MITTEILUNGEN Aus Dem Stadt- Und Stiftsarchiv Aschaffenburg ISSN 0174-5328 Bd
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MITTEILUNGEN aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg ISSN 0174-5328 Bd. 3, Heft 3 März 1991 ·- ��- �--- _, -�-- ! ;:->-- ·- :. ....__:.;_·� - - ---"'--� .L . ..: - �----�--�=- --· - .:. _...... 1 J 1 ... ___... Haupteingang Schönborner Hof (Zeichnung: Rainer Erzgraber, Aschaffenburg) Inhalt Hans-Bernd Spies, Neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen und frühneu- zeitlichen Geschichte Obernaus und Ruchelnheims 105 Martin Goes, Die Kirchenstiftung von Obernau 108 Martin Kempf, Die Wiedervereinigung von Damm mit Aschaffenburg am 1. Juli 1901 118 Hans-Bernd Spies, Ein anonymer Kommentar zur bayerischen Besitz- ergreifung Aschaffenburgs 133 Garsten Pollnick, Lola Montez - Geschichte und Legende. Ein Nachtrag zum 130. Todestag der Tänzerin am 17. Januar 1991 138 Ulrike Klotz, Adalbert Hock zum 125. Geburtstag 146 Renate Welsch und Franz Einert, Das zweite Halbjahr 1990 im Presse- spiegel 152 Ulrike Klotz, Buchbesprechung 160 Mitarbeiterverzeichnis Franz Einert, Goethestr. 33, 8750 Aschaffenburg Dr. med. Martin Goes, Backoffenstr. 3, 8750 Aschaffenburg Dipl.-Kfm. Martin Kempf, Borngrund 21, 8752 Glattbach Ulrike Klotz, M. A., Hauptstr. 97, 8752 Krombach Garsten Pollnick, Westendstr. 1, 8751 Haibach Dr. phil. Hans-Bernd Spies, M. A., Wörnerstr. 10, 8750 Aschaffenburg Renate Welsch, Schränksweg 2, 8752 Kleinostheim Vorschau auf kommende Hefte: Martin Goes, Zur Entwicklung der Krankenkassen in Aschaffenburg; Werner Krämer, Die Hochwasser markierungen am Aschaffenburger Theoderichstor; ders., Die Aschaffenburger Schloßbeleuchtungen; Hans-Bernd Spies, Ein Aschaffenburg-Rätsel aus dem Jahre 1825; ders., Das Sterbedatum der Mutter Jakob Heinrich von Hefner-Altenecks. Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg im Auftrag der Stadt Aschaffenburg - Stadt- und Stiftsarchiv - herausgegeben von Hans-Bernd Spies Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Wermbachstr. 15, D-8750 Aschaffenburg Gesamtherstellung: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, 8530 Neustadt an der Aisch Neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte Obernaus und Ruchelnheims von Hans-Bernd Spies Seit mehr als 100 Jahren wird hinsichtlich der Geschichte Obernaus behaup tet1: 1. Der Ort bestand im 12. Jahrhundert aus sieben großen Höfen. 2. Das Dorf hieß bis um 1600 Obernheim im Gegensatz zu dem Ort „Unterheim oder Unterhain, welcher, [ ...] unterhalb des Ortes Sehweinheim, an dem Hemsbache, zwischen Aschaffenburg und Obernheim halbwegs liegt". 3. Obernau wurde unter Erzbischof Dietrich von Mainz „mit Mauern und Gräben nebst Thürmen von der Landseite umgeben" und hatte „zwei Thore mit Fallgittern". 4. Ein Weistum aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt den Erzbischof von Mainz als Inhaber der Niedergerichtsbarkeit in Obern au. Zu Ruchelnheim kommt schließlich noch hinzu2: 5. Dieses Dorf wurde 1552 im Markgräflerkrieg zerstört. Von diesen fünf Punkten stimmt lediglich im zweiten die Aussage, daß Obernau bis um 1600 Obernheim hieß - alle anderen Behauptungen sind falsch, was allerdings die bisherige ortsgeschichtliche Literatur nicht daran hinderte, sie unkritisch zu übernehmen oder sogar noch weiter verfälschend auszumalen3. 1 Vgl. Martin Balduin Kittel, Die Bedeutung der Weisthümer für Geschichte und Rechtsalterthümer, als Einführungs-Notiz unterfränkischer Weisthümer, in: Archiv des historischen Vereines von Unter franken und Aschaffenburg 15 (1861 ), Heft 2-3, S. 295-306, hier S. 299 (zu Punkt 1, 2 u. 4), 303 (zu 3) u. 306 (zu 4); Druck des Weistums S. 303-306. 2 Vgl. ders., Die Bau-Ornamente aller Jahrhunderte an Gebäuden der Königlich Bayerischen Stadt Aschaffenburg. Deutsche Periode, Lieferung 11 (Programm der König!. Bayer. Landwirtschafts- und Gewerbsschule erster Classe zu Aschaffenburg zur Feier ihrer öffentlichen Prüfungen und der Preis vertheilung am Schlusse des Schuljahres 1858 in 1859), Aschaffenburg o. J. [1859), S. 25. 3 Vgl. z. B. Johann Georg Sehweinfest, Das Pfarrdorf Sehweinheim und seine Filialen Haibach, Grün morsbach und Gailbach, Aschaffenburg 1912, S. 8 ff.; Franz Hager, Obernau im Wandel der Zeiten. Nach den Quellen frei bearbeitet, 1927 (Zeitungsartikelserie, Druckort konnte nicht ermittelt werden); Michael Göbel, Sehweinheim. Ein Heimatbuch, Aschaffenburg 1930, S. 24; Franz Gehlert, 800 Jahre genügen nicht für Sulzbachs Geschichte. Der erste Sulzbacher, ein Alamanne, hatte eine römische Schale aus dem 3. Jahrhundert im Grab. Markt wurde Sulzbach im Jahr 1973, in: Spessart. Monats schrift des Spessartbundes. Zeitschrift für Wandern, Heimatgeschichte und Naturwissen 1984, Mai heft, S. 3-9, dies S. 4 f.; Georg Heilmann u. Lothar Eisenträger, Im Kirchenpatrozinium Sankt Marga- Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Bd. 3, H. 3 (März 1991) 105 Diese unrichtigen Behauptungen über die Geschichte Obernaus stammen sämtlich von dem in Aschaffenburg geborenen Martin Balduin Kittel (1798-1885)4, der nach philosophischen, medizinischen und naturwissen schaftlichen Studien und Promotionen zum Dr. phil. und Dr. med. zunächst als Arzt in seiner Vaterstadt praktizierte, dann als Privatdozent an der Philosophi schen Fakultät der Universität München lehrte und 1831 zum Professor der Naturwissenschaften am Lyzeum in Aschaffenburg ernannt wurde. 1833 wechselte Kittel an die neue Landwirtschafts- und Gewerbsschule (ab 1864 nur noch als „Gewerbschule" bezeichnet) seines Geburtsortes, deren Rektor er im Jahr darauf wurde und es bis zu seiner altersbedingten Entpflichtung (1869) blieb. Unter den vielfältigen Veröffentlichungen Martin Balduin Kittels5 sind jene zur Lokalgeschichte stets mit besonderer Vorsicht zu benutzen, denn sie sind, vor allem wenn sie keine Belege bringen, sehr unzuverlässig und enthalten dört, wo man ihren Inhalt überprüfen kann, oft mehr als nur „kleine Versehen oder schiefe Ansichten"6. Das läßt sich auch an den oben aufgeführten fünf Behauptungen Kittels beispielhaft zeigen7: reta lebt die untergegangene Urpfarrei Ruchelnheim fort. Acht Jahrhunderte Sulzbacher Pfarrge schichte sind auch acht Jahrhunderte Ortsgeschichte, in: ebd., S. 10-16, dies S. 12. 4 Zu diesem vgl. Alois Lorenz, Vorwort, in: Martin Balduin Kittel, Sonst und jetzt. Geschichtliche Feder zeichnungen über Aschaffenburg. Mit einem Bilde des Verfassers und einer biographischen Einlei tung, Aschaffenburg 1909, S. 1-VIII; Hermann Fischer, Die Schulleiter, in: Alfred Englmann (Hrsg.), Festschrift 150 Jahre Friedrich-Dessauer-Gymnasium Aschaffenburg 1833-1983, Aschaffenburg 1983, S. 68-92, dies S. 69 f.; Alfred Englmann, Die Ära Kittel, in: ebd., S. 125-143; hinsichtlich der unterschiedlichen Namen der Schule vgl. ders., 1833-1983. Zeittafel zur Geschichte unserer Schule, in: ebd., S. 20-28, dies S. 20 f. 5 Vgl. das Schriftenverzeichnis bei Lorenz (wie Anm. 4), S. IV-VI. 6 Ebd., S. IV-V: ,,Sie basieren auf außerordentlich mühevollen Quellenstudien und sind zweifellos mit die besten Quellen für Lokalgeschichte. Nur wer die Schwierigkeiten kennt, die sich der Erforschung und Darstellung solcher lokalgeschichtlicher Thematas entgegenstellen, namentlich unter Berück sichtigung der mühsamen und zeitraubenden Durchforschung des Quellenmaterials und dessen sachgemäße Sichtung, kann begreifen, daß es nicht nur möglich, sondern oft geradezu unabweisbar war, daß kleine Versehen oder schiefe Ansichten dem Verfasser mit unterlaufen konnten, die ihm aber niemals zum Vorwurf gemacht werden dürfen, oder gar uns berechtigen, kurzerhand den Stab über ihn zu brechen!" Diese Entschuldigung Lorenz' läßt vermuten, daß es bereits zu seiner Zeit deutliche Kritik an den Arbeiten Kittels, vor allem den ,Bau-Ornamenten' (vgl. Anm. 2), gab. Vgl. z. B. Erwin Hensler, Georg Ridinger. Ein Beitrag zur Künstlergeschichte Straßburgs, in: Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen 6 (1906), S. 157-167, dies S. 1601. Als Beispiel neuerer Kritik an der unsoliden Arbeitsweise Kittels vgl. Peter Fleck, Neue Materialien zum Epitaph des mainzischen Rates Dr. Johann Thomas Eisenberger in der Stiftskirche St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, in: Mittei lungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 178-180. 7 Vgl. mit ausführlichen Belegen Hans-Bernd Spies, Geschichte Obernaus von den Anfängen bis zur Auflösung des Erzstiftes Mainz (1803), in: ders. u. Renate Welsch (Bearb.), Obernau 1191-1991. Beiträge zu Vergangenheit und Gegenwart, Aschaffenburg 1991, S. 13-49, hier S. 32 (zu Punkt 1 ), 33 f. u. 38 (zu 2), 40 f. (zu 3), 33 (zu 4) u. 36 (zu 5). 106 1. Über die Anzahl der Höfe in Obernau im 12. Jahrhundert liegen keine konkreten Angaben vor. Erst für das 14. Jahrhundert läßt sich fest stellen, daß es dort neben dem Stiftshof 16 Hufenbauern gab. 2. Der alte Name Obernaus - Obernheim - war nicht das Gegenstück zum alten Namen Unterschweinheims - Unterhain - , sondern letz terer war das Gegenstück zu Oberschweinheim - Oberhain - ; das geht eindeutig aus zahlreichen Urkunden hervor, denn während Ober- bzw. Unterhain in lateinischen Urkunden auch mit lateinischen Bezeichnungen auftauchen, erscheint Obernau dort mit seinem alten Namen stets in deutscher Form, nie in lateinischer Übersetzung. 3. Für eine Befestigung Obernaus mit Mauern, Gräben und Türmen zur Zeit des von 1434 bis zu seinem Tod regierenden Erzbischofs Diet rich von Mainz (um 1390-1459) gibt es keinen einzigen Beleg. Eine solche ist erst durch den 1594 datierten Wappenstein des von 1582 bis 1601 regierenden Erzbischofs Wolfgang von Mainz (1537-1601) vom 1873 abgebrochenen Unteren Tor belegt. Das Interesse gerade dieses Erzbischofs an der Befestigung Obernaus dürfte