecke einer weiteren Elektrifizierung auf der Strecke ist Nürnberg-Leipzig dar, die seit Dezember 2017 über eine Weiterführung bis Chemnitz geplant.

Foto 6: Ackers Partner Städtebau 20 ISEK Erfurt 2030

Zugleich werden die Verbindungen und Fahrt- Insgesamt wurde und wird durch diese Maßnah- zeiten des Regional- und Nahverkehrs durch die men das regionale und überregionale Beziehungs- Vertaktung mit dem ICE-Knoten Erfurt entschieden netz stark intensiviert, was zu großen Veränderun- verbessert. So werden nicht nur zahlreiche Nahver- gen der Mobilitätsradien führt. Die Auswirkungen kehrszüge beschleunigt, sondern es fahren zwi- auf den wirtschaftlichen Erfolg von Stadt und schen Erfurt und Jena Züge im Halbstunden-Takt, Region werden in den kommenden Jahren deutlich zwischen Erfurt und Weimar alle 15 Minuten, was zu spüren sein. einer S-Bahn-ähnlichen Verbindung gleichkommt.

1 Abb. 2 Lage und Verflechtung der Landeshauptstadt Erfurt

Bundesweite Verflechtung Erfurts

1 Darstellung: Büro für urbane Projekte; Grundlage Bahnnetz: DB Fernverkehr AG, Dezember 2017

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 21

2.2 Demografische Situation und Perspektive

2.2.1 Gesamtstadt Erfurt

Zum 31. Dezember 2017 wurden im kommunalen Jahre (der sprunghafte Anstieg 2003 ist auf die Ein- Einwohnermelderegister insgesamt 213.354 Perso- führung der Zweitwohnsitzsteuer zurückzuführen) nen mit Hauptwohnsitz gezählt. Im Vergleich zum spätestens seit 2010 eine Phase des Bevölkerungs- Vorjahr ergab sich damit eine Bevölkerungszunah- wachstums eingetreten ist. me um 1.764 Personen. 2010 erreichte Erfurt nach zwölf Jahren erstmals Der Blick auf den Langzeittrend seit 1990 zeigt, wieder eine Einwohnerzahl von über 200.000 dass nach Jahren des Rückgangs in den 1990er Personen. Und seitdem kamen über 13.000 weitere Jahren und der Stagnation bis Mitte der 2000er Einwohner hinzu.

2 Abb. 3 Bevölkerungsentwicklung in Erfurt 1990 bis 2017

230.000 225.000 220.000 215.000 210.000 205.000 200.000 195.000 190.000 185.000 180.000 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2015 2016 2017

Einwohner

Mit diesem Bevölkerungswachstum hebt sich etwa 1,1 % der Einwohner (-23.475 Personen) ver- Erfurt deutlich vom landesweiten Trend ab. So hat loren, während Erfurt 4,5 % (9.161 Personen) hinzu- der Freistaat Thüringen im Zeitraum 2011 bis 2016 gewinnen konnte.

3 Abb. 4 Einwohnerentwicklung in Erfurt und Thüringen 2011 bis 2016

220.000 2.200.000

210.000 2.100.000

200.000 2.000.000

190.000 1.900.000

180.000 1.800.000

170.000 1.700.000

160.000 1.600.000 204.880 210.118 211.113 203.485 2.181.603 2.160.840 2.156.759 2.170.714 2.158.128 201.952 206.219 150.000 1.500.000 2.170.460 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Thüringen Erfurt

2 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte 3 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte

22 ISEK Erfurt 2030

Erfurt kann dabei auch einen günstigeren Verlauf Einen deutlich größeren Einfluss auf die Entwick- in der natürlichen Bevölkerungsentwicklung ver- lung der Einwohnerzahl Erfurts haben die Wande- zeichnen, die sich aus den jährlichen Geburten und rungsbewegungen. Diese ergeben sich aus den Zu- Sterbefällen zusammensetzt. Deren Saldo ist zwar und Fortzügen über die Stadtgrenzen hinweg und noch immer negativ, da die Geburten die Sterbe- haben im Saldo vor allem in den zurückliegenden fälle nicht ausgleichen können, insgesamt nehmen sieben Jahren der Landeshauptstadt beachtliche die Geburten – bei größeren Schwankungen – je- Wanderungsgewinne beschert. doch zu. Im Jahr 2017 konnte mit 2.190 Geburten der vorläufige Höchststand seit 1990 erreicht werden.

4 Abb. 5 Natürliche Bevölkerungsentwicklung in Erfurt 1994 bis 2017

3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 -500 -1.000 -1.500

Geburten Sterbefälle Geburtensaldo

5 Abb. 6 Wanderungsbewegung in Erfurt 1994 bis 2017

15.000

10.000

5.000

0

-5.000

Zuzüge Fortzüge Wanderungssaldo

Die Abb. 7 zeigt deutlich, wie sehr der Wanderungs- wiegt und dessen negative Auswirkungen seit 2003 saldo die Entwicklungen des Geburtensaldos über- kompensieren kann.

4 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte 5 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte 6 (Seite 23): Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 23

6 Abb. 7 Überlagerung Geburten- und Wanderungssaldo in Erfurt 1994 bis 2017

5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 -1.000 -2.000 -3.000

Geburtensaldo Wanderungssaldo

Bei genauerer Betrachtung der Wanderungsent- wicklungen fallen dabei folgende Trends auf:

Der Außenwanderungssaldo gegenüber dem Einige der jungen Menschen wandern nach ersten Umlandring Erfurts (d. h. die unmit- Beendigung der Ausbildung oder des Stu- telbar angrenzenden Gemeinden) verläuft diums wieder ab – hier vor allem aufgrund im Schnitt der letzten Jahre eher negativ, es der Arbeitsmarktsituation in die alten wandern also Personen aus Erfurt in diese Bundesländer; allerdings haben sich diese Gemeinden ab. Wanderungsverluste in den letzten Jahren abgeschwächt. Die Außenwanderung in den zweiten Um- landring (d. h. die an den ersten Ring angren- Besonders bemerkbar sind außerdem die star- zenden und damit räumlich etwas weiter von ken Wanderungsgewinne der internationalen der Kernstadt Erfurt entfernten Gemeinden) Zuwanderung – hier in den letzten Jahren ver- verläuft ähnlich, wenngleich deutlich ab- stärkt aus den osteuropäischen Ländern und geschwächter. seit 2015 zunehmend Schutzsuchende und Asylbewerber aus Kriegs- und Krisengebieten. Erstmals seit 2000 verzeichnet Erfurt 2016 und 2017 wieder Wanderungsverluste gegen- Nahm 2015 der Zuzug von Schutzsuchenden über Mittelthüringen. und Asylbewerbern deutlich zu, so zieht in- zwischen ein Teil dieser jungen Erwachsenen Der Außenwanderungssaldo gegenüber weiter. In diesem Zusammenhang steht der Thüringen insgesamt verläuft zu Gunsten 2016 eingetretene Wanderungsverlust bei der der Landeshautstadt – hier zieht Erfurt ins- Altersgruppe der 25-bis-unter-45-Jährigen. besondere aus den ländlichen Gebieten des Freistaats kontinuierlich Personen an. Die Entwicklung der Einwohnerzahl Erfurts spie- gelt sich – mit all ihren unterschiedlichen Betrach- Die Altersgruppe der 18- bis 23-jährigen tungsebenen – auch in der Zusammensetzung der Personen macht einen Großteil der Erfurter Altersgruppen wider. Wanderungsgewinne aus – dies verdeut- licht die Anziehungskraft der Stadt für junge Menschen, die insbesondere für Ausbildung, Studium und Berufsstart nach Erfurt ziehen. 24 ISEK Erfurt 2030

So sind in der Abb. 8 deutlich die Anstiege in den zeit auf. Zudem machten sich in den zurückliegen- „Personengruppen“ der Unter-6-Jährigen sowie der den Jahren zunehmend die Entwicklungen bei den 6-bis-15-Jährigen ablesbar. An dieser Stelle fällt Personen über 75 Jahre bemerkbar (vertiefende Be- auch die „Lücke“ der 15-bis-18-Jährigen infolge des trachtungen Kinder und Jugendliche sowie Senio- sehr starken Geburtenrückgangs der Nachwende- ren und Hochbetagte vgl. Kap. 2.6).

7 Abb. 8 Entwicklung der Altersgruppen in Erfurt 2011 bis 2016

20.000 18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 0 bis 6 bis 15 bis 18 bis 25 bis 30 bis 35 bis 40 bis 45 bis 50 bis 55 bis 60 bis 65 bis 70 bis 75 bis 80 bis 85 Jahre unter 6 unter 15 unter 18 unter 25unter 30 unter 35unter 40unter 45unter 50 unter 55unter 60unter 65unter 70 unter 75unter 80unter 85 und Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre mehr

2011 2012 2013 2014 2015 2016

2.2.2 Entwicklungen in den Teilräumen Erfurts

Die Stadt Erfurt ist hinsichtlich seiner Stadt- und Bei einem gesamtstädtischen Durchschnittsalter Siedlungsstrukturen sehr unterschiedlich auf- von 44,2 Jahren ist das städtische Stadtgebiet mit gestellt (vgl. Kap. 2.3.3). Dabei weisen die Wohn- 42,3 Jahren das mit der durchschnittlich jüngsten und Lebensstandorte sehr diverse Baustrukturen, Stadtbevölkerung. In den Großwohnsiedlungen Lagequalitäten und Ausstattungsgrade mit beträgt es 46,6 und in den dörflichen Gebieten 45,8 wohnortnahen sozialen Einrichtungen und Ver- Jahre. sorgungsangeboten auf. Dies hat Auswirkungen auf die Bevölkerungsverteilung und kleinräumigen Entwicklungen.

Knapp über die Hälfte der Einwohner wohnt in den städtischen Gebieten der Stadt, ein weiteres Viertel in den industriell gefertigten Großwohn- siedlungen. Auf dem übrigen Stadtgebiet, 80 % der gesamtstädtischen Fläche, leben 20 % der Gesamt- bevölkerung in den dörflich geprägten Ortsteilen.

7 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 25

8 Tabelle 1 Verteilung der Erfurter Bevölkerung auf die Siedlungstypen

Bevölkerung am Bevölkerungsdichte Anteil Einwohner Fläche (ha) Anteil Fläche in % 31.12.2017 (EW/km2) in % Städtisches Gebiet 113.987 4.528 2.517 53,4 16,8

Großwohnsiedlungen 55.503 1.105 5.023 26,0 4,1

Dörfliches Gebiet 43.864 21.277 206 20,6 79,1

Die zusammenfassende Betrachtung der Bewe- gebrochen ermöglicht eine zugespitzte Beschrei- gungsdaten auf die drei Siedlungstypen herunter- bung gesamtstädtischer Trends:

Der städtische Siedlungstyp konnte in den vergangenen Jahren absolut die höchsten Einwohnerzugewinne verzeichnen, vor allem durch eine starke Zuwanderung von außer- halb. In der Binnenwanderung sind seit 2015 infolge verschiedener Einflussfaktoren leichte Wanderungsverluste festzustellen, die jedoch durch das positive Geburtensaldo ausgeglichen werden.

Die Großwohnsiedlungen, ursprünglich die großen Schrumpfungsgebiete der Stadt, können inzwischen ebenfalls zunehmend Einwohnerzugewinne verzeichnen, da sie für einkommensschwache Haushalte attraktiv sind und derzeit den Großteil der migranti- schen Zuwanderung aufnehmen.

Die dörflichen Gebiete erzielten vorrangig in den 1990er Jahren die größten Einwohner- zugewinne, vor allem auch aus der Erfurter Binnenwanderung. Ab 2008/2010 kam diese nahezu zum Erliegen, was mit zeitgleich ne- gativen Geburtensalden zu stetigen Einwoh- nerverlusten führte. Erst in den letzten sechs Jahren erfolgten wieder steigende Zugewin- ne durch Binnenwanderung.

8 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte Fotos 7 bis 9: Ackers Partner Städtebau 26 ISEK Erfurt 2030

9 Tabelle 2 Verteilung der Erfurter Bevölkerung auf die Siedlungstypen 2017 Innerstädtisches Saldo Geburtensaldo Außenwanderungssaldo Umzugssaldo gesamt Anzahl in % Anzahl in % Anzahl in % in % Städtisches Gebiet 10 0,0 1.031 0,9 -591 -0,5 0,4

Großwohnsiedlungen -233 -0,4 947 1,7 347 0,6 1,9

Dörfliches Gebiet -75 -0,2 -112 -0,3 242 0,6 0,1

Erfurt gesamt -298 -0,1 1.866 0,9 / / 0,7

2.2.3 Einwohnerprognose

Die Landeshauptstadt Erfurt hat im Oktober gnostizierten Einwohnerzahl im Korridor zwischen 2015 die Bevölkerungsprognose bis 2040 erstellt. 170.000 bis 190.000 Einwohnern im Jahr 2020 von Demnach wird die Einwohnerzahl Erfurts von 2015 einem weiteren Bevölkerungsrückgang aus. (Ausgangsbasis) bis zum Jahr 2030 (dem Pla- nungskorridor des ISEK Erfurt 2030) um ca. 16.700 Die Prognose 2030 basiert auf den Entwicklungen Personen auf ca. 224.450 Einwohner zunehmen. der Bevölkerungsbewegungen und Trends der Das entspricht einer Zunahme um etwa 8,1 % der zurückliegenden Jahre und kann eintreten, wenn Gesamtbevölkerung 2015. sich die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen nicht ändern. Aufgrund des Planungsvorlaufes für neue Woh- nungsbaugebiete muss für den Planungshorizont Grundsätzlich wird in der Prognose davon aus- 2030 die voraussichtliche Einwohnerzahl bis zum gegangen, dass der positive Wanderungssaldo Jahr 2035 betrachtet werden. Diese wird gegenwär- langfristig den weiterhin negativen Geburtensaldo tig mit ca. 230.000 Einwohnern eingeschätzt. überwiegt. Die Entwicklung Erfurts wird also wei- ter von Zuwanderung von außerhalb der Stadtgren- Zum Vergleich: Das 2008 aufgestellte Integrierte ze bestimmt werden. Stadtentwicklungskonzept 2020 ging mit einer pro-

10 Abb. 9 Entwicklung Einwohnerzahl 2006 bis 2016 und Prognose 2016 bis 2030

230.000

220.000

210.000

200.000

190.000

180.000 2006 2008 2010 2012 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

Einwohnerentwicklung 2006-2016 Einwohnerprognose 2016-2030

9 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte 10 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Erfurter Statistik Bevölkerungsprognose bis 2040, Oktober 2015 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 27

Neben der prognostizierten Entwicklung der reinen Dies macht deutlich, dass die Herausforderungen Einwohnerzahl muss auch hier der Blick auf die für die Stadtpolitik und Stadtverwaltung sowie Entwicklung der Alterung der Gesellschaft sowie für deren zahlreiche Partner und Akteure in den der einzelnen Altersgruppen gelegt werden unterschiedlichsten Themenfeldern der Stadt- (vgl. Abb. 10). entwicklung nicht nur in der rein zahlenmäßigen Entwicklung der Einwohner, sondern vielmehr in Dabei treten besonders drei Entwicklungen deut- den Alterungsprozessen und sich damit verändern- lich hervor: den Ansprüchen und Gewichtungen der jeweiligen Altersgruppen liegen. So werden die Anteile der Kinder und Jugend- lichen an der Gesamtbevölkerung über den Trotz positiver Tendenzen – mit denen Erfurt aller Prognosezeitraum hinweg weiter zunehmen. Voraussicht nach in Thüringen eine Spitzenposi- Dennoch wird 2030 der Anteil der Personen tion einnehmen wird – steht auch die Landeshaupt- jünger als 18 Jahre nur 8,1 % betragen. stadt vor der Aufgabe, die Folgen der demografi- schen Veränderungen zu meistern. Noch stärker wird die Gruppe der Personen im Alter von 65 bis 75 Jahre zunehmen. Hier Der Vergleich mit den kreisfreien Städten der Thü- wechseln vor allem die letzten geburtenstar- ringer Städtekette und den Erfurt umschließenden ken Jahrgänge der 1960er Jahre in das Renten- Landkreisen zeigt die herausgehobene Stellung alter. 2030 werden 20,6 % der Stadtbevölke- Erfurts in der Einwohnerentwicklung Thüringens rung zwischen 65 und 85 Jahre alt sein. (vgl. Abb. 11).

Die mit Abstand größten Zuwächse wird jedoch die Gruppe der Über-85-Jährigen ver- zeichnen. 2030 werden dann weitere 4 % der Stadtbevölkerung älter als 85 Jahre alt sein.

11 Abb. 10 Entwicklung der Altersgruppen in Erfurt gemäß Prognose 2016 bis 2030

65% Veränderung in %

40% 66%

15% 24% 18% 3% 7% 10% 7% 2% -7% -10% insgesamt unter 6 Jahre 6 bis 18 bis 30 bis 45 bis 65 bis 75 bis 85 unter 18 Jahre unter 30 Jahre unter 45 Jahre unter 65 Jahre unter 75 Jahre unter 85 Jahre und älter Jahre

11 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Erfurter Statistik Bevölkerungsprognose bis 2040, Oktober 2015 28 ISEK Erfurt 2030

12 Abb. 11 Voraussichtliche Bevölkerung 2014, 2025 und 2035 nach Prognose des Freistaats Thüringen

250.000

200.000

150.000

100.000

50.000

0 Stadt Eisenach Stadt Erfurt Stadt Weimar Stadt Jena Stadt Gera LK Gotha LK Sömmerda LK Ilm-Kreis LK Weimarer Land 2014 2025 2035

Stadt/Landkreis 2014 2025 2035 2014-2025 2025-2035 Stadt Eisenach 41.884 41.972 42.026 0,2 % 0,1 %

Stadt Erfurt 206.219 219.238 225.752 6,3 % 3,0 %

Stadt Weimar 63.477 63.209 61.076 -0,4 % -3,4 %

Stadt Jena 108.207 112.034 111.980 3,5 % 0,0 %

Stadt Gera 94.492 87.400 79.516 -7,5 % -9,0 %

LK Gotha 135.381 129.015 121.451 -4,7 % -5,9 %

LK Sömmerda 70.537 65.432 59.270 -7,2 % -9,4 %

LK Ilm-Kreis 108.899 102.775 95.465 -5,6 % -7,1 %

LK Weimarer Land 81.641 77.377 71.667 -5,2 % -7,4 %

12 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik, Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte Abb. 12 (Seite 29): Plan von Erfurt und Umgebung von C. Birck, Königlich Lithografisches Institut Berlin, 1850, Lithografieerlag V von Simon Schropp & Co. Berlin Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 29

2.3 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur

2.3.1 Historische Entwicklung - Ursprünge der heutigen Stadtstruktur

Die verschiedenen Phasen der Erfurter Stadtge- Bauvorhaben, wie den Ausbau von Petersberg und schichte zeichnen sich noch heute deutlich im Cyriaksburg zu Festungen, den Neubau der Statt- Stadtbild ab. Sowohl Zeiten der Blüte als auch der halterei am Hirschgarten sowie des Waage- und Stagnation und des Niedergangs haben nicht nur Packhofes am Anger, führte aber mit dem Fokus auf bedeutende Bauwerke hervorgebracht, sondern den erwerbsmäßigen Gartenbau auch zu einem gra- auch ihre Fußabdrücke im Stadtgrundriss hinterlas- vierenden Wandel in der wirtschaftlichen Struktur sen. Diese haben noch heute großen Einfluss darauf, und Bedeutung Erfurts. wie die Stadt funktioniert und sind zudem sowohl für die besonderen Qualitäten und Begabungen als Mit dem Beginn der Industrialisierung und dem auch für die Herausforderungen mit Blick auf die Anschluss an die Eisenbahn 1849 wurde zwar eine Weiterentwicklung des Stadtkörpers ursächlich. Phase gewissen Aufschwungs eingeleitet, die je- doch durch die Lage innerhalb der Reichsfestung in Im Jahr 742 erstmals urkundlich als „Erphesfurt“ er- engen Grenzen erfolgen musste. Die frühe indus- wähnt, entwickelte sich die Stadt bereits im frühen trielle Entwicklung konzentrierte sich deshalb im Mittelalter am Kreuzungspunkt von nicht weniger damals noch selbständigen Ilversgehofen, das mit als vier europäischen Handelsstraßen zu einem Bahnanschluss und großem Flächenangebot über wichtigen Handelszentrum. Im 14. und 15. Jahrhun- hervorragende Ausgangsbedingungen verfügte. dert war Erfurt mit 18.000 bis 20.000 Einwohnern Erst mit Aufgabe der Stadtfestung kam es dann ab bereits eine mittelalterliche Großstadt und zählte den 1880er Jahren auch in Erfurt selbst zu einem als wirtschaftliches, politisches und geistig-kultu- sprunghaften Wachstum der Stadt. Die in der Folge relles Zentrum damals zu den größten Städten im umgesetzten Umbauten an der Infrastruktur, wie Reich. der Bau des Flutgrabens anstelle der Festungs- gräben, die Neuanlage der Ringstraße im Verlauf Es folgte eine Phase des Niedergangs und schließ- der zugeschütteten Gera und die Hochlegung der lich eine Rückkehr in die Abhängigkeit der Mainzer Eisenbahn auf die +1-Ebene definieren noch heute Erzbischöfe. Diese Zeit brachte zwar bedeutende die Umgrenzung der Altstadt. 30 ISEK Erfurt 2030

Außerhalb des zweiten Mauerrings entstand industrieller Bauweise hat Erfurt in dieser Periode zwischen 1880 und 1916 der noch heute vorhandene eine deutliche Nord-Süd-Ausrichtung erfahren. Aus- Gründerzeitgürtel. Mit 100.000 Einwohnern wurde gehend von den Industrieansiedlungen des Erfurt 1906 wieder zur Großstadt. Zugleich vollzog 19. Jahrhunderts wurden im Norden die Großwohn- sich ein Modernisierungsprozess, der vielerorts die siedlungen Johannesplatz, Rieth, Berliner Platz, kleinteilige Bebauung etwa entlang des Angers Moskauer Platz und Roter Berg mit ca. 20.000 durch neue Wohn- und Geschäftshäuser, Ver- Wohnungen und im Südosten Herrenberg, Wiesen- waltungsgebäude wie das neue Rathaus oder die hügel, Drosselberg und Buchenberg mit insgesamt Hauptpost ersetzte. ca. 14.500 Wohnungen errichtet. Dies führte auch zur Anbindung der dörflich geprägten Ortschaften Neben dem Bild der Stadt veränderten sich auch wie Gispersleben, Melchendorf und Windischholz- ihre teilräumigen Funktionen und Identitäten. hausen an den Stadtkörper. Rund um den neuen Bahnhof entstand anstelle der zuvor eher dörflich geprägten Augustvorstadt ein Die nächste prägende Phase begann 1989/90 mit großstädtisches Bahnhofsviertel mit repräsentati- der politischen Wende. So erfolgte in den 1990er ven Hotelbauten und Geschäftshäusern. Traditions- Jahren neben einer regen Sanierungs- und Bautätig- reiche Einrichtungen wie die Alte Oper oder der keit (1992 wurde das Gesamtgebiet „Erweiterte Alt- Stadtgarten entstanden. Zugleich wurden verschie- stadt“ als Sanierungsgebiet festgesetzt) auch ein dene Promenaden und städtische Parkanlagen wie sehr starker Anstieg im Bereich des Eigenheimbaus, der Stadtpark, die Grünanlage auf der Cyriaksburg der eine zügige Ausweisung von entsprechenden und insbesondere die Grünbereiche entlang des Bauflächen verlangte. So erfolgte mit den Wohn- Flutgrabens angelegt. gebieten Ringelberg im Osten und dem Einfami- lienhausgebiet Marbach im Westen eine größere Wichtige Industriestandorte entstanden zunächst Stadterweiterung in Ost-West-Richtung. dispers außerhalb des Gründerzeitgürtels, später dann konzentriert im Norden und Osten der Stadt Parallel führten die Entwicklung von Einkaufs- entlang der Nordhäuser Eisenbahn. zentren, Bürohäusern sowie der neuen Messe im Bereich der Äußeren Stadt sowie die im Zusam- In den 1920er und 30er Jahren folgte die Errichtung menhang mit Strukturbrüchen der Industrie und der heute noch strukturbestimmenden Sport- und Betriebsaufgaben zahlreich entstandenen Flächen- Verwaltungsstandorte wie das heutige Steigerwald- aufgaben und Umnutzungen zu starken Verände- stadion und das Areal um den heutigen Landtag im rungen der Stadt- und Siedlungsstrukturen. Süden oder die Radrennbahn und das Nordbad in der nördlichen Geraaue. Zeitgleich entstanden ver- Außerdem veränderte sich 1994 mit dem Gesetz zur schiedene Wohnsiedlungen am Stadtrand. Neugliederung der Kreise in Thüringen die räumli- che und damit administrative Ausdehnung Erfurts. Die dritte große Stadterweiterung setzte nach Mit der Eingemeindung von 17 Ortschaften vergrö- 1945 – Erfurt hatte den zweiten Weltkrieg bau- ßerte sich die Fläche der Landeshauptstadt um lich vergleichsweise weitestgehend unbeschadet 150 % auf ca. 26.908 ha. Dabei stieg die Einwohner- überstanden – in Form einer extensiven Wohnungs- zahl lediglich um 6,8 %. Durch diese Gebietsreform bauentwicklung ein. Diese Phase begann haupt- erlangte Erfurt in Ergänzung zur Nord-Süd-Ausrich- sächlich in den 1960er Jahren, dauerte bis Ende tung eine Achsenentwicklung von West nach Ost. der 1980er Jahre und war hauptsächlich Folge der So zeichnet sich entlang der Weimarischen Straße Weiterentwicklung lokaler Industrien sowie des ein Siedlungsband Erfurt-Linderbach-Güterver- gewonnenen Status als Bezirksstadt. Bedingt durch kehrszentrum ab. Im Westen der Innenstadt bilden die topografische Situation und die stadttechni- die Standorte Flughafen/Bindersleben und Messe/ sche Erschließung der neuen Wohnbaustandorte in Schmira das Gegengewicht. Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 31

2.3.2 Siedlungstypen ISEK 2020

Die verschiedenen stadtgeschichtlichen Epochen Diese unterschiedlichen Siedlungstypen, die sich haben die Erfurter Stadtteile und Siedlungsgebiete an den Wachstumsphasen der Stadt orientieren, geprägt und ihnen jeweils ganz spezifische Eigen- wurden bereits im ISEK 2020 definiert. Dabei han- arten und Rahmenbedingungen verliehen, die delte es sich um die eine wichtige Maßgabe für die weitere Stadt- und Quartiersentwicklung darstellen. „Erweiterte Altstadt“ mit City in zentraler Lage, die Mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept wird an dieser Stelle der Ansatz verfolgt, jedem „Innere Stadt“ sowie die Gründerzeitquartie- Teilgebiet eine eigene Rolle innerhalb des städti- re als Teil der Kernstadt, die schen Gefüges zuzuschreiben. „Äußere Stadt“ mit den Großwohnsiedlungen Darauf aufbauend sollen die jeweils typischen in kernstadtnaher Lage sowie um die Charaktermerkmale verbunden mit funktionalen, sozialen, wirtschaftlichen und auch ästhetischen Ortschaften in dörflicher Lage bzw. Qualitäten weiterentwickelt werden. Umlandlage.

2.3.3 Siedlungstypen ISEK 2030

Im Zuge der Fortschreibung des ISEK 2030 wurde 1 Innenstadt mit Altstadt innerhalb dieser Siedlungstypen eine weitere Dif- Die Quartiere der Altstadt und der Innenstadt de- ferenzierung vorgenommen. Dabei wurden folgen- finieren das Zentrum der Stadt Erfurt. Als Altstadt de Kriterien berücksichtigt: gilt der seit dem Hochmittelalter durch die äußere Stadtmauer umschlossene und weitgehend noch Lage in der Stadt, historisch bebaute Siedlungsbereich zwischen dem heutigen Flutgraben und dem Stadtring im Westen typische Baustrukturen, und Norden. Die Altstadt ist heute der Hauptiden- titätsträger für die gesamte Landeshauptstadt. Bezug zur Landschaft und Ausstattung mit Freiraumangeboten, Die (städte)baulichen Strukturen zeichnen sich durch den Kontrastreichtum und die hohe Dichte vorhandene Arten der Nutzungen der umfangreichen, kleinteiligen historischen Bau- (Wohnen, Gewerbe, etc.), substanz aus. Die ehemaligen Wallanlagen bilden dabei die Umrahmung des mittelalterlichen Kerns Grad der Nahversorgung, ab. Am südlichen und östlichen Juri-Gagarin-Ring befinden sich großmaßstäbliche Wohnscheiben in Grad der Ausstattung mit bzw. Ausrichtung industrieller Bauweise. der sozialen Einrichtungen, Mit Blick auf die Frei- und Grünraumversorgung Qualität der Anbindung an den ÖPNV und an sind Innen- und Altstadt trotz der vergleichs- das überörtliche Verkehrsnetz. weise großen Dichte gut versorgt. So durchfließt die Gera mit punktuellen Freiraumangeboten Unter diesen Gesichtspunkten werden nun zehn in ihren Uferbereichen das Stadtzentrum. Um- Siedlungstypen definiert, denen die Erfurter Stadt- fangreiche öffentliche Grünanlagen finden sich quartiere zugeordnet werden können (vgl. Karte 1). zudem auf dem Petersberg. Im Inneren verfügen 32 ISEK Erfurt 2030

zahlreiche Quartiere über begrünte Blockinnen- gründerzeitlichen Stadterweiterung ringartig und bereiche. vor allem entlang des Flutgrabens sowie der Bahn- trasse und Verkehrsachsen entwickelt. Als Handels- und Dienstleistungszentrum der Gesamtstadt mit zahlreichen öffentlichen Einrich- Die Bebauung besteht aus weitgehend geschlos- tungen lokaler, gesamtstädtischer und teilweise sener Blockrandbebauung gründerzeitlichen oberzentraler Bedeutung (bspw. Rathaus, Landes- Ursprungs aus der Zeit zwischen 1880 und 1916, regierung, Theater, Museen) sind Innenstadt und punktuell bis Ende der 1920er Jahre mit Wohnungs- Altstadt stark mit unterschiedlichen Nutzungen bau aufgefüllt. Im Süden sind auch offene Block- durchmischt. Sie sind kulturelle Mitte und das randbebauungen zu finden. Hauptversorgungszentrum der Stadt. Eine Beson- derheit Erfurts ist der hohe Anteil innerstädtischer Punktuell finden sich integrierte Parkanlagen Wohnfunktionen, was der im Vergleich zur heuti- und begrünte Blockinnenbereiche. Die südlichen gen Stadtgröße flächenmäßig auffällig übergroßen Quartiere im Übergang zu den angrenzenden Land- Altstadt geschuldet ist. schaftsräumen sind hingegen eher stark durch- grünt. Die Versorgung mit sozialen Einrichtungen und An- geboten ist ebenso vielfältig wie hochwertig. Ver- Die gründerzeitliche Vorstadt ist durch überwie- kehrstechnisch sind Altstadt und Innenstadt sehr gende Wohnnutzung mit kleinteiligen Angeboten gut versorgt. Alle sechs Stadtbahnlinien erschlie- der Dienstleistung und des Handels gekennzeich- ßen die Altstadt tagsüber jeweils im Zehn-Minu- net. In den östlichen und nordwestlichen Rand- ten-Takt, der Hauptbahnhof liegt südöstlich noch lagen finden sich aber auch gemischt strukturierte innerhalb der Innenstadt. Ein Ring aus städtischen bzw. noch in Teilen gewerblich genutzte Bereiche. Hauptverkehrsachsen umgibt das Zentrum. Zudem bilden die Viertel mit ihren Einrichtungen 2 Städtisches Viertel | Gründerzeitgebiet der Bildung (Fachhochschulen, Universität), der Die Quartiere dieses sehr kompakten Siedlungs- Landesverwaltung sowie mit dem Krankenhaus typs zeichnen sich als Teil der Kernstadt durch ihre einen um die Innenstadt gelegten Gürtel aus ober- zentrale Lage aus. Sie befinden sich im Übergang zentralen Funktionen. zur Innenstadt und haben sich in der Phase der

Fotos 10 und 11: Ackers Partner Städtebau Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 33

Innerhalb des Gründerzeitgürtels sowie insbeson- 4 Großwohnsiedlung dere entlang der Magdeburger Allee als Neben- Als weiterer Teil der Kernstadt gelten die nach 1964 zentrum befinden sich verschiedene zentrale errichteten und räumlich-strukturell eigenständi- Versorgungsbereiche. Die Versorgung mit sozialen gen Großwohnsiedlungen in industriell gefertigter Einrichtungen ist vielfältig und die Anbindung an Segmentbauweise. Sie befinden sich im Norden die Stadtmitte und an das überörtliche Verkehrs- beidseitig der Gera bzw. der Schmalen Gera und am netz sehr gut. Roten Berg sowie im Süden am Herrenberg, Wie- senhügel und Drosselberg. 3 Wohnviertel Die Wohnviertel grenzen an die gründerzeitlichen Die Großwohnsiedlungen sind stark durchgrünte Bestände an und sind ebenfalls noch Teil der Kern- Wohnquartiere, die im Vergleich zu anderen Wohn- stadt. Allerdings ist ihre Baustruktur wesentlich quartieren sehr gut mit vielfältigen Einrichtungen differenzierter und zeigt die Bandbreite der Bau- und Angeboten der sozialen Versorgung sowie mit formen der Zwischen- und Nachkriegszeit (1920 bis eigenen Nahversorgungszentren ausgestattet sind. ca. 1964). Sie bestehen im Wesentlichen aus offener Blockrandbebauung und Zeilenbebauung. Die Erschließung durch den ÖPNV ist durch die Stadtbahnlinien sehr gut und in hoher Frequenz Die Grundstücke sind stark durchgrünt und be- gewährleistet, die Anbindung an das überörtliche ziehen teils großzügige landschaftsgärtnerische Verkehrsnetz über Landesstraßen bzw. städtische Elemente ein. Im Gegensatz zur Gründerzeit ist die Hauptverkehrsachsen ist gut. Nutzungsmischung nur sehr schwach ausgeprägt. Vielmehr sind sie vor allem Wohnquartiere mit öf- 5 Vorort fentlichen und sozialen Einrichtungen von lokaler Die größeren Vororte befinden sich in Nähe der Bedeutung. Nur vereinzelt finden sich hier zentrale Kernstadt und verfügen nicht nur über einen hohen Einrichtungen wie bspw. Gebäude der Landesregie- Anteil an teils dörflich geprägten Einfamilienhäu- rung. sern, sondern auch bereichsweise über einen der Lage angepassten Geschosswohnungsbau aus der Die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz ist Vorwendezeit. Bereits eher ländlich gelegen und gut. Über den dicht getakteten ÖPNV ist die Stadt- historisch nur lose mit der Kernstadt verbunden, mitte auch hier sehr schnell erreichbar. zeigen sie sich heute vor allem durch Wohnnutzun-

Fotos 12 und 13: Ackers Partner Städtebau 34 ISEK Erfurt 2030

gen geprägt, halten aber eine ausreichende Grund- 7 Vorstädtisches Dorf versorgung meist im traditionellen Ortskern vor. Die vorstädtischen Dörfer sind zwar im Umland Teilweise kann im Bereich der sozialen Infrastruktur verortet, wurden jedoch durch starke Siedlungs- (Kita, Schule) jedoch eine vielfältige Ausstattung erweiterungen und die Ausdehnung von Gewer- bestehen. beflächen überformt. Teilweise führte dies zum Verwachsen mit dem Erfurter Stadtkörper. Dörf- Die Anbindungen an das das ÖPNV-System der Stadt liche Ortskerne mit zum Teil landwirtschaftlichen (Stadtbus) bzw. den vertakteten SPNV der Eisenbahn Betrieben blieben dabei erhalten. Die Nutzung ist im VMT sowie an das überörtliche Verkehrsnetz sind eher gemischt und weist punktuell Gewerbeflächen durch die Nähe zur Kernstadt gut ausgebaut. auf. Die Landwirtschaft spielt eine eher unterge- ordnete Rolle. Grundversorgung sowie die Versor- 6 Wohnsiedlung gung mit sozialen Einrichtungen sind als einfach Der Strukturtyp der Wohnsiedlungen beschreibt zu bezeichnen. Quartiere, die in Nähe der Kernstadt nur sehr schwach in das städtische Gefüge integriert sind. Die Anbindungen an das ÖPNV-System der Stadt Sie verfügen nicht über gewachsene Ortskerne, (Stadtbus) bzw. den vertakteten SPNV der Eisen- sondern stellen vielmehr Agglomerationen von Ein- bahn im VMT sowie an das überörtliche Verkehrs- familienhäusern einfacher Baustruktur dar. Durch netz sind in der Regel gut ausgebaut. starke Eingrünung sind sie in die Landschaft integ- riert bzw. von benachbarten Stadtteilen abgegrenzt.

Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs sowie durch soziale Infrastrukturen ist vor Ort nicht gegeben sondern erfolgt vorrangig durch die angrenzenden Ortsteile.

Die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz sowie das ÖPNV-Netz ist im Vergleich zu Siedlungs- dichte und Nutzung angemessen.

Fotos 14 bis 16: Ackers Partner Städtebau Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 35

± Stadtgrundkarte mit Katasterangaben Maßstab: 1:500 Katasterangaben dienen nur zur Information Gemarkung: Nur zur Information für Flur:

Martin (a61zie) Zießnitz Martin Stadtverwaltung Erfurt Flurstück: Datum: 20.05.2019 Nachdruck oder Vervielfältigung verboten

Amt für Stadtentwicklung Telefon: 0361 655-3901 Fax: 0361 655-3909 und Stadtplanung E-Mail: [email protected] 8 Dorf SVEGIS-WebOffice Dabei handelt es sich zumeist um Gruppen frei- Die Dörfer befinden sich ebenfalls im Umlandbe- stehender Einfamilienhäuser und überwiegend von reich, bilden jedoch mit den historischen Ortsker- Wohnen genutzter Gebiete mit vielfältigen land- nen eigenständige Siedlungsbereiche im traditio- schaftlichen Bezügen oder um Streusiedlungen nellen Zusammenhang mit der Landschaft und teils unterschiedlicher Entstehungsgeschichte. Eine Ver- auch noch Landwirtschaft. Sie gelten als beliebte sorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder mit Wohnorte mit vielfältigen Bezügen zur Landschaft sozialen Einrichtungen ist vor Ort nicht gegeben. und konnten in den letzten Jahrzehnten oftmals Die Anbindung an die Verkehrsinfrastrukturen ist eine flächenhafte Siedlungsentwicklung vorweisen. in der Regel schwach ausgebaut. Zugleich nimmt die Mischung mit Landwirtschaft und Gewerbe in den ursprünglich sehr von Land- 10 Wochenend- und Gartensiedlungen wirtschaft geprägten Dörfern weiter stark ab. Neben den vorangestellten neun Siedlungstypen, die sich auf durch den Bestand geprägten Wohnbauflä- Die Versorgung mit Bedarfsgütern sowie Bildungs- chen befinden, bestehen mehrere Bereiche im Stadt- und Sozialeinrichtungen ist nur eingeschränkt gebiet, in denen sich in den zurückliegenden 80 vorhanden und erfolgt eher in den benachbarten Jahren eine behelfsmäßige Wohnnutzung entwickelt bzw. umliegenden Stadtteilen. Hingegen verfügen hat bzw. in denen sich einstmalige Wochenendsied- die Dörfer vielfach über ein stark ausgeprägtes Ge- lungen als dauerhaftes Wohnen etabliert haben. meinschafts- und Vereinsleben.

Die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz ist trotz der peripheren Lage in der Regel gut. Teilweise sind die Dörfer aber auch nur eingeschränkt über Ge- meindestraßen zu erreichen. Für das Erreichen der Erfurter Stadtmitte mit dem ÖPNV ist entfernungs- bedingt mit etwas längeren Fahrzeiten zu rechnen.

9 Isolierte Siedlung Bei den Wohnstandorten dieses Typs handelt es sich um isolierte Siedlungszellen im Umland.

Fotos 17 und 19: Ackers Partner Städtebau | Foto 18 (oben rechts): Stadtverwaltung Erfurt 36 ISEK Erfurt 2030

Karte 1 Analyse der Siedlungstypen

Siedlungstypologie

Karte 1 Analyse der Siedlungstypen

Siedlungstypologie

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 37

2.4 Wohnen und Wohnbedarfsprognose

2.4.1 Wohnungsbestand und Leerstandsentwicklung

Laut der rechnerisch ermittelten städtischen Gleichfalls markant sind die Siedlungen in indust- Gebäudedatei gab es 2016 in Erfurt 111.032 Woh- rieller Bauweise als axiale Stadterweiterungen mit nungen in 29.347 Gebäuden. Im Folgejahr stieg die einer deutlich höheren Geschossigkeit. Diese ma- Anzahl auf 112.002 Wohnungen an. Das bedeutet chen knapp ein Drittel des Wohnungsbestandes aus. einen Zuwachs um knapp 1.000 Wohnungen in einem Jahr. Des Weiteren gehören seit der letzten Gebiets- reform zahlreiche ländlich geprägte Ortsteile zu Erfurt verfügt über eine markante Wohnungsbe- Erfurt, die zusammen mit weiteren Kleinsiedlun- standsstruktur mit einem hohen Anteil an Alt- gen zu einem Anteil von rd. 15 % Ein- und Zweifami- bauten in der historischen Innenstadt, umgeben lienhäuser in der Stadt beitragen. von einem gründerzeitlichen Gürtel an Mehrfami- lienhäusern mit Erweiterungen aus der Zwischen- Insgesamt weist der Erfurter Wohnungsbestand kriegszeit. Diese Quartiere umfassen gut die Hälfte einen hohen Sanierungsgrad sowohl im Altbau als des Erfurter Wohnungsbestandes. auch im industriellen Wohnungsbau auf.

13 Abb. 13 Anteil der Wohnungen nach Gebäudetyp 2016

Mehrfamilienhaus 15,4% 1,4% 1,3% Plattenbau

Ein- und Zweifamilienhaus* 51,4%

überwiegend Gewerbe 30,5%

Stadthaus

* incl. Gartenhaus mit Wohnrecht

Noch 2005 war der Erfurter Wohnungsmarkt durch Leerständen ca. 1.600 in unbewohnten Gebäuden, den Stadtumbau und relativ hohe Leerstände von sogenannten Totalleerständen oder noch nicht 10,9 % geprägt. Danach setzte eine Phase der Kon- fertiggestellten Neubauten, die somit nicht-markt- solidierung ein, die dann um das Jahr 2012 herum aktiv sind. zu einer zunehmend angespannteren Wohnungs- marktsituation führte. Der marktaktive Leerstand betrug 2016 nur 1,7 %. Da diese Quote knapp der erforderlichen Fluktuations- Aktuell im Jahr 2017 beträgt der Leerstand laut der reserve entspricht, muss der Wohnungsmarkt als städtischen Gebäudedatei 3,1 % oder 3.520 Woh- angespannt bezeichnet werden. nungen. Im Jahr zuvor befanden sich von den 3.518

13 Datengrundlage: Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen; Darstellung: Timourou 38 ISEK Erfurt 2030

Ursache dieser Entwicklung ist, dass die Zahl der von Wohnungsreserven im Bestand zehren und ein Haushalte schneller gewachsen ist als die Zahl Anstieg der Neubauquote im Bereich des Geschoss- der Wohnungen, entsprechend hat der Leerstand wohnungsbaus war nicht zwingend erforderlich. abgenommen (vgl. Abb. 14). Bisher konnte Erfurt

14 Abb. 14 Veränderung der Zahl an Haushalten, Wohnungen und Leerständen

Wohnungen/ Haushalte Leerstands- Haushalte Wohnungen quote 150.000 leerstehende Wohnungen 12,5% Leerstandsquote 10,9% 125.000 10,0%

100.000 7,6% 7,5% 75.000 114.221 111.032 5,0% 108.581 107.899 114.996 112.002 50.000 97.443 101.171

2,5% 25.000 3,2% 3,1% 8.187 11.800 3.518 3.520 0 0,0% 2005 2010 2016 2017

14 Datengrundlage: Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen; Darstellung/Berechnung: Timourou Foto 20: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 39

2.4.2 Bautätigkeit

Erfurt ist durch eine relativ stabile Bautätigkeit gekennzeichnet. So wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes von 2012 bis 2017 im Durchschnitt 180 Wohnungen in Ein- und Zweifami- lienhäusern pro Jahr fertiggestellt. Im Bereich des Geschosswohnungsbaus lag das Niveau der Baufer- tigstellungen nach Angaben der Stadt im benannten Zeitraum bei durchschnittlich 250 Wohnungen pro Jahr – ohne Berücksichtigung von Baulückenschlie- ßungen unter zehn Wohnungen. Während sich der Eigenheimbau auf einem verhältnismäßig stabilen Niveau bewegt, unterliegt der Geschosswohnungs- bau stärkeren Schwankungen. So wurden im Bereich der Mehrfamilienhäuser im Jahr 2017 mit 447 Bau- fertigstellungen die meisten und 2012 mit 75 Fertig- stellungen die wenigsten Wohnungen gebaut.

Erfahrungsgemäß werden die Baufertigstellungen von den statistischen Landesämtern teilweise untererfasst oder/und nachträglich über Nachmel- dungen korrigiert. Denn nach Angaben des Thürin- ger Landesamts für Statistik wurden 2012 bis 2017 fast 130 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern pro Jahr fertiggestellt. Beispielsweise wurden seitens der Stadt 2014 fast 80 Wohnungen und 2016 rund 150 Wohnungen mehr erfasst.

15 Abb. 15 Bautätigkeit in Erfurt

Wohnungen TLS insgesamt Mehrfamilienhäuser Ein- und Zweifamilienhäuser 800 Stadt insgesamt Mehrfamilienhäuser 647

600 542

419 397 400 311 288 410 342 311 278 437 447 200 271 254 255 236 229 200 210 165 164 178 168 149 106 123 105 75 75 49 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017

15 ohne Maßnahmen im Bestand, Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik/Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung; Darstellung: Timourou Foto 21: Stadtverwaltung Erfurt 40 ISEK Erfurt 2030

Karte 2 Wohnstandorte

Wohnen

Karte 2 Wohnstandorte

Wohnen

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 41

In Erfurt wurden nach Angaben der Statistischen Schwankungen zurückzuführen: So lag im Bereich Bundes- und Landesämter 2015 und 2016 im Durch- der Ein- und Zweifamilienhäuser das Neubauniveau schnitt 0,49 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern im Jahr 2016 niedriger, während 2015 vergleichswei- und 0,64 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäu- se wenig Geschosswohnungen fertiggestellt wur- sern je 1.000 Einwohner neu gebaut. den. Insgesamt entspricht das Niveau in etwa dem Thüringer Durchschnitt. Unter Berücksichtigung der Insgesamt nahm gegenüber dem Zeitraum 2013 und Angaben der Stadt weist der Trend auf eine deutli- 2014 die Bautätigkeit etwas ab. Dies ist auf jährliche che Zunahme der Bautätigkeit in jüngster Zeit hin.

16 Abb. 16 Bautätigkeit im Thüringer Vergleich (je 1.000 Einwohner)

Wohnungen je 1.000 Einwohner 4,5 2013-2014 2013-2014 2015-2016 2015-2016 4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,0 EZFH MFH EZFH MFH EZFH MFH EZFH MFH EZFH MFH EZFH MFH EZFH MFH Suhl Weimar Gera Eisenach Erfurt Thüringen Jena

Auch wenn in Erfurt im Städtevergleich die Neu- rakteristisch, in denen nicht nur die Nachfrage der bauquoten im Ein- und Zweifamilienhausbereich eigenen Bevölkerung, sondern auch die der umlie- nicht niedrig sind, baut ein Teil der Erfurter Eigen- genden Gebiete mitversorgt wird. tumsbildner im Umland. Denn Neubauquoten von über 0,8 Wohnungen je 1.000 Einwohner sind In allen direkt an Erfurt angrenzenden Gemeinden derzeit in der Regel für ostdeutsche Gebiete cha- – im sogenannten Umlandring 1 – wurden von 2014

16 ohne Maßnahmen im Bestand, Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Berechnungen/Darstellung: Timourou Foto 22: Stadtverwaltung Erfurt 42 ISEK Erfurt 2030

bis 2016 im Durchschnitt 2,01 Wohnungen je 1.000 Das Ausmaß der Suburbanisierung und somit das Einwohner fertiggestellt, was bei rund 32.600 Ein- Erfurter Potenzial lässt sich anhand einer Über- wohnern absolut rund 65 Wohnungen pro Jahr ent- schlagsrechnung verdeutlichen: Angenommen im spricht. In jüngster Zeit ist zudem ein Anstieg der Umlandring 1 und 2 würden die Neubauquoten auf Neubauquoten feststellbar: Zum Vergleich lag im einem Niveau von 0,8 Wohnungen je 1.000 Einwoh- Zeitraum von 2013 bis 2015 das Niveau der Bauakti- ner liegen, das heißt nur der Bedarf der eigenen vitäten noch bei durchschnittlich 1,74 Wohnungen Bevölkerung und nicht zusätzlich der Erfurter wird je 1.000 Einwohner. versorgt, so würden im ersten Ring anstatt 65 nur noch 30 Wohnungen pro Jahr errichtet und im In etwas entfernteren Gemeinden – im sogenann- zweiten Ring anstatt 25 nur noch 10 Wohnungen ten Umlandring 2 – ist die durchschnittliche Neu- pro Jahr. bauquote ebenfalls hoch, wenn auch nicht auf dem gleichen Niveau wie im Umlandring 1. Mit durch- Für Erfurt bedeutet dies schätzungsweise, dass in schnittlich 1,77 Wohnungen pro 1.000 Einwohner der Summe rund 50 Haushalte pro Jahr in das Um- werden in dem Ring mit fast 15.000 Einwohnern land ziehen, dort ein Haus bauen und nicht in der rund 25 Wohnungen pro Jahr gebaut. Im Gegensatz Stadt Erfurt. zum Umlandring 1 blieben dort jedoch die Bauakti- vitäten in den letzten Jahren konstant.

17 Abb. 17 Neubauquoten im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser in den an Erfurt angrenzenden Landkreisen Abb. 16 Neubauquoten im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser in den an Erfurt angrenzenden Landkreisen

starke Zunahme (mehr als 10%) Zunahmestarke Zunahme (5 bis unter (mehr 10%) als 10%) konstantZunahme (-5 (5 bisbis unterunter 5%)10%) Abnahmekonstant (-5 (-10 bis bis unter unter 5%) -5%) starkeAbnahme Abnahme (-10 bis (weniger unter -5%) als -10%) starke Abnahme (weniger als -10%)

17 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik; Berechnungen/Darstellung: Timourou Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 43

2.4.3 Mieten und Preise

Bereits mit der Wohnungsbedarfsprognose 2013 rung des Leerstandes geführt und den Wohnungs- konnte konstatiert werden, dass sich der Erfurter markt zunehmend angespannt. Dies wiederum Wohnungsmarkt nach der Stadtumbauphase kon- führt zu Knappheitspreisen, die sich zuerst bei den solidiert hatte und die Marktmechanismen wieder Angebotsmieten – also der Neuvermietung – be- zu einer breiten Spanne an Mietpreisen geführt merkbar machen. Im Ergebnis liegen die Angebots- haben. mieten für durchschnittliche, typische Wohnungen („hedonische Mieten“) in Erfurt mit 7,21 €/m² auf Dies verdeutlicht auch der Erfurter Mietspiegel von einem hohen und überdurchschnittlichen Niveau 2018 : Bei Wohnungen der industriellen Bauweise (vgl. Abb. 18). Allein in Jena und Weimar werden mit durchschnittlicher Größe und guter Ausstat- Wohnungen zu einem höheren Preis online inse- tung reicht die ortsübliche Vergleichsmiete von riert. 4,70 €/m² nettokalt bis 6,00 €/m², bei älteren Ge- bäuden der Baujahre bis 1967 reichten sie hingegen bis 9,30 €/m², der Neubau ist nochmals ca. 2,00 €/m² teurer.

Die in den letzten Jahren angestiegene Nachfrage nach Wohnungen hat zu einer deutlichen Reduzie-

Abb. 17 Angebotsmieten 2017 im Vergleich 18 Abb. 18 Angebotsmieten 2017 im Vergleich

18 Datengrundlage: ImmobilienScout24, Darstellung: Timourou

44 ISEK Erfurt 2030

Die Anspannung des Wohnungsmarktes zeigt sich Im Zeitraum von 2013 bis 2016 wurden pro Jahr auch bei den Kauffällen der Immobilien und ihren 176 Bestandsimmobilien als Einfamilien-, Reihen- Preisen. Während von 2013 bis 2015 die Anzahl der häuser oder Doppelhaushälften verkauft. Dies ist verkauften Grundstücke für Ein- und Zweifamilien- im Vergleich zu anderen Städten ein relativ hoher häuser relativ konstant bei rd. 195 Grundstücken Anteil, womit sich der deutliche Rückgang 2017 auf pro Jahr lag, sank die Anzahl 2016 auf 128 Kauffälle rd. 140 Kauffälle etwas relativiert. Im Bereich der und 2017 auf 103 Kauffälle. Der Anstieg der Preise Eigentumswohnungen setzte 2017 ebenfalls eine setzte bereits vorher ein. So stieg laut Gutachter- Abnahme ein: Wurden von 2013 bis 2016 im Durch- ausschuss der durchschnittliche Quadratmeter- schnitt knapp 120 Erstverkäufe pro Jahr getätigt, so preis von 120 (2011) auf inzwischen 200 €/m² (2017) waren es 2017 noch fast 90 Kauffälle. Die Preise hin- an. Er liegt damit mehr als drei- bis viermal so hoch gegen sind von 2.500 (2013) auf 3.000 €/m² (2016) wie im Umland – mit Ausnahme von Weimar. Die angestiegen und stagnierten im Folgejahr auf Preisentwicklung im Umland verlief im Gegensatz diesem Niveau. zu Erfurt relativ konstant.

2.4.4 Haushaltsprognose

Für die Betrachtung des Wohnungsmarktes ist damit von der veröffentlichten Einwohnerzahl die Bevölkerungszahl von geringerer Bedeutung ab. Deswegen werden die Ergebnisse der Bevölke- als die Zahl der Haushalte, da die Haushalte die rungsprognose mit einer konstanten Differenz zur eigentlichen Nachfrager nach Wohnraum sind. Die Bevölkerung in Haushalten umgerechnet. Damit Haushaltszahlen werden jedoch empirisch nicht wird angenommen, dass der Anteil der Wohnheim- erfasst, sondern müssen stets berechnet oder ge- plätze konstant bleibt. schätzt werden. Für die Prognose müssen somit die Ergebnisse der Bevölkerungsprognose mit weiter- Die Entwicklung der Haushaltszahlen wird maß- gehenden methodischen Schritten in eine Haus- geblich von der Entwicklung der Bevölkerungszahl haltsprognose überführt werden. Das Ziel bei der bestimmt. Um die Auswirkungen des quantita- Haushaltsprognose ist eine Schätzung, wie sich die tiven Bevölkerungswachstums auf die Zahl der Zahl der Haushalte bis zum Jahr 2030 auf Ebene der Haushalte zu verdeutlichen, wird in einer ersten Gesamtstadt entwickeln wird. Dies stellt wiederum Variante der Haushaltsprognose von einer konstan- die Grundlage für die Abschätzung des künftigen ten Haushaltsgröße ausgegangen. Dabei wird die Wohnungsbedarfs dar. durchschnittliche Haushaltsgröße des Jahres 2015 von 1,83 Personen bis 2030 festgeschrieben. Für den Die Grundlagen der Haushaltsprognose bilden die Prognosezeitraum von 2017 bis 2030 bedeutet dies von der Stadt Erfurt ermittelten Haushaltszahlen für die Variante 1 einen Anstieg um 8.380 auf rund nach dem Haushaltsgenerierungsverfahren HHGen 120.700 Haushalte im Jahre 2030 (vgl. Abb. 19). der letzten Jahre und die aktuelle Bevölkerungspro- gnose der Stadt Erfurt bis 2040. Basisjahr der Haus- haltsprognose ist 2015 mit 111.576 statistischen Privathaushalten. Bei der Haushaltsgenerierung werden Einwohner mit Haupt- und mit Neben- wohnsitz berücksichtigt, nicht jedoch Personen, die in Wohnheimen wohnen. Die der Haushalts- prognose zugrunde liegende Einwohnerzahl weicht Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 45

19 Abb. 19 Entwicklung der Haushaltszahlen nach Varianten bis 2030

Haushalte 140.000 Variante 2 120.000 Variante 1

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000

0

Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass künftig Im Ergebnis wird mit der Variante 2 der Haushalts- nicht nur die quantitative Entwicklung der Bevöl- prognose ein Haushaltsverkleinerungsprozess kerungszahl eine Rolle spielen wird, sondern auch simuliert, bei dem die durchschnittliche Haus- die Entwicklung der Altersstruktur und ein verän- haltsgröße von 1,83 bis 2030 auf 1,77 Personen je dertes Haushaltsbildungsverhalten der Menschen. Haushalt sinken wird. Die Verkleinerung wird bis Daraus resultiert eine Veränderung der Haushalts- ca. 2020 etwas geringer ausfallen als im späteren größenstruktur und der durchschnittlichen Haus- Prognosezeitraum. Für den gesamten Zeitraum von haltsgröße. Deswegen werden mit der Variante 2 2017 bis 2030 resultiert daraus ein im Vergleich zur die folgenden drei Aspekte abgebildet: Variante 1 stärkerer Anstieg der Haushaltszahl um 12.600 auf rd. 125.080 Haushalte (vgl. Abb. 19). Durch die Alterung und darunter vor allem die Zunahme der Über-85-Jährigen wird die Hinter dem Anstieg verbirgt sich ein kontinuier- Zahl kleinerer Haushalte deutlich zunehmen. lich zunehmender Anteil der 1-Personen-Haushalte. Aufgrund der bis ca. 2020 zunehmenden Anzahl an Dieser Prozess wird bis ungefähr 2020 leicht Kindern und Jugendlichen nehmen bis dahin die abgeschwächt, denn anfangs wird die Alters- Anteile der Haushalte mit drei und mehr Personen gruppe der Kinder und Jugendlichen und geringfügig zu, später setzt dort wie auch bei den folglich die Zahl großer Haushalte etwas 2-Personen-Haushalten eine Abnahme ein (vgl. zunehmen. Abb. 20). Absolut betrachtet nehmen sowohl die 1-Personen-Haushalte um rund 10.000 als auch die Der seit vielen Jahren festzustellende Prozess 2- und 3-Personen-Haushalte um rd. 3.000 Haushal- der Singularisierung – die fortschreitende te zu, während die Zahl der großen Haushalte mit Tendenz, alleine zu leben – wird sich abge- vier und mehr Personen um rund 600 sinken wird. schwächt fortsetzen.

19 Berechnungen/Darstellung: Timourou 46 ISEK Erfurt 2030

Abb. 19 Entwicklung der Haushaltsstruktur und -größe (Variante 2)

20 Abb. 20 EntwicklungAnteil in %der Haushaltsstruktur und -größe (Variante 2) Haushaltsgröße 2,00 Anteil in %1,83 1,82 Haushaltsgröße 1,79 1,77 2,00 1,83 1,82 1,79 1,772% 100% 2% 2% 2% 6% 6% 6% 5% 5 und mehr Personen 2% 2% 2% 2% 1,50 100% 12% 12% 11% 11% 6% 5% 5 und mehr Personen 6% 6% 1,50 4 Personen 75% 12% 12% 11% 11% 32% 32% 4 Personen 75% 33% 33% 1,00 3 Personen 32% 32% 50% 33% 33% 1,00 3 Personen 50% 2 Personen 0,50 25% 47% 48% 49% 51% 2 Personen 0,50 1 Person 25% 47% 48% 49% 51% 1 Person 0% 0,00 Haushalts- größe 0% 0,00 Haushalts- größe

Die Haushaltsprognosen sind – wie alle anderen benen Bedingungen die Größenordnungen einer Vorausberechnungen auch – nur das rechnerische möglichen Entwicklung und dienen als Leitlinien

Ergebnis der ihnen zugrundeliegenden Annahmen. strategischen Handelns und nicht als Planungsziel. Sie sind keine Prophezeiungen einer schicksalhaf- In den Folgejahren gilt es, sie immer wieder auf Ab- ten Zukunft. Aber sie vermitteln unter den gege- weichungen hin zu überprüfen.

2.4.5 Wohnungsbedarfsprognose

Methodisch gesehen stellt die Wohnungsbedarfs- Ausgangspunkt prognose eine rein quantitative Abschätzung des Ausgangspunkt der Wohnungsbedarfsprognose Wohnungsbedarfes in Erfurt bis 2030 dar, qualitati- bilden die Ergebnisse der Haushaltsprognose. ve Aussagen, zum Beispiel zur Art von Wohnungen Ihr zufolge nimmt die Wohnungsnachfrage von (Größe, Preis etc.), sind damit nicht möglich. Ein 2017 bis 2030 je nach Variante um 8.380 bis 12.600 wesentliches Ziel der Wohnungsbedarfsprognose Haushalte zu. Darüber hinaus müssen Wohnungs- besteht darin, quantitative Aussagen über die abgänge, die aus baulichen Gründen immer wieder künftige Entwicklung des Bedarfs an Wohnungen stattfinden, ersetzt werden. Von 2013 bis 2015 wur- in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in Mehr- den für Erfurt im Durchschnitt 24 Wohnungsabgän- familienhäusern zu erhalten, um entsprechende ge pro Jahr vom Thüringer Landesamt für Statistik Flächenangebote bereitzustellen. Mit Hilfe der erfasst. Dies entspricht einem Anteil am gesamten Prognose können nicht nur künftige Entwicklungen Wohnungsbestand von rd. 0,02 %. Dies ist ein aus- gesteuert werden, es können auch bisherige Ent- gesprochen niedriger Wert, der seine Ursache in der wicklungen evaluiert werden, um je nach Ergebnis hohen Sanierungstätigkeit der vergangenen Jahre wiederum reagieren zu können. hat. Langfristig ist mit einem Anstieg dieser Rate

20 Brechnungen/Darstellung: Timourou Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 47

zu rechnen, ihre Größenordnung lässt sich jedoch Der wachsenden Nachfrage stehen Reserven in nicht hinreichend genau bestimmen. Deswegen Form von leerstehenden Wohnungen gegenüber. wird in der Wohnungsbedarfsprognose konstant Nach Angaben der Stadt standen 2016 von 111.032 von 25 Wohnungsabgängen pro Jahr ausgegangen. Wohnungen insgesamt 3.518 Wohnungen leer, was Sollten sich zukünftig höhere Zahlen ergeben, so einer Leerstandsquote von 3,2 % entspricht. Wird muss die Prognose um diese Differenz angepasst sie unterschritten, so spannt sich der Wohnungs- werden. markt in allen Segmenten an. Dies wiederum führt zu Knappheitspreisen, also überdurchschnittlich In der Summe folgt ein zusätzlicher Wohnungs- steigenden Mieten. Aus diesem Grund soll als bedarf für den Zeitraum von 2017 bis 2030 je nach wohnungspolitische Zielstellung der Leerstand Variante von 8.730 bis 12.950 Wohnungen, dies nicht unter 3 % sinken. Entsprechend muss der zu- entspricht im Durchschnitt 624 bis 925 Wohnungen sätzliche Wohnungsbedarf ausschließlich aus dem pro Jahr. Im Fall der unteren Variante nimmt der Be- Neubau gedeckt werden. darf von 747 Wohnungen im Jahr 2017 auf 529 Woh- nungen im Jahr 2030 kontinuierlich ab, während In einem zweiten Schritt soll mit der Wohnungs- die wahrscheinlichere obere Variante einen relativ bedarfsprognose ausgehend von dem ermittelten konstanten Zuwachs des Wohnungsbestandes er- Gesamtbedarf der Bedarf in den zwei Teilmärkten gibt (vgl. Abb. 21). Ein- und Zweifamilienhäuser und neue Wohnun- gen im Geschosswohnungsbau abgeleitet werden.

Abb. 20 Wohnungsbedarf in Erfurt bis 2030 21 Abb. 21 Wohnungsbedarf in Erfurt bis 2030 Wohnungen, Haushalte 1.200 Wohnungen, Haushalte 1.200 964 954 965 956 947 1.000 925 930 920 911 915 920 964 954 965 956 947 897 902 892 883 1.000 925 930 920 915 920 911 897 902 892 883 761 747 734 800 761 706 693 Ersatz für Abgänge 747 734 652 800 706 693 638 625 Ersatz für Abgänge 652 584 584 584 638 625 556 556 543 600 584 584 584 529 Haushalte Variante 1 556 556 543 600 529 Haushalte Variante 1

400 Haushalte Variante 2 400 Haushalte Variante 2

200 Bedarf Variante 2 200 Bedarf Variante 2

0 Bedarf Variante 1 0 Bedarf Variante 1

Nachfragentwicklung im Bereich der der entscheidende Träger der Eigentumsbildung. Ein- und Zweifamilienhäuser Methodisch werden deswegen die Bautätigkeits- Inwieweit sich in Zukunft die Nachfrage nach Ein- raten auf diese Altersgruppe und ihre zukünftige und Zweifamilienhäusern entwickeln wird, hängt Entwicklung bezogen. Neben der demografischen maßgeblich von der Entwicklung der Altersgruppe Entwicklung stellen die Flächenpolitik, das Woh- der 30-bis-unter-45-Jährigen ab. Denn diese ist nungs- und Grundstücksangebot, die wirtschaft-

21 Brechnungen/Darstellung: Timourou 48 ISEK Erfurt 2030

liche Entwicklung sowie veränderte Lebens- und Bei der Variante 2 wird von einem Rückgang der Wohnvorstellungen etc. weitere Einflussfaktoren Neubauquote um rd. 44 % auf 2,58 Wohnungen je dar. Um eine realistische Spanne und unterschied- 1.000 Einwohner der Altersgruppe der 30-bis-un- liche Nachfragesituationen zu simulieren, wer- ter-45-Jährigen ausgegangen. Diese Quote ent- den drei Varianten berechnet. Die drei Varianten spricht 0,50 Wohnungen je 1.000 Einwohner und stellen einen wahrscheinlichen Möglichkeitsraum somit einem Niveau, welches beispielsweise 2011 und somit eine valide Grundlage für die Ableitung oder 2016 in Erfurt auftrat. Die Gründe für einen von wohnungs- und stadtentwicklungspolitisch möglichen Rückgang liegen zum einen in der gewünschten Zielzahlen dar. Annahme einer stärkeren Abwanderung in das Umland. Ursache dafür kann eine Verknappung von Die Variante 1 stellt die Fortsetzung der aktuellen (attraktiven) Baugrundstücken sein oder/und ein Bautätigkeit dar. Dabei wird angenommen, dass zu starkes Preisgefälle zwischen der Stadt und dem die aktuelle Bautätigkeit bis 2030 auf dem Niveau Umland. Zum anderen kann als genereller Trend von 4,63 Wohnungen je 1.000 Einwohner der Al- eine Veränderung der Wohnwünsche festgestellt tersgruppe der 30-bis-unter-45-Jährigen konstant werden, weg vom freistehenden Einfamilienhaus bleibt. Entsprechend der prognostizierten Ent- mit eigenem Garten und hin zu urbanerem Wohnen wicklung dieser Altersgruppe werden in den ersten im Geschosswohnungsbau – eine Entwicklung, die Prognosejahren die Neubauzahlen auf rd. 210 Woh- häufig mit dem Schlagwort „zurück in die Stadt“ nungen in Ein- und Zweifamilienhäuser ansteigen etikettiert wird. Im Ergebnis sinkt die Bautätigkeit und anschließend auf rd. 200 Wohnungen im Jahr im Zeitverlauf zuerst etwas und ungefähr 2020 2030 leicht zurückgehen (vgl. Abb. 22). Für den spürbarer ab (vgl. Abb. 22). Von 2017 bis 2030 liegt Zeitraum von 2017 bis 2030 liegt der zusätzliche das Neubauvolumen bei insgesamt 2.155 Wohnun- Neubaubedarf bei insgesamt 2.880 Wohnungen. gen.

22 Abb. 22 Varianten der Nachfrageentwicklung im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser

Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern 300 Variante 3: Anstieg 250

200 Variante 1: Trend

150

100 Variante 2: Rückgang

50

0

22 Brechnungen/Darstellung: Timourou Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 49

Mit der Variante 3 wird hingegen eine ansteigende Um auch hier eine mögliche Spannbreite aufzuzei- Neubauquote auf das Niveau von 6,19 Wohnungen gen, werden zwei Varianten berechnet. So werden je 1.000 Einwohner der besagten Altersgruppe durchschnittliche Grundstücksflächen je neuem simuliert. Dies entspricht einem Anstieg um Einfamilienhaus von 600 m² bzw. 750 m² brutto 34 % und einer Quote von 1,20 Wohnungen je 1.000 einschließlich Erschließungsflächen angesetzt, was Einwohner. Möglich ist dieser Anstieg im Fall einer ca. 480 m² bzw. 600 m² reine Grundstücksfläche offensiven Flächenpolitik, wenn das Angebot von entspricht. (attraktiven) Wohnbauflächen deutlich gesteigert wird. Somit wird eine angebotsorientierte Stra- Wie in Abb. 23 dargestellt, reicht die Spanne der tegie unterstellt, die eine Abwanderung in das Ergebnisse von maximal 255 ha bei durchschnitt- Umland verhindert. Zudem kann die wirtschaftlich lich 750 m² großen Grundstücken in der Variante 3 positive Entwicklung zu einem Anstieg der indivi- „Anstieg“ bis zum Minimum von 130 ha bei kleine- duellen Wohnkaufkraft und letztlich zu einer er- ren Grundstücken bzw. kompakterer Bebauung in höhten Nachfrage nach Bauland führen. Beispiels- der Variante 2 „Rückgang“. In der Variante 1 „Trend“ weise ist aktuell der Anstieg der Neubauaktivitäten mit kleineren Grundstücken beträgt der Wohnbau- in Deutschland um ungefähr 10 % auf die niedrigen flächenbedarf ca. 175 ha. Zinsen zurückzuführen. Im Ergebnis verstärkt die höhere Neubauquote den demografischen Effekt Darüber hinaus kann mit den Berechnungen bis ca. 2020 und auch danach nimmt das Neubau- verdeutlicht werden, wie mit einem geringeren volumen bis 2030 auf rd. 270 Wohnungen zu Flächenverbrauch mehr Bedarf gedeckt werden (vgl. Abb. 22). Im Zeitraum von 2017 bis 2030 liegt kann: So kann auf etwas mehr als 200 ha entweder die Summe der gebauten Wohnungen bei rd. 3.430. der Bedarf entsprechend der Trendvariante mit 750-m²-Grundstücken gedeckt werden oder aber bei Im Ergebnis der drei Varianten zeigt sich eine Span- einer kompakteren Bebauung der um 550 Wohnun- ne der potenziellen Neubautätigkeit von 2.155 bis gen höhere Bedarf der Variante 3. 3.430 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern bis 2030, was einer Differenz von 1.275 Wohnungen Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die entspricht. ermittelten Flächenbedarfe nicht mit einem Bedarf an Neuausweisungen gleichzusetzen sind! Denn Um Aussagen über den Wohnbauflächenbedarf für neben den Neuausweisungen sind weitere Wohn- neue Ein- und Zweifamilienhäuser treffen zu kön- bauflächenpotenziale in Form von Baulücken, noch nen, erfolgt eine Umrechnung der prognostizierten vorhandenen Flächen in Gebieten mit rechtskräf- Wohnungszahlen. Wie viel Fläche pro Wohnung tigen Bebauungsplänen, Wohnbauflächen des Flä- benötigt wird, ist recht unterschiedlich und hängt chennutzungsplans bis hin zu Abrundungen in den im Wesentlichen davon ab, in welchem Markt- Ortsteilen in Form einer Wohnbauflächenbilanz zu segment gebaut wird – Grundstücke des unteren berücksichtigen. Marktsegmentes sind tendenziell kleiner, in wel- chem städtebaulichen Zusammenhang die Flächen stehen – so ist in der Regel der Flächenverbrauch bei Nachverdichtungen deutlich geringer als bei Neuerschließungen – und welche Art der Bebauung Anwendung findet – so verbrauchen freistehende Einfamilienhäuser mehr Fläche als Reihen- oder Doppelhäuser. Je nach wohnungspolitischer und stadtplanerischer Zielstellung kann der Flächenver- brauch in gewissem Umfang beeinflusst werden. 50 ISEK Erfurt 2030

23 Abb. 23 Nachfragevolumen nach Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern

nte 1: nte 2: a i riante 3: a Varia Trend Var Rückgang V Anstieg Wohnungen Fläche (ha)* Wohnungen Fläche (ha)* Wohnungen Fläche (ha)*

insgesamt 600 m² 750 m² insgesamt 600 m² 750 m² insgesamt 600 m² 750 m² kurzfristig (2017-2020) 815 50 60 725 45 55 880 50 65

mittelfristig (2021-2025) 1.045 65 80 800 50 60 1.230 75 90

langfristig (2026-2030) 1.020 60 75 630 35 45 1.320 80 100

insgesamt (2017-2030) 2.880 175 215 2.155 130 160 3.430 205 255

* brutto

Nachfragentwicklung im Bereich des Geschosswohnungsbau angekurbelt und entspre- Geschosswohnungsbaus chende Flächen zur Verfügung gestellt werden. Der Bedarf nach neuen Geschosswohnungen lässt sich rechnerisch über die Differenz des zusätzli- Darüber hinaus wird in den ersten Jahren des chen Wohnungsbedarfs von 8.730 bis 12.950 Woh- Prognosezeitraumes bereits der Höhepunkt des nungen und der Nachfrage nach neuen Wohnungen Neubaubedarfs erreicht. Zwar nimmt im Fall der in Ein- und Zweifamilienhäusern ermitteln. Bezüg- Variante 1 der zusätzliche Bedarf im Laufe der lich der Ein- und Zweifamilienhäuser wird die Jahre etwas ab, doch setzt sich wie erwartet der Trendvariante (Variante 1) mit 2.880 Wohnungen Haushaltsverkleinerungsprozess weiterhin fort, so als kommunale Zielgröße herangezogen. verharrt der zusätzliche Bedarf bis 2030 auf diesem hohen Niveau. Fällt die tatsächliche Nachfrage in diesem Teil- markt jedoch geringer aus, werden mehr Wohnun- gen im Geschosswohnungsbau benötigt. Im Fall einer zunehmenden Eigentumsbildung würde die Nachfrage nach Wohnungen in Mehrfamilienhäu- sern niedriger ausfallen.

Im Ergebnis der Haushaltsprognose werden von 2017 bis 2030 insgesamt 5.850 bis 10.170 Wohnun- gen im Geschosswohnungsbau benötigt.

Mit durchschnittlich 420 bis 720 Wohnungen pro Jahr fällt der zukünftige Bedarf deutlich höher als die bisherige Bauaktivität aus. Im Unterschied zu den letzten Jahren, stehen dem Markt derzeit und künftig keine weiteren Wohnungsreserven aus dem Leerstand zur Verfügung. Folglich müssen der

23 Berechnungen/Darstellung: Timourou Foto 23: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 51

Abb. 24 Varianten der Nachfrageentwicklung im Bereich des Geschosswohnungsbaus 24

1200

1000

164 217 220 800 224 227 313 318 323 327 332 336 341 345 350 354 600

571 552 533 501 482 400 440 428 415 376 378 379 352 352 339 326

200 190 195 201 206 211 211 210 209 208 206 205 205 204 204 203 0 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

Wohnungen in EZFH* Geschosswohnungsbau Variante 1 Geschosswohnungsbau Variante 2

* Ein- und Zweifamilienhäuser

2.4.6 Wohnbaupotenziale

Potenzialflächen gemäß §34 BauGB ab 2010 setzte wieder eine verstärkte Aktivität zu Im städtischen Siedlungsgebiet befinden sich Baulückenschließungen ein. heute nur noch in sehr geringem Umfang kleinere Baulücken, die für eine Lückenschließung im Be- Mittlerweile sind nur noch wenige einzelne inner- stand geeignet sind. Die in der kompakt bebauten städtische Baulücken verblieben, die sich zumeist Erfurter Innenstadt um 1990 vorhandenen Lücken auf stark lärmbelastete Lagen und/oder Eckgrund- waren Ergebnis der Verfallserscheinungen vor stücke konzentrieren. Hier werden zahlenmäßig allem im historischen, häufig denkmalgeschützten nur sehr geringe Reserven im mittleren dreistelli- Bestand gewesen. Kriegszerstörungen waren in gen Bereich geschätzt. Stand 2017 sind ca. 35 Woh- Erfurt nur punktuell zu beklagen. Hinzu traten ab nungsbauvorhaben mit mehr als zehn Wohneinhei- 1992 mehr und mehr Gewerbebrachen im Bestand, ten über §34 BauGB in Vorbereitung, Genehmigung die infolge von Betriebsschließungen im Zuge des oder bereits im Bau. wirtschaftlichen Strukturwandels entstanden. In den Ortsteilen bestehen im Bestand ebenfalls Nach einer ersten Phase von Baulückenschließun- noch kleinteilige Flächenreserven, leer stehende, gen in den Jahren zwischen 1994 und 1998, die sich ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude, die vorwiegend auf die historische Altstadt, insbeson- im Rahmen von §34 BauGB ersetzt werden können. dere das Andreasviertel konzentriert hatte, war Vereinzelt bestehen in den Zeilenbauquartieren die Aktivität zwischen 1998 und 2010 auf wenige der 1950er und 1960er Jahre noch Möglichkeiten für hochpreisige Eigentumswohnanlagen in der Alt- eine bauliche Ergänzung im Bestand. stadt und im Erfurter Süden zurückgegangen. Erst

24 Berechnungen/Darstellung: Timourou 52 ISEK Erfurt 2030

Planbedürftige Potenzialflächen im Bestand Entwicklern vorgenommen wurde, die sich gegen- Das größte gegenwärtige Flächenpotenzial für den wärtig mehr auf den Mehrfamilienhausbau kon- Wohnungsbau besteht in den großflächigeren, zentrieren. Hier besteht ein erheblicher Handlungs- ehemals gewerblich oder industriell genutzten bedarf, der voraussichtlich zu erheblichen Teilen zu innerstädtischen Brachflächen, die sich im oder Ergänzungen in den Ortsteilen führen wird. am Rande des Gründerzeitgürtels befinden. Viel- fach durch Altlasten und aufstehende Bebauung Potenziale in den Großwohnsiedlungen belastet, galten zahlreiche dieser Flächen vor zehn Im Zuge des Stadtumbaus sind in den Großwohn- Jahren noch als dauerhafte Problempunkte im siedlungen in erheblichem Umfang Flächen frei Stadtgebiet, die stark negativ auf das jeweilige geworden, die grundsätzlich für eine ergänzende städtebauliche Umfeld ausstrahlten und deren Re- Neubebauung genutzt werden können und sollten. vitalisierung bzw. temporäre Begrünung erhebliche Vielfach sind die Infrastrukturvoraussetzungen, Kosten verursacht hätte. sowohl leitungsgebunden als auch Straßen, Wege und Plätze, noch gegeben. Die Ausstattung mit Nun bietet sich die Möglichkeit, den Flächendruck sozialer Infrastruktur, Schulen, Kitas und Einkaufs- im Wohnungsbau für die Beseitigung dieser oft möglichkeiten ist häufig gut. Auch kann es für die schwerwiegenden städtebaulichen Missstände zu Weiterentwicklung der Stadtteile sehr von Vorteil nutzen und die Fehlstellen in der Stadtstruktur sein, wenn neue, andersartige Wohnungsangebo- durch neue, stark nachgefragte, urbane Wohn- te und Baustrukturen die Stadtteile vielfältiger quartiere zu korrigieren. Damit können zahlreiche machen. stadtstrukturelle Brüche und Diskontinuitäten im Stadtraum wirkungsvoll abgebaut werden. Allerdings muss auch beachtet werden, dass im Zeitraum von 1998 bis 2008 zu einem erheblichen In zahlreichen Fällen sind diese Flächen so groß, Maße hochgeschossige Gebäude abgebrochen wor- dass zu ihrer Entwicklung Planungsrecht geschaf- den waren, die mit z. B. über 300 Wohneinheiten fen werden muss. So waren im Jahr 2017 über in elf Geschossen mit Mittelgang eine sehr hohe 40 verschiedene Wohnungsbauvorhaben unter- städtebauliche Dichte besaßen. Vielfach war genau schiedlichster Größe mit insgesamt über 4.000 diese sozial schwer zu kontrollierende Dichte der neuen Wohnungen über vorhabenbezogene Bebau- Grund für den besonders hohen Leerstand der ungspläne in Vorbereitung, im Planverfahren oder Objekte – sowie für deren anschließenden Leerzug bereits in Bau – und dies nahezu ausschließlich auf und Abbruch. Hochverdichtete, hochgeschossige vorherigen Brachflächen. Wohnungsbauprojekte sind zudem besonders kostenintensiv. Reserveflächen in Gebieten mit Bebauungsplan Im Zeitraum ab 2010 sind zahlreiche noch vorhan- Hinzu kommt, dass viele der abgerissenen Gebäude dene Reserveflächen in bestehenden B-Plan-Ge- nahe an stark verkehrsbelasteten Straßen lagen, wo bieten erschlossen und aufgesiedelt worden. Dies heute für eine Neubebauung aus Lärmschutzgrün- betrifft insbesondere die beiden Wohnungsbau- den kein Planungsrecht mehr geschaffen werden standorte Marbach im Westen und Ringelberg im könnte. Um die baulichen Nachnutzungspotenziale Osten. Hier werden die verfügbaren Grundstücke, auf diesen Flächen zu ermitteln, wurde 2017 eine in der Regel Ein- und Zweifamilienhausgrund- entsprechende Studie als Teilräumliches Konzept stücke, bis 2020 vollständig bebaut sein. Für die beauftragt. Aus einer ersten kursorischen Prüfung Neuerschließung gerade in diesem Marktsegment lässt sich ableiten, dass im Rahmen einer maßvol- fehlt es häufig an geeigneten Flächen. Zudem ist len städtebaulichen Ergänzung auf den Rückbau- die Erschließung mit hohen Kosten verbunden, die flächen in den Großsiedlungen Neubauten mit ins- im Regelfall bislang von Erschließungsträgern oder gesamt maximal ca. 2.300 Wohneinheiten errichtet Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 53

werden könnten. Hiervon befinden sich bereits Rieth 400 Wohnungen im Planverfahren. Im Stadtteil Rieth befinden sich laut Studie etwa 3,9 ha Rückbaufläche, wovon ca. 3,4 ha als für neuen Berliner Platz Wohnungsbau geeignet eingeschätzt werden. Der an die Stadtmitte sehr gut räumlich ange- Diese verteilen sich auf eine Fläche im Norden des bundene Stadtteil Berliner Platz ist von allen Stadtteils sowie eine größere Fläche nördlich der betrachteten Stadtteilen mit Großsiedlungen am Vilniuser Straße, deren Südseite als Standort für wenigsten von Rückbau betroffen. Lediglich im Be- die neue Schwimmhalle im Erfurter Norden derzeit reich Hanoier Straße in Nachbarschaft zur Geraaue geprüft wird. Darüber hinaus besteht entlang der wurde eine Wohnscheibe abgebrochen. Auf dieser Vilniuser Straße die Chance, einen Quartiersplatz Rückbaufläche sowie dem südöstlich angrenzen- herauszubilden. den Bereich bis zur Warschauer Straße befindet sich das neue Wohngebiet „Berliner Terrassen“ Roter Berg mit ca. 180 Wohnungen in Planung. Abgesehen Der Stadtteil Roter Berg besitzt mit ca. 17,1 ha Rück- von dieser Wohnungsbauentwicklung verfügt der baufläche das größte Wohnungsbaupotenzial aller Stadtteil Berliner Platz über kein weiteres Nachver- untersuchten Großsiedlungen, denn auf dichtungspotenzial. 15 ha dieser Gesamtfläche wäre ein Wohnungsneu- bau denkbar. Im nördlichen Bereich des Stadtteils Moskauer Platz könnte mit einer in Richtung Thüringer Zoopark Der nördlich an den Berliner Platz angrenzende abgetreppten Gebäudestruktur der derzeit vor- Stadtteil Moskauer Platz verfügt ebenfalls über handene harte Siedlungsrand der bestehenden die Lagegunst der direkten Anbindung an die Großsiedlung aufgebrochen werden. Vor allem im Nördliche Geraaue, jedoch in größerer Distanz zur nordöstlichen und östlichen Bereich kann eine Stadtmitte. Sowohl im Inneren als auch am Rand strukturelle Vernähung mit der Roter-Berg-Sied- des Stadtteils befinden sich insgesamt 6,5 ha Rück- lung gelingen. Im Inneren des Roten Berges entlang baufläche, von denen ca. 5,6 ha für einen neuen der Stadtbahntrasse nördlich des Stadtteilzen- Wohnungsbau in Betracht kommen können. trums kann durch einen neuen Geschosswohnungs- bau ein Quartierspark räumlich gefasst werden. Im Bereich nördlich der Ulan-Bator-Straße besteht Im südlichen Stadtteil sind vorhandene Rückbau- die Möglichkeit, die Großsiedlung mit dem an- flächen aufgrund der Lärmsituation entlang der grenzenden Ortsteil Gispersleben-Kiliani stadt- Verkehrsachse Am Roten Berg nicht für einen neuen strukturell zu vernähen. Mit der unmittelbar vor Wohnungsbau geeignet. Baubeginn befindlichen Wohnanlage „Am Kiliani- park“ sowie der Planung zur Wohnanlage „Zittauer Terrassen“ wird dieses Potenzial bereits aufgegrif- fen.

Im Bereich Talliner Straße sollen in einem Pilotpro- jekt der KoWo zu einem neuen seriellen und kos- tengünstigen Wohnungsbau etwa 100 Wohnungen entstehen. Weitere Rückbauflächen im Inneren des Stadtteils bieten die Möglichkeit, die städtebau- liche Struktur durch neuen Wohnungsbau wieder zu schließen.

Foto 24: Ackers Partner Städtebau 54 ISEK Erfurt 2030

Herrenberg Wiesenhügel Der Stadtteil Herrenberg in Erfurt-Südost birgt Auch die Rückbauflächen im Stadtteil Wiesenhügel ca. 4,7 ha von insgesamt 5,1 ha Rückbaufläche, mit insgesamt 4,8 ha sind im Vergleich zu denen welche für neuen Wohnungsbau als geeignet in Erfurt-Nord topografisch reizvoller. Von der eingeschätzt werden. Generell stellt der Stadtteil Gesamtfläche können 4,1 ha für Wohnungsneubau aufgrund seiner Topografie im Vergleich zu den verwendet werden. Diese befinden sich kleinteilig untersuchten Stadtteilen in Erfurt-Nord höhere in den Bereichen Seidelbastweg und Sauerdornweg Ansprüche an den Wohnungsbau, was jedoch auch sowie großflächiger am südwestlichen Ende des attraktive Wohnlagen in Terrassenbauweise ermög- Stadtteils. In diesem Bereich besteht die Stand- licht. Vor allem im westlichen Bereich des Kleinen ortgunst des direkten Zuganges in eine attraktive Herrenbergs besteht hier Potenzial. Im Bereich offene Landschaft. Hermann-Brill-Straße/Singerstraße befindet sich bereits ein Bebauungsplan für ein neues Wohn- gebiet inklusive Kindertagesstätte in Aufstellung. Von der Hermann-Brill-Straße Richtung Osten bestehen weitere Potenziale zur städtebaulichen Ergänzung des Stadtteils.

Foto 25: Ackers Partner Städtebau Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 55

Abb. 24 Kartenausschnitte Neubaustandorte auf Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen Abb. 24 Kartenausschnitte Neubaustandorte auf Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen

Abb. 24 KartenausschnitteAbb. 24 Kartenausschnitte Neubaustandorte Neubaustandorte auf Rückbauflächen auf Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen in den Großwohnsiedlungen 25 Abb. 25 Kartenausschnitte Neubaustandorte auf Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen

Wohnungsbaupotenziale Wohnungsbaupotenziale Wohnungsbaupotenziale Wohnungsbaupotenziale Wohnungsbaupotenziale

25 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, ISEK Erfurt, Fortschreibung: Teilräumliches Entwicklungspotenzial der Großsiedlungen; Ackers Partner Städtebau, 2018

56 ISEK Erfurt 2030

Gesamtbetrachtung könnten damit bis 2028 durchschnittlich zwischen Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass 600 und 700 WE pro Jahr neu erstellt werden. insgesamt innerhalb des bebauten Stadtgebiets ein Neubaupotenzial von etwa 6.000 WE besteht, Hinzu kommen die bislang nicht überplanten Nach- von denen ein Großteil bereits in Vorbereitung, im nutzungspotenziale in den Großwohnsiedlungen Verfahren, in Genehmigung oder im Bau befindlich in der Größenordnung von weiteren etwa 1.900 WE, ist. Dieses Potenzial verteilt sich aktuell auf ca. 100 die bislang noch vakant sind. Einzelprojekte mit Projektgrößen zwischen 15 und 450 WE. Die Durchschnittsgröße beträgt etwa Sind alle diese Potenziale erschöpft, muss ein 70 WE pro Projekt. Wenn es zu keinen Trendbrü- weiteres Stadtwachstum auf bislang nicht versie- chen oder anderen Umbruchsituationen kommt, geltem Gebiet erfolgen.

2.4.7 Soziale Wohnraumversorgung

Unter sozialer Wohnraumversorgung im engeren Transferleistungsbezieher Sinne wird der geförderte Wohnraum mit Miet- preis- und Belegungsbindungen verstanden (Ob- 2016 bezogen 2.819 Haushalte Wohngeld jektförderung). Des Weiteren ist die Subjektförde- (Mietzuschuss), dies sind 28 % weniger als rung zu nennen, also die finanzielle Unterstützung 2011, aktuell steigt die Anzahl aufgrund der von einkommensschwachen Haushalten mit Wohn- Wohngeldreform jedoch wieder an; geld oder bei Bedarfsgemeinschaften die Übernah- me der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (KdU). 12.345 Bedarfsgemeinschaften bezogen Leis- Rein quantitativ hat in Erfurt die Subjektförderung tungen für die Bedarfe von Unterkunft und eine viel größere Bedeutung als die Objektförde- Heizung (KdU) nach SGB II (2016), ihre Anzahl rung. Zentrale Aufgabe kommunaler Wohnungspo- sank seit 2011 um 18 %; litik ist es, die Versorgung einkommensschwacher Haushalte mit preiswertem Wohnraum zu gewähr- 2.774 Personen erhielten Leistungen nach leisten. Zu den einkommensschwachen Haushalten SGB XII (2016), die die Grundsicherung im gehören nicht nur Bedarfsgemeinschaften und Alter umfasst sowie allgemeine Hilfe zum Wohngeldempfänger, sondern noch andere Gering- Lebensunterhalt (ohne Empfänger, die in Ein- verdiener ohne Transferleistungsbezug, wie ein Teil richtungen versorgt werden); seit 2011 stieg der Rentner, Arbeitslose oder Studierende. Folglich die Anzahl um 10 %; stellen sie zwar eine heterogene Gruppe mit unter- schiedlichen Ansprüchen an den Wohnraum dar, 844 Personen bezogen Regelleistungen nach welche jedoch gegenüber (Miet-) Preiserhöhungen dem Asylbewerberleistungsgesetz (2016), gleichermaßen höchst sensibel reagiert. was einem Anstieg um 83 % gegenüber 2011 entspricht. Insgesamt lassen sich die folgenden acht Gruppen unterscheiden. Nach Angaben des Thüringer Lan- Personengruppen mit Einkommen geringfügig über desamtes für Statistik sind unterschiedlich viele Transferleistungsniveau Personen beziehungsweise Haushalte betroffen und es zeichnen sich gegenüber 2011 sowohl zuneh- 9.953 Studierende waren im Wintersemester mende, konstante als auch abnehmende Entwick- 2016 immatrikuliert, die Anzahl blieb seit lungen ab (vgl. Abb. 26): 2011 relativ konstant; Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 57

8.142 Personen waren arbeitslos gemeldet künftige Entwicklung der jeweiligen Anzahlen nur (2016) und seit 2011 sank die Anzahl um 24 %; schwer prognostizierbar: Wie viele Asylbewerber in Erfurt einen Antrag stellen, hängt unter anderem 46.127 Personen waren 65 Jahre alt und älter von der Situation in den Herkunftsländern ab, und (2016), was gegenüber 2011 einem Anstieg um die Anzahl der Arbeitslosen oder SGB-II-Bezieher 8 % entspricht; wiederum ist von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig, etc. Auf der anderen Seite werden die Besonders sensibel gegenüber Mietpreisstei- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde- gerungen reagieren sonstige Geringverdiener rung sowie das Wohngeld in Zukunft an Bedeu- – ihr Einkommen ist zwar auf einem niedri- tung gewinnen, denn einerseits wird quantitativ gen Niveau, jedoch so hoch, dass sie gerade gesehen die Anzahl der Senioren nennenswert keinen Anspruch auf Transferleistungen mehr ansteigen. Andererseits werden mehr Personen von haben. Zu ihnen gibt es keine Statistiken zur der Altersarmut betroffen sein, denn die Alters- Anzahl und Entwicklung. kohorte der aktuell 45-bis-65-Jährigen – und damit der zukünftigen Senioren – weist größere Anteile Wie viele einkommensschwache Haushalte in an temporärer Arbeitslosigkeit und geringfügiger Erfurt leben, ist nur schwer zu beantworten, denn Beschäftigung auf als die aktuelle Seniorengene- bei den aufgeführten Nachfragegruppen existieren ration. In der Summe wird die Anzahl der einkom- teilweise Überscheidungen – nicht alle Senioren mensschwachen Haushalte derzeit auf rund 33.000 verfügen über ein niedriges Einkommen und wenn Haushalte geschätzt, was ungefähr einem Anteil doch, können Wohngeld oder Leistungen nach SGB von 30 % an allen Haushalten entspricht. XII bezogen werden. Darüber hinaus ist die zu-

26 Abb. 26 Einkommensschwache Haushalte 2016

* nur Haushalte mit Mietzuschuss ** ohne Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen

26 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik; Darstellung: Timourou 58 ISEK Erfurt 2030

2.4.8 Wohnen im Alter

Bis 2030 werden in Erfurt nicht nur die Einwohner- Zur Beantwortung der Frage, wie sich der demo- und Haushaltszahlen zunehmen, sondern auch die grafische Wandel in Erfurt auf die Pflegebedürftig- Gruppe der Senioren. Der demografische Wandel keit auswirken könnte, soll folgende Überlegung bewirkt von 2017 bis 2030 eine kontinuierliche angestellt werden: Da für Erfurt keine Daten zu den Zunahme der 65-Jährigen und Älterer um 8.425 auf Pflegebedürftigen nach Altersgruppen vorliegen, 55.100 Senioren. Dementsprechend gewinnt auch sollen die Pflegequoten von Thüringen herange- das Thema Wohnen im Alter weiter an Bedeutung. zogen werden, denn die Pflegebedürftigkeit und Dabei ist das Themenfeld sehr komplex und viel- somit die Pflegequote27 nehmen im Laufe des seitig, denn Senioren haben ganz unterschiedliche Lebensalters zu. Überschlägig verdoppelt sie sich Wohnwünsche und -ansprüche. Im Wesentlichen alle fünf Lebensjahre (vgl. Abb. 27). lassen sich fünf Wohnformen unterscheiden, die je nach persönlichen Wohnvorstellungen und körper- Es wird davon ausgegangen, dass die Abweichun- lichen Möglichkeiten unterschiedlich stark nach- gen der Pflegequoten zwischen Thüringen und gefragt werden: Erfurt gering ausfallen, da sich die Altersstruktur der Bevölkerung kaum unterscheidet. Allerdings ist normale Wohnung, angebotsbedingt in einer Stadt und somit auch in Erfurt eine Verschiebung hin zu mehr stationär ver- altersgerechte Wohnung, sorgten Pflegebedürftigen denkbar. Um Fehlinter- pretationen zu vermeiden, wird letztendlich nicht Wohngemeinschaft und Wohnprojekte, das Niveau, sondern die Veränderung ausschlag- gebend sein. Weiterhin basiert die Schätzung auf betreutes Wohnen, den Ergebnissen der aktuellen städtischen Bevöl- kerungsprognose und auf der Annahme gleichblei- Heime. bender Pflegequoten von 2015 sowie eines konstan- ten Anteils stationärer Pflege. Der Großteil der Senioren wohnt derzeit und auch zukünftig in einer normalen Wohnung, wird dort alt und verstirbt. Ein anderer Teil wird im Laufe des Seniorenalters pflegebedürftig. Vor allem bei älteren Senioren (80 Jahre und älter) steigt der Pflegebedarf an. Zentrale Frage ist, in welchem Um- fang die Pflegebedürftigen ambulant – also in ihrer Wohnung – oder stationär in Pflegeeinrichtungen versorgt werden können oder sollen.

Nach Angaben der Pflegestatistik des Thüringer Landesamtes für Statistik gibt es in Erfurt 30 ambu- lante und 21 stationäre Pflegeeinrichtungen (2015). In diesen wurden im Dezember 2015 rund 1.500 Pfle- gebedürftige von ambulanten Pflegediensten und 2.600 stationär versorgt. Weitere rund 3.600 Perso- nen erhielten ausschließlich Pflegegeld, das heißt, sie wurden von Familienangehörigen gepflegt.

27 Unter Pflegequoten wird der Anteil der Pflegebedürftigen eines bestimmten Alters an der Bevölkerungszahl dieses Alters verstanden. Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 59

28 Abb. 27 Pflegequoten von durch ambulante Pflegedienste und stationär versorgten Pflegebedürftigen, Thüringen 2015

Pflegequoten in % 60%

40%

52% 20% 32% 29% 16% 3% 3% 14% 0% 0% 0% 0% 2% 1% 1% 6% 7% 0% unter 15 15 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 90 und älter

ambulant und stationär stationär

Im Ergebnis würde die Zahl der stationär und am- Pflege möglich ist. Diese altersgerechten Wohnun- bulant versorgten Pflegebedürftigen bis 2030 um gen müssen möglichst barrierearm sein und über rund 1.500 Senioren beziehungsweise gut 40 % stei- ausreichend Bewegungsflächen verfügen, was auf gen. Dieser Anstieg wird vor allem bis 2025 statt- viele Bestandswohnungen – aber teilweise auch finden, von 2025 bis 2030 wird die Anzahl nur noch Eigenheime – nicht zutrifft. Insofern müssen zu- etwas zunehmen, da die Zahl der älteren Senioren künftig deutlich mehr altersgerechte Wohnungen dann nicht mehr ansteigt. Würde das Verhältnis durch Anpassungen im Bestand geschaffen werden. von ambulanter zu stationärer Versorgung kons- Darüber hinaus ist es erforderlich, für die zuneh- tant bleiben, würden rund zwei Drittel der zusätz- mende Zahl an demenzkranken Menschen betreute lichen Pflegebedürftigen einer stationären Betreu- Wohnungen (Demenz-WGs) im Neubau oder durch ung bedürfen. Dies würde einen entsprechenden Umbau im Bestand zu schaffen. Ausbau der Kapazitäten erfordern, was gleichzeitig einen geringeren Wohnungsbedarf von fast 1.000 Wohnungen bedeuten würde.

Diesen Überlegungen stehen jedoch zwei Aspekte entgegen: Mit dem 2017 in Kraft getretenen Zwei- ten Pflegestärkungsgesetz sollen zum einen mehr Menschen – insbesondere Menschen mit Demenz – mehr Pflegeleistungen zukommen und zum anderen soll die ambulante Pflege gestärkt wer- den. Letzteres trifft auf den generellen Trend, der ambulanten Pflege vor der stationären den Vorrang zu geben. Neben dem erforderlichen Pflegeperso- nal setzt dies jedoch Wohnungen voraus, in denen

28 Hinweis: Hinzu kommen noch Pflegebedürftige, die Pflegegeld erhalten. Für diese Gruppe liegen für Thüringen und Erfurt jedoch keine altersgruppenspezi- fischen Zahlen vor. Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik; Berechnungen/Darstellung: Timourou 60 ISEK Erfurt 2030

2.5 Wirtschaft, Beschäftigung, Handel

Die Landeshauptstadt Erfurt weist eine diversi- (Ernährungsgewerbe, Maschinenbau, DV-Geräte/ fizierte, zukunftsfähige Branchenstruktur auf, Elektronik/Optik – mit der Solarindustrie) unter- die sich in den letzten Jahren zunehmend breiter durchschnittlich, während andere Branchen (Glas/ aufstellen konnte. Neben größeren Betriebsein- Keramik/Steine und Erden, Herstellung von Metal- heiten besteht jedoch das Gros der Unternehmen lerzeugnissen, Reparatur und Installation) über- aus Unternehmenseinheiten mit weniger als zehn durchschnittlich wachsen. Beschäftigten. Im Dienstleistungssektor sind es vor allem die frei- Die Strukturanalyse des Gewerbeflächenentwick- beruflichen wirtschaftlichen Dienstleistungen, die lungskonzepts 203029 zeigt dabei jedoch einen starke Zuwächse aufweisen können. Zudem ist der Bedeutungsverlust im Sektor des verarbeitenden Logistiksektor von zunehmender Bedeutung und Gewerbes und eine Zunahme des Dienstleistungs- ist vor allem in den Bereichen Handelslogistik und sektors. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes E-Commerce-Logistik gewachsen. entwickeln sich besonders die Leitbranchen

30 Tabelle 3 Ausgewählte Daten zur Wirtschaftsleistung Erfurts

Indikator Wert Stand Erwerbstätige insgesamt 141.400 01.08.2017 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort 109.414 30.06.2017 Einpendler 31 49.586 / 45,3 % 30.06.2017 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort 85.419 30.06.2017 Auspendler 32 22.696 / 27,5 % 30.06.2017 Arbeitslose / AL-Quote 6.661 / 6,0 % 01.05.2018 Bestand an gemeldeten offenen Arbeitsstellen 2.820 01.05.2018

2.5.1 Industrie- und Gewerbeflächen

Für Unternehmen, insbesondere aus dem produ- Aktuell sind jedoch kaum Großflächen für eine zierenden und Dienstleistungsbereich, werden in Gewerbeentwicklung verfügbar. Laut Ermittlung der Landeshauptstadt Ansiedlungsmöglichkeiten des Gewerbeflächenkonzepts 2030 besteht ein an- in 14 erschlossenen Gewerbegebieten angeboten. hand von Modellrechnungen ermittelter Bedarf an Darüber hinaus besteht weiterhin die Möglichkeit, gewerblichen Flächen zwischen 91 ha und sich auf einzelnen Gewerbegrundstücken inner- 307 ha Nettobauland. Die große Spannweite ist halb der Altstandorte niederzulassen, Kapazitäten durch den Bedarf des Logistikgewerbes begründet, in den Gewerbeparks zu nutzen oder Produktions-, der zwischen rd. 16 ha und 236 ha liegt. Der Extrem- Lager-, Büro- und Einzelhandelsflächen anzumieten wert von knapp 240 ha spiegelt die sehr positive bzw. zu erwerben. Entwicklung in den letzten Jahren wider und be-

29 Dr. Donato Acocella Stadt- und Regionalentwicklung, Gewerbeflächenentwicklungskonzept 2030 für die Landeshauptstadt Erfurt, Dezember 2015 30 Bundesagentur für Arbeit 31 Thüringer Landesamt für Statistik 32 Thüringer Landesamt für Statistik Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 61

rücksichtigt ähnliche Zuwächse in der Zukunft. Der orten) in Vorbereitung für eine gewerbliche Bedarf der anderen gewerblichen Nutzungen liegt Nutzung. Der rechnerische Bedarf spiegelt jedoch zwischen 52 und 74 ha. nicht die mittelfristig notwendige Bedarfsfläche wider, denn Erfurt verfügt über keine größeren Das aktuell im Stadtgebiet vorhandene Gewer- zusammenhängenden und vermarktungsfähigen beflächenangebot umfasst rund 40 ha (30 ha in Gewerbe- und Industrieflächen, die es ermöglichen, Logistikstandorten, 10 ha in anderen gewerblichen Unternehmensansiedlungen in ausreichendem Standorten). Darüber hinaus befinden sich rund Maße durchzuführen. 87 ha Potenzialflächen (10 ha in Logistikstand-

33 Tabelle 4 Statistisches Kurzportrait zum Wirtschaftsstandort Erfurt

Unter- Arbeits- Standort Fläche Branchen nehmen kräfte Überm Feldgarten 7,09 ha 10 Großhandel, Hotel, Dienstleistungen 200 Vor den Streichteichen Vieselbach 20,73 ha 12 Großhandel, Spedition, Bau, Elektronik 270 Unterm Fichtenwege Kerspleben 39,60 ha 60 Metallbau, Maschinenbau, Großhandel, Bau, Logistik, Software 1.600 Thüringengewerbepark 13,34 ha 8 Kfz, Dienstleistungen 90 Stotternheimer Straße 11,05 ha 20 Großhandel, Bau, Kfz 400 Schwanseer Straße 7,66 ha 16 Elektronik, Maschinenbau, Dienstleistungen, Handwerk, Kfz 250 Nördlich Sulzer Siedlung 30,10 ha 35 Maschinenbau, Logistik, Bau, Nahrungsgüter, Software 1.200 39,20 ha 4 Bau, Logistik, Dienstleistungen 250 Ludwigstein (persp. 1.300) 16,44 ha 41 Maschinenbau, Bau, Transport, Dienstleistungen für Unternehmen, 1.000 Kalkreiße Kfz Internationales Logistikzentrum 77,50 ha 3 Logistik 700 Erfurt (ILZ) Güterverkehrszentrum Erfurt (GVZ) 218,00 ha 60 Logistik, Sensorik, Bau, Großhandel 4.500 10,02 ha 8 Hauptfeuer- und Rettungswache, Sicherheitsfirmen, 500 Gefahrenschutzzentrum Blutspendeinstitut Forschungs- und Industriezentrum 14,61 ha 12 Entwicklung und Produktion elektronischer Bauelemente, 600 Erfurt-Südost (FIZ) Photovoltaik, Mikrosystemtechnik 11,00 ha 60 IT-Dienstleister, Softwareentwicklung, Callcenter, Ingenieurbüros, 2.500 Bürostadt Airfurt Hauptzollamt

Im Gewerbeflächenkonzept wird zwischen vier Ein Defizit von rd. 21 ha Nettobauland ist im Be- Qualitätskategorien unterschieden: einfaches reich der hochwertigen Standorte zu verzeichnen. Gewerbegebiet, höherwertiges Gewerbegebiet, Weiterhin fehlen große zusammenhängende und Standort für produzierendes Gewerbe und Büro- industriell nutzbare Grundstücke. standorte.

33 Stadtverwaltung Erfurt, http://www.erfurt.de/ef/de/wirtschaft/wirtschaftsstandort/daten/index.html, abgerufen am 03.10.2017 62 ISEK Erfurt 2030

Mit den in Entwicklung befindlichen Standorten geben oder flächenmäßig deutlich reduziert wurde. Bernauer Straße und Urbich-Süd können ent- Exemplarisch sind hier die Bereiche Am Roten Berg, sprechende Standorte geschaffen werden, um Stotternheimer Straße, Salinenstraße und Kohlehof das Defizit zu decken. Im Gebiet Bernauer Straße zu nennen. Grundsätzlich bilden diese Standorte besteht die Möglichkeit, 40 ha Nettobauland für ein erhebliches Potenzial gewerblich nutzbarer gewerblich-industrielle Ansiedlungen mit einer Flächen oder Gebäude. Der überwiegende Teil ist Mindestgröße von zwei Hektar zu entwickeln. Ein jedoch durch eine Reihe von Missständen oder höherwertiges Gewerbegebiet für technologische Mobilisierungshemmnissen betroffen (große un- Betriebe ist am Standort Urbich-Süd in der Größe genutzte Bereiche, Unternutzungen, Altlasten, Er- von 31,5 ha Nettobauland vorgesehen. schließungsmängel, etc.). Aus diesen Gründen sind sie aktuell oftmals weniger konkurrenzfähig und Darüber hinaus finden sich in Erfurt in erheblichem kaum oder nicht vermarktbar. Maße Altstandorte, deren vorherige Nutzung aufge-

Foto 26: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 63

Karte 3 Wirtschaftsstandorte

Karte 3 Wirtschaftsstandorte Karte 3 Wirtschaftsstandorte

Gewerbegebiete

Gewerbegebiete Gewerbegebiete

64 ISEK Erfurt 2030

2.5.2 Branchenentwicklung

Maschinen- und Anlagenbau oder „Fertigungstechnik und Metallbearbeitung in Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine der tradi- Thüringen“ (FerMeTh) sind auf die Weiterentwick- tionsreichsten der in Erfurt ansässigen Branchen lung der Branche ausgerichtet. – schwerpunktmäßig noch heute im ältesten, 1912 angelegten Industriegebiet im Norden der Stadt zu Mikrosystemtechnik finden. Die besonderen Kompetenzen liegen hier Seit den 1960er und vermehrt seit den 1980er in der Herstellung von Pressen, Pumpen, Schaltan- Jahren entstanden in Erfurt moderne Chipfabriken lagen und Generatoren. Neben den Großbetrieben mit angegliedertem Forschungszentrum. Unter haben sich in den letzten 25 Jahren zunehmend Nutzung des wissenschaftlich technischen Know- kleine und mittlere Unternehmen der Branche in hows sowie des Fachkräftepotenzials siedelten den umliegenden, neu erschlossenen Gewerbege- sich nach 1990 weitere Hochtechnologieunterneh- bieten etabliert. men an. Heute umfasst das Spektrum des Techno- logiestandortes Erfurt die Mikrosystemtechnik und Mit Blick auf die Arbeitskräftepotenziale sind in Mikroelektronik, Photovoltaik und Sensorik. Bezug auf den Maschinenbau besonders die Kon- takte zur Technischen Universität Ilmenau sowie zu Die IT-Branche hat sich in den letzten Jahren den Fachhochschulen Jena und Schmalkalden von sowohl in der Anzahl als auch in den Betriebsgrö- Bedeutung. Bezüglich der qualifizierten Arbeits- ßen deutlich verbessert. Wachsende und häufig kräfte in den Bereichen Werkstoffwissenschaften, inhabergeführte Unternehmen mit einem zuneh- Konstruktion, Produktions-, Elektro- und Automati- menden Bedarf an Fachkräften prägen vermehrt sierungstechnik weitet sich der direkte räumliche die Branche. Meist fehlt ihnen bisher jedoch noch Bezug auf ganz Thüringen aus. Zur beruflichen Aus- die Bekanntheit auf dem Weltmarkt, weil sie nicht bildung sind weiterhin die zahlreichen staatlichen an der Börse notiert sind. Diese Unternehmen und privaten Ausbildungsstandorte von Bedeutung. beanspruchen nicht mehr die Flächen an Quanti- Clusterinitiativen wie „automotive thüringen e. V.“ tät, sondern erwarten ein hohes Maß an qualitativ

Foto 27: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 65

hochwertigen Standorten mit entsprechend vor- der Medienwirtschaft. Wichtige Impulse lieferte gehaltenen technischen Infrastrukturen. zudem 1997 der Sendestart des KiKA, dem Kinderka- nal von ARD und ZDF, der im MDR-Landesfunkhaus Logistik Thüringen seinen Sitz hat. Zahlreiche Thüringer Die enormen Standortvorteile Erfurts in Bezug auf Berufsbildungsstätten sowie die Universitäten in die Erschließung durch den Straßen-, Schienen- und Erfurt, Weimar, Jena und Ilmenau bieten medienre- Luftverkehr machen die Stadt zu einem sehr ge- levante Ausbildungs- und Studiengänge an. fragten Standort für Nutzungen, die zentrale Lage und schnelle kurze Verbindungen im nationalen Darüber hinaus kann Erfurt in den letzten Jahren und internationalen Handelsgeflecht benötigen. zunehmend sich professionalisierende Strukturen So haben sich hier große, international agierende und Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft – Logistikunternehmen niedergelassen. etwa im Bereich der Musikwirtschaft und der per- formativen Künste – vorweisen, die ihrer Branche Das Bildungsangebot ist darauf eingestellt und zunehmend Gewicht verleihen. so bietet vor allem die Fachhochschule Erfurt in entsprechenden Fachbereichen (vornehmlich Ver- Gartenbau und Nahrungsgüter kehrs- und Transportwesen) und angegliederten Aufgrund der Begünstigung der sehr fruchtbaren Instituten passende Studiengänge an und trägt Böden des Thüringer Beckens konnte sich Erfurt in zur Vermittlung von Fachwissen und Entwicklung den vergangenen Jahrhunderten herausragende innovativer Lösungen bei. An der IUBH Duales Kompetenzen im Bereich Gartenbau, Landwirt- Studium (ehem. Adam-Ries-Fachhochschule Erfurt) schaft und Nahrungsgüterindustrie erarbeiten. und der Berufsakademie Gera bestehen ebenfalls Die gartenbaulichen Schwerpunkte liegen heute in auf den Logistiksektor ausgerichtete duale Stu- Zucht und Handel von Blumen- und Gemüsesamen, dienangebote. Stecklingen und Kakteen sowie im Obst-, Gemüse- und Zierpflanzenanbau. Weit über Erfurt hinaus Hinsichtlich Flächenverbrauch und Arbeitnehmer- wirken der „egapark“ (Erfurter Gartenbauausstel- zahl unterscheiden sich die Logistikunternehmen lung), das Deutsche Gartenbaumuseum und inter- teilweise deutlich voneinander. So zeigen direkte national agierende Unternehmen des Gartenbaus, Vergleiche zwischen verschiedenen ansässigen wie N.L. Chrestensen und Kakteen-Haage. Unternehmen, dass zum Teil auf weniger als halb so großen Firmengrundstücken mehr als das Zehn- Die Fachhochschule Erfurt bietet mit ihrer Fakultät fache an Personen beschäftigt wird. Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst ent- sprechend spezialisierte Bachelor- und Masterstudi- Zudem zeigt die aktuelle Einkommensstatistik engänge an. Auch die Lehr- und Versuchsanstalt für (2017) für Thüringen, dass die Einkommen im Logis- Gartenbau Erfurt bietet mit ihrer ein- und zweijäh- tikgewerbe mit 1.805-2.939 € (Durchschnitt 2.593 €) rigen Fachschule die Möglichkeit der Weiterbildung wesentlich über denen des Tourismus- und Gastge- im Bereich des Gartenbaus und des Garten- und werbes mit 1.125-2.239 € (Durchschnitt Landschaftsbaus durch den Erwerb des Wirtschaf- 1.479 €) liegen. ter-, Meister- und Technikerabschlusses. Der gärtne- rische Berufsstand erfährt eine Unterstützung durch Medien- und Kreativwirtschaft das praxisnahe Versuchswesen der Einrichtung. Druckereien, allen voran das TA-Druckhaus der in Erfurt ansässigen Mediengruppe Thüringen, sowie Die Produktion von Nudeln und Öl konnte sich bis die zunehmend bedeutender werdenden Medien- zur Gegenwart behaupten. Ergänzt wird die heu- unternehmen der digitalen Bild- und Tonproduktio- tige Nahrungsgüterindustrie durch Milchwerke, nen machen Erfurt zu einem etablierten Standort Großbäckerei und fleischverarbeitende Betriebe. 66 ISEK Erfurt 2030

Messe Der Messestandort im Südwesten der Kernstadt hat sich als zweitgrößter Messestandort in den neuen Bundesländern zunehmend am Markt etablieren können. Die jährlich 200 Veranstaltungen und ca. 600.000 Besucher zeigen dies eindrücklich. Zudem bietet die Multifunktionsarena weitere Räumlich- keiten für Veranstaltungen.

Durch die Inbetriebnahme des ICE-Knotens Erfurt im Dezember 2017 ist ein weiterer Bedeutungsge- winn der Landeshauptstadt im Bereich der Messe- und Veranstaltungsbranche zu erwarten.

2.5.3 Standorte für Forschung und Innovation

Zudem besteht eine Reihe an Innovations- und CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik, Forschungseinrichtungen an den verschiedenen führenden Unternehmen der oben aufgeführten Anwendungszentrum Mikrosystemtechnik, Kernbranchen. Fraunhofer-Institut für Digitale Medientech- Weiterhin von großer Bedeutung sind an dieser nologie, Abteilung Kindermedien (IDMT), Stelle die aus den Hochschulen heraus gegründe- ten Institute, die wichtige Aufgaben im Bereich des Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflan- Know-how-Transfers zwischen Wissenschaft und zenbau Großbeeren/Erfurt e. V. (IGZ). Wirtschaft übernehmen. Hierzu gehören: Als wichtige Inkubatoreinrichtungen fungieren IMMS Institut für Mikroelektronik- und Me- darüber hinaus Standorte wie das Forschungs- und chatronik-Systeme, Industriezentrum Erfurt-Südost (FIZ).

Fotos 28 und 29: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 67

Karte 4 Branchenschwerpunkte und regional bedeutsame Einrichtungen

Karte 4 Branchenschwerpunkte und regional bedeutsame Einrichtungen

Branchenschwerpunkte und Innovationsstandorte

Branchenschwerpunkte und Innovationsstandorte

68 ISEK Erfurt 2030

2.5.4 Einzelhandel und Nahversorgung

Zur Analyse der Angebotssituation im Erfurter Unter Berücksichtigung dieser Erhebung stellt sich Stadtgebiet wurde im Frühjahr 2017 eine flächen- aktuell folgendes Bild dar: deckende Vollerhebung des Erfurter Einzelhandels- bestands durchgeführt.

34 Tabelle 5 Ausgewählte Daten zur Kaufkraft und Einzelhandelsleistung Erfurts

Indikator Wert Einwohner (Stand 31.12.2016) 211.590 Einzelhandelsrelevantes Kaufkraftvolumen in Mio. Euro 1.172 Einzelhandelsrelevantes Umsatzvolumen in Mio. Euro 1.491 Gesamtzahl der Einzelhandelsbetriebe (gerundet) 1.310 Gesamtverkaufsfläche in m² (gerundet) 435.600 Durchschnittliche Verkaufsfläche pro Betrieb in m² 330 Verkaufsflächenausstattung in m² pro Einwohner 2,06 Einzelhandelsrelevante Zentralität 1,27

Der quantitative Einzelhandelsschwerpunkt liegt flächen sehr unterschiedlich ausgeprägt. So gibt im städtischen Kernbereich. Hier befinden sich es Stadtteile, in denen der Einzelhandel kaum eine rund 55 % (bzw. 240.300 m² Verkaufsfläche) der Rolle spielt und andere, welche vor allem durch gesamtstädtischen Verkaufsfläche sowie 71 % (bzw. großflächige Einzelhandelsbetriebe geprägt sind. rd. 940) der Anzahl der Betriebe in Erfurt. Der Wert Dazu gehören zum Beispiel der Thüringenpark in der Verkaufsflächenausstattung von 2,12 m² pro Gispersleben oder IKEA in Bindersleben. Insgesamt Einwohner liegt etwa auf dem Niveau des städti- weisen die dörflichen Stadtteile eine Verkaufsflä- schen Durchschnitts von 2,06. Davon entfallen 23 % che von rd. 162.000 m² auf – das ist mit 37 % mehr (bzw. 98.600 m² Verkaufsfläche) auf die Altstadt als als ein Drittel der gesamtstädtischen Verkaufsflä- Erfurter Hauptzentrum. che. Diese wird in rund einem Fünftel der gesamt- städtischen Betriebe vorgehalten. Einen wesent- In den Siedlungsbereichen, welche durch den lichen Anteil an dieser Verkaufsfläche haben dabei Plattenbau geprägt sind, befinden sich rd. 8 % der die Globus-SB-Warenhäuser in Mittelhausen und gesamtstädtischen Verkaufsfläche (rund in Linderbach. Die durchschnittliche Betriebsgröße

33.200 m²) sowie ebenfalls 8 % der Anzahl der in den dörflichen Gebieten beläuft sich auf rund gesamtstädtischen Betriebe (rund 110). Dabei stellt 600 m² pro Betrieb und liegt sehr deutlich über sich die Verkaufsflächenausstattung pro Einwohner dem gesamtstädtischen Durchschnitt, ebenso die mit 0,61 m² im gesamtstädtischen Vergleich deut- Verkaufsflächenausstattung pro Einwohner (3,7 m² lich unterdurchschnittlich dar. Die durchschnitt- Verkaufsfläche). liche Betriebsgröße liegt mit 310 m² pro Betrieb nur leicht unter dem gesamtstädtischen Durchschnitts- Ausgehend vom heutigen Bestand ist bis zum Pro- wert. (Der Thüringenpark wird dabei administrativ gnosehorizont 2025 von einem Bevölkerungsrück- als den dörflichen Ortsteilen zugehörig gerechnet.) gang von rd. 8 % in den benachbarten Landkreisen der Landeshauptstadt Erfurt auszugehen. Bezogen In den dörflichen Stadtteilen sind die Verkaufs- auf das Einzugsgebiet des Erfurter Einzelhandels

34 Junker+Kruse Stadtforschung Planung, Einzelhandels- und Zentrenkonzept 2017 für die Landeshauptstadt Erfurt, Entwurf 2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 69

ist festzuhalten, dass dem prognostizierten, deut- Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept sieht für lichen Bevölkerungswachstum um rund 12.000 die Einzelhandelsentwicklung die folgende funk- Einwohner für die Landeshauptstadt Erfurt im tionale Gliederung vor: näheren Einzugsgebiet ein Bevölkerungsrückgang von rund 32.500 Einwohnern gegenüber steht. Zentrale Versorgungsbereiche Hauptzentrum Altstadt, Nebenzentrum Magdeburger Allee Die Steuerung der Einzelhandelsentwicklung der sowie Nahversorgungszentren, die in ihrer Landeshauptstadt Erfurt erfolgt durch ein Einzel- Funktion zu stärken sind, handels- und Zentrenkonzept , das regelmäßig fort- geschrieben wird. Für die Mobilisierung der Ent- ein möglichst engmaschiges Netz aus Nah- wicklungspotenziale des Hauptzentrums Altstadt versorgungsstandorten zur wohnortnahen wird darauf aufbauend ein Konzept zur Profilierung Grundversorgung, der Innenstadt erarbeitet werden. sowie Sonderstandorte des großflächigen Folgende grundsätzliche Ziele werden bei der Ent- Einzelhandels als Ergänzungsstandorte. wicklung des Erfurter Einzelhandels verfolgt:

Sicherung der landesplanerischen Funktion der Landeshauptstadt Erfurt,

Sicherung und Ausbau eines attraktiven Ein- zelhandelsangebotes in Erfurt,

Sicherung und Ausbau einer attraktiven Innenstadt in Erfurt,

Sicherung und Ausbau des Grund- und Nah- versorgungsangebotes im gesamten Stadt- gebiet,

Sicherung und Stärkung der funktional ge- gliederten Versorgungsstruktur,

Gezielte und geordnete Entwicklung großflä- chiger Einzelhandelsbetriebe,

Planungs- und Investitionssicherheit für be- stehenden und anzusiedelnden Einzelhandel,

Verhinderung konterkarierender Planungen,

Sicherung einer nachhaltigen Stadtentwick- lung, d. h. langfristig angelegten Entwick- lung des Einzelhandels.

Foto 30: Stadtverwaltung Erfurt 70 ISEK Erfurt 2030

Karte 5 Einzelhandel und Nahversorgung Karte 5 Einzelhandel und Nahversorgung

Karte 5 Einzelhandel und Nahversorgung Karte 5 Einzelhandel und Nahversorgung

Zentrale Versorgungsbereiche und Ergänzungsstandorte * Zentrale Versorgungsbereiche und Ergänzungsstandorte *

Zentrale Versorgungsbereiche und Ergänzungsstandorte * Zentrale Versorgungsbereiche und Ergänzungsstandorte *

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 71

2.6 Soziales Miteinander, Daseinsvorsorge, Kultur und Sport

2.6.1 Sozialstruktur, Lebenslagen und Planungsräume

In Erfurt wird ein ausgeprägtes Netz an sozialen Familien, Senioren, Migranten und Flüchtlinge, Zwecken dienenden Gemeinbedarfseinrichtungen Personen mit Sucht- oder anderen Erkrankungen, sowie an sozialen Beratungs- und Hilfsangeboten Personen mit Behinderungen etc. vorgehalten. bereitgehalten. In der gleichberechtigten Teilhabe aller Personengruppen, sozialer Sicherheit und Für die zielgenaue Erstellung von Planungskonzep- Chancengleichheit liegen ganz wesentliche Aufga- ten, Strategien und Maßnahmen wurden für die ben für die Entwicklungen der Gesamtstadt Erfurt. Stadt Planungsräume definiert, die zunehmend für die verbindliche, langfristige Planung heran- Dabei arbeitet die Stadtverwaltung eng mit den gezogen werden. Hintergrund ist, dass für soziale Akteuren einer umfangreichen Trägerlandschaft Fachplanungen (z. B. Jugendhilfeplanung, Alten- zusammen, die fester Bestandteil des sozialen För- hilfeplanung, Gesundheitsplanung, Schulnetz- der-, Beratungs- und Hilfesystems der Landeshaupt- planung) raumbezogene Bedarfseinschätzungen stadt sind. Gemeinsam mit ihnen werden um- sowie mittel- und langfristige Zielstellungen für fangreiche Angebote z. B. für Kinder, Jugendliche, städtische Teilräume benötigt werden.

Abb. 28 Planungsräume für soziale Aufgaben Soziale Planungsräume

Auf Basis relevanter Informationen (Sozialraum- Sozialstrukturen sehr unterschiedlich aufgestellt. analyse) und unter Beteiligung lokaler Akteure können raumspezifische Ziele und Maßnahmen Bereits aus der Studie „Bedarfsgerechte Bildungs- abgeleitet werden, die wiederum Planungsgrund- und Sozialsteuerung in der Landeshauptstadt lagen für einzelne Fachplanungen darstellen. Diese Erfurt“ des Institutes für kommunale Planung und Erfurter Planungsräume sind hinsichtlich ihrer Entwicklung sowie aus dem Sozialstrukturatlas 72 ISEK Erfurt 2030

2012 der Landeshauptstadt Erfurt ging hervor, dass Gerade die demografische Entwicklung zeigt für vor allem der Erfurter Norden als spezifischer städ- bestimmte Stadtteile des Erfurter Nordens, wie tischer Teilraum einer besonderen Unterstützung z. B. den Stadtteil Berliner Platz, einen im gesamt- bedarf, da sich hier unterschiedliche sozioökono- städtischen Vergleich überdurchschnittlich hohen mische Herausforderungen überdurchschnittlich Anteil an Senioren. stark überlagern, wie bspw. ein höherer Anteil an SGB-II/SGB-XII-Empfängern, Alleinerziehungshaus- halte, Personen mit Migrationshintergrund und Überalterungstendenzen.

35 Abb. 29 Interpretation der Analysen "Bedarfsgerechte Bildungs- und Sozialsteuerung in Erfurt"

Auffälligkeiten Demographie und Lebenslagen Ausstattung und Angebote

City City 6 6 5 5 4 4 Dörfliche Gründerzeit Dörfliche Gründerzeit Ortsteile 3 Südstadt Ortsteile 3 Südstadt 2 2 1 1 0 0

Großwohn- Großwohn- Gründerzeit Gründerzeit siedlungen siedlungen Oststadt Oststadt Südost Südost

Großwohn- Großwohn- siedlungen siedlungen Nord Nord

Insgesamt zeigen die Analysen, dass in vielfacher Die geringsten Auffälligkeiten – und damit poten- Hinsicht (siehe oben genannte sozioökonomische ziellen Handlungserfordernisse – zeigen das Gebiet Herausforderungen) die Großwohnsiedlungen von der gründerzeitlichen Südstadt sowie die dörfli- auffälligen Situationen und Tendenzen in besonde- chen Ortsteile. rem Maße betroffen sind. So zeigen sich die größ- ten Bedarfe neben den oben genannten nördlichen Mit Blick auf die Ausstattung mit sozialen Einrich- Stadtteilen auch in den Großwohnsiedlungen im tungen und Angeboten zeigt sich aber auch, dass Südosten der Stadt. der Schwerpunkt bereits auf den Großwohnsiedlun- gen liegt und diese tendenziell nicht unterversorgt Gefolgt werden sie vom Stadtgebiet Oststadt, das sind. Im Gegenteil weisen sie – auch aufgrund ihrer mit Krämpfervorstadt, dem in industrieller Bauwei- Einwohnerzahl und -dichte – in manchen Bereichen se errichteten Johannesplatz und dem sehr hetero- eine überdurchschnittlich hohe Versorgung auf genen Ilversgehofen aus sehr unterschiedlichen (vgl. nachfolgende Kapitel). Stadtteilen mit unterschiedlichen Bedarfen besteht.

35 eigene Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 73

Angebote der Kinder- und Jugendarbeit Bei mehr Kindern und Jugendlichen in der Stadt Die Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen ist anzunehmen, dass auch die rein zahlenmäßige sind in den letzten Jahren leicht angestiegen Inanspruchnahme der Angebote zunehmen wird. und werden gemäß Einwohnervorausberechnung Zudem zeigen sich veränderte Ansprüche in der auch bis zum Jahr 2030 weiter zunehmen. Stel- qualitativen Nachfrage – sowohl was die Nutzung lenweise sind zwar noch die Auswirkungen des beispielsweise von Freizeiteinrichtungen angeht starken Geburtenrückgangs Anfang der 1990er als auch in Bezug auf Hilfsangebote und Interven- Jahre zu spüren, generell ist jedoch im Vergleich tionen. zum Stadtentwicklungskonzept Erfurt 2020 eine vollkommen andere Ausgangssituation zu konsta- tieren.

36 Abb. 30 Entwicklung Anzahl der Kinder und Jugendlichen gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030

25.000 19.400 19.075 18.975 18.600

20.000 18.300 18.050 17.800 17.650 17.425 17.100 16.775 16.375 15.875 15.800 15.750 15.575 15.550 15.350 15.200 15.100 15.050 14.725 14.550 14.325 14.250 14.100 13.925 13.450

15.000 13.275 13.050 12.725 12.450

10.000 7.925 7.925 7.925 7.900 7.900 7.875 7.875 7.875 7.850 7.825 7.625 7.600 7.400 7.350 7.275 7.000

5.000

0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

6 bis 10 bis unter 18 18 bis unter 10 unter 25

Um hierauf entsprechend reagieren zu können, Ausreichende und vielfältige Freizeitangebote wurde als zentrales Planungsinstrument der Kinder- vorzuhalten, ist oft der Markenkern und gleich- und Jugendförderplan der Landeshauptstadt37 erar- zeitig die Messlatte von erfolgreicher Kinder- und beitet. Er beschreibt die Angebote der Jugendarbeit, Jugendarbeit einer Stadt. Hieran misst sich die Jugendverbandsarbeit und Jugendsozialarbeit in Zufriedenheit von Kindern und Jugendlichen mit Erfurt und enthält Festlegungen zu deren finanziel- den Möglichkeiten, die ihre Stadt ihnen bietet. ler Förderung und fachlicher Weiterentwicklung. Die Kinder- und Jugendhilfe muss sich den sich ändernden Ansprüchen von Kindern und Jugend- In einem Leitbild für ein kind- und jugendgerechtes lichen flexibel und gleichzeitig verlässlich stellen. Erfurt 202038 wurde eine Reihe von Zielen veran- Die Kinder- und Jugendhilfe entwickelt sich stetig kert, die in einem partizipativen Prozess gemein- angebotsorientiert und bedarfsgerecht weiter. Die sam mit sozialen Verbänden und Aufgabenträgern Ansprüche der Kinder und Jugendlichen werden bei sowie mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet der Gestaltung dieser Angebote berücksichtigt. wurden.

36Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Erfurter Statistik und Bevölkerungsprognose bis 2040, Oktober 2015 37 Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Jugendhilfeplanung, Kinder und Jugendförderplan der Landeshauptstadt Erfurt 2017 bis 2021, Dezember 2016 38 Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Kinder und Jugendförderung, SG Jugendarbeit, Leitbild für ein kind- und jugendgerechtes Erfurt 2020, Oktober 2015 74 ISEK Erfurt 2030

Die Stadt Erfurt sollte die Träger der freien Jugend- Hierfür können Förderprogramme, z. B. Soziale hilfe dabei durch die Sicherstellung geeigneter Stadt Südost, genutzt werden. Rahmenbedingungen und Ressourcen sowie fach- liche Begleitung und Impulssetzung kontinuierlich Einrichtungen für die Kinderbetreuung unterstützen. Sie sichert die Bereitstellung wohn- Im Rahmen der Erfüllung des Rechtsanspruches auf ortnaher Angebote. Betreuung von Vorschul- und Schulkindern steht die Stadt Erfurt in der Pflicht, eine bedarfsgerechte Der bauliche Zustand der Einrichtungen einschließ- Angebotsstruktur vorzuhalten. Veränderte gesetz- lich Ausstattung muss sowohl den Interessen liche Rahmenbedingungen und die demografische und Bedürfnissen junger Menschen als auch den Entwicklung als auch ein geändertes Inanspruch- Konzepten der Einrichtungen gerecht werden, auch nahmeverhalten der Eltern haben dabei zu einem im Hinblick auf Inklusion. Für die Verbesserung des steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen in der baulichen Zustands der Einrichtungen müssen ent- Stadt Erfurt geführt. sprechende finanzielle Mittel eingeplant werden.

39 Abb. 31 Entwicklung Anzahl der Kinder unter sechs Jahre gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030

13.000

12.500

12.000

11.500

11.000 12.175 12.175 12.175 12.175 12.150 12.150 12.125 12.125 12.125 12.100 12.100 12.100 12.100 12.075 11.850 11.825

10.500

10.000 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

Kinder im Alter von unter 6 Jahren

Mit dem Ziel der Förderung von Integration und Zudem besteht das Ziel, familien- und sozialraum- Vermeidung von Segregation liegt eine Aufgabe orientierte Angebote von Kindertageseinrichtun- darin, die Entwicklung nachhaltiger inklusiver gen („Eltern-Kind-Zentren“) weiterzuentwickeln.40 Qualität in den Einrichtungen fortzuführen. Dabei müssen Barrieren für Familien mit besonderen Zu- gangsschwierigkeiten zum System der frühen Bil- dung, Betreuung und Erziehung abgebaut werden.

39 Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Erfurter Statistik Bevölkerungsprognose bis 2040, Oktober 2015 40 Hierbei handelt es sich um konkrete Maßnahmepunkte der Bedarfsplanung 2017 bis 2019 (siehe dort S. 76-79). 41 (Seite 75): Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Jugendhilfeplanung, Dokumentation 2017 Jugendhilfeplanung, Bedarfsplanung Tageseinrichtungen für Kinder/Tagespflege für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019, Stand 15.06.2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 75

Karte 6 Kindertagesstätten

41 Tabelle 6 Bestand Plätze Kindertagesbetreuung zum 30.06.2016 (nach Betriebserlaubnis)

Planungsraum Kindertageseinrichtungen Tagespflegepersonen

Plätze belegte Plätze belegte Anzahl Kitas Auslastung Auslastung gesamt Plätze gesamt Plätze

City 18 1.630 1.610 99 % 88 83 94 %

Südstadt 17 1.807 1.777 98 % 85 68 80 %

Oststadt 18 1.806 1.813 100 % 93 81 87 %

KarteGroßwohnsiedlungen 6 Kindertagesstätten Nord 11 1.415 1.384 97 % 7 7 100 %

KarteGroßwohnsiedlungen 6 Kindertagesstätten Südost 13 1.416 1.410 99 % 29 25 86 %

Dörfliche Ortsteile 27 1.549 1.515 98 % 105 99 94 %

KarteStadt 6 Erfurt Kindertagesstätten gesamt 104 9.623 9.509 99 % 407 363 89 %

Karte 6 Kindertagesstätten

Kindertagesstätten

Kindertagesstätten Kindertagesstätten

Kindertagesstätten

Kindertagesstätten

76 ISEK Erfurt 2030

Diese Entwicklungen erfordern, dass neben der Seniorinnen und Senioren Fortsetzung der Sanierung bestehender Infrastruk- Die Altersgruppen der Senioren und Hochbetagten turen auch zusätzliche Plätze durch Neubau von werden in der Erfurter Bevölkerungszusammenset- Einrichtungen geschaffen werden. zung bis 2030 weiter an Gewicht zunehmen.

Dabei sollten bei Kapazitätserweiterungen auch So wird die Zahl der 65-bis-unter-75-Jährigen von gebietsbezogene Aspekte berücksichtigt werden, 22.050 auf 27.275 Personen ansteigen. Dies ent- um eine bedarfsgerechte Versorgung auch unter spricht einer Zunahme um 24 % (5.225 Personen). sozialräumlichen Gesichtspunkten sicherzustellen. In der Gruppe der 75-bis-unter-85-Järigen ist der Zuwachs bis 2030 mit 2 % (375 Personen) wesent- Für den Abbau des Sanierungsstaus und für die lich moderater. Allerdings wird bis 2019 mit einem Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Plätze in stetigen Anstieg gerechnet (von 18.550 Personen in Kindertageseinrichtungen wurde das „Programm 2016 auf 19.650), auf den dann ein leichter Rück- zur Erhaltung und zum Ausbau von Betreuungsan- gang folgt. Den stärksten prozentualen Zuwachs geboten in Kindertageseinrichtungen“ erarbeitet, wird die Gruppe der Personen in einem Alter von dass sowohl die erforderlichen Maßnahmen als über 85 Jahren erfahren. Hier wird ein stetiger Zu- auch ihre Einordnung für die zeitliche Umsetzung wachs von 5.375 auf 8.900 Personen vorausberech- beinhaltet. net. Dies entspräche einem Anstieg um 66 % (3.525).

42 Abb. 32 Entwicklung Anzahl der Senioren und Hochbetagten gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030

30.000 26.975 27.175 27.275 26.725 26.425 26.075 25.925 25.475 25.100 24.625

25.000 23.800 22.850 22.500 22.325 22.250 22.050 19.650 19.475 19.025 18.925 20.000 18.900 18.550 18.425 18.100 18.200 17.800 17.725 17.550 17.550 17.375 17.250 17.250

15.000 9.250 9.150 8.975 8.925 10.000 8.900 8.450 7.875 7.300 6.900 6.575 6.175 5.800 5.500 5.450 5.375 5.250 5.000

0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

65 bis 75 bis 85 und älter unter 75 unter 85

Diese demografischen Entwicklungen stellen die bedürftigkeit nach dem Leitprinzip „ambulant vor Landeshauptstadt Erfurt vor die Herausforderung, stationär“ zu ermöglichen. ihre Strukturen an diese Veränderungen anzupas- sen, um auch zukünftig Voraussetzungen für ein Als eine wesentliche strategische Grundlage wird selbstbestimmtes Leben im Alter und bei Pflege- im Bereich der Altenhilfe/Seniorenarbeit eine

42 eigene Berechnung/Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 77

Karte 7 Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen ganzheitliche Seniorenberichterstattung samt Nachbarschaftshilfen, soziale Teilhabe, etc., um das Maßnahmenplanung weiterentwickelt und ver- Umfeld für Senioren und Pflegebedürftige so zu ge- bindlich in kontinuierliche Strukturen überführt. stalten, dass sie möglichst lange in ihrer vertrauten Hierbei wird auch das Thema Pflege berücksichtigt. Umgebung wohnen bleiben können. Vor diesem Der ganzheitliche Ansatz wird umso relevanter, Hintergrund kommt dem konkreten Lebenswelt- da die kommunalen Handlungsmöglichkeiten im bezug – also dem Wohnumfeld – der betroffenen Bereich der Pflege relativ gering sind. Eine umso Zielgruppen in Form der Berücksichtigung einer größere Bedeutung erhalten pflegetangierende As- Kartesozialraumorientierten 7 Einrichtungen für Betreuung, Bedarfsplanung Fürsorge, Begegnung ein beson- von Senioren und Pflegebedürftigen pekte, wie barrierearmes Wohnen (vgl. Kap. 2.4.8), derer Stellenwert zu. Kartebarrierearme 7 Einrichtungen Wohnumfeldgestaltung, für Betreuung, Fürsorge, Begegnung Ehrenamt, von Senioren und Pflegebedürftigen Karte 7 Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen Karte 7 Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen Karte 7 Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen

Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen

Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen

Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen

78 ISEK Erfurt 2030

Wichtig ist zudem, mit allen Beteiligten (Bürger, gebot sowie Angebote zur Ermöglichung sozialer zivilgesellschaftliche Akteure, Politik) ins Gespräch Teilhabe entsprechend der Bedarfe der Senioren, zu kommen und gemeinsam getragene Vorstellun- Pflegebedürftigen und Familien ausgebaut werden gen zu entwickeln, denn der Stadtverwaltung al- können. lein oder gar einem zuständigen Amt allein wird es nicht als Einzelakteur gelingen, diesen umfassen- Darunter können neben der inhaltlichen Weiterent- den Prozess zu begleiten. Auch Familien im Sinne wicklung der Seniorenklubs auch quartiersbezoge- einer fürsorgeorientierten und generationsüber- ne Ansätze zum Ausbau von Nachbarschaftshilfen, greifenden Solidargemeinschaft werden in diesem z. B. in Form von Quartiersmanagement, wie auch Kontext perspektivisch besonders berücksichtigt. sozialraumbezogene Seniorenbesuchsdienste zu- Auf diese Weise soll zukünftig sichergestellt wer- künftig an Bedeutung gewinnen. den, dass die Angebote im Bereich der Altenhilfe/ Seniorenarbeit bedarfsgerecht weiterentwickelt Familiengerechte Angebotsstrukturen werden. Die Landeshauptstadt Erfurt hält eine Reihe fami- lienunterstützender Angebote vor, die sowohl auf Dabei nehmen die Begegnungsstätten eine wichti- Unterstützung in Bezug auf das Zusammenleben ge Funktion zur Ermöglichung sozialer Teilhabe vor mit Kindern als auch auf die Fürsorge der Familien Ort im Wohnumfeld ein. Vor dem Hintergrund ver- gegenüber der älteren Generation ausgerichtet änderter Bedarfe, wie z. B. Förderung generations- sind. übergreifender Beziehungen, ist eine Anpassung der inhaltlichen Ausrichtung sinnvoll, um somit Unter dem Familienbegriff versteht die Landes- die Seniorenklubs auch nachhaltig in ihrer Quali- hauptstadt Erfurt nicht mehr nur das traditionel- tät zu stärken. Die Seniorenbegegnungsstätten le Familienbild sondern bezieht sich auf einen haben sich in der Erfurter Angebotslandschaft fest erweiterten Begriff einer fürsorgeorientierten etabliert. generationsübergreifenden Solidargemeinschaft. Das heißt, dass Familien nicht klassisch aus Vater, Neben den Begegnungsstätten stellt die Pflege- Mutter und Kind zusammengesetzt sind, sondern beratung in Form des Pflegenetzes Erfurt einen auch generationenübergreifende Beziehungen, die wichtigen Teil der städtischen Angebote dar. In nicht formalisiert sein müssen, beachtet werden. der Vergangenheit konnte die Arbeit im Pflegenetz Dabei wird die Stadt Erfurt den Entwicklungen und unter anderem aufgrund personeller Ressourcen Veränderungen im Bereich familiärer Zusammen- lediglich bedingt sichergestellt werden. Gerade setzungen gerecht. in der Beratung mit pflegebedürftigen Personen, pflegenden Angehörigen und Senioren ist ein In der Konsequenz müssen bei der Planung von Fa- nachhaltiges Vorhalten entsprechender Angebote milienangeboten integrierte Herangehensweisen notwendig, um auf diese Weise kompetent, glaub- eingeführt werden, bei denen die verschiedenen haft, vertrauensvoll und transparent der Zielgruppe Fachbereiche der Stadtverwaltung dort zusammen- bei Fragen zur Seite zu stehen und von dieser auch arbeiten, wo sich ihre Aufgabenbereiche über- akzeptiert zu werden. Eine personelle Sicherstel- schneiden. lung des Pflegenetzes Erfurt ist eine entscheidende Grundlage für eine trägerneutrale Pflegeberatung Zudem besteht ein Bedarf an quantitativen und insbesondere auch im ambulanten Pflegebereich qualitativen Entwicklungen im Bereich genera- und der wohnortnahen Beratung und Begleitung. tionsübergreifender Begegnungsmöglichkeiten (z. B. Mehrgenerationenhaus) sowie an Entlas- In diesem Kontext ist grundsätzlich zu prüfen, tungsangeboten für pflegende Angehörige. in welcher Form das vorhandene Beratungsan- Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 79

Inklusion und Chancengleichheit seniorengerechten Servicewohnungen für mehrere Die Stadt Erfurt hat dafür Sorge zu tragen, dass ihre Wohngruppen reichen, was aufgrund der lebens- sozialen Regelstrukturen Raum für Inklusion und lagenspezifischen Unterschiede innerhalb der Vielfalt für alle Menschen bieten. Gruppe der Senioren auch von wichtiger Bedeutung ist (vgl. Kap. 2.4.8). Soziale Inklusion ist verwirklicht, wenn jeder Mensch in seiner Individualität von der Gesell- Zudem ist die Beschaffenheit des unmittelbaren schaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in Wohnquartiers auf verschiedene Weise mit ver- vollem Umfang an ihr teilzuhaben. Diese Vorstel- antwortlich für einen möglichst langen Verbleib in lung von Gleichheit in Unterschiedlichkeit findet der eigenen Wohnung von älteren sowie pflegebe- ihre Umsetzung in der UN-Behindertenrechtskon- dürftigen Personen und damit auch in einer ihnen vention und UN-Kinderrechtskonvention. Mit den vertrauten Umgebung. Je mehr ein Lebensraum den Ansprüchen an eine verbesserte Teilhabe und den Bedarfsanforderungen dieser Zielgruppe gerecht Abbau von Segregation sind diverse kommunale wird, desto eher kann ein Umzug in eine stationäre Aufgabenfelder berührt. Hierzu gehören beispiels- Pflegeeinrichtung verhindert werden. weise die Kinder- und Jugendhilfe, Schulplanung und Altenhilfe. Im Sinne der Ermöglichung einer tatsächlichen Teilhabe älterer sowie hilfebedürftiger Personen Die Integration von Kindern mit besonderen Be- am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben geht dürfnissen (ob manifestierte Behinderungsarten es unter anderem auch um die Versorgung mit be- oder pädagogischer/sonderpädagogischer Förder- darfsgerechten Dienstleistungen wie auch sozialer bedarf) spielt im Schulalltag eine wesentliche Rol- Infrastruktur in den Bereichen Pflege und Betreu- le. Zudem bedarf es eines entsprechenden Umbaus ung in zumutbarer räumlicher Entfernung. der Schulgebäude und bedarfsgerechter Ausstat- tung von Unterrichtsräumen. Die Fortschreibung ThINKA Erfurt des Schulnetzplanes wird daher die Reduzierung Die Stadtverwaltung Erfurt setzt in Zusammenar- bzw. Umgestaltung von Förderzentren zu Kompe- beit mit dem MitMenschen e. V. als Durchführungs- tenz- und Beratungszentren sowie die Förderung träger seit dem 1. März 2015 erfolgreich das im des gemeinsamen Unterrichts als Schwerpunkt- Rahmen der „Thüringer Initiative für Integration, themen aufgreifen. Nachhaltigkeit, Kooperation und Aktivierung“ über die ESF-Armutspräventionsrichtlinie geförderte Das Ziel, auch im Alter und bei Pflegebedürftig- Projekt ThINKA Erfurt um. Dabei handelt es sich um keit eine selbstbestimmte Lebensführung zu ein wohnort- bzw. sozialraumbezogenes Projekt, ermöglichen, hängt in besonderem Maße mit der welches in zwei sozial benachteiligten Erfurter Gestaltung des Wohnraumes und des Wohnum- Stadtteilen – Berliner Platz und Rieth – räumlich feldes zusammen. Hier geht es aber nicht nur um verortet ist. Die entsprechende Förderung ist zeit- die Bereitstellung bedarfsgerechter barrierefreier lich begrenzt und läuft derzeit noch bis zum Wohnungen nach DIN-Normen. In vielen Fällen 31. Dezember 2019. Aufgrund der bisherigen Erfolge kann eine Wohn- und Wohnumfeldgestaltung nach ist es für die Entwicklung der betroffenen Stadt- barrierearmen Kriterien bereits die Bedingungen teile wichtig, dass es der Stadtverwaltung gelingt, dafür schaffen, um im Alter und bei zunehmendem das Projekt auch nach der Förderphase nachhaltig Pflegebedarf länger in der eigenen Häuslichkeit zu verstetigen. verbleiben zu können. Insgesamt existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Wohnformen, die Zweck der Anlaufstelle ist, direkt im Wohnquartier von der barrierearmen Anpassung einzelner Woh- – also in der konkreten Lebenswelt der Hilfesuchen- nungen im Bestand bis hin zu neu konzipierten den – das geschaffene neutrale, niedrigschwellige 80 ISEK Erfurt 2030

Angebot perspektivisch weiterzuentwickeln und teuren aufgebaut werden. Institutionen vor Ort nachhaltig zu etablieren. Hierdurch soll ein Bei- können langfristig darin bestärkt werden, mehr trag zur sozialen Integration, zur Verbesserung Verantwortung bei der Durchführung der Stadtteil- der Beschäftigungsfähigkeit und zum Abbau der konferenzen sowie der gemeinsamen Organisation individuellen Armutslagen von benachteiligten und Durchführung von Veranstaltungen, wie z. B. Bedarfsgruppen, vor allem von Langzeitarbeitslo- Stadtteilfesten, zu übernehmen und diese nach- sen, älteren Transferleistungsbeziehern, Personen haltig zu etablieren. Über die Zusammenarbeit mit mit multiplen Problemlagen, Alleinerziehenden, den Netzwerkpartnern sowie über die Stadtteilkon- Personen mit Migrations-/Fluchthintergrund und ferenzen und die dadurch gezieltere Erfassung von Menschen mit Behinderungen geleistet werden. Bedarfen erhöht sich der Bekanntheitsgrad sowohl von ThINKA Erfurt selbst als auch von lokalen Ins- Ziel der Arbeit ist damit, die identifizierten sowie titutionen und Akteuren, wie z. B. Ortsteilbürger- angestoßenen sozialraumorientierten Netzwerk- meistern/Ortsteilräten, sozialer Infrastruktur sowie strukturen unter Einbeziehung der Vor-Ort-Akteure städtischer Planungen, z. B. Kitabedarfsplanung, weiterzuentwickeln und nachhaltig zu verfestigen. städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen, weiter. Hierdurch soll den Hilfesuchenden die soziale Infrastruktur auch zukünftig einfacher zugänglich Die Potenziale der Beratungs- und Verweis-/Lotsen- gemacht werden. Armutserscheinungen sollen be- funktionsarbeit können darüber gezielter gestärkt kämpft und die Lebensqualität in den ausgewähl- sowie die Zielgruppen besser erreicht werden. ten benachteiligten Wohnquartieren nachhaltig Insgesamt liegt Potenzial vor, einen nachhalti- verbessert werden. Es gilt vorrangig, die bestehen- gen Beitrag zur sozialen Integration und darüber den Angebote zu nutzen und durch Vernetzung zur beruflichen Integration zu leisten. ThINKA zugänglich zu machen. als niedrigschwelliges Beratungsangebot ohne Zwangskontexte von Behörden kann somit Perso- Besonderes Merkmal von ThINKA Erfurt ist die nen erreichen, die über die gängigen Institutionen inhaltliche Kombination aus Einzelfallhilfe in von den Ämtern selbst nicht bzw. nur schwieriger Form einer Lotsenfunktion, Sozialraumarbeit erreicht werden. Diese Funktion kann weiter aus- und kooperativer Netzwerkarbeit, wodurch auch gebaut werden. Langfristig bestehen Chancen, dass Funktionen der Gemeinwesenarbeit übernommen der Stadtteil von außen her besser wahrgenommen werden. Zudem findet eine sehr enge Abstimmung wird, z. B. über positive Effekte der vernetzten zwischen dem Durchführungsträger und der Stadt- Projektzusammenarbeit, welches auch von den verwaltung statt, wobei auch unterschiedliche Medien her positiv dargestellt wird. Die Bürger Fachplanungen strukturell eingebunden sind. Auf nehmen wahr, dass wieder etwas in ihrem/für diese Weise kann der sozialräumliche Erkenntnis- ihren Stadtteil getan wird (positive Projektwahr- gewinn für die kommunalen Planungsprozesse, wie nehmung) und dass sie sich selbst auch einbringen z. B. der Sozial(raum)planung, Altenhilfeplanung, können und ihre Vorschläge in Planungen berück- Jugendhilfeplanung und Stadtplanung auf kurzem sichtigt werden. direkten Weg mit einfließen. Die soziale Situation vor Ort kann durch die Rückspiegelung von ThINKA Erfurt durch die Fachplanungen qualitativ besser eingeschätzt werden.

Weitere Potenziale bestehen darin, dass dauerhaf- te Vernetzungsstrukturen zwischen den Vor-Ort-Ak-

Foto 31 (Seite 81): Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 81

2.6.2 Kultur

Kulturprofil und Angebote von sehr zahlreichen Kulturvereinen, Verbänden In Erfurt ist ein inhaltlich weit gefächertes Kultur- und Gesellschaften getragen. Exemplarisch ge- angebot mit zahlreichen Adressen in unterschied- nannt seien der Kinoklub, das Haus Dacheröden, lichster Ausrichtung vorhanden. Ein Großteil davon das Kinder- und Jugendtheater „Die Schotte“ e. V. orientiert sich auf die historische Altstadt mit oder der Tanztheater Erfurt e. V. Zudem besteht ihren begehbaren mittelalterlichen Stadträumen eine Reihe an Veranstaltungen privater Akteure mit sichtbar engen Beziehungen zu zahlreichen (zum Teil mit kommunaler Beteiligung), die über- Epochen der Stadthistorie. Das ausgesprochen regional ausstrahlende Akzente setzen. Hier seien große kulturelle Erbe prägt die Lebensqualität der beispielhaft das Deutsche Kindermedienfestival Bürgerinnen und Bürger und die besondere Erleb- „Goldener Spatz“, das Internationale Puppen- nisqualität für den Kulturtourismus. theater-Festival „Synergura“, die Thüringer Kunst- messe „artthuer“, die Thüringer Bachwochen oder Dabei konnte in den vergangenen Jahren sowohl im die Thüringer Jazzmeile genannt. Bereich der Hoch- als auch der Breitenkultur an Pro- fil gewonnen werden. Heute kann die Stadt – nach Ein zentraler Akteur dabei ist jedoch vor allem die umfangreichen Investitionen in Gebäude und An- kommunale Kulturverwaltung selbst. Sie leistet den gebote sowie Strukturoptimierungen – attraktive kulturellen Vermittlungsauftrag und übernimmt Angebote für Theater, Musik, Kino, Ausstellungen, die Aufgaben in Bezug auf die Kulturproduzenten, Messen und Museen vorweisen. Zudem spielen die Kulturvermittler und Kulturkonsumenten. Zu den städtischen Großevents eine wichtige Rolle. Basis direkten Zuständigkeiten der Kulturdirektion gehö- bei der Inszenierung und Bespielung der Kulturorte ren vor allem die kommunalen Kultureinrichtungen war und ist die Strategie, durch kulturelle Jahres- Museum für Thüringer Volkskunde und Naturkunde- themen Akzente zu setzen. Hierbei wird nicht museum (beide mit landesweiter Bedeutung), die nur auf historisch wichtige Persönlichkeiten und Kunst- und Geschichtsmuseen, Restaurierungs- und Ereignisse Bezug genommen. Damit soll es gelin- Künstlerwerkstätten sowie das Stadtarchiv. Da- gen, eine kulturell erlebnisreiche Atmosphäre und neben organisiert und unterhält der Eigenbetrieb touristische Angebote miteinander zu verzahnen. Theater das Theater Erfurt. Der Thüringer Zoopark Erfurt, als Eigenbetrieb der Landeshauptstadt In hohem Maße prägen privatwirtschaftliche Veran- Erfurt, bietet allen Besuchern aus Erfurt, Thüringen stalter bzw. Veranstaltungsorte wie etwa die Alte und angrenzenden Bundesländern ein breites Spek- Oper und der Kaisersaal das vielfältige Kulturange- trum aus Erholung, Bildung und Unterhaltung. bot. Darüber hinaus wird diese Vielfalt wesentlich 82 ISEK Erfurt 2030

43 Tabelle 7 Museen in Zuständigkeit der Kulturdirektion im Einzelnen

Kunstmuseen Geschichtsmuseen Weitere Museen Angermuseum (Kunstmuseum der Landeshauptstadt) mit angegliedertem Stadtmuseum (Stadtgeschichtliche Sammlungen) Naturkundemuseum Margaretha-Reichardt-Haus

Barfüßerkirche, ehemaliges Franziskanerkloster Technisches Museum „Neue Mühle" Museum für Thüringer Volkskunde

Kunsthalle Erfurt – Haus zum Roten Ochsen Bartholomäusturm

Schlossmuseum und Park Molsdorf Erinnerungsort Topf & Söhne

Galerie im Waidspeicher des Kulturhofs Zum Wasserburg Kapellendorf Güldenen Krönbacken

Jüdisches Erbe (Alte Synagoge und Mikwe, Kleine

Synagoge, Netzwerk jüdisches Leben)

Ein besonderer Anziehungspunkt mit einer hohen Die Weiterentwicklung des Erfurter Kulturange- wirtschaftlichen Bedeutung sind die großen Veran- botes vollzieht sich im Kontext einer zunehmend staltungen und Feste – vornehmlich in der Altstadt. engeren regionalen Zusammenarbeit insbesondere So haben sich die Lange Nacht der Museen oder die im Rahmen der Impulsregion Erfurt-Weimar-Jena Lange Nacht der Wissenschaften längst etabliert. und mit den Gebietskörperschaften Weimar, Jena Nach außen sind es weiterhin die Stadtfeste bzw. und Weimarer Land im kulturell-touristischen Sondermärkte, mit denen Erfurt Aufmerksamkeit Bereich. In der 2017 veröffentlichen Tourismusstra- auf sich zieht. Hierzu zählen beispielsweise das tegie Thüringen 202544 wird Erfurt als die Stadt für Krämerbrückenfest, die Domstufenfestspiele, der Neugierige mit Lust auf das Entdecken abseits des Weihnachtsmarkt, Altstadtfrühling oder der Töp- Mainstreams beschrieben. Grundsätzlich kann sich fermarkt. Insbesondere dem Domplatz mit seiner Erfurt in der kulturtouristischen Hauptthemensäu- Größe und Anmutung kommt dabei eine wichtige le „Kultur und Städte“ verorten. Funktion als Veranstaltungsort zu. 2021 wird Erfurt beim Jahresthema Bundesgarten- Im Bereich der Breitenkultur hat Erfurt die Rolle schau (gemeinsam mit 500 Jahre Bibelübersetzung) als wichtigster Veranstaltungsort (Messe, Thürin- im Fokus stehen. genhalle, Multifunktionsarena und Kaisersaal) für Großveranstaltungen und Konzerte neben der Soziokultur und kulturelle Bildung Hochkultur in Thüringen. Auch Einrichtungen wie Neben der etablierten Kultur ist Erfurt in Verbin- der Thüringer Zoopark und die Erfurter Gartenbau- dung mit Weimar und Jena das Zentrum „alterna- ausstellung (ega) mit dem Deutschen Gartenbau- tiver“ Kultur in Thüringen, die durch verschiedene museum auf dem Gelände der ehemaligen Zita- Clubs (u. a. Engelsburg, Presseklub, Stadtgarten), delle Cyriaksburg werden von Besuchern aus ganz freie Theatergruppen und Projekte (Radio FREI, Zug- Thüringen und den angrenzenden Bundesländern hafen) verkörpert wird. Insgesamt existiert ein brei- aufgesucht. tes Portfolio an Orten, Angeboten und Akteuren aus

43 Stadtverwaltung Erfurt, Kulturdirektion, „Zukunft der Kultur - Kultur der Zukunft“, Strategisches Kulturkonzept der Landeshauptstadt Erfurt, November 2012 44 Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Referat 25 - Tourismuspolitik, Tourismusstrategie Thüringen 2025, dwif-Con- sulting GmbH, Juni 2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 83

dem soziokulturellen Bereich. Dieser übernimmt neben den kulturellen und freizeitorientierten Aufgaben vor allem auch wichtige Bildungs- und Sozialfunktionen. Die betreffenden Einrichtun- gen und Initiativen sind entweder lokal und mit kleinräumigen Einzugsbereichen verortet oder konzentrieren sich auf sehr spezielle Zielgruppen. Sie tragen wesentlich zur sozialen und kulturel- len Teilhabe – und damit zur Lebensqualität – vor Ort bei und repräsentieren die unterschiedlichen Identitäten der einzelnen städtischen Teilräume. In erster Linie gehören dazu die stadtweit bekannten Initiativen und Begegnungsstätten. Insbesonde- von KiKA, Zughafen, Musikproduktionen u. a. ent- re in den Großwohnsiedlungen als auch in den wickelt. ländlichen Ortsteilen Erfurts stellen sie wichtige Bezugspunkte für das kulturelle und gesellschaft- Darüber hinaus liegt in der Förderung der Kultur als liche Leben vor Ort dar. Aspekt der Bildung ein wesentliches Ziel der Kul- turpolitik Erfurts. Dabei versteht sie die kulturelle In diesem Zusammenhang versteht die Landes- Bildung als Fähigkeit zur erfolgreichen Teilhabe an hauptstadt Erfurt die aktive Kulturförderung kulturbezogener Kommunikation, am gesellschaft- auch als wichtigen Bestandteil und Vorausset- lichen Geschehen im Allgemeinen und an erfolg- zung erfolgreicher Wirtschaftsförderung und ist reicher Berufstätigkeit. Die Bestrebungen liegen bestrebt, Erfurt als Stadt für Kunstproduzenten darin, allen Teilen der Bevölkerung die Partizipa- weiterzuentwickeln. Dabei geht es insbesondere tion am kulturellen Leben der Stadt zu ermöglichen um das Schaffen von Rahmenbedingungen für die und ein breitgefächertes kulturelles Angebot zu Kultur- und Kreativwirtschaft, die sich im Umfeld garantieren. Mit Blick auf die kulturelle Kinder-

Fotos 32 und 33: Stadtverwaltung Erfurt 84 ISEK Erfurt 2030

und Jugendbildung sowie kulturelle Sozialarbeit wiedergefundene räumliche und politische Ver- werden insbesondere auch die Musikschule, Stadt- ankerung Erfurts in Thüringen deutlich gemacht und Regionalbibliothek sowie die Volkshochschule werden. Dies hat ohne Zweifel die besondere Ge- als Kulturorte verstanden. schichte der Thüringer Kleinstaaterei begünstigt, die fast zum Synonym für reichhaltige Kulturland- Petersberg schaft und zugleich für den weltfremden Rückzug Der Petersberg als Stadtkrone Erfurts wird seiner ins Beschauliche geworden ist. hohen geschichtlichen Bedeutung für die Stadt wie auch für den Freistaat Thüringen bis heute nicht Hier, wo vielleicht die Geschichte des Landes annährend gerecht. In das kollektive Bewusstsein seinen Ausgang nahm, könnte ein Ort entstehen, der Bevölkerung, in die alltäglichen Wege und Ge- der die Kulturlandschaft Thüringen in die Stadt wohnheiten ist er kaum zurückgekehrt und dient hineinholt und sinnbildlich und zugleich ganz vornehmlich als Ausflugsziel und Aussichtsterrasse greifbar den „weiten Blick nach außen“ befördert, über der Altstadt. der Grenzen und Distanzen überwindet wie eine Art Periskop. Damit könnte zugleich die dringend Dabei ist sich die Stadtbevölkerung dieses un- anstehende Selbst(wieder)einordnung der Stadt in gehobenen Schatzes durchaus sehr bewusst. Der die Kulturlandschaft Thüringens unterstützt und Petersberg ist als kulturhistorischer Idealort prä- das Bewusstsein um die Einbettung in das Land destiniert, in einmaliger Lage mit dem großartigen greifbar gemacht werden. Torso der romanischen Peterskirche und der Defen- sionskaserne als großem nutzbaren Bauvolumen Die Rückgewinnung des Petersberges in das öffent- einprägsam die Geschichte Thüringens zu erzählen. liche Bewusstsein und Raumsystem des Landes stellt somit kulturpolitisch eine wichtige städti- Hier kann auch in besonderer Weise die über Jahr- sche wie landespolitische Aufgabe dar (vgl. strate- hunderte währende Fremdheit der Hauptstadt im gisches Projekt P 23, ISEK Erfurt 2030, Teil 2). eigenen Land, die verloren gegangene und nun

Foto 34: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 85

Karte 8 Kulturadressen Altstadt und Innenstadt Erfurt Karte 8 Kulturadressen Altstadt und Innenstadt Erfurt Karte 8 Kulturadressen Altstadt und Innenstadt Erfurt Karte 8 Kulturadressen Altstadt und Innenstadt Erfurt

Kulturadressen Erfurter Altstadt (Auswahl) Kulturadressen EErrfurter Altstadt (Auswahl) Kulturadressen Erfurter Altstadt (Auswahl) Kulturadressen Erfurter Altstadt (Auswahl)

86 ISEK Erfurt 2030

2.6.3 Sport

Die Landeshauptstadt kann auf eine lange Tradi- nasium eine Spezialschule für Sport zur Förderung tion als Sportstadt zurückblicken und im Bereich junger Talente. des Spitzensports eine Reihe internationaler Erfolge – vor allem der Schwimmer, Leichtathleten Diese Sportstätten sind es auch, die der Landes- und Radsportler – vorweisen. Zudem ist Erfurt seit hauptstadt durch internationale Wettkämpfe wie Mitte der 1980er Jahre untrennbar mit dem Eis- Weltcups und Europameisterschaften zusätzliche schnelllauf verbunden. Aufmerksamkeit verleihen und werbewirksam zur Profilierung des Images von Erfurt als Sportstadt Mit Blick auf die Infrastrukturen verfügt Erfurt über beitragen. moderne, regional und überregional bedeutsame Sporteinrichtungen wie das Steigerwaldstadion, Zur Bewirtschaftung der kommunalen Einrich- das Eissportzentrum, die Leichtathletik-Halle, die tungen wurden 2003 bzw. 2016 die städtischen Roland-Matthes-Schwimmhalle oder die Rad- Eigenbetriebe „Erfurter Sportbetrieb“ (ESB, hervor- rennbahn Andreasried. Als Olympiastützpunkt gegangen aus dem städtischen Sportamt) bzw. Thüringen bietet Erfurt mit diesen Einrichtungen „Multifunktionsarena“ (MFA) gegründet. Die und einer umfangreichen Sportförderung auch mit Aufgaben umfassen beispielsweise die Sportstät- Landesmitteln (nicht nur des Spitzensports) Nach- tenleitplanung, Sportförderung, Planung, Bau, wuchssportlern sehr gute Entwicklungsmöglichkei- Unterhaltung, Verwaltung und Betrieb kommu- ten sowie Trainings- und Wettkampfbedingungen. naler Sporteinrichtungen, die Beschaffung von Zudem besteht mit dem Pierre-de-Coubertin-Gym- Sportgeräten und Ausrüstungen oder die Vergabe

Fotos 35 und 36 (Seite 87): Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 87

und Vermietung von kommunalen Sportanlagen. Schulgrundstücken gelegenen Schulsporthallen Insgesamt bewirtschaften ESB und MFA 49 Sport- organisiert. Zur Absicherung des Schulschwimmens platzanlagen, sechs Sporthallen, zehn Sondersport- und des Vereinssports bestehen auf Grundlage des anlagen und sechs Kegelbahnen. Mit dem Eissport- „Leistungsvertrages zum Bäderbetrieb“ Nutzungs- zentrum Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle, dem vereinbarungen zwischen der Landeshauptstadt Steigerwaldstadion – jetzt Multifunktionsarena, Erfurt (vertreten durch den ESB) und der SWE Bäder der Leichtathletikhalle und der Thüringenhalle GmbH. fallen hierbei die größten Einrichtungen in den Aufgabenbereich der Eigenbetriebe. Insgesamt werden durch die Stadt 51 Schulsport- hallen und Turnräume unterhalten. Außerdem Desweiteren verfügt die Stadt Erfurt über zwei verfügen 25 Schulstandorte über Kleinsportanlagen Schwimmhallen (Roland-Matthes-Schwimmhalle, unterschiedlichster Qualität und Ausstattung. Schwimmhalle Johannesplatz) und vier Freibäder (Nordbad, Strandbad Stotternheim, Freibad Möbis- Die kommunalen Sporteinrichtungen stehen auch burg, Dreienbrunnenbad). Alle sechs Einrichtungen dem vereinsorganisierten Breitensport zur Verfü- werden durch die SWE Bäder GmbH, ein Tochter- gung. Dieser wird durch ca. 265 Sportvereine mit 111 unternehmen der Erfurter Stadtwerke, betrieben. verschiedenen Sportarten und über 30.000 Mit- gliedern und 3.000 ehrenamtlich Tätigen getragen. Der Sportunterricht wird in Schulträgerschaft Besonders die Vereinsarbeit mit ihren sozialen der Landeshauptstadt Erfurt in zumeist auf den Kontakten und der faire Umgang im sportlichen Miteinander vermitteln eine hohe soziale Kompe- tenz, die es auch zukünftig weiterzuentwickeln gilt. Dies erfordert entsprechende Rahmenbedin- gungen, um den Sportvereinen im Rahmen des selbstverwalteten Sports auch zukünftig entspre- chende Möglichkeiten für die Durchführung ihres Sportes zu geben.

Deshalb muss die Bestandserhaltung und Sanie- rung der bestehenden Sportinfrastruktur (Sport- stätten und Bewegungsräume) weiteres Haupt- anliegen der sportlichen Entwicklung in der Stadt sein. Das betrifft die weitere Sanierung der Schul- sport- und Sporthallen.

Laut Schulnetzplan45 besteht bei etwa 20 % der Sporthallen Sanierungsbedarf. Zudem kann an einigen Schulstandorten der Bedarf an Sporthal- lenzeiten mit den vorgehaltenen Kapazitäten der bestehenden Sporthallen nicht gedeckt werden. Um diese Herausforderung anzunehmen, wurde im Amt für Bildung eine Prioritätenliste für den Sporthallenneu- bzw. -erweiterungsbau erarbeitet, die seitdem schrittweise umgesetzt wird.

45 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, Schulnetzplan der Landeshauptstadt Erfurt 2014/2015 - 2018/2019, Oktober 2015 88 ISEK Erfurt 2030

Karte 9 Sportanlagen

Karte 9 Sportanlagen

Sportanlagen

Sportanlagen

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 89

2.7 Bildung und Wissenschaft

2.7.1 Universitäts- und Hochschulstadt Erfurt

Erfurt verfügt mit der Universität, der Fachhoch- Etwa 130 Jahre war sie eine der bedeutendsten schule Erfurt und der IUBH über drei Einrichtun- Bildungsstätten im deutschsprachigen Raum, gen, die maßgeblich zur Attraktivität und zum lehrte an den vier Fakultäten Philosophie, Medizin, regionalen Profil der Landeshauptstadt beitragen. weltliches und kirchliches Recht sowie Theologie. Mit ihren breit gefächerten Lehr- und Studienan- Darüber hinaus genoss sie mit der Artistenfakultät, geboten, angegliederten Forschungseinrichtungen an der auch die Sieben Freien Künste und Netzwerken sind sie wichtige Arbeitgeber und studierte, sowie der großen Bibliotheca Amplonia- Impulsgeber für Stadt und Region zugleich. Mit na weithin großes Ansehen. ihren ökonomischen aber auch stadtgesellschaft- lichen Effekten prägen die Studierenden und Hoch- Mit dem finanziellen Abschwung der Stadt sowie schulangehörigen die Landeshauptstadt Erfurt in der Spaltung der Konfessionen geriet die Uni- vielfacher Hinsicht. Im Folgenden werden die drei versität in den darauffolgenden Jahrhunderten wichtigsten/größten Einrichtungen der Erfurter in immer größere Problemlagen und wurde letzt- Hochschullandschaft porträtiert. lich 1816 geschlossen. Lediglich die Bibliothek, die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Universität Erfurt Erfurt sowie einige historische Universitätsgebäu- Die staatliche Universität Erfurt ist eine geistes- de im sogenannten Lateinischen Viertel blieben als wissenschaftliche Hochschule mit kultur- und Zeugnisse des ehemaligen Universitätsstandortes gesellschaftswissenschaftlichem Profil. Sie blickt zurück. auf eine lange und traditionsreiche, aber auch sehr bewegte Geschichte zurück und hat damit das Der aus einer Bürgerinitiative 1987 gegründeten Stadtbild, die Identität und die Erfurter Stadtge- Universitätsgesellschaft Erfurt ist es zu verdanken, sellschaft maßgeblich beeinflusst. dass der Universitätsbetrieb 1994 wieder auf- genommen wurde. Somit ist die Universität die Als eine der ersten Universitäten innerhalb der jüngste in Deutschland und zugleich eine der ältes- Grenzen des heutigen Deutschlands wurde sie 1379 ten mit einer bis ins Mittelalter zurückreichenden auf Initiative der Erfurter Stadtväter gegründet. Tradition.

Foto 37: Stadtverwaltung Erfurt 90 ISEK Erfurt 2030

Heute bilden insgesamt vier Fakultäten mit ihren Das Forschungszentrum Gotha mit der Schwerpunkten Religion und Bildung die organisa- Universitäts- und Forschungsbibliothek torischen Grundeinheiten der Universität Erfurt: Erfurt/Gotha gilt als zentrale Einrichtung der Universität Erfurt für Kultur- und Wissensge- Die Staatswissenschaftliche Fakultät vereint schichte der Neuzeit. die Fachbereiche Rechts-, Sozial- und Wirt- schaftswissenschaften seit dem Jahr 2000 zu Mit ihren etablierten Projekten National Model einem interdisziplinären Programm. United Nations, Kinder-Uni Erfurt und der Erfurter Herbstlese leistet die Universität seit vielen Jahren Seit 2001 führt die Erziehungswissenschaft- gemeinsam mit verschiedenen Partnern einen liche Fakultät mit zwölf Fachgebieten die wichtigen Bildungsbeitrag für die internationale humanistischen und aufklärerischen Tradi- Studentenschaft sowie für die Erfurter Schulland- tionen der alten Erfurter Universität fort. schaft und Stadtgesellschaft.

Die 2003 wieder gegründete Katholisch-Theo- Ein wichtiges Ziel- bzw. Leitprojekt der Universität logische Fakultät stellt, als einzige ihrer Art Erfurt ist, sich in den nächsten Jahren als For- in den neuen Bundesländern, ein Alleinstel- schungsuniversität weiter zu etablieren und in die lungsmerkmal dar. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) aufge- nommen zu werden.46 Die Philosophische Fakultät umfasst das breite Spektrum der Geistes- und Kulturwis- Der zentrale Standort des Universitätscampus liegt senschaften. in der Andreasvorstadt zwischen Nordhäuser und Schwarzburger Straße. Dort befinden sich sowohl Fakultätsübergreifend werden an der Universität die Erziehungswissenschaftliche als auch die rund 40 Studienfächer angeboten. Staatswissenschaftliche und Philosophische Fakul- tät, die School, die Mensa und andere Des Weiteren bestehen wissenschaftliche Einrich- zentrale Verwaltungs-, Forschungs- und Mitarbei- tungen, die insbesondere im Bereich der Nach- tergebäude. Die Katholisch-Theologische Fakultät wuchsförderung, der Forschung und des wissen- wurde direkt gegenüber des Sankt-Marien-Doms schaftlichen Austauschs tätig sind: in der Altstadt angesiedelt. Weitere universitäre Gebäude, begleitende Infrastrukturen und mit der Das Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozial- Universität verbundene Forschungseinrichtungen wissenschaftliche Studien ist eine der besten wie das Max-Weber-Kolleg verteilen sich im inne- Forschungseinheiten im Bereich Soziologie ren Stadtgebiet (vgl. Karte 10): in Deutschland. Max-Weber-Kolleg: Steinplatz 2, Die Erfurt School of Education stellt das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsfor- „Alte Parteischule“: Werner-Seelenbin- schung dar. der-Straße 1 – Hörsäle und Gästehaus,

Die Willy Brandt School of Public Policy Lehrgebäude für Kunst: Am Hügel. repräsentiert eine international und inter- disziplinär ausgerichtete Forschungs- und Ausbildungseinrichtung.

46 Universität Erfurt, https://www.uni-erfurt.de/forschung/forschungsprofil/, abgerufen am 17.08.2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 91

Die Zahl der Studierenden hat sich seit der Wieder- Durch die steigende Zahl der eingeschriebenen Stu- gründung und Aufnahme des Universitätsbetriebs dentinnen und Studenten hat sich das Betreuungs- bis heute stetig gesteigert. Waren im Winterse- verhältnis Studierende je Hochschullehrer stark mester 2000/2001 noch 2.371 Studierende ein- verändert. So stieg die Zahl der zu betreuenden geschrieben, gab es zehn Jahre später bereits fast Studierenden pro Hochschullehrer von 29 im Win- 5.500 registrierte Studierende. Den zwischenzeiti- tersemester 1999/2000 auf 57 sechs Jahre später. gen Rekord erzielte das Wintersemester 2013/2014 Aktuell sind etwa 620 Personen an der Universität mit 5.732 eingeschriebenen Studierenden. Seit- beschäftigt, davon ca. 340 im wissenschaftlichen dem blieben die Zahlen auf einem vergleichbaren Bereich.47 Niveau. Mit 5.787 Studierenden (davon 414 Studie- rende aus dem Ausland) wurde im Wintersemester 2017/2018 ein neuer Höchststand erreicht.

48 Abb. 33 Entwicklung der Studierendenzahl Universität Erfurt

7.000 5.785 5.732 5.715 5.711 5.686 5.598 5.483

6.000 5.475 5.052 4.676

5.000 4.538 4.072 3.953 3.844 4.000 3.722 3.461

3.000 2.865 2.371

2.000

1.000 430 421 414 387 361 329 315 316 273 222 207 200 190 190 176 169 69 0

Studierende davon aus dem Ausland

Fachhochschule Erfurt einem nachgefragten Partner der lokalen und Die 1991 gegründete Fachhochschule Erfurt ist der regionalen Wirtschaft (vgl. Kap. 2.5.2). zweitgrößte Studienstandort der Landeshaupt- stadt. Als moderne und praxisorientierte Uni- versität der angewandten Wissenschaften beruft sie sich gleichzeitig auf die langjährige Erfurter Tradition des Gartenbaus und Bauwesens. Die insgesamt sechs Fakultäten bieten ein vielfälti- ges Studienprogramm an und setzen ihren Schwer- punkt auf die Verbindung von wissenschaftlicher Ausbildung und praxisorientierten Anwendungen. Damit macht sich die Fachhochschule auch zu

47 Universität Erfurt, Jahresbericht 2015 48 Universität Erfurt 92 ISEK Erfurt 2030

Tabelle 8 Fakultäten und Ausrichtung Lehrangebot der FH Erfurt

Fakultät Schwerpunkte Angewandte Sozialwissenschaften Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung von Kindern

Architektur und Stadtplanung Architektur, Stadt- und Raumplanung

Bauingenieurwesen und Konservierung/Restaurierung Bauingenieurwesen, Konservierung und Restaurierung

Gebäudetechnik und Informatik Angewandte Informatik, Gebäude- und Energietechnik

Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst Landschaftsarchitektur, Gartenbau, Forstwirtschaft

Wirtschaft-Logistik-Verkehr Wirtschaftswissenschaften, Verkehrs- und Transportwesen

Im Stadtgebiet ist die Fachhochschule Erfurt mit In der Leipziger Straße 77 ist das groß ange- vier Strandorten präsent: legte Gelände der Fakultät für Landschafts- architektur, Gartenbau und Forst beheimatet. Der Hauptcampus der Fachhochschule Erfurt befindet sich in der Altonaer Straße 25 und Die Schlüterstraße 1 ist der Standort für die beherbergt sowohl wissenschaftliche als Fachrichtung Architektur sowie Stadt- und auch administrative Einheiten. So finden sich Raumplanung. hier neben zahlreichen Räumen der Fach- richtungen die zentrale Verwaltung mit dem Die Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften Studierendensekretariat, das Prüfungsamt, ist auf dem Hauptcampus in der Altonaer die zentrale Studienberatung, die Hochschul- Straße untergebracht. bibliothek sowie das Sprachen- und Rechen- zentrum.

49 Abb. 34 Entwicklung der Studierendenzahl Fachhochschule Erfurt

5.000 4.633 4.676 4.650 4.590 4.619 4.550 4.500 4.437 4.248 4.215 4.000

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500 200 224 208 173 195 192 178 171 144 0 2008/2009 2009/2010 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 2016/2017

Studierende davon aus dem Ausland

49 Fachhochschule Erfurt, https://www.fh-erfurt.de/fhe/fachhochschule/portrait/zahlen-und-fakten/, abgerufen am 20.08.2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 93

Zur Schwerpunktbildung und fachübergreifenden Im ersten Wintersemester 2008/2009 wurden 39 Zusammenarbeit in der Forschung wurden bislang Studentinnen und Studenten immatrikuliert.50 Vier in zwei Fakultäten vier wissenschaftliche Einrich- Jahre später waren es bereits 253 Studierende.51 tungen (Institute) gegründet. Dabei handelt es sich um: Studierendenwohnheime Das Studierendenwerk Thüringen stellt in Erfurt Institut für bauwerksintegrierte Technolo- neun studentische Wohnanlagen mit zusammen gien (IBIT), über 1.000 Plätzen, meist als Einzelzimmer in Wohngemeinschaften, zur Verfügung.52 Dabei han- Institut für Stadtforschung, Planung und delt es sich um die Wohnheime: Kommunikation (ISP), Alfred-Weber-Platz 2 auf dem Uni-Campus: Institut Verkehr und Raum (IVR), 91 Wohnplätze, Altbau, 2004 saniert;

Institut für Produktion, Transport, Umschlag Alfred-Weber-Platz 5 auf dem Uni-Campus: und Lagern (proTUL). 88 Wohnplätze, Altbau, 2000 saniert;

Aktuell sind an der Fachhochschule Erfurt etwa Allerheiligenstraße 21 im Studentenzentrum 370 Personen beschäftigt, davon ca. 170 im wissen- „Engelsburg“ in der Altstadt: sechs Wohnplät- schaftlichen Bereich. ze, Fachwerkhaus, 1999 saniert;

Internationale Hochschule Bad Honnef-Bonn (IUBH) Donaustraße 28-42 in der Nähe vom Uni-Cam- Im Jahr 2008 eröffnete die staatlich anerkannte, pri- pus: 252 Wohnplätze, Plattenbau, vate Adam-Ries-Fachhochschule. Seit 2013 ist sie Teil 1996/97 saniert; der privaten Internationalen Hochschule Bad Hon- nef-Bonn und bietet ihre Studiengänge unter dem Klingenthaler Weg 12/12a/14/16/18 gegenüber Namen „IUBH Duales Studium“ an. Hervorzuheben dem FH-Campus: 69 Wohnplätze, Altbau, ist die enge Verzahnung mit Praxispartnern vor Ort, 1997 saniert; denn das duale Studium beinhaltet einen wöchent- lichen Wechsel zwischen Lehre und Ausbildung. Leipziger Straße 77a-c am FH-Campus Leipzi- ger Straße: 64 Wohnplätze, Plattenbau, In Erfurt werden fünf Studiengänge angeboten: 1998 saniert;

Betriebswirtschaftslehre, Marcel-Breuer-Ring 3/5/7 im Wohngebiet Ringelberg: 159 Wohnplätze, Tourismuswirtschaft, 1997 errichteter Neubau;

Produktions- und Logistikmanagement, Wohnheim Plauener Weg 8 auf dem Uni-Campus: 226 Wohnplätze, Plattenbau Marketing Management, von 1987, teilsaniert;

Management nachhaltiger Energien.

50 Wikipedia 51 Statistisches Bundesamt (Destatis), https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/StudierendeHochschulen Endg2110410137004.pdf?_blob=publicationFile, S. 107, abgerufen am 17.08.2017 52 Studierendenwerk Thüringen, http://www.stw-thueringen.de/deutsch/wohnen/wohnanlagen/erfurt/index.html, abgerufen am 15.07.20217 94 ISEK Erfurt 2030

Karte 10 Universitäts- und Hochschulstadt Erfurt

Max-Kade-Haus in der Saalestraße 5/6 auf vereins „Unitas Ostfalia“ in der Heinrichstraße 11 dem Uni-Campus: 50 Wohnplätze, insgesamt neun Wohnplätze sowie die Räumlich- 2013 errichteter Neubau. keiten des Studentenvereins „Erfurter Wingolf Georgia“ in der Arnstädter Straße 15 insgesamt KarteZudem 10 Universitäts- bieten das und Bischof-Hugo-Aufderbeck-Haus Hochschulstadt Erfurt sieben Wohnplätze an.53 Kartedes wissenschaftlichen 10 Universitäts- und Hochschulstadt katholischen Erfurt Studenten- Karte 10 Universitäts- und Hochschulstadt Erfurt

Karte 10 Universitäts- und Hochschulstadt Erfurt

Universität und Hochschule

Universität und Hochschule Universität und Hochschule Universität und Hochschule

Universität und Hochschule

53 Unitas Ostfalia, http://www.unitas-ostfalia.org/zum-haus.html, abgerufen am 17.08.2017

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 95

2.7.1 Schullandschaft Erfurt

Schulische Bildung54 sche Edith-Stein-Schule sowie das Evangelische In der Landeshauptstadt Erfurt befindet sich der Ratsgymnasium) oder besondere fachliche Schwer- überwiegende Teil der Schulen in staatlicher Trä- punkte setzen. gerschaft. Insgesamt gibt es in Erfurt 63 staatliche allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Kinder und Jugendliche, die besondere förderpäd- Schulen. agogische Unterstützung benötigen und nicht im gemeinsamen Unterricht beschult werden, können Daneben werden 13 Schulen in freier Trägerschaft an eine der acht Erfurter Förderschulen gehen. Je geführt, die mitunter nach besonderen pädagogi- nach Schwerpunkt werden dort gezielt geistige schen Konzepten arbeiten (z. B. die Waldorfschule), Entwicklung, körperliche und motorische Entwick- konfessionell ausgerichtet sind (z. B. die Katholi- lung oder auch Hören im Besonderen gefördert.

55 Tabelle 9 Überblick Schulart und Trägerschaft

Schulart Anzahl Staatliche Trägerschaft Freie Trägerschaft Grundschule 31 28 3 Regelschule 12 9 3 Gesamtschule 3 2 1 Gemeinschaftsschule 7 5 2 Gymnasium 8 6 2 Förderschule 8 6 2 Insgesamt 69 56 13

Um den Bedarf an Standorten, deren Bildungs- und nen haben darüber hinaus eine Reihe von Anforde- Betreuungskonzepte sowie deren Ausstattung rungen gestellt, die im Schulnetzplan aufgegriffen regelmäßig zu prüfen und zukunftsgerecht aus- werden. Sie umfassen den Ausbau der Ganztags- zugestalten, wird der städtische Schulnetzplan in schulen, die Schaffung von Gemeinschaftsschu- der Regel alle fünf Jahre fortgeschrieben. Dies ge- len und eines Gymnasiums, die Umsetzung von schieht unter Federführung des Amtes für Bildung Integration und Inklusion sowie die Auseinander- in Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt setzung um die Festlegung bzw. Gestaltung der Mittelthüringen, der Kreiselternvertretung sowie Schuleinzugsbereiche in den vier Planungsräumen. weiteren Verantwortungsträgern. Die Zielstellung Die im ISEK formulierten Ziele im Handlungsfeld orientiert sich dabei am Thüringer Schulgesetz. Der „Bildung“ als auch das 2012 vom Erfurter Stadt- aktuelle Schulnetzplan für die Schuljahre 2014/2015 rat beschlossene Bildungsleitbild stellen für den bis 2018/2019 wurde im Oktober 2015 veröffentlicht. Schulnetzplan eine wichtige strategische Orientie- rungshilfe dar. Ziel der Schulnetzplanung ist, ein für alle Kinder und Jugendlichen ausgewogenes, bedarfsgerechtes Die drei für die Schulnetzplanung wesentlichen Angebot an Schulen und gleichzeitig Planungs- bildungspolitischen Entwicklungen beziehen sich sicherheit für die jeweiligen Schulstandorte zu auf nachfolgende Schwerpunkte: bieten. Die mitwirkenden Partner und Institutio-

54 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, Schulnetzplan der Landeshauptstadt Erfurt 2014/2015 bis 2018/2019, Oktober 2015 55 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, Schulnetzplan der Landeshauptstadt Erfurt 2014/2015 bis 2018/2019, Oktober 2015 96 ISEK Erfurt 2030

Bildung von Gemeinschaftsschulen nach dem Berufliche Bildung Konzept der Thüringer Gemeinschaftsschule Zur Aus- und Weiterbildung dienen vor allem die durch Schulartänderung oder Neuerrichtung. berufsbildenden Schulen. In der Landeshauptstadt gibt es 17 davon, wobei der Großteil (elf) in freier An allen Erfurter Grundschulen wurde im bzw. privater Hand ist. An den Schulen kann zwi- Rahmen des Modellprojekts „Weiterentwick- schen einer dualen und einer vollzeitschulischen lung der Thüringer Grundschulen“ (2008- Berufsausbildung gewählt werden. 2016) die Zeitstruktur und somit auch die Lernorganisation eines Schultages verändert. Die Erfurter Berufsschulen bieten Schülerinnen und Ziel war es, das Ganztagsangebot qualitativ Schülern ein breites Spektrum an Berufsfeldern an: zu verbessern, um besser auf die individu- ellen Bedürfnisse der Kinder eingehen zu Wirtschaft / Verwaltung, können. Erfreulich ist, dass im Zuge dieses Projektes die Zahl der bei der Kommune an- Drucktechnik / Medientechnik, gestellten Erzieherinnen und Erzieher in Voll- beschäftigung kontinuierlich gestiegen ist. Metalltechnik,

Stärkung der Integration und Inklusion Farbtechnik und Raumgestaltung, von Menschen mit Behinderungen als eine zentrale Aufgabenstellung in den allgemein- Fahrzeugtechnik, bildenden Schulen. Körperpflege, Ein weiteres Augenmerk im aktuellen Schulnetzplan wird auf die Gestaltung bzw. die Ausstattung des Elektrotechnik, Schulsportes gelegt. Durch die Unterhaltung und Pflege der Sporteinrichtungen soll der Schulsport Ernährung und Hauswirtschaft, für Kinder und Jugendliche nachhaltig gefördert werden, auch und vor allem, um den langfristigen Bautechnik, Folgen der Bewegungsarmut entgegenzuwirken. Agrarwirtschaft, Die bislang geltenden Schuleinzugsbereiche die- nen der wohnortnahen Verteilung der Schülerinnen Holztechnik, und Schüler. Neu geplant sind erweiterte Schul- einzugsbereiche für bestimmte Grund- und Regel- Einzelberufe / Berufe ohne Zuordnung. schulen, innerhalb derer dann eine Schule gewählt werden kann. Weitere Schulen In Erfurt befinden sich außerdem noch Thüringens Bei der Betrachtung der baulichen Zustände der größte Musikschule, die Volkshochschule Erfurt als staatlichen Schulen stellte der Schulnetzplan kommunale Einrichtung der Erwachsenen- und Wei- 2014/15 erhebliche Sanierungsrückstände und terbildung, die Schülerakademie sowie die Erfurter Handlungserfordernisse fest und definierte im Malschule. Handlungsprogramm eine Reihe an Maßnahmen- komplexen zu deren Beseitigung. Diese werden seitdem mit erheblichen Mitteleinsätzen konti- nuierlich umgesetzt. So stellt die Schulsanierung einen Schwerpunkt im städtischen Haushalt dar. Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 97

Karte 11 Schullandschaft Erfurt

Karte 11 Schullandschaft Erfurt

Schullandschaft

Schullandschaft

98 ISEK Erfurt 2030

Entwicklung der Schülerzahlen und Auswirkungen Mit den veränderten Verläufen in der Erfurter Be- auf die Schulkapazitäten völkerungsentwicklung sind diese Entwicklungen Seit Mitte der 1990er Jahre hatten sich die Schü- nur gemildert bzw. nicht eingetreten. Zwar werden lerzahlen in den einzelnen Schularten zunächst auch heute die prognostizierten Veränderungen teilweise stark rückläufig entwickelt, sodass in den hinsichtlich der Bevölkerungszahl sowie der Alters- nachfolgenden Jahren zahlreiche Veränderungen struktur in Erfurt (vgl. Kap. 2.2) weitreichende Aus- im Schulnetz umgesetzt wurden. Dabei wurde be- wirkungen auf Bedarf und Nutzung der schulischen sonders der vorhandene Überhang an schulischen Einrichtungen und Angebote haben. Allerdings wird Einrichtungen in den Großwohnsiedlungen Erfurts sich diesmal die anhaltend positive Einwohner- beachtet. Unter diesen Eindrücken wurden im ISEK entwicklung bzw. konstante Geburtenentwicklung Erfurt 2020 am Beispiel der Schülerzahlprognosen dahingehend auswirken, dass die Schulnetzpla- exemplarisch die Auswirkungen des demografi- nung mit entsprechenden Kapazitätserhöhungen schen Wandels dargestellt. So ging man 2008 noch reagieren muss. So hat sich die Schülerzahl an den davon aus, dass nachdem die Grundschulstandorte staatlichen Schulen Erfurts seit 2008 von 14.256 den realen Schülerzahlen angepasst wurden, große Schülern um fast 9 % auf 15.511 (Stand Januar 2018) Veränderungen im Bereich der Regelschulen und erhöht. Bis zum Jahr 2026/27 wird sie um weitere Gymnasien zu erwarten wären. 23 % zunehmen. Demnach wären in den staatlichen Schulen Erfurts ca. 19.030 Schüler zu beschulen.

56 Abb. 35 Schülerzahlentwicklung bis 2026/2027 (ohne Freie Träger und Berufsschüler)

20.000

17.500

15.000

12.500

10.000

7.500

5.000

2.500

0 08/09 09/10 10/11 11/12 12/13 13/14 14/15 15/16 16/17 17/18 18/19 19/20 20/21 21/22 22/23 23/24 24/25 25/26 26/27

Schülerinnen und Schüler Prognose

Nachfolgend werden unterschieden nach Schul- mer ganz eindeutig eingeschätzt werden und auch stufe und Stadtgebiet die aktuell prognostizierten Änderungen unterliegen können. So ist nicht ganz Schülerzahlen und damit einhergehenden Kapa- klar, wie die weitere Entwicklung der Flüchtlings- zitätsauslastungen der Schulen wiedergegeben. zahlen verlaufen wird, wann sich die Inklusionsziele Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar fundierte zeitlich ausgestalten lassen (und mit welchen Ein- Datengrundlagen und Rechenmodelle angewandt flüssen auf die Klassengröße und damit geminderte wurden, die Darstellungen jedoch auf für die Zu- Kapazitäten) oder wann und in welchem Maße die kunft getroffenen Annahmen basieren, die nicht im- freien Träger ihre Kapazitäten erhöhen werden. Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 99

Entwicklungen in der Primarstufe jahr 2026/27 ab. Gemäß Schulnetzplan wird auf In den Entwicklungen der Klassenstufe 1 bis 4 diese Entwicklungen mit Veränderungen in den zeigt sich, dass vor allem in den Stadtgebieten Schuleinzugsbereichen sowie einer Erhöhung der Süd/Süd-West und zu Teilen auch in Mitte/Ost die Zügigkeit der Schulen reagiert. Kapazitätsgrenzen bereits heute erreicht sind. Die Auslastungsquote betrug gemäß Statistik (Stand Kurzfristige Entspannungen können zudem als Januar 2018) 99 % in Süd/Süd-West, 82 % in Mitte/ Folge der Umwandlung einer Regelschule zur Thü- Ost, 67 % in Nord und 85 % in Süd-Ost. Lediglich in ringer Gemeinschaftsschule ab der Klassenstufe 1 Nord wird gemäß Vorausberechnung die Auslas- geschaffen werden. Der Schulnetzplan wird aktuell tung der Kapazität bis 2026/27 unter 90 % bleiben. bis Frühjahr 2019 fortgeschrieben und dabei auch Dennoch bildet sich auf gesamtstädtischer Ebene erforderliche Schulneubauvorhaben benennen und ein Zuwachs von ca. 1.720 Schülern bis zum Schul- Standorte definieren.

57 Abb. 36 Kapazitäten Primarstufe (1. bis 4. Klasse) nach Stadtgebieten

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0

Süd/Süd-West Mitte/Ost Nord Süd-Ost

Anstieg Schülerzahl 2018/ 2019/ 2020/ 2021/ 2022/ 2023/ 2024/ 2025/ 2026/ Kapazität Stadtgebiet Schüler 01. 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2017/18 2018-27

Süd/Süd- 2.396 2.488 2.546 2.603 2.657 2.714 2.771 2.829 2.886 2.940 2.418 544 West

Mitte/ Ost 2.249 2.336 2.390 2.443 2.494 2.548 2.601 2.656 2.709 2.760 2.752 511

Nord 1.549 1.609 1.646 1.683 1.718 1.755 1.791 1.829 1.866 1.901 2.324 352

Süd-Ost 1.379 1.432 1.465 1.498 1.529 1.562 1.595 1.628 1.661 1.692 1.618 313

gesamt 7.573 7.865 8.047 8.227 8.398 8.579 8.758 8.942 9.122 9.293 9.112 1.720

56 (Seite 98) Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, August 2018 57 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, August 2018

100 ISEK Erfurt 2030

Entwicklungen in der Sekundarstufe I bereich sollen auch hier durch die Anpassung von Die Kapazitäten der Schulen der Klassenstufe 5 bis Schuleinzugsbereichen und die Erhöhung der Zü- 10 liegen bereits in weiten Teilen des Stadtgebietes gigkeit die Mehrbedarfe so gesteuert werden, dass bei über 90 %. gravierende Engpässe bewältigt werden können.

So betrug die Auslastungsquote gemäß Statistik Zudem sollen weitere Regelschulen in Thüringer (Stand Januar 2018) 95 % in Süd/Süd-West, 88 % in Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden. Mitte/Ost, 94 % in Nord und 83 % in Süd-Ost. Auch hier werden in der Fortschreibung des Schul- netzplans bis Frühjahr 2019 erforderliche Schulneu- Auf gesamtstädtischer Ebene wird von einem Zu- bauvorhaben benannt und verortet. wachs von etwa 2.150Schülern bis zum Schuljahr 2026/27 ausgegangen. Ähnlich wie im Grundschul-

58 Abb. 37 Kapazitäten Sekundarstufe I (5. bis 10. Klasse) nach Stadtgebieten

4.500

4.000

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0

Süd/Süd-West Mitte/Ost Nord Süd-Ost

Anstieg Schülerzahl 2018/ 2019/ 2020/ 2021/ 2022/ 2023/ 2024/ 2025/ 2026/ Kapazität Stadtgebiet Schüler 01. 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2017/18 2018-27

Süd/Süd-West 3.308 3.435 3.515 3.594 3.669 3.747 3.825 3.906 3.985 4.059 3.474 751

Mitte/ Ost 3.082 3.201 3.275 3.348 3.418 3.491 3.564 3.639 3.713 3.782 3.488 700

Nord 2.240 2.326 2.380 2.433 2.484 2.538 2.590 2.645 2.698 2.749 2.394 509

Süd-Ost 846 879 899 919 938 958 978 999 1.019 1.038 1.014 192

gesamt 9.476 9.841 10.069 10.294 10.509 10.734 10.957 11.189 11.415 11.628 10.370 2.152

58 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, August 2018

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 101

Entwicklungen in der Sekundarstufe II (Stand Januar 2018) 94 % in Süd/Süd-West, 70 % in Im Bereich der gymnasialen Schulbildung werden Mitte/Ost und 86 % in Nord. Auf gesamtstädtischer bei aktuell bereits hohen Auslastungen die Schüler- Ebene bildet sich ein Zuwachs von ca. 1.900 Schü- zahlen perspektivisch ebenfalls weiter ansteigen. lern bis zum Schuljahr 2026/27 ab. Die Auslastungsquote betrug gemäß Statistik

59 Abb. 38 Kapazitäten Sekundarstufe II (11. bis 12. Klasse) und IGS (11. bis 13. Klasse) nach Stadtgebieten

900

800

700

600

500

400

300

200

100

0

Süd/Süd-West Mitte/Ost Nord Süd-Ost

Anstieg Schülerzahl 2018/ 2019/ 2020/ 2021/ 2022/ 2023/ 2024/ 2025/ 2026/ Kapazität Stadtgebiet Schüler 01.2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2017/18 2018-27

Süd/Süd- West 626 650 665 680 694 709 724 739 754 768 666 142

Mitte/ Ost 453 470 481 492 502 513 524 535 546 556 648 103

Nord 414 430 440 450 459 469 479 489 499 508 480 94

60 Süd-Ost 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 96 0

gesamt 1.493 1.550 1.586 1.622 1.655 1.691 1.727 1.763 1.799 1.832 1.890 339

Entwicklungen in den regionalen und mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf überregionalen Förderschulen stehen die Förderschulen inmitten eines Im Zuge der Umsetzung der Forderung eines in- Veränderungsprozesses, in dessen Folge die Schü- klusiven Bildungssystems und der damit einher- lerzahlen an diesen Einrichtungen weiter stark gehenden gemeinsamen Beschulung von Kindern zurückgehen werden.

59 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, August 2018 60 Gymnasium 10 Scharnhorststraße 43 (SEK II noch nicht aufgewachsen) 102 ISEK Erfurt 2030

2.8 Landschaft und Freiraum 2.8.1 Einbettung in die regionale Landschaft

Das Erfurter Stadtgebiet liegt am südlichen Rand chen-Mischwälder und die subkontinental gepräg- des Thüringer Beckens. Diese weitgehend flachwel- ten Trockenrasen bilden schützenswerten Lebens- lige Landschaft ist geprägt von landwirtschaftlich raum für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten. genutzten Ackerflächen, Wald- bzw. Forstgebieten In nordwestlicher Richtung reicht das Stadtgebiet sowie einigen Flussauengebieten. Die westlichen, bis in den dicht bewaldeten Naturraum Fahnersche östlichen und südlichen Hochflächen bringen Höhe, in südöstlicher Richtung in den Naturraum Erfurt in eine sogenannte Kessellage, was sich an Ilm--Ohrdrufer Platte. Die fast völlig waldfreie heißen Sommertagen oder Inversionswetterlagen Gera--Niederung, die sich vom nördlichen auch auf die Belüftbarkeit der dicht bebauten Stadtgebiet bis nach Nordhausen und Sangerhau- Stadtteile auswirkt. sen erstreckt, weist einige bedeutende Flora-Fau- na-Habitat- und Vogelschutzgebiete aus. Der Großteil Erfurts liegt im Naturraum Innerthü- ringer Ackerhügelländer, welcher vorwiegend land- Des Weiteren befindet sich in südwestlicher Rich- wirtschaftlich genutzt wird. Einige noch erhaltene, tung mit dem Naturpark Thüringer Wald ein weite- naturnahe Landschaftselemente wie die Eichen-Bu- rer hochwertiger Landschafts- und Naturraum.

Abb. 38 Einbettung in die regionale Landschaft 61 Abb. 39 Einbettung in die regionale Landschaft

Naturräume und Landschaftselemente Naturräume und Landschaftselemente

61 Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 103

2.8.2 Erfurt und seine Teilräume

Für die Landschafts- und Freiraumanalyse wurde de Funktionen sowie eine große Bedeutung für die das Stadtgebiet in einem ersten Schritt in neun Stadtbewohner haben hier: Teilräume untergliedert. Diese entsprechen weit- gehend den Teilräumen aus dem Landschaftsplan Straßenbäume und Straßenbegleitgrün, Erfurt, Rahmenkonzept „Masterplan Grün“, wobei die urban bzw. dörflich geprägten Stadtgebiete begrünte Innenhöfe und Plätze, zusammengefasst wurden.62 Das jeweils vorherr- schende Landschafts- und Ortsbild, der Charakter Kleingartenanlagen (vgl. Kap. 2.8.3), vorhandener Nutzungen und die funktionalen Verflechtungen zwischen den verschiedenen Parkanlagen und Gärten/grüne Trittsteine Nutzungsbereichen bilden die Grundlage für die (vgl. Kap. 2.8.3), Aufstellung der Teilräume. innerstädtische Gewässer (vgl. Kap. 2.8.4). Bebautes Stadtgebiet Das Erfurter Stadtgebiet setzt sich aus der histori- Geraaue/ Erfurter Becken schen Kernstadt, dem südwestlichen, dem südöst- Die Geraaue durchzieht das Erfurter Stadtgebiet lichen, dem östlichen und dem nördlichen Stadtge- wie ein grünes Band von südwestlicher bis nörd- biet sowie den zahlreichen dörflichen Stadtteilen licher Richtung. Weitgehend unbebaut wird dieser zusammen. Als Wohn-, Handels-, Wirtschafts- und Teilraum entweder landwirtschaftlich oder in Form Freizeitstätten sind sie durch verschieden hohe von Gärten, Grün- und Sportflächen genutzt. Im bauliche Dichten und Flächennutzungen geprägt. urbanen Raum ist die Geraaue nahezu vollständig Ihre unterschiedlichen Entwicklungen und sukzes- bebaut und bietet nur vereinzelt relativ kleine Frei- sive Einbindung in das Stadtgebiet spiegeln sich in flächen zur Erholung. den vielfältigen Nutzungsschwerpunkten wider. Bedeutung hat die Gera selbst als Lebensraum Die Altstadt innerhalb der historischen Stadtmau- zahlreicher Tier- und Pflanzenarten, insbesondere ern weist eine geringe Durchgrünung auf. Eine in den naturnahen Uferbereichen. Zudem stellt die Kombination aus Wohn- und Gewerbenutzung Geraaue eine wichtige Kalt- und Frischluftbahn beschreibt das östliche Stadtgebiet, das aufgrund sowie einen wertvollen Teil des Freiflächensys- aufgegebener Industrienutzung und Verkehrsflä- tems dar. Als Teil mehrerer Rad- und Wanderwege chen viele Brachen aufweist. Die nördlichen Stadt- verknüpft sie die südlichen mit den nördlichen teile werden durch eine Mischung verschiedener Stadtteilen. Stadtstrukturtypen mit ihren jeweils typischen baulichen Dichten und Grünanteilen charakteri- Das Erfurter Becken als strukturarme und ebene siert. Die zahlreichen eingemeindeten Dörfer, die Offenlandschaft ist ein von Ackerbau und Kies- sich weitläufig um die Kernstadt gruppieren, sind abbau gekennzeichneter Teilraum im Norden des von Frei- und Grünflächen geprägte Standorte Stadtgebietes. Hervorzuheben sind die durch die kleinteiliger Wohn- und Gewerbenutzung sowie Rohstoffgewinnung entstandenen Rekultivierungs- der Landwirtschaft. maßnahmen in Form von Kies- und Tongruben. Im Gegensatz zu den anderen Teilräumen weist das Teilräume des bebauten Stadtgebietes weisen auf- Erfurter Becken aktuell keine nennenswerten Er- grund von relativ hohen baulichen Dichten einen holungsfunktionen auf. vergleichsweise geringen Anteil an Grün- und Frei- flächen auf. Wichtige gestaltende und auflockern-

62 Stadtverwaltung Erfurt, Umwelt- und Naturschutzamt, Landschaftsplan Erfurt, Rahmenkonzept „Masterplan Grün“, Erläuterungsbericht, September 2015 104 ISEK Erfurt 2030

Westliche Hangkante Ruhezone des Landschaftsraumes Orphalgrund/ Der Teilraum der westlichen Hangkante umfasst Weißbachtal und mehrere (Fern)Wander- sowie die Flächen westlich der Geraaue. Sie bilden den Rad- und Reitwege. Übergang zwischen Geraaue/Erfurter Becken und der westlichen Hochfläche. Kleinräumig wechseln Steiger-Willrodaer Forst sich hier Landwirtschaft, dörfliche Siedlungen und Der Steiger-Willrodaer Forst ist die stark bewaldete Kleingartenanlagen ab. Auch wenn es anteilig sehr südliche Begrenzung des Thüringer Beckens. Forst- viele landwirtschaftlich genutzte Flächen gibt, ist wirtschaft und der Standortübungsplatz Drossel- die westliche Hangkante von einer relativ hohen berg kennzeichnen die Nutzung dieses Teilraumes. Strukturvielfalt geprägt. Er hat zudem wichtige Arten- und Biotopschutz- so- wie Erholungsfunktionen. An den Rändern befin- Es gibt sowohl Grünland, Gärten, Obstwiesen und den sich Stadtrandlandschaften mit Gärten und -plantagen als auch naturnahe Eichen-Hainbu- Einzelhausbebauung. chenwälder, Kiefernwälder und Gehölzstrukturen. Aufgrund der vielfältigen Biotope sind in diesem Eichen-Hainbuchenwälder bzw. Buchenmisch- Naturraum viele, teilweise auch seltene Tier- und wälder dominieren die natürlichen Lebensräume Pflanzenarten vertreten, welche in mehreren aus- und werden durch mageres Grünland auf dem gewiesenen Gebieten unter besonderem Schutz Drosselberg, Obstwiesen, Gehölzstrukturen und stehen. Ackerbiotope ergänzt. Daraus resultiert eine hohe Artenvielfalt, zu deren Schutz mehrere besondere Die westliche Hangkante hat wie die Geraaue Be- Schutzgebiete, wie das Naturschutzgebiet Aspen- deutung für die Belüftung von Teilen des bebau- busch und das Landschaftsschutzgebiet Steiger- ten Stadtgebietes. Und auch hier gibt es für die wald, ausgewiesen sind. Erholung und Freizeit relevante Bereiche wie die

Foto 38: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 105

Der Teilraum Steiger-Willrodaer Forst versorgt das östlichen Hangfuß. Zudem ist der Teilraum als Kalt- südliche Stadtgebiet mit Kalt- und Frischluft. Die luftentstehungsgebiet von Bedeutung. Ruhezone um den westlichen Steigerwald bietet vom Lärm weitgehend abgegrenzt eine wirksame Östliche Hochfläche Erholung. Diese wird durch ein umfassendes Wan- Ähnlich wie in zuvor beschriebenen Teilräumen der-, Rad- und Reitwegenetz ergänzt. wechseln sich auf der östlichen Hochfläche landwirtschaftliche Nutzungen mit dörflichen Hochfläche im Süden und Westen Siedlungsstrukturen ab. Zudem wird das Land- Großflächiger Ackerbau und dörfliche Siedlungen schaftsbild dieses Teilraumes durch Windkraft- prägen die Hochflächen im Süden und Westen. anlagen, das Güterverkehrszentrum sowie durch Weithin sichtbar befinden sich hier zudem der das Umspannwerk Vieselbach und die damit Flughafen Erfurt-Weimar sowie zahlreiche Wind- zusammenhängenden Energiefreileitungen stark kraftanlagen. Neben den Ackerflächen gibt es beeinträchtigt. Erholungsfunktion haben vor allem einige bedeutende Naherholungsgebiete sowie der lärmberuhigte Bereich der Grammeaue sowie zusammenhängende Wochenendhaus- und Klein- vorhandene Rad- und Wanderwege. gartengebiete. Die Hochflächen beherbergen zahl- reiche Schutzgebiete und geschützte Landschafts- Erfurter Seen bestandteile. Am östlichen Rand des Erfurter Beckens befinden sich die Erfurter Seen. Dieser Teilraum zeichnet Östlicher Hangfuß sich vor allem durch seinen noch andauernden In diesem Teilraum wechseln sich bebaute mit Nutzungswandel aus. Insbesondere die Bereiche landwirtschaftlich genutzten Flächen ab. Neu der Kies- und Tongewinnung wurden und werden entstandene Wohngebiete verfügen über umfang- sukzessive im Zuge einer Bergbaufolgenutzung reiche Eingrünungen. Neben großflächigen Äckern zu Erholungs-, Freizeit- und Naturschutzgebieten gibt es einige größere Kleingartenanlagen. Biotope transformiert. Perspektivisch wird ihre Bedeutung mit höherer Bedeutung wie Grünland, Obstwiesen als stadtnaher Erholungsraum noch weiter zuneh- und Gehölze sind hingegen eher spärlich vorhan- men. Die Rekultivierungsmaßnahmen sind explizit den. Der Radfernweg Thüringer Städtekette und im Regionalen Entwicklungskonzept (REK) Erfurter der Fernwanderweg Jakobsweg durchkreuzen den Seen beschrieben.

Foto 39: Stadtverwaltung Erfurt 106 ISEK Erfurt 2030

2.8.3 Elemente der Grün- und Freiraumstrukturen

Das Erfurter Stadtgebiet kann mit sehr unter- schiedlichen Landschafts- und Freiraumstrukturen aufwarten. Das Nebeneinander von landwirt- schaftlichen Nutzflächen, Wäldern, Auengebieten und den Seen der Bergbaufolgelandschaft ist eine der größten Qualitäten der Landeshauptstadt. Und auch das bebaute Stadtgebiet trägt mit sei- nen natürlichen wie künstlichen Gewässerläufen sowie Park- und Grünanlagen zu dieser Vielfalt bei.

Naturräume im Stadtgebiet Dominierend für die Erfurter Natur- und Land- schaftsräume sind die großflächigen landwirt- schaftlichen Nutzflächen, die sich sowohl in west- Die Kies- und Tongruben im Norden kennzeichnen licher als auch nördlicher und östlicher Richtung die Bergbaufolgelandschaft und stellen einen über- ausdehnen. Sie werden von dörflichen Siedlungen regional wichtigen und attraktiven Erholungsraum geprägt, die durch kleinere Grünstrukturen, dar. Die Tongruben am Roten Berg haben eine sehr Gartenanlagen und Auenbereiche immer wieder hohe Bedeutung für den überregionalen Arten- aufgebrochen werden. Im Süden besteht mit dem schutz. Die ausgebeuteten Teile sind deshalb als Steiger-Willrodaer Forst/Werningslebener Wald Schutzgebiet ausgewiesen. mit insgesamt 1.630 ha auf Erfurter Gebiet ein großes zusammenhängendes Waldgebiet. Mit Neben den Waldgebieten gibt es im Stadtgebiet seinen ausgedehnten Laubmischwäldern ist es als weitere bedeutsame Biotope für Fauna und Flora, Landschaftsschutzgebiet und FFH-Gebiet ausge- die teilweise stark bestandsgefährdete Arten wiesen. Lediglich im Westen, im Randbereich der beherbergen. So sind neben Trockenrasen und Fahnerschen Höhe, ist noch ein weiteres größeres Grünlandgebieten auch einige Feuchtlebensräume Waldgebiet mit naturnahen Eichen-Hainbuchen- von hoher bis sehr hoher ökologischer Bedeutung wäldern vorhanden. vorhanden.

Fotos 40 und 41 sowie 42 (seite 107): Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 107

Park- und Grünanlagen der Stadt Orte der Begegnung und des sozialen Die Landeshauptstadt Erfurt ist eine grüne Stadt Miteinanders dar. Gleichzeitig erhöhen sie insbe- mit einer langen Gartenbautradition vom Mittelal- sondere in den angrenzenden Wohnquartieren die ter bis heute. Zahlreiche Parks und Gartenanlagen Stadt- und Lebensqualität. lassen sich als Zeugnisse dieser Tradition wie ein „grüner Faden“ durch die Stadt nachvollziehen. Kleingärten Etwa 130 Kleingartenanlagen mit über 400 ha Für die Lebensqualität sind städtische Grün- und Fläche werden in den verschiedenen Vereinen be- Freiflächen wie Parks, Stadtplätze, Alleen etc. von wirtschaftet.63 Sie verteilen sich über das gesamte zentraler Bedeutung. Als „grüne Räume“ bieten sie Stadtgebiet und liegen sowohl in den Bereichen nicht nur wohnortnahen Erholungs- und Freizeit- des verdichteten Innenstadtrandes als auch in den raum für die Bewohner, sondern fungieren ebenso Stadtrandgebieten, wo sie bis in die offene Land- als Brücken zwischen den großflächigen Land- schaft hineinreichen. Der Großteil der Kleingarten- schafts- und Naturräumen. anlagen ist infrastrukturell sehr gut erschlossen und sowohl mit dem PKW als auch mit dem ÖPNV Hervorzuheben ist dabei ganz besonders der Haupt- gut zu erreichen. friedhof. Der denkmalgeschützte Park im Westen der Stadt ist mit 57 ha die größte Parkanlage Erfurts. Kleingärten erfüllen viele verschiedene Funktio- nen. Sie dienen den Bürgerinnen und Bürgern zur Die bereits beschriebene Geraaue zieht sich von Erholung, sind Orte der Begegnung und Kommu- Südwesten durch die Altstadt bis in das nordwest- nikation für eine sehr diverse Nutzergruppe und liche Stadtgebiet. Sie fungiert dabei nicht nur als leisten dadurch auch soziale Arbeit. Darüber hinaus zentrales Grün- und Freiraumelement, sondern haben sie als Teil der Grünflächen im Siedlungsbe- vernetzt auch städtisch geprägte Grün- und Freiflä- reich auch eine wichtige klimatische und Vernet- chen mit naturnahen Landschaftsbereichen. zungsfunktion und weisen im Gegensatz zu den dicht bebauten Stadträumen eine hohe Biodiversi- Die Parks, Grünanlagen, Gärten und Gewässer- tät auf. schneisen sind für das Stadtklima von hoher Bedeu- tung. Zudem stellen sie für Bewohner und Besucher

63 Stadtverband Erfurt der Kleingärtner e.V., http://www.kleingaerten-erfurt.de, abgerufen am 04.05.2017 108 ISEK Erfurt 2030

2.8.4 Gewässer

Das Erfurter Stadtgebiet wird von mehreren Fließ- gewässern durchzogen. Ihre Gesamtlänge beträgt 337 km, wobei im Laufe der Jahrhunderte an vielen Stellen den Gewässerlauf kontrollierende Eingriffe erfolgten.

Bis auf die Gera (außer im innerstädtischen Be- reich) und den künstlich geschaffenen Flutgraben gehören alle Fließgewässer in Erfurt zu den Gewäs- sern 2. Ordnung.

Die Gera hat als größter Fluss das Gesicht der Stadt seit jeher geprägt. So teilt sie sich im Brühl in zwei Arme, den Bergstrom und den Walkstrom, die sich in der Altstadt im Breitstrom wiedertreffen. Diese Nebenarme hatten sowohl wirtschaftliche (Mühlenbetrieb) als auch militärische Bedeutung (Befestigungsgraben). Die Schmale Gera fließt als 25 km langer Nebenarm der Gera durch den Kern- stadtbereich und das nördliche Stadtgebiet. Hier wird die sich wieder ausdehnende Geraaue vielfach als Sport- und Grünfläche genutzt. se naturnahe Uferbereiche auf und stellen für den dicht bebauten Siedlungsbereich ein wesentliches Die kleineren Zuflüsse zur Gera sind vor allem im Element der Erholung, der Vernetzung und des Bio- südwestlichen Stadtgebiet vollständig verrohrt. topverbunds dar. Aber auch wenn die Oberflächengewässer im Be- reich der Altstadt anthropogen stark verändert Des Weiteren befinden sich in Erfurt zahlreiche wurden, es vielfach zu Befestigungen und Begradi- Stillgewässer. Natürlichen Ursprungs sind dabei gungen gekommen ist, weisen sie dennoch teilwei- der Alacher See, die Gewässer im Steiger und der Heubacher See. Die Seen als Folge bergbaulicher Tätigkeiten (hauptsächlich des Kiesabbaus) charak- terisieren die Seenlandschaft im Norden der Stadt. Auf lange Sicht sollen insgesamt zwölf Seen mit einer Wasserfläche von 420 ha entstehen. Diese werden dann zu den größten Wasserflächenarea- len Thüringens zählen. Als „Erfurter Seen“ bieten sie langfristig ein großes Potenzial für die Ent- wicklung als Freizeit- und Erholungslandschaft für Stadtbewohner und Touristen.

Eine beliebte Adresse ist bereits der 1972 als Nah- erholungsgebiet eröffnete Nordstrand, ein Kiessee am östlichen Rand des bebauten Siedlungsgebiets Erfurts.

Fotos 43 und 44: Stadtverwaltung Erfurt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 109

Karte 12 Stadtlandschaft

Karte 12 Stadtlandschaft

Stadtlandschaft

Stadtlandschaft

110 ISEK Erfurt 2030

2.8.5 Schutzgebiete

Naturschutz vorhandene Schutzgebiete sichern, Im Stadtgebiet gibt es mit Aspenbusch, Schwel- lenburg und dem Alacher See drei ausgewiesene störungsempfindliche Arten/Naturräume Naturschutzgebiete. Außerdem hat die Stadt Erfurt durch Lenkungsmaßnahmen sowie alternati- Anteil an vier Landschaftsschutzgebieten, wobei ve Angebote schützen, der Steigerwald und die Fahnersche Höhe flächen- mäßig am bedeutsamsten sind. extensive Nutzung und Pflege der Offenland- biotope sicherstellen, Besonderen Schutz genießen Fauna-Flora-Habi- tat-Gebiete (FFH) und Europäische Vogelschutz- Biotopverbund lebensraumspezifisch aus- gebiete (VSG). Sie sind Teil des europäischen bauen; soweit wie möglich Multifunktionali- Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 und stellen tät anstreben, mit ihren Artenschutzbestimmungen ein sehr umfassendes rechtliches Instrumentarium zum Konversionen (Rohstoffabbau, Standort- Schutz von Lebensräumen und Arten gemäß der übungsplatz, Gewässerunterhaltung) lang- Konvention über biologische Vielfalt (Rio 1992) der fristig begleiten und zur Entwicklung der Europäischen Union dar. Insgesamt befinden sich biologischen Vielfalt nutzen, acht dieser besonders schützenswerten Räume im Erfurter Stadtgebiet. Nutzungsvielfalt der Landwirtschaft erhalten und entwickeln, z. B. auch durch verschiede- Des Weiteren bestehen über 60 Naturdenkmale ne Formen der Bioenergienutzung. und über 40 geschützte Landschaftsbestandteile sowie etwa 350 geschützte Biotope. Biotopverbundachsen werden über die Stadtgren- zen hinaus mit den vorhandenen Landschaftsplä- Sie alle dienen als Lebensraum für eine Vielzahl nen abgeglichen, um wichtige zusammenhängende von Pflanzen- und Tierarten und der Sicherung der Räume für den Artenschutz und Naturschutz zu biologischen Vielfalt. Zu ihrem Schutz und zur Ent- verdeutlichen. wicklung von Arten und Biotopen sind laut Land- schaftsplan, Rahmenkonzept „Masterplan Grün“ folgende Ziele benannt:

Foto 45: Ackers Partner Städtebau Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 111

Karte 13 Gebiete und Objekte im Schutzsystem Natura 2000 und im Sinne weiteren Naturschutzes

Karte 13 Gebiete und Objekte im Schutzsystem Natura 2000 und im Sinne weiteren Naturschutzes

Gebiete für Naturschutz

Gebiete für Naturschutz

112 ISEK Erfurt 2030

Klimaschutzgebiete stoßes um 30 % bis 2020 in den Bereichen Energie- Der Klimawandel erfordert neben den global wir- erzeugung, Gebäudeenergiebedarf und Verkehr zu 64 kenden Maßnahmen zum Klimaschutz (CO2-Minde- erarbeiten. rung) auch langfristige Maßnahmen hinsichtlich der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Hochwasser- und Trinkwasserschutz Entlang der Wasserläufe Gera, Wilde Gera und des Für den Menschen kann sich die Kessellage Erfurts Flutgrabens sowie Linderbach, und Apfel- vor allem an heißen, windarmen Tagen als durch- städt befinden sich teils rechtskräftige und teils aus problematisch erweisen. Aus diesem Grund vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete. sind die Kalt- und Frischluftentstehungsgebiete Bauliche Maßnahmen in diesen Bereichen können und der Transport frischer, kühler Luft in belastete die Funktion des Überschwemmungsgebietes maß- Stadtgebiete über Luftleitbahnen von großer Be- geblich beeinträchtigen. deutung. Viele Gebiete in der Stadt spielen für die Kalt- und Frischluftzufuhr eine große Rolle. Hierzu Im südlichen Stadtgebiet von Erfurt, zu größten zählen insbesondere die Bereiche Geratal, Brühler Teilen östlich der Gera, befindet sich ein großes Hohle, westliche Hangkante, Steiger, Willroder Trinkwasserschutzgebiet (Wasserschutzzonen I-III). Forst, östlicher Hangfuß und Dittelstedter Flur. Nahezu der gesamte Teilraum Steiger-Willrodaer Forst ist als Wasserschutzzone III ausgewiesen. Der Landschaftsplan, Rahmenkonzept „Masterplan Grün“ greift die mit dem Klimawandel zusammen- Zone I schützt dabei die eigentliche Fassungsan- hängenden Herausforderungen auf und formu- lage (Brunnen) mit dem entsprechenden Nahbe- liert zur Sicherung der Lebens- und Wohnqualität reich der Anlage. Zone II, das engere Schutzgebiet, folgende Ziele: sichert das Trinkwasser gegen das Eindringen von bakteriellen Verunreinigungen. In Schutzzone III klimatische Ausgleichsräume schützen, gelten verschiedene Nutzungsbeschränkungen. So ist hier das Ablagern oder der Umgang mit wasser- Be- und Entlüftungsbahnen freihalten, gefährdenden Stoffen oder beeinträchtigenden Nutzungen nicht zulässig. innerstädtische Ausgleichsflächen entwickeln,

Frei- und Grünflächen vor der weiteren Zu- nahme von schädlichen Umwelteinflüssen schützen.

Dazu wurden verschiedene Klimaschutzzonen gebildet. Des Weiteren bestehen mit den Über- gangs- und Sanierungszonen zwei zwar weniger restriktive, aber dennoch klimaschutz- und klima- anpassungsrelevante Gebietseinteilungen, die vor allem in den bebauten Stadtgebieten verortet sind.

Mit dem Integrierten Klimaschutzkonzept hat sich die Landeshauptstadt Erfurt zum Ziel gesetzt, Stra- tegien für eine Reduzierung des Kohlendioxidaus-

64 Stadtverwaltung Erfurt, Umwelt- und Naturschutzamt, Klimaschutz in Erfurt, Leitbild, Ziele und Handlungskonzept, März 2012 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 113

Karte 14 Zonen für Klima-, Hochwasser- und Trinkwasserschutz

Karte 14 Zonen für Klima-, Hochwasser- und Trinkwasserschutz

Klima-, Hochwasser- und Trinkwasserschutzzonen

Klima-, Hochwasser- und Trinkwasserschutzzonen

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2.9 Mobilität und technische Infrastrukturen

2.9.1 Mobilität

Fußverkehr Radverkehr 67 Aufgrund der sehr kompakten Stadtstruktur, des Hinsichtlich des Radverkehrs verfügt die Stadt sehr geringen Vorhandenseins von stadtstruktu- Erfurt über ebenfalls gute topografische und ver- rellen Barrieren oder Trennungen bei gleichzeitig kehrstechnische Vorraussetzungen. Daher legen attraktiven Grünräumen und -verbindungen zeigt viele Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt sich Erfurt als Stadt, in der fast überall die Erschlie- kurze und mittlere Wege mit dem Rad zurück. Hier ßung durch den Fußverkehr sehr gut funktioniert. ergab oben aufgeführte Befragung, dass der Anteil des Radverkehrs 2013 bei etwa 11 % lag. Dabei han- Dies zeigen auch durchgeführte Erhebungen zur delt es sich gegenüber 1991 um eine Vervierfachung Verkehrsentwicklungsplanung, die in Bezug auf des Wertes. die Qualitäten der Fußläufigkeit im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten eine besondere Zur weiteren Verbesserung der Rahmenbedingun- Begabung bescheinigen. So zeigten die Mobilitäts- gen und dem Ausbau des Radverkehrs wurde im erhebungen SrV – System repräsentativer Verkehrs- Radverkehrsplan eine Reihe von Maßnahmen auf- befragungen (Forschungsprojekt der Technischen geführt, die im Folgenden kurz dargestellt werden Universität Dresden “Mobilität in Städten – SrV“) sollen: von 2013, dass der Anteil des Fußverkehrs an allen Verkehrsarten in Erfurt (Kfz, Rad, Stadtbahn etc.) Primäres Ziel ist, ein geschlossenes, sicheres gegenüber 2003 von 26 % auf 30 % angestiegen Netz an Radwegeverbindungen anzubieten, ist.65 das sowohl die Alltagsrouten zum Erreichen der wichtigen Einrichtungen des täglichen Besonderer Schwerpunkt liegt bei der Qualitäts- Bedarfs als auch die Anschlüsse an das über- sicherung und -steigerung auf der Innenstadt mit örtliche Netz herstellt. Altstadt sowie ihren Zuwegungen. Wesentliche strategische Maßnahme an dieser Stelle ist die Um- Das Hauptroutennetz (Stadtnetz) soll dazu setzung der „Begegnungszone Innenstadt“.66 ein durchgehendes Raster an Hauptverbin- dungen darstellen. Wichtigste erschlossene Adressen sind dabei die zentralen Orte der Bildung, der Arbeit, des Einkaufens sowie der Hauptbahnhof und bedeutsame Haltestellen des Öffentlichen Personenverkehrs. Dabei übernehmen sie zugleich die Verbindung zwischen den Erfurter Stadtteilen sowie den Wohn- und Wirtschaftsstandorten.

Das kleingliedrigere Nebenroutennetz (Stadt- teilnetz) übernimmt die gleichen Aufgaben auf der Quartiersebene.

65 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Verkehrsentwicklungsplan Erfurt. Radverkehrskonzept, Dezember 2015 66 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Verkehrsentwicklungsplan Erfurt. Teil Innenstadt - mit Wirtshaftsverkehr, November 2012 67 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Verkehrsentwicklungsplan Erfurt. Radverkehrskonzept, Dezember 2015 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 115

Die touristischen Radwege (Freizeitverbin- Die mit dem Radverkehrskonzept aufgestellten dungen) dienen dem touristischen und frei- zentralen Maßnahmenpakete zielen auf: zeitgeprägten Radverkehr und erschließen sowohl die regionalen touristischen Zentren Maßnahmen im Bereich Infrastruktur – hier und Standorte als auch die lokalen Freizeit- vor allem auf die Radialen im Zuge von und Erholungsstandorte. Hauptverkehrsstraßen;

In diesem flächenhaften Radverkehrsnetz Maßnahmen im Bereich Fahrradparken – hier bilden zwölf Radialrouten das Rückgrat. Sie vor allem zur kontinuierlichen Angebots- sind sternförmig auf die Altstadt gerichtet erweiterung an zentralen Adressen sowie auf und verbinden diese mit den umliegenden der Quartiersebene; Stadtteilen und Außenbereichen. Maßnahmen im Bereich Öffentlichkeits- Durchkreuzt werden diese durch zwei um die arbeit, Beteiligung, Service. Altstadt geführte Tangentialringe, den Inne- ren Altstadtring und den Äußeren Stadtring.

Fotos 46 (Seite 114) und 47: Stadtverwaltung Erfurt 116 ISEK Erfurt 2030

Karte 15 Radverkehr

Karte 15 Radverkehr

Radverkehrsnetz

Radverkehrsnetz

Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 117

Öffentlicher Personennahverkehr fen. Die Landeshauptstadt Erfurt unterstützt die Die Landeshauptstadt Erfurt weist mit ihrer tra- Bemühungen zur landesweiten Erweiterung des ditionell sehr gut aufgestellten Erschließung des VMT-Gebietes, wobei die Verbunderweiterung um Stadtgebietes mit öffentlichen Verkehrsmitteln die direkt an das Stadtgebiet angrenzenden Land- im Vergleich mit Städten ähnlicher Größenord- kreise Sömmerda und Ilm-Kreis von besonderer nung eine überdurchschnittliche ÖPNV-Nutzung Bedeutung sind. in Deutschland auf. So lag bei der letzten Befra- gung der SrV im Jahr 2013 der Anteil des ÖPNV am Für die Stadt als ÖPNV-Aufgabenträger sind Pla- Modal Split bei 17 %. Aufgrund der Entwicklung nung, Organisation und Finanzierung des straßen- der Linienbeförderungsfälle der letzten Jahre wird gebundenen ÖPNV gemäß Thüringer ÖPNV-Gesetz für das Jahr 2030 ein Modal Split von 22 % ange- kommunale Pflichtaufgaben. Die Erfurter Verkehrs- strebt. betriebe (EVAG, Tochter der Stadtwerke Erfurt) betreiben im Stadtgebiet und zu Teilen in den Insbesondere mit Steigerung der Leistungsfähig- stadtnahen Bereichen des Landkreises Gotha das keit und Attraktivität der Erfurter Stadtbahn im Grundnetz des öffentlichen Personennahverkehrs. Rahmen eines Stadtbahnprogramms 1998 bis 2007 Insgesamt bestehen in Erfurt: wurde eine Qualität geschaffen, die sich auf das gesamte Angebotspaket des öffentlichen Nahver- sechs Stadtbahnlinien, kehrssystems auswirkt. Durch die zentrale Lage im Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) sind die 20 Stadtbuslinien, Voraussetzungen für eine optimale Verknüpfung mit den regionalen ÖPNV-Angeboten geschaf- fünf Regionalbuslinien,

eine Schulbuslinie.

Die Grundlage für die Organisation und Finanzie- rung des Nahverkehrs stellt der Nahverkehrsplan (NVP) dar. Er legt die Grundsätze für Bedienung und Planung des Streckennetzes sowie Qualitätsstan- dards und Investitionsplanung fest. In seiner aktu- ell gültigen Fassung wurde der Nahverkehrsplan 2014-2018 in den Jahren 2012-2013 erarbeitet und An- fang 2014 durch den Erfurter Stadtrat beschlossen.

Die in jüngster Vergangenheit gestiegene Einwoh- nerzahl führt die Kapazität des Gesamtsystems Stadtbahn bereits heute in den Stoßzeiten an seine Grenzen. Dies betrifft vor allem den Streckenab- schnitt in der Bahnhofstraße. Mit den aktuell 40 Fahrten je Stunde und Richtung (30 Stadtbahnen und zehn Busse) und dem für die derzeit benötigte Transportkapazität notwendigen Fuhrpark stößt der Streckenabschnitt Bahnhofstraße bereits heute

Foto 48: Stadtverwaltung Erfurt 118 ISEK Erfurt 2030

an seine Grenzen. Um die Attraktivität des Nah- weitere Bewerbung und Förderung eines verkehrs der Stadt Erfurt auch künftig zu wahren, betrieblichen Mobilitätsmanagements wurde das Stadtbahn-Beschaffungsprogramm von (Jobticket) mit dem Ziel, den Anteil an ÖPNV 14 Multigelenkstraßenbahnen mit mindestens 240 Nutzung weiter zu erhöhen. Plätzen vom Stadtrat beschlossen. Für weitere zehn Straßenbahnen des gleichen Typs besteht eine an- Eine wesentliche Herausforderung in der Lauf- schließende Option. zeit dieses Nahverkehrsplanes wird die künftige Finanzierung der Verkehrsangebote unter Wahrung Ziel des Nahverkehrsplans ist neben Erhalt und Wei- sozial verträglicher Tarifstrukturen darstellen. terentwicklung der Qualitäten die Flexibilisierung der Angebote sowie deren Anpassung an stadtpla- Regionaler und überregionaler Zugverkehr nerische, wirtschaftliche und demografische Ent- Der Freistaat Thüringen ist von Erfurt als wich- wicklungen in Erfurt. Langfristig wird das Ziel ver- tigstem Verkehrsknotenpunkt aus sternförmig mit folgt, den ÖPNV-Anteil an der Mobilität auf hohem zahlreichen Nebenstrecken an das Fernverkehrs- Niveau zu stabilisieren bzw. weiter zu erhöhen. netz angeschlossen. Der Hauptbahnhof Erfurt ist Start- und Zielbahnhof bei zahlreichen Regional-Ex- Aus dem Nahverkehrsplan können folgende Grund- press-Verbindungen sowie von Regionalbahnen. sätze aufgeführt werden:68 Von herausgehobener Bedeutung auf überregiona- flächenhafte Erreichbarkeit der Innenstadt ler und nationaler Ebene ist der direkte Anschluss sowie der Wohn-, Gewerbe- und Freizeitge- Erfurts an das europäische Hochgeschwindigkeits- biete mit dem ÖPNV bei einer hohen Beförde- netz. rungsqualität, Mit hoch attraktiven Reisezeiten erschließt der ICE Sicherung von vorgegebenen Standards der im Stundentakt Leipzig/Berlin, Dresden/Frankfurt ÖPNV-Erschließung in Abhängigkeit von der sowie Nürnberg/München. Damit umfasst das jeweiligen Siedlungskategorie, direkte Wegenetz einen Großteil der deutschen Metropolregionen (wirtschaftliche und funktionale Priorität des ÖPNV bei der Erschließung der Agglomerationsräume) (vgl. Abb. 2 in Kap. 2.1.2). Innenstadt gegenüber dem motorisiertem Hinzu kommt nach der weiteren Elektrifizierung Individualverkehr, der Mitte-Deutschland-Verbindung ein IC-An- schluss zwischen dem Ruhrgebiet über Erfurt bis optimale Verknüpfung der Linien des Stadt- nach Chemnitz. verkehrs untereinander und mit dem Regio- nalverkehr, Parallel werden zahlreiche Nahverkehrs- und Regio- nalverbindungen durch neue Direktverbindungen hohe Wirtschaftlichkeit beim Betrieb und im und die Einführung eines Taktfahrplans mit Start- Investitionsbereich, und Zielort Erfurter Hauptbahnhof entschieden beschleunigt werden. Zwischen Erfurt und Jena Stärkung des Umweltverbundes durch die werden Züge künftig im Halbstunden- und zwi- aktive Förderung einer multi- und intermo- schen Erfurt und Weimar im Viertelstunden-Takt dalen Verkehrsmittelwahl einschließlich der verkehren. damit verbundenen infrastrukturellen und tariflichen Voraussetzungen,

68 Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Nahverkehrsplan 2014 bis 2018 Landeshauptstadt Erfurt, Oktober 2013 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 119

Karte 16 Öffentlicher Personenverkehr

Karte 16 Öffentlicher Personenverkehr

Öffentlicher Personenverkehr

Öffentlicher Personenverkehr

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Motorisierter Individualverkehr Elektromobilität Mit ihrer sehr zentralen Lage und sehr guten An- Zur Förderung der Elektromobilität wurden seitens bindung an das überregionale Verkehrsnetz ist des Bundes und des Freistaates Förderprogramme die Stadt Erfurt im Individualverkehr aus allen initiiert, um im Verkehrsbereich eine Senkung der

Richtungen sehr gut zu erreichen. Wesentlich sind CO2-Werte sowie der Lärm- und Schadstoffemission dabei die Anschlüsse an die A 4 Frankfurt-Dresden zu erreichen. In Erfurt wurden durch die SWE GmbH sowie die A 71 Sangerhausen-Schweinfurt mit An- und weitere private Träger bisher 20 Ladesäulen schluss an die A 7/A 81 nach Würzburg, Augsburg mit 34 Ladepunkten errichtet. 2017 kamen weitere und Stuttgart sowie ab Suhl über die A 73/A 9 nach 19 Ladesäulen hinzu. Nürnberg und München sowie Richtung Norden nach Halle und Berlin. Damit bestehen auch für den Es wird das Ziel verfolgt, Mobilitätsstationen zu Individual- und Wirtschaftsverkehr starke Verflech- etablieren, die Carsharing und Elektromobilität tungsbeziehungen mit den Wirtschaftsräumen zusammenfassen. Thüringens, Mitteldeutschlands und Deutschlands. Zentrale Stellplatzanlagen und Parkleitsystem Die Bundesstraße B 7 bindet Erfurt in Ost-West- Um die historische Altstadt sowie die Innenstadt Richtung mit den benachbarten Zentren Gotha möglichst vom unnötigen Kfz-Verkehr zu befreien, bzw. Weimar und Jena an. Die B 4 erschließt das wird der ruhende Verkehr über ein dynamisches nördliche Thüringen Richtung Sondershausen. Parkleitsystem gesteuert und am Zentrumsrand organisiert. Hier stehen in zahlreichen Parkhäusern Die übergeordneten Einfallstraßen aus der Region über 3.500 Stellplätze zur Verfügung. (bspw. Hannoversche, Nordhäuser, Gothaer, Wei- marische, Leipziger oder Stotternheimer Straße) Auf insgesamt neun Park-and-ride-Anlagen stehen laufen sternförmig auf die Innenstadt zu und insbesondere für Pendler und Touristen zudem werden größtenteils über die Stauffenbergallee über 1.400 gebührenfreie Stellplätze bereit, die (Stadtring) im Halbkreis um die Altstadt gelenkt. sich in unmittelbarer Nähe zum Stadtbahnsystem befinden. Herausforderungen bei der Verkehrsentwicklung stellen weiterhin die Verkehrsströme der ansässi- gen Wirtschaftsunternehmen sowie der Einpendler dar. In großen Teilen der Innenstadt und vor allem den gründerzeitlich geprägten Quartieren existie- ren erhebliche Probleme in Bezug auf eine be- darfsgerechte Abdeckung des ruhenden Verkehrs, was stellenweise zu städtebaulichen Missständen führt.

Carsharing Carsharing als Alternative zum eigenen Auto hat in Erfurt in den zurückliegenden Jahren eine zunehmende Nachfrage erfahren. Inzwischen be- steht an ca. 40 Standorten mit ca. 75 Fahrzeugen im Stadtgebiet bereits die Möglichkeit, ein Auto anzumieten. Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 121

Karte 17 Motorisierter Individualverkehr

Karte 17 Motorisierter Individualverkehr

Motorisierter Individualverkehr (Hauptnetz)

Motorisierter Individualverkehr (Hauptnetz)

122 ISEK Erfurt 2030

2.9.2 Technische Ver- und Entsorgung

Die Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Fernwärmeversorgung: Das Fernwärmenetz Abwasserbeseitigung und -reinigung gehören zu wird ebenfalls von den genannten Erzeuger- den Aufgaben einer Kommune. Die Ausdehnung anlagen gespeist. Zur Verteilung der Wärme und Effizienz der technischen Systeme bestimmen sind im Stadtgebiet ca. 185 km Leitungsnetze dabei maßgeblich die Möglichkeiten der Stadtent- für das Heißwasser sowie ca. 10 km für Dampf wicklung. und Kondensat errichtet worden. Seit 1994 existiert in Erfurt eine Fernwärmesatzung, Vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums die letztlich Anschlusszwang für die Grund- und der sozioökonomischen Entwicklungen ist stückseigentümer in den ausgewiesenen dabei ein komplexes Bündel von Problemen zu be- Gebieten bedeutet. wältigen. Eine attraktive und kostengünstige Stadt kann nur erreicht werden, wenn die technische Gasversorgung: Das Gasnetz umfasst Infrastruktur konsequent und in einem wirtschaft- ca. 174 km Hochdruck- und 330 km Nieder- lich vertretbaren Umfang an die sich verändernden drucknetz sowie 203 km Hausanschluss- Rahmenbedingungen angepasst wird. leitungen und 102 Gasdruckregelanlagen.

Der Großteil der Ver- und Entsorgung der Erfurter Wasserversorgung: Das Versorgungsgebiet Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wird für Trinkwasser umfasst ca. 591 km² und über die 1991 gegründete und hundertprozentige reicht damit weit über das Erfurter Stadt- kommunale Beteiligungsgesellschaft SWE Stadt- gebiet hinaus. Es beinhaltet 1.246 km Ver- werke Erfurt GmbH (SWE GmbH) organisiert. sorgungsleitungen und 457 Hausanschluss- leitungen. Auf den Gebieten der Versorgung, Umwelt, Mobili- tät, Freizeit und des Service umfasst sie aktuell Abwasserentsorgung: Die Abwasserentsor- 17 direkt und indirekt verbundene Unternehmen gung wurde in Erfurt auf den Entwässerungs- sowie fünf Beteiligungen. Die wesentlichen tech- betrieb als Eigenbetrieb übertragen. Dieser nischen Infrastrukturen sollen im Folgenden nur stellt in Eigenverantwortung den General- schlaglichtartig aufgeführt werden:69 entwässerungsplan auf. Abwässer werden hauptsächlich im zentralen Klärwerk Kühn- Stromversorgung: Der überwiegende Teil hausen behandelt. Die Länge des Kanalnetzes des Strombedarfs für Erfurt wird in einem beträgt ca. 880 km. modernen und umweltfreundlichen Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk (GuD) am Abfall: Die Aufgabe der kommunalen Ab- Standort Erfurt-Ost und im Heizkraftwerk fallentsorgung wird im Auftrag der Landes- Iderhoffstraße produziert. Von im Jahr 2017 hauptstadt Erfurt von Unternehmen der beschafften 868.482 GWh Strom wurden Stadtwerke Erfurt Gruppe ausgeführt. Ein- 532.118 GWh durch Kraft-Wärme-Kopplung sammlung und Transport von kommunalen eigenerzeugt. Das Stromnetz der Stadtwer- Abfällen wird von der SWE Stadtwirtschaft ke Erfurt umfasst im Stadtgebiet ca. 31 km GmbH realisiert. Zentrale Entsorgungsanlage Hochspannungs- und über 3.000 km Mittel- ist die Restabfallbehandlungsanlage der Thü- und Niederspannungsleitungen sowie sieben ringer Umwelt Service GmbH in Erfurt-Ost Umspannwerke und etwa 1.000 Transforma- (Schwerborner Straße) mit einer Gesamtkapa- torenstationen. zität von 90.000 t Abfall pro Jahr. Seit 2006 wird diese Kombinationsanlage, bestehend

69 Stadtwerke Erfurt AG, Zahlen und Fakten zum Geschäftsbericht 2017 Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 123

Karte 18 Fernwärmeversorgung

aus einer mechanisch-biologischen Abfall- z. B. eine Trockenfermentationsanlage, in der behandlungsanlage und einer energetischen die in der braunen Tonne gesammelten Bio- Verwertungsanlage betrieben. Auf dem De- abfälle aus den Haushalten der Stadt Erfurt poniegelände Schwerborn befinden sich die verwertet werden. Verwertungsanlagen der B&R GmbH,

Karte 18 Fernwärmeversorgung Karte 18 Fernwärmeversorgung

Fernwärmeversorgung

Fernwärmeversorgung Fernwärmeversorgung

124 ISEK Erfurt 2030

2.10 Ordnung und städtische Sicherheitsinfrastrukturen

Die Gewährleistung von Sicherheit, Ordnung und Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Sauberkeit hat grundlegende Bedeutung für das Sauberkeit im öffentlichen Raum, Wohlbefinden der Bürger, Einwohner und Gäste der Landeshauptstadt Erfurt. Die Gewissheit, sich in Erhalt der Leistungsfähigkeit der Gefahren- der Nachbarschaft oder in den öffentlichen Räu- abwehr und Gefahrenvorbeugung, men der Stadt sicher und komfortabel bewegen zu können, beeinflusst die Lebensqualität und Konsequente Durchsetzung der rechtlichen die Identifikation mit der eigenen Gemeinde. Das Vorgaben, kommunale Aufgabenspektrum umfasst hierbei alle Angelegenheiten des allgemeinen wie spe- Etablierung von weiterführenden Maßnah- ziellen Ordnungsrechts, als auch die Maßnahmen men für den Kinder- und Jugendschutz, zur Steigerung der Verkehrssicherheit im Stadtge- biet. Das wesentlichste Handlungsfeld für die mit Schaffung einer positiven Atmosphäre im Ordnungsaufgaben betrauten Behörden beinhaltet urbanen Raum, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie Maßnahmen der Kriminalprä- Optimierung der Maßnahmen zur Verkehrs- vention. Die Gewährleistung einer sicheren und sicherheit, sauberen Stadt wird als herausfordernde Dauerauf- gabe für die Landeshauptstadt Erfurt verstanden. aktive Bekämpfung der Betäubungsmittel- kriminalität. Für die mit Ordnungsaufgaben betrauten Behörden ergeben sich dabei folgende Zielvorgaben:

Stärkung des Sicherheitsempfindens im öf- fentlichen Raum durch Präsenz und formelle Kontrollen von Polizei und Ordnungsbehörde in sogenannten Brennpunkten, aber auch den Ortsteilen,

2.10.1 Kriminalität und Sicherheitsempfinden

Im Ergebnis einer regelmäßigen Befragung der Bür- ten. Infolgedessen konnten drei Schwerpunkte ger zur subjektiven Sicherheit und den objektiven identifiziert werden, an deren Örtlichkeiten die Kriminalitätserscheinungen werden einschlägige polizeiliche Präsenz erhöht wurde. Dabei handelt Maßnahmen evaluiert, justiert bzw. entwickelt. es sich um Teilbereiche des Angers, Teilbereiche der Magdeburger Allee sowie den Bahnhofsvorplatz Das Sicherheitsempfinden der Bürger wurde seitens (Willy-Brandt-Platz). Diese ziehen auf Grund ihrer der Landespolizeiinspektion Erfurt (LPI) betrachtet zum Teil zentralen Lage, ihrer guten Verkehrsan- und die besonders im Fokus stehenden öffentli- bindung und der ansässigen Einzelhandelsunter- chen Bereiche wurden kriminologisch analysiert. nehmen und Gastronomieeinrichtungen zahlreiche Der Schwerpunkt der Auswertung lag dabei auf unterschiedliche Menschen und Gruppierungen an. sogenannten Rohheitsdelikten (Körperverletzung, Die Sozialverhaltensweisen (u. a. die zum Teil durch Raubstraftaten, Straftaten gegen die persönliche Alkohol- und Drogenkonsum verursachten Verhal- Freiheit) sowie auf Diebstahl- und Drogendelik- tensweisen) der Gruppierungen untereinander ver- Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 125

ursachen dabei ein Spannungsfeld, das zum Teil von Jahren festzustellen. Dabei stieg auch die Häufig- vielen Bürgern als unangenehm empfunden wird. keitsrate pro 1.000 Einwohner leicht an (die nach- Laut Kriminalitätsstatistik des Freistaates Thürin- folgend dargestellten statistischen Schwankungen gen70 ist die Fallzahl der Rauschgiftkriminalität sind z. T. erfassungsbedingt). Eigentumsdelikte 2016 gegenüber 2015 erneut deutlich um 1.316 Fälle nehmen hierbei den mit Abstand höchsten Anteil (14,0 %) auf 10.696 erfasste Fälle gestiegen. In der an der Kriminalität in Erfurt ein. Im Vergleich zu Gesamtkriminalität in Thüringen beträgt ihr Anteil Städten, die in Einwohnerzahl und Größe in etwa somit 7,2 % (2015: 6,7 %). Für Erfurt ist insgesamt mit der Stadt Erfurt vergleichbar sind71, liegt die mit dem Anstieg der Einwohnerzahl auch eine Anzahl der in Erfurt begangenen Straftaten jedoch Steigerung der Straftaten in den vergangenen zehn insgesamt betrachtet in einem mittleren Bereich.

72 Tabelle 10 Entwicklung Anzahl Straftaten in Erfurt

2009 2013 2014 2015 2016 2017

Straftaten insgesamt 19.325 21.569 21.203 21.005 23.885 22.659

Häufigkeitszahl insgesamt 95 106 103 102 114 107 (Straftaten pro 1.000 Einwohner)

Um den jeweiligen aktuellen Kriminalitätsentwick- rangig betroffenen Stadt- und Ortsteilen. Dabei lungen entgegenzuwirken, setzen Stadtordnungs- werden neben gemeinsamen Fußstreifen, ggf. auch dienst, Landespolizeiinspektion und Bundespolizei unter Einbeziehung der Erfurter Streetworker, auch im Rahmen der formalen „Ordnungspartnerschaft“ Fahrradstreifen aktiv eingesetzt. auf eine verstärkte Streifenpräsenz in den vor-

70 Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales, Polizeiliche Kriminalitätstatistik, Informationen zur Statistik 2016, www.thueringen.de/th3/tmik 71 verglichen wurden Rostock, Halle (Saale), Oberhausen, Chemnitz, Freiburg i. Br., Lübeck, Magdeburg und Augsburg 72 Landespolizeiinspektion Erfurt, Mai 2018 Foto 49: Stadtverwaltung Erfurt 126 ISEK Erfurt 2030

2.10.2 Sauberkeit und Ordnung im öffentlichen Raum

Mit der zunehmenden Nutzung von Grün- und von Denkmälern zu verzeichnen. Daraus entstehen Freiflächen geht stellenweise eine erhöhte Belas- gesteigerte haushaltsrelevante Aufwendungen tung dieser Räume in Bezug auf Müllbeseitigung, hinsichtlich der personellen und finanziellen Kapa- Bespielung und Lärm einher. Ein Problem in der zitäten. Das betrifft zum Beispiel die Notwendig- Landeshauptstadt Erfurt sind dabei Störungen, keit zur saisonal bedarfsgerechten Bereitstellung Belästigungen und Verschmutzungen durch die zusätzlicher Papierkorbvolumen. zunehmende Anzahl von einzelnen Personen oder Personengruppen, welche sich in öffentlichen An- Im gesamten Stadtgebiet fallen illegale Graffi- lagen und auf öffentlichen Verkehrsflächen zum ti auf. Aus diesem Grund soll ein vom Stadtrat exzessiven Alkoholverzehr niederlassen und ver- beschlossenes Graffitikonzept etabliert werden, weilen. Dies hat insbesondere auch Bedeutung im welches Graffiti sowohl als zeitgenössische Kunst Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz. und als wichtigen Teil der Jugendkultur betrach- tet und unterstützt, andererseits aber auch ein Zudem sind seit Jahren erhebliche Defizite bei der konsequentes Vorgehen gegen illegale Graffiti und Leerung von Papierkörben, bei der Sonderreinigung Schmierereien beinhaltet. Daraus ergibt sich die (Nassreinigung an vielen Stellen in der Innenstadt), Notwendigkeit des Erhalts, der Initiierung und der Beseitigung von Kot, Beseitigung von illegalen Koordinierung legaler Flächen für die künstlerische Müllablagerungen, Reinigung von Verkehrsinseln, Graffitigestaltung im Stadtgebiet sowie zur steti- Beseitigung von Schmierereien und verfassungs- gen Optimierung der Graffitientfernung. feindlichen Symbolen oder Reinigung und Pflege

2.10.3 Verkehrssicherheit

Die Sicherstellung der Verkehrssicherheit im und schädliche Umwelteinwirkungen minimiert Stadtgebiet gehört zu den kommunalen Aufga- werden. ben. Hierzu wird sowohl der ruhende als auch der fließende Verkehr durch die Ordnungsbehörde der Eine zentrale Stütze der polizeilichen Verkehrs- Landeshauptstadt Erfurt überwacht. Durch Ansied- sicherheitsarbeit ist die kontinuierliche Kontrolle lung von Industrie, Logistik und Handel erfährt der des fließenden Verkehrs. Anlassbezogen werden Verkehr in der Stadt ein stetiges Wachstum. Zur die Dienststellen mit zusätzlichen intensiven poli- Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit im Stadt- zeilichen Kontrollmaßnahmen beauftragt. Hierzu gebiet ist künftig ein angemessener Kontrolldruck gehören: aufrechtzuerhalten. Aktion „Schulwegsicherheit“ zum Es ist Aufgabe der Ordnungsbehörde, sich tech- Schuljahresbeginn, nisch und personell so aufzustellen, dass an neur- algischen Punkten im Stadtgebiet Unfallschwer- Aktion „Lichttest“ im Herbst, punkte sowie Bereiche in der Nähe von Kinder-, Jugend- und Sozialeinrichtungen überwacht, der Beteiligung an europaweiten TISPOL- Lärmschutz auf andere Areale des Stadtgebietes Aktionen, ausgedehnt, der Einsatz der vorhandenen Mess- technik flexibilisiert, eine Zunahme der Verkehrs- veranstaltungsabhängige Einsätze des beruhigung erzielt, die Landespolizei Thüringen „Netzwerk Drogen“. bei der Geschwindigkeitsüberwachung unterstützt Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 127

Darüber hinaus tragen die seit April 2018 regel- Daneben beteiligt sich die LPI Erfurt an weiteren mäßig durchgeführten Fahrradkontrollen dem Gremien der Verkehrssicherheitsarbeit (z. B. Ar- gestiegenen Aufkommen im Innenstadtbereich beitskreis Radverkehr der Stadtverwaltung Erfurt) Rechnung. und steht im regelmäßigen Kontakt und Austausch mit den für Verkehrsorganisation und Verkehrsma- nagement zuständigen Behörden und Stellen.

2.10.4 Rettungsdienste und Gefahrenabwehr

Der Rettungsdienst hat die Aufgabe, eine bedarfs- Unterstützend und für die schnelle Hilfe vor Ort gerechte Versorgung der Stadtbevölkerung in sind in Erfurt zudem 21 Freiwillige Feuerwehren Bezug auf Leistungen der Notfallrettung und des und fünf Löschgruppen aktiv. Krankentransports sicherzustellen. Insgesamt sind in der Landeshauptstadt Erfurt 215 Die Stadt Erfurt ist der Träger des Rettungsdiens- hauptberufliche und 650 freiwillige Feuerwehrleu- tes für den Rettungsdienstbereich der Landes- te, 103 Rettungsdienstmitarbeiter sowie zahlreiche hauptstadt Erfurt. Mit der Organisation des ehrenamtliche Helfer der Katastrophenschutz- und Rettungsdienstes ist das Amt für Brandschutz, Sondereinheiten einsatzbereit. Rettungsdienst und Katastrophenschutz betraut. Die rettungsdienstliche Versorgung stellt die Berufsfeuerwehr gemeinsam mit den anderen am Rettungsdienst beteiligten Durchführenden sicher. Auf der Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages tragen der Arbeiter-Samariter-Bund, die Ambulanz Erfurt GmbH, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanni- ter Unfallhilfe und die Malteser Hilfsdienst gGmbH maßgeblich zur Erfüllung der Aufgaben im Ret- tungsdienst und Krankentransport bei.

Das Aufgabenspektrum der Feuerwehr Erfurt um- fasst den vorbeugenden und abwehrenden Brand- schutz, die technische Hilfe und den Rettungsdienst nebst Katastrophenschutz. Um dies flächendeckend und innerhalb bestimmter Zeiten (innerhalb von zehn Minuten) gewährleisten zu können, verfügt Er- furt über drei Wachstandorte. Das Gefahrenschutz- zentrum im Norden der Stadt dient als Hauptfeuer- und Rettungswache. Das Gefahrenabwehrzentrum Süd ist als zweitgrößter Wachstandort für die Ver- sorgung des Erfurter Südens und Südostens zustän- dig. Die Rettungswache in Waltersleben deckt als Rettungswagenstandort den südwestlichen Teil der Stadt ab und sichert zugleich Bereiche der Bundes- autobahnen A 4 und A 71. 128 ISEK Erfurt 2030

2.11 Konsequenzen und Aufgabenfelder für die Stadtentwicklung

Nach einer Phase des Einwohnerrückgangs und der Eine gezielte Flächenentwicklung unter Abwä- Stagnation stehen seit einigen Jahren die Zeichen gung aller Erfordernisse des Wohnungsbedarfs, für Erfurt auf Wachstum. Aufgrund des vorausbe- des Schutzes der Umwelt oder der Landwirtschaft rechneten Einwohnerzuzugs werden im Jahr 2035 ist notwendig. Die Entwicklung nach innen muss voraussichtlich bis zu 230.000 Menschen in Erfurt unter Inanspruchnahme von Brachen, Umnutzung leben. Diese grundsätzlich positive Entwicklungs- von Bauten und Verdichtung Priorität erhalten. Die richtung stellt die Landeshauptstadt jedoch auch Aufbereitung innerstädtischer und innenstadtna- vor Aufgaben. Dabei geht es nicht nur um Wohn- her Flächen für Wohnungsbau und Dienstleistun- raum, sondern beispielsweise auch um die Aus- gen soll auch das ländlich geprägte Umland mit stattung mit sozialen Infrastrukturen, qualitätvolle schützenswerten Naturräumen und hochwertigen Frei- und Landschaftsräume und eine stadtverträg- Böden vor einer unstrukturierten Entwicklung liche Mobilität. Diese Themen und mehr gilt es im schützen. Sinne einer nachhaltigen Siedlungs- und Flächen- entwicklung zu berücksichtigen. Gleichwohl kann der in Kap. 2.4 berechnete Mehr- bedarf an Wohnraum nicht allein durch Reaktivie- Daneben rücken Herausforderungen in den Fokus rung von Brachen oder die Erschließung von Poten- der Stadtentwicklung, die sich unabhängig von zialflächen im Innenbereich abgedeckt werden. Mit der zahlenmäßigen Entwicklung der Einwohner Blick auf die Bauaktivitäten der letzten Jahre und und der Flächeninanspruchnahme ergeben. Hier die sich in Planung oder Entwicklung befinden- sind es vor allem die Themen gesellschaftlicher den Projekte ist bereits heute absehbar, dass die Zusammenhalt, soziale Gerechtigkeit, Umwelt- Reserven in ca. acht Jahren erschöpft sein werden. schutz, Wirtschaftskraft, Ressourceneinsparung Eine zusätzliche Flächeninanspruchnahme für die und Umgang mit den Folgen des Klimawandels, die Entwicklung neuer Wohnstandorte und -quartiere aufzugreifen sind und gerade auch in Phasen des (auch im Geschosswohnungsbau) ist also erforder- Wachstums nicht vernachlässigt werden dürfen. lich. Ziel und Aufgabe müssen daher sein, das bau- liche Stadtwachstum mit den hohen Ansprüchen Als die zwölf wichtigsten Oberthemen und Rah- der kompakten nachhaltigen Stadt weiterzuführen menbedingungen für die Erfurter Stadtentwick- (vgl. Kap. 4 im ISEK Erfurt 2030, Teil 2). lung – und als Basis für die nachfolgend im Kapitel 3 aufgestellten Handlungsfelder – gelten: Stadtgesellschaft und Sozialgefüge Für die Zukunft besteht eine der großen Aufgaben Kompaktes, nachhaltiges Stadtwachstum darin, die sich zunehmend vollziehende Segre- Das 2008 aufgestellte Integrierte Stadtentwick- gation zu stoppen und abzubauen. Zudem müs- lungskonzept 2020 ging mit einer prognostizierten sen Armut und ihre Ursachen bekämpft werden. Einwohnerzahl von 170.000 bis 190.000 im Jahr 2020 Soziale Teilhabe und gleichberechtigte Zugänge von einem weiteren Bevölkerungsrückgang aus. zu Bildung, Kultur und Mobilität sind die Rechte jedes und jeder Einzelnen und grundlegend für die Mit einer weiterhin steigenden Attraktivität Er- Sicherung der sozialen Stabilität in Erfurt. furts als Wohn-, Lebensort und Wirtschaftsstandort kann, auch unter Berücksichtigung eines europa- Räumlich liegt der Schwerpunkt für diese Aufgaben weit erkennbaren Verstädterungsprozesses sowie in den Großwohnsiedlungen Erfurts. In den 1970er der internationalen Zuwanderung, von weiteren und 1980er Jahren mit hohen Maßstäben an ihre Einwohnergewinnen ausgegangen werden. So Versorgung und soziale Mischung angelegt, zeigen erscheinen die aktuellen Vorausberechnungen mit sie sich heute hinsichtlich der sozialen Infrastruk- dem Szenario von 230.000 Einwohnern im Jahr turen und Angebote sowie der Nahversorgung als 2035 als sehr realistisch. gut ausgestattete Wohnstandorte. Allerdings ha- Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 129

ben sich ihre Einwohnerstrukturen seit den frühen den heutigen Bestand und die letzten verfügbaren 1990er Jahren kontinuierlich verändert. So haben Reserveflächen würde zu einer Stagnation im Woh- die Fortzüge in die alten Bundesländer, in die neu nungsbau und zu einem überhöhten Mietpreisni- errichteten Eigenheimgebiete und die in Folge der veau führen – mit negativen Folgen für die Gesamt- Sanierung zunehmend attraktiver werdenden Alt- entwicklung. Neben bezahlbarem Wohnraum sollte baubestände der Altstadt und der Gründerzeit zu besonderes Augenmerk auch auf barrierearmes einer stetigen Entmischung der Bewohnerschaften Wohnen, auf attraktive und leistbare Wohnangebo- geführt. Heute zeigt sich, dass sich der bezahlbare te für Familien mit Kindern sowie auf integrative Wohnraum vor allem in den Großwohnsiedlungen Bedingungen für Flüchtlinge gelegt werden. befindet, während er im übrigen Stadtgebiet zu- nehmend knapper wird. Das Angewiesensein auf Partnerschaften, Initiativen und Projekte für die preiswerte Wohnungen bei gleichzeitigen Zuzügen Sicherung des bezahlbaren Wohnens werden auf- von Haushalten mit geringer Mietkaufkraft sowie gebaut und gemeinsam von Stadt und Freistaat von Migranten und Flüchtlingen droht eine Situati- unterstützt werden müssen. on zu schaffen, in der eine sich selbst verstärkende Wirkung einsetzt. Es besteht die Gefahr, dass die Infrastrukturen mitplanen Siedlungen zunehmend in eine Schieflage geraten, Das Netz an technischen und sozialen Infrastruk- die nicht mehr allein durch soziale Hilfsangebote turen sowie Angeboten steht bereits heute an bewältigt werden kann. manchen Stellen an seiner Kapazitätsgrenze und ist nicht auf ein mittel- bis langfristiges Wachstum Urbane Sicherheit ausgerichtet. Eine Überlastung der Infrastrukturen Wie in den Analysen (vgl. Kap. 2.10) bereits deutlich ginge zwangsläufig mit ihrer Qualitätsminderung wurde, stellen sich zunehmend Themen und Auf- einher und würde zu negativen Auswirkungen auf gaben für die Erfurter Stadtentwicklung, die direkt die Stadt- und Lebensqualität Erfurts führen. Dies und indirekt das Sicherheitsempfinden der Stadt- betrifft beispielsweise Schulen und Kindertages- bevölkerung beeinflussen. stätten sowie das innerstädtische Verkehrsnetz (z. B. Stadtbahnnetz). Sowohl Unterhalt und Pflege Das Thema „Sicherheit und Ordnung“ ist dabei in des Bestandes als auch die Maßnahmen zu dessen (Groß-)Städten sehr vielschichtig. Auch in Erfurt Weiterentwicklung und Bedarfsanpassung benöti- werden Fragen der realen und individuell empfun- gen gesicherte Finanzen. denen Sicherheitslage zunehmend wahrgenommen und öffentlich diskutiert. Für die Einwohnerinnen Bildung und Einwohner Erfurts geht es dabei unmittelbar Die Gewährung des Zuganges zu Bildung wird um Belange des Zusammenlebens sowie der eige- weiterhin eine der wichtigsten Aufgaben darstel- nen Wohn- und Lebensqualität in der Stadt. Dies len. Die Betreuungs- und Bildungsinfrastrukturen zwingt die Verantwortlichen in Stadtpolitik und müssen Schwerpunkt von Investitionen auf kom- Stadtverwaltung gemeinsam mit ihren zahlreichen munaler und Landesebene sein. So müssen Kinder- Partnern und Akteuren zum Handeln. Dazu zählt tagesstätten, Schulen und weitere Lernorte wie auch eine sachliche Aufklärung der Bevölkerung Bibliotheken, Museen und Sporteinrichtungen etc. über die tatsächliche Gefährdungslage. bedarfsgerecht und zukunftsorientiert aufgestellt sein. Dort, wo Neubauten in Folge des Stadtwachs- Bezahlbares Wohnen tums (im Sinne von Wohnfolgenutzungen) erfor- Eine zentrale Aufgabe wird darin liegen, für ein derlich sind, sollten sie möglichst multifunktional in Qualität und Quantität entsprechend vielfäl- konzipiert und – bei später gegebenenfalls geringer tiges Wohnungsangebot vorzusorgen und neuen werdenden oder veränderten Bedarfen – langfristig Wohnraum zu schaffen. Eine Beschränkung auf nachgenutzt werden können. 130 ISEK Erfurt 2030

Mobilität fügung stehenden Flächenreserven und der daraus Mit dem Ausbau der überregionalen Anbindungen begründeten Flächenkonkurrenz vor allem auch (ICE und Autobahnen) haben sich die Mobilitäts- im Hinblick auf umweltspezifische Anforderungen radien für Erfurt erheblich verändert. Zugleich wird ist ein sensibler und gezielter Umgang notwendig. das Mobilitätsverhalten des Einzelnen zunehmend Eine stringente Flächenpolitik unter Abwägung der flexibler. Dass der Verkehr, vor allem auch der aus Nutzen sowie eine Konzentration auf städtische der Region nach und durch Erfurt fließende sowie Lagen sind unverzichtbar. Hierzu zählt auch die der Wirtschaftsverkehr, auch künftig stadtver- Umstrukturierung der Altstandorte, um das produ- träglich funktioniert, ist eine der wesentlichen zierende Gewerbe zu stärken, auch wenn sich hier Aufgaben für die wirtschaftliche Entwicklung und insgesamt nur begrenzte Potenziale eröffnen. Lebensqualität in der Stadt. Die Mobilität umwelt- freundlich und effizient zu gestalten, muss dafür Digitalisierung das Ziel sein. Neue und alternative Mobilitäts- Weder die Potenziale noch die Herausforderungen, formen sowie die Vernetzung der Mobilitätsarten die sich aus der zunehmenden Digitalisierung müssen dafür unterstützt werden. Eine Schlüssel- (Stichwort Arbeit 4.0) ergeben werden, sind aktuell position muss auch in Zukunft ein attraktiver und absehbar. Da sie unsere Arbeits- und Lebenswelt bezahlbarer öffentlicher Personenverkehr einneh- gravierend verändern wird, muss sich Erfurt mit men. diesem Thema auseinandersetzen, um frühzeitig die Weichen zu stellen und nachteiligen Entwick- Arbeitswelt lungen gezielt entgegentreten zu können. Die wirtschaftliche Stärke Erfurts resultiert vor allem aus den mittelständischen, arbeitsplatzin- Gesundheit tensiven Betrieben mit qualifizierten Mitarbeitern. Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein wichtiger Im Kontext mit der Universität, den Fachhoch- Faktor für die Entwicklung des Gemeinwesens. schulen und den Ministerien der Landesregierung Hierbei kommt der Kommune eine stetig wachsen- bestehen exzellente Voraussetzungen zur weiteren de Bedeutung zu. Die Kommune trägt die kommu- Profilierung und Vernetzung der wirtschaftlichen nalpolitische Verantwortung für die Gestaltung Entwicklung. der öffentlichen Gesundheit. Aktuelle Herausforde- rungen sind vor allem der demografische Wandel, Erfurt kann sich zudem als Bildungsstandort wachsende Anforderungen an die körperliche und präsentieren mit der Chance, qualifizierte junge seelische Leistungsfähigkeit von Menschen, der Menschen an die Stadt und Region zu binden. Dies Schutz vor Abgasen und Lärm sowie vor gesund- ist auch ein bedeutender Baustein, um die Rolle als heitlichen Beeinträchtigungen durch Wetterextre- Landeshauptstadt und Erfurts Führungsposition im me wie Hitze oder die zunehmende Ungleichheit Freistaat zu sichern. bei der Ausführung eines gesunden Lebensstils. Die Kommune hat im Gegensatz zu den anderen Besonders profilieren kann sich Erfurt als For- Akteuren im Gesundheitswesen die gesundheitli- schungs- und Innovationsstandort, vor allem im che Gesamtsituation der Bevölkerung zum Auftrag. Bereich der Mikrosystemtechnik. Dies kann nur Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförde- gelingen, wenn für mittelständische Unternehmen rung dienen dazu, eine nachhaltige Verbesserung und für das produzierende Gewerbe gute Rahmen- der gesundheitlichen Situation der Bürger zu errei- bedingungen für eine Weiterentwicklung am chen und das Wohnumfeld gesundheitsgerechter Standort gewährleistet sind. Hierbei muss der Fo- zu gestalten. Im Sinne der gesundheitlichen Chan- kus darauf gelegt werden, die Gewerbeentwicklung cengerechtigkeit muss die gesundheitsfördernde entlang leistungsfähiger Verkehrsinfrastrukturen Stadtteilentwicklung daher gestärkt werden. zu orientieren. Aufgrund der begrenzten zur Ver- Kapitel 2 Die Landeshauptstadt Erfurt im Wandel | Veränderte Rahmenbedingungen 131

Landschaft und Grün Die Bundesregierung hat 2016 die Deutsche Nach- Die Landeshauptstadt Erfurt kann auf einen be- haltigkeitsstrategie neu aufgelegt und auch der sonderen Zusammenhang zum Land und zur Land- Freistaat erarbeitet aktuell in Ausrichtung auf die schaft verweisen. Damit bietet sie ein wertvolles Agenda 2030 die 2. Thüringer Nachhaltigkeitsstra- Potenzial zur Entwicklung als stadtnahe Erholungs- tegie. landschaft. Auch die Landeshauptstadt Erfurt steht in der Ver- Als gliederndes Landschaftselement im städti- antwortung, die 17 Ziele der Vereinten Nationen schen Siedlungskörper wirkt besonders die Gera. Im mit ihren 169 Unterzielen unter Beachtung der Kontext mit Kleingärten, Brachflächen, Uferzonen lokalen Aufgaben, Problemlagen und Rahmenbe- und neuen Wegeverbindungen bietet sie ein gro- dingungen, aber auch der Interventionsmöglich- ßes Potenzial für ein die Stadtstruktur prägendes keiten umzusetzen. Aus diesem Grund befindet System für Freizeit, Erholung und Natur. Für die sich die Erfurter Nachhaltigkeitsstrategie bereits Gesamtstadt gilt, dass durch Ausbau der Fuß- und in Erarbeitung. Radwege und die Vernetzung von Grünflächen mit der Altstadt, den gründerzeitlichen Quartieren und Das ISEK Erfurt 2030 ist grundsätzlich am Nach- den Großwohnsiedlungen besonders die dichtes- haltigkeitsgedanken orientiert und beinhaltet ten und größten Stadtquartiere an Zugang zu Grün- zahlreiche Bezüge zu verschiedensten Nachhaltig- und Freiraumqualität gewinnen können. Damit keitszielen. Dies ist gemäß Baugesetzbuch und der einher geht auch das Ziel, eine höhere Qualität des Anforderungen seitens des Bundesministeriums Zusammenlebens sowie des Mikroklimas im direk- für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- ten Wohnumfeld der Quartiere zu fördern. heit (BMUB) eine Grundeigenschaft Integrierter Stadtentwicklungskonzepte. Dies muss auch dann gelingen, wenn in Folge der Reaktivierung von Rückbau- und Brachflächen der So lautet eines der Ziele der Deutschen Nachhal- Anteil unversiegelter Flächen in den integrierten tigkeitsstrategie, Städte und Siedlungen inklusiv, Lagen zurückgeht. Hier ist genau darauf zu achten, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig auf- die Quartiere nicht unverträglich zu verdichten. zustellen. Das ISEK Erfurt 2030 nimmt hierzu in den Handlungsfeldern und Konzeptbausteinen Nachhaltig planen, handeln und wirtschaften (vgl. Kap. 3 bzw. im ISEK Erfurt 2030, Teil 2 Kap. 5) Nicht erst seitdem die Vereinten Nationen 2015 in beispielsweise in Bezug auf nachhaltige Flächen- New York die Agenda 2030 auf den Weg gebracht nutzung, bezahlbaren Wohnraum oder stadt- und haben ist klar, dass Entwicklungen – ob lokal oder umweltverträgliche Mobilität eindeutig Stellung. global – an den Zielen der Nachhaltigkeit aus- Ebenso werden Themen wie Armutsbekämpfung, gerichtet sein müssen. Das klare Bekenntnis der Bildung oder Klimaschutz – soweit dies im Rahmen Staatengemeinschaft zu 17 weltweit gemeinsamen eines ISEK inhaltlich leistbar ist – berücksichtigt. Nachhaltigkeitszielen zeigt, dass der Nachhaltig- keitsgedanke einen zunehmenden Bedeutungs- gewinn erfährt und in allen Bereichen des Planens, Handelns, Wirtschaftens und Zusammenlebens ernsthaft Berücksichtigung finden muss. Eine wich- tige Rolle spielt dabei das Wissen um nachhaltiges Handeln und Zusammenhänge sowie deren (Aus-) Wirkungen für die Zukunft im Sinne des von der UNESCO verabschiedeten Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

133 3 Handlungsfelder Ziele der Stadtentwicklung

Die an dieser Stelle aufgeführten Handlungsfelder dahingehend geprüft, ob sie weiterhin Bestand zeigen in einem breiten Spektrum die stadtpoli- haben und damit im gleichen Wortlaut in das neue tischen Ziele für Erfurt. Dabei werden jeweils die ISEK aufgenommen werden können, aufgrund Positionen zum Ist-Zustand sowie die Ziele und zwischenzeitlich erfolgter Veränderungen und strategischen Ansätze wiedergegeben, die von Trendwechsel im Wortlaut geändert bzw. angepasst gesamtstädtischer sowie regionaler und überregio- werden müssen oder ob sie komplett gestrichen naler Bedeutung sind. werden können, da die formulierten Ziele entweder bereits erreicht wurden oder die Zielformulierung Die Basis bilden auch an dieser Stelle die Formulie- inzwischen überholt und unzutreffend ist. rungen des ISEK 2020. Deren Fortschreibung erfolgte im Zuge eines mehrstufigen Verfahrens und intensi- Zudem wurden im Dialog zwischen den Akteuren ven Prozesses zwischen den Fraktionen und Aus- aus Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung jeweils schüssen des Erfurter Stadtrates sowie der Stadtver- neue Entwicklungsziele eingebracht und nach ge- waltung und unter Beteiligung der Öffentlichkeit. meinsamer Diskussion in die Neufassung der Hand- lungsfelder des ISEK Erfurt 2030 aufgenommen. Dafür wurden sämtliche Formulierungen des ISEK Erfurt 2020 sowie die darin enthaltenen Aspekte

Im Ergebnis dieses mehrstufigen Beteiligungsver- In Kapitel 5 (ISEK Erfurt 2030, Teil 2) werden die fahrens stehen insgesamt 13 aktuelle Handlungs- nachfolgend dargestellten Zielformulierungen felder. in den sogenannten Konzeptbausteinen sowohl inhaltlich als auch räumlich untersetzt.

HANDLUNGSFELDER Wirtschaft, Mobilität, Bildung ISEK ERFURT 2030 Arbeit, Handel Verkehr

Freiraum für Wohnen Natur und Kultur Sport Ortsteile Freizeit

Klimaschutz, Solziale Generationen- Tourismus und Ordnung und Klimaanpassung Infrastruktur gerechte Stadt Stadtmarkting Sicherheit und Resilienz 134 ISEK Erfurt 2030

3.1 Handlungsfeld Wirtschaft, Arbeit, Handel

IST-SITUATION

hohe Standortgunst durch zentrale Lage in der Mitte Deutschlands mit sehr gut ausgebau- ter Verkehrsanbindung über 140.000 Arbeitsplätze in ca. 14.000 Firmen, wovon die Hälfte von täglichen Einpend- lern aus dem Umland besetzt ist hoher Anteil mittelständischer Unternehmen aktuell besteht Knappheit verfügbarer Flächen für großflächige Gewerbeansiedlungen freie, jedoch schwer entwickelbare Alt-Gewerbeflächen vorhanden Industriegebiet Erfurter Kreuz ist Anknüpfungspunkt in direkter Nähe zum Stadtgebiet zukunftsträchtige Schwerpunktbranchen der Stadt liegen in den Bereichen Dienstleistung und verarbeitendes Gewerbe (Leitbranchen: Ernährungswirtschaft, Maschinenbau, Hoch- technologie/ überdurchschnittliches Wachstum in Metalltechnik, Handelslogistik und IT) „Einkaufsstadt Erfurt“ besitzt hohe Einzelhandelszentralität mit wachsender Ausstrahlung und einen attraktiven Innenstadthandel attraktive Einzelhandelsstruktur mit ihrem Angebotsspektrum wird mit wachsendem Kaufkraftabfluss konfrontiert aufgrund von Konkurrenz durch den Onlinehandel, die Ex- pansionsabsichten randstädtischer Shopping-Center sowie die durch die sich verbessernde Verkehrsanbindung näher rückenden alternativen Einkaufsstädte weitgehend gesicherte fußläufige Nahversorgung durch stringente Umsetzung der Einzel- handels- und Zentrenstrategie innovative Wirtschaftsverflechtungen in Clustern sowie Zusammenarbeit der ansässigen Wirtschaft mit Wissenschaft und Forschung sind schwach entwickelt schwach ausgeprägter Forschungssektor aufgrund stark unterrepräsentierter Arbeitsplätze und Unternehmen im produzierenden Gewerbe branchenübergreifende und gesamtstädtische Zunahme an Arbeitsplätzen Erfurt ist das Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum Thüringens branchenspezifischer Fachkräftemangel im höherqualifizierten Bereich stark ausgeprägter Niedriglohnsektor Arbeitslosenquote seit 2005 von damals 21 % auf unter 7 % gesunken stetig wachsende Bedeutung als Messe-, Kongress- und Tagungsstandort mit weiterer Ent- wicklung durch Multifunktionsarena und ICE-Knoten Hotelkapazität trotz Neubauten nach wie vor unzureichend geringer Bekanntheitsgrad des Wirtschaftsstandortes Erfurt auf nationaler und internatio- naler Ebene aufgrund eines fehlenden professionellen Marketings neben Einpendlern auch hohe Zahl an Auspendlern Einzelhandel ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor bei steigender Kaufkraft und einem wach- senden Einzugsgebiet die mittelalterliche Stadtstruktur lässt großflächigen Einzelhandel in attraktiven Lagen kaum noch zu teilräumlich signifikante Lücken im Breitbandnetz Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 135

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Traditionsbranchen sichern (Gartenbau, Saatzucht, Maschinenbau) strategische Ansiedlungspolitik auf höherwertiges, flächensparendes bzw. arbeitsplatz- intensives Gewerbe ausrichten gesamtstädtisches Gewerbeflächenmanagement aufbauen und etablieren Gewerbeflächen mit hoher Standortgunst bereitstellen Wirtschaftsstruktur vor Ort stärker mit Wissenschaft/Forschung vernetzen Bekanntheitsgrad des Wirtschaftsstandortes Erfurt in Europa durch professionelle und überregionale Vermarktung wesentlich steigern und finanziell fördern Impuls-Region, Technologiedreieck Erfurt/Jena/Ilmenau und Wirtschaftsregion „Erfurter Kreuz“ intensiver in die Clusterförderung innovativer Branchen einbeziehen Messe- und Kongressstandort durch Messe, Multifunktionsarena und ICE-City etablieren und diese als Wachstumskerne der Stadtentwicklung nutzen Mittelstandsförderung maßgeblich verstärken und professionalisieren regionale Wirtschaftskreisläufe und Traditionsbranchen für ein resilientes System stärken klare Nutzungsprofile für die einzelnen Gewerbestandorte entwickeln Logistikbranche ausschließlich qualitativ ausweiten Anziehungskraft des innerstädtischen Einzelhandels weiter ausbauen Einzelhandels- und Zentrenstrategie fortschreiben und weiterhin konsequent umsetzen Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und -gewinnung durchführen Potenzial der Neubürger aus dem Ausland im Sinne der Fachkräftegewinnung nutzen Stärkung des produzierenden Gewerbes Errichtung einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit GmbH-Struktur zur Rekrutierung von Investoren und Betreuung vorhandener Unternehmen, zur konzentrierten Personal- gewinnung und -qualifizierung unter Zusammenarbeit lokaler Akteure weiterer Ausbau der Hotelkapazitäten zur Absicherung des steigenden Bedarfs, insbeson- dere im Tagungs- und Messegeschäft Standortmarketing mit der Wortmarke „Einkaufsstadt Erfurt“ ausbauen, um attraktive neue Einzelhändler zu gewinnen Qualifizierung zu einer nachhaltigen, ökologischen und strukturreichen Land- und Forst- wirtschaft Entwicklungsachsen für durchmischte Wohn- sowie Gewerbegebiete definieren Unterstützung bei der Schaffung von Voraussetzungen für den Ausbau des Breitbandnetzes öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit etablieren, um ins- besondere älteren Arbeitslosen und Personen, die über sehr lange Zeiträume ohne Arbeit sind, die Teilhabe am Erwerbsleben wieder zu ermöglichen schienengebundene Logistik fördern

Foto 50 (seite 132): Stadtverwaltung Erfurt 136 ISEK Erfurt 2030

3.2 Handlungsfeld Bildung

IST-SITUATION

vielfältige Angebotslandschaft im gesamten Bildungsbereich breites Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten bei stetigem Ausbau der Kinder- betreuungsplätze (v. a. für Kinder unter zwei Jahren) Vielzahl an Schularten in kommunaler und freier Trägerschaft breites Angebot an beruflicher Erst- und Weiterbildung sowohl von Ausbildungszentren der Wirtschaft als auch von staatlichen und freien Trägern drei Hochschulen, eine Berufsakademie und wirtschaftsnahe Ausbildungszentren sind Standortfaktoren mit ständig steigender überregionaler und nationaler Bedeutung sowie auch einer steigenden internationalen Wahrnehmbarkeit bildungsrelevante Akteure arbeiten in verschiedenen thematischen Netzwerken und Arbeitsgemeinschaften zusammen zunehmende Kapazitätsprobleme bei Kitas und Schulen durch wachsende Bevölkerung in- folge von Zuwanderung Defizit an hochschul- und wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen milieu- und geschlechtsspezifische Ungleichheiten hinsichtlich Bildungsteilhabe hohe Qualität der Erfurter Bildungsangebote gewährleistet die Wettbewerbsfähigkeit von Absolventen der Erfurter Bildungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen auf dem natio- nalen, europäischen und internationalen Arbeitsmarkt starke dezentrale Verteilung an hochschulzugehörigen Einrichtungen Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 137

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

ausgewogenes Netz von Bildungseinrichtungen stärken und entwickeln inklusiven Zugang zu Bildungsangeboten hinreichend erleichtern, um soziale Durch- mischung und Bildungsgerechtigkeit sowie Chancengleichheit für alle Generationen un- abhängig von der Herkunft zu verbessern „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ als wesentlichen Bestandteil der zukünftigen Bil- dungspolitik etablieren Qualität des Bildungsangebotes sichern Investitionsprogramme für Kindertageseinrichtungen sowie allgemein- und berufsbilden- de Schulen koordinieren und umsetzen langfristige, an der aktuellen Bevölkerungsentwicklung der Stadt ausgerichtete, Bedarfs- planungen in den Bereichen Kita, Schule und Erwachsenenbildung aufstellen und laufend aktualisieren. Die Jugendhilfeplanung im Handlungsfeld Soziales hat dies für die Kinder- tageseinrichtungen zu gewährleisten. Die städtischen Bevölkerungsprognosen regelmäßig fortschreiben Jugendbildung und -arbeit fördern bedarfsgerechte Studien- und Berufsorientierung mit aktiver Integration von Menschen mit Migrationshintergrund anbieten Angebote der wirtschaftsnahen beruflichen Aus- und Weiterbildung mit ortsansässigen Trägern ausbauen Institutionen und Forschungseinrichtungen in Zukunftsbranchen akquirieren Synergieeffekte zwischen Bildung, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung sowie zwischen öffentlichen und freien Institutionen besser nutzen Projekte und Maßnahmen für Toleranz sowie Gewaltfreiheit und gegen Fremdenfeindlich- keit unterstützen aktive Einbindung der lokalen Unternehmen/Handwerker in die Bildungsstrategie der Stadt Erfurt, Bedarfe konkret erfassen, analysieren, Bildungsangebote entwickeln/ableiten gezielte Bewerbung der Ausbildungsmöglichkeiten am Standort Erfurt, gerade zur Erstaus- bildung in Industrie und Handwerk inhaltliche Forderungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinde- rungen durch den Ausbau des gemeinsamen Lernens schrittweise weiter umsetzen möglichst alle Einrichtungen der Universität Erfurt auf dem Campus Nordhäuser Straße zusammenführen Stärkung der Präsenz der Hochschulen in der Stadt fördern bedarfsorientierte Mittelzuweisung an Schulen zur Begrenzung standortspezifischer Segre- gationstendenzen

Fotos 51 und 52 (seite 136): Stadtverwaltung Erfurt 138 ISEK Erfurt 2030

3.3 Handlungsfeld Mobilität, Verkehr

IST-SITUATION

sehr gute Anbindung an europäische und nationale Verkehrsnetze per Schiene (Hochge- schwindigkeitsstrecken Berlin-Erfurt-München und Frankfurt/Main-Erfurt-Dresden) und per Straße (A 4, A 71) Flughafen Erfurt Weimar ist infrastrukturell attraktiv an das Stadtgebiet angebunden insgesamt hoher Ausbaustand der Verkehrssysteme Bahn, ÖPNV und MIV hocheffizientes Stadtbahnnetz erreicht in seinem Einzugsbereich im Zehn-Minuten-Takt ca. 85 % der Erfurter Bevölkerung im Vergleich zu anderen Regionen des Freistaates Thüringen gute ÖPNV-Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt trotz steigender Nutzerzahlen zunehmende Mobilitätskosten im ÖPNV demografischer Wandel verändert Anforderungen an Infrastruktur und ÖPNV, z. B. im Hin- blick auf Barrierefreiheit Investitionen in Unterhalt der Straßeninfrastruktur nicht werterhaltend Nutzung des betrieblichen Mobilitätsmanagements ausbaufähig Stellplatzmangel in und um die Innenstadt sowie in einigen Wohngebieten trotz positiver Entwicklung Defizite im Bereich Nahmobilität (=Fuß- und Radwegenetz) verkehrliche Nutzung des öffentlichen Raumes steht teilräumlich in deutlichem Konflikt zu Aufenthalts- und Wohnqualität „Begegnungszone Innenstadt“ wird schrittweise als Grundlage zur Erhöhung der Aufent- halts- und Wohnqualität in der Innenstadt umgesetzt teils bereits erschöpfte Kapazitäten vorhandener Park-and-ride-Parkplätze Umwelt-, Klima- und Gesundheitsbelastung durch den MIV Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 139

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

strategische und angebotsseitige Weiterentwicklung des Verkehrsverbundes Mittelthü- ringen unterstützen (z. B. Ausbau von S-Bahn-ähnlichen Verbindungen von/nach Weimar, Jena, Gotha, Sömmerda und Arnstadt) Marktnischen für den Flughafen stadtverträglich nutzen Modal Split zugunsten des Umweltverbundes ausbauen kommunales Verkehrs- und Mobilitätsmanagement unter Umweltaspekten weiter entwi- ckeln verkehrsbedingte Umweltbelastungen in beeinträchtigten Wohngebieten weiter reduzie- ren selbstbestimmte Mobilität für alle Nutzergruppen ermöglichen Verkehrssicherheit erhöhen ÖPNV für alle Nutzergruppen attraktiv und bezahlbar gestalten Parkraumbewirtschaftung in die Tarifgestaltung des ÖPNV einbeziehen Hauptarbeitsstandorte auf attraktive Weise mit ÖPNV erschließen bedarfsgerechte Anbindung der Ortsteile durch den ÖPNV erhalten künftigen ÖPNV-Ausbau bei neuen Flächenentwicklungen berücksichtigen (Vorhalte- trassen) unverzichtbares Infrastrukturnetz werterhaltend absichern innerstädtisches Straßennetz wo möglich stadtverträglich und nutzungsgerecht optimie- ren bzw. reduzieren notwendigen und bedarfsdeckenden Parkraum für Bewohner, Besucher und Pendler sichern Fuß- und Radverkehr konsequent weiter stärken, alltagstaugliches Radwegenetz ausbauen „Begegnungszone Innenstadt“ konsequent umsetzen vorrangiger und bedarfsgerechter Ausbau vorhandener und Schaffung neuer Park-and-ride- Parkplätze unter Anbindung an das Parkleitsystem Leistungsfähigkeit des Stadtbahn- und Stadtbusnetzes bei deutlich steigenden Einwohner- zahlen erhalten Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der E-Mobili- tät Verkehrsplanung maßgeblich an strategischen Erfordernissen für den Klimaschutz ausrich- ten Ausbau der Sharing-Systeme mit dem Ziel der Reduzierung der Parkraumnachfrage bzw. Fahrzeughaltungsquote Vorrang für den Fußgänger in der Innenstadt weiter ausbauen

Foto 53 (seite 138): Stadtverwaltung Erfurt 140 ISEK Erfurt 2030

3.4 Handlungsfeld Wohnen

IST-SITUATION

angespannter Wohnungsmarkt mit ausdifferenzierter Angebots- und Nachfragestruktur Leerstandsquote liegt bei ca. 2 % im Wohnraumbestand der Gesamtstadt Wohnungsmarktreserven im Altbau sind weitgehend ausgeschöpft verfügbare innerstädtische Brachflächen für den Wohnungsbau in absehbarer Zeit entwi- ckelt ungebrochen hohe Nachfrage nach innerstädtischen Wohngebieten (Altstadt und Gründer- zeitgürtel) ermöglicht kompakte Siedlungsstruktur steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum (v. a. für Familien mit Kindern, Senio- ren und Zuwanderern aus dem Ausland) kann kaum noch bedient werden wirkungsvolle Instrumentarien zur Intensivierung des sozialen Wohnungsbaus fehlen weiterhin fehlende Wohnbaulandbevorratung der Stadt führt zu einer geringen Einflussmöglichkeit auf den Wohnungsneubau wohnungsbezogene Freiräume sind teils von geringer Qualität oder fehlen völlig Landeshauptstadt und Oberzentrum vereint viele Vorteile als Wohnstandort, insbesondere hinsichtlich Infrastruktur und Lebensqualität aktuell Entwicklung vieler Standorte im Stadtgebiet für den Bau diverser Wohnformen für Eigentums- und Mietwohnungen Struktur und Lage des vorhandenen Wohnungsbestandes entspricht in einigen Segmenten nicht mehr dem Bedarf trotz steigender Neubauzahlen – insbesondere in mittel- und hochpreisigen Segmenten – wird der jährliche Wohnungsbedarf kaum noch abgedeckt hohe Fluktuation in der Innenstadt und Gründerzeit teilräumlich vorherrschende Imageproblematik von Quartieren bzw. Stadtteilen Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 141

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Vielfalt an bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraumangeboten durch privates und kommunales Investment sowie durch Genossenschaften ausbauen barrierearmen, bezahlbaren Wohnraum fördern schnell wirkungsvolle Instrumente und Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau bereit- stellen (Baulandmodell) zukunftsfähige sowie spezielle Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser, Baugruppen, Bauherrengemeinschaften etc. fördern und unterstützen innenstadtnahe Flächen für den Wohnungsbau aktivieren (Flächenrecycling) neue Wohnungsbauflächen vorrangig an ÖPNV-Achsen konzentrieren Ortsteile mit guter ÖPNV-Anbindung maßvoll entwickeln dörflich geprägte Ortsteile in ihrer Qualität weiter stärken und den Bezug zur Landschaft erhalten soziale Durchmischung in allen Stadtteilen fördern Zuwanderern und Geflüchteten möglichst schnell den Umzug in normale, bezahlbare Wohnformen ermöglichen wohnungsnahe Freiräume unter Beachtung einer hinreichenden Barrierearmut aufwerten bzw. neu schaffen positive Charakteristiken der Stadtteile herausstellen und zur „Adressbildung“ nutzen Aufwertung der Großwohnsiedlungen durch Schaffung von neuem Wohnraum auf geeig- neten Flächen sowie Neustrukturierung bzw. Sanierung der Wohngebietszentren und des Wohnumfeldes Zielstellung der kompakten Europäischen Stadt bei allen städtebaulichen Entscheidungen konsequent umsetzen / neue Baugebiete nur in den Ortsteilen ausweisen, die über eine entsprechende Infrastruktur verfügen Leerstandsquote unter Bereithaltung einer notwendigen Fluktuationsreserve stets so gering wie möglich halten (mindestens 2 %) Quartiersmanagement insbesondere in Wohnquartieren mit besonderen sozialen Heraus- forderungen etablieren und als Zielsetzung in der Sozialplanung sowie bei Maßnahmen des Bundesprogramms „Soziale Stadt“ verankern

Foto 54 (seite 140): Stadtverwaltung Erfurt 142 ISEK Erfurt 2030

3.5 Handlungsfeld Freiraum für Natur und Freizeit

IST-SITUATION

sanierte historische Stadträume aus reizvollen Gassen und Plätzen in der Altstadt sowie vielfältiges und attraktives Angebot an Kultur, Einzelhandel und Gastronomie schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität und stehen für eine hervorragende Lebens- und Freizeitqua- lität für die Gesamtstadt wenige qualitativ hochwertige Naherholungsräume in kurzer Distanz zur Kernstadt stadtteilbezogen häufiger Mangel an ausreichenden Freiraumangeboten Mangel an Grünverbindungen innerhalb der Kernstadt die Flusslandschaften von Gera und Flutgraben mit ihrer Begrünung und ausgedehnten Wanderwegen prägen ebenfalls das Stadtbild, sind jedoch noch nicht durchgängig erleb- bar Kiesgruben im Norden der Stadt werden einerseits bereits als Bade- und Wassersportseen genutzt, sind andererseits jedoch bedingt durch den anhaltenden Kiesabbau nicht öffent- lich zugänglich häufig nicht vereinssportgebundene Sportausübung ausschließlich in Grünanlagen und Parks zunehmender Kostendruck bei kommunalen Freizeiteinrichtungen zunehmende Eventisierung der Innenstadt durch Veranstaltungen teilweise unzureichende Veranstaltungsmöglichkeiten in den Stadtteilen mit dem Nordpark, Luisenpark, Stadtpark, Südpark, Brühler Garten, Kilianipark, Hirschgar- ten, Kressepark und der Geraaue besitzt Erfurt mehr als 113 ha Grün- und Parkanlagen als Ausgangsbasis für ein gesamtstädtisches Grünraumsystem egapark/Cyriaksburg, Zoopark/Roter Berg, Nordstrand und Petersberg kommen als Groß- areale zu den Grün- und Parkanlagen hinzu darüber hinaus befinden sich ca. 8.700 Kleingartenparzellen in 125 Kleingartenanlagen auf einer Gesamtfläche von 385 ha aufgewendete Pflege der vorhandenen Park- und Grünanlagen seit Jahren rückläufig wohnungsbezogene Freiräume sind teils von geringerer Qualität oder fehlen völlig Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 143

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Landschaftsbild aufwerten besondere Orte und Aufenthaltsräume im Freiraum sichern und als Identifikationspunkte einsetzen öffentliche Freiräume barrierefrei gestalten gesamtstädtische Erholungsgebiete stärken Wasserläufe zu das Stadtbild bestimmenden Grünachsen entwickeln und für die Naherho- lung zugänglich machen Anbindung der Erfurter Seen an das Stadtgebiet weiter verbessern Aufenthaltsqualität in den Wohngebieten erhalten und verbessern fußläufig erreichbare Grüninseln in Quartieren schaffen, Qualität vorhandener Freiflächen sichern und Stadtteilparks als neue grüne Mitte entwickeln öffentlich zugängliches und vernetztes Freiraumsystem aus Wegeverbindungen, Parks, Plätzen und Alleen, auch zwischen Kernstadt und Ortsteilen, aufbauen stadt- und wohnortnahe Erholungsgebiete und Kulturlandschaften durch Wander- und Radrouten erschließen Angebotsqualität an freiraumbezogenen Freizeitmöglichkeiten sichern und erweitern vorhandene Grün- und Parkanlagen schrittweise attraktiver gestalten und kosteneffektiv pflegen Verfolgung einer nachhaltigen Stadtentwicklung der Grünflächen auf Basis eines tragfähi- gen Konzeptes anlässlich der Bundesgartenschau 2021 Erweiterung von Naturschutzgebieten und Biotopverbundstrukturen auf jeweils 10 % der Stadtgebietsfläche Erhalt, Schutz und bedarfsgerechte Erweiterung von Gartenanlagen

Foto 55 (seite 142): Stadtverwaltung Erfurt 144 ISEK Erfurt 2030

3.6 Handlungsfeld Kultur

IST-SITUATION

vielfältiges Angebot an Breiten- und Spitzenkultur sowie speziellen Kulturangeboten sehr hohe Diversifizierung der Kulturangebote, Besetzung von Randthemen Mangel an Alleinstellungsmerkmalen, wenig Strahlkraft über die Grenzen der Stadt hinaus unterfinanzierte Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung des Kulturangebotes strategische Entwicklung der Kultur (Zielrichtung für die Gesamtstadt, Freizeit- und Ver- marktungsbaustein etc.) erfolgt inzwischen auf der Basis einer Kulturstrategie, ist aber weiterhin deutlich ausbaufähig unzureichende Koordinierung und Vernetzung der vielfältigen kulturellen Angebote unzureichende Profilierung einiger Einrichtungen Kulturszene wird durch eine Vielzahl öffentlicher, kirchlicher und privater Einrichtungen getragen gute Infrastruktur für Kulturveranstaltungen von nationaler und internationaler Bedeu- tung, bestehend aus dem Theater, der Alten Oper, dem Kaisersaal, der Thüringenhalle, der Messe, den Kirchen sowie zahlreichen weiteren Spielstätten attraktive Möglichkeiten zur Präsentation von Ausstellungen in Museen, in der Kunsthalle, im Haus zum Roten Ochsen und in der ehemaligen Peterskirche komplexes Angebot an Präsentationen der einzigartigen Zeugnisse jüdischen Lebens wird weltweit vermarktet, die Aufnahme in das Weltkulturerbe wird verfolgt sowohl breiten- als auch spitzenkulturelle Angebote unterliegen Notwendigkeit der Sub- ventionierung erste Standortentwicklungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 145

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Kultur als wesentliche Brücke zur Integration und Entwicklung der multikulturellen Stadt- gesellschaft nutzen Kulturangebote für alle Bevölkerungsgruppen unterstützen und den künftigen Erfordernis- sen anpassen Kulturförderung optimieren (Ausgleich zwischen hochsubventionierter Hochkultur und lebendiger alternativer Kulturszene) vielseitige, kreative Kulturszene mit Hilfe von freien Künstlern und ehrenamtlich tätigen Menschen weiter entwickeln, um den Zugang zur Sozio- und Breitenkulturarbeit für alle Bevölkerungsschichten zu erleichtern Öffentlichkeitsarbeit und überregionales Marketing wesentlich verbessern kulturelle Angebote stärker in das Wirtschafts- und Standortmarketing einbinden Profil der einzelnen Kultureinrichtungen und Profil des Gesamtangebotes schärfen Museums- und Ausstellungslandschaft untereinander vernetzen und mit dem Ziel der überregionalen Strahlkraft positionieren historische Orte und Ereignisse im Stadtbild thematisch vernetzen bzw. sichtbar machen kulturelle Einrichtungen und Angebote durch ein professionelles Kulturmanagement profi- lieren, um eine optimierte, langfristig stabile und finanzierbare Förderung zu sichern Vereinfachung und Vereinheitlichung der Regelungen zur Nutzung des öffentlichen Rau- mes für kulturelle Zwecke Förderung und administrative Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft; Beratung, Vernetzung und Hilfestellung für einen wirtschaftlich und zivilgesellschaftlich attraktiven Bereich, der vor allem junge Menschen anzieht Erfurt auch kulturpolitisch als Landeshauptstadt profilieren

Fotos 56 und 57 (seite 144): Stadtverwaltung Erfurt Foto 58: Susann Nürnberger 146 ISEK Erfurt 2030

3.7 Handlungsfeld Sport

IST-SITUATION

breit gefächertes Angebot zur sportlichen Betätigung für die gesamte Bevölkerung in kommunalen und vereinseigenen Sportstätten, bei kommerziellen Sportanbietern und auf öffentlichen Freiflächen über 35.000 vereinsgebundene Sporttreibende in der Erfurter Bevölkerung Austragungsort von bedeutenden internationalen und nationalen Wettkämpfen insbeson- dere in der Leichtathletik, im Eisschnelllauf und im Radrennsport Austragungsort einer Vielzahl von Deutschen und Thüringer Meisterschaften, besonders Kinder-, Jugend- und Seniorensport sowie weiterer nationaler und regionaler Wettkämpfe in vielen Sportarten spezielle Sondersportanlagen für Training im Leistungssport (insbesondere Eissportzent- rum, Leichtathletikhalle, Radrennbahn), die auch dem Breiten- und Schulsport zur Verfü- gung stehen gesamtstädtischer Mangel an Sport- und Schwimmhallen und dringender Handlungsbe- darf teilräumlich wesentliche Unterschiede in Quantität und Qualität der Sportstätten durch Sanierungs- und Modernisierungsstau, welcher jedoch bereits schrittweise beseitigt wird steigende Anzahl an immer kleiner werdenden Trainingsgruppen führt zu steigendem Be- darf an Trainingszeiten bei gleichzeitig sinkender Auslastung der Sportstätte Anzahl und Größe vorhandener Frei- und insbesondere Hallenbäder reichen für Schul-, Leis- tungs- und Vereinssport bei gleichzeitig öffentlicher Nutzung nicht aus überregional ausstrahlende Sportstätten vorhanden Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 147

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

ausreichende breitensportliche Betätigungsmöglichkeiten für den vereinsgebundenen Sport sowie im öffentlichen Raum erhalten bzw. schaffen, um den gleichberechtigten Zu- gang aller Bevölkerungsgruppen zu diesen Angeboten zu ermöglichen Sport als Sozialsystem mit vielfältigen Integrationspotenzialen festigen integrative Wirkung des Sports gegen Extremismus und Gewalt nutzen Multifunktionsarena als Anziehungspunkt mit überregionaler Strahlkraft für nationale und internationale Sportveranstaltungen nutzen Wettkämpfe mit nationaler und internationaler Ausstrahlung akquirieren wohnortnahe bedarfsgerechte Sportstätten und -angebote für alle Altersgruppen sicher- stellen und qualitativ ausbauen vorrangig bestehende Sportstätten bedarfsgerecht modernisieren und sanieren effiziente Auslastung der Sportinfrastruktur schaffen qualitativen Sportanlagenbau im Hinblick auf demografische Entwicklung verfolgen vorhandene Frei- und Strandbäder sanieren und ausbauen, Schwimmhalle neu bauen bzw. bestehende Anlagen entsprechend erweitern Sporthallen für den Schul- und Breitensport umgehend und zielgerichtet sanieren bzw. neu bauen

Fotos 59 (Seite 146) und 60: Stadtverwaltung Erfurt 148 ISEK Erfurt 2030

3.8 Handlungsfeld Ortsteile

IST-SITUATION

Zustand und Aufenthaltsqualität der öffentlichen Straßen und Plätze der Ortsteile haben sich maßgeblich verbessert historische Merkmale des baulich-räumlichen und landschaftsräumlichen Erscheinungs- bildes der Ortsteile werden zunehmend überlagert durch Bild- und Funktionselemente städtischer Siedlungen Ortsteile sind gut über den ÖPNV mit der Kernstadt verbunden Ortsteile verfügen über differenzierte Ausstattung an Gemeinbedarfseinrichtungen (Kindertagesstätten, Grundschulen, Bürgerhäuser, Jugendclubs, Sportstätten, Kirchen und Feuerwehren) medizinische Versorgung sowie die mit Gütern des täglichen Bedarfs erfolgt über Versor- gungseinrichtungen im kompakten Stadtkörper in geringer Entfernung Leerstand von ehemals landwirtschaftlich genutzten baulichen Anlagen in den Ortsteilen Rückgang der landwirtschaftlichen Erwerbsgrundlagen und Spezialisierung unter den ver- bliebenen bzw. wieder eingerichteten Betrieben Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 149

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

historische Ortskerne revitalisieren und sichern, um Ortsteilprofile zu festigen dörflich geprägte Ortsteile in ihren Strukturen erhalten, Überformungen verhindern und auf maßvolle Weise zur demografischen Stabilisierung entwickeln Siedlungsränder der Ortsteile (Grün, Freiraum und Landschaft) stabilisieren und erhalten ortsverträgliche Erweiterungspotenziale für den Eigenheimbau konsequent nutzen regionale Entwicklungskonzepte mit benachbarten Orten der angrenzenden Landkreise erarbeiten und verfolgen bedarfsgerechte und attraktive Anbindung der Ortsteile durch den ÖPNV verbessern gegenüber innovativen Bedienungskonzepten zur Anbindung der Ortsteile offen sein (be- darfsgerechtes Angebot erhalten und entwickeln) Nahversorgung langfristig sichern soziale und kulturelle Entwicklung sowie die Schulstandorte in den Ortsteilen fördern ortsprägende und individuelle Traditionsklein- und -kleinstbetriebe der Landwirtschaft fördern auf eine regionale und ökologische Landwirtschaft orientieren bauliche Gesamtanlagen durch tragfähige Nutzungskonzepte für landwirtschaftlich ge- prägte Baustrukturen langfristig erhalten

Fotos 61 (Seite 148) und 62: Stadtverwaltung Erfurt 150 ISEK Erfurt 2030

3.9 Handlungsfeld Soziale Infrastruktur

IST-SITUATION

Grundversorgung mit sozialer und medizinischer Infrastruktur vorhanden, jedoch unter Ausdehnung derer Einzugsbereiche und somit Abnahme des Stadtteilbezugs wachsende soziale Segregation und daraus resultierende Konflikte erfordern nicht nur spezifische Angebote, sondern auch besondere städtische Strategien fortschreitender sozialer Wandel führt zu veränderten lebensstilbedingten Anforderungen an die Infrastruktur steigende Nachfrage nach Kinderbetreuung mit differenzierten pädagogischen Konzepten und sozialer Kommunikation vorhandene soziale Infrastruktur ermöglicht die Integration verschiedener Kulturen von Neubürgern aus dem Ausland verbleibender Sanierungsbedarf in Kindertagesstätten und Schulen das Angebot an Jugendclubs und sozialer Betreuung, insbesondere von Jugendlichen, reicht nicht aus Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 151

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

wohnortnahe und gute medizinische Versorgung erhalten, Prinzip „ambulant vor statio- när“ verfolgen Erfurt als kinder- und familienfreundliche Stadt durch die Schaffung einer bedarfsgerech- ten und bezahlbaren Kinderbetreuung weiter profilieren, welche jedem Kind unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Status der Eltern gleichermaßen zur Verfügung steht soziale Infrastruktur durch qualitative Verbesserungen in der Betreuung und Bereitstellung bedarfsgerechter Einrichtungen stadtteilspezifisch auf der Grundlage einer beteiligungs- orientierten Sozialplanung unter Berücksichtigung demografischer Herausforderungen stärken Vielfalt der sozialen Angebote erhalten, um Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen bestehende Hilfesysteme zur Sozialraumstabilisierung vernetzen Inklusion ermöglichen – vorhandene soziale Einrichtungen für Kinder, Jugendliche, Fami- lien und Senioren sowie Menschen mit Behinderungen in allen Ortsteilen bedarfsgerecht entwickeln über das gesamte Stadtgebiet verteilte, menschenwürdige Unterbringungen sowie Betreu- ungsmöglichkeiten zur Integration von Geflüchteten bei Bedarf rasch bereitstellen Beratungsstellen für Einheimische und Immigranten qualifizieren, um kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden Neubürger aus dem Ausland in das Gemeinwesen integrieren Sanierung von Kindertagesstätten und Schulen beschleunigt fortsetzen flexible Öffnungszeiten in Kindertagesstätten und Ganztagsbetreuung in ausgewählten Schulen anbieten Ausbau- und Neubauprogramm für Kindertagestätten und Schulen entsprechend des Be- darfes dringend fortsetzen Willkommenskultur fördern stadtteilübergreifende bedarfsgerechte Schaffung von Spiel- und Treffpunkten für Kinder und Jugendliche Erkenntnisse aus der Integrierten Sozialraumplanung nutzen Stadtplanung/Stadtentwicklung berücksichtigt Ergebnisse der Jugendhilfeplanung, Sozial- planung und Schulentwicklungsplanung interkulturelle Kompetenz fördern Quartiersmanagement unter anderem mit dem Ziel der Abmilderung von Folgen der sozia- len, ethnischen sowie demografischen Segregation praktizieren

Fotos 63 bis 65 (Seite 150): Stadtverwaltung Erfurt 152 ISEK Erfurt 2030

3.10 Handlungsfeld Generationengerechte Stadt

IST-SITUATION

steigende Nachfrage nach generationsübergreifenden Bildungs- , Betreuungs- und Begeg- nungsangeboten vielfältige stadträumliche Defizite hinsichtlich Barrierearmut und Behindertengerechtig- keit Mangel an Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen Senioren sind die am stärksten anwachsende Bevölkerungsgruppe mit einer zunehmenden Differenzierung ihrer Lebensmodelle und -lagen steigende Anzahl an Pflege- und Betreuungsbedürftigen Gefahr der Isolation und Vereinsamung von Senioren und Menschen mit Behinderungen steigender Bedarf an altersgerechten, barrierearmen, bezahlbaren Wohnangeboten außer- halb von Pflegeheimen Zunahme der Altersarmut öffentliche Gebäude und Einrichtungen sowie das sehr gut ausgebaute Nahverkehrsnetz sind weitgehend senioren- bzw. behindertengerecht Stadt der kurzen Wege durch kompakten Stadtkörper Erfurt gehört zum Zusammenschluss der fünf barrierefreien Reiseziele in Deutschland komplexes Netz von ambulanten, teilstationären und stationären Gesundheitseinrichtun- gen vorhanden Ausbildungsstätten und geschützte Wohnstätten für Menschen mit Behinderung sind vor- handen Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 153

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Mehrgenerationenangebote ausbauen Entwicklungsmöglichkeiten für zukünftige Generationen offenhalten Stadtentwicklung mit dem Ziel der hohen Lebensqualität für alle Generationen fördern generationsgerechte Stadtgestaltung und Stadtmöblierung Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Menschen sicherstellen Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden fördern und im Alter verbessern Einbringen von individuellen Kompetenzen aller in das Gemeinwesen für alle Generationen Angebote gleichberechtigt fördern bedarfsgerechtes und bezahlbares Angebot an Betreuung, sozialen Einrichtungen sowie Sport- und Freizeitstätten mit barrierefreiem Zugang sichern barrierefreie Zugänglichkeit wohnortbezogener Nahversorgung sichern barrierefreie Nutzung des Bildungsangebotes ermöglichen altersgerechtes Wohnen und Seniorenbetreuungsangebote über das gesamte Stadtgebiet verteilen ältere und behinderte Mitmenschen zur aktiven Teilnahme am Alltag und zum aktiven Ehrenamt motivieren stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei Baumaßnahmen im Rahmen von Öffentlichkeitsbeteiligung

Foto 66 (Seite 152): Stadtverwaltung Erfurt 154 ISEK Erfurt 2030

3.11 Handlungsfeld Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz

IST-SITUATION

Umbruch in der Energiewende – inzwischen zahlreiche Projekte für eine dezentrale Ener- gieversorgung initiiert zunehmende klimatische Belastungen und Schadensfälle durch Extremwetterlagen beein- flussen die regionale Ebene trotz absehbar längerfristig steigender Energiekosten weiterhin hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern nach wie vor hoher Ausbaubedarf im Bereich der erneuerbaren Energien Flächeninanspruchnahme für erneuerbare Energien (u. a. ebenerdige PV-Anlagen) treten in Nutzungskonkurrenz zu Flächenbedarfen der wachsenden Stadt Anpassungsbedarf bei der technischen Infrastruktur der Energieversorgungsunternehmen Akzeptanzprobleme und räumliche Widerstände gegenüber Windparkanlagen und Lei- tungstrassen zu hoher Ressourcenverbrauch in nahezu allen Bereichen mit KWK-Technologie und dem gut ausgebauten Fernwärmenetz ist gute Basis vorhanden, durch die erneuerbare Energien sinnvoll in den Strom- und Wärmemarkt integriert werden können hoher Anteil an Nutzern des ÖPNV durch attraktives Stadtbahn- und -busnetz technische Infrastrukturen der Energieversorgung sowie der Entsorgung und Verwertung sind sehr gut ausgebaut Erreichbarkeit aller öffentlichen Einrichtungen mit dem ÖPNV gegeben Siedlungs- und Verkehrsfläche je Einwohner in Erfurt unter 400 m² (in Schwerin, Magde- burg, Mainz oder Saarbrücken prozentual höher) kompakter europäischer Stadtkörper ermöglicht Alternativen zum MIV die heute vorherrschenden, großflächigen und intensiven Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft beeinträchtigen auch im Stadtgebiet die Naturraumpotenziale für Klima- schutz, Hochwasserretention und Artenschutz Klimaschutzstrategie mit energiepolitischen Vorgaben für das zukünftige Handeln liegt vor Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 155

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

resiliente Stadtentwicklung fördern, um negative Auswirkungen und Einflüsse auf das Stadtgebiet durch sich ändernde Klimabedingungen zu minimieren neue Flächenversiegelungen so weit wie möglich vermeiden; Maßnahmen zur Innenent- wicklung, zum Flächenrecycling oder zur Aktivierung von Brachflächen konsequent nutzen sowie gebietskörperschaftsübergreifendes Ausgleichsflächenmanagement initiieren Stadt Erfurt baut ihre Vorbildfunktion hinsichtlich der Umstellung des Energiebedarfs kommunaler Liegenschaften auf regenerative Energien aus Hochwasserschutz kontinuierlich weiter ausbauen und orts- und landkreisübergreifend vorbereiten, dabei Retentionsräume in hochwassergefährdeten Gebieten erweitern (z. B. Geraaue, Gramme, Linderbach etc.) im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Stadtentwicklung Kalt- und Frischluft- zufuhr funktionsfähig erhalten erneuerbare Energien fördern und bei deren Planungen im Hinblick auf steigende Flächen- knappheit auch interkommunal kooperieren Fernwärmenetz massiv ausbauen und verdichten sowie neue Stadtteile anschließen Stromeigenerzeugung durch dezentrale Photovoltaik-Anlagen fördern Erstellung eines Katasters von geeigneten Flächen für Photovoltaikanlagen „Bürgerenergie“ weiter stärken – Bürgerengagement zum Klimaschutz weiter fördern Energie- und Klimaschutzstrategien kontinuierlich fortschreiben und umsetzen Entwicklung und Installation dezentraler Energieversorgungssysteme in neuen Wohnge- bieten, die nicht an die Fernwärme angeschlossen sind Festlegung eines Standards zur umweltgerechten Sanierung öffentlicher Gebäude inkl. Schulen und Kindergärten unter Einbeziehung alternativer Energieerzeugungsanlagen bedarfsgerechte Ergänzung des ÖPNV-Netzes energetisch autark und umweltbewusst kompakte Europäische Stadt wahren – Siedlungs- und Verkehrsfläche je Einwohner noch weiter senken in neuen Stadtteilen hinreichende städtebauliche Dichte schaffen, um einen effizienten Anschluss an den ÖPNV zu gewährleisten großflächige Landwirtschaftsflächen ökologisch strukturieren im Siedlungsneubau kompakte nachhaltige Quartiere entwickeln Förderung hoher energetischer Standards bei Neubau Biodiversität durch Erhöhung der Strukturvielfalt (z. B. Erhalt von Ackerrandstreifen, Wie- deranlage umgebrochener Feldwege) fördern bestehende hocheffiziente KWK-Anlagen auf modernstem Stand weiternutzen Reduktion von Ressourcenverbrauch als Handlungsmaxime Kultur der Nachhaltigkeit zusammen mit kommunalen Akteuren, Netzwerken und Bürgern aufbauen Stadtplanung/Stadtentwicklung unter dem Ziel von Entwicklungskorridoren optimieren 156 ISEK Erfurt 2030

3.12 Handlungsfeld Tourismus und Stadtmarketing

IST-SITUATION

Stellung Erfurts im Wettbewerb der Städte mit erfolgreicher Imageprofilierung gefestigt Tourismusziel von internationaler Bedeutung als städte- und kulturtouristische Destina- tion sowie als Tagungs- und Kongressstadt stetig steigende Übernachtungszahlen zunehmende Zahl an Touristen und Gruppenreisenden (zuletzt über elf Millionen) aus dem In- und Ausland zunehmende Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftssektor durch steigende Beliebtheit der Stadt als Tourismusziel Aufnahme in UNESCO-Weltkulturerbeliste mit Evangelischem Augustinerkloster und Stät- ten des mittelalterlichen Judentums erstrebt die Verweildauer der Touristen und Besucher der Stadt sind noch zu gering der Bekanntheitsgrad der Stadt national und international ist noch ausbaufähig die Übernachtungskapazitäten der Stadt stoßen immer häufiger an ihre Grenzen Stellplatzmangel für Busse und Wohnmobile an wandelnde Altersstruktur der Gäste nicht ausreichend angepasste Infrastruktur bzw. zu geringes barrierefreies Übernachtungs- und Gastronomieangebot Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 157

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

gezielte Vermarktung des Tourismusstandortes Erfurt zur weiteren Steigerung des Be- kanntheitsgrades und der Übernachtungszahlen Qualitätssicherung im touristischen Angebot Positionierung Erfurts in Spitzengruppe der Tagungsstandorte in Mitteldeutschland Erhöhung der durchschnittlichen Verweildauer von Touristen Ausbau des Angebotes an Parkplätzen für Busse und Caravan Steigerung des Bekanntheitsgrades des Gütesiegels „Barrierefreies Erfurt“ durch offensive Öffentlichkeitsarbeit nachhaltige Effekte der BUGA 2021 für die Tourismusentwicklung nutzen Entwicklung und weltweite Vermarktung eines Angebotes aus den einzigartigen Zeugnis- sen jüdischen Lebens weiterer Ausbau der Übernachtungs- und Tagungskapazitäten

Fotos 67 (Seite 154) und 68 (Seite 156): Stadtverwaltung Erfurt 158 ISEK Erfurt 2030

3.13 Handlungsfeld Ordnung und Sicherheit

IST-SITUATION

vernetzte Infrastruktur in den Bereichen Ordnung und Sicherheit sowie Brand- und Ka- tastrophenschutz vorhanden, z. B. durch die formale „Ordnungspartnerschaft“ zwischen Landeshauptstadt Erfurt und Landespolizeiinspektion Erfurt hohe Standortqualität der Einrichtungen von Feuerwehr, Bürgeramt und Polizeidienst- stellen personelle und materielle Ressourcen der städtischen Behörden stoßen teils an ihre Kapa- zitätsgrenzen Stadt, Landespolizeiinspektion Erfurt und Staatsanwaltschaft Erfurt verfolgen konstrukti- ve und ergebnisorientierte Kooperation im Rahmen des Kriminalpräventiven Rates teilräumliche Reaktion nach Auswertung von Rohheitsdelikten durch Erhöhung der polizei- lichen Präsenz Anstieg der Einwohnerzahl führt zu Steigerung der Straftaten, jedoch liegt die Anzahl der in Erfurt begangenen Straftaten im Stadtvergleich im niedrigeren Bereich Landespolizeiinspektion kann im Bedarfsfall durch verstärkte Streifenpräsenz aktuellen teilräumlichen Kriminalitätsentwicklungen entgegenwirken gesetzliche Vorgaben regeln die Ordnungspartnerschaft von Landespolizeiinspektion und Bürgeramt zur Optimierung des operativen Geschäfts im Bereich Ordnung und Sicherheit Zunahme der Verkehrsunfälle im Vergleich zu 2011 um ca. zehn Prozent Optimierungsbedarf im Bereich der Kooperation bei der städtebaulichen Kriminalpräven- tion abstrakte Gefährdungslagen (z. B. terroristische Anschläge) sowie der Klimawandel (z. B. Veränderungen von Stärke und Häufigkeit natürlicher Prozesse, Veränderung der Anzahl gefährdeter Personen) stellen die Stadt vor regelmäßig neue Aufgaben Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 159

ZIELE UND STRATEGISCHE ANSÄTZE

Ausbau der Leistungsfähigkeit der Gefahrenabwehr und Gefahrenvorbeugung Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplanes einschließlich des Standort- und Technik- konzeptes unter Beibehaltung der Standorte der Freiwilligen Feuerwehren in Erfurt konsequente Sicherstellung der normierten Qualifikationen und regelmäßigen Weiterbil- dungen im Bereich der Zentralen Leitstellen und der Rettungsfahrzeuge Umsetzung einer landesweiten, verschlankten, aber homogenen und vernetzten Leitstel- lenkultur, in deren Folge sich der Zuständigkeitsbereich der Leitstelle in Erfurt einschließ- lich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr ggf. erweitert Evaluierung, Justierung und Entwicklung von Maßnahmen zur Steigerung der subjektiven Sicherheit und Senkung der objektiven Kriminalitätserscheinungen auf Basis einer regel- mäßigen Befragung der Bevölkerung Ausbau der Verkehrssicherheit im fließenden und ruhenden Verkehr Intensivierung der Kontrolle und Ahndung von Tempo- und Rotsignalverstößen, verstärkte Fahrradkontrollen im Innenstadtbereich Intensivierung der Verkehrserziehung unter Betonung gegenseitigen Respekts der Ver- kehrsteilnehmer im Sinne von Shared Space Umsetzung einer behörden- und ämterübergreifenden Zusammenarbeit zur zielorientier- ten Prävention hinsichtlich der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aktive Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität; konsequente Kontrolle und Durch- setzung des Kinder- und Jugendschutzes städtebauliche Entscheidungen und die Gestaltung öffentlicher Räume auf die Kriminal- prävention und die Erhöhung des Sicherheitsempfindens ausrichten Stärkung von Verantwortungsbewusstsein und Engagement der Bevölkerung für das per- sönliche Umfeld im Bereich Ordnung und Sicherheit angepasste Entleerungskonzeptionen und Erhöhung der Reinigungsintervalle im Innen- stadtbereich sowie in den öffentlichen Grünanlagen Einbindung der Erfurter Streetworker, ggf. im Rahmen gemeinsamer Streifen in sogenann- ten Brennpunkten langfristige Sicherung der finanziellen und personellen Ausstattung für die Graffitientfer- nung an städtischen Objekten und Anlagen sowie für die Präventionsarbeit

Foto 69 (Seite 158): Stadtverwaltung Erfurt 160 ISEK Erfurt 2030

73 Abb. 40 Beziehungsgeflecht der Handlungsfelder Abb. 40 Beziehungsgeflecht der Handlungsfelder

73 Darstellung: Büro für urbane Projekte Kapitel 3 Handlungsfelder | Ziele der Stadtentwicklung 161

Die in den Handlungsfeldern aufgeführten Positio- nen zum Status Quo sowie zur künftigen Entwick- lung der Landeshauptstadt Erfurt machen deutlich, dass die Ziele und Handlungsempfehlungen nicht sektoral – also fachlich nebeneinander – sondern integriert betrachtet und angegangen werden müssen.

So ergibt sich im Abgleich der thematischen Ausrichtungen und in der Darstellung gemeinsa- mer inhaltlicher Querschnittsaufgaben ein Bild gebündelter Themen. Diese erfordern, dass ihre jeweiligen Inhalte zusammen zu denken sind. In der Fortführung dieses Ansatzes bedeutet das, dass auch disziplinübergreifende Strategien notwendig werden. Diese Aufgabe werden sie in den nachfol- genden Konzeptbausteinen (vgl. Kap. 5, ISEK Erfurt 2030, Teil 2) übernehmen, die ebenfalls polythema- tisch aufgestellt sind.

Die Frage ist, an welchen gemeinsamen Leitlinien (im Sinne einer Stadtvision für Erfurt) sich die einzelnen Strategien der Konzeptbausteine orien- tieren sollen. Diese Aufgabe übernimmt Kapitel 4 (ISEK Erfurt 2030, Teil 2) mit dem Leitbild für die Erfurter Stadtentwicklung 2030.

Im Ergebnis dieses mehrstufigen Beteiligungsver- fahrens stehen insgesamt 13 aktuelle Handlungs- felder.

163

Verzeichnisse

Literatur und Quellen

Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Statistische Berichte

Stadtverwaltung Erfurt, Personal- und Organisationsamt, Abt. Statistik und Wahlen, Bevölkerungsprognose bis 2040, Oktober 2015

Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Stadtentwicklung, ISEK Erfurt, Fortschreibung: Teilräumliches Entwicklungspotenzial der Großsiedlungen, Ackers Partner Städtebau, 2018

Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Verkehrsplanung, Verkehrsent- wicklungsplan Erfurt, Radverkehrskonzept, Dezember 2015

Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Verkehrsplanung, Verkehrsent- wicklungsplan Erfurt, Teil Innenstadt – mit Wirtschaftsverkehr, November 2012

Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Verkehrsplanung, Nahverkehrs- plan 2014 bis 2018, Oktober 2013

Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Jugendhilfeplanung, Kinder und Jugendförderplan der Landeshauptstadt Erfurt 2017 bis 2021, Dezember 2016

Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Kinder und Jugendförderung, SG Jugendarbeit, Leitbild für ein kind- und jugendgerechtes Erfurt 2020, Oktober 2015

Stadtverwaltung Erfurt, Jugendamt, Jugendhilfeplanung, Dokumentation 2017 Jugendhilfeplanung, Bedarfs- planung Tageseinrichtungen für Kinder/Tagespflege für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019, Stand 15.06.2017

Stadtverwaltung Erfurt, Kulturdirektion, Zukunft der Kultur – Kultur der Zukunft, Strategisches Kulturkon- zept der Landeshauptstadt Erfurt, November 2012

Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Bildung, Schulnetzplan der Landeshauptstadt Erfurt 2014/2015 – 2018/2019, Oktober 2015

Stadtverwaltung Erfurt, Umwelt- und Naturschutzamt, Landschaftsplan Erfurt, Rahmenkonzept „Masterplan Grün“, Erläuterungsbericht, September 2015

Stadtverwaltung Erfurt, Umwelt- und Naturschutzamt, Klimaschutz in Erfurt, Leitbild, Ziele und Handlungs- konzept, März 2012

Dr. Donato Acocella Stadt- und Regionalentwicklung, Gewerbeflächenentwicklungskonzept 2030 für die Landeshauptstadt Erfurt, 2015

Junker+Kruse Stadtforschung Planung, Einzelhandels- und Zentrenkonzept 2017 für die Landeshauptstadt Erfurt, Entwurf 2017

Foto 70 (Seite 162): Stadtverwaltung Erfurt 164 ISEK Erfurt 2030

Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Referat 25 – Tourismuspolitik, Tourismusstrategie Thüringen 2025, dwif-Consulting GmbH, Juni 2017

Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales, Polizeiliche Kriminalitätsstatistik, Informationen zur Statistik, 2016

Universität Erfurt, Jahresbericht 2015

Stadtverwaltung Erfurt, www.erfurt.de/ef/de/wirtschaft/wirtschaftsstandort/daten/index.html, abgerufen am 03.10.2017

Universität Erfurt, www.uni-erfurt.de/forschung/forschungsprofil/, abgerufen am 17.08.2017

Fachhochschule Erfurt, www.fh-erfurt.de/fhe/fachhochschule/portrait/zahlen-undfakten/, abgerufen am 20.08.2017

Statistisches Bundesamt (Destatis), www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschung- Kultur/Hochschulen/StudierendeHochschulenEndg2110410137004.pdf?_blob=publicatrionFile, abgerufen am 17.09.2017

Studierendenwerk Thüringen, www.stw-thueringen.de/deutsch/wohnen/wohnanlagen/erfurt/index.html, abgerufen am 15.08.2017

Unitas Ostfalia, www.unitas-ostfalia.org/zum-haus.html, abgerufen am 17.08.2017

Stadtwerke Erfurt AG, Zahlen und Fakten zum Geschäftsbericht 2017

Stadtverband Erfurt der Kleingärtner e.V., www.kleingaerten-erfurt.de, abgerufen am 04.05.2017

Kartenverzeichnis

Karte 1 – Analyse der Siedlungstypen (Seite 36) Karte 2 – Wohnstandorte (Seite 40) Karte 3 – Wirtschaftsstandorte (Seite 63) Karte 4 – Branchenschwerpunkte und regional bedeutsame Einrichtungen (Seite 67) Karte 5 – Einzelhandel und Nahversorgung (Seite 70) Karte 6 – Kindertagesstätten (Seite 75) Karte 7 – Einrichtungen für Betreuung, Fürsorge, Begegnung von Senioren und Pflegebedürftigen (Seite 77) Karte 8 – Kulturadressen Altstadt und Innenstadt Erfurt (Seite 85) Karte 9 – Sportanlagen (Seite 88) Karte 10 – Universitäts- und Hochschulstadt Erfurt (Seite 94) Karte 11 – Schullandschaft Erfurt (Seite 97) Verzeichnisse 165

Karte 12 – Stadtlandschaft (Seite 109) Karte 13 – Gebiete und Objekte im Schutzsystem Natura 2000 und im Sinne weiteren Naturschutzes (Seite 111) Karte 14 – Zonen für Klima-, Hochwasser- und Trinkwasserschutz (Seite 113) Karte 15 – Radverkehr (Seite 116) Karte 16 – Öffentlicher Personenverkehr (Seite 119) Karte 17 – Motorisierter Individualverkehr (Seite 121) Karte 18 – Fernwärmeversorgung (Seite 123)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 – Verteilung der Erfurter Bevölkerung auf die Siedlungstypen (Seite 25) Tabelle 2 – Verteilung der Erfurter Bevölkerung auf die Siedlungstypen 2017 (Seite 26) Tabelle 3 – Ausgewählte Daten zur Wirtschaftsleistung Erfurts (Seite 60) Tabelle 4 – Statistisches Kurzportrait zum Wirtschaftsstandort Erfurt (Seite 61) Tabelle 5 – Ausgewählte Daten zur Kaufkraft und Einzelhandelsleistung Erfurts (Seite 68) Tabelle 6 – Bestand Plätze Kinderbetreuung zum 30.06.2016 (nach Betriebserlaubnis) (Seite 75) Tabelle 7 – Museen in Zuständigkeit der Kulturdirektion im Einzelnen (Seite 82) Tabelle 8 – Fakultäten und Ausrichtung Lehrangebot der FH Erfurt (Seite 92) Tabelle 9 – Überblick Schulart und Trägerschaft (Seite 95) Tabelle 10 – Entwicklung Anzahl Straftaten in Erfurt (Seite 125)

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 – Plakataktion zur Bürgerbeteiligung (Seite 12) Abb. 2 – Lage und Verflechtung der Landeshauptstadt Erfurt (Seite 20) Abb. 3 – Bevölkerungsentwicklung in Erfurt 1990 bis 2017 (Seite 21) Abb. 4 – Einwohnerentwicklung in Erfurt und Thüringen 2011 bis 2016 (Seite 21) Abb. 5 – Natürliche Bevölkerungsentwicklung in Erfurt 1994 bis 2017 (Seite 22) Abb. 6 – Wanderungsbewegung in Erfurt 1994 bis 2017 (Seite 22) Abb. 7 – Überlagerung Geburten- und Wanderungssaldo in Erfurt 1994 bis 2017 (Seite 23) Abb. 8 – Entwicklung der Altersgruppen in Erfurt 2011 bis 2016 (Seite 24) Abb. 9 – Entwicklung Einwohnerzahl 2006 bis 2016 und Prognose 2016 bis 2030 (Seite 26) Abb. 10 – Entwicklung der Altersgruppen in Erfurt gemäß Prognose 2016 bis 2030 (Seite 27) Abb. 11 – Voraussichtliche Bevölkerung 2014, 2025 und 2035 nach Prognose des Freistaats Thüringen (Seite 28) 166 ISEK Erfurt 2030

Abb. 12 – Plan von Erfurt und Umgebung von C. Birck (Seite 29) Abb. 13 – Anteil der Wohnungen nach Gebäudetypen 2016 (Seite 37) Abb. 14 – Veränderung der Zahl an Haushalten, Wohnungen und Leerständen (Seite 38) Abb. 15 – Bautätigkeit in Erfurt (Seite 39) Abb. 16 – Bautätigkeit im Thüringer Vergleich (Seite 41) Abb. 17 – Neubauquoten im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser in den an Erfurt angrenzenden Landkreisen (Seite 42) Abb. 18 – Angebotsmieten 2017 im Vergleich (Seite 43) Abb. 19 – Entwicklung der Haushaltszahlen nach Varianten bis 2030 (Seite 45) Abb. 20 – Entwicklung der Haushaltsstruktur und -größe (Variante 2) (Seite 46) Abb. 21 – Wohnungsbedarf in Erfurt bis 2030 (Seite 47) Abb. 22 – Varianten der Nachfrageentwicklung im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser (Seite 48) Abb. 23 – Nachfragevolumen nach Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern (Seite 50) Abb. 24 – Varianten der Nachfrageentwicklung im Bereich des Geschosswohnungsbaus (Seite 51) Abb. 25 – Kartenausschnitte Neubaustandorte auf Rückbauflächen in den Großwohnsiedlungen (Seite 55) Abb. 26 – Einkommensschwache Haushalte 2016 (Seite 57) Abb. 27 – Pflegequoten von durch ambulante Pflegedienste und stationär versorgten Pflegebedürftigen, Thüringen 2015 (Seite 59) Abb. 28 – Planungsräume für soziale Aufgaben (Seite 71) Abb. 29 – Interpretation der Analysen „Bedarfsgerechte Bildungs- und Sozialsteuerung in Erfurt“ (Seite 72) Abb. 30 – Entwicklung Anzahl der Kinder und Jugendlichen gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030 (Seite 73) Abb. 31 – Entwicklung Anzahl der Kinder unter sechs Jahre gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030 (Seite 74) Abb. 32 – Entwicklung Anzahl der Senioren und Hochbetagten gemäß Einwohnerprognose Erfurt 2030 (Seite 76) Abb. 33 – Entwicklung der Studierendenzahl Universität Erfurt (Seite 91) Abb. 34 – Entwicklung der Studierendenzahl Fachhochschule Erfurt (Seite 92) Abb. 35 – Schülerzahlentwicklung bis 2026/2027 (ohne Freie Träger und Berufsschulen) (Seite 98) Abb. 36 – Kapazitäten Primarstufe (1. bis 4. Klasse) nach Stadtgebieten (Seite 99) Abb. 37 – Kapazitäten Sekundarstufe I (5. bis 10. Klasse) nach Stadtgebieten (Seite 100) Abb. 38 – Kapazitäten Sekundarstufe II (11. bis 12. Klasse) und IGS (11. bis 13. Klasse) nach Stadtgebieten (Seite 101) Abb. 39 – Einbettung in die regionale Landschaft (Seite 102) Abb. 40 – Beziehungsgeflecht der Handlungsfelder (Seite 160) Verzeichnisse 167

Bildnachweis

Stadtverwaltung Erfurt (Seiten 6, 9, 10, 16, 35, 38, 39, 41, 50, 62, 64, 66, 69, 81, 83, 84, 86, 87, 89, 104, 105, 106, 107, 108, 114, 115, 117, 125, 132, 136, 138, 140, 142, 144, 146, 147, 148, 149, 150, 152, 154, 156, 158, 162) Ackers Partner Städtebau (Seiten 19, 25, 32, 33, 34, 35, 53, 54, 110) Büro für urbane Projekte (Seite 13) Susann Nürnberger (Seite 145)

Abkürzungsverzeichnis

ALT Altstadt KWK Kraft-Wärme-Kopplung ANV Andreasvorstadt LK Landkreis AV Andreasviertel LPI Landespolizeiinspektion BauGB Baugesetzbuch MFA Multifunktionsarena BMUB Bundesministerium für Umwelt, Natur- MIV Motorisierter Individualverkehr schutz, Bau und Reaktorsicherheit NQV Nördliche Querverbindung (Straße der BNE Bildung für nachhaltige Entwicklung Nationen) B-Plan Bebauungsplan NVP Nahverkehrsplan BRV Brühlervorstadt ÖPNV Öffentlicher Personannahverkehr BUGA Bundesgartenschau ÖPV Öffentlicher Personenverkehr Difu Deutsches Institut für Urbanistik PV Photovoltaikanlage dwif Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches REK Regionales Entwicklungskonzept Institut für Fremdenverkehr e.V. SEK Sektorale Entwicklungskonzeption EFM Erfurt-Mitte SGB II Sozialgesetzbuch ega Erfurter Gartenbauausstellung (egapark) SPNV Schienenpersonennahverkehr ESB Erfurter Sportbetriebe SWE Stadtwerke Erfurt ESF Europäischer Sozialfonds TA Thüringer Allgemeine FFH Flora-Fauna-Habitat TAS Teilaufhebungssatzung FIZ Forschungs- und Innovationszentrum T.E.C. Thüringer Einkaufscenter Erfurt-Südost ThINKA Thüringer Initiative für Integration, Nach- FNP Flächennutzungsplan haltigkeit, Kooperation und Aktivierung GVZ Güterverkehrszentrum TISPOL Traffic Information System Police IGS Integrierte Gesamtschule TLS Thüringer Landesamt für Statistik ISEK Integriertes Stadtentwicklungskonzept TMIK Thüringer Ministerium für Inneres und IUBH Internationale Hochschule Bad Honnef - Kommunales Bonn VMT Verkehrsverbund Mittelthüringen KdU Kosten für Unterkunft und Heizung WE Wohneinheit KOWO Kommunale Wohnungsgesellschaft WG Wohngemeinschaft KRV Krämpfervorstadt In der Reihe „Beiträge zur Stadtentwicklung“ sind bisher erschienen:

Heft 1 Verkehrsentwicklungsplan Erfurt – Teil Innenstadt - mit Wirtschaftsverkehr Erscheinungsjahr 2013

Heft 2 Verkehrsentwicklungsplan Erfurt – Parkraumkonzeption Innenstadt Erscheinungsjahr 2014

Heft 3 Verkehrsentwicklungsplan Erfurt – Radverkehrskonzept Erscheinungsjahr 2015

Heft 4 ISEK Erfurt 2030 – Integriertes Stadtentwicklungskonzept, Teil 1 Erscheinungsjahr 2018

Heft 5 ISEK Erfurt 2030 – Integriertes Stadtentwicklungskonzept, Teil 2 Erscheinungsjahr 2018 Impressum

Herausgeber Landeshauptstadt Erfurt Stadtverwaltung

Redaktion Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung Warsbergstraße 3 99092 Erfurt

Amtsleiter Paul Börsch

Bearbeiter Paul Börsch Christiane Wieting Martin Zießnitz Cornelia Geyer Martin Jacob

Bearbeitung durch

Gottschedstraße 12 04109 Leipzig

Bearbeiter Andreas Paul zum Fachteil Wohnen (Teil 1, Kap. 2.4)

Bearbeiter Tobias Jacobs

Layout Karin Pohl, Martin Zießnitz

Kartengrundlage Amt für Geoinformation und Bodenordnung

Druck Starke Druck & Werbeerzeugnisse GbR Sondershausen

Beschlussfassung am 17. Oktober 2018 Redaktionelle Änderungen am 24. Oktober 2018

Redaktionsschluss 12/2018