Blick Über Die Welt Hinaus Pfarrkirche St. Peter Und Paul in Vermes Jurassische Heilige
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Nr. 2 | März 2018 Die Informationsschrift der Inländischen Mission Frühlings- ausgabe Editorial Solidaritätsprojekt Ajoie Blick über Pfarrkirche Jurassische die Welt St. Peter und Heilige hinaus Paul in Vermes St. Immer und St. Fromont Kirchenfenster im Jura Seite 2 Seiten 4–5 Seiten 6–7 EDITORIAL Jurassische Kirchenfenster – Blick über die Welt hinaus Liebe Leserin, lieber Leser Der manchmal unangenehm kirchenkritische Sektenspe- Einen Höhepunkt solchen Reichtums bieten uns auch die zialist Hugo Stamm wies am 3. Februar 2018 unter dem einzigartigen modernen Kirchenfenster im Jura. Sie ermög- Titel «Wellnesskult, Konsumrausch und Alternativmedizin lichen uns einen Überstieg über das rein Weltliche hinaus als Ersatzreligion» in «Watson» klug darauf hin, dass un- und sind gleich wie im Barock allen Menschen zugänglich, sere Konsummentalität unser Leben und unsere Gesell- wenn man sich in das Kirchengebäude hinein begibt! schaft grundlegend verändert. Er bringt es auf den Punkt: Warum weist gerade der katholisch geprägte Jura mit sei- «Einkaufen als heilige Handlung. Als Gottesdienstersatz», nen zahlreichen Kirchenfenstern einen kulturell-religiösen und ergänzt, dass vieles heute auch ein Zeichen der Reichtum erster Güte auf? Meine hier zugegebenermas- «Selbstvergottung» ist. Wäh- sen subjektive Antwort: Das Ge- rend vor hundert Jahren die biet des heutigen Kantons Jura Existenzsicherung das primäre gehörte über Jahrhunderte zum Ziel war, ist es heute oft die Fürstbistum Basel, unter dessen Selbstverwirklichung. In einer Krummstab sich durchaus gut le- solchen gesellschaftlichen Situ- ben liess. Der katholische Glaube ation boomt die innerweltliche gehört(e) zur DNA dieser Gegend, Esoterik, während die überlie- was sich bis heute auswirkt. Der ferte christliche Religion an Bo- Jura ist lebensfroh, kulturell reich, den verliert. wirtschaftlich eher arm, sicher Was aber machen all diejenigen, denen die finanziellen bescheidener in den Ansprüchen als das wohlhabende Mittel fehlen, in dieser Konsumwelt mitzumachen, dieje- Mittelland und offener als wohl manch andere Gegend in nigen, für welche der Lebenskampf noch an erster Stelle der Schweiz – ein faszinierender Kanton, der den meisten steht? Ist es nicht gerade heute nötig, geistig und visuell wohl ziemlich unbekannt ist. Vielleicht ermutigt Sie das Fenster zu öffnen, die den Blick über das Materielle hinaus vorliegende IM-Info zu einem Ausflug in den Jura. Anstös- in die geistige und göttliche Welt ermöglichen? se dazu finden Sie auf den folgenden Seiten. Ein Beispiel, wo der Blick auf das Göttliche hin geöffnet Ich wünsche Ihnen – mit dem Blick über das Materielle wurde, ist der Barock, der mit seiner reichen kirchlichen hinaus – nach der besinnlichen Fastenzeit frohe Ostertage! Kunst und Kultur, die auch den Armen offenstand, uns bis Herzlich, Ihr heute auf die Transzendenz, auf das Göttliche, hinweist. Kirchen sind glücklicherweise bis heute Orte, die für unser Leben wichtige «Lücken» öffnen. Urban Fink-Wagner, Geschäftsführer Inländische Mission 2 IM Info 2 | 2018 KULTURKAMPF IM NORDJURA Illegaler röm.-kath. Gottesdienst in Pruntrut 1874. (Scan: ufw) Kapelle Notre-Dame du Vorbourg bei Delsberg. (Foto: Federli WMC) Das jurassische Kulturkampf-Trauma Ein Auslöser für die Separation des katholisch Die Rechnung der liberalen Oberschicht aber ging nicht geprägten nördlichen Teils des Juras vom Kan- auf. Viele Bischofstreue hielten den Kontakt zum ins ton Bern und die Schaffung eines eigenen Kan- Exil getriebenen Bischof aufrecht, die Seelsorge wur- tons sind schmerzvolle staatskirchliche Eingriffe de ohne grosse Schädigungen weitergeführt, und die in den 1870er-Jahren. Der katholische Nordjura, Firmreisen in den Kanton Luzern waren Triumphzüge nach dem Niedergang des Fürstbistums Basel und Protestmärsche zugleich. Kurzfristig gereichte die 1815 vom Wiener Kongress dem Kanton Bern Krise um den Basler Bischof der Kirche zum Vorteil, einverleibt, erhob sich 1873 gegen die Abset- längerfristig bedeutete die damit verbundene Verkirch- zung ihres Basler Bischofs Eugène Lachat. Auch lichung aber eine Abschottung von der Moderne. wenn es schon ab 1830 Abspaltungstendenzen Am heftigsten entwickelte sich der Konflikt im Berner gab, war es der Kulturkampf der 1870er-Jahre Nordjura: Der jurassische Klerus wehrte sich nahezu um Schule und Kirche, der sich tief ins kollektive geschlossen für seinen Bischof, unterstützt durch Mas- Gedächtnis der Nordjurassier eingeprägt hat. senpetitionen der Bevölkerung. Die rebellischen Pries- ter wurden jedoch von der Berner Regierung abgesetzt Als 1863 der aus dem bernischen Nordjura stammende und 1874 sogar 89 Geistliche des Landes verwiesen. Die Eugène Lachat vom in seiner Wahlfreiheit beschnitte- Priester gingen in den Untergrund und lasen verbotener- nen Domkapitel zum Bischof von Basel gewählt wurde, weise und versteckt die Messe. Massenwallfahrten zur galt dieser als liberal. Dieses Bild änderte sich, als er die Vorbourg bei Delsberg, nach Mariastein und nach St- absolut formulierten Wahrheitsansprüche von Papst Maurice entwickelten sich zur politischen Manifestation Pius IX. verteidigen musste. Heftig angegriffen, lehnte einer verfolgten Kirche, während die aus dem Ausland er sich immer mehr an den Papst an und liess nach dem geholten, von der Berner Regierung vorteilhaft entlöhn- Ersten Vatikanischen Konzil von 1869/1870 auch das ten antirömisch eingestellten Priester von den Jurassiern Unfehlbarkeitsdogma und den Rechtsprimat des Paps- grossmehrheitlich abgelehnt wurden. Die bernische Kir- tes von den Kanzeln verkünden. Nachdem der Basler chenpolitik war im Nordjura zum Scheitern verurteilt. Bischof Pfarrer Paulin Gschwind, der diese beiden Dog- Ab 1875 musste die Berner Regierung die einheimischen men nicht anerkennen wollte, aus der kirchlichen Ge- Priester, die zum Teil von Frankreich aus wirkten, auf meinschaft ausschloss, setzten die damaligen Bistums- Druck des Bundesrates zurückkehren lassen. Die trau- kantone mit Ausnahme von Luzern und Zug den Basler matischen Kulturkampf-Erfahrungen waren ein Sam- Bischof ab und vertrieben ihn aus dem Solothurner Bi- melpunkt für den Widerstand gegen Bern, mit grossen schofssitz. Er fand Asyl im Kanton Luzern. Den damali- Auswirkungen bis ins 20. Jahrhundert. (ufw) gen liberalen Kantonsbehörden schwebte eine von Rom Literaturhinweis: P. Dr. Gregor Jäggi OSB: Das Bistum Basel in unabhängige Nationalkirche vor, die schliesslich mit der seiner Geschichte, Bd. III: Die Moderne. Strassburg 2013. Bezug christkatholischen Kirche verwirklicht wurde. über www.bistum-basel.ch (Shop, pastorale Hilfen) möglich. 2 | 2018 IM Info 3 SOLIDARITÄTSPROJEKT Der Innenraum der Kirche von Vermes vor der Restaurierung. (Fotos: KG Vermes) Die Kirche St. Peter und Paul in Vermes von aussen. Die gefährdete Kirche von Vermes (JU) Seit 2013 bilden die Ortschaften Vermes, Mont- Erst 1498 einigten sich die beiden Streitparteien darauf, sevelier und Vicques die Gemeinde Val Terbi. Das dass für die Pfarrkirche Vermes definitiv der Basler Val Terbi ist vom Delsberger Becken her das Ver- Fürstbischof zuständig ist. Deshalb gehören Rebeuvi- bindungstal Richtung Scheltenpass. Dieser Pass lier und Vermes bis heute dem Amtsbezirk Delsberg an, führt ins solothurnische Guldental Richtung Oen- der damals fürstbischöfliches Gebiet war. singen. Vermes liegt – von der nördlich gelegenen Scheltenpassstrasse durch einen Hügel getrennt Die Schrecken des Dreissigjährigen Krieges – am Zufluss Gabiare, der durch eine Klus west- Am nördlichen Abhang des Raimeux zwischen Ver- lich von Vermes zum Scheltenbach fliesst. Die mes und Rebeuvelier liegt das Schloss Raimontpierre, kleine Ortschaft besitzt eine Kirche romanischen das um 1592–1594 als bischöflicher Herrschaftssitz, als Ursprungs mit Wandgemälden aus dem 15. Jahr- Jagdschloss und als Verwaltungsgebäude für den für hundert, die zu den wichtigsten Kulturgütern des diese Gegend wichtigen Holzhandel erbaut wurde. Das Kantons Jura zählen. Die mit spätgotischen Fres- Schloss belegt, wie wirtschaftlich wichtig diese Gegend ken verzierte Kirche wurde im 18. Jahrhundert er- in der Frühen Neuzeit war. So lässt sich erklären, war- weitert und barockisiert. Das Kleinod muss nun um 1703 die Pfarrkirche in Vermes nach Westen verlän- dringend saniert werden, was die Möglichkeiten gert, barockisiert sowie mit einer Stuckdecke ausgestat- der kleinen Kirchgemeinde Vermes-Envelier-Elay tet und von 1783 bis 1786 erneut umgebaut wurde. bei Weitem übersteigt. Deshalb unterstützt die Die Gegend erlitt im Umfeld des Dreissigjährigen Krie- Inländische Mission mit ihrer Frühlingssammlung ges aber auch Verwüstungen: 1636 legten marodierende die Kirchgemeinde Vermes. schwedische Truppen das westlich von Vermes gelegene Dorf Rebeuvelier fast vollständig in Schutt und Asche, Vermes, heute eine Ortschaft mit etwas über 300 Ein- so dass die verarmte Pfarrei Rebeuvelier zu Vermes ge- wohnern, wurde erstmals im 9. Jahrhundert als Besitz schlagen wurde. 1763 trennte sich Rebeuvelier wieder der Abtei Moutier-Grandval erwähnt. Die gute Luft in von der Pfarrei Vermes ab, was belegt, dass sich das Dorf Vermes war Grund für ein kleines Kloster, das kranken wirtschaftlich wieder erholen konnte. Mönchen von Moutier-Grandval Erholung bot. Vermes war im Kulturkampf der 1870er-Jahre den glei- Die dortige Paulus geweihte Kapelle wurde schon relativ chen Schwierigkeiten ausgeliefert, die im ganzen Nord- früh aufgegeben und die heutige Pfarrkirche St. Peter jura bei den Katholiken schwere Spuren hinterliessen. und Paul erbaut. Denn die heutige