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HN_404_Vorwort_SRZ.fm Seite IV Montag, 17. August 2020 11:16 11 IV Vorwort Franz Liebich und Marguerite Long lich kompositorische Arbeiten vorzu- zu sich ein, aber seine sehr allgemein legen. La Damoiselle élue, eine Kantate gehaltene Beurteilung dieser Interpreten für Sopran (Damoiselle), Mezzosopran zeigt, wie unzufrieden er in Wirklichkeit (Erzählerin), Frauenchor und Orchester Obwohl Debussy ausgebildeter Pianist war: „Man ist oft verraten bei den soge- war die dritte „Rom-Sendung“, die – im war, hatte er ein recht kritisches Ver- nannten Pianisten! Ich kann Ihnen ver- Gegensatz zu früheren Lieferungen – hältnis zum Instrument Klavier. Erst sichern, es ist unvorstellbar, wie sehr zur Zufriedenheit der Akademie ausfiel. nach sieben Jahren am Konservatorium meine Klaviermusik entstellt worden ist, Die Textvorlage ging auf Dante Gabriel verzichtete er auf die Pianistenkarriere, so dass ich sie oft kaum wiedererkannt Rossettis symbolistisches Gedicht The die sich sein Vater für ihn erträumt hat- habe“, schreibt er am 12. Juli 1910 an blessed Damozel in der 1885 erschiene- te. Er erhielt zwar 1877 einen zweiten Edgar Varèse. Während des Krieges nen französischen Übersetzung von Preis, der Sprung zum ersten gelang formuliert er noch beißender: „Die Gabriel Sarrazin zurück (zum Inhalt: ihm aber nie. Seine Lehrer waren davon meisten Pianisten sind schlechte Musi- Eine verstorbene Frau stützt sich auf angetan, mit welcher Leichtigkeit er ker, sie zerlegen die Musik in Einzelteile die goldene Himmelsbrüstung, schaut Notentexte las und vom Blatt spielte. – wie ein Brathähnchen“ (1. September sinnend auf die Erde herab und sehnt Aber Debussy zeigte wenig Einsatz, 1915). sich nach ihrem Geliebten). Debussy wenn es darum ging, die Instrumental- Die Stücke dieses Bandes entstam- komponierte das Werk allerdings erst technik zu perfektionieren, die ihm sein men seiner gesamten Schaffenszeit: Das nach seiner vorzeitigen Rückkehr aus Lehrer Antoine-François Marmontel erste entstand, als er gerade 18 Jahre alt Rom ab März 1887 bis 1888 in Paris vermitteln wollte. Lediglich für das war, das letzte Ende 1915. Der Band und bezeichnete es später als „ein klei- Fach Begleitung erhielt er einmal einen verzichtet auf alle die Stücke, die bereits nes Oratorium mit etwas mystischem ersten Preis am Konservatorium. So hat in früheren Henle Einzelausgaben er- Charakter“ (Correspondance, S. 110, er wohl auch mehr Mühe auf den Be- hältlich sind. Brief vom 9. September 1892 an André gleitsatz in seinen Liedern als auf seine Poniatowski; im Original Französisch). ersten Klavierstücke verwendet. Auf Die Kantate erschien im Juli 1893 diese wurde das Publikum erst aufmerk- Danse bohémienne L. 4 (9) mit Widmung an den drei Jahre jünge- sam, als er bereits durch seine Oper Debussys frühestes Klavierstück ent- ren Freund und Komponisten Paul Du- Pelléas et Mélisande berühmt geworden stand höchstwahrscheinlich in Florenz kas als Ausgabe für Gesang und Klavier war. Später berief man ihn, Ironie des im Sommer 1880, während sich der im auf symbolistische Dichtung spe- Schicksals, gelegentlich in die Prüfungs- junge Musiker zum ersten Mal bei Frau zialisierten Verlag Librairie de l’Art in- kommission für das Fach Klavier am von Meck aufhielt. Sie hatte ihn für den dépendant. (Weitere Klavierauszüge: Konservatorium. Klavierunterricht ihrer Kinder und als 1902 bei Durand und 1906 daselbst als So übernahm Debussy auch nur aus- Partner für ihr eigenes Vierhändigspiel „Nouvelle édition“, die englische Fas- nahmsweise Uraufführungen seiner engagiert. Diese bedeutende russische sung 1903 bei Schirmer in New York Klavierwerke: „Ein großer Pianist bin Adelige hatte das Manuskript des klei- als The blessed Damozel, in deutscher ich nicht“, äußerte er 1914 gegenüber nen Stücks an ihr Idol Tschaikowsky Sprache 1907 bei Durand als Die Aus- einem italienischen Journalisten. „Es ist geschickt und ihn um seine Meinung erwählte und schließlich 1908 dort in richtig, dass ich einige der leichteren gebeten. Sein Urteil fiel folgendermaßen einer neuen englischen Fassung.) Die Préludes beherrsche. Aber die anderen, aus: „Das ist ein ganz hübsches Stück, Partitur kam 1903 ebenfalls bei Durand wo die Noten in höchster Geschwindig- aber es ist viel zu kurz. Kein Gedan- heraus. Nach der Uraufführung vom keit aufeinander folgen, machen mir ke ist wirklich vertieft, die Form ist 8. April 1893 schlossen sich zahlreiche Angst.“ Dennoch gibt es Kritiken, die schludrig und dem Ganzen fehlt eine Aufführungen an, wobei Debussy wie- sein einfühlsames Spiel und seinen sub- gewisse Einheitlichkeit.“ Das Manu- derholt von solchen mit Klavier abriet – tilen Anschlag loben. Im Lauf der Jahre skript verblieb in Russland; die Veröf- das ergäbe „eine kalte […] Aufführung“ wurde er in der Wahl seiner Interpreten fentlichung erfolgte postum 1932. (Correspondance S. 438, Brief an Ca- immer anspruchsvoller. Lange Zeit setz- tulle Mendès, vermutlich 1898). Der te er sein Vertrauen in den Katalanen Klavierauszug war also als Einstudie- Ricardo Viñes, von dem er sich seine Prélude aus „La Damoiselle élue“ rungshilfe gedacht. Stücke zuerst vorspielen ließ, bevor die- L. 69 (62) Angesichts des großen Erfolgs er- ser sie dann öffentlich aufführte. De- Im Jahr 1884 gewann Debussy den schien 1909 das Prélude aus „La Da- bussy verlor schließlich das Interesse an Rom-Preis für Komposition. Die Aus- moiselle élue“ für Klavier bei Durand, der Zusammenarbeit und reservierte die zeichnung gewährte einen dreijährigen das die ersten 47 Takte der Kantate mit Uraufführung seiner Études für Walter Aufenthalt in der Villa Medici in Rom. deren Schlusstakten 286 bis 294 ver- Rummel. Gelegentlich lud er Pianisten Als Leistungsnachweis waren der Aka- knüpft. Beide Abschnitte sind reine Or- wie Edouard Risler, Maurice Dumesnil, demie der schönen Künste in Paris jähr- chesterstellen, die Debussy unverändert HN_404_Vorwort_SRZ.fm Seite V Montag, 17. August 2020 11:16 11 V aus dem Klavierauszug übernehmen Debussy es für 100 Francs verkaufte, Maurice Dumesnil auf eine Begegnung konnte. Lediglich die Anschlussstelle lautete der Titel „Interlude (Nocturne)“. mit dem Barviolinisten des Carlton bedurfte eines minimalen Eingriffs. Die Hotels, Léoni, zurück, der vom Auffüh- ehemals so erfolgreiche Kantate ist heu- rungsstil der Zigeuner beeinflusst war. te in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt D’un cahier d’esquisses L. 112 (99) Durand brachte 1910 gleichzeitig eine wegen ihres kaum noch als zeitgemäß Dieses Werk war wohl ursprünglich als Klavierversion und eine Fassung für empfundenen Textes. Mittelstück eines Triptychons zusam- Violine und Klavier heraus, die Léoni men mit Masques und L’Isle joyeuse ge- wohl nie gespielt hat. Zwei Jahre später plant. Gewisse thematische, tonale und orchestrierte Debussy das Werk und Mazurka L. 75 (67) rhythmische Eigenschaften, die es vor fügte eine Zymbalstimme hinzu. Den Obwohl erst 1903 erschienen, stammt allem in die Nähe von L’Isle joyeuse Charme dieses Instruments hatte er das Stück bereits aus den Jahren 1880 rücken, weisen darauf hin. Schließlich während seines Aufenthaltes in Buda- bis 1882. Debussy hatte es (unabsicht- wurde das Stück im Februar 1904 in pest kennengelernt. lich?) an zwei Verleger verkauft: Ha- einer Musikbeilage zur Zeitschrift Paris melle und Choudens. Als Fromont sich illustré veröffentlicht; vermutlich 1910 1905 dazu entschloss, die Mazurka her- erschien es bei Schott Frères in Brüs- Berceuse héroïque L. 140 (132) auszugeben, versuchte der Komponist, sel. Das späte Erscheinungsdatum könn- Debussy komponierte das Stück im allerdings vergeblich, ihn davon abzu- te erklären, wieso das Werk erst am November 1914 auf Wunsch des eng- bringen: „Ich kann solchen Stücken 20. April 1910 von Maurice Ravel in ei- lischen Romanciers Hall Caine für wirklich nichts abgewinnen, vor allem nem Konzert der Société musicale in- einen Band zu Ehren des belgischen zur Zeit nicht.“ dépendante uraufgeführt wurde. Königs Albert I. (King Albert’s book), herausgegeben 1915 vom Daily Tele- graph. Die französische Erstausgabe Rêverie L. 76 (68) Morceau de concours L. 117 (108) erschien 1915 bei Durand. Auch Saint- Debussy überließ dieses Stück wie Die Zeitschrift Musica legte ihren Lesern Saëns, Messager, Paderewski, Masca- schon das vorhergehende dem Verlag im Januar 1905 sechs anonyme Kompo- gni und Elgar steuerten Beiträge bei. Choudens, der es 1891 herausbrachte. sitionen vor, deren Urheber erraten wer- Debussy richtete dieses Gelegenheits- Als Fromont 1904 eine Neuausgabe be- den sollten. Neben Debussy waren dies stück gleichzeitig für Orchester ein. absichtigte, schrieb ihm der Komponist: Massenet, Chaminade, Saint-Saëns, Ro- Die Verwendung der belgischen Natio- „Es ist falsch, die Rêverie erscheinen zu dolphe Berger und Gaston Serpette. In der nalhymne, der Brabançonne, ist leicht lassen, eine bedeutungslose Sache, Hart- Aprilnummer der Zeitschrift wurden die zu erkennen. Camille Chevillard diri- mann zuliebe schnell heruntergeschrie- Komponisten der Stücke bekannt gege- gierte die Orchesterfassung im Konzert ben. In einem Wort: Sie ist schlecht.“ ben. Nach Massenet, der von den Lesern Colonne-Lamoureux vom 26. Oktober 304 mal erraten wurde, folgte Debussy 1915. mit 218 Zählern. Debussys Beitrag stützt Valse romantique L. 79 (71) sich auf Skizzenmaterial zu Le Diable Das Werk erschien 1891 bei Choudens. dans le beffroi nach Edgar Allan Poe. Pour l’œuvre du «Vêtement du Die Valse romantique spielt mit ihrem blessé» L. 141 (133) Titel auf Emmanuel Chabriers 1883 er- Debussys Frau Emma gehörte zum