MITTEILUNGEN aus dem Stadt- und Stiftsarchiv ISSN 0174-5328 Bd. 3, Heft 3 März 1991 ·-

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Haupteingang Schönborner Hof

(Zeichnung: Rainer Erzgraber, Aschaffenburg) Inhalt Hans-Bernd Spies, Neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen und frühneu- zeitlichen Geschichte Obernaus und Ruchelnheims 105 Martin Goes, Die Kirchenstiftung von Obernau 108 Martin Kempf, Die Wiedervereinigung von Damm mit Aschaffenburg am 1. Juli 1901 118 Hans-Bernd Spies, Ein anonymer Kommentar zur bayerischen Besitz- ergreifung Aschaffenburgs 133 Garsten Pollnick, - Geschichte und Legende. Ein Nachtrag zum 130. Todestag der Tänzerin am 17. Januar 1991 138 Ulrike Klotz, Adalbert Hock zum 125. Geburtstag 146 Renate Welsch und Franz Einert, Das zweite Halbjahr 1990 im Presse- spiegel 152 Ulrike Klotz, Buchbesprechung 160

Mitarbeiterverzeichnis Franz Einert, Goethestr. 33, 8750 Aschaffenburg Dr. med. Martin Goes, Backoffenstr. 3, 8750 Aschaffenburg Dipl.-Kfm. Martin Kempf, Borngrund 21, 8752 Glattbach Ulrike Klotz, M. A., Hauptstr. 97, 8752 Krombach Garsten Pollnick, Westendstr. 1, 8751 Haibach Dr. phil. Hans-Bernd Spies, M. A., Wörnerstr. 10, 8750 Aschaffenburg Renate Welsch, Schränksweg 2, 8752 Kleinostheim

Vorschau auf kommende Hefte: Martin Goes, Zur Entwicklung der Krankenkassen in Aschaffenburg; Werner Krämer, Die Hochwasser­ markierungen am Aschaffenburger Theoderichstor; ders., Die Aschaffenburger Schloßbeleuchtungen; Hans-Bernd Spies, Ein Aschaffenburg-Rätsel aus dem Jahre 1825; ders., Das Sterbedatum der Mutter Jakob Heinrich von Hefner-Altenecks.

Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg im Auftrag der Stadt Aschaffenburg - Stadt- und Stiftsarchiv - herausgegeben von Hans-Bernd Spies

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Wermbachstr. 15, D-8750 Aschaffenburg Gesamtherstellung: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, 8530 Neustadt an der Aisch Neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte Obernaus und Ruchelnheims

von Hans-Bernd Spies

Seit mehr als 100 Jahren wird hinsichtlich der Geschichte Obernaus behaup­ tet1: 1. Der Ort bestand im 12. Jahrhundert aus sieben großen Höfen. 2. Das Dorf hieß bis um 1600 Obernheim im Gegensatz zu dem Ort „Unterheim oder Unterhain, welcher, [ ...] unterhalb des Ortes Sehweinheim, an dem Hemsbache, zwischen Aschaffenburg und Obernheim halbwegs liegt". 3. Obernau wurde unter Erzbischof Dietrich von „mit Mauern und Gräben nebst Thürmen von der Landseite umgeben" und hatte „zwei Thore mit Fallgittern". 4. Ein Weistum aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt den Erzbischof von Mainz als Inhaber der Niedergerichtsbarkeit in Obern­ au.

Zu Ruchelnheim kommt schließlich noch hinzu2: 5. Dieses Dorf wurde 1552 im Markgräflerkrieg zerstört. Von diesen fünf Punkten stimmt lediglich im zweiten die Aussage, daß Obernau bis um 1600 Obernheim hieß - alle anderen Behauptungen sind falsch, was allerdings die bisherige ortsgeschichtliche Literatur nicht daran hinderte, sie unkritisch zu übernehmen oder sogar noch weiter verfälschend auszumalen3.

1 Vgl. Martin Balduin Kittel, Die Bedeutung der Weisthümer für Geschichte und Rechtsalterthümer, als Einführungs-Notiz unterfränkischer Weisthümer, in: Archiv des historischen Vereines von Unter­ franken und Aschaffenburg 15 (1861 ), Heft 2-3, S. 295-306, hier S. 299 (zu Punkt 1, 2 u. 4), 303 (zu 3) u. 306 (zu 4); Druck des Weistums S. 303-306. 2 Vgl. ders., Die Bau-Ornamente aller Jahrhunderte an Gebäuden der Königlich Bayerischen Stadt Aschaffenburg. Deutsche Periode, Lieferung 11 (Programm der König!. Bayer. Landwirtschafts- und Gewerbsschule erster Classe zu Aschaffenburg zur Feier ihrer öffentlichen Prüfungen und der Preis­ vertheilung am Schlusse des Schuljahres 1858 in 1859), Aschaffenburg o. J. [1859), S. 25. 3 Vgl. z. B. Johann Georg Sehweinfest, Das Pfarrdorf Sehweinheim und seine Filialen Haibach, Grün­ morsbach und Gailbach, Aschaffenburg 1912, S. 8 ff.; Franz Hager, Obernau im Wandel der Zeiten. Nach den Quellen frei bearbeitet, 1927 (Zeitungsartikelserie, Druckort konnte nicht ermittelt werden); Michael Göbel, Sehweinheim. Ein Heimatbuch, Aschaffenburg 1930, S. 24; Franz Gehlert, 800 Jahre genügen nicht für Sulzbachs Geschichte. Der erste Sulzbacher, ein Alamanne, hatte eine römische Schale aus dem 3. Jahrhundert im Grab. Markt wurde Sulzbach im Jahr 1973, in: . Monats­ schrift des Spessartbundes. Zeitschrift für Wandern, Heimatgeschichte und Naturwissen 1984, Mai­ heft, S. 3-9, dies S. 4 f.; Georg Heilmann u. Lothar Eisenträger, Im Kirchenpatrozinium Sankt Marga-

Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Bd. 3, H. 3 (März 1991) 105 Diese unrichtigen Behauptungen über die Geschichte Obernaus stammen sämtlich von dem in Aschaffenburg geborenen Martin Balduin Kittel (1798-1885)4, der nach philosophischen, medizinischen und naturwissen­ schaftlichen Studien und Promotionen zum Dr. phil. und Dr. med. zunächst als Arzt in seiner Vaterstadt praktizierte, dann als Privatdozent an der Philosophi­ schen Fakultät der Universität München lehrte und 1831 zum Professor der Naturwissenschaften am Lyzeum in Aschaffenburg ernannt wurde. 1833 wechselte Kittel an die neue Landwirtschafts- und Gewerbsschule (ab 1864 nur noch als „Gewerbschule" bezeichnet) seines Geburtsortes, deren Rektor er im Jahr darauf wurde und es bis zu seiner altersbedingten Entpflichtung (1869) blieb. Unter den vielfältigen Veröffentlichungen Martin Balduin Kittels5 sind jene zur Lokalgeschichte stets mit besonderer Vorsicht zu benutzen, denn sie sind, vor allem wenn sie keine Belege bringen, sehr unzuverlässig und enthalten dört, wo man ihren Inhalt überprüfen kann, oft mehr als nur „kleine Versehen oder schiefe Ansichten"6. Das läßt sich auch an den oben aufgeführten fünf Behauptungen Kittels beispielhaft zeigen7:

reta lebt die untergegangene Urpfarrei Ruchelnheim fort. Acht Jahrhunderte Sulzbacher Pfarrge­ schichte sind auch acht Jahrhunderte Ortsgeschichte, in: ebd., S. 10-16, dies S. 12. 4 Zu diesem vgl. Alois Lorenz, Vorwort, in: Martin Balduin Kittel, Sonst und jetzt. Geschichtliche Feder­ zeichnungen über Aschaffenburg. Mit einem Bilde des Verfassers und einer biographischen Einlei­ tung, Aschaffenburg 1909, S. 1-VIII; Hermann Fischer, Die Schulleiter, in: Alfred Englmann (Hrsg.), Festschrift 150 Jahre Friedrich-Dessauer-Gymnasium Aschaffenburg 1833-1983, Aschaffenburg 1983, S. 68-92, dies S. 69 f.; Alfred Englmann, Die Ära Kittel, in: ebd., S. 125-143; hinsichtlich der unterschiedlichen Namen der Schule vgl. ders., 1833-1983. Zeittafel zur Geschichte unserer Schule, in: ebd., S. 20-28, dies S. 20 f. 5 Vgl. das Schriftenverzeichnis bei Lorenz (wie Anm. 4), S. IV-VI. 6 Ebd., S. IV-V: ,,Sie basieren auf außerordentlich mühevollen Quellenstudien und sind zweifellos mit die besten Quellen für Lokalgeschichte. Nur wer die Schwierigkeiten kennt, die sich der Erforschung und Darstellung solcher lokalgeschichtlicher Thematas entgegenstellen, namentlich unter Berück­ sichtigung der mühsamen und zeitraubenden Durchforschung des Quellenmaterials und dessen sachgemäße Sichtung, kann begreifen, daß es nicht nur möglich, sondern oft geradezu unabweisbar war, daß kleine Versehen oder schiefe Ansichten dem Verfasser mit unterlaufen konnten, die ihm aber niemals zum Vorwurf gemacht werden dürfen, oder gar uns berechtigen, kurzerhand den Stab über ihn zu brechen!" Diese Entschuldigung Lorenz' läßt vermuten, daß es bereits zu seiner Zeit deutliche Kritik an den Arbeiten Kittels, vor allem den ,Bau-Ornamenten' (vgl. Anm. 2), gab. Vgl. z. B. Erwin Hensler, Georg Ridinger. Ein Beitrag zur Künstlergeschichte Straßburgs, in: Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen 6 (1906), S. 157-167, dies S. 1601. Als Beispiel neuerer Kritik an der unsoliden Arbeitsweise Kittels vgl. Peter Fleck, Neue Materialien zum Epitaph des mainzischen Rates Dr. Johann Thomas Eisenberger in der Stiftskirche St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, in: Mittei­ lungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), S. 178-180. 7 Vgl. mit ausführlichen Belegen Hans-Bernd Spies, Geschichte Obernaus von den Anfängen bis zur Auflösung des Erzstiftes Mainz (1803), in: ders. u. Renate Welsch (Bearb.), Obernau 1191-1991. Beiträge zu Vergangenheit und Gegenwart, Aschaffenburg 1991, S. 13-49, hier S. 32 (zu Punkt 1 ), 33 f. u. 38 (zu 2), 40 f. (zu 3), 33 (zu 4) u. 36 (zu 5).

106 1. Über die Anzahl der Höfe in Obernau im 12. Jahrhundert liegen keine konkreten Angaben vor. Erst für das 14. Jahrhundert läßt sich fest­ stellen, daß es dort neben dem Stiftshof 16 Hufenbauern gab. 2. Der alte Name Obernaus - Obernheim - war nicht das Gegenstück zum alten Namen Unterschweinheims - Unterhain - , sondern letz­ terer war das Gegenstück zu Oberschweinheim - Oberhain - ; das geht eindeutig aus zahlreichen Urkunden hervor, denn während Ober- bzw. Unterhain in lateinischen Urkunden auch mit lateinischen Bezeichnungen auftauchen, erscheint Obernau dort mit seinem alten Namen stets in deutscher Form, nie in lateinischer Übersetzung. 3. Für eine Befestigung Obernaus mit Mauern, Gräben und Türmen zur Zeit des von 1434 bis zu seinem Tod regierenden Erzbischofs Diet­ rich von Mainz (um 1390-1459) gibt es keinen einzigen Beleg. Eine solche ist erst durch den 1594 datierten Wappenstein des von 1582 bis 1601 regierenden Erzbischofs Wolfgang von Mainz (1537-1601) vom 1873 abgebrochenen Unteren Tor belegt. Das Interesse gerade dieses Erzbischofs an der Befestigung Obernaus dürfte darauf zurückzuführen sein, daß entweder er oder sein unmittelbarer Vor­ gänger das Stift St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg als bedeutendsten Grundbesitzer Obernaus und Inhaber der dortigen Niedergerichtsbarkeit abgelöst hatte. 4. Das von Kittel fehlerhaft veröffentlichte Obernauer Weistum stammt aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. Das aus dem Jahre 1494 überlieferte älteste Obernauer Weistum zeigt eindeutig das Aschaffenburger Stift als Inhaber der Niedergerichtsbarkeit; 1576 war dieses Recht des Stiftes nicht mehr unbestritten, und spätestens 1599 hatte der Erzbischof von Mainz das Stift St. Peter und Alex­ ander als Inhaber der Niedergerichtsbarkeit abgelöst. Zwischen 1576 und 1599 muß das von Kittel publizierte jüngere Obernauer Weistum entstanden sein. 5. Ruchelnheim war kein Dorf, das 1552 im Zweiten Markgräflerkrieg (1552-1554) zerstört wurde, sondern es hat als Ort nie bestanden. Ruchelnheim war lediglich eine Pfarrkirche mit Nebengebäude(n), und der dazugehörige Ort, der dieser Kirche nachweislich bereits 1184 Erträge brachte, war Sulzbach.

107 Die Kirchenstiftung von Obernau

von Martin Goes

Die Vorgeschichte bis zur eigenen Kirche

Die im Pfarramt Obernau liegenden Kirchenrechnungen gehen bis auf das Jahr 1656 zurück. Auf dem Titelblatt der ersten steht: „Über Einnahm undt Außgab Gelt und Korn wegen des Gottes Haus S. Petri ad vincula1 in Obernaw gehalten durch den Ehrsamen Stoffel Schwartzen deß Gerichts und Mitnachparn2 daselbsten von Petri Ca­ thedra3 [1]655 bis Cathedra S. Petri 1656." Neben der belanglos kleinen Buchung aus dem ständigen „Geldzins" für Wachs und Öl bis zum Jahre 1701 und dem Ertrag aus dem verpachteten und 1858 abgelösten Seezehnt4 blieben die Zinsen vom ausgeliehenen Kapital die Haupteinnahmen. Aus ihnen läßt sich für das Verwaltungsjahr 1655/56 ein Kapitalstock von 1208 Gulden errechnen. Der Pfarrer bekam damals 6 Gulden für 18 Anniversarien5, ½ Gulden für Schreibgebühren und ½ Gulden „wegen der Beetstunden zu St. Margreth zu halten". Die übrigen Ausgaben betrafen den Hilfsdienst und den Kirchenbedarf. St. Margareta war die 1184 zum erstenmal erwähnte Pfarr- oder Mutterkirche in Ruchelnheim, St. Peter ad vincula aber eine Friedhofskapelle, die später nach dem Bericht des Johannes Synesius, Pfarrer von 1705 bis 1720, die beiden Schutzheiligen Peter und Paul hatte6. Daß die Obernauer ihre Kapelle

1 Petrus in Ketten; die Schreibweise des Zitats wurde gegenüber der Vorlage (s. Abb. S. 109) etwas vereinfacht. 2 Vgl. Kar/-Sigismund Kramer, Bauern und Bürger im nachmittelalterlichen Unterfranken. Eine Volks­ kunde auf Grund archivalischer Quellen (Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Bd. 17), Würzburg 1984, S. 37-76; ebd., S. 38: Die Einzelglieder der Nachbarschaft „sind die Nach­ barn, und unter Nachbarn verstehen die Quellen unter anderem, und das trifft hier zu, die haus­ häbigen Bauern des Dorfes, zu denen ab und an auch einzelne der Dorfhandwerker treten können. Nicht also die Nächstwohnenden, die Angrenzer, kein nur durch räumliche Nähe bestimmter Begriff etwa, sondern vielmehr ein soziologischer und rechtlicher. Sie, die mit ,Feuer und Rauch', also mit eigenem Herd im Dorf sitzen, bilden die Nachbarschaft, die demnach die Gesamtheit der rechtsver­ antwortlichen Männer des Dorfes repräsentiert. Sie werden deutlich von den übrigen Bewohnern geschieden, den Knechten und Inlauten, den Frauen und den Kindern. Außerhalb dieses Kreises stehen auch noch andere, unterschiedlichen Rechtskreisen zugehörige Personen, die Geistlichen, herrschaftliche Beamte, Schulmeister, Schäfer. Nachbar zu sein ist ein Vorrecht, das durch Geburt oder durch Aufnahme begründet wird. Nachbar zu sein ist im gleichen Maße eine Pflicht, der sich der Einzelne nicht entziehen kann". 3 22. Februar. 4 Aus dem See zwar inzwischen ein Acker geworden. s Jahrtagsmessen.

108 Titelblatt der ältesten Obernauer Kirchenrechnung (s. oben S. 108).

109 Kirche nannten, beweisen die aufgegebenen Bezeichnungen Kirchenpfad, Kirchgassenpfad und Kirchtorpfad, die keine Beziehung zur heutigen Pfarr­ kirche haben. Im Jahre 1730 war der Kapitalstock auf 1800 Gulden angewachsen. Der Pfarrer erhielt aus der Kasse 51 Gulden - es war für ihn ein gutes Jahr-, der Lehrer 13 Gulden. Da am Turm Baukosten in Höhe von 508 Gulden anstanden, mußte Geld aufgenommen werden, darunter eine freiwillige Bei­ steuer „von einem hochwürdigen Capitel7 in Aschaffenburg". Und in dieser Spalte ist zum erstenmal die Kapelle im Wald vermerkt, von deren „Obsorger" Adam Beckmann 5 Gulden erhoben wurden. 1734 waren zwei Obsorger, auch Kapellenmeister genannt, bestellt; sie übergaben 13 Gulden an Opfergeld, ebensoviel ein Jahr später, als dafür am Ort in der Kirchenrechnung nur 43 Kreuzer gebucht worden sind. Zwei Einträge weisen auf den Spendenreichtum in der Waldkapelle und zugleich auf die Vorbeugung gegen Eigenmächtigkeit hin: Da die beiden Obsorger der Kapelle im Wald mehr Opfer und nach und nach 40 Gulden erhoben und nach vorliegender Quittung das Geld für Notwendigkeiten der Kirche sowohl in Obernau als auch der Waldkapelle ausgegeben hätten, sollen sie nun in jedem Quartal das Opfer den Kirchenbaumeisterna aushän­ digen, damit „kein Irrtum geschehen möge"; weil 1742 bei den beiden Kapellenmeistern Peter Aulbach und Johann Adam Eberth noch 42 Gulden vorrätig gewesen seien, habe man dem Heinrich Aulbach 12 Gulden und dem Johann Schuck 30 Gulden ausgeliehen und die Verrrechnung dem Kirchen­ baumeister Adam Englert übertragen, damit er die Zinsen erhebe. 1775 wurden die inzwischen auf 216 Gulden angestiegenen „Capellengelder" der Kirchenkasse einverleibt und die Zinsen „zum Nuzen der Kirch" ver­ wendet. Doch man errichtete später einen Kapellenfonds. 1729 spendete Peter Waldeck ein Vermächtnis für zwei heilige Messen, 17 44 gab Apollonia Schwind 120 Gulden für jährliche Quatembermessen mit Anwei­ sung zur Aufteilung der Zinsen, von denen 2 Gulden dem Pfarrer, 30 Kreuzer dem Lehrer und der Rest von 3½ Gulden den Armen zugedacht waren. Im selben Jahre spendeten die Brüder Johann und Adam Bauer für ihre Brüder und Schwestern in Ungarn9. Ab 1760 häuften sich Vermächtnisse für Jahr­ tags-, Engel- und Seelenmessen, meist zwischen 20 und 40 Gulden.

6 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, 6827; zur Ersterwähnung Ruchelnheims vgl. Matthias Thiel, Das Privileg Papst Lucius' III. für das Stift Aschaffenburg von 1184 (Beihefte zum Aschaffenburger Jahrbuch, Heft 1), Aschaffenburg 1984, S. 5 u. 19. 7 Das Kollegiatstift in Aschaffenburg. 8 Oft nur Baumeister, seit 1808 Kirchenpfleger genannt. 9 Vgl. Peter Fleck, Neue Hoffnung fern der Heimat, in: Renate Welsch und Garsten Pollnick (Bearb.), Haibach 1187-1987. 800 Jahre Ortsgeschichte, Haibach 1987, S. 452-461, dies S. 453.

110 Einzelbezüge des Pfarrers und des Lehrers aus der Kirchenkasse des Jahres 1775 Pfarrer Lehrer

Angabe in Kreuzer für eine Wochenmesse 20 6 für eine Jahrtagsmesse 20 6 für ein Seelenamt 30 10 für ein Engelamt 45 15 für eine Quartalmesse 30 10 Die Erhebung zur Pfarrei Der Ort Ruchelnheim war spätestens im Markgräflerkrieg 1552/53 zerstört und verlassen worden10. Seine Kirche wurde 1787 niedergerissen und die Filiale Obernau zur Pfarrei mit eigener Kirche erhoben. Rückblickend ist in den Vor­ bemerkungen ab 1855/56 folgender Passus festgehalten: ,,Über den Kirchenfond zu Obernau existirt kein eigener Stiftungsbrief, da der Fond sich allmählich aus jenen Kapitalien, welche für einzelne Gottesdienste im laufe der Jahrhunderte in hiesige Kirche legirt wurden, bildete; ausgenommen hieven sind 3875 fl [Gulden], welche gemäß der am 20. Februar 1809 zwischen der Kirchenverwaltung und den Erben des Herrn Pfarrers Eustach Cammer, gestorben am 1. April 1807, der Kirche zufielen." Durch die Anlage der Spenden und der Jahresüberschüsse war das Kirchen­ vermögen bis zum Jahre 1800 auf 3458 Gulden angewachsen, und vom 16. Juli 1796 bis zum 1. April 1815 konnten 2000 Gulden „zur Bestreitung der Kriegskosten mit h. Consens bey der Kirchen zu Obernau" der Gemeinde gegen zweifache Sicherheit geliehen werden. Für die Verwaltung der Stiftung zeichneten der Pfarrer, der Kirchenpfleger und zwei Beigeordnete11. Die Gemeindeverwaltung bezeugte die öffentliche Bekanntmachung durch die Einsichtnahme im Gemeindehaus12, die erste Revisionsstelle war das Landgericht als Unterkuratelbehörde13, und die

10 Vgl. Günter Christ, Aschaffenburg. Grundzüge der Verwaltung des Mainzer Oberstifts und des Dal­ bergstaates (Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Reihe 1, Heft 12), München 1963, S. 19. 11 Vgl. Gemeindeedikt vom 17. Mai 1818 (revidierte Fassung), in: Karl Weber (Hrsg.), Neue Gesetz­ und Verordnungen-Sammlung für das Königreich Bayern mit Einschluß der Reichsgesetzgebung. Enthaltend die auf dem Gebiete der Verfassung und Verwaltung geltenden oder die Interessen des Staatsbürgers betreffenden Gesetze, Verordnungen und sonstigen Bestimmungen, Bd. 1, Nörd­ lichen 1880, S. 555-578, hier§ 94. 12 Vgl. ebd., § 105. 13 Vgl. Ministerialentschließung vom 31. Oktober 1837, den Vollzug des Gemeindeedikts betr., in: Weber (wie Anm. 11 ), Bd. 3, Nördlingen 1883, S. 106-195, hier unter 88, S. 129.

111 Regierung in Würzburg erteilte als Oberkuratel14 die „superrevisorische" Genehmigung wenigstens einmal in fünf Jahren15. In der Armut der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieben Opfer und Spenden spärlich, und die Zah­ lungsrückstände nahmen überhand. Die Behörde drängte Jahr für Jahr auf eif­ rigste Eintreibung, verlangte, als nur der sechste Teil der Zinsen einging, ,,unverzüglich gerichtlich einzuklagen", und drohte dem Pfleger mit Geld­ strafen von 5 bis 15 Gulden. Die Antwort zum Rechnungsjahr 1841/42: „Da in diesem Jahr die ausserordentliche Brodtheuerung sowie der übrigen Lebensmittel eingetreten war, konnte dem hohen Notamen, ohne die Restanten in großen Schaden zu versetzen, unmöglich genü­ gend entsprochen werden, und der Pfleger, der um so eifriger in Beitrei­ bung der Rückstände arbeiten will, bittet unterthänigst, diese Rechtferti­ gung als genügend anzuerkennen und von der angedrohten Strafe gefäl­ ligst noch Umgang [Abstand] zu nehmen." Nach der Vorschrift mußten alle Hypothekenbriefe „sowie jeder über 50 fl betragende baare Vorrath in der Kirchenkiste unter doppelten Verschluß gebracht" werden; 1860/61 betrug das Gesamtvermögen 11 619 Gulden, zusammengesetzt aus dem Kapital von 1 O 083 Gulden, dem Jahresüber­ schuß und dem Buchwert des Inventars. Damals - die Zeiten waren besser geworden, und Opfer und Spenden für Messen hatten zugenommen - fragte der Landrichter, warum in Obernau die Hypotheken meist nur 4% und nicht wie andernorts 4½% oder 5% einbringen würden. ,,Vielleicht dürfte sich Einer oder der Andere Schuldner, wenn ihm die Kündigung in Aussicht gestellt würde, zur Erhöhung des Zinsfußes auf 4½% freiwillig verstehen".

Man antwortete ihm: „Einen höheren Zinsfuß zu erwirken, ist nicht möglich. Man kann die Kapitalien nicht einmal zu 4 p.C. [%] wegbringen, weshalb man Staats­ obligationen ankaufen mußte." Das waren für 1100 Gulden bayerische Eisenbahnobligationen zu 4½% und 4% sowie eine Grundrentenablösungsobligation zu 4%. 8923 Gulden hatte man als Hypotheken zu 4% an 36 Schuldner, darunter mit 211 O Gulden an die Gemeinde, ausgeliehen, und 60 Gulden lagen mit 31/3% bei der Sparkasse. 1860/61 erhielt Pfarrer Andreas Simon (1797-1875) folgende Beträge aus dem Kirchenfonds:

14 Ebd., unter 206, S. 181. 1s Wie Anm. 12.

112 ,, 1. für 61 Jahres-Messen a 20 xr. [Kreuzer] 20 fl 20 xr 2. für die Jahrmesse der A. Mar. Maier 24 3. für die Jahrmesse des Johann Gerlach 30 4. für 20 ältere Jahrtäge a 30 xr. 10 5. für 11 neue Jahrtäge a 45 xr. 8 12 [!] 6. für 16 Engelämter a 45 xr. 12 7. für das Engelamt der Familie Göbel 1 8. für 48 Wochenmessen u. 4 Quartalämter 20 9. wegen der Feste B.M.V. u. Samstags Abend- Andachten 10 30 1 O. für 6 Allerseelen-Andachten a 30 xr. 3 11. für Christenlehr-Geschenke 5 12. für Meßwein 10 13. für Kommunik.- u. Johannes Segen-Wein 44 14. für fremde Geistliche in der Bittwoche 1 12 15. für Wachspräsent am Lichtmeßtag 2 40 16. für Reinigung der Kirchengefäßen 1 17. für Schreibmater. zu Pfarramts Bericht 1 18. für 20 Jahrmessen pro 1859/60 6 20 19. für 4 Todesangst-Andachten 2

120 fl 52 xr"

Die Gesamtausgaben für Kirchendiener beliefen sich im Rechnungsjahr 1860/61 auf insgesamt 172 Gulden 33 Kreuzer und setzten sich aus folgenden Posten zusammen: fl xr

„Herrn Dechant für Visitationsgebühren 1 Herrn Pfarrer Simon für gottesdienstl. Verrichtungen etc. 120 52 dem Schullehrer für Besorgung des ewigen Lichtes 1 30 demselben als Organisten für gestiftete Gottes­ dienste 27 45 demselben für das neugestiftete Engelamt für Peter Hösbacher 24 diesem für die neugestifteten Jahrtäge für Elisabeth Hauck 44 demselben für die neugestifteten 2 Allerseelen-An­ dachten für dieselbe 36

113 dem Kalkanten16 für die gestifteten Gottesdienste 1 16 demselben für die 2 Jahrtäge und 2 Allerseelen-An- dachten für Elisabeth Hauck 16 diesem für das Engelamt für Peter Hösbacher 4 den 4 Sängern (Johann Stein, Johann Hösbacher, Peter Aulbach und Andreas Schmitt) 6 dem Kirchendiener Adam Schüßler als Remunera- tion für den Kirchendienst 12 6

172 33" Weil Anschaffungen über 5 Gulden genehmigungspflichtig waren, richtete Pfarrer Simon am 6. Mai 1862 folgendes beispielhaftes Schreiben an das Landgericht17 in dem damals üblichen Untertanenstil: ,,Auf die hohen Weisungen des Königl. Landgerichtes vom 17. Juni d. J. Nr. 4007 und vom 14. April d. J. Nr. 7001 im nebenbemerkten Betreffe bittet die unterzeichnete Kirchenverwaltung wiederholt gehorsam, das Königl. Landgericht wolle gütigst die Anschaffung eines neuen weißen Meßgewandes, nach anliegender Quittung im Preise zu 72 fl. geneh­ migen; denn es ist nur das weiße von Goldstoff vorhanden, welches an allen Feiertägen benutzt bald abgenutzt sein wird, und der Stiftung dadurch ein weit größerer Verlust zugehen würde. Die Anschaffung desselben wäre schon früher dringend nöthig gewesen; allein man suchte sich auf jede nur mögliche Weise zu behelfen, um den zur Anschaffung der allerdringendsten Gegenstände von Herrn Pfarrer [Peter] Noll [1809-1859] gemachten Passiv-Vorschuß tilgen zu können. Schon von dem verlebten Herrn Pfarrer Noll wurde dargelegt, wie viel noch in der hiesigen Kirche zur würdigen Feier des Gottesdienstes fehlt, und [es] wurde deshalb auch die hiesige Kirchenstiftung gnädigst bis zum Jahre 1866 von Konkurrenzbeiträgen18 befreit, damit aus den gewonnenen Überschüssen die nöthigen Anschaffungen bethätigt werden können. Daher verbindet man zugleich hiemit die gehorsame Bitte, gütigst gestatten zu wollen, daß von dem verbliebenen Überschusse keine Admassirung [Wiederanlage] Statt finde; indem in Folge anliegender hoher Genehmigung vom 3. Nov. 1861

16 Blasebalgtreter. 17 Das Landgericht war bis 1862 für Rechtsprechung und Verwaltung zuständig; vgl. Christ (wie Anm. 10), s. 193-200. 1a Beiträge an andere Stiftungen (z. B. Kirchenstiftungen).

114 a) für einen neuen Priester-Chorrock mit breiten Spitzen 18 fl. b) für eine neue Albe mit breiten Spitzen 12 fl. c) für eine neue Fahne 48 fl.

Summa 78 fl.

gezahlt wurden, sohin der Kassabestand sich mit den obigen 72 fl. für das Meßgewand aufzehrt. Die unterzeichnete Kirchenverwaltung hofft um so mehr auf gütige Gewährung dieser ihrer gehorsamen Bitten, als sie für das wahre Beste der Stiftung zu sorgen glaubt, wenn sie bei der jetzt gegebenen Möglich­ keit durch Anschaffung billiger Paramente bewirkt, daß die kostspieli­ geren geschont werden können, und harret in schuldiger Ehrerbietung des Königlichen Landgerichtes gehorsame Kirchenverwaltung."

Der Landrichter erwiderte am 9. Mai 1862: „An die Kirchenverwaltung Obernau mit der Eröffnung, daß gegen die Anschaffung eines Meßgewandes und die Verwendung von 72 fl zu frag­ lichem Zwecke curatelamtlich nichts erinnert wird." Die durch den Eingang der Zinsen gedeckten Ausgaben erlaubten lediglich einen geringen Überschuß für die Aufstockung des Kapitals. Seine Zunahme belief sich bis 1870 auf 11 065 Gulden und war zur Hälfte durch die Anlage von Stiftungsgeldern entstanden. Nach dem Umrechnungskurs auf der Basis 200 Gulden gleich 350 Mark betrug dieses Kapital 19 363 Mark.

Die Kirchenverwaltung wollte 1871 den höheren Zinssatz der Privatbanken ausnutzen, mußte aber zurückstecken, weil die Behörde nicht gewillt war, ,,die Curatelgenehmigung zur Anlage von Stiftungsgeldern bei dem Privatbank­ verein dahier" zu erteilen. Man könne ihr „bei allfallsigen Verlusten eine Mit­ haftung" nicht zumuten; die Kirchenverwaltung erhielt den Auftrag, ,,bei Ver­ meidung eigener Haftung sobald als möglich die bei genannter Bank ange­ legten Gelder zurückzuziehen und verordnungsgemäß anderwärts anzu­ legen".

Der Bezirksamtmann Ludwig Priester (1834-1929) war auf den Pfennig genau und schrieb zur Rechnung des Jahres 1895: ,,Nach Beleg Nr. 13 betragen die Bezüge des H. Pfarrers 243,01 M.; ver­ ausgabt wurden dagegen nur 243 M. Der zu wenig verausgabte 1 Pf. hat in nächster Rechnung zu geschehen."

115 Das Vermögen der Stiftung nahm weiterhin in kleinen Schritten zu und setzte sich 1920 aus dem lnventarwert von 7979 Mark und dem Kapital von 31 804 Mark zusammen, nachdem die Kirche mit der Gemeindeverwaltung einen Ablösungsvertrag geschlossen hatte. In diesem Vertrag vom 7. April 1920 zwi­ schen der Gemeinde Obernau und der Kirchenverwaltung hatten die Gemeinde das Läutkorn mit der Zahlung von 8125 Mark an die Kirchen­ gemeinde und die Kirchengemeinde ihren Anteil am Schulkorn mit der Über­ eignung von drei Grundstücken an die Gemeinde im Wert von 855 Mark abge­ löst. Die Gemeinde verpflichtete sich aber, ,,solange die eigenen Mittel der Kir­ chenstiftung zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse nicht hinreichen, jährlich einen Zuschuß von 500 Mark (fünfhundert Mark) an die Kirchenstiftung in 2 halbjäh­ rigen Raten zu zahlen". Ende 1923 standen auf der Einnahmenseite 7,59 Billionen Mark, auf der Aus­ gabenseite 3,07 Billionen Mark, und der Aktivrest von 4,52 Billionen Mark wurde 1924/25 mit 4,52 Rentenmark bei den Einnahmen verbucht.

Die Stiftung jeweils nach den beiden Währungsreformen Die Kirchenverwaltung kam bei der Aufwertung glimpflich davon. Sie verfügte 1928 über ein Startkapital von 4294,25 Mark, weil die bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, der Bayerischen Handelsbank, der Bayeri­ schen Landwirtschaftsbank, der Süddeutschen Bodenkreditbank und der Pfäl­ zischen Hypotheken- und Wechselbank mündelsicher angelegten aufwer­ tungsfähigen Wertpapiere unter Überschreitung des Nominalwerts von 15% auf meist 20% den Hauptteil einbrachten. Bis 1930 hatte außerdem die Hessi­ sche Landeshypothekenbank mit 10% aufgewertet, und Neu-, Rest- und Schlußaufwertungen sind auch aus Hessen bis 1937/38 sowie bis 1939/40 Ablösungsschulden vom Reich und von Bayern gebucht worden. Der gesetz­ lich höchste Aufwertungssatz lag bei den Hypotheken mit 25%. Leider war nur noch eine Hypothek vergeben gewesen. Die 1920 eingegangene Verpflich­ tung der Gemeinde, mit 500 Mark auszuhelfen, wenn nötig, wurde „durch den Gemeinderatsbeschluß vom 14. II. 1927 ausdrücklich erneuert".

Die Haupteinnahmen lagen jetzt im Klingelbeutel. Hinzu kamen die Zinsen des bis 1945 auf 7060 Mark angestiegenen Kapitalstocks, Beträge für bestellte Gottesdienste, Kirchenumlagen und seit Mitte der dreißiger Jahre beachtliche Spenden. Die Ausgaben erschöpften sich in erster Linie für den Gottesdienst­ bedarf und für Reparaturen, in kleinerem Maße für Verwaltung, Versiche­ rungen und Steuern. 1928 verlangte der Glockenläuter eine Aufbesserung, ,,u. zwar 1 Acker u. Holz. Der Pfarrer gab ihm einen von den selbstbewirtschafteten Pfarräckern u. 2 Ster Holz u. berechnete Acker u. Holz nach dem ortsüblichen Preis".

116 Die Kirche war mit 79 000 Reichsmark, die Kapelle im Wald mit 5100 Reichs­ mark und das Kircheninventar mit 7300 Reichsmark versichert. Neben der Kirchenstiftung gab und gibt es noch einen Kirchenbaufonds, einen Kapellenfonds und einen Kaplaneifonds. Man konnte sich gegenseitig durch Darlehen aushelfen - zinslos, was im alten Bayern nicht erlaubt war. Der Pfarrer erhielt Bezüge aus dem Allgemeinen Schul- und Studienfonds, aus dem Pfarrpfründenvermögen und aus der Verpachtung von23 Äckern und einer Wiese. Das Jahr 1948 brachte den zweiten Vermögenseinbruch. Für die Bayerische Kommunalanleihe, für Goldpfandbriefe der Bayerischen Handelsbank, Hypo­ theken- und Wechselbank und Landwirtschaftsbank, der Süddeutschen Bodenkreditbank und der Pfälzischen Hypotheken- und Wechselbank, zusammen 6300 Reichsmark, wurden 630 DM, also 10%, und für die Spar­ bucheinlage von 763 Reichsmark bei der Bayerischen Staatsbank 45 DM aus­ bezahlt. Wieder ermöglichten Spenden und Überschüsse den finanziellen Auf­ stieg:

Vermögensausweis 1966

Angelegtes Kapital 4 945 DM landwirtschaftliche Grundstücke {0,656 ha) 600 DM Grundvermögen der neuen Kirche 1 140 000 DM Grundvermögen der Waldkapelle 5 100 DM Bewegliches Vermögen 90 681 DM Mehreinnahmen 4 540 DM

Summe des Vermögens 1245 866 DM Zinsloses Darlehen vom Kapellenfonds 1 050 DM

Reiner Vermögensstand 1244 816 DM

Für die Kirchenstiftung Obernau19 sind im weiteren bis heute keine beson­ deren Veränderungen eingetreten.

,e Sofern nicht anders angegeben, befinden sich sämtliche zitierten Archivalien im Pfarrarchiv Aschaffenburg-Obernau.

117 Die Wiedervereinigung von Damm mit Aschaffenburg am 1. Juli 1901

von Martin Kempf

Am 1. Juli 1901, einem Montag, schmückte in Höhe des Dämmer Gasthauses zur Biene (Burchardtstr. 2) eine mit Tannengrün verzierte Ehrenpforte die so markierte Gemarkungsgrenze der Landgemeinde Damm zur Stadt Aschaffen­ burg. Der Straßenzug Müller-/Burchardtstraße, an dem die Pforte errichtet war, bestand seit 1870 und bildete die einzige Direktverbindung zur Stadt, nachdem der Eisenbahnbau 1854 die früheren Zufahrtswege zerschnitten hatte.

Die Gemarkungsgrenze zur Stadt verlief mitten durch die Kreuzung, wobei die Gastwirtschaft im Vor­ dergrund links, das „Heimsehe Eck", zur einen Hälfte auf Dämmer, zur anderen auf städtischem Grund stand. Am Beginn der Burchardtstraße wurde die Ehrenpforte errichtet.

Damms Honoratioren, an der Spitze ihr Bürgermeister Lorenz Stenger, zahl­ reiche Bürger und Schulkinder sowie die mit ihren Fahnen angetretenen Ver­ eine blickten erwartungsvoll in Richtung Eisenbahnviadukt, von wo sich pünkt­ lich um 1 0 Uhr eine Reihe von Kutschen näherten. Aschaffenburgs Bürgermeister, Geheimer Hofrat Friedrich Ritter von Medicus, begleitet vom gesamten Stadtmagistrat, dem Kollegium der Gemeindebevoll­ mächtigten und dem Armenpflegschaftsrat, vernahm nach Ankunft aus freu­ digem Kindermund ein gereimtes Wilkommensgedicht, bevor sich die Versam­ melten in geordnetem Festzug zur St. Michaelskirche begaben1.

118 Der Aschaffenburger Bürgermeister Friedrich Ritter von Medicus (1877-1904) und (rechts) der letzte amtierende Bürgermeister von Damm, Lorenz Stenger (1897-1901), von Beruf „Gast- und Landwirt".

Anlaß dieser und der weiteren Feierlichkeiten wie Festgottesdienst und anschließender Festakt im Heimsehen Saale (Dorfstraße 1) war der offizielle Vollzug der in zahlreichen Verhandlungen beschlossenen und unter dem 3. Juni 1901 vom Königlichen Staatsministerium des Inneren genehmigten Ein­ verleibung der Gemeinde Damm in die Stadtgemeinde Aschaffenburg bei gleichzeitiger Abtrennung der Gemeinde vom Bezirksamt Aschaffenburg2. Die für einen Großteil der Gemeinde herbeigesehnte Wiederherstellung eines über Jahrhunderte währenden Zustandes erfüllte sie mit großer Freude. Daß auch städtische Grundstücksinteressen im Zusammenhang mit der anste­ henden Mainkanalisierung und dem Bau eines Hafens im Gespräch waren, zumal Damms Gemarkung zwischen Schlotfegergrund und Aschaffmündung bis zum Main reichte, störte sie in diesem Augenblick nicht3. Der Eingemeindungsbeschluß revidierte die Verfügung der Königlich Bayeri­ schen Regierung vom 26. November 1819, deren Auswirkungen von den Dämmern fast ein Jahrhundert nur widerstrebend geduldet wurden. In meh­ reren vergeblichen Anläufen, so 1837, 1841 in einer persönlichen, aber erfolg­ losen Petition an König Ludwig 1. anläßlich eines Besuchs in Aschaffenburg

' Vgl. Julius Krieg, Handschriftliche Notizen (im Besitz des Verfassers): Eingemeindung. 2 Schreiben des K. Staatsministeriums des Innern, München vom 3. Juni 1901, Bayerisches Haupt­ staatsarchiv München, M Inn, 54304. J Vgl. Krieg (wie Anm. 1).

119 und vor allem im Revolutionsjahr 1848, wo sie bewaffnet Sturm gelaufen waren, versuchten sie, den verhaßten Zustand zu beenden4. Nun konnten sie wieder, wie in vergangenen Jahrhunderten üblich, unter Ver­ trägen ihrem Namen den Zusatz anfügen: ,,Bürger von Aschaffenburg, lnwohner von Damm"s. Diese Rechts- und Pflichtengemeinschaft läßt sich weit zurückverfolgen. Die frühesten Erwähnungen des Ortes Damm oder der Mühlen an der Aschaff gehen in das 12. und beginnende 13. Jahrhundert zurück. Propst Arnold des Stifts St. Peter und Alexander erwarb am 11 . Dezember 1144 zwei Mühlen an der Aschaff zur besseren Versorgung mit Weißbrot6, eine weitere Mühle. schenkte Propst Adelhardus dem Stift, hier ausdrücklich mit dem Zusatz, ,,in Dammes"7. In einem Prozeß von 1232 war u. a. ein Gutshof in Damm Teil des Streitob­ jekts, zu dessen Herausgabe eine lrmengardis von Rabensburg verklagt war8. Diesen sowie die im gleichen Prozeß zugesprochenen Liegenschaften schenkten die Brüder Albert von Kugelberg, Kantor in Mainz, und Burchard, Kanoniker am Stift in Aschaffenburg, zu ihrem und ihrer Vorfahren Seelenheil 1240 der Kirche St. Mariä in Hagen ( = Schmerlenbach)9. Am 23. Februar 1295 beurkundeten die Aschaffenburger Richter den Verzicht des Arnold Strube und seiner Gattin Gude aus Hostebach ( = Hösbach) auf einen Hof mit Äckern, Weinbergen und anderen Zugehörungen in und um Damm (Dammes) sowie Weinbergen am Pfaffenberg zugunsten von Propst und Konvent des Klosters Schmerlenbach10. Haben wir damit erste konkrete Hinweise für eine Besiedelung und Bildung Damms in welcher Form auch immer, so lassen sich in der zweiten Hälfte des

4 Vgl. Alois Lorenz, 1848er Revolutionstage in Aschaffenburg, in: Aschaffenburger Geschichtsblätter 20 (1928), S. 9-13, dies S. 9 f.; vgl. auch Krieg (wie Anm. 1): Revolution 1848. 5 Vgl. Josef Kittel, Geschichte der Grafen und Freiherrn von Reigersberg, 1891, S. 208, Anm. 37, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Handschrift. 6 Vgl. Matthias Thiel, Urkundenbuch des Stifts St. Peter und Alexander, Bd. 1: 861-1325 (Veröffent­ lichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 26), Aschaffenburg 1986, Nr. 22, s. 93-99. 7 August Amrhein, Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, in: Archiv des historischen Vereines von Unterfranken und Aschaffenburg 26 (1882), S. 1-394, dies S. 61; vgl. auch Claus Brügmann, Das Älteste Nekrolog des Stifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffen­ burg, Bd. 30), Aschaffenburg 1989, S. 164 f. 8 Josef Kittel, Urkunden und Personalstand des ehemaligen Frauenklosters Schmerlenbach, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 45 (1903), S. 91-215, dies s. 127. 9 Vgl. ebd., S. 128. 10 Vgl. ebd., S. 142 f.

120 13. Jahrhunderts die besonderen Beziehungen zur Stadt Aschaffenburg fest­ stellen. Das in der Zeit zwischen 1278 und 1284 entstandene Koppelfutterregister nimmt Aschaffenburg, Damm und Sehweinheim aus der Abgabepflicht heraus11. Da 1249 den Einwohnern von Sehweinheim alle Rechte und Frei­ heiten wie den Bürgern in Aschaffenburg eingeräumt wurden12 und Damm zur Erstausstattung der Pfarrei St. Agatha in Aschaffenburg gehörte13, deren Gründung in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts verlegt wird, kann man bei allem Vorbehalt annehmen, daß die „Vorstädter", wie die Dämmer Einwohner immer wieder bezeichnet werden, bereits zu dieser Zeit die gleichen Rechte genossen und dieselben Verpflichtungen trugen wie dies von Erzbischof Sieg­ fried II. dem Aschaffenburger Stift am 7. März 1219 für dessen in der Vorstadt (area suburbana) siedelnden Bauern bestätigt wurde 14. Ob dies bereits für den Zeitpunkt der Luciusurkunde von 1184 gelten darf, muß in Ermangelung kon­ kreter Belege offenbleiben1s. Kriegerische Unruhen in der Zeit des Interregnums verheerten auch das Erz­ bistum Mainz und zwangen zu erhöhten Befestigungsausgaben, die auch dem Stift in beträchtlichem Umfang erwuchsen. So gelang es dem Stift innerhalb von wenigen Jahren (1273 und 1279), die beiden Pfarreien Unsere Liebe Frau und St. Agatha einzuverleiben, was zu einer nicht unerheblichen Einkom­ mensverbesserung führte1s. Das Interesse des Stifts an den Einkünften der Pfarrei St. Agatha mag sich dahingehend deuten lassen, daß die eingepfarrten Orte Damm und Glattbach sowie die Mühlen an der Aschaff einen fühlbaren Anteil zum Pfarreiein­ kommen beitrugen. Die Beziehungen Damms zur Stadt scheinen nicht unterbrochen, wenn 1624 im Jurisdiktionalbuch des Vizedomamts Aschaffenburg der Abschnitt „Cent vorm Spessart" überschrieben ist:

11 Vgl. Günter Christ, Aschaffenburg. Grundzüge der Verwaltung des Mainzer Oberstifts und des Dal­ bergstaates (Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Reihe 1, Heft 12), München 1963, S. 13. 12 Vgl. ebd. sowie Hans-BerndSpies, Die geschichtliche Entwicklung Sehweinheims bis etwa 1325, in: Hans Brunner, Schweinheimer Bilderbogen. Ein Dorf im Wandel (Aschaffenburger Studien, II. Dokumentationen, Bd. 4), Aschaffenburg 1989, S. XV-XIX, dies S. XVI f. 13 Vgl. Martin Balduin Kittel, Die Bau-Ornamente aller Jahrhunderte an Gebäuden der Königlich Baye­ rischen Stadt Aschaffenburg, 10. Lieferung, Aschaffenburg 1857, S. 10 f. 14 Vgl. Thiel (wie Anm. 6), Nr. 40, S. 158 f. 15 Vgl. Matthias Thiel, Das Privileg des Papstes Lucius' III. für das Stift Aschaffenburg von 1184 (Bei­ hefte zum Aschaffenburger Jahrbuch, H. 1 ), Aschaffenburg 1984. 16 Vgl. Jacob May, Beschreibung der vormaligen Kollegiatstifts-Kirche zu den HH. Peter und Alex­ ander in Aschaffenburg, nebst der Geschichte dieses vormaligen Kollegiatstiftes, in: Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 4 (1838), H. 2, S. 1-21 0, dies S. 64 f.

121 Aschaffenburg mit Damm1?. 1668 erfolgte in der Beschreibung der Gerechtsame im Vizedomamt Aschaf­ fenburg wieder die Bezeichnung: Stadt Aschaffenburg und Flecken Damm. Im Abschnitt über die Leibeigenschaft liest man: „Ist allhier in der Stadt und angehörigem Flecken Damb (: weilen diese Mitbürger :) keine Leibeigenschaft gebräuchlich. Das gleiche gilt für Leibsbeeth und Besthaupt." Die 240 Seiten umfassende Schrift legt in Eindeutigkeit für alle Lebensbe­ reiche wie Waldnutzung, Eichelmast, Weidegang, Schäferei, Steuerzahlung, Zollfreiheit bei bestimmten Ein- und Ausführgütern oder Betreiben einer Häk­ kerwirtschaft für selbst geernteten Wein stets die Rechtsgleichheit für die Stadt und Damm fest, um abschließend zu bemerken, daß die Stadt und der angehörige Flecken Damm von allen herrschaftlichen Frondiensten befreit seien 18. Vor 1770 gab es in Damm als Organe der Verwaltung den Stadtschultheiß von Aschaffenburg für die Bereiche Polizei und Justiz sowie zwei Heimburger, die, allem Anschein nach in Damm wohnend, eine Art Kassenverwaltung wahr­ nahmen. Im 18. Jahrhundert war hin und wieder auch von einem Gemeinde­ vorsteher die Rede1 9. Im Rahmen der ab 1772 eingeleiteten Reform unter Erzbischof Emmerich Joseph von Mainz erfolgte auch in Damm eine Umorganisation20. Trotzdem änderte sich nichts am bisherigen Verhältnis zur Stadt im allge­ meinen, denn bei der Festlegung der Kriegskosten für 1775/76 bemerkte die Kellerei Aschaffenburg, daß „die Einwohner zu Damm mit den Aschaffenburgern eine Bürgerschaft bilden, die gleichen bürgerlichen Rechte genießen und die gleichen Lasten tragen"21.

17 Johann Conrad Dahl, Geschichte und Beschreibung der Stadt Aschaffenburg, des vormaligen Klo­ sters Schmerlenbach und des Spessarts, mit Beilagen, Darmstadt 1818, S. 266. 18 Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Jurisdiktionalbuch 32 b; vgl. Abschrift bei Krieg (wie Anm. 1): Zehnt. 19 Nachrichten über die Ortsverwaltung, handschriftliche Aufzeichnungen der Gemeinde Damm, ohne Datum, geführt von 1770 bis 1835, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg; vgl. J. Kittel (wie Anm. 5). 20 Vgl. Christ (wie Anm. 11), S. 97 f.; vgl. auch Anm. 19. 21 Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Regierungsarchiv, LG 4112.

122 Ab 1777/78 erscheint mit Christoph Wilhelm der erste Schultheiß in Damm, dem zwei Gerichtsgeschworene beigeordnet sind. In seiner Amtszeit erfolgte die Beilegung eines jahrhundertealten Streits um den Strietwald, der damit für Damm endete, daß anstelle des ursprünglichen Rechts auf Gesamtnutzung des Strietwaldes wie Beheizung, Weidegang, Viehstreunutzung und Mastung nun ein 400 Morgen umfassendes Areal zur Verfügung abgesteint wurde, das den Dämmern zur ausschließlichen Nutzung diente22. Die erstmals erwähnte Stelle eines Bürgermeisters, die 1778 mit Franz Schü­ lein besetzt wurde, schuf man zur Betreuung des fiskalischen Bereichs. Einzug von Steuern und Abgaben sowie die Führung der gemeindlichen Rech­ nungen waren seine Aufgaben. Die erzielten finanziellen Überschüsse hatten zwei festbestellte Geldeinnehmer an die Stadtkasse abzuliefern23. Im Zwi­ schenspiel des primatischen Staates und des Großherzogtums unter dem Fürstprimas bzw. Großherzog Carl war die Verwaltung nach französi­ schem Vorbild organisiert. Unter der Departementsverwaltung von Aschaffen­ burg fungierte in Damm der zum Maire umbenannte Schultheiß, dem Munici­ palräte, fünf an der Zahl, beigeordnet waren. Darüber hinaus amtierte noch ein Gerichtsschreiber24. Mit dem Einmarsch der österreichischen Armee 1813 und der Einverleibung Aschaffenburgs in Bayern am 26. Juni 1814 näherte sich der Zeitpunkt, der diese jahrhundertalte Beziehung unterbrechen sollte. Noch ist nicht gesprochen von mehreren Einrichtungen, die sich im Bereich der Vorstadt befanden, aber zum wesentlichen Bestandteil Aschaffenburgs gehörten. Im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Reform von 1772 entfernte man 1788/89 das von alters her bestehende Hochgericht auf dem Galgenberg25, wobei das Vizedomamt als Standortsbezeichnung „in Dämmer Gemarkung" hinzufügte. Hauptgrund für den Abbruch an dieser Stelle war die Meinung des Landesherrn, daß man dem Bürger „die Unschicklichkeit des Anblicks eines Gehenkten" ersparen müsse26. Daß der „Galgenbuckel", wie er heute noch in Damm genannt wird, nicht erst seit dem Schloßbau Richtplatz war27, läßt sich aus einem Vermächtnis des Müllers Peter und seiner Gattin Hedwig schließen, die 1318 dem Aschaffen­ burger Hospital ein Malter Korn stifteten, das von ihrem Acker beim Aschaffen-

22 Vgl. Anm. 19, S. 4. 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. ebd., S. 5. 2s Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Regierungsarchiv, 209, Cent 139, fol. 1-2. 29 Ebd. 27 Vgl. M. B. Kittel (wie Anm. 13), S. 7.

123 burger Galgen zu geben sei2B. 1485 zinst der junge Faust von Damm von seinem Acker am Galgenrain. Die Ortsbezeichnung läßt auf eine schon län­ gere Verweildauer des Hochgerichts an diesem Platze schließen29. Noch deutlicher wird die Standortbezeichnung in einem bereits 1447 beschriebenen Vorgang. Dort hatte das Gericht am „zweiten Wochentag nach Sonntag Judica" getagt, um strittige Wegerechtsansprüche zu klären, die im Bereich des Hochgerichts entstanden waren. Den fraglichen Standort bezeichneten die Richter als „vor der Stat beym galgen, im mersch", wobei unter Mersch die Mörswiese zu verstehen ist, die bis zur Eingemeindung 1901 Teil der Dämmer Markung war3o. Ein weiteres nicht minder wichtiges Objekt der Stadt war der an der spätere� Schulstraße gelegene Schultheißenhof. Aus Meiereihof und etwa 200 Morgen Land bestehend, diente er dem jeweiligen Stadtschultheißen als Dienstlehen, das er selber nutzen oder verpachten konnte. Bereits im 15. Jahrhundert wurde es vergeben31. Mit der Anstellung zum Stadtschultheißen übernahm 1624 Nikolaus Georg Reigersberg das Dienstlehen. 1635 geadelt, finden wir ihn als Staatskanzler des Kurstaats in zahlreichen diplomatischen Missionen. Sein Kurfürst Anselm Casimir befreit seine Güter von allen Belastungen, stellt sie adeligem Grund­ besitz gleich. So wurde schließlich aus dem Dienstlehen das Reigersberger Hofgut,32 Bereits 1803, in der Zeit, als Damm für zwei Jahre (1802-1804) von St. Agatha losgelöst eine eigene Pfarrei besaß, erwarb die Gemeinde vorausschauend eine Wiese aus dem Hofgut als Bauplatz für eine künftig zu bauende Kirche33. Der spätere bayerische Justizminister Christoph Heinrich Alois von Reigers­ berg, damals noch Kammerrichter am Reichskammergericht in Wetzlar, ver­ kaufte 1806 alle im Aschaffenburger Bereich liegenden Besitzungen34.

28 Vgl. Martin Balduin Kittel, Die Bau-Ornamente aller Jahrhunderte an Gebäuden der Königlich Baye- rischen Stadt Aschaffenburg, 12. Lieferung, Aschaffenburg 1861, S. 53. 29 Freundliche Mitteilung von Herrn Dipl.-Ing. Alois Grimm, Aschaffenburg. 30 Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, G 12323, fol 30'. 31 Vgl. Martin Kempf, Das Reigersberg'sche Hofgut in Damm, in: Spessart. Monatsschrift des Spes­ sartbundes. Zeitschrift für Wandern, Heimatgeschichte und Naturwissen 1972, H. 6, S. 51-52, dies s. 51. 32 Vgl. ebd., S. 52. 33 Vgl. ebd. 34 Aschaffenburger Intelligenzblatt 1806, Nr. 41 (21. Mai), S. [2].

124 Als Erwerber erschien der im Aschaffenburger Judenverzeichnis als Unterrab­ biner bezeichnete Josef (Josel) Westheimer35. Unter einem Nachfolger, Baron Hirsch, wurde die Anlage parzellenweise verkauft36. Der jüdische Anteil an der Bürgerschaft Damms kann nicht hoch gewesen sein, obwohl die frühere Kästergasse (die Verbindung zwischen Schul- und Mittelstraße) zeitweilig Judengasse hieß. Zwischen 1799 und 1807 sind sieben Familien im städtischen Judenverzeichnis registriert37. 1871 übersiedelte der jüdische Ochsenmetzger Josef Strauß von Damm in die Stadt, 1875 sein Berufskollege Emmanuel Hamburger3B. Nicht erst in unseren Tagen ist eine vernünftige Verkehrsverbindung die Vor­ aussetzung für die Verknüpfung von Wirtschaftsräumen, schlechthin für die Überwindung von Entfernungen. Auch dieses Problem ergab sich in den Beziehungen zur Stadt, vielleicht sogar mit die Ursache der Entstehung Damms. Um den Landweg nach Frankfurt oder die Fernstraße über Geln­ hausen nach Thüringen und Sachsen zu gewinnen, mußte die Aschaff über­ quert werden. Eine Vizedomamtskarte von etwa 156039 und die Spessartkarte aus dem Pfin­ zingatlas von 159440 zeigen eine Brücke an der Schwalbenmühle. In einem Vernehmungsprotokoll von 1603 der als Hexe angeklagten lrmel uf der Heydt erscheint die Ortsangabe bei der „Neuen Brücke", was erschließen läßt, daß hier ein Neubau anstelle eines Vorgängerbaus entstanden war41 . Im Scheitel­ stein des mittleren Bogens der 1912 abgebrochenen Aschaffbrücke in der Ortsmitte war die Jahreszahl 1595 zu lesen42. Die Lage der kurfürstlichen ,,Herrenmühle" auf dem rechten Aschaffufer müßte zu der Annahme berech­ tigen, daß auch für diesen Platz mit einer Vorgängerbrücke zu rechnen ist. Bis zur Eingemeindung war dieser Platz am Beginn der Dorfstraße der Mittel­ punkt des Ortes.

35 Vgl. Salomon Bamberger, Historische Berichte über die Juden der Stadt und des ehemaligen Für- stentums Aschaffenburg, Straßburg 1900, S. 73. 36 Vgl. Kempf, (wie Anm. 31), S. 52.

37 Vgl. Bamberger (wie Anm. 35), S. 63. 36 Bildalbum der Metzgerinnung Aschaffenburg, ohne Jahrgang, Notizen über ehemalige Metzger­ meister in Aschaffenburg. 39 Karte des Vizedomamtes Aschaffenburg: Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Serie XI, Nr. 14; vgl. Josef Wirth, Aschaffenburg. Eine Sammlung alter Stiche, Lithographien, Zeichnungen und Gemälde, Aschaffenburg 1948, Abb. 2. 4° Fritz Schnelbögl, Eine Spessartkarte vom Jahre 1594, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), 2, S. 653-660, hier Abb. 157. 41 Anton Philipp Brück, Hexenprozesse in Aschaffenburg und Damm in den Jahren 1603/1604 und 1628/1629, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermain­ gebietes 6 (1979), S. 241-270, dies S. 256. 42 Vgl. Krieg (wie Anm. 1 ): Aschaffbrücke.

125 Ein Georg Faust erhielt 1585 neun Albus für die Lieferung von Bauholz an die Kapelle von Damm. Es wird nicht erwähnt, ob es sich um einen Neubau han­ delte oder eine notwendige Reparatur43. Auf der erwähnten Vizedomamts­ karte ist der Ort Damm mit einem kleinen Kirchturm oder einem Dachreiter dargestellt44. Zur Kirchweihzeit errichteten die Kerbburschen von Damm gegenüber der Kirche unter der Dorflinde eine mit Fichtengrün geschmückte Halle mit Tischen und Bänken, um u. a. dem zum Fest üblichen Schafstanz der Schafbauern zuzusehen. Anstelle der später eingegangenen Linde pflanzte man Kastanien. Trotzdem hieß dieser Platz im Volksmund noch lange „unner de Linne"4s. Zu Ehren des 1912 verstorbenen Prinzregenten Luitpold wurde am 29. März 1914 eine Eiche gesetzt, die jedoch nicht anwurzelte, so daß am 28. Februar 1915 eine Nachpflanzung erfolgte46. Noch heute wirft der Baum seinen Schatten auf feiernde Dämmer und ihre Gäste, wenn in der Dorfstraße das Straßenfest begangen wird. Um der älteren Bevölkerung den weiten Kirchweg nach St. Agatha zu ersparen, sorgten zwei Stiftungen der Eheleute Burchardt bzw. des Schult­ heißen Christoph Wilhelm und seiner Frau im 18. Jahrhundert dafür, daß zunächst an Sonntagen eine Frühmesse in der Kirche an der Aschaff gelesen wurde, im weiteren Verlauf, daß ein eigener Kaplan die Seelsorge für den Ort versah. In Verbindung mit der dritten Stiftung durch Margaretha Käster, die ein Pfarrhaus bauen ließ, konnte sich Damm von 1802 bis 1804 einer eigenen Pfarrei erfreuen. Da jedoch trotz allem die Mittel auf Dauer unzureichend waren, erfolgte die Rückgliederung der Pfarrei nach St. Agatha47. Das bereits errichtete Pfarrhaus diente nun mit Willen der Stifterin als Schulge­ bäude, das ab 1844 von den Englischen Fräulein als Mädchenschulhaus betreut wurde48. Nach Aufgabe des alten, aus dem 17. Jahrhundert stam­ menden Schulhauses, das fortan bis zu seinem Abbruch 1903 als Armenhaus diente, errichtete die Gemeinde 1836 in der Schulstraße ein Knabenschul­ haus, das bis zum Bombenkrieg 1944 schulischen Zwecken diente. 1905 wurde schließlich nach Abbruch des Mädchenschulhauses ein für die dama­ lige Zeit vorbildliches Gemeinschaftsschulhaus gegenüber dem Kirchen­ neubau von 1877 aufgeführt49_

43 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stadtbaurechnungen 1585, S. 114. 44 Vizedomamtskarte (wie Anm. 39). 45 Vgl. Krieg (wie Anm. 1 ): Die Dorflinde. 48 Vgl. ebd. 47 Vgl. ebd.: Geschichte der Pfarrei St. Michael Damm. 48 Mater Radegundis Liebst, Institut BMV der Englischen Fräulein Aschaffenburg, Niederschrift vom 15. März 1984. 49 Ebd. der Abbruch des Mädchenschulhauses in das Jahr 1906 gelegt.

126 Bereits 1874 war der Grundstein dafür gelegt worden, und der Bau ging rasch vonstatten, bis am 12. November 1874 wohl infolge bautechnischer Mängel der bereits aufgelegte Dachstuhl einstürzte und Teile des Mauerwerks mitriß. Nach längerer Unterbrechung konnte schließlich der Bau vollendet und am 14. Oktober 1877 benediziert werden50. Ein neues Pfarrhaus erstand 1895, so daß nach etwa 700jähriger Zugehörigkeit zu St. Agatha in den Grenzen der 1820 gebildeten Landgemeinde die Pfarrei St. Michael entstehen konnte und am 24. Mai 1897 ihre staatliche Bestätigung erfuhr51 . Der Pfarrsprengel in den genannten Grenzen bildete jenen Ortsteil, der 1901 in den Stadtbereich zurückgeführt wurde.

Das Dämmer Rathaus in der Burchardtstraße 31, bis 1901 in Funktion, abgebrochen im Jahre 1949. Heute verläuft hier die Schillerstraße. Nach entsprechenden Vorplanungen entstand nach 1933 im westlichen Bereich der Dämmer Gemarkung die Strietwaldsiedlung, die sich in bald sech­ zigjähriger Entwicklung zu einem eigenen Stadtteil mit Kirchen, Schule und den notwendigen Versorgungseinrichtungen, aber auch als eigenständige Pfarrei entwickelt hat, um sich heute bewußt von Damm abzugrenzen. so Vgl. Krieg (wie Anm. 47). 51 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 23657.

127 Im Gegensatz dazu wird in Publikationen und im allgemeinen Sprachgebrauch jener Teil Aschaffenburgs, der nördlich der Eisenbahn zwischen der ehema­ ligen Dämmer Ortsgrenze und Goldbach liegt, also den Sprengel der Pfarrei St. Josef umfaßt, schlechthin als Damm bezeichnet, was er nie war. Die etwa 1000 Seelen umfassende evangelische Gemeinde errichtete 1932 eine vielbeachtete Kirche, nachdem 1921 in einer hölzernen Notkirche, der 1925 ein stattliches Pfarrhaus zugesellt wurde, das äußerlich sichtbare Gemeindeleben beginnen konnte. Daß auch bei diesem Kirchenbau der Turm noch vor Fertigstellung einstürzte, mag für die Dämmer Ortsgeschichte nicht überraschend sein52. Der den Dämmern immer wieder nachgesagte Optimismus und ihre sprich­ wörtliche Vorliebe zum Feiern von Festen wurde durch die Jahrhunderte oft auf das härteste geprüft. 1547 wurde das dem Stadtschultheißen Johannes Faust gehörende Haus „in der Vorstadt uff dem Damm" von schmalkaldischen Truppen geplündert und eingeäschert. Es könnte sein Elternhaus gewesen sein, da seine Mutter von Damm stammte. Kaum aufgebaut, wurde es 1552 von den Markgräfler Truppen erneut abgebrannt. Enttäuscht verließ er die Stadt, ließ sich in Mainz als Richter nieder und starb, kaum sechzig Jahre alt53. Vermutlich brannte nicht nur sein Haus. Die Bauholzlieferung an die Kapelle könnte ein Hinweis sein. Die Pestwelle erfaßte 1606 auch Damm. Als Dreiviertel der Ortseinwohner hin­ weggerafft waren, versprachen die Überlebenden in ihrer Verzweiflung und im Vertrauen auf die Einsicht des Himmels, auf ewige Zeiten am Freitag vor St. Michael, ihrem Patrozinium, zu fasten, zu beten und kein Feuer anzuzünden. Kein Rauch soll zum Himmel steigen, keine Hand sich zur Arbeit rühren. Die Seuche erlosch, und die Dämmer standen zu ihrem Wort. Jahrhunderte fei­ erten sie ihren „Heilfeiertag". Heute läßt sich weder Arbeitsruhe noch ein Löschen des Feuers bewerkstelligen. Aber im Gotteshaus gedenkt man des gelobten Tages und fühlt sich dem Versprechen der Ahnen verpflichtet54.

52 Vgl. Gurt Schadewitz, Aus der Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde Aschaffenburg, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), 2, S. 995-1022, dies S. 1012. 53 Vgl. Dahl, (wie Anm. 17), S. 247; vgl. auch Heinz F. Friederichs, Sippe und Amt im kurmainzischen Vizedomamt Aschaffenburg 1450-1650, in: Aschaffenburger Jahrbuch (wie Anm. 52), S. 1023-1049, dies S. 1030 f. 54 Akte der ehemaligen Gemeinderegistratur Damm, Abschrift bei J. Kittel, (wie Anm. 5); vgl. auch Alois Stadtmüller, Der Heilfeiertag in Damm. Das alte Pestgelübde besteht seit dem Jahre 1606. Die Pfarrei St. Michael bewahrt die Tradition, in: Spessart (wie Anm. 31 ), S. 53-54.

128 Und immer stand die Kriegsfurie über dem Land, die Schweden kamen und dann die Kaiserlichen, die Franzosen und Spanier, alle Völkerhaufen Europas. Nichts war vor ihnen sicher. Selbst ihre Häuser brachen sie ab und schleppten das Brennholz in die Stadtss. Am 6. Oktober 1635 riet der Rat der Stadt den Zunftmeistern, folgende Wei­ sung weiterzugebens6 : „ltem Es sollen auch die Dämmer So sich alhier in der Stadt Vfhalten Wiederumb nacher Damb Vndt Zue ihrem heußlichen Wesen begeben, Damit Vmb so Viel Ihr Flecken möchte beschützt Vndt nicht in Brandt gesetzt werden, Auch die hießige Bürger so Wohl, alß die Dämmer, Wan sie etwas feindtliches Vernehmen sollten, daß eylendts vndt geschwindte, bey der Stadt vndt angehörigen anzuzeigen." Auf Abschnitte der Erholung folgte immer wieder neue Pein. 1743 mar­ schierten die Briten, Österreicher und Hannoveraner in der Dämmer Gemar­ kung zur Schlacht bei Oettingen auf. Endlose Einquartierungen und durchzie­ hende Emigranten waren vom beginnenden Revolutionskrieg 1792 bis 1801 mit Unterbrechungen die Regel. Napoleons Ende brachte 1813 noch einmal einen Massendurchzug der alliierten Truppen. Eine schwere Cholera-Epi­ s demie war die Folge 7. Der in Aschaffenburg weilende ehemalige König Ludwig 1. konnte sich am 14. Juli 1866 gerade noch in Sicherheit bringen, als er, an der Dämmer Aschaff­ brücke stehend, den beginnenden Schlachtenlärm der anrückenden preußi­ schen Mainarmee vernahm5a. Ein gütiges Geschick in Gestalt des unerschrok­ kenen Gemeindevorstehers Stephan Bleistein ersparte den Dämmern dro­ hende Kampfhandlungen im Ortsbereich. Ein aus Dankbarkeit am Ortsein­ gang errichtetes Kreuz, alljährlich am 14. Juli geschmückt, überlebte den zweiten Weltkrieg nicht59. Die Stunden härtester Bewährung standen noch bevor. Zeugte das Denkmal auf dem Schönberg, 1926 errichtet, vom Blutzoll der Dämmer, die in fremder Erde ruhten, so kam wieder einmal der Krieg ins Land. Ein Tag nach dem Heil­ feiertag 1940, Bischof Matthias Ehrenfried weilte zu Besuch in Damm, fielen die ersten Bomben60. Keine Person wurde verletzt, der Schaden bald behoben, die Angst blieb. Noch tönten die Siegesfanfaren, aber die Todes-

55 Vgl. Josef Baierlein, Aschaffenburger Kultur- und Geschichtsbilder aus dem 16. und 17. Jahrhun- dert, Abt. 2, Aschaffenburg 1891, S. 51. 56 Ebd., S. 4 ff., Zitat S. 5. 57 Vgl. Krieg (wie Anm. 1 ): Cholera-Epidemie. 56 Vgl. ebd.: Krieg 1866. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. Alois Stadtmüller, Aschaffenburg im zweiten Weltkrieg. Bombenangriffe - Belagerung - Über­ gabe (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bd. 12), 31987, S. 30.

129 streifen am Himmel mehrten sich. Zunächst traf es die anderen, Mainz, Frank­ furt, Schweinfurt, Darmstadt, eine kleine Verschnaufpause, bevor das Ende nahte. Die Bilder in den bewegenden Tagen des Februar 1991 weckten in den Älteren unter uns die Erinnerungen an die Schrecken jener Kriegszeiten. Die ersten Minen, auf den Bahnhof gezielt, fielen im September 1944 auf Damm. Die letzte Runde war eingeläutet61. In der Nacht des 21. November 1944, als 270 britische Bomber das Operationsziel Verschiebebahnhof weit­ gehend verfehlten, fielen die 1300 Tonnen Bomben mit voller Wucht überwie­ gend in den Dämmer Ortsbereich. In dieser Nacht ging das alte Damm unter. Lähmendem Entsetzen folgten Trotz und Lethargie zugleich. Nachdem dfe mehr als 300 Toten geborgen und bestattet, noch greifbare Habseligkeiten gerettet und in die umliegenden Orte in Sicherheit gebracht worden waren, lag der ruinöse Ort wie ausgestorben. Was fleißige Hände in Generationen geschaffen, lag in Trümmern. Die im 19. Jahrhundert so hoffnungsvoll begonnene wirtschaftliche Blüte, eingeleitet mit der Steingutfabrik, fortgeführt in zahlreichen Betrieben der Meßzeug­ industrie, schien für immer abgewürgt. Die vorweggenommene Sozialfürsorge der Antoniusbruderschaft hatte Wege aufgezeigt, die allgemein noch nicht beschritten waren. Die Aschaffenburger Papierindustrie nahm hier ihren Anfang, Paganinis Lieferant für Meistergeigen hatte in der Mühlstraße sein Domizil aufgeschlagen. Tüchtige Handwerker bauten die ersten Fahrräder, lange bevor sie als Massenartikel auf den Markt kamen62. Dies alles schien vergangen und vergessen. Pater Franz zu Löwenstein SJ versuchte, die wenigen Verbliebenen in den Schutzkellern zu betreuen und zu trösten, denn auch die beiden katholischen Geistlichen waren unter den Toten, Pfarrer Eduard Keller und Kaplan Ludwig Soter wurden im Pfarrhaus erschlagen, Pfarrer Bauer von der evangelischen Kirche verlor einen vierzehnjährigen Sohn.

e, Vgl. ebd., S. 50-83. e2 Zur Steingutfabrik vgl. Erich Stenge,, Die Steingutfabrik in Damm bei Aschaffenburg 1827-1884, Aschaffenburg 1949; zur Meßzeugindustrie: Vermessenes Jahrhundert, herausgegeben von der Aschaffenburger Meßzeugindustrie unter der Federführung der Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg sowie der Handwerkskammer Würzburg, Wiesbaden 1963, S. 39-44; zur Darstel­ lung der erwähnten Personen vgl. Julius Krieg, Beiträge zur Heimatkunde von Damm bei Aschaffen­ burg. Dämmer Ehrenkranz, Aschaffenburg 1937; zur Papierindustrie vgl. Die Wirtschaft am bayeri­ schen Untermain, herausgegeben von der Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg, Aschaf­ fenburg 1956, S. 41; zum Geigenbau vgl. Alois Stadtmüller, Ein berühmter Geigenbauer, dessen Leben längst zur dunklen Legende geworden ist, in: Main-Echo 1981, Nr. 8 (12. Januar), S. 17.

130 Am 1. August 1945 wurde Pater Löwenstein, der in der Zwischenzeit mit Hilfe der Dämmer eine Notkirche errichtet hatte, vom ehemaligen Kaplan Ludwig Schellhorn abgelöst, der mit zur Symbolfigur für den Wiederaufbau Damms wurde. 35 Jahre verzehrte er sich in Sorge um seine Gemeinde. Seinen ver­ dienten Ruhestand konnte er nur zwei Jahre erleben. An der Aschaffbrücke, im Herzen von Alt-Damm, geboren, erwuchs im allzu­ früh verstorbenen Professor der Theologie Dr. Julius Krieg ein Chronist, der durch ständiges Erfragen der damals Alten, im Festhalten von Quellen, die später der Krieg vernichtete, einen Schatz hinterließ, von dem wir Gegenwär­ tigen zehren können und Antwort finden auf vieles, was sonst verschüttet wäre. Am 12. November 1941 verstarb er. Den Untergang seiner so sehr

geliebten Heimat mußte er nicht erleben63. Auch das Inferno wartete darauf, aufgezeichnet zu werden. In der nahen Haid­ straße, nicht weit von Julius Kriegs Geburtshaus entfernt, wurde im jahrhun­ dertealten Fachwerkhaus ein zweiter Chronist geboren, der Not und Schrecken des zweiten Weltkriegs festhielt, um sie der Nachwelt zu überlie­ fern. Von der Kriegsfurie selbst aufs heftigste betroffen, trieb ihn die Frage nach dem Warum dazu, allen Ursachen nachzuspüren, die zur Vernichtung seiner Familie, zur Zerstörung seiner Heimat geführt hatten. So gab uns Alois Stadtmüller auf vieles eine Antwort, ehe ihm der Chronisten­

griffel für immer aus der Hand genommen wurde64. In 46 Jahren ist ein neues Damm entstanden. Die unmittelbare Nachkriegszeit verlangte neue Wege. Nach der Enttrümmerung, wie das Wegschaffen der zerbombten Häuser genannt wurde, galt es, aus zahllosen Provisorien her­ auszukommen. War die Not der primitiven Unterkünfte erst einmal über­ wunden, konnten die Behelfslösungen durch Neubauten ersetzt werden. Das galt für Wohnungen in gleicher Weise wie für Kirchen, Schulen und Betriebe. Die auslaufenden vierziger und die beginnenden fünfziger Jahre erinnern im Nachhinein an Pionierzeiten. Das traditionelle Dämmer Vereinsleben, im 19. Jahrhundert und im ersten Drittel unseres Jahrhunderts zu hoher Blüte gewachsen, konnte langsam wieder Fuß fassen. Auch die Besatzungsmacht hatte hier ein Wörtchen mitzu­ reden.

63 Zu diesem vgl. Heinz Fleckenstein, Dr. Julius Krieg, in Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 1 (1952), S. 254-255. 64 Zu diesem vgl. Martin Kempf, Ein erfülltes Leben. Zum Tode von Dr. Alois Stadtmüller, in: Mittei­ lungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), s. 313-315.

131 In den letzten 20 Jahren hat sich Damm im Bereich des Wohnungsbaus um ein Mehrfaches vergrößert. Die so gut wie nicht mehr praktizierte Landwirt­ schaft bot Baugelände, wo zu unserer Jugendzeit noch die Kornfelder rauschten. Im Westen der Gemarkung zwischen Strietwald und Eisenbahn entwickelt sich ein blühendes Gewerbegebiet. Die ständig zunehmende Verkehrsdichte bringt den Dämmern große Pro­ bleme. Wie in keinem anderen Ortsteil von Aschaffenburg durchtrennt eine Hauptverkehrsstraße, die in unserem Falle täglich mehr als 20 000 Fahrzeuge bewältigen muß, das Zentrum dieses Stadtteils.

Im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Dämmer Steingutfabrik in der Dorfstraße 1, später Gasthaus .,Zum Grünen Baum", wurde die offizielle Eingemeindung vollzogen.

Der Verkehr überrollt Damm. Unterband der Eisenbahnbau im vorigen Jahr­ hundert das sich anbahnende zusammenwachsen von Stadt und Vorstadt, blockierte die in den fünfziger Jahren erstellte Autobahn eine Bebauung am schönsten Südhang weit und breit, so droht nun die Verkehrsachse Ost-West Damm in zwei Hälften aufzuspalten. An der Wende zum 21. Jahrhundert sind die Stadtväter aufgerufen, sinnvolle Lösungen auf Dauer zu finden. Die Dämmer hätten das verdient.

132 Ein anonymer Kommentar zur bayerischen Besitzergreifung Aschaffenburgs

von Hans-Bernd Spies

Die militärisch-politische Lage des Herbstes 1813 führte dazu, daß Aschaffen­ burgs Landesherr, Großherzog Carl1, am Abend des 30. September seine Lieblingsresidenzstadt verließ und sich nach Konstanz begab2. Über dieses Ereignis schrieb der Glöckner Franz Haus in seiner Chronik3: „Am 30. September ist der Fürst Primas zum letzten Male hier gewesen und ist abgereist nach Constanz, weil er dem allgemeinen deutschen Bund nicht beygetreten." Carl von Gottes Gnaden Fürst-Primas des rheinischen Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischof von Regensburg, souverainer Fürst von Aschaffen­ burg, Frankfurt, Fulda, Hanau und Wetzlar etc. etc.4 wollte sich nicht der wach­ senden Koalition gegen den französischen Kaiser Napoleon 1.5 anschließen, sondern zog es statt dessen vor, sein Großherzogtum zu verlassen und sich in sein Bistum Konstanz - das Hochstift Konstanz, also das geistliche Für­ stentum, war 1803 an Baden gefallen6 - zu begeben, um sich auf seine kirch-

1 Carl Theodor Anton Maria Freiherr von Dalberg (1744-1817) war 1800-1817 Bischof von Konstanz, 1802-1803 Erzbischof von Mainz und Kurfürst, 1803-1817 Erzbischof von Regensburg, 1803-1806 Kurfürst und Reichserzkanzler (Kurerzkanzler), 1806-1813 Fürstprimas des Rheinbundes, 1810-1813 Großherzog von Frankfurt; zu diesem vgl. Konrad Maria Färber, Kaiser und Erzkanzler. Carl von Dalberg und Napoleon am Ende des Allen Reiches. Die Biographie des letzten geistlichen Fürsten in Deutschland (Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs, Bd. 5), Regensburg 1988. 2 Vgl. Hans-Bernd Spies, Russische Truppen in Aschaffenburg 1813-1815, in: Mitteilungen aus dem Stadt-und Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), S. 139-156, dies S. 140. 3 Franz Haus, Chronik von der Stadt Aschaffenburg oder der lustige Zeitvertreib. Nur für Freunde und Liebhaber geschrieben, Aschaffenburg 1855, S. 20; zu Franz Haus (1779-1835) und zu seiner Chronik vgl. Garsten Pol/nick, Die Chronik des Glöckners Franz Haus oder ein Kleinod Aschaffen­ burger Lokalgeschichte, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), s. 51-59. 4 So der Titel in: Staats-Calender für das Grosherzogthum Frankfurt 1812, Frankfurt am Main o. J. [1811), s. 1. 5 Napoleon Bonaparte (1769-1821), als Napoleon 1. 1804-1814 und 1815 Kaiser der Franzosen, 1805-1814 König von Italien, 1806-1813 Protektor des Rheinbundes; zur politischen Entwicklung in Deutschland 1813-1815 vgl. Manfred Botzenhart, Von den preußischen Reformen bis zum Wiener Kongreß, in: Kurt von Raumer u. ders., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Deutsche Geschichte um 1800: Krise und Neugestaltung. Von 1789 bis 1815 (Handbuch der Deutschen Geschichte, hrsg. v. Leo Just, Bd. 3/1a), Wiesbaden 1980, S. 431-592 u. 645-658, dies S. 565-592. 6 Vgl. Günther Haselier, Die Oberrheinlande, in: Geschichte der deutschen Länder. ,,Territorien­ Ploetz", Bd.1: Die Territorien bis zum Ende des alten Reiches, hrsg. v. Georg-Wilhelm Sante u. A. G. Ploetz-Verlag, Würzburg 1964, S. 267-291, dies S. 290.

133 liehen Aufgaben zu beschränken. Von Konstanz aus teilte er am 28. Oktober seiner in Frankfurt tagenden Ministerialkonferenz mit, daß er den König von Bayern gebeten habe, das Großherzogtum in Zivilbesitz zu nehmen. Aber bereits am Vortag waren bayerische Truppen in Aschaffenburg eingerückt und hatten die Verbündeten einen Generalgouverneur für das Großherzogtum Frankfurt ernannt, der seitens der Ministerialkonferenz am 4. November offi­ ziell als Vorgesetzter anerkannt wurde. Die militärische Besitzergreifung des Großherzogtums Frankfurt geschah am 7. November7. Rund acht Monate nach dem Verzicht Großherzog Carls erfolgte schließlich am 26. Juni 1814 die bayerische Besitzergreifung des bis dahin vom Generalgouvernement des Großherzogtums Frankfurt verwalteten Fürstentums Aschaffenburg8. 100 Jahre später wurde die im Frühjahr 1814 in Aschaffenburg herrschende Stimmung von dem aus Aschaffenburg-Damm - zum Zeitpunkt seiner Geburt war Damm noch eine selbständige Gemeinde - stammenden Philosophen Adolf Dyroffs in seiner unter Pseudonym erschienenen Erzählung „Am Striet­ wald" folgendermaßen - und gewiß recht zutreffend - geschildert10: „Die [Stadt] hatte nicht mehr das buntscheckige Straßenbild wie im November. [... ] Und doch lebte eine größere Unruhe in ihr. Nicht selten standen Gruppen von jungen und älteren Leuten zusammen, die sich aufgeregt unterhielten. Spitzen der Behörden, städtische wie fremde, bewegten sich mehr wie sonst Straßen auf, Straßen ab. [... ] Die Leute

7 Vgl. Hans-Bernd Spies, Von Kurmainz zum Königreich Bayern. Änderungen der territorialen und landesherrlichen Verhältnisse im Raum Aschaffenburg 1803-1816, in: Mitteilungen aus dem Stadt­ und Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), S. 263-287, dies S. 276 f. (ebd., S. 277, Z. 2, ist zu korrigieren: 7. Dezember➔ 7. November); ders., Truppen (wie Anm. 2), S. 140 f.. 8 Vgl. ders., Kurmainz (wie Anm. 7), S. 286 f. 9 Adolf Dyroff (1866-1943) studierte an den Universitäten Würzburg, Bonn und Berlin klassische Alter­ tumswissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie, 1892 Promotion zum Dr. phil. in Würzburg, 1899 Habilitation in München, 1901 außerordentlicher Professor in Freiburg, ab 1903 ordentlicher Professor für Katholische Philosophie in Bonn; vgl. Wladimir Szylkarski, Adolf Dyroffs Jugendgeschichte mit einem Ausblick auf die Jahre seiner Reife und Vollendung. Vorstudien zur Biographie des Denkers (Deus et anima. Archiv für christliche Philosophie und Dichtung, Bd. 4), Bonn 1946; überarbeitet als: ders., Jugendgeschichte Adolf Dyroffs mit einigen Streifzügen durch die Jahre seiner Reife und Vollendung (dgl.), Bonn 21947; ders., Adolf Dyroff, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959, S. 212-213. 10 Adolf van Derpram [= Adolf Dyroff], Am Strietwald. Eine Jahrhundert-Geschichte seiner lieben Mutter am 80. Geburtstage (18. Juni 1914) erzählt, o. 0. o. J. [Freiburg 1914), S. 74 f.; überarbeitete Fassung: Altart van der Pram [ = Adolf Dyroff], Am Strietwald. Eine Erzählung aus der Zeit vor 100 Jahren (Aus Vergangenheit u. Gegenwart, Bd. 125), Kevelaer o. J. [1916); statt der zitierten Pas­ sage ebd., S. 58 lediglich: ,,Ein neues Leben schien ihm aus den ihm nun ganz vertrauten maleri­ schen Winkeln und Gäßchen entgegenzuhauchen. Gruppen von jungen und älteren Leuten standen da und dort umher und sprachen laut, oft heftig mit einander. Wo man den Mittelpunkt der Stadt suchen mußte, spielte sich eine Art Volksberatung ab."

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Oben und auf der folgenden Seite Titelblatt bzw. Oktoberseite des in Anm. 13 genannten Kalenders.

hatten recht, beunruhigt zu sein. Niemand wußte, wohin man gehörte. Wo war denn überhaupt ihr Vaterland? Ihr Großherzog, der Fürstprimas Deutschlands, der von den größten Dichtern Gefeierte11, Napoleons

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11 Vgl. dazu Karl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Karl von Dalberg und seine Zeit. Zur Biographie und Charakteristik des Fürsten Primas, Bd. 1-2, Weimar 1879, dies Bd. 1, S. 39-62 u. 168-200; Klaus Rob, Karl Theodor von Dalberg (1744-1817). Eine politische Biographie für die Jahre 1744-1806 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 231), Frankfurt/Bern/New York/Nancy 1984, S. 107-127; Hans-BerndSpies, Eine Bemerkung Novalis' über Dalberg, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), S. 219-221.

136 Freund, hatte sein Reich, das er eben zu hoher Blüte zu bringen sich die größte Mühe gegeben hatte12, selbst dahingeworfen. [ ...] Man mun­ kelte, daß Gegend und Stadt über kurz oder lang einem größeren deut­ schen Staate zufallen würden. So waren Ungewißheit, Sorge, Befürch­ tungen von allerlei Gestalt und Art aller Los." Der letzte Satz ist allerdings etwas einzuschränken, denn „Ungewißheit" war jedenfalls nicht das Gefühl, das jener Zeitzeuge hatte, der in seinem Exemplar des Aschaffenburger Landkalenders von 1813 den 27. Oktober links und rechts doppelt anstrich und mit nicht gerade schreibgewohnter Hand auf den unteren und seitlichen Rand der Oktoberseite notierte13: ,,Den 27ten sind die beiern Kamen und haben Vnser land besetz". Außer diesem Satz enthält dieses Kalenderexemplar keine Eintragungen, lediglich auf der Februar- und auf der Märzseite gibt es Anstreichungen, ebenso bei den „Merkwürdigkeiten in dem verflossenen Jahr 1812" - u. a. neben der Nachricht vom Brand Moskaus - und bei den Kapiteln „Kurzer wirthschaftlicher Unterricht für die Land-Jugend" und „Von Haus- und Land­ wirthschafts-Sachen". Um so mehr wird deutlich, daß für den Schreiber, dessen Identität nicht zu ermitteln ist, der Einzug bayerischer Truppen in das Fürstentum und in die Stadt Aschaffenburg am 27. Oktober 1813 ein Schlüs­ selerlebnis war: Für ihn, der sich im Nachfolgestaat des Erzstiftes Mainz, zu dem das Fürstentum Aschaffenburg noch gehörte, offensichtlich wohlgefühlt hatte, bedeutete dieser Tag den Beginn bayerischer Okkupation. Es spielt unter diesem Gesichtspunkt keine Rolle, ob er die Kalendereintragung bereits 1813 oder erst nach der offiziellen bayerischen Besitzergreifung vom 26.Juni 1814 machte, denn das entscheidende Datum war für den anonymen Schreiber der 27. Oktober 1813: Den 27ten sind die Bayern gekommen und haben unser Land besetzt.

12 V gl. dazu u. a. Theodor Josef Scherg, Das Schulwesen unter Karl Theodor von Dalberg besonders im Fürstentum Aschaffenburg 1803-1813 und im Großherzogtum Frankfurt 1810-1813, München­ Solln 1939; ders., Dalbergs Hochschulstadt Aschaffenburg, Bd. 1: Geschichte der Karls-Universität (1798-1818) und des Bayerischen Lyceums (1818-1873), Aschaffenburg 1954; Konrad Maria Färber, Aschaffenburg - heimliche Hauptstadt des Großherzogtums Frankfurt. Zum 175jährigen Jubiläum der Gründung des Departements Aschaffenburg, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 10 (1986), S. 213-235. 13 Aschaffenburger Landkalender auf das Jahr der Geburt unsers Weltheilandes 1813 (ein gemein Jahr von 365 Tagen) mit ökonomischen und andern Unterhaltungen, Witterung, Thorsperrordnung, Räthseln, etc., Aschaffenburg o. J. (1812), herangezogenes Exemplar: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Landeskundliche Bibliothek für Spessart und Untermain.

137 Lola Montez - Geschichte und Legende

Ein Nachtrag zum 130. Todestag der Tänzerin am 17. Januar 1991

von Garsten Pollnick

Dem Namen Lola Montez - spanische Tänzerin und Mätresse des Bayern­ königs Ludwig 1. - haftet noch heute ein etwas spektakuläres und sensatio­ nelles, aber auch mysteriöses Image an, zumal die Antworten auf die Fragen, wer diese Frau war, wann sie genau geboren wurde und woher sie stammte, lückenhaft bleiben müssen, kein authentisches Bild ergeben; die zahlreichen Quellen divergieren.

Lola Montez 1847, Gemälde von Joseph Karl Stieler; entnommen aus: Egon Caesar Conte Corti, Ludwig 1. von Bayern, München 1937, Abb. 55.

138 Maria Dolores Rosanna Elisa, geboren 1818 in Limerick/Irland? 1819/1820 in Montrose/Schottland? 1823 in Sevilla/Spanien? (il)legitime Tochter aus der Verbindung eines irischen oder schottischen Offiziers der englischen Armee namens Gilbert, eines spanischen Kaufmanns Don Montez Gonzales mit einer Irin, geborenen Oliver of Castle Oliver, einer Kreolin, geborenen Oliverra de Montalvo, einer gebürtigen Spanierin namens Donna Paquita Umbo Gos? Zu unterschiedlich sind die Daten, Orte und Namen, um ihre verläßliche Herkunft konstruieren zu können. Diese Rätsel ihres Lebensbeginnes beschäftigten zeitgenössische Biogra­ phen und Journalisten; schon zu ihren Lebzeiten notierte Paul Erdmann 1847: ,,Wer Lola Montez eigentlich sei, woher sie stamme u.s.w., darüber zer­ brechen sich in- und ausländische Journale den Kopf"1. Auch andere Publizisten konnten ihre ersten Lebensjahre bislang nicht verifi­ zieren, konstruierten zum Teil suspekte Versionen; selbst Oskar Hurt-Binet, der 1849 persönlich mit Lola Montez gesprochen hatte, mußte nach einer Unterredung feststellen:

,,Noch bis auf die jetzige Stunde weiß ich den Ort ihrer Geburt nicht"2. Und wie äußerte sich die inzwischen berühmt gewordene Tänzerin zu ihrer Identität: „In Folge dessen halte ich es für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß mein Name Maria Dolores Porris y Montez ist; daß mein Vater ein carlistischer Offizier war, nach dessen Tode meine Mutter, eine geborene Havane­ serin, sich mit einem irländischen Adelichen verheirathete. Ich bin im Jahre 1823 in Sevilla in Andalusien geboren, und in Folge unglücklicher Familienverhältnisse sah ich mich genöthigt, beim Theater mein Fort­ kommen zu suchen, was ich, seit ich mich in München häuslich nieder­ gelassen, für immer verlassen habe"3. Alle Aussagen und Vermutungen , sogar die Selbstzeugnisse, erwecken den Eindruck, daß Lola Montez nicht bereit war, die Wahrheit über ihre Herkunft preiszugeben. Es drängt sich der Verdacht auf, daß sie Spaß daran hatte, ihre Identität zu verschleiern, die Öffentlichkeit zu täuschen, wobei sie sich die Presse zunutze machte. Als Fazit kann und muß nach der Quellenlage festge­ stellt werden: Zwischen 1818 und 1823, irgendwo zwischen Irland und Spa­ nien, wurde Lola Montez geboren.

1 Memoiren der Lola Montez (Gräfin v. Landsfeld), Bd. 1-2, Frankfurt am Main 1986, dies Bd. 2, s. 1841. 2 Ebd. 3 Ebd., S. 1842.

139 Ihre Eltern, laut Memoiren4 ein Ire namens Gilbert und eine Spanierin namens Oliverres de Montalvo, gaben ihr den Kosenamen Lola, den „ich bis heute bei­ behalten habe"5. Mit ihnen unternahm sie weite Reisen, die sie auch nach Indien führten, wo ihr Vater verstarb.Die Witwe heiratete erneut, und zwar den schottischen Offizier Patrick Craignie; vielleicht erklären diese familiären Umstände die unterschiedlichen Angaben über ihren Vater und damit über die verschiedenen Geburtsorte. Als Neunjährige, noch vollkommen unberührt von den Prinzipien einer euro­ päischen Erziehung, wie „Zurückhaltung, Anmut, Tugendhaftigkeit, Sanftmut, Sauberkeit und Disziplin [... ], deren Erwerb neben den Kulturtechniken für Mädchen als erstrebenswert gelten"6, kam Lola Montez nach England in ein Internat (Bath), lernte Sprachen, Klavierspielen, Konversation ...und Toilette (Kosmetik- und Frisiertechniken), wurde zur „Salondame mit Niveau"7 ausge­ bildet; das weitere Schicksal ist vorprogrammiert: Ehe - Reisen - Trennung - Reisen - Karriere. Halb Europa wurde zwischen den Jahren 1842 bis 1846 die Heimat der Lola Montez; sie tanzte auf fast allen Renommierbühnen wie London, , War­ schau, St. Petersburg, Moskau, Dresden und Berlin, lernte dabei viele Persön­ lichkeiten kennen, besonders im Salon der George Sand (Victor Hugo, Honore de Balsac, Eugene Sue, Theophile Gautier, Alphonse de Lamartine, Alex­ andre Dumas und Franz Liszt); und zwischendurch reiste sie wieder, nach Ita­ lien und Spanien, bis sie im Herbst 1846 in München eintraf. Auch die bayeri­ sche Metropole war vom Auftreten und von der Schönheit der Tänzerin begei­ stert, wobei jedoch die Anzahl ihrer Neider nicht gerade gering war. Die Skandalgeschichten, die über sie erzählt wurden, mehrten sich, zumal ihre ,Kontakte' zu den berühmten Männern ihr nicht nur die Salon-, sondern auch die Schlafzimmertüren geöffnet haben sollen. Vieles war suspekt, was über sie berichtet wurde, Übereinstimmung herrschte jedoch in der hohen Gesell­ schaft darüber, ,,daß Lola die schönste Frau war, die je die Erde berührt hatte"8. Mag diese Charakterisierung auch überzogen sein, sie war aber ein Grund, weshalb Ludwig 1. sich intensiv für Lola Montez interessierte. Aus­ schlaggebend für das Zustandekommen der ersten Begegnung mit ihr war sicherlich das äußere Erscheinungsbild der Tänzerin; ihre Aufnahme in die Schönheitsgalerie des Monarchen ist ein deutlicher Beweis dafür.

4 Vgl. ebd., S. 1843. 5 Ebd. s Ebd., S. 1844. 7 Ebd., S. 1845. s Ebd., S. 1849.

140 Eine der zahlreichen Anekdoten über Lolas Attraktivität soll hier nicht unter­ schlagen werden, zumal sie „mit einer Ausnahme die 3x9-Forderungen des Propheten Mohammed an die weibliche Schönheit erfüllte", die wie folgt lauten: 1. dreimal weiß: Haut, Zähne, Hände; 2. dreimal schwarz: Augen, Wimpern, Augenbrauen; 3. dreimal rot: Lippen, Wangen, Nägel; 4. dreimal lang: Gestalt, Haar, Hände; 5. dreimal kurz: Ohren, Zähne, Kinn; 6. dreimal breit: Brust, Stirn, Zwischenraum zwischen den Augen; 7. dreimal schlank: Taille, Hände, Füße; 8. dreimal schmal: Finger, Fesseln, Nasenflügel; 9. dreimal dick: Lippen, Arme, Hüften9. Die zitierte eine Ausnahme, der einzige Mangel, der letztlich keiner war, sind ihre „vielgerühmten blauen Augen"1 0. Kaum war Lola Montez im Oktober 1846 in München eingetroffen, hatte sie ihre erste Audienz beim König, eine Wohnung und später ein Haus erhalten, schon regten sich Mißgunst, ja offener Widerstand gegen ihre Person. Nicht nur die Kirche, sondern auch und vor allem das Ministerium des konservativen Karl August von Abel versuchten, Ludwigs Liaison zu unterbinden - aber erfolglos, denn wegen sporadischer Unruhen mußte das Kabinett Abel zurück­ treten; sein Nachfolger, das ,Ministerium der Morgenröte', stellte Lola das längst gewünschte lndigenat aus und erhob sie als Gräfin von Landsfeld in den Adelsstand. Und diese Titelverleihung geschah in Aschaffenburg, obwohl sie die Stadt nie besucht hatte, entgegen anderslautenden Mitteilungen in der lokalgeschichtlichen Literatur11 . Darin wird ihr Aufenthalt im ,bayerischen Nizza', wie Ludwig 1. als Gönner Aschaffenburgs die Stadt einmal bezeichnete, in abenteuerlich anmutender Weise geschildert, trotz gänzlich fehlender histo­ rischer Belege: ,,Als nach dem Münchner Aufruhr 1848 das Bleiben der Lola in der Resi­ denzstadt nicht allzulange mehr dauern konnte, berichtete der damalige hiesige Bürger-Bataillonskommandeur, Kaufmann Kaden, um sich lieb Kind zu machen, an den König Ludwig: ,Die unliebsamen Vorgänge in München gegenüber Lola Montez habe ich durch die Zeitung ver­ nommen. Seine Majestät möge sich entschließen, Lola Montez nach Aschaffenburg zu schicken. Stadt und Bürger gewähren ihr Schutz'.

9 Ebd., S. 1850. 10 Ebd., S. 1851. 11 Vgl. ebd., S. 1888-1889.

141 Damit hatte Kaden entschieden zuviel versprochen und die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn als Lola wirklich bald nach Aschaffenburg kam und sich hier sehen ließ, lief ihr eine Menge Buben und Erwach­ sener nach, verfolgte und beschimpfte sie mit allen möglichen Spott­ namen, so daß sie sich in den Frank'schen Laden, Ecke Herstall- und Steingasse, flüchten mußte. Ihr Bleiben war nach diesem Vorfall natür­ lich auch hier nicht mehr lange. Während der paar Tage ihres Hierseins bewohnte sie ein leerstehendes Herrschaftshaus am Schloßgartenein­ gang in der Karlstraße, das der Bürger-Kommandant für sie gemietet hatte. Die empörten ,Ascheborger Berger' ließen sich das eigenmächtige Vorgehen ihres Kommandanten nicht gefallen. Sie setzten Kaden kurzerhand ab und wählten an seine Stelle den Kaufmann Frank"12. Eine spannende Geschichte, die aber nicht der Wahrheit entspricht. Fest steht dagegen, daß Ludwig 1. am 22. Juni 1847 zum Kuraufenthalt nach Brückenau gereist war, seine Mätresse folgte ihm am 27. Juni. Hier kam es zu „peinlichen Zerwürfnissenzwischen ihm, seinem Vertrauten Ludwig Freiherr von der Tann und Lola: Sie will endlich geadelt werden; ihre Umgangsformen mit Peitsche, Ohrfeigen, Dolch und Pistolen erregen auch hier wie in München alsbald die Bevölkerung"13; die Schilderungen dieser „Umgangsformen" scheinen eben­ falls überzogen, deuten auf Vorurteile, auf Mißgunst und beabsichtigte Ver­ leumdungen hin. Um den Anschein zu vermeiden, er ließe sich zu diesem Schritt nötigen, verließ Ludwig 1. Brückenau und reiste nach Aschaffenburg, von wo aus er am 4. August 1847 ein Signat an seinen Minister des könig­ lichen Hauses und des Äußeren, Georg Ludwig von Maurer, ergehen ließ: ,,Der Seriora Lola Montez ist der gräfliche Stand zu verleihen. Ich wün­ sche dabei keinerlei Einwände zu hören, denn ich habe ein königliches Versprechen zu erfüllen"14_ In den nun folgenden Tagen bedrängte Lola Montez den Monarchen, ebenfalls nach Aschaffenburg kommen zu dürfen; er aber blieb unerbittlich, wie ein Schreiben vom 9. August an von Maurer in München bestätigt: ,,Von der Tann ist hier bei mir; Lola Montez, die wiederholt und wieder­ holt den lebhaften Wunsch äußerte, zugleich mit mir in Aschaffenburg sich aufzuhalten, ist nicht hier; zugleich doch ein Beweis, daß sie nicht regiert. Je regne et gouverne"1s.

12 Balletteusen und Ballettfreunde in Aschaffenburg. Lola Montez in Aschaffenburg (ohne Verfasser), in: Aschaffenburger Geschichtsblätter 13 (1924), S. 75. 13 Albert Clausius, Lola Montez und Aschaffenburg, in: Heimat und Geschichte, 1939, S. 5-6. 1• Erich Pottendorf, Lola Montez - Die spanische Tänzerin, Zürich/Leipzig/Wien 1955, S. 305. 1s Clausius (wie Anm. 13), S. 6.

142 Auf das königliche Signat vom 4. August erwiderte von Maurer schließlich in einem Brief an seinen König: „Ich werde daher dem Allerhöchsten Befehl gemäß das Grafendiplom ausfertigen, dann aber liegen lassen, bis Euer königliche Majestät einen Minister ernannt haben werden, der es sodann unterzeichnen mag. Ich glaube im Februar des Jahres Euer königliche Majestät vor einem Abgrund gerettet zu haben. Euer königliche Majestät gehen aber seit einiger Zeit einem zweiten, viel tieferen Abgrund entgegen. Und da meine Kräfte nicht mehr hinzureichen scheinen, Euer königliche Maje­ stät von diesem zweiten Abgrund zu retten, so ist es für mich wie für Euer königliche Majestät besser, wenn Allerhöchst dieselben sich nach bes­ seren Kräften umsehen"16. Zehn Tage später, am 14. August 1847, fügte sich von Maurer dann doch und unterzeichnete das Gräfinnendiplom für Lola Montez17; die Veröffentlichung im Regierungsblatt geschah am 25. August, am 61. Geburtstag des Monar­ chen. Lola Montez hatte erreicht, was sie wollte: Sie war hoffähig geworden.

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Auszug aus dem Gräfinnendiplom für Lola Montez, ausgestellt am 14. August 1847 in Aschaffenburg; entnommen aus: Corti (wie S. 138), Abb. 56.

16 Pottendorf(wie Anm. 14), S. 305 f. 17 Vgl. ebd., S. 306.

143 Mitte Februar 1848 verließ Lola Montez mit drei Mitgliedern ihrer Leibgarde, der Verbindung „Alemannia", die bayerische Metropole in Richtung Lindau: ,,Gestern [am 17. Februar] sind die Polizeioffizianten Weber und Dichte, welche die Gräfin Landsfeld auf ihrer Reise von Blutenberg nach Lindau begleiteten, wieder eingetroffen. Die Reise ging, wie diese versichern, außer dem bekannten Auflauf in Kempten ohne weitere Störungen von­ statten. Die Gräfin klagt über Unwohlsein und beabsichtigt, in Lindau ihre Gemächer nicht zu verlassen, bis ihre Equipage, Dienerschaft und Effekten angelangt sein werden"1a. Die Frage, weshalb das Auftreten von Lola Montez in München - und nicht nur da - soviel Aufsehen erregte, die ist in zahlreichen Publikationen hinrei­ chend beantwortet worden; es sind jedoch alles nur Versuche, Hypothesen, diese Frau mit ihrem persönlichen Einfluß auf Ludwig 1. in entscheidende politi­ sche Zwänge mit einzubeziehen, denn Politik war zu jener Zeit ohnehin eine reine Männersache. Tatsache ist, daß im Rahmen der revolutionären Ereig­ nisse von 1847/48 der König am 20. März 1848 abdanken mußte. Welchen Anteil seine Mätresse daran hatte, kann nur eine Mutmaßung bleiben, denn je mehr Unterlagen über sie und ihren Aufenthalt in der Landeshauptstadt zusammengetragen werden, desto suspekter sind die Informationen. Eine weitere Frage, wer Lola Montez letztlich war, scheint unbeantwortet bleiben zu müssen; auch der Versuch, die wahre Lola zu suchen, wird wohl ein geschichtliches Risiko bleiben. Die Möglichkeiten einer Frau in der Mitte des 19. Jahrhunderts, sich selbst zu versorgen, waren sehr begrenzt. Normaler­ weise fiel diese Zuständigkeit in den Bereich Ehe und Familie, alle anderen Verdienstarten überschritten sowohl die Moral als auch die Toleranz; wie der ,Fall Lola Montez' zeigt, waren Spott und Mißgunst, Spekulation und Kritik die Folge ihrer Lebensart. Da sie diese Art von Publicity in Kauf nahm (,,Ich besitze kein Vermögen, ich muß mir meine Talente nutzbar machen"19), des­ halb entsteht eben das Bild einer Frau, wie es Lola Montez war: ,,Die Stimmung des Vormärz und mit ihr auch die der Frau ist frisch, männlich und strebend. Nicht alle Frauen unterliegen der Vermännli­ chung, aber einige verlieren ihr Gleichgewicht und geraten außer Rand und Band. Sie mischen sich in Politik, pochen dabei auf ihre unwider­ stehlichen weiblichen Vorzüge, um ihrer Herkunft um so sicherer zu sein. Eine solche Frau ist Lola Montez"20. Auch diese Art der Persönlichkeitsbeschreibung ist legitim, beweist sogar den Versuch eines Ausbruches aus dem Klischee, so wie es Lola Montez prakti­ zierte. Lola Montez hatte 1848 München verlassen; die Stadt war um eine

18 Die Deutsche Revolution 1848/49 in Augenzeugenberichten, München 1973, S. 21. 19 Memoiren (wie Anm.1), Bd. 2, S. 1852. 20 Ebd., S. 1856.

144 ungeliebte Person, eine Frau ärmer geworden, die immer für Skandale und Geschichten sorgte, die „Zigaretten rauchte, in Kneipen verkehrte und der ent­ scheidender Einfluß auf die bayerische Politik nachgesagt wurde"21. Nach einer kurzen Ehe 1849 begann sie erneut ein Wanderleben, ihre Sehn­ sucht nach einer bleibenden Heimat erfüllte sich nicht: „Königliche Mätressen von ehedem, die ihren Abschied genommen hatten, traten gewöhnlich in ein Kloster ein und später wurden sie ver­ gessen. Einer Lola Montez konnte das nicht passieren"22. Nach einem einjährigen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt bis 1851 reiste Lola Montez nach Amerika, wo sie ihre Künstlerkarriere wieder auf­ nahm. Nach Gastspielen in New York und New Orleans machte sie Station in der kalifornischen Goldgräbersiedlung Grass Valley, wo sie bis 1853 bleiben sollte. Aber damit nicht genug des abenteuerlichen Wanderdaseins, denn sie wagte sogar das Risiko einer Australien-Reise (Arbeit in einer Theatergruppe), um dort und damit ihren „Traum vom Reichtum" zu erfüllen; auch dieses Vor­ haben mißlang. Was folgte, waren ihr endgültiger Abschied vom Theater und wieder Reisen: Amerika, England und Irland, wo sie ihre Eindrücke und Erleb­ nisse als Vorträge verkaufte. Nebenbei avancierte sie zur Autorin, verfaßte einige Bücher, in denen sie „Schönheitsrezepte" kreierte23. New York wurde in den letzten Lebensjahren die Wahlheimat der Lola Montez; dort starb sie am 17. Januar 1861: ,,Maria Dolores Rosanna Eliza Gilbert, verheiratete Mrs. James, geschie­ dene Lola Montez, in den Adelsstand erhobene Gräfin von Landsfeld, verheiratete Mrs.Heald, hat mit dem Tod die Anstrengungen, ein weib­ liches unabhängiges Ich zu behaupten, hinter sich gelassen. Sie kehrt mit der Inschrift auf ihrem Grabstein ,Mrs. Eliza Gilbert/died/January 17, 1861' zum Namen des Vaters zurück"24. Geblieben sind Erinnerungen an eine Frau, ,,die sich gegen die Fesseln der Weiblichkeit aufgelehnt hat und sich nicht mit den Beschränkungen eines ,nor­ malen' Frauenlebens hat abfinden wollen"25, denn „meine Natur gestattete es mir nicht, ein Weib der Gewohnheit, ein so zu sagen traditionelles Weib zu sein, ein Weib, welches sein höchstes Glück darin setzt, dem Manne eine gute Brühe und ein freundliches Gesicht zu machen"26.

21 Ebd., S. 1859. 22 Ebd., S. 1876. 23 Vgl. ebd., S. 1878-1879. 24 Ebd., S. 1880. 25 Ebd., S. 1881. 26 Ebd.

145 Blick auf Aschaffenburg, Bleistiftzeichnung von Adalbert Hock, Skizzenbuch Nr. 14.

146 Adalbert Hock zum 125. Geburtstag

von Ulrike Klotz

Gerne kommt das Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg der Verpflichtung nach, an die Geburts- und Sterbedaten bedeutender Aschaffenburger Bürger zu erinnern. Am 19. Mai 1991 jährt sich zum 125. Mal der Geburtstag des Kunstmalers Adalbert Hock, der in erster Linie als „Stadtchronist mit dem Pinsel" eine besondere Würdigung erfuhr. Adalbert Hock1 wurde als zweitältester Sohn des Tünchermeisters Heinrich Hock und dessen Ehefrau Katharina, geb. Hock, am 19. Mai 1866 in Aschaf­ fenburg geboren. Nach einer zweijährigen Tätigkeit im elterlichen Betrieb besuchte er ab 1883 die Städtische Fachschule für dekorative Malerei in Mün­ chen. Zwischen 1891 und 1894 vervollkommnete er seine künstlerischen Fähigkeiten während eines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste. In seine Heimat zurückgekehrt, heiratete er am 11. September 1894 Sophie Hartmann (1871-1910), mit der er vier Kinder hatte. Da ein Künstler jener Zeit Schwierigkeiten hatte, seinen Lebensunterhalt zu sichern, verdingte sich Hock vor allem als Auftragsmaler. Die Restaurierung des Pompejanums zwischen 1894 und 1920, aber auch die Gestaltung der Wanddekorationen einiger Kir­ chen, z. B. der Pfarrkirche in Großostheim (1909), und profaner Gebäude, z. B. des Offizierkasinos in der Jägerkaserne, Robert-Koch-Straße (1898), zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Vater, sind hier zu nennen2. Bekannt wurde Hock jedoch durch seine zahlreichen Portraits und durch die Wieder­ gabe idyllischer Altstadtmotive. Adalbert Hock, der am 18. Januar 1949 nach einem durch konservative Werte geprägten, arbeitsreichen Leben verschied, wurde je nach Zeitgeist als „Heimatmaler" oder „Pinselchronist"3 beurteilt. Anhand der 14 vorhandenen Skizzenbücher, die im Jahre 1983 zusammen mit dem Teilnachlaß Adalbert Hock von der Tochter des Künstlers, Gretl Hock,

1 Eine ausführliche Biographie gibt wieder Renate Welsch, Gemalte Stadtgeschichte: Adalbert Hock zum 120. Geburtstag, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 1 (1983-1986), s. 185-190. 2 Die Vielzahl solcher Arbeiten läßt sich durch die Auftragsbücher 1894-1948 von Adalbert Hock eruieren. 3 Ludwig Erzgraber, Heimatkunst Adalbert Hock, in: Aschaffenburger Zeitung 1916, Nr. 533 (17. November), S. 2; Das 8 Uhr-Blatt auf Atelier-Besuch: Bei Adalbert Hock, in: 8 Uhr-Blatt 1939 (20. Juli), S. 6-7.

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-t; Auf der Stube, Bleistift- und Tuschzeichnung von Adalbert Hock, Skizzenbuch Nr. 4.

148 dem Stadt- und Stiftsarchiv überlassen wurden4, soll auf eine der Öffentlichkeit kaum bekannte Seite Hocks hingewiesen werdens. Die kleinformatigen Skizzenbücher stammen aus der Zeit zwischen 1887 und 1946. Hock benutzte sie, um einerseits Situationen und Eindrücke und ande­ rerseits Ideen oder Bildkompositionen vorläufig in Bleistift, Tuschzeichnung oder Aquarellmalerei zu fixieren. Da sie ihn immer begleiteten, liefern sie uns heute neben den privaten Schriftstücken und Fotografien wertvolle Informa­ tionen zu den verschiedenen Stationen seines Lebens. Das älteste Skizzenbuch zeigt beispielsweise, wie sich Hock während seines Studiums in München mit kunsttheoretischen und künstlerischen Problemen auseinandersetzte. Minutiös wiedergegebene Gestaltungsvorschläge antiker Wanddekorationen, Kostüm- und Trachtenstudien, exakte Zeichnungen des menschlichen Körpers oder einzelner Tiere wechseln sich mit flüchtig hinge­ worfenen Skizzen von beobachteten Mitmenschen ab. Der kartenspielende, dickwangige Herr, die Theaterbesucherin mit einem Fächer, der sinnende Stu­ dent oder der zerstreute Professor wurden mit wenigen, aber sicher gesetzten Strichen auf das Papier gebannt. Besichtigungsfahrten oder Ausflüge in Ortschaften und Städte in der heimat­ lichen Umgebung oder während der Aufenthalte in München lassen sich durch genau skizzierte Bleistiftzeichnungen belegen, z. B. das Panorama von Klin­ genberg, die Alte Burg in Nürnberg, der Kirchturm in Landsberg a. L. oder das Schloß Mespelbrunn. Auch bei einer achtwöchigen Reserveübung 1889 in Eichstätt als ehemaliger Einjähriger Freiwilliger war das Skizzenbuch dabei. Hock hielt die Ansichten der Kötzersrichter Bauernhäuser, die als Standquartier genutzt wurden, die ländliche Bevölkerung bei alltäglichen Verrichtungen, Haustiere und Großvieh, sich ausruhende Soldaten auf der Stube und militärisches Gerät in zarten, teil­ weise nur angedeuteten Skizzen fest. 1898 erteilte der Bauunternehmer Franz R. Wörner dem Künstler den Auftrag, ,,im Speisesaal des hiesigen Offizierkasinos die Wandfüllungen mit Architek-

4 Die Sichtung des Teilnachlasses schildert Brigitte Schad, Ein Maierleben in Bildern und Doku­ menten. Die Aufarbeitung des Adalbert-Hock-Teilnachlasses im Stadt- und Stiftsarchiv als Vorberei­ tung einer Hock-Gedächtnisausstellung, in: wie Anm. 1, S. 191-196. 5 Die Skizzenbücher wurden erstmals während der Ausstellung „Adalbert Hock - unbekannte Arbeiten und Dokumente" im Schönborner Hof im Mai 1986 einem größeren Publikum zugänglich gemacht.

149 turstücken und Landschaften im Rokokostil" für 1200 Mark zu bemalen6. Im Skizzenbuch Nr. 3 finden sich vorläufige Versuche zu Komposition und figür­ licher Besetzung, die sich eindeutig an zeitgenössische französische Vorlagen orientieren. Die Fahrten nach Blankenberge in Belgien fallen in die Jahre 1897 und 1900. Der Onkel von Adalbert Hock, Franz Aloys Hock7, betrieb dort ein Hotel am Strand und ein Restaurant in der Stadtmitte. Die zum Teil durchscheinend aquarellierten Bleistiftzeichnungen im Skizzenbuch Nr. 14 geben das Strand­ leben an der Nordsee wieder: einsame Spaziergänger am endlosen Meer, im Sand spielende Kinder und gutsituierte Gäste bei der Strandpromenade. Wie damit aufgewachsen, ging der „Landbewohner" Hock mit dem Elem�nt Wasser um und zauberte mit dem Stift oder dem Pinsel hinreißende Moment­ aufnahmen eines Badeaufenthaltes. Daneben finden sich in allen Skizzenbüchern Ansichten und Altstadtmotive von Aschaffenburg, z.B. das Schloß Johannisburg, der Stiftsberg vom Main aus gesehen, die Schöntalruine, das Jesuitenkolleg oder die Fachwerkhäuser in der Metzgergasse. Bei den Häuserskizzen sticht ins Auge, welche Auf­ gabenstellungen und Schwierigkeiten Hock am meisten reizten. Es waren zwar auch die architektonischen Elemente und Besonderheiten eines Bau­ werkes, vor allem aber war es das Zusammenspiel einzelner Anwesen zu einem Ensemble. Die Schnittstelle zweier Häuser, die Verschachtelungen innerhalb eines Straßenzuges oder die Dachneigungen veranlaßten ihn, immer wieder zum Bleistift zu greifen. Im März/April 1909 unternahm Hock eine Reise nach Italien, die ihn unter anderem nach Genua, Florenz, Pisa und Bologna führte (Skizzenbuch Nr. 10). Ihn interessierten sowohl die Architekturvielfalt der italienischen Baukunst, z. B. der Eingang von S. Trinita zu Florenz, als auch der Aufbau und die Gestaltung der Bilder bedeutender Künstler, z.B. Simone Martini: HI. Klara in der Unterkirche zu Assisi. Die Skizzenbücher aus unserem Jahrhundert dokumentieren den Wandel innerhalb des Schaffens von Adalbert Hock und der Zeit, in der er lebte. Wäh­ rend sich in den früheren kleine, fein ausgearbeitete Tuschzeichnungen bei­ spielsweise von Verzierungen im historischen Stil befinden, weisen die spä­ teren nur noch knapp angerissene Skizzen in Bleistift auf. Die Vorlagen der

6 Auftragsbuch 1894-1919 von Adalbert Hock, S. 58. 7 Adalbert Hock, Chronik Familie Hock, maschinenschriftliches Manuskript, 1946, S. 43.

150 Ölgemälde sind in einfachen Schemen ausgeführt. Die Darstellungen der Menschen beschränken sich auf das Wesentliche, nämlich auf die Haltung und die Gestik. Die wenigen Kopfstudien überzeugen aber immer noch in der Wiedergabe des Charakters und der Eigenart der Person. Zum Schluß soll auf eine seltene Gelegenheit hingewiesen werden. Anläßlich des Geburtstagsjubiläums von Adalbert Hock wird eine Skizze, deren Darstel­ lung noch nicht verraten wird, in limitierter Auflage vom Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg herausgegeben. Zusätzlich würdigt die Stadt Aschaffenburg ihren Ehrenbürger mit der großformatigen, farbigen Reproduk­ tion einer Ansicht von Aschaffenburg aus dem Jahre 1930.

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Wespen, Tuschzeichnung von Adalbert Hock, Skizzenbuch Nr. 1.

151 Das zweite Halbjahr 1990 im Pressespiegel

von Renate Welsch und Franz Einert

2. 7. Bahn frei für „Bahnfrei" seit 70 Jahren. Die Dämmer „Kegelrecken" feierten am 30.Juni ihr Jubiläum mit Festgästen und Ehrungen lang­ jähriger verdienter Mitglieder in ihrem Vereinsheim am Schwalben­ rainweg, das seit August 1982 das Kegelzentrum ist. Amtierender Vorstand ist Gerhard lmhof.

3. 7. Oliver Wegei (19), der 1989 am Friedrich-Dessauer-Gymnasium sein Abitur machte und heute an der TH Darmstadt studiert, belegte beim Bundesentscheid „Jugend forscht" in Hamburg den zweiten Platz im Fachbereich Mathematik/Informatik, und zwar mit seiner Arbeit über das „Konvergenzverhalten der Binominalreihe auf der Menge der komplexen Zahlen".

5.7. Im Monat Juni pendelte sich die Arbeitslosenquote im Main-Viereck auf 4 Prozent ein, die Zahl der Übersiedler aus der DDR ging zurück, verstärkt kamen jedoch Aussiedler aus Rumänien.

Neuer Leiter der „Elisa"-Seniorenstift KG, Nachfolge-Gesellschaft der in Konkurs gegangenen SBG, wurde Ulrich Otte, gelernter Bankkauf­ mann und Sozialpädagoge. Seit 1.Juli steht er an der Spitze des Seniorenheimes in der Goldbacher Straße.

20.7. Der Praktiker-Baumarkt an der Schönbornstraße in Aschaffenburg­ Damm ist und bleibt seit dem 27. Juni zwangsweise geschlossen. Damit bestätigte der Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz den gleichlautenden Beschluß des Verwaltungsgerichtes Würzburg vom 26.Juni. Nach 30 Jahren engagierter Arbeit im Planungsamt, seit 1972 dessen Leiter, tritt Ernst Holleber in den Ruhestand, der aufgrund seiner ziel­ strebigen „Unruhe" kein ausgesprochener werden wird. Am 1.Juni 1960 trat der junge Architekt in städtische Dienste und war seitdem für die Stadtgestaltung zuständig. Seine zeichnerische Begabung kommt heute nicht zuletzt den Illustrationen zum „Aschaffenburger Häuser­ buch" von Alois Grimm zugute.

21. 7. Nachfolger von Ernst Holleber in der Leitung des Stadtplanungsamtes wurde Detlef Martens (39), gebürtiger Kieler, zuletzt am Planungsamt Offenbach tätig.

152 Fünf Jahre nach seiner Anstellung bei der Stadt wurde der Umwelt­ schutz-Ingenieur und -Beauftragte Dieter Gerlach Leiter des neuge­ schaffenen Umweltamtes. Dazu gehören die Bereiche Abfallwirtschaft (Müllabfuhr und Recycling) und die Stadtreinigung.

24. 7. Wie bereits 1989 kommen die bundesdeutschen Jugendmeister im Rolltanzen aus Aschaffenburg. Im letzten Jahr waren es Nicole Wolf und Jens Pötsch vom TV Aschaffenburg, heuer sind es Ramona Grießling und Roger Wolf vom gleichen Verein.

27. 7. Mit Ende des Schuljahres 1989/90 verließ Oberstudiendirektor Erich Aulbach „seine" Berufsschule 1. 20 Jahre war der „Lehrer und Ver­ waltungsfachmann" (Lehrer in Geiselbach, Berufsschule in Aschaf­ fenburg von 1956 bis 1964, dann in Hessen, seit 1970 Leiter der Städ­ tischen, seit 1975 der Staatlichen Berufsschule) ein „Chef", der stets für seine Schule und deren Schüler „kämpfte".

6. 8. Vom 6. bis 10. August ist Umzug angesagt bei den Amtsvorstehern des Postamtes Aschaffenburg, die künftig ihre Postgeschäfte im neuen Verwaltungsgebäude in der Auhofstraße 21 erledigen. Gleich­ zeitig wird eine neue Vermittlungsstelle mit der Rufnummer 369-0 geschaltet. Untergebracht sind im neuen, modernen Domizil auch die Beratungsstelle, die Nachforschungs- und Ersatzstelle sowie das Formblattlager.

24. 8. Im „Adenauer-Mercedes" 300 S, einem roten Cabrio, Baujahr 1952, wurde Gustav Stadelmann, Ehrenbürger der Stadt Aschaffenburg, an seinem 94. Geburtstag durch die City in den Schönbusch kutschiert. Der Luxus-Oldtimer mit 175 PS unter der Haube steht ansonsten im Automuseum Rosso-Bianco. Den Chauffeur bei dieser Ausfahrt spielte Geschäftsführer Kurt Frenzel.

31. 8. 70 Jahre sind vergangen, seit die ersten 30 Häuschen in der Nähe des Österreicher-Denkmals entstanden. Seit damals verwirklichen Leute ohne große Reichtümer ihren Traum vom Häuschen im Grünen in der Österreicher Kolonie. Heute trägt die Siedlung auch den Spitz­ namen „Lehrer-Kolonie", weil sich viele junge Pädagogen mit ihren Familien hier niedergelassen haben.

4. 9. Am 2. September feierte Agathe Dietz, gebürtige Dörrmorsbacherin, heute wohnhaft in der Wohnanlage in der Alexandrastraße, ihren 100. Geburtstag. Damit ist die Jubilarin die drittälteste Einwohnerin Aschaf­ fenburgs.

153 6. 9. Vor 20 Jahren ging das ehemalige Minenräumboot „Orion", 1943 für den Kriegseinsatz gebaut, für alle Zeiten im Floßhafen vor Anker. Seitdem dient es der Aschaffenburger Marinekameradschaft als Heim. Bestand die Besatzung im zweiten Weltkrieg aus 34 bis 38 Mann, so werden vom 14. bis 16. September wesentlich mehr Leute das Jubiläum mit einem Hafenfest gebührend feiern.

13. 9. Durch den Konkurs der Druckerei Ursula Gesele, vormals Druckhaus Gesele GmbH (liquidiert 1987), muß auch der Aschaffenburger Ver­ anstaltungskalender eine neue Druckadresse finden. Zuletzt waren in gemieteten Räumen in der Hanauer Straße noch neun Mitarbieter beschäftigt. Deutscher Meister im Rasenkraftsport - Hammerwerfen, Gewicht­ werfen, Steinstoßen - wurden in der Altersklasse der 40- bis 50jäh­ rigen die Aschaffenburger Hermann Schulz, Manfred Bönsch und Guido Lommermann. 17. 9. Die Hofgarten-Apothekerin Arntraud Aumann-Schmidt wurde die erste ehrenamtliche Pharmazierätin in Bayern. Sie hat die Aufgabe, rund 170 Apotheken in den Landkreisen Aschaffenburg, , Main-Spessart, Bad Kissingen, Kitzingen und Haßberge auf „Herz und Nieren" zu prüfen, d. h., in den Labors und den Offizinen nach dem Rechten zu sehen. Am 90. Geburtstag der Aschaffenburger Schreiner- und Glaserinnung wurden 39 Prüflinge, davon 36 Schreiner (darunter auch eine Schrei­ nerin), freigesprochen. Festredner waren unter anderen Obermeister Hans Hammerbacher, Oberstudiendirektor a. D. Erich Aulbach und Bürgermeister Günter Dehn. 19. 9. Vor 30 Jahren, am 18. September 1960, wurde die Schweinheimer Pfarrkirche „allen Schwierigkeiten zum Trotz" geweiht. Die Pfarrei war Anfang 1956 gegründet worden. Zum Festgottesdienst am Sonntag, dem 23. September, erwarten die Schweinheimer mit ihrem Pfarrer Willi Geßner den Weihbischof Alfons Kempf.

Der Stiftschor feiert sein 1 00jähriges Jubiläum. Er ging aus dem 1890 gegründeten Cäcilienverein Aschaffenburg hervor und machte sich schon bald über die Grenzen der Stadt hinaus einen Namen. Das fest­ liche Pontifikalamt am Sonntag wird Bischof Paul-Werner Scheele zelebrieren. 22. 9. Der „Suppenschul"-Umbau wurde nach eineinhalbjähriger Renovie­ rungszeit (Kosten 150000 DM) abgeschlossen, der älteste Kinder-

154 garten der Stadt, gegründet 1837, verfügt damit in der Pestalozzi­ straße über weitere drei Räume mit insgesamt 120 Quadratmetern. Seit 75 Jahren ist die Zahnarzt- und Kieferchirurgie-Praxis Kreusser in Aschaffenburg ansässig. Freilich werden heute die Patienten in luxuri­ ösem Ambiente nicht mehr „für eine Schafskeule ein ganzes Jahr lang" behandelt. Gefragt sind heute bei dem Fachärzte-Team Kurt und Bernd Kreusser und ihren 18 Mitarbeitern Kiefer-Operationen, Implantationen, Osteotomie (Knochendurchtrennung), die Behand­ lung von Parodontose und Gesichtschirurgie. Am 28. September wird die neue „Junge Galerie" (bislang Galerie am Nachmittag) in der neugestalteten Grünewaldstraße Premiere haben. Künftig finden hier sporadisch Ausstellungen statt. Initiatoren sind die Gebrüder Brass, die in der ehemaligen TVA-Halle auch ihre „gute Stube" für den Automobil-Sektor eingerichtet haben.

24. 9. Beim vom Aschaffenburger Brummi-Club ausgerichteten Truckerfest auf dem Volksfestplatz ging es am Sonntag, 23. September, um den schönsten von 250 ausgestellten Transportern, vom kleinsten bis zum größten. Super-Gewinner aus acht Gewichtsklassen wurde ein rie­ siger, mit viel Liebe verzierter Scania-Lkw aus Rastatt.

29. 9. Der frühere bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel, der am Montag, 1. Oktober, 85 Jahre alt wird, hat in Aschaffenburg eine gute Erinnerung hinterlassen. 1938 kam er als Amtsrichter in die Stadt, seit 1946 fungierte er als Rechtsrat, 1952 wurde er Bürgermeister, 1954 Abgeordneter für Aschaffenburg, 1962 wurde er in dieser Funktion zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. 1966 gab Alfons Goppel den Aschaffenburger Wahlkreis auf. 4. 10. Den Tag der Deutschen Einheit feierten die Aschaffenburger mit Feuerwerk, aber auch mit stiller Freude. Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland und die CSU-Stadträte Rainer Kunkel und Dr. Werner Bokr, die die Idee zu dieser Aktion hatten, pflanzten aus diesem histori­ schen Anlaß im Schöntal eine Eiche. 8. 10. Sieben junge Organisten legten nach erfolgreichem einjährigen D-Kursus im Fach Orgel ihre Prüfung ab. Die Diözese Würzburg bietet diesen Kurs (Liturgisches Orgelspiel, Harmonielehre, Singen, Diri­ gieren) jährlich in der Pfarrkirche Maria Geburt in Sehweinheim an. 12. 10. Nach 163 Jahren schließt der Aschaffenburger Familienbetrieb A. Joachimi jr. Stets war der „Jochemi" eine gute Adresse für Schreib­ waren und Bürobedarf. Ab dem 18. Oktober werden im Haus Dalberg-

155 straße 7 die Aschaffenburger Stadtzeitung, ein Reisebüro, ein Po­ stershop und eine Galerie ihr Domizil haben. 15. 1 0. Mit einem Festakt am 13. Oktober beging der Tierschutzverein Aschaffenburg und Umgebung e. V. sein 1 00jähriges Bestehen, das praktisch ein Jahr zu spät gefeiert wurde, denn der Verein gründete sich bereits am 3. März 1889 im Cafe Sehlink. Darüber und über die Entwicklung des Tierschutzes in Aschaffenburg berichtet eine Chro­ nik. 16. 10. Nach eineinhalbjährigen Umbauarbeiten kann am Sonntag, dem 21. Oktober, die Einweihung des neugestalteten Bachsaales als „Haus der Gemeinde" stattfinden. Damit verfügt die evangelische Christuskirche in der Pfaffengasse über ein Kulturzentrum ersten Ranges. 27. 10. Aus Anlaß des ersten Landpostbotenganges vor 130 Jahren ging Winfried Hochstadt, Marathonläufer und Hausmeister im Stadt- und Stiftsarchiv, Schönborner Hof, auf die historische Route. Dabei lief er in einer Originaluniform - aber mit Turnschuhen anno 1990 - in der Zeit von nur vier Stunden (der Landpostbote von 1860 hatte hierfür noch „ungefähr 7 ¾ Stunden" benötigt) rund 40 Kilometer und durch­ eilte dabei, vom Aschaffenburger Hauptpostamt aus startend, die Orte Aschaffenburg-Leider, -Nilkheim, Großostheim, Pflaumheim, Wenig­ umstadt. Niedernberg, Sulzbach, Aschaffenburg-Obernau. Endstation war wiederum Aschaffenburg. Dazu gab es am 27. Oktober auch den 35. Aschaffenburger Sonderstempel seit 1912. 30. 10. Anläßlich einer Feierstunde zum 40jährigen Bestehen des Ortsver­ bandes Aschaffenburg der Landsmannschaft Schlesien wurden für mehr als 35jährige Zugehörigkeit zahlreiche Mitglieder geehrt. 3. 11. Dreieinhalb Jahre nach dem Start des lokalen Hörfunks am Untermain kann zwischen Alzenau und Amorbach auch lokales Fernsehen emp­ fangen werden. Ab dem 5. November wird in Aschaffenburg von Montag bis Freitag zwischen 17.45 und 18.45 Uhr der private Fern­ sehanbieter TV-Touring (Stammsitz in Würzburg) aus einem Aschaf­ fenburger Studio in der Goldbacher Straße „Buntgemischtes aus Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg" senden. Zu empfangen ist dieses Programm über Antenne und Kabel auf dem Kanal RTL plus. 13. 11. Ab heute gibt's für Parksünder in Aschaffenburg kaum noch ein Ent­ rinnen. Sechs Männer und zwei Frauen werden künftig den ruhenden Verkehr in der Innenstadt und vier Außenbezirken als städtische Mit-

156 arbeiter überwachen und Falschparkern die ungeliebten „Knöllchen" verpassen. Vier US-Bataillone aus Aschaffenburg werden, mit dem modernsten Kriegsgerät ausgerüstet, an den Golf verlegt. Sie gehören zur 3. US­ Infanterie-Division, die in Saudi-Arabien stationiert und bei einer mög­ lichen kriegerischen Auseinandersetzung gegen den Irak zur Befreiung Kuwaits eingesetzt wird. Das Verkehrsunternehmen Greier wird 100. Damals kutschierte Phil­ ipp Greier als „Lohnkutscher" vornehme Damen und Herren an ihre Ziele. Motorisiert wurde der Fuhrpark im Jahre 1929. Die Fahrschule, von Wilhelm Greier 1954 übernommen, existiert seit 60 Jahren.

20. 11. Nach fast 16 Jahren als Seelsorger der Pfarrei Maria Geburt in Sehweinheim verläßt Pfarrer Friedrich Kastl seine Gemeinde auf eigenen Wunsch. Er übernimmt ab Dezember die katholische Gemeinde in Hörstein. Hansjörg Seidemann, bislang für den Straßenbau zuständig, wird Nachfolger von Tiefbauamtsleiter Werner Strobel, der zum Jahres­ ende in den Ruhestand tritt. Als Amtsleiter übernimmt Seidemann künftig auch die Stadtentwässerung, den Bauhof, die Abwasserüber­ wachung und die Straßenreinigung. 22. 11. Am 20. November gründete sich mit rund 50 Mitgliedern der „Förder­ verein Fachhochschule Aschaffenburg". Erster Vorsitzender wurde !HK-Präsident Horst Michaels. Zweck des Zusammenschlusses ist laut Satzung „die Forderung nach Errichtung einer Fachhochschule in Aschaffenburg zu unterstützen und eine entsprechende Entscheidung auf Landesebene herbeizuführen".

23. 11. Ende nach 118 Jahren: Die alte „Weiß" gibt es nicht mehr. Am 22. November stellte die PWA Industriepapier GmbH ihre Zellstoffpro­ duktion in Aschaffenburg-Damm, Glattbacher Straße, ein. Künftig soll hier eine neue Papierfabrik jährlich 230.000 Tonnen Wellpappen­ papier aus Altpapier produzieren.

27. 11. Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte Ralf Hebauf zu lebenslänglicher Haft. Der Täter hatte am 24. Januar 1990 den 24jährigen Friseur Frank Müller „wegen Geldschwierig­ keiten" mit 25 Messerstichen getötet. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft, Kreisgruppe Aschaffenburg besteht seit 40 Jahren. Schirmherr der Veranstaltungen zu diesem

157 Jubiläum, u.a. Feierstunde und Ausstellung im Lichthof des Rat­ hauses, war Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland. 30. 11. Bürgermeister Günter Dehn reiste im Oktober mit einer Delegation in die französische Partnerstadt Saint-Germain-en-Laye zur Eröffnung einer Ausstellung Aschaffenburg „total". Großes Interesse fand die Dokumentation über die Stadt, ihre Strukturen, Bauten und Ein­ wohner, Ereignisse und Geschichte vor allem bei der Schuljugend. Anlaß war das 15jährige Bestehen der Partnerschaft, das der Freun­ deskreis Aschaffenburg mit dieser Dokumentation würdigte. 3. 12. Die erste gesamtdeutsche Wahl am 2. Dezember bot keine Über­ raschung am Untermain. Die Union brachte in allen sechs Wahl­ kreisen ihre Direktkandidaten durch. Im Wahlkreis 233 (Kreis und Stadt Aschaffenburg) erhielt Norbert Geis 53,3 Prozent der Erst­ stimmen. 4. 12. Bereits seit zehn Jahren Tradition - der Aschaffenburger Christ­ kindls-Markt im Schöntal, Bereich City-Galerie. Einst boten nur sechs Stände in der Fußgängerzone Goldbacher Straße ihr Vorweihnachts­ angebot feil, heute sind es 52 Anbieter. 6. 12. Seit dem 1. November hat Dr. Brigitte Schad, Kunsthistorikerin und Mitarbeiterin des Stadt- und Stiftsarchives, die Leitung der Jesuiten­ kirche (Galerie der Stadt Aschaffenburg), d. h. die Ausrichtung von Ausstellungen, übernommen. Für die Zukunft soll „anspruchsvolle Kunst" in diesem ehemals kirchlichen Raum präsentiert werden. 7. 12. Die neue Recycling-Papiermaschine, die zu 100 Prozent Altpapier verarbeitet, wurde bei der PWA in Aschaffenburg in Betrieb genommen. Dazu auch die Meldung vom 23. November.

17. 12. 38 Tonnen Hilfsgüter aus Aschaffenburg und Umgebung brachte ein Spendenaufruf der Maria-Ward-Schule auf den Weg nach Rumänien. Der Lkw und seine dreiköpfige Besatzung erreichten wohlbehalten die Zielorte Bukarest und Pimesul de Sus in den Karpaten (Start in Aschaffenburg war der 5. Dezember) und kehrten glücklich zurück. 21. 12. Elisabeth Blasy, Stadträtin und engagierte Vertreterin der Frauen in vielen Bereichen, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausge­ zeichnet. Seit 1983 ist die Sozialdemokratin Mitglied des Kreisvor­ standes der SPD Aschaffenburg und Vorsitzende des Ortsvereins Aschaffenburg-Ost. Darüber hinaus ist sie in vielen Ehrenämtern unermüdlich. Großen Einsatz leistet Elisabeth Blasy auch bei der Senioren-Betreuung.

158 22. 12. Dr. Ernst Schneider, von 1949 bis 1978 Leiter der Aschaffenburger Museen und bis heute Stadtheimatpfleger, erhielt aus der Hand von Staatssekretär Hermann Leeb die Denkmalschutzmedaille für seine Verdienste um Kunst und Wissenschaft. 24. 12. Die Goldene Ehrennadel des Maintal-Sängerbundes für vier Jahr­ zehnte „Sängertreue" bei der Melomania erhielten Willy Beck und Paul Ritter aus der Hand von Franz Wüst, Sehweinheim. 27. 12. Kein Heiligabend ohne Brand! Am 24. Dezember fing in der Frohsinn­ straße aus ungeklärter Ursache ein Fernsehgerät Feuer. Der entstan­ dene Sachschaden belief sich auf 30000 Mark. 31. 12. Als Vertriebsleiter des Main-Echos tritt Rudi Stock mit Jahresbeginn 1991 in den Ruhestand. Er arbeitete schon 1945 für diese Lokalzei­ tung, war erst Betriebs- und stellvertretender Verlagsleiter, später Chef der Vertriebsabteilung. Neben dem Leser, der jeden Morgen pünktlich seine Zeitung bekommen sollte, lagen Rudi Stock auch die Zusteller am Herzen, die heute in einem geachteten und sozial abge­ sicherten Mitarbeiterverhältnis stehen.

159 Buchbesprechung

Seit Mitte September 1990 liegt der vom Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg herausgegebene Band „Ereignisse in Aschaffenburg dargestellt auf histori­ schen Ansichtspostkarten"(= Aschaffenburger Studien, II. Dokumentationen, Bd. 5) zum Preis von 34 DM vor. Die beiden Bearbeiter, Werner Krämer und Karl Heinz Mischon, schufen mit dem reich bebilderten Buch sowohl für Post­ kartensammler als auch für alle passionierten Aschaffenburger eine bibliophile Kostbarkeit. Aschaffenburg war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die Metropole am Untermain. Ihr blühendes Wirtschaftsleben und der hohe gesellschaftliche Standard prädestinierten die Stadt als Standort für regionale und überregio­ nale Veranstaltungen. Zahlreiche Vereine, aber auch private Institutionen rich­ teten zu den verschiedensten Anlässen Feste oder Treffen aus. Etablierte Ver­ eine wie beispielsweise der Männergesangverein „Melomania" feierten Stif­ tungsfeste oder organisierten zur Fahnenweihe festliche Zusammenkünfte. Sportvereine veranstalteten Gautage oder Kreisturnfeste, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Berufliche Vereinigungen trafen sich bei Verbandstagen oder Kreisausstellungen, z. B. die bayerischen Landwirte oder die unterfränki­ schen Buchbindermeister. Die Aktivitäten wurden alle durch die Herausgabe von Ereignispostkarten, den sogenannten Offiziellen Festpostkarten, doku­ mentiert. Die Festpostkarten sind meistens mit Aschaffenburger Ansichten geschmückt. Bildliche und textliche Ergänzungen in Form von figürlichen Staffagen und Schriftbändern verweisen auf den Anlaß. Die Herstellung der Vorlagen war in den Händen hiesiger Fotografen oder Künstler. Constantin Samhaber, Franz Orth oder Franz Wacker lieferten beispielsweise die Fotografien. Aquarelle und Tuschzeichnungen stammten vielfach vom Kunstmaler Adalbert Hock (1866-1949). In Zusammenarbeit mit dem Buchdruckereibesitzer Rudolf Kolbe entstanden vor allem in den Jahren zwischen 1897 und 1904 Ansichts- und Ereignispostkarten. Der von Werner Krämer und Karl Heinz Mischon zusammengestellte Band überzeugt den Leser und Betrachter durch die sorgfältige Auswahl der Bildmo­ tive, die ein breites Spektrum der Aschaffenburger Vereinswelt widerspiegeln. Hervorragende Reproduktionen und informierende zeitgenössische Zeitungs­ annoncen machen ihn zu einem Lesevergnügen. Ulrike Klotz

160 Öffnungszeiten kultureller Einrichtungen in Aschaffenburg

Archiv

Stadt- und Stiftsarchiv Schönborner Hof - Wermbachstr. 15 Mo-Mi 8.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr Do 8.00-12.00 Uhr und 14.00-18.00 Uhr Fr 8.00-12.00 Uhr 1. Sonnabend im Monat 10.00-15.00 Uhr

Bibliotheken

Hof- und Stiftsbibliothek Schloß Johannisburg - Schloßplatz 4 Mo-Mi 10.00-12.30 Uhr und 14.00-17.00 Uhr Do 10.00-12.30 Uhr und 14.00-18.00 Uhr Fr 10.00-15.00 Uhr

Landeskundliche Bibliothek für Spessart und Untermain des Stadt- und Stiftsarchivs Schönborner Hof - Wermbachstr. 15 Mo-Mi 8.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr Do 8.00-12.00 Uhr und 14.00-18.00 Uhr Fr 8.00-12.00 Uhr 1. Sonnabend im Monat 10.00-15.00 Uhr

Stadtbibliothek Herstallstr. 17 Mo 11 .00-18.00 Uhr Di 11 .00-12.30 Uhr Mi 11.00-18.00 Uhr Do 11.00-19.00 Uhr Fr 11.00-16.00 Uhr Museen

Gedenk- und Informationsraum der Graslitzer Schönborner Hof - Wermbachstr. 15

Sonn- und feiertags 10.00-12.00 Uhr

Naturwissenschaftliches Museum der Stadt Aschaffenburg Schönborner Hof - Wermbachstr. 15

So-Di 9.00-12.00 Uhr und 13.00-16.00 Uhr Do-Sa 9.00-12.00 Uhr und 13.00-16.00 Uhr

Schloßmuseum der Stadt Aschaffenburg Schloß Johannisburg - Schloßplatz 4

April-September: Di-So 9.00-12.00 Uhr und 13.00-17.00 Uhr Oktober-März: Di-So 10.00-12.00 Uhr und 13.00-16.00 Uhr

Staatsgemäldesammlung (und fürstliche Wohnräume)

Schloß Johannisburg - Schloßplatz 4 1

April-September: Di-So 9.00-12.00 Uhr und 13.00-17.00 Uhr Oktober-März: Di-So 10.00-12.00 Uhr und 13.00-16.00 Uhr 1

Städtische Dauerausstellung zur Geschichte der Aschaffenburger Juden 1 Treibgasse 20 1

Mi 10.00-12.00 Uhr 1 Do 16.00-18.00 Uhr 1. Sonntag im Monat 10.00-12.00 Uhr

Stiftsmuseum der Stadt Aschaffenburg Stiftsgasse 1 a Wegen Umbaus z. Zt. geschlossen. Bis zur Wiedereröffnung zeigt das Schloß­ museum in einer Sonderausstellung „Stift im Schloß" eine Auswahl aus den Beständen des Stiftsmuseums.