Zentralverband des Deutschen Handwerks

HANDWERK 2011 Zentralverband des Deutschen Handwerks

Haus des Deutschen Handwerks, Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin Telefon (0 30) 2 06 19-0 – Telefax (0 30) 2 06 19-460 E-Mail: [email protected] Internet: www.zdh.de Herausgeber: Zentralverband des Deutschen Handwerks Deutscher Handwerkskammertag Unternehmerverband Deutsches Handwerk Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin

Verantwortlich: Alexander Legowski

Text-Redaktion: Nina Posdziech, Ulrike Weymann, Romy Drobisch

Layout: Marketing Handwerk GmbH

Herstellung: Marketing Handwerk GmbH

Druck: Druck Center Meckenheim GmbH & Co. KG

Berlin, März 2012

Alle Rechte einschließlich des Übersetzungsrechts für alle Sprachen liegen beim Herausgeber. Auch der auszugsweise Nachdruck oder Vervielfältigungen, die ganze oder teilweise Übernahme der systematischen Einteilung sowie die gewerbliche Nutzung des Adressen- und Namensmaterials sind nicht gestattet. Gemäß Bundesdatenschutzgesetz unterliegen personenbezogene Daten einem besonderen Schutz. Eine Übernahme der in diesem Buch mitgeteilten Informationen auf Datenträgern aller Art ist unzulässig und wird auf dem Rechtsweg verfolgt. Ein Anspruch auf Eintragungen kann nicht geltend gemacht werden. Druckfehler oder etwaige Fehlereintragungen können erst in der nächsten Auflage berücksichtigt werden.

ISSN 0514-7301

Bildquellen: Foto Titel: Marketing Handwerk GmbH Fotos: Ortrud Stegner, Werner Schüring, Agentur Bildschön, Peter Himsel, DIHK/Jens Schicke, Auswärtiges Amt/Sebastian Meyer, SEQUA, Handwerkskammer Dortmund, Westdeutscher Handwerkskammertag, Messe Bremen, Bundesregierung

02 2011 Inhaltsverzeichnis

005 Politischer Bericht 2011 Berichte aus den Abteilungen

Anlagen: – Organisationsplan 017 1 Abteilung Wirtschafts- und Umweltpolitik – Geschäftsverteilungsplan Handwerk ist Ausrüster der Energiewende – Ehrenamt & Hauptamt im Handwerk 031 2 Abteilung Gewerbeförderung Großes Potenzial für Handwerk in der Kultur- und Kreativwirtschaft

039 3 Abteilung Steuer- und Finanzpolitik Positive Entwicklung der öffentlichen Finanzen trotz Staatsschuldenkrise

047 4 Abteilung Soziale Sicherung Pflegeversicherung: Beitragssteigerung ist der falsche Ansatz

053 5 Abteilung Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht EU-Freizügigkeit: Kein „Sozialversicherungsdumping“

059 6 Abteilung Recht Bundesverwaltungsgericht stärkt Meisterbrief

065 7 Abteilung Berufliche Bildung Fachkräftesicherung ist zentrale Herausforderung im Handwerk

073 8 Abteilung Europapolitik Es geht ums Geld: EU-Haushalt und Programme

081 9 Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Medienpolitik im Fokus

091 10 Handwerk Online Online-Check

03

Politischer Bericht 2011

Die Zukunft FEst im Blick Das Handwerk hat die großen Krisen gemeis- die offenbar nicht klein zu kriegende Bürokratie ärgern uns – tert. 2011 gilt: Wachstum, stabile Beschäftigung und die Zu- aber wir haben Fortschritte erreicht. Die Fachkräftesicherung kunft fest im Blick. Selbstbewusst präsentieren sich folglich bringt angesichts der demografischen Entwicklung Probleme die, die ihr Handwerk beherrschen. - aber es ist gelungen, den Stellenwert der Berufsbildung in Deutschland und Europa zu verbessern und damit die Aus- Altmodisches Handwerk? Ein Klischee – denn Handwerksbe- bildung im Handwerk attraktiver zu machen. Und wir kämp- rufe erfinden sich immer wieder neu, nur so bestehen sie mit fen dafür, dass bei den staatlichen Reformen im Finanzsektor ihren Produkten und Dienstleistungen am Markt. Großanbieter nicht ausgerechnet die Finanzierung des an der Krise unschul- fluten mit billiger Massenware den Markt! Dieser Konkurrenz digen Handwerks unter die Räder gerät. begegnen Handwerker mit Einzigartigem. Anonyme Versen- der? Mit Beratungskompetenz und regionalen Netzwerken Die im vertretenen Parteien haben sich in einer hält das Handwerk dagegen. Die Politik überrascht mit einer 90-minütigen Bundestagsdebatte Anfang Juli für das Hand- Energiewende! Handwerker haben sich auf diese Herausfor- werk stark gemacht und seine Leistungen in der Wirtschaft derung längst vorbereitet. Harter Preiswettbewerb in Europa und für die Gesellschaft hervorgehoben. Wenn die Rahmen- und der Welt setzt der Wirtschaft zu? Das Handwerk kontert bedingungen weiter verbessert werden, kann die Überschrift erfolgreich – mit fachlichem Know-how und Modernisierun- der Debatte auch 2012 Programm sein: „Wirtschaftsmacht gen, etwa dem Einsatz von Computern und neuesten Ma- Handwerk – kein Wachstum ohne das Handwerk“. schinen. Kataloge zeigen den Menschen das Immergleiche! Dagegen setzt der Handwerker Kreativität und Individualität. An einem hält das deutsche Handwerk dabei auch in Zukunft fest: Qualität. Und an der Ausbildung der eigenen Fachkräfte, die diese Qualität garantieren können. Otto Kentzler Holger Schwanneke Damit überzeugen sie die Deutschen: 88 Prozent der Bevölke- Präsident Generalsekretär rung vertrauen dem Handwerk – mehr als jeder anderen Be- rufsgruppe. Die Imagekampagne des Handwerks bringt die- se Erfolgsgeschichte im Jahr 2012 auf einen kurzen Nenner: „Wir sind Handwerker – wir können das.“ Diesen Satz auf den Plakaten kann jeder einzelne Handwerker auf seinen Betrieb, seine Arbeit beziehen: „Ich bin Handwerker – ich kann das.“

Die Handwerksorganisationen flankieren die Leistungen ihrer Mitglieder, setzen sich auch in schwierigen Zeiten für besse- re Rahmenbedingungen ein. Die ungerechte Steuerpolitik und 05

Handwerk und Politik

1 Wie in jedem Jahr seit ihrem Amtsantritt ist Dr. bei der Vollversamm- lung des ZDH zu Gast. Auch am 16. September 2011 begrüßen Handwerkspräsi- dent Otto Kentzler und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke die Bundeskanz- lerin im Hotel Maritim in Berlin. 2 Verbände der deutschen Ernährungswirtschaft treffen sich am 16. September zum Ernährungsgipfel im Bundeskanzleramt. Im Mittelpunkt des Gedankenaustauschs stehen die Konsequenzen von Finanzkrise und Energiewende für die Branche und die Erwartungen der Verbraucher vor dem Hintergrund aktueller Lebensmit- telskandale. v.l.: ZDH-Präsident Otto Kentzler; Bundeskanzlerin Angela Merkel; HDE-Präsident Josef Sanktjohanser; Bauernpräsident Gerd Sonnleitner; Prof. Dr. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer, und Jürgen Abraham, Vorsitzender der Bun- desvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. 3 Feierlicher Start ins neue Jahr: Am 13. Januar lädt der damalige Bundespräsident zum Neujahrsempfang: v.l.: Bettina Wulff; ZDH-Präsident Otto Kentzler; Bundespräsident Christian Wulff. 4 Gute Stimmung beim ersten offiziellen Treffen im Bundeswirtschaftsministerium: Der neue Minister Dr. Philipp Rösler, seit Mai im Amt, empfängt ZDH-Präsident Otto Kentz- ler und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke am 7. Juli zum Antrittsbesuch. 5 Das ZDH-Präsidium trifft sich am 8. Februar mit der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner zum Gespräch. Die Belange des Lebensmittelhandwerks stehen im Mittelpunkt des Meinungsaustauschs. 1

4

2

5

3 07 1 3 1 13 Gerüstbauer-Lehrlinge mit 12 Nationa- litäten gemeinsam mit Heinrich Alt, Vor- stand Bundesagentur für Arbeit, und Otto Kentzler am Tag des Ausbildungsplatzes am 18. Mai im Ausbildungszentrum Zeche Hansemann in Dortmund. 2 Unter dem Motto „Im Aufschwung die richtigen Weichen stellen, neue Chancen für den Mittelstand“ begehen die in der AG Mittelstand zusammengeschlossenen Verbände am 12. Januar ihren parlamen- tarischen Abend. Im Bild: die Präsidenten der Verbände und die Gastredner Bun- desverkehrsminister Dr. (mi.) und Bundestagsfraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin (3.v.l.). 3 Prof. Dr. Winfried Kluth, Direktor des Instituts für Kammerrecht Halle, zeigt Reformperspektiven für Kammern und Kammerrecht bei der DHKT-Vollversamm- lung am 17. März in München auf.

2

08 1 Über aktuelle Entwicklungen in der Steuerpolitik, bei der Fachkräfte- sicherung und die Folgen der Wirtschaftskrise informiert der Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla das geschäftsführende ZDH-Präsidium am 13. Oktober aus erster Hand. v.l.: Präsident Peter Dreißig, Vizepräsident Heinrich Traublinger; Ronald Pofalla MdB, Chef des Bundeskanzleramtes und Minister für besondere Angelegen- heiten; ZDH-Präsident Otto-Kentzler; Vizepräsident Karl-Heinz Schneider; 1 Präsident Peter Becker. 2 Mit der SPD-Bundestagsfraktion trifft sich das geschäftsführende ZDH- Präsidium am 7. September. Auf der Agenda u.a.: Energiewende, Schulden- krise und demografischer Wandel. v.l. ZDH-Präsident Otto Kentzler; ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte und , stellv. Fraktionsvorsitzender.

2

3 Zeichen für gute Zusammenarbeit: Cor- nelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, stellt die bildungspolitischen Schwerpunkte aus Sicht der Bundesre- gierung bei der DHKT-Vollversammlung am 17. März in München vor.

3 09 IHM 2011

1 Die Internationale Handwerksmesse startet am 16. März in München vor 800 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kirche. Im Mittelpunkt der Eröffnungsfeier stehen die innovativen Leistungen des Handwerks und seine Forderungen an die Politik. v.l.: Matthias Grassmann, Geschäftsführer Isomorph Deutschland; Martin Braxenthaler, gelernter Kfz-Mechaniker und 10-facher Paralympicssieger im Monoskifahren; Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie und Beauftragter der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus; Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Katja Hessel, Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie; Heinrich Traublinger, GHM-Aufsichtsratsvorsit- zender und ZDH-Vizepräsident; Dieter Dohr, Vorsitzender der GHM-Geschäftsführung; Helma Hartgen, Unternehmerfrau 2010 und Geschäftsführerin von Hartgen GmbH Maschinen- und Mühlenbau. 2 Rückenwind für Innovationen: Ernst Burgbacher, Parlamen- tarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Beauftragter der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus. 3 An die Eröffnungsfeier schließt sich der traditionelle Messerundgang an: ZDH-Präsident Otto Kentzler und ZDH- Vizepräsident Heinrich Traublinger zeigen Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Beauftragter der Bundes- regierung für Mittelstand und Tourismus, und Katja Hessel, Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Wirt- schaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, die Highlights der Handwerksmesse. 1

2 3

10 1 3

1 Dr. Philipp Rösler informiert sich im März 2011 noch als Bundesgesundheits- minister über die Innovationen in den Gesundheitshandwerken, hier am Stand des Orthopädie-Schuhtechnikerhand- werks mit (v.l.) Martin Mitterer, Landesin- nungsmeister Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik; Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Heinz-Dieter Berkau, Geschäftsführer Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik. 2 Der Minister besucht auch das Augen- optikerhandwerk: (v.l.) Siegfried Wensky; Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit; Reinhold Schulte, Vorsitzender des Vorstandes der SIGNAL IDUNA Gruppe und PKV-Vorsitzender; Jürgen Meyer, Vizepräsident des Zentralverbandes der Augenoptiker. 3 Umweltbewusstes Handwerk: die ZDH-Führungsspitze informiert sich über die aktuellen Trends bei Elektroautos.

2 11 70. Geburtstag Otto Kentzler

1 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gratulieren ZDH- Präsident Otto Kentzler am 9. Novem- ber in Berlin zu seinem 70. Geburtstag. (v.l.) Dr. Philipp Rösler, Vize-Kanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Technologie; Ute Kentzler; Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin; Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Dr. Frank- Walter Steinmeier, Vorsitzender SPD- Bundestagsfraktion; Cem Özdemir, Bundesvorsitzender Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

2 1 4 Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit.

5 Dr. Ulrich Oesingmann, Präsident Bundesverband der Freien Berufe.

3 6 8 6 Fritz Kuhn, stellv. Vorsitzender Bundes- tagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

7 Rainer Brüderle, Vorsitzender FDP-Bundestagsfraktion.

8 Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin 4 7 9 Deutscher Hotel- und Gaststättenver- band. 2 Ronald Pofalla, Chef des Bundeskanz- 9 leramtes und Minister für besondere Ilse Aigner, Bundesministerin für Aufgaben im Bundeskanzleramt. Ernährung, Landwirtschaft und 3 Verbraucherschutz. Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium 10 für Wirtschaft und Technologie und , Vorsitzender 10 5 Beauftragter der Bundesregierung für CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Mittelstand und Tourismus.

12 1+2 Die Redner Heinrich Traublinger MdL a.D., ZDH-Vizepräsident, und Cem Özdemir, Bundesvorsitzender Bündnis 90/DIE GRÜNEN heben die Wertschätzung hervor, die Kentzler in Politik und Handwerk erfährt.

1

2 4

3 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel trägt sich ins Gästebuch ein.

4 Dr. Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender SPD-Bundestagsfraktion.

5 5 Anton F. Börner, Präsident Bundes- verband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

6 Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

6

3

13 Handwerk und Politik

3

1 4

1 Am 18. Januar 2011 setzt das Handwerk ein deutliches Zeichen für neue Wege zur För- derung der Bildung und Ausbildung von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Politik ist auf dem Integrationsforum im Haus des Deutschen Handwerks hochrangig vertreten: Holger Schwannecke, ZDH-Generalsekretär; Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen; Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration; Otto Kentzler, ZDH-Präsident. 2 Duran Dolu, Ausbildungsakquisiteur der Handwerkskammer für München und Oberbay- 5 ern, wirbt insbesondere bei den Eltern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die duale Ausbildung und die Perspektiven im Handwerk. 3 Gülcan Urul, türkischstämmige Augenoptikermeisterin, setzt bewusst auf kulturelle Vielfalt als Wettbewerbsvorteil. 2 4 6 Alexander Baden, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Koblenz, stellt Christina Alexoglou-Patelkos, das Projekt „Handwerk integriert Migranten“ aus seinem Kammerbezirk vor. Deutsch-Hellenische Wirt- 5 schaftsvereinigung, wirbt für eine 6 Dorothee Kodra von der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten e.V. stärkere Professionalisierung ist Leiterin des Projektes AHD – „Ausbildungsservice für Handel und Dienstleistung“. der Zusammenarbeit zwischen Es berät und begleitet ausländische Betriebe bei der Ausbildung. Migrantenorganisationen und Handwerk. 7 Hermann Eiling, Hauptgeschäfts- führer Handwerkskammer Müns- ter, stellt das Projekt „14plus“ vor – ein Integrationsprojekt, das frühe Berufsorientierung 7 mit Demokratieerziehung und politischer Bildung verknüpft.

14 1 Am Abend der Begegnung am 15. September treffen sich Gäste aus Politik, Handwerk, Wirtschaft und Presse im Haus des Deutschen Handwerks zum Dialog in Berlin. Hier im Bild: (v.l.) Thomas Keindorf, Präsident Handwerkskammer Halle; Peter Dreißig, Präsident Handwerkskammer Cottbus; Heinrich Traublinger, ZDH-Vizepräsident; Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie; Lena Strothmann MdB, Präsidentin Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld; Reinhold Schulte, Vorsitzender des Vorstandes der Signal Iduna Gruppe.

4 4 Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks; Dr. Philipp Rösler, Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie; Heinrich Haasis, 1 DSGV-Präsident.

2 2 Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Dr. Peter Ramsauer, Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Reinhold Schulte, Vorsitzender der Vorstände Signal Iduna. 3 Reinhold Schulte, Vorsitzender der Vorstände Signal Iduna; Josef Sanktjohanser, HDE-Präsident; Ronald Pofalla, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben; Holger Schwannecke, ZDH-Generalsekretär; Otto 3 Kentzler, ZDH-Präsident.

15

1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

HANDWERK IST AUSRÜSTER der EnergieWENDE Nur sechs Monate nach der Verabschiedung gramm wird die Einführung von ergänzenden steuerlichen Ab- des ersten Energiekonzepts im Herbst 2010 zieht die Bundes- schreibungsmöglichkeiten angemahnt. Darüber hinaus setzt regierung im März die Konsequenzen aus dem verheerenden sich der ZDH dafür ein, dass der Ausbau der erneuerbaren Erd- und Seebeben in Japan und der Havarie des Kernkraft- Energien intelligent und kosteneffizient vorangetrieben werden werks Fukushima. Sie leitet die sogenannte Energiewende ein. muss – bei einem ausgewogenen Verhältnis von Förderung Schon wenige Tage nach der Reaktorkatastrophe werden sie- und Belastung, wobei Letztere insgesamt durch die Energie- ben deutsche Kernkraftwerke für drei Monate außer Betrieb wende nicht über Gebühr steigen darf. Und schließlich fordert genommen, eine Ethik-Kommission wird eingerichtet und die der ZDH ein, die Potenziale des kleinen und mittleren Hand- Reaktorsicherheitskommission mit der Prüfung der Sicher- werks als Energiedienstleister stärker zu nutzen und ihnen die heitsstandards aller deutschen Kernkraftwerke beauftragt. Möglichkeit zu geben, an den im Aufbau befindlichen Ener- Bereits im April 2011 einigen sich Bund und Länder darauf, giedienstleistungsmärkten ebenbürtig teilnehmen zu können. schneller aus der Kernkraftnutzung auszusteigen, als bislang geplant. Innerhalb der Energiewende-Diskussionen verdeutlicht der ZDH aber auch die herausragende Bedeutung des Handwerks Der ZDH formuliert sehr frühzeitig die Anforderungen des für die Realisierung und den Erfolg der Energiewende: Das Handwerks an die Energiewende. Er betont, dass die mit dem Handwerk als zentraler Umsetzer steht bereit, Energieeffizi- Energiekonzept verfolgte Energiewende zu mehr Energieeffi- enzmaßnahmen und den weiteren Ausbau der erneuerbaren zienz und mehr erneuerbaren Energien stringent verfolgt und Energien in hohem Tempo voranzubringen. Die Technik ist vorangetrieben werden muss. Für die Neujustierung formuliert verfügbar, die Betriebe haben alle notwendigen Kompetenzen und kommuniziert der ZDH die Grundsatzanforderung, auch bei der Entwicklung, der Beratung sowie der Umsetzung und in Zukunft eine dauerhaft sichere und bezahlbare Energiever- können darüber hinaus maßgeblich zur Dezentralisierung der sorgung zu gewährleisten. Dazu bedarf es eines Gesamtkon- Energieversorgung beitragen. zepts, in dem Verlässlichkeit und Planbarkeit Richtschnur sein müssen. Parallel arbeitet der ZDH an der Maximierung der wirtschaftlichen Chancen für das Handwerk, insbesondere im Gebäudebereich. Dazu wird die Notwendigkeit einer dauer- haft verlässlichen Anreizpolitik betont, damit die erforderliche Verdopplung der Sanierungsrate erreicht werden kann. Ne- ben einer Ausweitung der Förderung im CO2-Sanierungspro-

17 Anfang Juni beschließt das Bundeskabinett zahlreiche und weitreichende Gesetzesänderungen, die am 8.7.2011 vom Bundesrat weitgehend bestätigt werden. Mit ihnen soll Deutschland schrittweise bereits bis zum Jahr 2022 aus der Kernenergienutzung aus- und in die Versorgung mit erneuer- baren Energien umsteigen. In diesem Umbau liegen beträcht- liche wirtschaftliche Chancen für das Handwerk, insbesondere im Gebäudebereich. Aber auch der Ausbau der erneuerbaren Energien kann den Handwerksbetrieben weiter steigende Auf- lung der energetischen Sanierungsrate nicht gelingen wird. Al- träge bescheren, genauso wie der Auf- und Ausbau von Spei- lerdings kann der eingesetzte Vermittlungsausschuss bis zum cher- und Netzinfrastrukturen sowie die Potenziale zur Steige- Jahresende keine Einigung finden. Der ZDH setzt sich weiter rung der Energieeffizienz in anderen Bereichen, wie z. B. im für eine Lösung ein. gewerblichen Bereich sowie in der Elektromobilität. Auch bei anderen richtungsweisenden Weichenstellungen In diesem Prozess bringt der ZDH die Interessen des Hand- sind bis zum Jahresende kaum Fortschritte zu verzeichnen, werks vielfältig ein und wahrt diese. Im Ergebnis ist ausdrück- z. T. zielen die Planungen sogar in die falsche Richtung. So lich zu begrüßen, dass das Fördervolumen im CO2-Gebäudes- etwa der geplante Aufbau einer bundesweiten und qualitäts- anierungsprogramm ab dem Jahr 2012 und bis 2014 wieder gesicherten Expertenliste für die bundesgeförderte BAFA- auf jährlich 1,5 Milliarden Euro angehoben wird – auch wenn Vor-Ort-Beratung und für die Planung und Baubegleitung in ein noch größeres Fördervolumen wünschenswert gewesen den KfW-Effizienzhäusern 40 und 55. Unbestritten kommt wäre. Die Förderung der erneuerbaren Energien wird im Rah- der qualifizierten Information und Beratung der Hauseigentü- men des bestehenden Systems fortgesetzt – jedoch mit einem mer und der Unternehmer in der Zukunft eine noch größere stärkeren Blick auf die Kosten. Bedeutung zu als bisher. Umso unverständlicher ist für das Handwerk, dass die Fortbildung zum Gebäudeenergieberater Auch viele weitere Aspekte im energiepolitischen Bereich ori- des Handwerks zwar generell zum Eintrag auf diese Exper- entieren sich an den Interessen des Handwerks. So gelingt es, tenliste berechtigt, die handwerklichen Experten aber immer Bundes- und Landespolitiker von der Notwendigkeit einer zu- dann von der Liste ausgeschlossen werden sollen, wenn sie sätzlichen steuerlichen Anreizförderung für die Gebäudesanie- in einem Handwerksbetrieb beschäftigt sind oder diesen lei- rung zu überzeugen. Der Bundesrat lehnt allerdings aufgrund ten. Die Unterstellung einer interessenabhängigen Beratung von Finanzierungsvorbehalten diesen Sanierungsbeschleuni- ist nicht gerechtfertigt. Sie diskriminiert die hoch qualifizierten ger als einziges der Energiewende-Gesetze ab. Bis zum Jah- Handwerker und benachteiligt sie im Wettbewerb gegenüber resende setzt sich der ZDH auf allen politischen Ebenen für anderen, nur weil sie aus einem Handwerksbetrieb kommen. eine Umsetzung der vorliegenden steuerlichen Anreizmodelle Der ZDH setzt sich gemeinsam mit der gesamten Handwerks- ein, zumal ohne eine steuerliche Anreizförderung die Verdopp- organisation dafür ein, dass die Gebäudeenergieberater des

18 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

Handwerks vollständig für die neue Expertenliste zugelassen Gesetzesvorschläge aus Brüssel. Ende Juni veröffentlicht die werden. Ansonsten drohen nicht nur das im Lande vorhan- Europäische Kommission infolge des EU-Aktionsplans Ener- dene Beraterpotenzial und die aufgebauten Kenntnisse dieser gieeffizienz den Entwurf einer EU-Energieeffizienzrichtlinie. Fachleute ungenutzt zu bleiben, sondern können auch die mit Diese ist aus Sicht des ZDH in mehreren Punkten kritisch zu der Energiewende beschlossenen Ziele nicht erreicht werden. werten, da sie statt auf Anreize auf Pflichten setzt und erneut Zum Ende des Jahres wird die geplante Einführung der Exper- eine bildungspolitische Einflussnahme versucht. So sollen tenliste verschoben, um nach Lösungen zu suchen. die Mitgliedstaaten Zertifizierungssysteme oder gleichwertige Qualifikationssysteme für die Bereiche Energiedienstleistun- Zur Stärkung der Interessen des Handwerks und seiner Po- gen, Energieaudits und Anbieter von Energieeffizienzmaßnah- sitionen geht der ZDH im energiepolitischen Bereich auch men einführen. Damit will die Kommission das, was sie bereits insoweit neue Wege, als er der aus wichtigen Verbänden, in der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie plante, nun für fast alle Unternehmen und der Wissenschaft bestehenden Allianz relevanten Bereiche am Bau realisieren: Es droht die Gefahr für Gebäudeenergieeffizienz unter Leitung der Deutschen neuer Qualifizierungs- und Zertifizierungsanforderungen für Energie-Agentur (dena) beitritt, um die Steigerung der Ener- deutsche Handwerker, obwohl diese über das höchste Quali- gieeffizienz an Gebäuden voranzutreiben. Zudem werden die fikationsniveau in Europa verfügen. Nachhaltigkeitskampagne der Sparkassenorganisation „Gu- tes Klima fängt zu Hause an“ unterstützt, die Fortsetzung der DBU-Handwerkskampagne „Haus sanieren – profitieren“, al- lerdings unter Anhebung des Qualitätsniveaus, verabredet und Medienkooperationen geschlossen. Alle einzelnen Elemente können helfen, mehr Eigentümer von den Vorteilen einer ener- getischen Sanierung zu überzeugen und sie zu einer Umset- zung entsprechender Maßnahmen zu bewegen.

Neben der nationalen Energiewende kommen auch 2011 wei- tere, maßgeblich das Handwerk betreffende energiepolitische

19 Der ZDH lehnt dies ab. Abgelehnt werden auch die geplanten „BUILD-UP-Skills“ Vorgaben für Energieversorgungsunternehmen zur jährlichen Sowohl in der deutschen als auch in der europäischen Neu- Reduzierung ihres Endenergieabsatzes. Mit diesen Verpflich- ausrichtung der Energiepolitik spielt die Qualifikation der am tungssystemen soll den Energieversorgungsunternehmen Bau Beschäftigten eine herausragende Rolle. Sie ist die not- eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Klima- und Energie- wendige Voraussetzung, damit der Umstieg zu mehr Energie- ziele eingeräumt und ihnen zugleich auch eine Rechtfertigung effizienz und zu mehr erneuerbaren Energien gelingt. Vor die- zur Besetzung der im Aufbau befindlichen Energiedienstleis- sem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Januar tungsmärkte gegeben werden. Die überambitionierten Sa- 2011 eine neue Initiative zur Ausbildung und Qualifizierung von nierungspflichten in öffentlichen Gebäuden und der geplante Arbeitskräften im Bausektor gestartet – die sogenannte „Buil- KWK-Vorrang, der bei größeren Anlagen mit der Gefahr von ding Workforce Training and Qualification Initiative – BUILD- Anschluss- und Benutzungszwängen verbunden ist, sind UP-Skills“, zu der in jedem Mitgliedstaat eine Untersuchung ebenso grundsätzlich abzulehnen. Zumindest in Frage zu stel- durchgeführt werden muss. len sind die vorgesehenen Verpflichtungen zu Energieaudits in größeren Betrieben, wenn letztere ihre Leistungen vor allem Anlass zu dieser Initiative ist die Befürchtung, dass die Eu- außerhalb des Betriebsgeländes erbringen. Der ZDH erarbei- ropäische Union ihre Energieeffizienz- und Klimaschutzziele tet eine Stellungnahme und bringt diese sowohl auf nationa- ohne eine ausreichende Anzahl hoch qualifizierter und fortge- ler als auch vor allem auf europäischer Ebene ein. Es werden bildeter Fachkräfte am Bau nicht erreichen könnte. Der ZDH zahlreiche Gespräche geführt, dabei u. a. mit Energiekommis- bewirbt sich als Führer eines Konsortiums erfolgreich um die sar Oettinger, und konkrete Änderungsanträge eingebracht. Umsetzung dieses von November 2011 bis April 2013 umzu- Der Richtlinienentwurf ist insgesamt stark umstritten: Es wer- setzenden EU-Forschungsprojektes. Konkret geht es darum den 2.000 Änderungsanträge eingebracht. zu klären, ob die am Bau Beschäftigten hinsichtlich Anzahl und Qualifikation ausreichen, um die klima- und energie- politischen Ziele insbesondere im Gebäudesektor bis 2020 erreichen zu können. Dazu sollen der Bestand an qualifizierten Fachkräften am Bau in Deutschland ermittelt, die bestehen- den Qualifikations- und Fortbildungsstrukturen dargestellt und ein Zeitplan für die notwendigen Maßnahmen im Bildungsbe- reich erarbeitet werden, um die energie- und klimapolitischen Ziele bis 2020 erreichen zu können.

20 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

Konjunktur: Spitzenjahr für das Handwerk

Für das Handwerk wird 2011 ein Spitzenjahr. den gewerblichen Bedarf und die Kfz-Handwerke. Der Umsatz Der zur Jahresmitte 2010 gestartete konjunkturelle Aufholpro- wächst gegenüber der Vorjahresperiode um 7,0 Prozent, die zess setzt sich über den gesamten Berichtszeitraum mit hoher Beschäftigung liegt um 0,8 Prozent höher. Dynamik fort und führt zu stark steigenden Umsätzen und ei- nem Beschäftigtenaufbau. Und auch im dritten Quartal hält der Konjunkturaufschwung im Handwerk den zunehmenden welt- und finanzwirtschaftlichen Im ersten Quartal 2011 startet das Handwerk so kraftvoll ins Risiken stand. Während die konjunkturellen Rahmenbedingun- Jahr wie seit Langem nicht mehr. Der eigentlich saisonübliche gen auf ein Ende der Boomphase in Deutschland hindeuten Dämpfungseffekt fällt gering aus und wird von konjunkturellen und die welt- und finanzwirtschaftlichen Risiken erheblich zu- Wachstumskräften überlagert. Die Betriebe erhalten von fast nehmen, bleibt das Handwerk auf Wachstumskurs. Die Be- allen Seiten kräftige Nachfrageimpulse. Neben der gestiege- triebsinhaber beurteilen ihre Geschäftslage so gut wie noch nen Auslandsnachfrage, die die Auslastung der handwerkli- nie seit Aufnahme der bundesweiten Konjunkturberichterstat- chen Zulieferbetriebe erhöht, profitiert das Handwerk vor allem tung im Handwerk: 90 Prozent sind mit ihrer Geschäftslage von der gestiegenen Binnennachfrage aus dem gewerblichen, zumindest zufrieden. Das sind 5 Prozentpunkte mehr als im dem privaten und dem öffentlichen Bereich. Da die Witterung ersten Quartal 2011 und 4 Punkte mehr als im schon guten kaum die Außenaktivitäten behindert, können die zahlreichen Vorjahreszeitraum. Dabei ist der Anteil der Betriebe mit guten Aufträge auch zeitnah abgearbeitet werden. Der Aufschwung Geschäftslagebewertungen auf sehr hohe 46 Prozent geklet- verbreitert sich und erfasst alle Branchen des Handwerks – tert (III/10: 39 Prozent). Nur 10 Prozent der Betriebe sind un- allerdings in unterschiedlichem Maße. Die nominalen Umsätze zufrieden. im Handwerk liegen um 11,9 Prozent über dem Vorjahres- volumen. Es sind 1,1 Prozent mehr Personen im Handwerk beschäftigt.

Der kräftige Aufschwung setzt sich im Frühjahr fast ungemin- dert fort. Zwar entfallen die sonst üblichen saisonalen Auf- schwungeffekte, aber die Nachfrage nach handwerklichen Produkten und Dienstleistungen bleibt in fast allen Bereichen sehr hoch. Triebkräfte der konjunkturellen Entwicklung sind die Bau- und die Ausbauhandwerke sowie die Handwerke für

21 Basis der hohen Konjunkturdynamik ist die anhaltend gute junkturellen Entwicklung: 87 Prozent – und damit ähnlich viele Auftragsentwicklung, die im Herbst zu einem Großteil aus der wie vor einem Jahr – rechnen mit einer guten oder zufrieden- Binnennachfrage stammt. Sie sorgt dafür, dass fast alle Hand- stellenden Geschäftslage. werksgruppen am Aufschwung teilnehmen und wird durch die hohe Auslandsnachfrage ergänzt. Dabei treibt vor allem der Vor dem Hintergrund der beschleunigten Handwerkskonjunk- Investitionsboom – sowohl bei Bauten als auch bei Ausrüs- tur und der bis zum Jahresende guten Aussichten ist ein no- tungsinvestitionen – die Konjunktur im Handwerk an. Darüber minales Umsatzwachstum von mindestens 5 Prozent wahr- hinaus leistet auch der lebhaftere private Konsum einen wich- scheinlich. Damit wird das Handwerk das Umsatzniveau vor tigen Wachstumsbeitrag. In den Bau- und Ausbauhandwerken Ausbruch der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise wie- hält der Trend zur Geldanlage in die eigenen vier Wände an; er der erreichen. Die jahresdurchschnittliche Beschäftigung im wird von Inflations- und Verlustängsten um den Euro noch be- Handwerk dürfte um rund 25.000 Personen steigen. fördert. Gebäudesanierungen und Renovierungen laufen auf hohem Niveau, der Wohnungsneubau und die gewerbliche Baunachfrage legen ebenfalls kräftig zu. Die handwerklichen Zulieferer profitieren vom starken Sog nach Investitionsgütern, Wachstumsprognose 2012 der auch aus dem Inland kommt. Für das kommende Jahr prognostizieren die Wirtschaftsfor- schungsinstitute eine Abschwächung des realen Wirtschafts- In den Kfz-Handwerken ist nach der Durststrecke im Jahr wachstums auf 0,8 Prozent. Hauptgrund ist ein geringeres 2010 der PKW- und Nutzfahrzeugabsatz stark angestiegen, Wachstum der Ausfuhren. Dagegen soll die Binnenwirtschaft wenngleich die Dynamik im Berichtszeitraum etwas nach- eine wichtige Stütze der Konjunktur bleiben. So soll die In- lässt. Zudem läuft das Service-Geschäft rund. Darüber hinaus vestitionsbereitschaft der Unternehmen zwar nachlassen, die haben die meisten konsumnahen Handwerke gleichfalls zur Investitionsnachfrage aber insgesamt noch leicht wachsen. anhaltenden Aufwärtsentwicklung beigesteuert. Im Vergleich Bei den Bauinvestitionen ist aufgrund des weiteren Zuwach- zum Vorjahresquartal wachsen die Umsätze um 5,6 Prozent, ses im Sanierungsgeschäft und im Wohnungsbau ein leichtes die Beschäftigung liegt um 0,2 Prozent höher. Plus zu erwarten, obwohl der Wirtschaftsbau stagnieren und der öffentliche Bau rückläufig sein dürfte. Auch den privaten Zudem bleiben die Geschäftserwartungen der Betriebsinhaber Konsum sehen die Institute bei hohen Einkommens- und Ar- für den Rest des Jahres auf einem hohen Niveau stabil. Die beitsplatzsicherheiten sowie steigenden Einkommen weiter im Inhaber erwarten nur eine etwas ruhigere Gangart der kon- Aufwind.

Diese Rahmenbedingungen legen gemeinsam mit den Erwar- tungen der Inhaber ein gutes Fundament für eine gemächli- chere Fortsetzung des Aufschwungprozesses im Handwerk. Die nominalen Umsätze des Handwerks dürften im Jahr 2012 um 1,5 bis 2,0 Prozent zulegen. Das reale Umsatzniveau bleibt stabil. Die Anzahl der Beschäftigten wird gehalten (Beschäfti- gungsstabilität).

22 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

Betriebsentwicklung weiter mit leichten Zuwächsen

Im ersten Halbjahr 2011 melden die Hand- und bei den Fotografen zu verzeichnen. Nach wie vor tragen werkskammern erneut leicht gestiegene Betriebsbestände. auch die Gründungen von Betriebsinhabern aus Mittel- und Zum 30.6.2011 sind in den Handwerksrollen 990.768 Betrie- Osteuropa erheblich zum Wachstum in den B1-Handwerken be eingetragen. Dies sind 2.950 oder 0,3 Prozent mehr als bei: Sie stellen rund ein Viertel aller Zugänge und des Be- zu Jahresbeginn. Das Wachstum resultiert nach wie vor allein triebszuwachses. aus der zulassungsfreien Anlage B1, während die Betriebsbe- In den zulassungsfreien handwerksähnlichen Gewerken der stände in den Anlagen A und B2 wiederum stagnieren bzw. Anlage B2 gehen die Betriebszahlen im ersten Halbjahr 2011 minimal rückläufig sind. erneut leicht zurück, jedoch weniger stark als vor einem Jahr. In den zulassungspflichtigen Gewerken der Anlage A gehen Mit 186.799 Betrieben sind 579 weniger eingetragen als zu die Betriebszahlen erneut geringfügig zurück. Mit 601.722 Jahresbeginn (-0,3 Prozent). Betrieben sind 773 weniger eingetragen als zu Jahresbeginn Für die Betriebsentwicklung in den zulassungsfreien Anlagen (-0,1 Prozent). Alles in allem ist die Betriebsentwicklung in der B1 und B2 sind die Eintragungen aus Mittel- und Osteuropa Anlage A aber als stabil anzusehen. von wesentlicher Bedeutung. Die Anzahl der Gründungen von In den Gewerken der seit 2004 zulassungsfrei gestellten An- Inhabern aus diesen Regionen ist gegenüber dem Vorjahres- lage B1 hält der kontinuierliche Betriebszuwachs an. Erst- zeitraum erneut von 6.005 auf 7.242 Eintragungen gestiegen. mals seit der Novelle wächst der Betriebsbestand auf über Damit ergibt sich zwischenzeitlich ein Bestand von inzwischen 200.000 Betriebe (+ 4.329 auf 201.768). Dabei steigen die 40.541 Betrieben mit Inhabern aus Mittel- und Osteuropa. B1-Betriebszahlen im Westen mit 2,3 Prozent schneller als im Osten mit 1,5 Prozent. Besonders starke Zuwächse sind in Vor diesem Hintergrund ist auch für das Gesamtjahr wieder den Gewerken Gebäudereiniger, Raumausstatter, Fliesenleger mit einem leichten Zuwachs der Betriebszahlen zu rechnen.

EntwicklungEntwicklung der derBetriebsbestände Betriebsbestände im Handwerk im Handwerk in Deutschland in Deutschland 1996 – 1. Halbjahr 1996 2011 - 1. Halbjahr 2011 (Anlagen(Anlagen A, A A, einf. A einf.Tätigkeiten, Tätigkeiten, B1 und B2) B1 und B2)

1.050.000

990.768 1.000.000 978.594 966.580 960.651 953.631 950.000 935.409

905.941

900.000 862.819

851.546857.370853.785 843.899 845.147 850.000 841.708 830.514 815.436

800.000 Anzahl der in den Handwerksrollen eingetragenen Betriebe 30.06.2001 30.06.1996 30.06.1997 30.06.1999 30.06.2000 30.06.2002 30.06.2003 30.06.2005 30.06.2006 30.06.2007 30.06.2008 30.06.2009 30.06.2010 30.06.2011 30.06.1998*) 30.06.2004**)

*) 1998 Änderung der HwO; **) 2004 Novellierung HwO 23 neue strukturdaten zum handwerk

Nach langem Drängen des ZDH und nach wird die Aufmerksamkeit für die Wirtschaftsgruppe Handwerk umfangreichen Vorarbeiten veröffentlichen die Statistischen steigern und ihre Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft Ämter von Bund und Ländern erstmals seit der letzten Hand- verdeutlichen. werkszählung im Jahr 1995 wieder aktuelle Strukturdaten zum Handwerk. Es handelt sich um Daten zu Unternehmen, Be- Neben dem überwiegend positiven Fazit ist der Übergang zu schäftigten und Umsätzen in den 94 Berufen des Handwerks Unternehmensregisterauswertungen für das Handwerk leider der Anlagen A und B1 im Jahr 2008. Diese stellen mit Abstand auch mit einigen Problemen verbunden: Das Handwerk wird die meisten Beschäftigten und erzielen den absoluten Großteil nicht in voller Gänze abgebildet. In den Anlagen A und B1 der Umsätze im Gesamthandwerk. Im Gegensatz zu frühe- fehlen die Kleinstbetriebe des Handwerks mit bis zu 17.500 ren Handwerkszählungen werden die Ergebnisse nicht mehr Euro Jahresumsatz wie auch die handwerklichen Nebenbe- durch Fragebögen ermittelt, sondern durch eine Auswertung triebe. Darüber hinaus fehlen Angaben zum handwerksähn- des statistischen Unternehmensregisters, in dem die in den lichen Gewerbe. In diesem Zusammenhang wendet sich der Verwaltungen bereits vorliegenden Daten für statistische Zwe- ZDH im Herbst 2011 an den Präsidenten des Statistischen cke zusammengeführt sind. Bundesamtes und an das Bundeswirtschaftsministerium mit der Bitte, die bisher noch fehlenden Gruppen sukzessive zu Die Zahlen sind insgesamt sehr erfreulich: Im Jahr 2008 waren ergänzen. Zielsetzung muss sein, das Handwerk künftig kom- in rund 577.000 Unternehmen der Anlagen A und B1 4,916 plett abzubilden. Millionen Menschen tätig, die einen Nettoumsatz von 471,3 Milliarden Euro erwirtschafteten. Das HandwerkErwerbstätige in den Anla und- UmsätzeErwerbstätige im Handwerk und U msätze2010 im Handwerk 2010 gen A und B1 zählte damit im Jahr 2008 rund(Fortschätzung 442.000 mehr auf Basis(Fortschätzung der Unternehmensregisterauswertung auf Basis der Unternehmensregister für 2008) - Beschäftigte und erzielte 52,7 Milliarden Euro mehr Umsätze auswertung für 2008) als nach bisherigen ZDH-Schätzungen. Der ZDH hat über die Handwerk gesamt Handwerk gesamt Ergebnisse informiert, sie bewertet, auf das Jahr 2010 fort- 5,13 Millionen 466 Mrd. Euro gerechnet und auf einer speziell eingerichteten Internetseite 332.298 12,30 zahlreiche Grafiken und methodische Hinweise zur Fortrech- 38,97 Anlage B2 nung veröffentlicht. Ergänzt um die Anlage B2, waren im Jahr 859.917 2010 rund 5,13 Millionen Menschen im Handwerk tätig und erwirtschafteten einen Nettoumsatz von 466 Milliarden Euro. Anlage B1

Von nun an werden die Statistischen Ämter jedes Jahr Zäh- Anlage A lungsergebnisse für das Handwerk zur Verfügung stellen – und 414,45 zwar ohne die Unternehmen mit zusätzlichen statistischen Aus- 3.940.959 kunftspflichten belasten zu müssen. Die regelmäßige Abbildung

Beschäftigte Umsatz in Mrd. Euro (netto)

Quelle: Unternehmensregisterauswertung Quelle: Unternehmensregisterauswertung für 2008/eigene Berechnungen 24 für 2008/eigene Berechnungen 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

neue strukturdaten zur lage der zum handwerk unternehmensfinanzierung

Die Innenfinanzierung hat für Handwerks- dies ein bedenklicher Prozess. Gleichzeitig verringert sich der betriebe aller Größenklassen weiterhin die größte Bedeutung, Anteil der Unternehmen mit einer soliden Eigenkapitalquote gefolgt von Bankkrediten als wichtigste Form der Fremd- von über 30 Prozent (2011: 13,8 Prozent/2010: 16,5 Prozent). finanzierung. Gerade in Krisenzeiten, die erfahrungsgemäß mit Da speziell auf die Bedürfnisse des Handwerks angepasste erschwerten Fremdfinanzierungsmöglichkeiten einhergehen, Eigenkapitalfinanzierungsmöglichkeiten bereits angebotsseitig werden Eigenmittel zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbe- beschränkt sind, drängt der ZDH gegenüber der KfW und der triebes und für Investitionen herangezogen. Wenn nach Über- Bundesregierung auf die Anpassung entsprechender Förder- windung der massiven Rezession im Jahr 2011, der Anteil möglichkeiten. der Handwerksbetriebe, die lediglich über eine unzureichen- de Eigenkapitalausstattung von unter 10 Prozent verfügen, Bezüglich der Kreditaufnahmemöglichkeiten zeigen die im Juni höher ausfällt (36 Prozent) als im Vorjahr (33,7 Prozent), ist 2011 veröffentlichten Ergebnisse der Unternehmensbefragung Wie hat sich die Kreditaufnahme für Sie in den vergangenen 12 Monaten in der Tendenz entwickelt? HandwerkWie hat sich die Kreditaufnahme für Sie in den vergangenen 12 Monaten in der Tendenz entwickelt? inHandwerk % der antwortenden (in % der antwortenden Unternehmen Unternehmen)

2011 6,2 % 52,6 % 41,2 %

2010 2,6 % 45,1 % 52,3 %

2009 2,7 % 56,8 % 40,5 % bis 1 Mio. Umsatz Über 1 Mio. € Umsatz

2011 7,3 % 66,3 % 26,4 % Leichter geworden

2010 3,1 % 55,2 % 41,7 % Gleich geblieben

2009 3,5 % 61,2 % 35,3 % Schwieriger geworden Über 1 Mio. € Umsatz über 1 Mio. Umsatz

2011 6,7 % 60,6 % 32,7 %

2010 2,8 % 50,1 % 47,1 % Handwerk Handwerk 2009 3,2 % 58,9 % 37,9 %

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Quelle: Unternehmensregisterauswertung für 2008/eigene Berechnungen 25 deutliche Zeichen der Entspannung. Von einem sehr niedrigen Niveau kommend, berichten nun deutlich mehr Betriebe von einem verbesserten Kreditzugang. Zudem hat sich die Anzahl der Betriebe, die verschlechterte Kreditaufnahmemöglichkei- ten konstatieren, insgesamt verringert.

Während im vergangenen Jahr noch 47,1 Prozent der Ant- Kreditvolumen hohen Bearbeitungs- und Risikokosten bei wortenden eine erschwerte Kreditaufnahme für die letzten kleinvolumigen Krediten – selbst bei einer weiter verbesserten 12 Monate angaben, ist dieser Anteil nun auf 32,7 Prozent Bonität von kleinen Unternehmen bestehen bleiben“. aller Antwortenden gesunken. Der Anteil der Unternehmen, die von einer Verbesserung bei der Kreditaufnahme berichten, Die Betriebsberater der Handwerksorganisation, die in einer liegt mit 6,7 Prozent mehr als doppelt so hoch als im ver- separaten Umfrage im August 2011 antworten, sehen auch gangenen Jahr (2,8 Prozent). Trotz dieses Positivtrends sollte weiterhin fehlende Sicherheiten als Haupthemmnis beim Zu- jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Mehrheit der gang zu Fremdfinanzierungsmitteln. Nach ihrer Einschät- Unternehmen, die im letzten Jahr eine Verschlechterung kon- zung wird selbst bei klein(st)en Kreditgrößen vorrangig und statierten, nunmehr von unveränderten Kreditaufnahmemög- unabhängig vom Ratingergebnis auf Sicherheiten abgestellt. lichkeiten spricht (2011: 60,6 Prozent/2010: 50,1 Prozent). Hinsichtlich des Ratings gibt es insbesondere zwei Problem- bereiche: Zum einen wird immer wieder kritisiert, dass Kre- Finanzierungssituation und Betriebsgröße stehen in einem en- ditinstitute verstärkt auf Branchenratings abstellen, so dass gen Zusammenhang: Kleine Handwerksunternehmen mit ei- für die Unternehmen einiger Gewerke zusätzliche Probleme nem Jahresumsatz bis zu 1 Million Euro haben deutlich mehr entstehen. Zudem wird immer wieder die mangelnde Transpa- Finanzierungsschwierigkeiten als größere Unternehmen. So renz der Kreditinstitute bemängelt. Sie fordern umfangreiche geben kleine im Vergleich zu großen Unternehmen mehr als Unterlagen an, sind jedoch ihrerseits sehr zurückhaltend bei doppelt so häufig Finanzierungsschwierigkeiten als Grund für der Bekanntgabe bzw. Erläuterung der Ratingergebnisse. Die- einen Investitionsverzicht an. Auch ist die Kreditablehnungs- se Kritik wird im Übrigen auch für die Bewertung von Sicher- quote bei kleinen Handwerksbetrieben deutlich höher. heiten sowie für die Transparenz von Kreditentscheidungen angeführt. Dieses Ergebnis der Unternehmensbefragung wird auch durch ökonometrische Analysen der KfW bestätigt, die in ih- Die dargestellten Entspannungstendenzen werden im Jah- rem Mittelstandspanel (Veröffentlichung: November 2011) zu resverlauf 2011 zunehmend von wirtschaftspolitischen Dis- dem Schluss kommt, „dass sehr kleine Unternehmen, selbst kussionen darüber überschattet, wie sich der Kreditzugang bei guter Bonität, einen strukturellen Nachteil beim Zugang der mittelständischen Unternehmen angesichts zunehmender zu Investitionskrediten aufweisen. Entsprechend ist die Wahr- Risiken entwickeln wird. So schüren die schwelende Staats- scheinlichkeit eine Kreditablehnung zu erfahren für ein sehr schuldenkrise in der Eurozone sowie die Diskussionen zur kleines Unternehmen – bei gleicher Bonität – um 14 Prozent- Umsetzung von Basel III Befürchtungen, dass die Banken in punkte höher als für einen Mittelständler mit 50 Vollzeit- ihren Kreditvergabemöglichkeiten deutlich eingeschränkt wer- beschäftigten. Diese größenimmanenten Finanzierungsrest- den oder sich die Kreditvergabemöglichkeiten verschlechtern riktionen werden – aufgrund der in Relation zum ausgereichten könnten.

26 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

Basel III – Keine verteuerung von KMU-krediten

Mit der Veröffentlichung ihrer Vorschläge zur Der ZDH stellt dabei insbesondere Umsetzung von Basel III am 20.7.2011 geht die Europäische folgende Forderungen in den Mittelpunkt: Kommission neue Wege. Waren die aufsichtsrechtlichen Ei- genkapitalvorschriften bisher in einer Richtlinie geregelt, soll • Absenkung der Risikogewichte bei KMU-Krediten um ein dies künftig im Rahmen einer unmittelbar wirkenden Verord- Drittel, um zumindest den Status quo der Eigenkapital- nung geschehen. Vorgesehen ist eine deutliche Verschärfung unterlegungshöhe zu erhalten. Nur so kann verhindert der qualitativen und quantitativen Anforderungen an das Ei- werden, dass im Ergebnis die Finanzierungskosten des genkapital der Kreditinstitute. Im europäischen Aufsichtsrecht Mittelstands steigen und im Extremfall damit sogar an sich bisher unbekannte Kennzahlen, wie Verschuldungsquoten produktive Investitionen unterlassen werden. oder Liquiditätspuffer, sollen zusätzlich eingeführt werden. • Für europäische Institute sind Liquiditätsvorschriften zu entwerfen, die der Wirtschaftsstruktur Europas entspre- Die Europäische Kommission verfolgt damit das nachvollzieh- chen, die bewährte langfristige Finanzierungskultur nicht bare Ziel, die Kreditwirtschaft auf ein stabileres Fundament zu gefährden und die Unternehmen bei der Kreditvergabe stellen, um so die Krisenwahrscheinlichkeiten wie auch die Kri- nicht systematisch benachteiligen. Die NSFR-Kennziffer senanfälligkeiten der einzelnen Kreditinstitute zu reduzieren. entspricht in ihrer aktuell diskutierten Form diesen Kriterien nicht und wird daher abgelehnt. Der ZDH weist seit Beginn der Diskussionen darauf hin, dass • Um die Verbürgung von KMU-Krediten künftig nicht einzu- bei der Umsetzung von Basel III nicht eine stärkere, sondern werden, dass von den Bürgschaftsbanken verbürgte Kre- eine bessere Regulierung im Vordergrund stehen sollte, die dite weiterhin die gleichen niedrigen Risikogewichte behal- eine Anreizwirkung für ein nachhaltiges Bankgeschäft und da- ten wie bisher. Ein Ansatzpunkt hierfür kann sein, dass die mit verstärkt die Unternehmensfinanzierung im Blick hat. Dazu Bürgschaftsbanken in der Verordnung unter den zulässi- gehört auch, dass bei der Umsetzung von Basel III die Be- gen Garantiegebern aufgelistet werden. sonderheiten regional tätiger Mittelstands-Kreditinstitute, zu • Eine isolierte Umsetzung von Basel III in Europa würde die denen insbesondere die Sparkassen und Genossenschafts- weltweite Stabilität des Finanzsystems nicht erhöhen, banken zählen, angemessen berücksichtigt werden. gleichzeitig jedoch für den Finanzplatz Europa beträchtli- che internationale Wettbewerbsnachteile nach sich ziehen. Durch kontinuierliche Aktivitäten im Rahmen politischer Ge- Deshalb ist dafür Sorge zu tragen, dass Basel III weltweit spräche mit der EU-Kommission, dem Europäischen Parla- an allen wichtigen Finanzplätzen zeitgleich umgesetzt wird. ment und der Bundesregierung sowie vom Handwerk initiier- ter Gemeinschaftsaktionen mit anderen kreditnehmenden und kreditgebenden Verbänden findet der ZDH im Jahresverlauf zunehmend Gehör bei den Entscheidungsträgern.

27 „handwerk lokal“ – standortbedingungen handwerksgerecht gestalten Angesichts der aktuellen Entwicklungen fasst das Handwerk seine Argumente und Forderungen in dem Positionspapier Die Entfaltungsmöglichkeiten der Handwerks- „Handwerk lokal – Perspektiven für eine handwerksgerechte unternehmen werden nicht nur von gesamtwirtschaftlichen Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik in Städ- Rahmensetzungen, sondern auch entscheidend von den je- ten und Gemeinden“ zusammen, um insbesondere die Stand- weiligen Standortbedingungen in den Kommunen und Regio- ortsicherungspolitik der Handwerksorganisationen vor Ort zu nen bestimmt. Diese örtlichen Faktoren sind gerade für das unterstützen. Das Papier wird seitens des ZDH-Präsidiums Handwerk von besonderer Bedeutung, da die Unternehmen Anfang Mai 2011 anlässlich seiner Klausurtagung ausführlich in hohem Maße nicht nur standortgebunden, sondern auch beraten und angenommen. standortverbunden sind. Die Betriebe wollen in der Regel ihre Standorte nahe bei den Menschen in den Ortsteilen, Klein- Grundgedanke des Papiers ist die Überzeugung, dass in einer städten und Dörfern erhalten. Angesichts der aktuellen Her- vertieften Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Hand- ausforderungen des demografischen Wandels, der effizienten werk für beide Seiten noch erhebliche Chancen liegen. Das Energieversorgung und des Klimaschutzes ist eine verträgliche Papier formuliert deshalb insbesondere die großen Potenziale, Nutzungsmischung von Wohnen und Arbeiten ein zukunfts- die sich durch eine bessere Einbindung des Handwerks auch weisendes Konzept. In der „Stadt der kurzen Wege“ kann das für die Stabilität, Zukunftsfähigkeit und Attraktivität der Städte Handwerk durch seine verbrauchernahen Angebote dazu bei- und Gemeinden erschließen lassen. tragen, das Verkehrsaufkommen vor Ort zu reduzieren. Perspektivisch wird das Handwerk vor Ort immer wichtiger, Die Handwerksorganisationen stellen jedoch fest, dass sich da die wachsende Anzahl älterer Menschen zunehmend mehr die lokalen Rahmenbedingungen zunehmend schwierig ge- Dienste in unmittelbarer Nachbarschaft nachfragt. Die stadt- stalten. Dies betrifft u. a.: technische Ausstattung wird zudem komplexer. Der forcierte Ausbau erneuerbarer Energien, die energetische Sanierung • wachsende bau- und umweltrechtliche Beschränkungen; und neue elektromobile Verkehrskonzepte erfordern dezen- • eine zunehmende Konkurrenz um innerstädtische Stand- trale Strukturen und Fachleute vor Ort. orte und einen Mangel an geeigneten gewerblichen Flächen; • die Gefährdung kleinteiliger Ortsteilzentren durch große Einkaufszentren; • eine zunehmende Einschränkung der Mobilität der Betriebe durch verkehrspolitische Maßnahmen (z. B. Umweltzonen); • den vielfach nicht mehr optimalen Zustand der örtlichen Infrastruktur; • die Beeinträchtigung unternehmerischer Initiative durch wirtschaftliche Betätigung der Kommunen.

28 1 Wirtschafts- und Umweltpolitik

handwerksgerecht gestalten

Ein besonders drängendes Problem sind wachsende Schwie- greifen. Ebenso wichtig ist die Sicherung der für wirtschaftli- rigkeiten bei der Sicherung und Neuanlage von Betriebs- che Betätigung unverzichtbaren Infrastruktur und Mobilität in standorten. Obwohl moderne handwerkliche Betriebe hin- den Kommunen. sichtlich ihrer Emissionen mittlerweile sehr gute Werte erzielen, werden sie häufig vorschnell als unzulässig kategorisiert. Das Ein sehr kritischer Punkt ist die Ausdehnung der kommunal- Handwerk fordert deshalb von den Genehmigungsbehörden, wirtschaftlichen Betätigung auf genuin handwerkliche Berei- die bestehenden Möglichkeiten zur umfeldverträglichen Inte- che wie z. B. Wartungsleistungen, Hauselektrik, Reinigungs- gration handwerklicher Nutzungen stärker zu berücksichti- wesen oder Bestattungen. Der ZDH setzt sich hier für eine gen. Flankierend ist es notwendig, bei der Fortentwicklung klare gesetzliche Begrenzung ein. Darüber hinaus muss bei des Baurechts im Bund weitere Schritte zur Sicherung der den Kommunen das Bewusstsein dafür geschärft werden, Entwicklungsfähigkeit innerstädtischer Handwerksbetriebe zu dass eine Beschädigung der örtlichen Wirtschaft durch kom- realisieren. munale Unternehmen mittelfristig der Gemeinde selbst scha- det. Das Positionspapier wirbt für einen verstärkten direkten Das Angebot an geeigneten Flächen in bebauten Ortslagen Dialog von Kommunen und Wirtschaft zwecks Abgrenzung hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlech- von Verantwortungsbereichen und Identifizierung von Feldern tert. Traditionelle innenstadtnahe „Rückzugsgebiete“ des der Zusammenarbeit. Handwerks wie ehemalige Güterbahnhöfe, Hafengelände und Die Mitgliedsorganisationen können das Positionspapier bei aufgelassene Industriegebiete werden für Wohnen und Ein- „Marketing Handwerk“ anfordern. Den Organisationen vor Ort zelhandel immer attraktiver, so dass Unternehmen des Hand- soll das Papier Argumentationsmaterialien an die Hand geben, werks weiter nach außen gedrängt werden. Das Positions- um mit regionalen Gebietskörperschaften in Dialog zu treten, papier fordert deshalb, die langfristige Flächenbereitstellung aber auch um von den Landesregierungen Verbesserungen von innerörtlichen Gewerbeflächen für Handwerksbetriebe als einzufordern. wichtige Zukunftsaufgabe der kommunalen Planung zu be-

29

2 Gewerbeförderung

GroSSes Potenzial für Handwerk in DER Kultur- und Kreativwirtschaft

Europaweit gilt die Kultur- und Kreativwirt- Bei der Bruttowertschöpfung nimmt die Kultur- und Kreativ- schaft als Zukunftsbranche und Impulsgeber bei der Entwick- wirtschaft mit 63,4 Milliarden Euro bzw. 2,5 Prozent (2008) lung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. den dritten Platz ein. Charakteristisch sind heterogene Teil- Sie ist ein junger Wirtschaftssektor, der aus der Zusammen- branchen, dynamisches Wachstum, ein großer Frauenanteil fassung der kulturrelevanten Wirtschaftsfelder entstanden bei den Unternehmern und Selbstständigen und eine meist ist. Zu ihr zählen Unternehmen, die kulturelle/kreative Güter geringe Größe der Betriebe. Allgemein gilt die Branche als bzw. Dienstleistungen auf erwerbswirtschaftlicher Basis schaf- akademisch-freiberuflich geprägt. Tatsächlich erwirtschaften fen oder verbreiten. Sie untergliedert sich in elf Teilbranchen: aber auch nennenswerte Teile des Handwerks ihre Umsätze Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, mit kulturellen Gütern und Dienstleistungen. Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Design- wirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt und 2008 hat die Bundesregierung die Initiative Kultur- und Krea- Software-/Gamesindustrie. tivwirtschaft gestartet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken. Ein Bündel von Maßnahmen in den Be- reichen Monitoring, Förderprogramme, Kapitalzugang, Bera- tung und Netzwerkbildung ist bereits umgesetzt worden. Der ZDH drängt darauf, dass das Handwerk als relevanter Kulturakteur in der Initiative berücksichtigt wird. Allerdings lässt sich bis dato aufgrund statistischer Konventionen die kultur- und kreativwirtschaftliche Tätigkeit im Handwerk we- der qualitativ noch quantitativ fassen. Das Bundesministeri- um für Wirtschaft und Technologie gibt daher eine „Modell- studie Handwerk“ in Auftrag, die den Anteil des Handwerks in dem neuen Sektor klären soll.

31 Aufgrund der technischen Beschränkungen der amtlichen Sta- Die Zahl der kulturell/kreativ tätigen Handwerksunternehmen tistik ist allerdings nur ein Ausschnitt der Realität zu erwarten, in Deutschland liegt aber deutlich höher. Den „harten Kern“ weswegen der tatsächliche Umfang des kultur- und kreativ- des Kultur-/Kreativhandwerks bilden 55.232 Unternehmen wirtschaftlichen Handwerks darüber hinaus empirisch erfasst aus 74 Handwerkszweigen mit 240.000 Erwerbstätigen und und erstmals auch qualitativ dargestellt wird. Auftragnehmer einem Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro pro Jahr. Diese sind das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Hand- Unternehmen erwirtschaften ihren Umsatz zu mehr als 50 Pro- werk Göttingen (ifh) sowie das Büro für Kulturwirtschaftsfor- zent im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. 6,8 Prozent schung Köln (KWF). Ein Forschungsbeirat mit Repräsentan- aller deutschen Handwerksunternehmen gehören damit zum ten der Handwerksorganisationen und externen Fachleuten „harten Kern“, mit 4,5 Prozent aller Erwerbstätigen und 4,1 betreut das Projekt, die Erhebung wird zum Jahreswechsel Prozent aller erwirtschafteten Umsätze im Handwerk. Größen- 2010/11 in 13 Kammerbezirken durchgeführt. mäßig liegt das kulturell/kreative Handwerk damit zwischen Nahrungsmittelgewerbe und Kfz-Gewerbe. Methodisch ist die Studie wegweisend. In der offiziellen Sta- tistik werden 12.773 Handwerksunternehmen aus 22 Gewer- Weitere 118.000 Handwerksunternehmen erwirtschaften ih- bezweigen mit 45.000 Erwerbstätigen und einem Umsatz von ren Umsatz geringfügig bis nennenswert (1 bis 50 Prozent) auf 3,4 Milliarden Euro pro Jahr zur Kultur- und Kreativwirtschaft kultur- und kreativwirtschaftliche Weise. Kultur- und kreativwirt- gezählt. Damit stellt das Handwerk 5,4 Prozent aller Unter- schaftlich relevant sind mithin 175.000 Handwerksunternehmen nehmen mit 4,4 Prozent aller Erwerbstätigen und 2,6 Prozent mit rund 900.000 Erwerbstätigen, die einen Umsatz von 77 Milli- des Umsatzes im deutschen Kultur- und Kreativsektor. Grö- arden Euro pro Jahr erzielen. Das sind gut 21 Prozent der Unter- ßenmäßig rangiert der handwerkliche Anteil in der Kultur- und nehmen mit 17 Prozent der Erwerbstätigen und 16 Prozent des Kreativwirtschaft damit zwischen den Teilmärkten Rundfunk- Umsatzes des Handwerks in Deutschland. Hier offenbart sich wirtschaft und Markt für darstellende Künste. das zukünftige Entwicklungspotenzial.

Kultur-Kultur- und und Kreativwirtschaft Kreativwirtschaft im imHandwerk Handwerk 2010: 2010: GrößenordnungGrößenordnung imim VergleichVergleich zu denzu den Gewerbegruppen Gewerbegruppen

Handwerksgruppen Unternehmen 2010

Gesundheitsgewerbe 23.595 kultur- und Kultur- und Lebensmittelgewerbe 35.308 kreativwirtschaftlicheskreativwirtschaftliches HandwerkHandwerk Kraftfahrzeuggewerbe 59.664 55.232 55.232 Handwerk für den gewerblichen Bedarf 97.132 Bauhauptgewerbe 112.521 Handwerk für den privaten Bedarf 180.597 Ausbaugewerbe 317.268 Handwerk 826.085

32 2 Gewerbeförderung

Das kultur- und kreativwirtschaftliche Handwerk zeichnet Die zukünftigen Handlungsfelder sind: sich durch überdurchschnittlich hohe handwerkliche Spezi- alisierung, Innovation und Mobilität aus. Es ist überwiegend • die Marktbedingungen für das kulturell spezialisierte Hand- kleinstbetrieblich organisiert, weniger als 7 Prozent der Unter- werk zu verbessern; insbesondere muss bei der öffentli- nehmen haben zehn oder mehr Erwerbstätige. Mit Daten über chen Auftragsvergabe der Kerngedanke von Qualität und die Erwerbsform, Kundengruppen, Umsatz, Kostenstruktur, Spezialisierung in die Wirtschaftlichkeitsberechnung ein- Frauenanteil und Qualifikationen gewährt die Studie erstmals fließen, Einblick in diesen Teil sowohl des zulassungspflichtigen wie • den qualifizierten Nachwuchs und die kulturrelevanten zulassungsfreien Handwerks und beschreibt es auch qualita- Fortbildungsstrukturen im Handwerk zu sichern und wei- tiv anhand von exemplarischen Handwerkszweig-Steckbrie- terzuentwickeln, fen sowie von Fallbeispielen. Von erheblicher Bedeutung für • die kulturelle Beratung und Förderung der Handwerker in die kulturell/kreativ tätigen Handwerker ist die Unterstützung der Handwerksorganisation zu sichern und auszubauen, durch die Handwerksorganisationen. Hier gibt die Studie ei- • die internationale Mobilität der Handwerker zu erhöhen, nen Überblick über Fortbildungs-, Beratungs- und Förderak- • neue Kooperationen zu erproben – sei es innerhalb des tivitäten. Handwerks, sei es zwischen Handwerkern, anderen Part- nern in der Kultur- und Kreativwirtschaft und öffentlichen Ein- Im Oktober 2011 diskutieren im Bundesministerium für Wirt- richtungen – und dafür geeignete Programme zu erschließen. schaft und Technologie Experten aus der Kultur- und Krea- tivwirtschaft, dem Handwerk, öffentlichen Einrichtungen, verschiedenen Landesregierungen und der Bundesregierung gemeinsam die Herausforderungen und Chancen für das Handwerk im Kultur- und Kreativwirtschaftssektor. Mit drei Unternehmen und einer Designakademie des Handwerks wird Kultur- und Kreativwirtschaft im Handwerk 2010: die Bandbreite der ästhetischen Ideenproduktion im Hand- Größenordnung im Vergleich zu den Gewerbegruppen werk vorgestellt. Die Studie der Bundesregierung mit ihrem neuartigen hand- werksbezogenen Ansatz trägt bereits dazu bei, dass auf eu- ropäischer Ebene heute Kultur- und Kreativwirtschaft auch handwerklich verstanden wird. Bei der Ausarbeitung des EU- Kulturprogramms „Kreatives Europa“ (2014–2020) können infolgedessen handwerkliche Positionen vorgetragen werden. Sie finden Eingang im aktuellen Programmvorschlag.

Die wissenschaftliche Grundlage ist gelegt, das Handwerk zählt offiziell als Kulturakteur. Jetzt ist das Ziel des ZDH, das Handwerk beim Zuschnitt der Förderprogramme zu beteiligen. Langfristig sollen die Kulturgewerke im Handwerk substanziell gestärkt, neue Betätigungsmöglichkeiten erschlossen und der Nachwuchs gesichert werden.

33 NORMUNG MUSS SICH AM BEDARF DER WIRTSCHAFT ORIENTIEREN Die wirtschaftlichen Restriktionen, die bisher die Beteiligungs- möglichkeiten von KMU an europäischen Normungsprozessen Die EU hat die Bedeutung der kleinen und mitt- beeinträchtigen, will die Kommission mit einer Verstetigung leren Unternehmen (KMU) für die Vielfalt und Leistungsfähig- ihrer finanziellen Zuwendungen an die NORMAPME (Euro- keit Europas erkannt. Deshalb will sie diese Interessengruppe päisches Büro der KMU für Normung und Standardisierung) stärker an Normungsaktivitäten auf europäischer Ebene be- begegnen. KMU werden in den Augen der EU-Kommission teiligen. In ihrem Verordnungsvorschlag für die Europäische mehr und mehr zu einem eigenständigen Stakeholder, dessen Normung („Normungspaket“) fordert sie die Europäischen Bedürfnisse in der Normung explizit zu berücksichtigen sind. Normungsorganisationen (CEN, CENELEC und ETSI) auf, die Ein weiterer Schwerpunkt gilt der Transparenz der Nor- Beteiligungsmöglichkeiten für KMU über alle Stufen des Nor- mungsarbeit. Die Kommission sowie die europäischen und mungsprozesses hinweg zu verbessern. Solche Verpflichtun- nationalen Normungsorganisationen werden künftig Jahres- gen, mit konkreten Vorschlägen unterfüttert, spricht sie auch arbeitsprogramme aufstellen und diese veröffentlichen. Sol- in Richtung der Nationalen Normungsinstitutionen (NSO) aus. che Jahresprogramme können dazu beitragen, KMU und ihre Letztlich, so ihre Überzeugung, dient eine möglichst breite Be- Branchenvertretungen frühzeitig auf absehbare bzw. geplante teiligung von KMU der Legitimation der Normungsarbeit und Normungsaktivitäten aufmerksam zu machen und sie im Sin- damit der Akzeptanz der Normungsergebnisse. ne eines Frühwarnsystems zu informieren. Damit wird eine verlässliche Planungsgrundlage geschaffen, auf deren Basis KMU ihre Ressourcen hinsichtlich ihrer Mitwirkung an der Nor- mung rechtzeitig planen können. Größere Sorgen bereitet aus Sicht vieler KMU und ihrer Ver- bände die Ausweitung der EU-Normungsrichtlinien auf den Bereich der Dienstleistungen. Normen sollen künftig auf eu- ropäischer Ebene erarbeitet, nationale Alleingänge vermieden und eine Harmonisierung mit Nachdruck verfolgt werden. Zu erwarten ist eine deutliche quantitative Ausweitung von Nor- mungsaktivitäten im Bereich der Dienstleistungen. Politisch steht dahinter der Wille, den europäischen Binnenmarkt, wie er bereits für Produkte existiert, auf Dienstleistungen auszu-

34 2 Gewerbeförderung

weiten. Ob allerdings die Erfolge der Produktnormung eins zu Normungsprozess, erst einmal eingeleitet, eigendynamisch eins auf Dienstleistungen übertragbar sind, wird in den betrof- die Kompetenz der Dienstleister selbst normiert. Ein solcher fenen Kreisen intensiv diskutiert. Prozess könnte am Ende zulasten bewährter Strukturen oder gesetzlich geregelter Systeme wie das Duale Berufsbildungs- Harmonisierte europäische Dienstleistungsnormen stoßen system gehen. vor allem dann auf Akzeptanz, wenn Verbraucher und Unter- nehmen gleichermaßen einen Mehrwert darin sehen und die Daher fordert das Handwerk nachdrücklich, dass sich Nor- Vergleichbarkeit und Qualität der Dienstleistungen verbessert mungsvorhaben für Dienstleistungen in erster Linie am Bedarf werden. Der ZDH fordert, neue Normungsthemen intensiver der Wirtschaft orientieren müssen. Zu vermeiden sind Nor- zu prüfen und Normung mit Augenmaß zu betreiben. Entschei- men, die lediglich der Generierung neuer Zertifizierungstatbe- dungen müssen auf legitimer Basis getroffen werden, aus- stände dienen, ohne erkennbaren Mehrwert für Anwender und schlaggebend sollten die direkt von neuen Normen betroffe- Kunden. Sie verursachen letztlich zusätzliche Kosten für KMU nen Wirtschaftsakteure sein. Eine Normenwürdigkeitsprüfung ohne Nutzen für Verbraucher. sollte obligatorisch das gesamte Regelungsumfeld insbeson- dere in den Bereichen Dienstleistungen, Managementsysteme und Arbeitsschutz erfassen, um unsinnige Vorhaben frühzeitig zu identifizieren und möglichst zu vermeiden. Diesbezügliche Forderungen hat der ZDH in einem Positionspapier an Politik und Normungsorganisation adressiert.

Dienstleistungen sind häufig immateriell und werden im direk- ten Kontakt, meist mit Beteiligung des Kunden, erbracht. Sie sind in hohem Maße kundenorientiert, nicht lagerbar und in- dividuell. Gerade im Bereich der Dienstleistungen gehört die Prozesskompetenz einschließlich der Einbindung der Kunden zum relevanten Wettbewerbsvorteil des Anbieters. Je weni- ger es möglich ist, das eigentliche Dienstleistungsprodukt zu normieren, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein

35 MITTELSTANDSförderung

reich entwickelt und inzwischen zu über 470.000 Teilnehmer- zusagen für entsprechende Berufsorientierungsmaßnahmen geführt. Nicht zuletzt die Aktivitäten des ZDH haben dazu ge- 2011 Die Bundesregierung stellt im Rahmen der führt, dass eine ausreichende Mittelsdisposition im Einzelplan Mittelstandsförderung für die „Förderung der Leistungs- und des BMBF eine sichere Finanzierung auch in den nächsten Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen der Jahren erwarten lässt. gewerblichen Wirtschaft sowie freier Berufe“ trotz des gel- tenden Sparzwangs und des durch den Bundesminister für Zu kritisieren ist allerdings, dass die ab dem 1.1.2012 geltende Finanzen verordneten „Top-down-Haushaltes“ im Einzelplan neue Richtlinie künftig die Bewilligung von BOP-Maßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für Abiturienten nicht mehr vorsieht. Der ZDH sieht in dieser (BMWi) mit 190,7 Millionen Euro (Vorjahr 178,8 Millionen Euro) Maßnahme zusammen mit dem BMWi-Programm zur „Pass- rund 11,9 Millionen mehr zur Verfügung. genauen Vermittlung von Auszubildenden in ausbildungswil- lige Unternehmen“ die Basis für die Sicherung des künftigen Dabei bilden die Maßnahmen der Betriebsberatung, die Förde- Fachkräftenachwuchses. Das Handwerk setzt im Rahmen der rung der Berufsbildungsstätten und ihrer Weiterentwicklung zu Fachkräftesicherung selbstverständlich auch auf Abiturienten, von Kompetenzzentren sowie die Lehrgänge der überbetrieblichen denen rund ein Drittel ohnehin kein Hochschulstudium anstrebt. Unterweisung den Schwerpunkt. Durch die Bereitstellung zu- sätzlicher Mittel insbesondere für die Lehrgänge der überbe- trieblichen Unterweisung mit über 450.000 Teilnehmern hat das BMWi dem tatsächlichen Zuschussbedarf entsprochen, so dass jeder ausbildende Betrieb die erwartete Kostenentlas- tung zu seiner Ausbildungsleistung erhält. 2012 Für das Haushaltsjahr 2012 gilt eine neue Titelstruktur, die die bisherige Mittelstandsförderung nunmehr Mit der Förderung der Investitionen in überbetriebliche Aus- unter das Motto „Mittelstand: Gründen, Wachsen, Investieren“ bildungsstätten und deren Weiterentwicklung zu Kompetenz- stellt. Innerhalb dieser neuen Struktur sind die traditionellen zentren haben BMBF und BMWi sowie überwiegend auch Maßnahmen der Mittelstandsförderung – an denen auch das die Länder wesentlich dazu beigetragen, den hohen Investi- Handwerk partizipiert – weiterhin enthalten. Auch für das tionsaufwand des Handwerks von jährlich rund 150 Millionen Haushaltsjahr 2012 erhöht die Bundesregierung trotz der ge- Euro zur Modernisierung und Weiterentwicklung der Berufsbil- nerellen Begrenzung der Neuverschuldung für den Bereich der dungsstätten zu Kompetenzzentren zu schultern. Im Berichts- Mittelstandsförderung die Haushaltsansätze. Der Vergleichs- jahr wurden ca. 120 Bewilligungen für Berufsbildungsstätten wert zum Vorjahr steigt um 2,7 Millionen Euro auf 193,4 Millio- des Handwerks ausgesprochen. nen Euro. Damit kann im Besonderen für die die Beratung und Bildung unterstützenden Maßnahmen Kontinuität verzeichnet Das BMBF finanziert seit 2008 aus seinem Einzelplan das werden. Hervorzuheben ist für den Bereich der Investitionen „Programm zur Förderung der Berufsorientierung in überbe- in Aus- und Fortbildungseinrichtungen, für die sowohl beim trieblichen bzw. vergleichbaren Berufsbildungsstätten“. Die- BMBF als auch beim BMWi eine Erhöhung der Ansätze vor- ses unter der Kurzbezeichnung BOP bekannt gewordene gesehen ist, mit Blick auf die mittelfristigen Ansätze sogar ein Programm hat sich im Laufe der Jahre ausgesprochen erfolg- leichter Anstieg bis zum Haushaltsjahr 2015.

36 2 Gewerbeförderung

Der Preis der Deutschen Außenwirtschaft 2011 wird am 13.9. in Bremen von ZDH- Präsident Kentzler dem Handwerksunternehmen Kiess Innenausbau aus Stuttgart überreicht. Der 2. und 3. Platz gehen an das Handelshaus TER HELL & CO. GMBH sowie das Ingenieurunternehmen Luthardt GmbH. Nach 2007 und 2009 erhält damit zum dritten Mal in Folge ein Handwerksbetrieb die begehrte, von Spitzenver- bänden der deutschen Wirtschaft vergebene Auszeichnung.

Anlässlich des 20-jährigen Firmenjubiläums der SEQUA gGmbH wird die Arbeit der entwicklungspolitischen Durchführungsorganisation der Wirtschaft vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in einem Festakt gewürdigt. Bundesminister Niebel spricht sich in Anwesen- heit der SEQUA-Gesellschafter BDA, BDI, DIHK, ZDH und GIZ für eine enge Kooperation der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit der Wirtschaft aus. ZDH-Generalsekretär Schwannecke verweist in seiner Rede auf die langjährigen erfolgreichen Projekte der Handwerksorganisationen in den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Am 17.1.2011 erörtern die Spitzen des Auswärtigen Amtes, des ZDH und der Handwerkskammern unter Führung von Bundesaußenminister Westerwelle und ZDH-Präsident Kentzler im Auswärtigen Amt in Berlin Kooperationsmöglichkeiten zur Außenwirtschaftsförderung des Handwerks. Auf dem Treffen werden verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung des Handwerksexports beschlossen und im weiteren Verlauf des Jahres umgesetzt. 37

3 Steuer- und Finanzpolitik

POSITIVE ENTWICKLUNG DER öffentlichen FINANZEN trotz STAATS- schuldenkrise Wie in kaum einem anderen Jahr zuvor Steuerschätzung beherrscht die Lage der öffentlichen Finanzen die nationale, europaweite und internationale Finanzpolitik. Der Grund hierfür vom November 2011 liegt in der Staatsschuldenkrise zahlreicher Mitgliedstaaten der Dabei ist die Entwicklung der öffentlichen Finanzen von Europäischen Union, die letztlich zu einer besorgniserregenden Bund, Ländern und Kommunen angesichts der guten bzw. Instabilität der gemeinsamen europäischen Währung geführt robusten Entwicklung der Konjunktur durchaus erfreulich. hat. In der Konsequenz verständigen sich die Staats- und Re- So zeigen die Zahlen der Steuerschätzung vom 4.11.2011 gierungschefs der Eurozone im Frühjahr 2011 auf die Einrich- den unmittelbaren Zusammenhang von konjunktureller Lage tung eines europäischen Unterstützungsfonds EFSF mit einem und der Entwicklung der Steuereinnahmen. Der Arbeitskreis Gesamtumfang von 440 Milliarden Euro (davon allein einem Steuerschätzung sieht im Gesamtzeitraum (2011 bis 2016) deutschen Haftungsanteil von 211 Milliarden Euro). ein Plus von ca. 16 Prozent für Bund, Länder und Kommu- nen (mit EU) vor. Die Gesamtsteuereinnahmen des laufenden Im Herbst 2011 wird der potenzielle Kreditrahmen durch einen Jahres betragen laut Schätzung insgesamt 571 Milliarden sogenannten Hebel auf bis zu eine Billion Euro erweitert. Auch Euro (+ 7,7 Prozent ggü. dem Vorjahr), im Jahr 2012 bereits wenn diese zusätzlichen Garantien bis dato den deutschen 592 Milliarden Euro (+ 3,6 Prozent), 2013 613 Milliarden Euro Bundeshaushalt effektiv noch nicht belasten, so sind die hier- (+ 3,6 Prozent), 2014 636 Milliarden Euro (+ 3,7 Prozent), aus resultierenden haushalterischen Risiken für die öffentliche 2015 658 Milliarden Euro (+ 3,6 Prozent) und 2016 680 Milli- Hand in Deutschland erheblich. Dies gilt in der Konsequenz arden Euro (+ 3,3 Prozent). auch für den Aufkauf Not leidender Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank sowie die sogenannten Sonderzie- hungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF), die sich zu neuen potenziellen Belastungen der Staatsfinanzen und letztlich der Steuerpflichtigen entwickeln können.

39 Die Steuereinnahmen des Bundes entwickeln sich im Zeitraum Prozent), 2013 241 Milliarden Euro (+ 3,7 Prozent), 2014 250 von 2011 bis 2016 mit + 16 Prozent positiv: Im laufenden Jahr Milliarden Euro (+ 3,6 Prozent), 2015 258 Milliarden Euro und sind Steuereinnahmen von 247 Milliarden Euro (+ 9,2 Prozent 2016 267 Milliarden Euro (+ 3,3 Prozent). Analog der Einnah- ggü. dem Vorjahr) prognostiziert – im kommenden Jahr 250 mesituation des Bundes und der Länder verhält sich die Ein- Milliarden Euro (+ 1,3 Prozent), 2013 257 Milliarden Euro (+ 2,9 nahmesituation bei den Gemeinden: Die Einnahmen betragen Prozent), 2014 268 Milliarden Euro (+ 4,3 Prozent), 2015 276 laut Steuerschätzung von November 2011 76 Milliarden Euro, Milliarden Euro (+ 3,1 Prozent) und 2016 287 Milliarden Euro 2012 80 Milliarden Euro, 2013 84 Milliarden Euro, 2014 87 (+ 3,8 Prozent). Milliarden Euro und 2015 91 Milliarden Euro.

Die Einnahmesituation der Länder verbessert sich 2011 und in den Folgejahren (Vergleich 2011–2016: + 19 Prozent) deutlich: Bundeshaushalt 2012 Die Einnahmen des laufenden Jahres 2011 betragen demnach Das Herbstgutachten des Sachverständigenrats prognosti- laut Prognose 224 Milliarden Euro (+ 6,5 Prozent), im folgen- ziert infolge der sich ausbreitenden Euro- und hieraus resultie- den Jahr liegen die Einnahmen bei 233 Milliarden Euro (+ 4,1 renden erneuten Finanzkrise für 2012 nur noch ein Wachstum

SteuereinnahmenSteuereinnahmen (G ebietskörperschaften)(Gebietskörperschaften) gemäß gemäßErgebnis Ergebnis der 139. Steuerschätzung der 139. Steuerschätzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ (November 2011) des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ (November 2011)

350

300

250 Bund 200 Länder

150 Gemeinden EU

(Angabe in Mrd. Euro) 100

50 Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften nach Gebietskörperschaften Steuereinnahmen Euro) (Angabe in Mrd. 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

40 3 Steuer- und Finanzpolitik

von maximal 1 Prozent. Diese Abschwächung der Konjunktur ren Sparanstrengungen nicht nachlassen dürfen. Dies gilt spiegelt sich in dem von der Bundesregierung am 11.11.2011 insbesondere, wenn sie die Vorgaben der nationalen Schul- verabschiedeten Entwurf des Haushalts 2012 wider. Danach denbremse einerseits und des Europäischen Stabilitäts- und weist der Entwurf für das Haushaltsjahr 2012 gegenüber frü- Wachstumspaktes andererseits nachhaltig erfüllen wollen. heren Prognosen eine geringere Neuverschuldung als zuvor Viel wird zudem davon abhängen, ob es gelingt, die Irrun- angenommen aus: Statt einer Neuverschuldung in Höhe von gen und Wirrungen der europäischen Staatsschuldenkrise 40 Milliarden Euro ist eine Neuverschuldung von ca. 26 Mil- in den Griff zu bekommen. Eine gemeinsame europäische liarden Euro vorgesehen. Diese liegt einerseits über der des Währung erfordert ein deutliches Mehr an Integration, ins- Jahres 2011, andererseits aber auch deutlich über der des besondere in der Steuer- und Finanzpolitik. Ob der Weg in Vorkrisenniveaus. eine europäische Fiskalunion gelingt, wird maßgeblich auch davon abhängen, ob im Bereich der EU-weiten Steuerhar- Die aktuelle Entwicklung des Wachstums und die hieraus re- monisierung signifikante Fortschritte erzielt werden können. sultierenden neuen haushaltspolitischen Anforderungen zei- gen, dass auch die deutschen Gebietskörperschaften bei ih-

Neuverschuldung des Bundes (Angabe in Mrd. Euro)

Neuverschuldung des Bundes (Angabe in Mrd. Euro)

50

40

Ist 30 Soll (2011)

Erwartetes Ist (2011) (Angabe in Mrd. Euro) 20 Entwurf (2012) Neuverschuldung des Bundes 2004–2012 Neuverschuldung des Bundes 2004–2012 Euro) (Angabe in Mrd. Neuverschuldung des Bundes 2004-2012 10 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

41 Einkommensteuer: Reform soll „kalte Progression“ MILDERN

Seit Jahren plädiert der ZDH dafür, dass die so- Am 6.11.2011 haben sich die Koalitionspartner dann auf ein genannte kalte Progression im Einkommensteuertarif zurück- Tarifmodell zur Beseitigung der kalten Progression mit folgen- geführt wird. Unter kalter Progression versteht man das Hin- den Eckpunkten verständigt: einwachsen in einen höheren Grenzsteuersatz allein dadurch, dass der Lohn- und Gehaltszuwachs bzw. ein steigendes • Anhebung des Steuergrundfreibetrags auf 8.354 Euro, Einkommen des Personenunternehmers den Inflationsanstieg entsprechend der Entwicklung des Existenzminimums, ausgleicht. Mit einer durchgängigen Verschiebung des Ein- in zwei Schritten: zum 1.1.2013 um 126 Euro und zum kommensteuertarifs nach rechts, d. h. einer entsprechenden 1.1.2014 um 224 Euro, also insgesamt 350 Euro; Anhebung des Steuergrundfreibetrags sowie aller Tarifelemen- • Im Zusammenhang damit: Prozentuale Anpassung des te im Einkommensteuertarif nach rechts, könnte die Wirkung Tarifverlaufs an die im Existenzminimum abgebildete Preis- der kalten Progression beseitigt werden. entwicklung, ebenfalls in zwei Schritten: zum 1.1.2013 und 1.1.2014, mit insgesamt 4,4 Prozent; Zwar hat die christlich-bürgerliche Koalition aus CDU/CSU • Regelmäßige Berichterstattung zur Wirkung der kalten und FDP eine solche Einkommensteuertarifreform im Rahmen Progression im Tarifverlauf ab der kommenden Legislatur- ihres Koalitionsvertrages angekündigt, allerdings kann sie sich periode (zum Beispiel alle zwei Jahre mit dem Existenzmi- in den ersten beiden Jahren dieser Legislaturperiode nicht nimumbericht); auf einen entsprechenden Fahrplan verständigen. Im Lichte • Der Bund erklärt sich einmalig bereit, einen etwas höheren des Frühjahrsgutachtens der Bundesregierung für 2012 sowie Anteil an den Steuermindereinnahmen zu tragen, damit die der Steuerschätzung von Anfang November vereinbaren die kalte Progression auch im Tarifverlauf systematisch ausge- Spitzen der Koalition vor der Sommerpause 2011, in welchem glichen wird. Umfang zum 1.1.2013 die kalte Progression im Einkommen- steuertarif zurückgeführt werden soll. Das Bundeskabinett verabschiedet diese Vorgaben noch im Jahr 2011 in einem eigenständigen Gesetz. Das Gesetzge- bungsverfahren in Bundestag und Bundesrat soll bis Mitte 2012 abgeschlossen werden. Aus Sicht des ZDH erfolgt damit ein Schritt in die richtige Richtung bzw. wird eine der zentralen Petiten des deutschen Handwerks in der Steuer- und Finanz- politik zumindest in Teilen aufgegriffen. Besonders erfreulich ist, dass mehr Transparenz über die Wirkung der kalten Pro- gression durch die Vorlage eines regelmäßigen Berichts erzielt werden soll. Dieser soll die exakten Steuermehreinnahmen durch das Hineinwachsen in die Steuerprogression allein in- folge des Inflationsausgleichs offen legen. Auch damit wird einem zentralen Vorschlag des ZDH entsprochen.

42 3 Steuer- und Finanzpolitik

Solidaritäts- Vor diesem Hintergrund ist eine Rückführung des Solidaritäts- zuschlag zuschlages in der Sache gut begründet. Würde eine kongru- ente Rückführung in dem Umfang erfolgen, in dem bis 2019 im Der ZDH macht auch im Jahr 2011 deut- Rahmen des Solidaritätspaktes II die Ausgaben für den Aufbau lich, dass sich die Einnahmen aus dem einzig dem Bund Ost festgelegt wurden, könnte der Solidaritätszuschlag bereits „kalte Progression“ MILDERN zustehendem Solidaritätszuschlag weiter deutlich nach 2012 von derzeit 5,5 Prozent der Einkommensteuerschuld auf oben entwickeln. Wie die Steuerschätzung vom 4.11.2011 dann nur noch 2,5 Prozent zurückgeführt werden. Im Rahmen gezeigt hat, belaufen sie sich 2011 allein auf über 12 Milli- eines stufenweisen Senkungsplans könnte dann bis zum Jahr arden Euro. Die Ausgaben für die neuen Bundesländer bzw. 2019 – dem Auslaufen des Solidaritätspaktes II – die Rückfüh- die Transferleistungen im Rahmen des Solidaritätspaktes II rung des Solidaritätszuschlages in einzelnen Senkungsstufen (Aufbau Ost) betragen im Jahr 2011 lediglich noch 8 Milli- von jeweils 0,5 Punkten erfolgen. arden Euro. Mit anderen Worten: Der Bund erzielt Mehrein- nahmen in Höhe von 4 Milliarden Euro aus dem Solidaritäts- Angesichts der zum heutigen Zeitpunkt völlig unsicheren zuschlag, die nicht für den Aufbau Ost verwendet werden. Zustimmung zu den Plänen der Bundesregierung zur Rück- Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch weiter führung des Einkommensteuertarifs zum 1.1.2013 bzw. 2014 zunehmen. So werden die Einnahmen aus dem Solidari- könnte alternativ die Rückführung des Solidaritätszuschlages tätszuschlag im Jahr 2015 auf über 15 Milliarden Euro an- an Aktualität gewinnen, da hierfür die Zustimmung des Bun- wachsen, die Ausgaben im Rahmen des Stufenplans des desrates nicht erforderlich ist. Die Bundesregierung kann dies Solidaritätspaktes II betragen dann jedoch nur noch rund allein mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundes- 5 Milliarden Euro. tages durchsetzen.

VergleichVergleich der der Einnahmen Einnahmen aus demaus Sdemolidaritätszuschlag Solidaritätszuschlag mit den Zuweisungen mit den Zuweisungen aus aus dem Solidarpakt II dem Solidarpakt II für die neuen Länder (Angabe in Mrd. Euro) für die neuen Länder (Angabe in Mrd. Euro)

16

14 Einnahmen aus dem 12 Solidaritätszuschlag (in Mrd. Euro) 10

8 Zuweisungen aus dem Solidarpakt II für die 6 neuen Länder (in Mrd. Euro) (Angabe in Mrd. Euro) Einnahmen/Zuweisungen 4

2

Einnahmen/Zuweisungen Euro) (Angabe in Mrd. 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

43 Rechnungslegung: ZDH mahnt Mitwirkung des Mittelstands an

2010 kündigt das Bundesministerium der Justiz Während vorgenannten Prozesses haben auf Initiative des den sogenannten Standardisierungsvertrag mit dem Deut- ZDH, der DIHK und die BStBK gemeinsam mit dem Deut- schen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), schen Genossenschafts- und Raiffeisenverband eine engere da er nur unzureichend das gesamtwirtschaftliche Interesse Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rechnungslegung ver- berücksichtige. Dies gilt insbesondere bei der Positionie- einbart und sich zwischenzeitlich regelmäßig zur gemeinsa- rung zu der Frage, ob internationale Rechnungslegungs- men Positionierung zu den aktuellen Entwicklungen auf dem standards (IFRS) für die Breite des deutschen Mittelstands Gebiet des Handelsrechts verabredet. überhaupt sinnvoll seien. Aufgrund dieser Entwicklung sind weite Teile des Jahres 2011 davon geprägt, die Vorausset- zung für einen neuen Standardisierungsvertrag, der diese E-Bilanz Schwächen beseitigt, zu schaffen. An dem Verhandlungs- Nachdem der ZDH 2010 erfolgreich dafür geworben hat- prozess, der vom Bundesministerium der Justiz moderiert te, dass die elektronische Steuerbilanz (E-Bilanz) nicht – wie wird, nimmt die ZDH-Abteilung Steuer- und Finanzpolitik in- ursprünglich vorgesehen – zum 1.1.2011, sondern erst zum tensiv teil. Es wird deutlich, dass die DAX-Konzerne, die bis 1.1.2012 eingeführt wird, nimmt das deutsche Handwerk mit dato das Gros der Mitglieder des DRSC (alt) gestellt haben, insgesamt fünf repräsentativen Handwerksbetrieben von Ja- nicht bereit sind, ihren Einfluss zugunsten der mittelständi- nuar bis Juli 2011 an der Pilotphase zu dessen Erprobung teil. schen Wirtschaft zu mindern. Die bisherige Geschäftsfüh- Auch für eine solche Pilotphase hat sich der ZDH im Vorfeld rung des DRSC (alt) ist den Petiten der überwiegend kapi- eingesetzt. Die Auswertung der Pilotphase zeigt, dass um- talmarktorientierten Unternehmen nachgekommen. Für die fangreiche Änderungen an der sogenannten Taxonomie, d. h. Struktur des neuen DRSC hat sie einen Verwaltungsrat vor- der Zahl der elektronischen Pflichtfelder, die der Betrieb „be- geschlagen, in dem die Mittelstandsverbände lediglich zwei füllen“ muss, vorgenommen werden sollten. So war anfangs von zwanzig Sitzen beanspruchen können. Gemeinsam mit seitens des BMF vorgeschlagen worden, dass die Betriebe dem DIHK und der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) bis zu 600 solcher Pflichtfelder pro E-Bilanz „befüllen“ müs- nimmt der ZDH dies zum Anlass, einen Beitritt zum neuen sen. Mit dem dann Ende September 2011 ergangenen BMF- DRSC abzulehnen. Außerdem fordert er das Bundesjustiz- Schreiben wurde jedoch den Petiten des ZDH weitestgehend ministerium auf, bei der Fassung des neuen Standardisie- entsprochen: So müssen in der E-Bilanz nunmehr keine Anga- rungsvertrages explizit zu normieren, dass das gesamtwirt- ben über die bisherige in Papierform abgegebene Steuerbilanz schaftliche Interesse im DRSC (neu) hinreichend abgebildet hinaus gemacht werden. werden muss. Damit bleibt bei einem einmaligen Umstellungsaufwand von der bisherigen Papierbilanz zur künftigen E-Bilanz. Darüber hinaus ist die Abgabe der E-Bilanz für das Veranlagungsjahr 2012 freiwillig und erst ab dem 1.1.2013 verpflichtend. So kön- nen 2012 etwaige weitere Verbesserungen auf der Grundlage der dann vorliegenden Erfahrungswerte vorgenommen werden.

44 3 Steuer- und Finanzpolitik

Rechnungslegung: ZDH mahnt Mitwirkung des Mittelstands an

ZDH-Steuerforum (v.l.): Nicolette Kressl, MdB, Finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion; Dr. Volker Wissing , MdB, Finanzpolitischer Sprecher der FDP Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages; Klaus-Peter Flosbach, MdB, Finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Moderatorin Donata Riedel, Handelsblatt; Dr. , MdB, Finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen; Dr. Barbara Höll, MdB, Steuerpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke; Holger Schwannecke, ZDH-Generalsekretär

ZDH-Steuerforum des Mittelstands. Der bayerische Finanzminister Fahrenschon Auch 2011 findet das bereits traditionelle ZDH-Steuerforum stellt sodann die Leitlinien der Steuer- und Finanzpolitik des statt. Am 14.4.2011 erläutert ZDH-Präsident Otto Kentzler bayerischen Freistaats und der Parlamentarische Staatssekre- hierzu unter dem Motto des Steuerforums „Einkommen- tär im Bundesfinanzministerium Koschyk die steuerpolitischen steuerreform – Umsatzsteuerrecht – Gemeindefinanzen – Vorhaben der Bundesregierung dar, bevor die finanzpoliti- Steuervereinfachung und Unternehmenssteuerrecht. Was schen Sprecher aller Fraktionen im Deutschen Bundestag sich folgt auf Konzepte und Kommissionen?“ die Erwartungen in der anschließenden Podiumsdiskussion über die jeweiligen des deutschen Handwerks an eine Steuerpolitik im Sinne politischen Steuerkonzepte austauschen.

45

4 Soziale Sicherung

Pflegeversicherung: Beitrags- Steigerung Ist der falsche Am 16.11.2011 beschließt das Bundeskabinett folgende Eckpunkte zur Reform der Pflegeversicherung: Ansatz • Anhebung des Beitrages zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte. Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll zum 1.1.2013 um Nach Ansicht des ZDH ist die von der Bundesregierung 0,1 Prozentpunkte angehoben werden. Damit werden der beschlossene Ergänzung des Umlageverfahrens durch ein gesetzlichen Pflegeversicherung rund 1,1 Milliarde Euro zu- staatlich gefördertes, kapitalgedecktes Element und da- sätzlich zur Verfügung stehen. mit mehr Eigenverantwortung der Versicherten ein richtiger Schritt, um die Pflegeversicherung zukunftsfester zu machen. • Förderung einer freiwilligen privaten Diese Versicherung sollte allerdings nach unserer Auffassung Vorsorge für den Pflegefall. nicht freiwillig, sondern verpflichtend sein. Zu begrüßen ist, Eine freiwillige private (und damit wohl kapitalgedeckte) dass keine kollektive Rücklage in der gesetzlichen Pflegever- Vorsorge für den Pflegefall soll ab dem 1.1.2013 steuerlich sicherung aufgebaut wird. Bei kollektiven Rücklagen besteht gefördert werden. Weitere Einzelheiten sind bislang noch immer die Gefahr, dass der Gesetzgeber diese zweckent- nicht bekannt. fremdet. Schon aus Gründen der Systemgerechtigkeit ist die neu geförderte, individuelle Vorsorge im Bereich der privaten • Demenzerkrankung wird Bestandteil Versicherungen anzusiedeln. der Pflegeversicherung. Demenz soll zukünftig im Rahmen der gesetzlichen Pflege- Die geplante Anhebung des paritätisch finanzierten Beitrags versicherung berücksichtigt werden. Demenzkranke Men- zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,1 Prozent ab schen, die bislang keinen Anspruch im Rahmen der gesetz- 2013 zur Finanzierung von Leistungsausweitungen scheint lichen Pflegeversicherung hatten, weil sie keiner Pflegestufe zwar moderat, geht jedoch in die falsche Richtung. Anstatt zugeordnet werden können, sollen in Zukunft eine Leistung die Personalzusatzkosten weiter zu verteuern, sollten die aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten. Pflegekosten vom Lohn abgekoppelt werden. Darüber hin- aus darf die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht zu • Pflegebedürftigkeit wird neu definiert. Mehrkosten führen, sondern sollte kostenneutral umgesetzt Bis zum Ende der Wahlperiode sollen die Arbeiten zu dem werden, so wie der Pflegebeirat der Bundesregierung dies neuen Bedürftigkeitsbegriff in der Pflege abgeschlossen sein. vorgeschlagen hatte.

47 Rentendialog: ZDH kritisiert Pläne für Zuschussrente

Im Spätsommer beginnt der von der Bun- Eine Zuschussrente in Höhe von 850 Euro monatlich sollen desregierung angekündigte Rentendialog. Im Rahmen des Versicherte erhalten, die lange versicherungspflichtig ge- Dialogs werden die Herausforderungen der Alterssicherung arbeitet und zusätzlich vorgesorgt haben (mindestens 45 vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen disku- Versicherungs- und 35 Beitragsjahre sowie 35 Jahre an zu- tiert. Im Vordergrund steht dabei die Vermeidung bzw. Ver- sätzlicher Altersvorsorge), deren gesamte Rentenansprüche ringerung von Altersarmut in der Zukunft sowie ein flexible- jedoch unter 850 Euro liegen. Bis 2023 sollen die Zugangsvo- rer Übergang in die Altersrente. raussetzungen erleichtert sein. Die jährlichen Kosten werden langfristig auf ca. 2,9 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Die Neben dem ZDH sind weitere Vertreter u. a. der Sozialpart- Einführung einer „Zuschuss-Rente“ sieht der ZDH kritisch, da ner und der Rentenversicherung beteiligt. Die Regierung neben den Kosten vor allem erhebliche Gerechtigkeitsproble- bringt drei eigene Vorschläge in die Diskussion ein: die me zwischen Rentnern ohne Anspruch und Rentnern mit An- Einführung einer Zuschussrente, Verbesserungen bei der spruch auf die Zuschussrente resultieren würden. Das in der Erwerbsminderungsrente und die Kombirente. gesetzlichen Rentenversicherung geltende Äquivalenzprinzip würde damit ausgehöhlt werden. Wenn überhaupt, dann darf die Zuschussrente nicht über Beiträge, sondern nur aus Steu- ermitteln finanziert werden. Im Bereich der Erwerbsminderungsrenten wird die Erhöhung der Zurechnungszeit von derzeit 60 Jahren auf 62 Jahre ge- plant, parallel zur Anhebung der Regelaltersgrenze um 2 Jahre auf 67 Jahre. Der ZDH begrüßt diesen Vorschlag grundsätz- lich. Zwar wären hiermit Mehrbelastungen für die Beitragszah- ler der gesetzlichen Rentenversicherung verbunden. Jedoch ist zu bedenken, dass Erwerbsminderungsrentner zukünftig ebenfalls von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen sind und diese Rentenminderung nicht immer rechtzeitig und

48 4 Soziale Sicherung

Rentendialog: vollumfänglich durch private Altersvorsorge ausgleichen Rentenversicherungsbeitrag sinkt können. Diese Maßnahme würde auch selbstständigen Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung sinkt ZDH kritisiert Pläne Handwerkern sowie deren Beschäftigten, insbesondere in zum 1.1.2012 von 19,9 auf 19,6 Prozent. Der ZDH setzt sich körperlich stark belastenden Gewerken, zugutekommen. damit erfolgreich dafür ein, dass die bestehenden Beitrags- für Zuschussrente Bei vorzeitigem (Teil-)Rentenbezug sollen die Hinzuver- satzsenkungsspielräume in der gesetzlichen Rentenversiche- dienstgrenzen vereinfacht werden. Bei dieser „Kombirente“ rung genutzt werden. Nach Berechnungen des Bundesminis- dürfen Rente und Hinzuverdienst maximal das letzte Jahres- teriums für Arbeit und Soziales werden die Arbeitgeber und Bruttoeinkommen erreichen. Die Vorschläge zur Kombiren- Arbeitnehmer durch die vorgesehene Beitragssatzsenkung auf te entsprechen den Forderungen des ZDH in Bezug auf die Jahresbasis um je rund 1,3 Milliarden Euro entlastet. Hinzuverdienste bei der Teilrente und finden daher unsere Unterstützung.

Soziale Sicherung Soziale Sicherung

Jahr Beitragssatz Rentenbezugsdauer* 1960 14,0 9,9 1965 14,0 10,5 1970 17,0 11,1 1975 18,0 11,6 1980 18,0 12,1 1985 18,7 13,1 1990 18,7 15,4 1995 18,6 15,7 2000 19,3 16,3 2005 19,5 17,2 2010 19,9 18,5

* Durchschnittliche*Durchschnittliche Bezugsdauer Bezugsdauer einer einer Versichertenrente Versichertenrente/Quelle: Deutsche Rentenversicherung Quelle: Deutsche Rentenversicherung 49 Gesundheits- handwerke stärken

Der ZDH und die Gesundheitshandwerke erreichen mit dem am 1.1.2012 in Kraft tretenden „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Versorgungsstrukturgesetz) eine Verschärfung des § 128 SGB V. Danach sind Beteiligungen von Vertragsärzten an Unternehmen der Leistungserbringer unzulässig, soweit die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- und Zuweisungsverhalten den wirtschaftlichen Erfolg der Un- ternehmen steuern können. Verboten wird auch die Beeinflus- Wandel bringt sung von Versicherten mit dem Ziel, diese zum Verzicht auf die ihnen zustehende Leistung der gesetzlichen Krankenversiche- Chancen rung und zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versor- gung zu bewegen. Der demografische Wandel in Deutschland hat erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus fordert das Handwerk: Auch für das Handwerk ergeben sich aus dem Rückgang der Bevölkerung und dem sich ändernden Altersaufbau zahlreiche • die Verschärfung des § 128 SGB V auch auf Praxislabore Herausforderungen: Dazu zählen die Sicherung des Bedarfs der Zahnärzte zu übertragen, an Auszubildenden und Fachkräften, der Umgang mit altern- • eine Delegation ärztlicher Leistungen an die Gesundheits- den Belegschaften oder die Anpassung an veränderte Nach- handwerke gesetzlich zu ermöglichen. Insbesondere in fragestrukturen. den neuen Bundesländern und in ländlichen Gegenden ist Zugleich bietet der wachsende Anteil älterer Menschen auch die Versorgung der Versicherten mit Fachärzten nicht aus- zahlreiche Marktchancen für das Handwerk: Neben dem alters- reichend und könnte durch eine Übertragung von Aufga- gerechten Wohnen sind dies insbesondere auf ältere Personen ben an Gesundheitshandwerksbetriebe sinnvoll und nach- zugeschnittene Leistungen mit hoher Serviceorientierung. haltig verbessert werden, • ein Mitbestimmungsrecht im Gemeinsamen Bundesaus- Vor diesem Hintergrund begleitet der ZDH das Thema intensiv schuss. durch verschiedene Maßnahmen. Dazu gehört u. a. die In- stallierung einer abteilungsübergreifenden ZDH-Projektgrup- pe, eine neue Rubrik zum Thema „Demografie“ mit weiterfüh- renden Links auf den ZDH-Internetseiten, die Benennung von zentralen Ansprechpartnern bei unseren Mitgliedern zu den Fragen „Demografie/Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ mit dem Ziel, einen besseren Erfahrungsaustausch zu ermögli- chen. Darüber hinaus wird die Erstellung eines „Demografie- atlas“ angestoßen, um einerseits Transparenz zu schaffen und andererseits Anregungen („Best Practices“) zu geben.

50 4 Soziale Sicherung

Wandel bringt Chancen

51 5 Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht 5 Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht

EU-Freizügigkeit: KEIN „SOZiALVERSICHERUNGS- DUMPING“ Die zum Teil mit dem Auslaufen der Über- Freibeträge gewährt oder zur Bemessung lediglich der na- gangsregeln der Freizügigkeit gegenüber den EU-Beitrittslän- tionale Mindestlohn angesetzt, der nur einem Bruchteil des dern Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien und ausgezahlten Lohnes entspricht. den drei baltischen Staaten zum 1.5.2011 verbundenen Er- wartungen der Zuwanderung von zahlreichen Arbeitskräften Auf Drängen des ZDH hat das Bundesministerium für Arbeit aus diesen Ländern bestätigen sich nicht. Unabhängig von und Soziales in dieser Sache eine offizielle Note gegenüber der nun geltenden unbeschränkten Arbeitnehmer- und Dienst- der Europäischen Verwaltungskommission für die Koordinie- leistungsfreiheit gibt es in einigen Bereichen des Handwerks rung der Systeme der Sozialen Sicherheit abgegeben. Darin Wettbewerbsprobleme mit Arbeitnehmern aus diesen Län- wird die Vereinbarkeit dieses von manchen EU-Mitgliedsstaa- dern. Dortige Unternehmen werben auf dem deutschen Markt ten betriebenen „Sozialversicherungs-Dumpings“ mit den mit deutlich niedrigeren Arbeitskosten für die Auftraggeber im Vorschriften der Verordnung (EG) 883/2004 über die Koordi- Vergleich zu deutschen Anbietern. Dieser Kostenvorteil ergibt nierung der sozialen Sicherungssysteme in Zweifel gezogen. sich – obwohl gemäß dem Entsendegesetz (AEntG) korrekt Sowohl das Ministerium als auch der ZDH werfen die Frage der jeweilige Mindestlohn gezahlt wird – aus einer deutlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit auf. abgesenkten Beitragsbemessungsgrundlage für die Sozial- versicherungsbeiträge. Dabei werden entweder umfangreiche Zugleich stellt sich 2011 die Frage nach einer Verlängerung der Übergangsregelungen der Arbeitnehmer- und Dienstleis- tungsfreiheit gegenüber Rumänien und Bulgarien. Mit Blick auf die massiven Unterschiede im Lebensstandard zwischen Deutschland und den beiden Ländern sowie auf Basis der positiven Erfahrungen der Verlängerung der Übergangsre- gelungen durch Deutschland mit den EU-8-Beitrittsländern spricht sich der ZDH für die Verlängerung der Übergangsfris- ten um weitere zwei Jahre aus. Einen entsprechenden Be- schluss fasst die Bundesregierung Anfang Dezember.

53 REFORM des Arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens

Experten diskutieren auf dem Arbeits- marktforum am 5. Mai 2011 in Berlin die Anforderungen an die Arbeitsmarktpolitik: (v.l.) Otto Kentzler, ZDH-Präsident; Anne- lie Buntenbach, Mitglied des Geschäfts- führenden Bundesvorstandes des Deut- schen Gewerkschaftsbundes; Johannes Vogel, MdB, Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion; Dr. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes; Karl Schiewerling, MdB, Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Moderatorin Birgit Marschall, Rheinische Post; Raimund Becker, Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Ar- beit; Peter Friedrich, MdB, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für den Mittelstand; Holger Schwannecke, ZDH- Generalsekretär

Wie im Koalitionsvertrag be- Ein zentraler Lobbyerfolg des ZDH ist die deutlich strengere schlossen, wird 2011 die Reform des arbeitsmarktpolitischen Ausgestaltung der sogenannten Ein-Euro-Jobs. Neben den Instrumentenkastens in Angriff genommen. Dabei werden beiden bereits bestehenden Kriterien der Zusätzlichkeit und zentrale und langjährige Forderungen des Handwerks aufge- des öffentlichen Interesses einer Arbeitsgelegenheit wird – wie griffen, die Zahl der Instrumente reduziert und die einzelnen vom Handwerk stets gefordert – als weitere Voraussetzung Maßnahmen zum Teil generalklauselartig gestaltet. Dadurch zur Vergabe der Ein-Euro-Jobs die Wettbewerbsneutralität bleibt den Vermittlern vor Ort mehr Gestaltungsspielraum, um aufgenommen. Damit soll verhindert werden, dass Ein-Euro- die Hilfen optimal auf den einzelnen Arbeitslosen und die Rah- Jobber mit der Ausführung handwerklicher Tätigkeiten betraut menbedingungen am Arbeitsmarkt vor Ort auszugestalten. werden und dadurch Handwerksbetriebe Aufträge und Arbeit verlieren.

Explizit werden die Jobcenter aufgefordert, ihre Beiräte, in denen auch Vertreter des Handwerks aus Innungen, Kreis- handwerkerschaften oder Handwerkskammern beteiligt sein 54 5 Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht

Instrumentenkastens

können, bei der Auswahl und Ausgestaltung der Arbeitsgele- Der ZDH begrüßt die Fortführung und Entfristung der Ein- genheiten zu befragen. Eine weitere Hürde gegen den miss- stiegsqualifizierung als wichtiges Instrument bei der Vorberei- bräuchlichen Einsatz der Ein-Euro-Jobber stellt die künftig tung von Jugendlichen mit Defiziten auf eine betriebliche Aus- geforderte Trägerqualifizierung jedes Maßnahmeträgers (und bildung im Handwerk. Ebenfalls grundsätzlich positiv bewertet somit auch der Anbieter von Ein-Euro-Jobs) dar. das Handwerk die Neuregelungen beim Gründungszuschuss. Das teure Instrument weist neben erheblichen Mitnahme- Gegen den Widerstand des ZDH wird im Gesetzgebungsver- effekten aufgrund der bisherigen Höhe der Förderung auch fahren leider die Begrenzung der pauschalen Kostenerstattung nennenswerte Verdrängungseffekte zulasten der existieren- auf maximal 150 Euro pro Monat und Teilnehmer wieder fallen den Handwerksbetriebe auf. Vor diesem Hintergrund fordert gelassen. Dennoch erwartet der ZDH nach einem Rückgang der ZDH die Streichung der Gründungsförderung aus dem des Bestands an Ein-Euro-Jobbern von 309.014 (2006) auf SGB III – und damit aus der Finanzierung durch Beitragsmittel. nur noch 157.633 im November 2011 ein Fortsetzen dieses Es bedarf einer angemessenen steuerfinanzierten Förderung Trends. Damit und mit den Möglichkeiten einer besseren Ein- von Existenzgründungen und nicht nur von arbeitslosen Grün- flussnahme des Handwerks vor Ort ist auch zu erwarten, dass dern. Ebenfalls sollte die Förderung insofern gerecht ausge- die Ausübung handwerklicher Tätigkeiten durch Ein-Euro- staltet werden, als dass den Geförderten keine Vorteile gegen- Jobber weiter zurückgeht. Anlässlich der Einführung des Bun- über den am Markt befindlichen Wettbewerbern entstehen. Im desfreiwilligendienstes mahnt der ZDH einen arbeitsmarktneu- Hinblick auf die verwaltungstechnische Umsetzung der neuen tralen Einsatz der Freiwilligen an, damit Handwerksbetrieben Regelungen für den Gründungszuschuss setzt sich der ZDH nicht Aufträge und Arbeit entgehen. dafür ein, dass die verbleibenden Fördermittel auch qualifizier- ten Arbeitslosen, bspw. Handwerksmeistern und nicht unqua- Die traditionellen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im SGB lifizierten arbeitslosen Existenzgründern, zugutekommen. III werden endgültig gestrichen. Im SGB II werden aus den verbleibenden Maßnahmen zur künstlichen Beschäftigung die geförderten Arbeitsverhältnisse neu gestaltet (Förderung von Arbeitsverhältnissen). Kritisch aus Sicht des ZDH ist hierbei, dass die Kriterien der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Inter- esses und der Wettbewerbsneutralität keine Geltung haben. Hierdurch ist grundsätzlich der Einsatz auch für handwerkliche Tätigkeiten möglich. 55 Handwerk für Branchen- Mindestlöhne

Seit dem Beschluss des CDU-Bundespar- Die Orientierung an der Zeitarbeitsbranche kritisiert das Hand- teitages zur Einführung einer allgemeinen Lohnuntergrenze werk von Beginn an als sachfremd. Es ist nicht nachvollzieh- am 14./15.11. gewinnt die Mindestlohndebatte in Deutschland bar, warum ein einzelner, nahezu willkürlich ausgewählter an Fahrt. Bereits im Vorfeld des Bundesparteitages legt der Wirtschaftszweig „Leitbranche“ für die in Deutschland gel- CDU-Arbeitnehmerflügel einen Antrag zur Einführung eines tende Tarifstruktur sein soll. Allein die Tatsache, dass Zeitar- allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohnes vor („Weil Arbeit beitnehmer branchenübergreifend eingesetzt werden, reicht WERTvoll ist. Menschen stabile Beschäftigung ermöglichen, insoweit als Argument nicht aus. Denn den branchenspezi- Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt entgegentreten“). Danach fisch sehr unterschiedlichen Entgelthöhen wird die allgemeine soll eine Kommission der Tarifpartner eine allgemeine Lohn- Lohn-untergrenze in der Zeitarbeitsbranche nicht gerecht. Der untergrenze festlegen, deren Höhe sich am Tarifabschluss der von der CDA vorgeschlagene Weg zur Festsetzung eines Min- Zeitarbeitsbranche orientiert. Zurzeit beträgt die Untergrenze in destlohns nach § 3a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz liefe in Westdeutschland 7,89 Euro und in Ostdeutschland 7,01 Euro. der Konsequenz überdies auf eine Instrumentalisierung der Zeitarbeitsbranche zum Zwecke einer staatlichen Lohnfest- Diese Pläne stoßen sowohl auf Seiten der Wirtschaft als auch setzung hinaus. des Wirtschaftsflügels der CDU auf heftigen Widerstand und nachdem die Bundeskanzlerin sich gegen eine Orientierung an Insofern ist zwar die neue Ausrichtung des CDU-Mindest- der Zeitarbeit ausspricht, wird folgender Kompromiss gefun- lohnkonzepts an den zehn AEntG-Mindestlohnbranchen zu den: Die betreffende Kommission soll eine Lohnuntergrenze begrüßen. Eine sachgerechte Orientierung an diese Branchen festlegen, die auch branchenspezifische und regionale Diffe- wird jedoch durch die große Spreizung der dort festgelegten renzierungen enthalten kann. In der Höhe orientiert sich die Mindeststundenlöhne erschwert: Sie reicht von 6,75 Euro Lohnuntergrenze nicht an der Zeitarbeit, sondern an den be- (Textilreinigung – Ost) bis 13,40 Euro (Baugewerbe – West). reits allgemein verbindlich erklärten Mindestlöhnen. Realistischerweise sollte sich die Höhe einer Lohnuntergrenze

56 5 Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht

auf einem Niveau bewegen, das mögliche negative Beschäf- Ein weiterer zentraler Aspekt wird der Umgang mit dem Ge- tigungseffekte im Niedriglohnbereich vermeidet und einem bot des Tarifvorrangs sein, das heißt mit der Frage, inwieweit Abdriften von Beschäftigung in Scheinselbstständigkeit und die festzulegende Lohnuntergrenze bestehende oder künftige Schwarzarbeit vorbaut. Lohntarifverträge verdrängt. Es müsste in jedem Fall sicherge- stellt werden, dass bestehende Mindestlohntarifverträge – sei Für das Handwerk ist von großer Bedeutung, dass laut es auf Basis des Tarifvertragsgesetzes oder des AEntG – nicht CDU-Parteitagsbeschluss Branchendifferenzierungen bei der von der Lohnuntergrenze verdrängt werden, auch wenn sie Festsetzung der Lohnuntergrenze möglich sein sollen. Das niedrigere Mindestlöhne vorsehen. Handwerk hat aufgrund seiner guten Erfahrungen mit bran- chenspezifischen Mindestlohntarifverträgen stets für Bran- Letztlich muss es dabei bleiben: Die Festlegung von (Min- chen-Mindestlöhne plädiert. Sie sind am besten geeignet, die dest-)Löhnen obliegt in erster Linie den Tarifvertragsparteien Gegebenheiten der jeweiligen Branche arbeitsmarktneutral der einzelnen Branchen im Rahmen der ihnen grundgesetz- abzubilden. In welcher Form aber bei einer allgemeinen Lohn- lich zugestandenen Tarifautonomie gemäß Art. 9 Abs. 3 GG. untergrenze Branchendifferenzierungen denkbar sind, die kei- Es sind die Tarifvertragsparteien, die aufgrund ihrer besseren nen stigmatisierenden Charakter für unter dem allgemeinen Marktkenntnisse und größeren Sachnähe die Lohn- und Wett- Niveau liegende Mindestlöhne haben, ist schwer vorstellbar. bewerbssituation in den jeweiligen Branchen besser beurteilen und dadurch passgenauere Lohnfestsetzungen treffen kön- Ungeklärt ist weiterhin die Frage, wie der Beschluss rechts- nen. Die nun ins Rollen gekommene Mindestlohndebatte darf technisch umgesetzt werden soll. Regularien zur Festsetzung die Gesetze und Bedingungen des Marktes nicht ignorieren. von Mindestlöhnen existieren bereits in ausreichendem Um- Erst recht darf die Diskussion um eine allgemein verbindliche fang, etwa über das Tarifvertragsgesetz, über das branchen- Lohnuntergrenze nicht zum politischen Spielball der Parteien spezifische allgemein verbindliche Mindestlöhne und Mindest- gemacht werden, was für die Sozialpartnerschaft und den Ar- arbeitsbedingungen auf nicht tarifgebundene inländische und beitsmarkt negative Folgen hätte. über das AEntG auch auf ausländische Arbeitgeber erstreckt werden können. Als Alternative zu einer gesetzlichen Lohn- untergrenze ist daneben auch die Einführung von branchen- spezifischen Mindestlöhnen über das Mindestarbeitsbedin- gungengesetz möglich, das insbesondere in Branchen mit geringer Tarifbindung ein interessantes Instrument darstellen kann. Angesichts der größeren Nähe zu den branchen- und re- gionalspezifischen Besonderheiten ist der Weg über diese Ge- setze jedenfalls einem gesetzlichen Mindestlohn vorzuziehen.

57

6 Recht

Bundes- verwaltungSgericht stärkt Meisterbrief In zwei Entscheidungen vom 31.8. (AZ. 8 C Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit 8.10; 8 C 9.10) stärkt das Bundesverwaltungsgericht nach- der Handwerkskammern für die Prüfung der Eintragungs- drücklich den Meisterbrief. Mit ausführlicher Begründung wird pflichtigkeit einer Tätigkeit anzweifelt, wird die künftige Ent- festgestellt, dass der Meisterbrief sowohl mit bundesdeut- wicklung abzuwarten sein. Der ZDH sieht es als eine der schem Verfassungs- als auch mit dem Europarecht vereinbar Kernkompetenzen der Handwerkskammern an, Gewerbe- ist. Einen überaus bedeutsamen Beitrag leisten die Entschei- treibende über alle Belange der Selbstständigkeit im Hand- dungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Inlän- werk zu informieren und zu beraten. derdiskriminierung. Der achte Senat stellt klar heraus, dass im Licht der HwO-Novelle 2003 von einer Inländerdiskriminierung beim Berufszugang zur selbstständigen Handwerksausübung keine Rede mehr sein kann. Zutreffend weist das Gericht da- rauf hin, dass sich die Berufszugangsvoraussetzungen nach Einfügung des § 7b HwO (sogenannte Altgesellenregelung) in die HwO für Inländer und EU-Ausländer weitestgehend ange- glichen haben. Insoweit könne von einer verfassungsrelevan- ten Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 GG nicht mehr ausge- gangen werden.

59 Scheitern als Gewinn für Europa – der Vorschlag für ein europäisches Vertragsrecht

Mit ihrem umfassenden Vorschlag zur Ein- erhoben. Dass der Bundestag erst zum zweiten Mal in der führung eines europäischen Vertragsrechts versucht die Eu- Geschichte zu diesem drastischen Mittel greift, zeigt die Bri- ropäische Kommission ihre gescheiterten Absichten bei der sanz und Bedeutung des Kommissionsvorhabens: Es könnte Verbraucherrechte-Richtlinie auf neue Beine zu stellen. Dabei richtungweisende Wirkung für kommende EU-Gesetze haben. scheinen die Brüsseler Beamten völlig außer Acht zu lassen, dass sowohl die betroffene Wirtschaft als auch Verbraucherver- Nun sind das Europäische Parlament und der Europäische bände einmütig keinen Bedarf für weitere Maßnahmen sehen. Rat gefragt, denen der Entwurf der Kommission zur Beratung vorliegt. Ein Scheitern des Projekts wäre nicht nur im Sinne In der Tat bestehen nach wie vor Hemmnisse im grenzüber- von Wirtschaft und Verbrauchern, sondern vor allem ein star- schreitenden Geschäftsverkehr. Allerdings sind diese nahezu kes Zeichen für das Funktionieren der Demokratie in Europa. ausschließlich sprachlichen und wirtschaftskulturellen Ur- Ob Parlament und Rat jedoch gewillt sind, Zeichen zu setzen, sprungs und gehen nicht auf etwaige Unterschiede der ver- bleibt abzuwarten. schiedenen Vertragsrechte der Mitgliedstaaten zurück. Die Wirkung des Verordnungsvorschlags geht deshalb nicht nur absehbar ins Leere, sondern führt zu weiterer Bürokratie. Im Ergebnis stellt er für Wirtschaft und Verbraucher eine bedau- erliche Lose-lose-Situation dar.

Widerstand leisten jedoch nicht allein die Betroffenen. Der Deutsche Bundestag sieht die Rechte der Mitgliedstaaten verletzt und hat eine entsprechende Rüge gegen das Projekt

60 6 Recht

Bundesregierung geht BEIM Bürokratieabbau in die Verlängerung Scheitern als Die Bundesregierung hat sich beim Bürokra- einen noch im Dezember 2011 gefassten Kabinettsbeschluss tieabbau ambitionierte Ziele gesetzt. Im Jahr 2011 werden in umzusetzen haben. Hierbei wird auch der Nationale Normen- diesem Bereich auch wichtige Entlastungserfolge erzielt. Das kontrollrat (NKR) eine wichtige Rolle spielen. So wird es insbe- ursprünglich geplante Abbauziel wird jedoch nicht erreicht. sondere darauf ankommen, dass dieser überprüft, dass das mühsam erreichte Entlastungsniveau nicht durch den Erlass Weit wichtiger als die mathematische, bis in die letzte Ziffer neuer bürokratischer Maßnahmen wieder auf den Stand von hinter dem Komma genaue Erreichung eines fast vor zwei vor zwei Jahren abgesenkt wird. Jahren ausgegebenen Ziels ist die tatsächliche Spürbarkeit der bereits erzielten Entlastungen für die Betriebe. Hier ist die Zusätzliche Schubkraft erfährt der Bürokratieabbau durch Bundesregierung im vergangenen Jahr ein großes Stück vo- einen Antrag der Regierungsfraktionen zum weiteren Abbau rangekommen. Dennoch müssen weitere Anstrengungen fol- bestehender Bürokratie. Die darin u. a. vorgesehenen Maß- gen, damit sich Handwerksbetriebe nicht um Bürokratie, son- nahmen gehen zu einem großen Teil auf Vorschläge des dern allein um das kümmern können, was wirklich zählt: gute ZDH zurück. Sie eignen sich, um enorme Entlastungspoten- Arbeit zu leisten und qualifizierten Nachwuchs auszubilden. ziale auszuschöpfen. Die Unterstützung durch den Bundestag ist von großer Wichtigkeit, da Bürokratieabbau nur gelingen Der Blick in die Zukunft verrät, dass die Bundesregierung sich kann, wenn alle Beteiligten dasselbe Ziel verfolgen. Denn Bü- weder auf ihren Lorbeeren ausruht noch sich wegen des ver- rokratieabbau gleicht nicht nur einem Marathonlauf, sondern patzten Ziels grämt. Stattdessen wird die Bundesregierung ist zugleich ein Mannschaftssport. im kommenden Jahr in enger Abstimmung mit der Wirtschaft

61 die Anerkennung von Berufsqualifikationen DIENT DER MOBILITÄT

Die Europäische Kommission legt im De- Ein Hauptanliegen der Europäischen Kommission ist die Ein- zember 2011 einen Entwurf zur Überarbeitung der Richtlinie führung sogenannter Europäischer Berufsausweise. Diese 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikati- sollen es EU-Bürgern erleichtern, grenzüberschreitend Dienst- onen vor. Diese „Anerkennungsrichtlinie“ ist erst seit dem leistungen zu erbringen oder dauerhaft eine abhängige oder 20.10.2007 geltendes Recht und regelt unter anderem die Vo- selbstständige Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat raussetzungen für den Zugang von EU-Bürgern zu den inlän- aufzunehmen. Das Handwerk verschließt sich nicht der Ein- dischen zulassungspflichtigen Handwerksberufen, die in der führung von Europäischen Berufsausweisen, macht aber Anlage A zur Handwerksordnung aufgelistet sind. Ihre Aner- deutlich, dass realistische Erwartungen an dieses neue In- kennungsregelungen gelten auch für deutsche Handwerker, strument geknüpft werden sollen. So können die Berechtigun- die im europäischen Ausland Leistungen erbringen, die dort gen, die aus einem Berufsausweis für Berufsträger resultie- einem Reglementierungsvorbehalt unterliegen. ren, umfänglicher sein, wenn die Mindestvoraussetzungen für diesen Beruf auf europäischer Ebene angeglichen sind, was Eine Überarbeitung der Richtlinie ist im Grunde nicht erfor- allerdings nur bei wenigen Berufen außerhalb des Handwerks derlich. Dennoch macht die Europäische Kommission sie zu der Fall ist. einem ihrer prioritären Vorhaben im Bereich der Binnenmarkt- politik. Vollmundig verkündetes Ziel ist es, die vorgeblich unzu- Des Weiteren begrüßt das Handwerk eine Stärkung der grenz- reichende Mobilität von EU-Bürgern im Binnenmarkt zu erhö- überschreitenden Behördenzusammenarbeit bei der Durch- hen und vermeintlich bestehende Erschwernisse abzubauen. führung von Verfahren zur Anerkennung von Berufsqualifikati- Dabei wird außer Acht gelassen, dass es in den meisten Fällen onen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass erforderliche gar keiner Anerkennung von Berufsqualifikationen bedarf, weil Überprüfungsfristen in nicht sachgerechter Weise gekürzt keine zulassungspflichtigen Tätigkeiten ausgeübt werden, die werden. Zudem dürfen eine grenzüberschreitende Behörden- Mobilität von EU-Bürgern dennoch moderat ausfällt. Gründe kooperation und die Einführung Europäischer Berufsausweise für eine zurückhaltende Nutzung des Binnenmarktes liegen da- nicht dazu führen, dass Zuständigkeiten und Kompetenzen her nicht im rechtlichen Bereich. Vielmehr sind die Ursachen in der Behörden des Zielstaates beschnitten werden. Das Hand- bestehenden Sprachbarrieren und Hemmschwellen zu sehen, werk steht zudem dem Ansinnen der Europäischen Kommis- sich in eine andere Gesellschaft zu integrieren. Konkrete Anreiz- sion einer „verstärkten Zusammenarbeit“ im Rahmen gemein- maßnahmen zur Migrationsförderung sind insoweit zielführend. samer Ausbildungsleitlinien mit dem Ziel einer Stärkung der automatischen Anerkennung kritisch gegenüber. Abzulehnen ist das Bestreben einer Überprüfung von Berufsregelungen in einem Verfahren der gegenseitigen Evaluierung.

Da die Thematik der Anerkennung von Berufsqualifikationen einen hohen Stellenwert für das Handwerk mit seinen knapp eine Million Betrieben in Deutschland hat, bringt sich der ZDH aktiv in das laufende Gesetzgebungsverfahren ein. 62 6 Recht

Evaluierungsphase zur Vorbereitung einer Überarbeitung der DIENSTleistungsrichtlinie

Die Umsetzung der im Jahre 2006 verab- rischen Betätigung im Binnenmarkt gestellt werden. Ein Test- schiedeten Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im szenario betrifft dabei den Bausektor. Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) ist seit dem 28.12.2009 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union formal abge- Auf dieser Basis ist mit dem Vorschlag weiterer gesetzgeberi- schlossen. Seit diesem Zeitpunkt evaluiert die Europäische scher Maßnahmen der Europäischen Kommission zu rechnen, Kommission die konkrete Umsetzung der Richtlinienvorga- die formal auf eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit des ben durch die Mitgliedstaaten. Hintergrund ist der zentrale Binnenmarktes abzielen. Es ist davon auszugehen, dass dabei Stellenwert der Dienstleistungswirtschaft im Bereich der Bin- u. a. das Erfordernis einer Reglementierung von Berufen hin- nenmarktpolitik der Europäischen Kommission. Ziel ist es, terfragt wird. Ein entsprechendes Vorgehen lehnt das Hand- das volle Potenzial des Dienstleistungssektors zu entfesseln, werk ab. Bei einer Reglementierung von Berufen handelt es insbesondere durch den Abbau bestehender Barrieren und sich nicht um „ungerechtfertigte Beschränkungen“ im Bereich Hemmnisse. des Binnenmarktes, wie die Europäische Kommission den An- schein zu erwecken versucht. Nach einem Prozess der gegenseitigen Evaluierung, bei dem sich die Mitgliedstaaten in kleinen Ländergruppen gegenseitig überprüfen (sog. Peer-Review), und einer allgemeinen Konsul- tation führt die Kommission derzeit sogenannte Kohärenztests (Performance Checks) durch. Dabei geht es darum, anhand der Ergebnisse von Fallstudien aufzuschlüsseln, welche recht- lichen Anforderungen an Unternehmen bei einer unternehme- 63

7 Berufliche Bildung

Fachkräftesicherung ist zentrale Herausforderung im Handwerk

Das Thema Fachkräftesicherung ist angesichts desweit haben in diesem Jahr zwar insgesamt 3,2 Prozent des sich verschärfenden Wettbewerbs um gut qualifizier- mehr Absolventen als im Vorjahr die allgemeinbildenden te Fachkräfte zu einer der zentralen Herausforderungen des Schulen verlassen. Der Anteil der Absolventen mit einem Handwerks geworden. So prognostiziert die OECD-Studie Haupt- und Realschulabschluss, die Hauptausbildungs- „Bildung auf einen Blick 2011“ eine in Deutschland deutlich klientel des Handwerks, ist dagegen deutlich zurückgegan- über das Angebot wachsende Nachfrage nach Arbeitskräf- gen. In Ostdeutschland sinkt die Zahl der Schulabsolventen ten mit einem Tertiärabschluss, darunter auch Meister und sogar um 8,1 Prozent und hat damit die Talsohle erreicht. Zu Techniker. Bereits in diesem Jahr zeigt eine Abfrage des ZDH, den rückläufigen Schulabgängerzahlen kommt bundesweit dass 41 Prozent der Betriebe, die im vergangenen Jahr neue ein Trend zur höheren Schulbildung hinzu. Er schränkt das Mitarbeiter einstellen wollten, einen erhöhten Aufwand bei der Bewerberpotenzial im Handwerk zugunsten der akademi- Mitarbeitersuche hatten. Hier blieben Stellen längere Zeit un- schen Bildung weiter ein. besetzt. Zusätzliche 27 Prozent äußern, dass geeignetes Per- sonal gar nicht zu finden ist. Dies gilt in besonderem Maße für Diese Entwicklung spiegelt sich bereits deutlich auf dem Kleinstbetriebe. Ausbildungsmarkt wider. So kann das Handwerk im Mai Grund für diese Entwicklung ist in erster Linie der demogra- 2011 bundesweit zunächst einen zweistelligen Zuwachs fiebedingte Rückgang der Schulabgängerzahlen bei einem an Ausbildungsvertragszahlen verzeichnen, da die Betriebe erhöhten Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Bun- nach den Erfahrungen im Vorjahr bereits frühzeitig begon- nen haben, Ausbildungsverträge zu schließen. Das deutliche Plus schmilzt jedoch bis Ende Oktober auf einen Rückgang der Vertragszahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um minus 0,6 Prozent ein. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Situation in Ostdeutschland zurückzuführen. Es gelingt nicht, alle angebotenen Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Trotz doppelter Abiturjahrgänge in mehreren großen Bundesländern sind Ende Oktober noch 10.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt.

65 Vor diesem Hintergrund initiieren das Bundesministerium für Über die rückläufigen Bewerberzahlen hinaus stellen man- Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium gelnde Ausbildungsreife und eine unzureichende Berufsorien- für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in Absprache mit der tierung große Herausforderungen für die Fachkräftesicherung Wirtschaft eine Informationsoffensive mit dem Slogan „Be- des Handwerks dar. Ein erfolgreiches Instrument zur Vorbe- rufliche Bildung – praktisch unschlagbar“. Die Initiative geht reitung leistungsschwacher Schulabgänger und -absolventen auf die Vereinbarung im Rahmen des Nationalen Paktes für in die betriebliche Ausbildung ist die Einstiegsqualifizierung. Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland zurück, Mit Übergangsquoten von über 60 Prozent hat sie sich in den durch öffentlichkeitswirksame Aktionen mehr leistungsstarke vergangenen Jahren bewährt. Umso mehr ist zu begrüßen, Jugendliche für eine Berufsausbildung zu gewinnen. Der Start dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erfolgt am 8.11.2011 mit einer Pressekonferenz unter Teilnah- der Argumentation des ZDH und weiterer Wirtschaftsverbän- me von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, Staatsse- de gefolgt ist und auf die Abschaffung der Einstiegsqualifizie- kretärin im Bildungsministerium Cornelia Quennet-Thielen, rung als betriebliches Instrument im Rahmen der Reform der Präsident Otto Kentzler und Präsident Dr. Ulrich Oesingmann arbeitsmarktpolitischen Instrumente verzichtet hat. (Bundesverband der Freien Berufe). Die Offensive informiert Um insbesondere Jugendliche mit Förderbedarf an eine be- über Aufstiegs- und Karrierewege der beruflichen Bildung. Sie triebliche Ausbildung heranzuführen, verpflichtet sich die Wirt- hat ihren Schwerpunkt im Internet und verweist auch auf die schaft im Rahmen des Ausbildungspaktes, 10.000 Plätze für Initiativen des Handwerks. Einstiegsqualifizierung mit gezielten Unterstützungsangeboten („EQ Plus“) einzuwerben. Unter der Federführung des BMBF und des ZDH wird in der ersten Jahreshälfte eine gemeinsa- me Sprachregelung zu EQ Plus entwickelt, die die Zielgruppe definiert und Beispiele geeigneter Fördermaßnahmen für die Teilnehmer auflistet.

66 7 Berufliche Bildung

Mehr Transparenz über ausländische Abschlüsse

Zum besser auszuschöpfen- Gleichwertigkeitsbescheinigung wie inländische Fachkräfte zu den Erwerbspotenzial gehören auch die in Deutschland leben- behandeln. Soweit sich ein wesentlicher Qualifikationsunter- den Migrantinnen und Migranten. Diese Personengruppe hat- schied zeigt, wird dieser in einem formalen Bescheid konkret te bislang häufig Schwierigkeiten, eine qualifikationsadäquate beschrieben. Damit ist nach Abschluss eines Anerkennungs- Beschäftigung zu finden, da ihre im Ausland erworbenen Ab- verfahrens auch ersichtlich, ob und in welchem Umfang ein schlüsse und Bildungszertifikate hierzulande nicht hinreichend Nachqualifizierungsbedarf besteht. Hierauf kann mit möglichst bekannt sind. Für die Unternehmen ist es schwierig einzu- passgenauen Qualifikationsangeboten reagiert werden. schätzen, ob Menschen mit ausländischen Zeugnissen ihren betrieblichen Anforderungen genügen. Die Bewertung handwerklicher Berufsqualifikationen wird – diese Forderung stellt der ZDH von Anfang an – von den Um die Integration von ausländischen Fachkräften in den deut- Handwerkskammern durchgeführt werden. Um bundesweit schen Arbeitsmarkt zu erleichtern, legt die Bundesregierung möglichst einheitliche und transparente Verfahren sicherzu- im März 2011 den Entwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung stellen, nimmt der ZDH dabei koordinierende Aufgaben wahr der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener und engagiert sich u. a. in den vom Bund geförderten Pro- Berufsqualifikationen“ vor. Der ZDH begleitet das Gesetzge- jekten zur Flankierung der Umsetzung des Anerkennungs- bungsverfahren im Deutschen Bundestag und Bundesrat von gesetzes: Hierzu zählen der vom BMWi geförderte Aufbau Anfang an konstruktiv und bringt als einziger Spitzenverband eines Informationsportals über ausländische Berufsqualifikati- der Wirtschaft ein eigenes Modell für ein Verfahren zur An- onen (www.bq-portal.de) und das vom BMBF geförderte Pro- erkennung ausländischer Berufsqualifikationen ein, von dem jekt PROTOTYPING, das vom Westdeutschen Handwerks- viele Anregungen in dem neuen Gesetz aufgegriffen werden. kammertag durchgeführt und bildungspolitisch vom ZDH So gelingt es sicherzustellen, dass keine „Gleichmacherei“ auf gesteuert wird (www.handwerk-nrw.de/prototyping-online). Kosten des deutschen Berufsbildungsniveaus erfolgt, sondern eine Gleichwertigkeit nur dann bescheinigt wird, wenn keine Für die Umsetzung des Anerkennungsgesetzes haben sich die wesentlichen inhaltlichen Unterschiede zwischen der auslän- Handwerkskammern untereinander auf ein Leitkammersystem dischen und der deutschen Qualifikation bestehen. verständigt. Hierbei spezialisieren sich einzelne Kammern auf bestimmte Herkunftsländer und übernehmen die Bewertungs- Ab April 2012 können alle Zuwanderer feststellen lassen, ob verfahren für Abschlüsse aus dem jeweiligen Land auf Anfrage und in welchem Maße ihre im Ausland erworbenen Qualifika- auch für andere Kammern. Um eine ortsnahe und kunden- tionen einem deutschen Berufsabschluss gleichwertig sind. orientierte Betreuung und Beratung in Anerkennungsfragen Ist das Ergebnis des Verfahrens positiv, sind die Inhaber einer sicherzustellen, werden jedoch die örtlichen Handwerkskam-

67 mern im direkten Kontakt mit den Anerkennungsuchenden stehen. Eine umfassende Verlagerung der Verfahren auf Zen- traleinrichtungen lehnt der ZDH vor allem wegen der fehlenden Kundennähe ab.

Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) Zu einem weiteren Instrument der Fachkräftesicherung durch Aus den Ergebnissen einer etwa einjährigen Erprobungsphase eine Attraktivitätssteigerung des dualen Berufsbildungssys- an ausgewählten Berufen leitet die Wirtschaft ab, sämtliche tems kann sich der Deutsche Qualifikationsrahmen für le- 3- bis 3,5-jährigen Ausbildungsberufe nach HwO und BBiG benslanges Lernen (DQR) entwickeln. Er setzt den Europäi- dem Niveau 4 des DQR sowie die 2-jährigen Ausbildungsbe- schen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) rufe dem Niveau 3 zuzuordnen. Qualifikationen der beruflichen in Deutschland um. Ziel ist zum einen eine stärkere Beteili- Fortbildung nach HwO bzw. BBiG sollen den DQR-Niveaus 5 gung junger Menschen an transnationaler Mobilität zu Bil- bis 7 zugeordnet werden. Für die Meisterqualifikation wird das dungszwecken auf der Grundlage einer verbesserten, euro- DQR-Niveau 6 und damit die Gleichwertigkeit zum hochschu- paweiten Transparenz von Qualifikationen. Zum anderen soll lischen Bachelor identifiziert. die Durchlässigkeit im Bildungssystem verbessert sowie die Gleichwertigkeit von Qualifikationen aus unterschiedlichen Bil- Seit der Veröffentlichung des DQR (Einführung, Matrix und dungsbereichen, insbesondere zwischen Berufsbildung und Glossar) im März 2011 sind die Arbeiten ins Stocken geraten. Hochschulbildung, befördert werden. Aus diesem Grund soll Wesentlicher Grund hiefür ist die Position der Kultusminister- der DQR sämtliche allgemeinbildenden, beruflichen und aka- konferenz der Länder (KMK), die allgemeine Hochschulreife demischen Qualifikationen des deutschen Bildungssystems mit Niveau 5 einem höheren Niveau zuzuordnen als die Mehr- umfassen und bildet diese analog zum EQR in einer achtstu- zahl der 3- bis 3,5jährigen Ausbildungsberufe. Damit stellt sich figen Skala ab. die KMK gegen die übereinstimmenden Positionen der Wirt- schaftsorganisationen und Sozialpartner, des Bundes und der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder. Sie alle betonen die Gleichwertigkeit sämtlicher 3- bis 3,5-jährigen Ausbildungsbe- rufe mit der allgemeinen Hochschulreife.

Die Wirtschaft lehnt den Vorschlag der KMK entschieden ab. Eine Einstufung des Abiturs in den DQR über den 3- bis 3,5-jährigen Berufsabschlüssen würde für die Berufsbildung einen deutlichen Attraktivitätsverlust bedeuten, insbesondere im Vergleich zu akademischen Bildungsangeboten. Gegen- über leistungsstarken Jugendlichen wäre es kaum noch ver- mittelbar, weshalb nach dem Erwerb des Abiturs noch eine „niederstufige“ Qualifikation erworben werden sollte. Dies würde zu einer Umlenkung von Bildungsströmen in Richtung Hochschule und zu einer Verschärfung des Fachkräfteman- gels führen. Für das Handwerk ist dies inakzeptabel.

68 7 Berufliche Bildung

Stärkung der Weiterbildung

Eine weitere wichtige Säule zur Sicherung des Entwicklungen nachhaltig und erfolgreich zu führen. Im Ver- Fachkräftebedarfs stellt die kaufmännische Weiterbildung im gleich zu den bisherigen Kammerregelungen ist die neue bun- Handwerk dar. Dafür sind moderne Prüfungen maßgebend, desweite Verordnung stärker darauf fokussiert, dass komplexe die die aktuellen Anforderungen an Betriebsinhaber im Hand- wirtschaftliche Zusammenhänge reflektiert und für die Ent- werk widerspiegeln. wicklung konkreter Unternehmensstrategien genutzt werden Vor diesem Hintergrund und um die Attraktivität der Fortbil- können. Die Fortbildung ermöglicht den Teilnehmern, Strate- dung im Handwerk zu stärken, werden im Jahr 2011 sowohl gien für das Unternehmen zu entwickeln und diese Strategie- eine bundeseinheitliche Fortbildung zum „Geprüften Betriebs- ziele operativ umzusetzen. Problemlösungsprozesse werden wirt/Geprüften Betriebswirtin nach der Handwerksordnung“ ausgearbeitet, Dienstleistungen ziel- und kundenorientiert ge- erarbeitet als auch die Prüfungsvorschriften für Teil III der staltet. Die Implementierung der neuen Verordnung wird durch Meisterprüfung umfassend überarbeitet. die Bereitstellung von Fördermitteln durch das BMBF unter- stützt. Für die ehrenamtlichen Prüfungsausschussmitglieder und deren Vertreter werden bedarfsgerechte Hilfen erarbeitet. Geprüfte Betriebswirte im Handwerk Die Anforderungen an Meister und Führungskräfte in den Handwerksunternehmen steigen stetig an. Aus diesem Grund ist ein betriebswirtschaftlich fundiertes und strategisch orien- tiertes Verständnis der Unternehmensführung Ziel der neuen bundesweiten Verordnung zum anerkannten Fortbildungsab- schluss „Geprüfter Betriebswirt/ Geprüfte Betriebswirtin nach der Handwerksordnung“, die am 1. April 2011 in Kraft tritt. Künftige Betriebswirte werden befähigt, Unternehmen unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer

69 Meisterprüfung Teil III Mit der Modernisierung der „Verordnung über gemeinsa- me Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk und in handwerksähnlichen Gewerben“ werden die betriebswirt- schaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Prüfungsinhalte (Teil III) der Meisterprüfung umfassend überarbeitet. Die neuen Prüfungsvorschriften treten zum 1.1.2012 in Kraft. Die unter- Rahmenlehrpläne nehmerischen Kompetenzen in den verschiedenen Phasen Als Richtschnur für die Gestaltung der betriebswirtschaftli- eines Unternehmenslebenszyklus spiegeln sich in drei Hand- chen Vorbereitungslehrgänge werden für beide Fortbildungen lungsfeldern der neuen Prüfung wider: „Wettbewerbsfähigkeit handlungsorientierte Rahmenlehrpläne erarbeitet, die die neu- von Unternehmen beurteilen“, „Geschäfts- und Unternehmens- en Prüfungsanforderungen aufgreifen. Der DHKT-Ausschuss prozesse planen und steuern“ sowie „Unternehmensführungs- Berufsbildung verabschiedet im November 2011 die Rah- strategien entwickeln“. menlehrpläne und empfiehlt sie den Handwerkskammern zur Anwendung. Die Rahmenlehrpläne dienen der Sicherung bundesweit vergleichbarer Qualitätsstandards. Sie zeichnen sich durch Praxisnähe und Kompetenzorientierung aus, um die berufliche Handlungsfähigkeit sowie die unternehmerische Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Lernenden zu fördern. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der hohen Qualität und Attraktivität der beruflichen Aufstiegsfort- bildungen im Handwerk geleistet.

70 7 Berufliche Bildung

Entwicklung der bestandenen Meisterprüfungen in den Gesundheitshandwerken –E ntwicklungAugenoptiker, der bestandenen Hörgeräteakustiker, Meisterprüfungen Orthopädietechniker, in den Gesundheitshandwerken Orthopädieschuhmacher, Zahntechniker – im– A ugenoptiker,Zeitraum 2000 Hörgeräteakustiker, bis 2010 Orthopädietechniker, Orthopädieschuhmacher, Zahntechniker – im Zeitraum 2000 bis 2010

1.600 35.000

1.400 30.000

1.200 25.000

1.000 20.000 800 15.000

600 Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen insgesamt

in den Gesundheitsberufen 10.000 400

Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen 200 5.000 Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen ingesamt Meisterprüfungen Anzahl der bestandenen

Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen in den Gesundheitsberufen 0 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Jahr

Bestandene Meisterprüfungen insgesamt Gesundheitsberufe insgesamt Gesundheitsberufe, Frauen

Fachkräftesicherung durch Qualifizierung: Fachkräftesicherung durch Qualifizierung: Die DieZahl derZahl bestandenen der bestandenen Meisterprüfungen Meisterprüfungen in den Gesundheitshandwerken in den Gesundheitshandwerken hat in hat in den letzten 10 Jahren einen Zuwachs denvon letzten 9,2 10 ProzentJahren einen erfahren. Zuwachs Dasvon 9,2 ist Prozent insbesondere erfahren. Das auf ist insbesondas gestiegene- Interesse der jungen Frauen an einer Weiterquali- dere auf das gestiegene Interesse der jungen Frauen an einer Weiterqualifizierung zurückzuführen.fizierung zurückzuführen.Insgesamt haben in diesem Insgesamt Zeitraum haben 6.490 junge in diesem Frauen dieZeitraum 6.490 junge Frauen die Meisterprüfung erfolgreich abgelegt. MeisterprüfungIm Vergleich erfolgreich von 2010abgelegt. zu Im 2000 Vergleich entspricht von 2010 daszu 2000 einem entspricht Zuwachs von 92 Prozent. Der Frauenanteil hat sich damit in diesen das Berufeneinem Zuwachs von 29von Prozent92 Prozent. auf Der 50 Frauenanteil Prozent hat erhöht. sich damit in diesen Berufen von 29 Prozent auf 50 Prozent erhöht. 71

8 Europapolitik

Es geht ums Geld: EU-Haushalt und Programme Im Juni 2011 stellt die EU-Kommission ihren Für die einzelnen Haushaltslinien sind Ende 2011 die Pro- Vorschlag für den neuen EU-Haushalt der Jahre 2014–2020 grammvorschläge präsentiert worden, die im Jahr 2012 wie vor. Die Verhandlungen um die Höhe der Mittel und deren Ver- der Gesamthaushalt in EP und Rat beraten werden. teilung prägen dementsprechend die Brüsseler Diskussionen in diesem Jahr. Die Herausforderungen an den neuen Haus- halt sind klar: Wachstumsimpulse setzen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und KMU angespannten Budgets der Mitgliedstaaten berücksichtigen. Für KMU ist ein spezielles Programm mit insgesamt 2,5 Mil- Der am 29.6.2011 vorgelegte Kommissionsvorschlag plant liarden Euro geplant. Zentraler Bestandteil sind die KMU- eine Ausgabensteigerung um 5 Prozent. Das Gesamtbudget Finanzinstrumente mit 1,4 Milliarden Euro. Hierbei wird die liegt dann bei 1.025 Milliarden Euro. Die größten Budgetpos- ZDH-Forderung nach einem ausgewogenen Verhältnis zwi- ten sind weiterhin die Agrarpolitik mit 387 Milliarden Euro und schen Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumenten im Kom- die Kohäsionspolitik mit 376 Milliarden Euro. Die umstrittenen missionsvorschlag umgesetzt. nationalen Sonderrabatte soll es zukünftig in der bisherigen Zudem soll in diesem Programm das Enterprise Europe Net- Form nicht mehr geben. Stattdessen sehen die Pläne Decke- work (EEN) finanziert werden, über das u. a. Information und lungen der Beiträge für jene Mitgliedstaaten vor, die ansonsten Beratung für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit und im Verhältnis zu ihrem relativen Wohlstand eine übermäßige Finanzierung angeboten wird. Haushaltslast zu schultern hätten. Für Deutschland würde Die dritte große Ausgabensäule stellt das Mobilitätspro- dies eine Vergünstigung in Höhe von ca. 2,5 Milliarden Euro gramm „Erasmus für Unternehmer“ dar. Zukünftige Unter- bedeuten. Nun sind das Europäische Parlament (EP) und der nehmer und in geringerem Umfang auch Gründer bekommen Rat am Zug. Bei den Mitgliedstaaten gehen die Meinungen die Möglichkeit, Erfahrungen bei erfahrenen Unternehmern auseinander. Deutschland etwa hält die Budgetsteigerung für in einem anderen EU-Land zu sammeln. In Aufenthalten von zu hoch. ein bis sechs Monaten arbeiten Gast und Gastgeber eng zusammen und lernen voneinander. Sie arbeiten sich nicht nur in das Geschäftsleben im entsprechenden Bereich ein, sondern gewinnen auch einen Eindruck von den Chancen, die ihnen der europäische Binnenmarkt bietet. Universitäten und Kammern können sich als Vermittlungsstellen für dieses Programm bewerben.

73 Regionalpolitik: Neue Verordnungsvorschläge

Für die wirtschaftliche Entwicklung in den Die Gesamtausrichtung setzt aus Sicht des ZDH die richti- Regionen sind die europäischen Struktur- und Kohäsions- gen Schwerpunkte. Auch die vorgesehene Mittelausstattung fondsmittel von großer Bedeutung. Das Handwerk als lokal ist angesichts des notwendigen Wachstums sinnvoll: Mit 376 verankerter Wirtschaftszweig ist daher ein wichtiger Akteur Milliarden Euro bleibt die Kohäsionspolitik auf einem konstant in der Regionalpolitik. Am 6.10.2011 legt die EU-Kommis- hohen Niveau. Durch die intensiven und regelmäßigen Ge- sion die mit Spannung erwarteten Vorschläge für die neue spräche der Handwerksorganisation mit dem zuständigen Ge- Förderperiode ab 2014 vor. Das Verordnungspaket besteht neraldirektor Dr. Dirk Ahner kann erreicht werden, dass auch im Wesentlichen aus Regelungen für den Fonds für Regio- in Zukunft die Förderung von KMU einer der Hauptaspekte nale Entwicklung (EFRE), den Kohäsionsfonds, dem Land- sein wird. Es ist zudem ein Erfolg, dass weiterhin alle Regionen wirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums Deutschlands förderberechtigt sind. Mit Blick auf einen effizi- (ELER) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF). enteren Mitteleinsatz ist der Vorstoß der Kommission für eine bessere Verzahnung zwischen den Fonds sehr zu begrüßen. 2012 laufen die Beratungen im Europäischen Parlament und im Rat an. Der ZDH steht in engem Kontakt mit den relevanten Entscheidungsträgern, um die Anforderungen des Handwerks frühzeitig zu platzieren. Gezielter Nachbesserungsbedarf be- steht in der Verordnung für den ESF. In vielen Regionen wird die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) im Hand- werk mit ESF-Mitteln gefördert. Das muss auch weiterhin möglich sein, weshalb sich der ZDH für eine entsprechende Anpassung des Textentwurfs einsetzt.

74 8 Europapolitik

KMU-WOCHE thematisiert die Innovationsförderung

Ein besonderes Augenmerk der europäischen rung. Anschließend diskutieren der stellvertretende General- Strukturpolitik liegt auf der Förderung von innovativen Unter- direktor für Forschung und Innovation in der EU-Kommission, nehmen in den Regionen. Alleine in Deutschland fließen aktuell Dr. Rudolf Strohmeier, der Europaabgeordnete Dr. Markus Pie- 4,6 Milliarden Euro in den Bereich Forschung, Innovation und per (CDU) und der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregie- technologische Entwicklung – damit lässt sich viel bewegen. rung, Ernst Burgbacher, gemeinsam mit ZDH-Generalsekretär Die mit diesen Mitteln ermöglichten niedrigschwelligen Unter- Holger Schwannecke und seinem DIHK-Kollegen Dr. Martin stützungsangebote sind besonders für die Betriebe des Hand- Wansleben. Es geht um Vereinfachungen beim Antragsverfah- werks von großer Bedeutung. Aus diesem Grund organisiert ren, um das Zusammenspiel mit nationalen Programmen und der ZDH gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium die große Bedeutung der EU-Förderung für die Weiterentwick- und DIHK die zentrale deutsche Veranstaltung als Europasym- lung der Regionen. posium zum Thema „Innovationsförderung für KMU in den Re- gionen“. Einmal mehr beweist die Veranstaltung, wie wichtig es für das Handwerk ist, sich aktiv und frühzeitig in die europäische und Am 14.10.2011 zeigen ausgewählte Beispiele aus Sachsen, regionale Ausgestaltung der Programme einzubringen. Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen die beispiel- hafte Nutzung der Strukturfonds-Mittel für Innovationsförde-

Europasymposium im Meistersaal: Holger Schwannecke, Ernst Burgbacher, Michaela May (Moderation), Dr. Rudolf Strohmeier, Dr. Markus Pieper, MdEP, und Dr. Martin Wansleben (v. l.) 75 Forschung & Innovation: Horizont 2020

Im neuen EU-Haushaltsplan werden alle Mittel für Forschung und Innovation unter einem Dach zusammen- geführt und von 45 Milliarden auf 80 Milliarden Euro aufge- stockt. Auch alle Fördermittel für KMU, die bislang im Pro- gramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) geführt Bildung & werden, sind nun in das große Rahmenprogramm integriert. Das neue Programm deckt den gesamten Innovationszyklus Mobilität: ab: von Machbarkeitsstudien über die eigentliche Entwicklung der Innovation bis hin zur Vermarktung des Produkts. Das ist Erasmus ein positiver Ansatz. Zudem stehen 6,8 Milliarden Euro speziell für KMU zur Verfügung, die nun auch von Einzelunternehmen Für Alle beantragt werden können. Auch bei der Bildung sollen alle betreffenden Nach wie vor ist die Bildung von grenzüberschreitenden Kon- Programme zusammengeführt werden. Das neue Programm sortien notwendig. Für eine vereinfachte Abwicklung sollen „Erasmus für alle“ hat ein Gesamtbudget von 19 Milliar- verstärkt Pauschalsummen ausgereicht werden. Dieses Er- den Euro, was einem Zuwachs gegenüber der laufenden För- gebnis zeigt, dass sich die beharrlichen Bemühungen des derperiode um rund 70 Prozent entspricht. Für das Handwerk ZDH für eine KMU-gerechte Innovationsförderung auf europäi- von besonderer Bedeutung sind darin die Maßnahmen im Be- scher Ebene gelohnt haben. reich des lebenslangen Lernens und der beruflichen Bildung, deren Förderung immerhin 17 Prozent des Budgets ausmacht. Es ist ein großer Erfolg, dass die Berufliche Bildung und die Lernmobilität nun noch stärker in den Blick der EU-Politik rü- cken. Für die weiteren Beratungen in Parlament und Rat wird sich der ZDH um die Aufstockung dieser Mittel bemühen.

Der ZDH bringt das deutsche duale Ausbildungssystem als beispielhaft in die Diskussionen mit Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten ein. Diese Bemühungen tragen Früchte: Auch bei der Ende 2011 vorgelegten Initiative „Chancen für junge Menschen“ zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa wird dem deutschen Modell der dualen Ausbildung der verdiente Stellenwert eingeräumt. Das Handwerk als Aus- bilder Nummer eins ist dazu ein geschätzter Gesprächspart- ner – in Berlin ebenso wie in Brüssel.

76 8 Europapolitik

Energieeffizienz nur mit dem Handwerk Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger im Gespräch mit Otto Kentzler und Holger Schwannecke in Brüssel.

Erasmus [Foto: Kentzler, Öttinger, Schwan- Für Alle neck – Foto kommt per CD]

Der deutsche EU-Kommissar Eine zweite wichtige Forderung des Handwerks ist die Be- Günther Oettinger legt die Richtlinie zur Energieeffizienz vor, rücksichtigung des Qualifikationsstandards unserer Fachleute. von der auch das Handwerk in großem Maße betroffen ist. Das Weitere Zertifizierungsanforderungen müssen diesem hohen Handwerk ist der Umsetzer der europäischen Strategie zum Ausbildungsniveau im deutschen Handwerk Rechnung tragen nachhaltigen Umbau der Wirtschaft beim Kunden und wird und dürfen nicht zu weiteren Kosten für die Betriebe führen. maßgeblichen Anteil daran haben, die EU-Klimaziele zu errei- In konstruktiven Gesprächen mit EU-Kommissar Oettinger chen. Dazu ist es notwendig, dass Marktstrukturen geschaf- und den zuständigen Europa-Parlamentariern verdeutlicht das fen werden, die das volle Potenzial der kleinen und mittleren Handwerk seinen Standpunkt und bringt sich mit konkreten Unternehmen ausschöpfen. Vorschlägen in die Beratungen ein.

77 Neuer Schwung für die Mittelstandspolitik

Gerade vor dem Hintergrund der schwie- Ende 2011 wird der Aktionsplan zur Verbesserung des Finan- rigen ökonomischen und fiskalischen Situation in vielen Mit- zierungszugangs für KMU vorgestellt. Darin werden zahlreiche, gliedstaaten ist die Unterstützung für kleine und mittlere Un- bisher in unterschiedlichen Programmen enthaltene Maßnah- ternehmen in Europa auch 2011 ein zentrales Thema. Neue men zusammengeführt und durch Vorschläge für verbesserte Beschäftigung und stabile Verhältnisse sind nur mit starken Rahmenbedingungen ergänzt. und gesunden KMU zu erreichen. Dazu legt die EU-Kommis- sion im Februar eine Überprüfung und Weiterentwicklung des Im neuen KMU-Programm COSME wird eine Kreditfazilität Small Business Act vor. Das Ziel: die Mittelstandspolitik an die in Höhe von rund 750 Millionen Euro bereitgestellt. Dadurch neuen Prioritäten der Europa-2020-Strategie für intelligentes, sollen Rück- und Direktbürgschaften für Kredite bis maximal nachhaltiges und integratives Wachstum anpassen. Der ZDH 150.000 Euro ermöglicht werden. Für forschungs- und inno- beteiligt sich im Vorfeld aktiv an der Entstehung und fordert vationsorientierte KMU sieht das „Horizont 2020-Programm“ eine klare Schwerpunktsetzung auf Finanzierung und weitere Darlehen vor. Die Fortführung dieser klassischen Finanzie- Anstrengungen im Bereich der besseren Rechtsetzung. Dies rungsinstrumente ist ein großer Erfolg für das Handwerk. wird in der Mitteilung der Kommission aufgegriffen. Darüber hinaus stehen der Zugang zu Märkten und eine bessere Steu- Ergänzend dazu soll auch der Zugang zu Risikokapital für erung der SBA-Umsetzung im Zentrum der neuen Prioritäten. KMU erleichtert werden, u. a. durch eine Eigenkapital-Fa- zilität im COSME für Investitionen in der Wachstumsphase. Zur besseren Vernetzung der Aktivitäten in den Mitgliedstaa- Auch durch Horizont 2020 soll Risiko- und Mezzaninekapital ten ruft der KMU-Beauftragte der EU-Kommission, Daniel Calleja-Crespo, ein Netzwerk nationaler KMU-Zuständiger ins Leben. Deutschland wird bei den regelmäßigen Treffen durch Dr. Eckhard Franz, Leiter Abteilung Mittelstand im BMWi, ver- treten. Zugang zu Finanzierung Eine der wichtigsten Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Betriebe ist ein funktionierender Zugang zu Finanzierungsmit- teln. Daher ist die Schwerpunktsetzung der EU-Kommission zu diesem Thema von großer Bedeutung. Neben der strategi- schen Einbettung im SBA wird das von Kommissions-Vizepräsi- dent eingerichtete KMU-Finanzforum fortgesetzt. Hier findet ein Basel III: Hochrangiges Gespräch in Brüssel mit Dr. Christoph Leitl (Präsident WKÖ), intensiver Dialog zwischen EU-Kommission, Banken und KMU- Sven Giegold und Burkhard Balz (beide Europaabgeordnete), Prof. Dr. Heinrich Vertretern zu geplanten und wünschenswerten Initiativen statt. Driftmann (Präsident DIHK) und Karl-Sebastian Schulte (Geschäftsführer ZDH)

78 8 Europapolitik

für KMU in der Frühphase bereitgestellt werden. Durch ver- lastungen führen. Es soll aber auch weiterhin das Prinzip „Vor- stärkte Beratungsleistungen, die Überprüfung von Beihilfe- fahrt für KMU“ gelten, was eine grundsätzlich mittelstands- regelungen und die Förderung qualitativer Ratings sollen die freundliche Rechtsetzung bedeutet. Rahmenbedingungen für den Zugang zu Finanzierung weiter Doch wo drückt der Schuh in den Unternehmen? Das will verbessert werden. auch Dr. Marianne Klingbeil als Verantwortliche für Bürokra- tieabbau in der EU-Kommission wissen. Die stellvertretende Die Umsetzung von Basel III und die damit einhergehenden Generalsekretärin folgt deshalb der Einladung ins nordrhein- höheren Eigenkapitalanforderungen sind für die Kreditvergabe westfälische Handwerk zum Gespräch mit Unternehmern. Der an KMU relevante Aspekte. Die Beratungen hierzu laufen. Der Dialog wird von allen Beteiligten als voller Erfolg gewertet und ZDH setzt sich für eine mittelstandsverträgliche Ausgestaltung Dr. Klingbeil ist gerne bereit, diesen Austausch mit dem deut- ein. Dazu werden in Brüssel Gespräche mit Europaabgeord- schen Handwerk fortzusetzen. neten geführt. Intelligente Regulierung bringt „Vorfahrt für KMU“ Das Thema Abbau von Verwaltungslasten für kleine und mittle- re Unternehmen wird auf höchster politischer Ebene platziert. Die Staats- und Regierungschefs fordern von der EU-Kom- mission Vorschläge für weitere Erleichterungen und mög- liche Ausnahmen für Kleinstunternehmen. Dazu schlägt die Kommission im November eine Reihe von Maßnahmen vor: Unter anderem sollen die Sozialpartner und kleine Unterneh- men stärker in den Konsultationsprozess vor neuen Rechtset- zungsvorschlägen einbezogen werden. Zudem sind Konferen- zen in den Mitgliedstaaten geplant, um spezifische Probleme der Unternehmen zu beraten. Der weitreichendste Vorschlag der Kommission besteht in einer generellen Ausnahme von Die Hauptverantwortliche für Bürokratieabbau in der EU, Dr. Marianne Klingbeil, trifft Handwerksunternehmer in Düsseldorf Kleinstunternehmen aus künftigen Gesetzgebungsinitiativen, sofern nicht die Notwendigkeit ihrer Aufnahme in den Anwen- dungsbereich begründet wird. Diese Ausnahme soll in den KMU-Test aufgenommen werden. Aus Sicht des Handwerks können Ausnahmeregelungen in Einzelfällen zu wirklichen Ent-

79

9 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Medienpolitik IM FOKUS

Bei der Neuordnung der Finanzierung des öf- men zeigt. Der Wirtschaftsbereich Handwerk muss hier oft als fentlich-rechtlichen Rundfunks hat sich das Handwerk im Jahr Motivlieferant für traditionelle Werkstattbilder herhalten. Viele 2010 erfolgreich für substanzielle Verbesserungen bei der Be- wichtige und interessante Aspekte, die das Handwerk und rechnung der Beitragslast für Betriebe eingesetzt. In der Folge seine Unternehmer und Mitarbeiter charakterisieren, werden des Engagements ist der Bereich Medienpolitik insgesamt ausgeblendet. Das gilt sowohl für das Handwerk als moder- als von übergeordnetem Interesse identifiziert und das Enga- nen Arbeitgeber als auch für das breit gefächerte soziale und gement im Jahr 2011 für diesen Bereich noch einmal verstärkt gesellschaftliche Engagement der Handwerksbetriebe und ih- worden. rer Mitarbeiter.

Im Zentrum der Arbeit steht der ZDH-Arbeitskreis Medienpoli- Das Handwerk wird darüber hinaus auch bei der Stoffent- tik unter Leitung des Vorsitzenden des Rundfunkrats des Bay- wicklung in fiktionalen Programmen als Wirtschafts- und Ge- erischen Rundfunks Bernd Lenze. Der Arbeitskreis wird von sellschaftsgruppe nicht berücksichtigt. Verglichen mit seiner den Vertretern des Handwerks in den Gremien des öffentlich- wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung ist das rechtlichen Rundfunks und der Landesmedienanstalten zum Handwerk eklatant unterrepräsentiert. Ein qualitativ hochwerti- regelmäßigen intensiven Erfahrungsaustausch genutzt und ges Programm muss jedoch die Erfüllung des Funktionsauftra- soll helfen, die neuen und die bekannten Aufgaben der Gremi- ges in allen Programmbereichen ernst nehmen. Dazu gehört enmitglieder effektiver zu bewältigen. dann auch, das Handwerk als Arbeits- und Lebensbereich für eine Million Unternehmerfamilien, 5 Millionen Beschäftigte und Der Arbeitskreis Medienpolitik arbeitet dauerhaft an einer 500.000 Auszubildende in allen Programmbereichen ange- grundsätzlichen Positionierung des Handwerks zur Zukunfts- messen darzustellen. entwicklung des dualen Rundfunksystems in Deutschland und führt in diesem Zusammenhang vor allem eine intensi- Die Schwerpunktsetzung auf das Thema Medienpolitik mün- ve Qualitätsdiskussion in Bezug auf die öffentlich-rechtlichen det im Januar 2012 in ein ZDH-Forum, das das Handwerk Sendeanstalten. Betont wird die Notwendigkeit für die Öf- als medienpolitischen Akteur nach innen und außen sichtbar fentlich-Rechtlichen, sich auf die Kernaufgaben des Auftrags macht. Darüber hinaus befasst sich der Gemeinschaftsaus- zu konzentrieren und hochwertig zu informieren und zu un- schuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft unter Mitar- terhalten. Beschränken muss sich der öffentlich-rechtliche beit des ZDH in den Jahren 2011 und 2012 mit der Darstellung Rundfunk überall dort, wo privatwirtschaftliche Initiative ein- des Wirtschafts- und Unternehmerimages in ausgewählten geschränkt wird. Serienprogrammen sowohl der privaten als auch der öffent- lich-rechtlichen Sendeanstalten. Die kritische Auseinandersetzung gilt dabei sowohl der Wirt- schaftsberichterstattung als auch den fiktionalen Program- men. Kritisiert wird vor allem die Unausgewogenheit der Wirt- schaftsberichterstattung, die sich etwa in der Tendenz zur Boulevardisierung und zur Konzentration auf Verbraucherthe-

81 mon Gosejohann stellt auf einer Pressekonferenz in Berlin ei- nen Internet-Berufechecker vor und eröffnet eine Ausstellung ZDH-Forum mit mannshohen Info-Daumen zu allen Handwerksberufen auf dem Berliner Alexanderplatz. Die Pressekonferenz wird zum Das ZDH-Forum ist zu einer Marke in der Öf- Event, als mehr als 100 Auszubildende im großen Saal des fentlichkeitsarbeit des Verbandes geworden. Im Januar 2011 Bildungszentrums der Handwerkskammer Berlin Simon und erlebt das Haus des Deutschen Handwerks sein erstes „Inte- ihr Handwerk feiern. grationsforum“. Die intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema in den Jahren zuvor macht sich bezahlt. Das Zum Tag des Ausbildungsplatzes werben der Vorstand der Forum ist prominent besetzt, die Veranstaltung gut besucht, Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, und Handwerkspräsi- die Themen werden offen und kontrovers diskutiert. Fazit aus dent Otto Kentzler gemeinsam dafür, auch Jugendlichen mit Sicht des Verbandes: Die Anstrengungen der Handwerks- Problemen den Weg in eine Ausbildung zu ebnen. Zur Pres- organisationen zur Integration von Migranten in Arbeit und sekonferenz in das Bildungszentrum der Handwerkskammer Gesellschaft finden ein positives Echo. Dortmund kommen die regionalen und landesweiten Medien vollzählig, die Nachrichtenagenturen sorgen für nationale Verbrei- Das Steuerforum schließt sich im April an, im Mai das Arbeits- tung der Botschaften. Vorgestellt werden Jugendliche, teilweise marktforum und im Oktober das Europasymposium zur euro- mit Migrationshintergrund, die über eine Einstiegsqualifizierung päischen KMU-Woche. Alle Foren finden ein lebhaftes Echo in erfolgreich den Weg in eine Ausbildung geschafft haben. der Organisation, den Parlamenten in Bund und Ländern, so- wie Europa, den Ministerien und Bundesbehörden, sowie der EU-Kommission, und der Öffentlichkeit. Der ZDH unterstreicht mit den Veranstaltungen seine Bedeutung als Akteur in den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Themen- Arbeits- feldern. Die Reihe wird 2012 fortgesetzt. gemeinschaft Mittelstand Tag des Gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand stellt der ZDH im Mai den Handwerks Jahresmittelstandsbericht vor. Sein Titel ist programmatisch: „Aufschwung sichern: Mittelstand stärken“. Zum Parlamenta- Erstmals ruft das Handwerk am 3. September rischen Abend kommen als Redner Dr. Peter Ramsauer, Bun- zu einem „Tag des Handwerks“ auf – mit überwältigendem desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und Jür- Erfolg. Das Presseecho in den Regionen, aber auch national gen Trittin, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN. Wichtigstes ist außergewöhnlich hoch und durchweg positiv. Auffällig: Einzelthema ist „Basel III“. Ein Positionspapier der Volkswirte Eine Woche wirbt ein Plakat vor dem Bundesministerium für der beteiligten Verbände wird vorgelegt. Die gezielte Pressear- Wirtschaft in Berlin für den Tag des Handwerks, Bundesmi- beit dazu findet ein ausgezeichnetes Echo. nister Rösler und Handwerkspräsident Kentzler werben auf einer Pressekonferenz in Berlin gemeinsam für das Ereignis und stellen Eckdaten zum Handwerk vor. Der Comedian Si-

82 9 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Arbeits- gemeinschaft Geburtstag

ZDH-Präsident Otto Kentzler wird 2011 70 Jahre alt – zum Empfang Mitte November kommen Bun- deskanzlerin Merkel (CDU), Bundeswirtschaftsminister Rös- ler (FDP), Oppositionsführer Steinmeier (SPD) und Grünen- Vorsitzender Özdemir als Redner in den Meistersaal im Haus des Deutschen Handwerks. ZDH-Vizepräsident Traublinger überbringt die Gratulation der Handwerksorganisation. Unter den Gratulanten sind Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Ge- sellschaft. Zahlreiche Medien berichten, die Deutsche Welle portraitiert den Verbandspräsidenten und Unternehmer Otto Kentzler und strahlt den Film weltweit aus.

83 Ein breites Echo auch in anderen Medien erfährt ein Interview von ZDH-Präsident Otto Kentzler in der Süddeutschen Zei- Highlights tung zur Auseinandersetzung um die Einstufung von Berufs- abschlüssen und Abitur im DQR. Das Interview mit der Über- Das Thema Ausbildung und Fachkräftesiche- schrift „Die Welt besteht nicht nur aus Dichtern und Denkern“ rung ist Nummer 1, was Anfragen der Medien angeht. Das wird 2012 auch in einem Buch erscheinen, das die Beiträge Interesse vor allem in Polen und Tschechien an der dualen zur SZ-Reihe zur Zukunft der Arbeit umfasst. Ausbildung im deutschen Handwerk ist so groß, dass der ZDH im Internet eigens Informationsseiten in Englisch, Polnisch und Besondere Aufmerksamkeit erfährt ZDH-Präsident Otto Kentz- Tschechisch einrichtet. Das bereits 2010 vom ZDH unterstütz- ler durch die gemeinsam mit DIHK-Präsident Prof. Dr. Hans te Thema „Abiturienten und Ausbildung im Handwerk“ wird Heinrich Driftmann erarbeiteten und veröffentlichten Namens- zum Selbstläufer. Zahlreiche Handwerksorganisationen greifen artikel zum Thema „Staatsschuldenkrise in Europa“. Präsident es regional auf. Die Presse reagiert und diskutiert das Thema Kentzler wird in der Folge auch zu einer Talkrunde zum Thema mit seinen Facetten in elektronischen und in Printmedien. „Euro“ in die Sendung „Maybritt Illner“ im ZDF eingeladen.

84 9 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

pUBLIKATIONEN www.zdh.de/publikationen

• Stromsteuer 2011 • „Einstiegsqualifizierung“ • „Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung“ • „Selbstständig im Handwerk“, nur online, Flyer wird 2012 aktualisiert • Handwerk lokal/Kommunaler Standorttest • Paktbroschüre, November 2011

zdh_umschlag_ausbildungspakt2011_PRINT-X3_4c.pdf 1 26.10.2011 11:47:38

WWW.HANDWERK.DE

Das Handwerk setzt Ausbildungs- und Qualifizierungs- initiativen gegen Fachkräftemangel Selbstständig im Handwerk Ausbildungspakt 20Q1u1ali:fikationen und Zugangsvoraussetzungen Bilanz der Aktivitäten des Handwerks R e c h t

85 Imagekampagne geht in die zweite Runde Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler und Handwerkspräsident Otto Kentzler werben zum Tag des Hand- werks für die Wirtschaftsmacht von nebenan.

Vor gut zwei Jahren, am 16. Januar 2010, star- Auch 2011 ist die Imagekampagne dazu wieder aufmerksam- tete die Imagekampagne des deutschen Handwerks. Seither keitsstark auf Deutschlands Straßen und Plätzen, in Zeitung, verdeutlicht sie, dass das Handwerk mit über fünf Millionen Fernsehen, Internet und in den handwerklichen Betrieben Beschäftigten in knapp einer Million Betrieben und einem Jah- präsent. Allein 23 Millionen Menschen können den TV-Spot resumsatz von fast 466 Milliarden Euro die Wirtschaftsmacht sehen, weitere knapp 27 Millionen werden durch Anzeigen in von nebenan ist. den Printmedien erreicht, 13.000 Plakate machen 18 Millionen Menschen auf die Leistungen des Handwerks aufmerksam, rund 130 Presseinformationen sorgen für ein kontinuierliches mediales Grundrauschen und fast 2 Millionen Besucher nut- zen seit Kampagnenstart die vielfältigen Informationen auf der Website.

86 9 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Imagekampagne geht in die zweite Runde

WWW.HANDWERK.DE

Deutschland ist handgemacht. Das Handwerk bekommt seinen eigenen Feiertag Das Kampagnenhighlight 2011 ist der Tag des Handwerks. Un- ter dem Motto „Deutschland ist handgemacht“ bekommt das Handwerk am 3.9.2011 seinen ersten eigenen Feiertag. Den Auftakt dazu bildet eine zentrale Pressekonferenz mit Hand- werkspräsident Otto Kentzler und Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler, der bei dieser Gelegenheit die Leistung und Bedeutung des Handwerks betont. Die Ausstellung „Hände für die Zukunft“ auf dem Berliner Alexanderplatz informiert zu- dem mehrere Tage lang über die Berufsvielfalt im Handwerk.

Im Mittelpunkt des Aktionstages stehen aber vor allem die Handwerker selbst. Mit Tagen der offenen Tür, Handwerker- märkten, Modenschauen, Ausstellungen und sogar Rockkon- zerten begeistern sie unzählige Besucher. Von fast 4.000 Akti- onen, die das Handwerk auf die Beine stellt, ist in den Medien die Rede. Damit schafft die Wirtschaftsmacht von nebenan es auf der medialen Agenda ganz weit nach oben und ruft ein Medienecho von fast 3.000 Berichten hervor. Mit großem Einsatz gelingt es allen beteiligten Akteuren, dass Deutschland einen Tag lang vom Handwerk spricht und deutlich wird: Das Handwerk ist ein vielseitiger und moderner Wirtschaftsbereich.

87 Simons handwerklicher „Selbstversuch“ Von der Attraktivität des Handwerks überzeugt sich auch Co- schnell klar: Bei der Wirtschaftsmacht von nebenan sind hand- median und Moderator Simon Gosejohann. Bei insgesamt werkliches Geschick und Köpfchen gefragt. Begleitet wird Si- zehn Betriebsbesuchen nimmt er unterschiedliche Hand- mons handwerklicher Selbstversuch durch ein Kamerateam. werksberufe genau unter die Lupe und packt ordentlich mit Unter dem Titel „Simon – die linke Hand des Handwerks“ ent- an. Oder zumindest versucht er es. Denn als er sich unter stehen so zehn unterhaltsame, aber nicht minder informative der Anleitung von Azubis als Handwerker erprobt, wird sehr Berufsfilme für die Nachwuchswerbung.

88 9 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Simon kann handwerklich nicht überzeugen, die Filme hingegen Handwerk auf Erfolgskurs tun es umso mehr. Über 1,6 Millionen Filmabrufe werden bereits Das Handwerk kann auf zwei Jahre erfolgreiche Imagearbeit auf der Kampagnenwebsite und auf YouTube registriert. Als zurückblicken. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer DVD kommen sie zudem bei zahlreichen Berufsinformations- forsa-Umfrage. Die Trendmessung aus dem Jahr 2011 belegt veranstaltungen der Handwerksorganisationen zum Einsatz. gegenüber 2008 eine deutlich höhere Präsenz des Handwerks in der Öffentlichkeit. Zudem kann das Handwerk verstärkt mit Einmal für das Handwerk begeistert, können sich Jugendliche positiven Botschaften und Nachrichten punkten. Auch der auf handwerk.de zudem mithilfe des Online-Tools „Berufe- Global Trust Report 2011 verdeutlicht: Das Handwerk steht in Checker“ auf spielerische Weise über die mehr als 130 Hand- Deutschland hoch im Kurs. 88 Prozent der Befragten bringen werksberufe informieren. Dafür brauchen die Nutzer nur ihre dem Handwerk Vertrauen entgegen und machen das Hand- persönlichen Talente und Interessen einzugeben. Der „Berufe- werk damit zum vertrauenswürdigsten Wirtschafts- und Gesell- Checker“ zeigt ihnen dann, welche Handwerksberufe am bes- schaftsbereich unseres Landes. Ein Erfolg, der vor allem den ten zu ihnen passen. Handwerksbetrieben und ihren Mitarbeitern gebührt, der aber auch belegt: Imagearbeit für das Handwerk zahlt sich aus! Mit diesen attraktiven Angeboten stehen junge Menschen auch 2011 wieder im Fokus der Imagekampagne. Die Maß- nahmen kommen bei den Jugendlichen gut an. Das ist ein ers- ter Schritt auf dem Weg zu erfolgreicher Nachwuchssicherung für das Handwerk.

Im handwerklichen Selbstversuch wirbelt Simon Gosejohann jede Menge Mehl und Späne auf. Zu sehen gibt es das in den Webisodes „Simon – die linke Hand des Handwerks“ auf handwerk.de.

89

10 Handwerk Online

Online-Check

Der Online-Auftritt des ZDH unter www.zdh.de ist Auch 2011 steht die enge Verzahnung des ZDH-Internet- auch 2011 die zentrale Informationsplattform im Internet rund auftritts mit der Imagekampagne des deutschen Handwerks um das Thema Handwerk. Die Website bietet einen umfas- im Blickpunkt. Verschiedene Banner und Widgets verbinden senden Überblick über den Aufbau der Handwerksorganisa- direkt zur zentralen Kampagnenwebsite www.handwerk.de. tion in Deutschland und informiert über die Ansprechpartner Die Kampagnenplattform handwerk.de wird 2011 erweitert bei Handwerkskammern, Zentralfachverbänden und weite- und bietet, neben aktuellen Informationen und Motiven zur ren zugehörigen Institutionen und Kooperationspartnern des Kampagne, Sonderseiten zum Tag des Handwerks und Handwerks. Presseinformationen, Publikationen, Daten und auch neue interaktive Tools, wie „Simon - die linke Hand des Fakten über den wirtschaftlichen Stellenwert des Handwerks, Handwerks“ und den „Berufe-Checker“ an. Dieser bietet die Handwerksordnung und die Berufe des Handwerks sind für Jugendliche ein interessantes Angebot, auf spielerische online verfügbar. Ein umfangreicher Statistikbereich ist unter Art und Weise herauszufinden, welche Ausbildung zu ihnen www.zdh-statistik.de zugänglich. Mehr als 250 Handwerks- passt. Wöchentlich wechselnde Themenschwerpunkte, wie statistiken zu Betrieben, Strukturdaten und Berufsbildung das Meisterwerk oder die Zahl der Woche, geben dem Nut- können abgerufen werden. Neu hinzugekommen ist eine um- zer mit personalisierten Geschichten und überraschenden fangreiche und branchenspezifische Recherchefunktion, die Fakten einen informativen und abwechslungsreichen Ein- dem interessierten Nutzer frei definierte Statistikabfragen er- stieg in das Thema Handwerk. möglicht. Das Kampagnenforum www.kampagne.zdh.de hat sich als Zusätzlich stellen die Fachabteilungen des ZDH ein breites erfolgreiche Austauschplattform und als Ideenpool für alle Informationsangebot zum Abruf bereit, u. a. zu Finanz- und Kampagnenmacher etabliert und bleibt ein wichtiger Bau- Steuerfragen, zu wirtschafts- und umweltpolitischen Inhalten, stein in der internen Kommunikation der Imagekampagne zu Fragen der Aus- und Weiterbildung, zu den Themen Be- Handwerk. Vorgestellt werden u. a. erfolgreiche Events zum triebsberatung, Soziale Sicherung, Arbeitsmarkt- und Tarifpo- Tag des Handwerks in den Regionen, Aktionen zum Sport- litik oder Außenwirtschaft. marketing, eigene Motive der Zentralfachverbände und In- Im Berichtszeitraum gehen verschiedene Themenseiten u. a. nungen, aber auch prominente Unterstützer aus Wirtschaft zur Energiewende, Elektromobilität, Integration und IT-Sicher- und Politik kommen im Forum zu Wort. Für Handwerks- heit sowie ein interaktiver Energiesteuerrechner für Hand- betriebe und -organisationen bietet das Kampagnenforum werksbetriebe online. Die mehrsprachigen Sonderseiten zur Materialien und Leitfäden, die verständlich und praxisnah Ausbildung im deutschen Handwerk für Bürger der EU-Bei- über die Kampagne, deren Nutzen und Einsatzmöglichkei- trittsstaaten aus Mittel- und Osteuropa informieren ab Mai 2011 ten informieren. Zur optimalen und einfachen Einbindung der über Möglichkeiten, eine berufliche Ausbildung in Deutschland Imagekampagne in die Internetauftritte der Handwerksorga- zu beginnen. nisationen und Betriebe wird ein Online-Werkzeugkasten im Forum bereitgestellt, der geeignete Online-Instrumente der Für die verbandsinterne Online-Kommunikation steht allen Imagekampagne vorstellt und Ideen für eine einheitliche Ein- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mitgliedsorganisationen bindung der Kampagnenelemente liefert. des ZDH ein Premiumbereich zur Verfügung. Dieser Service bietet aktuelle Rundschreiben, Stellungnahmen, Termine, ein Reiseinforma-tionssystem und weitere Arbeitsmaterialien an.

91 www.zdh.de Zentralverband des D eutschen H andwerks Zentralverband