Fern-Express 1/2018 Karl-W. Koch, Reisebericht ThomasNilgiri Franke Mit Dampf in Indiens „Blaue Berge“ Die Nilgiri-Bahn

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Die Nilgiri (NMR) verläuft im na- mensgebenden Nilgiri-Gebirge, welches im Süden Indiens im Bundesstaat gelegen ist. Udagamandalam war die Sommeralternative für Madras (heute: ), wie Darjeeling für Kalkut- ta (Kolkata), Matheran für Bombay (Mumbai) und für Delhi. Die NMR verbindet die Stadt Met- tupalayam mit der Bergstation Udagamandalam.

GESCHICHTE Die Nilgiri Mountain Railway ist eine der ältesten Bergbahnen in Indien. Bereits 1854 entstand die Idee zu deren Bau, aber erst im August 1891, nach dem ersten Spatenstich durch Gouverneur Lord Wendlock, konnten die Arbeiten endlich beginnen. Grundlage waren dabei Pläne des Schweizers Nik- laus Riggenbach. Später wurde die Strecke der Company unterstellt.

Noch heute sind auf dem unteren Zahnrad- Die fehlende Klimaan- Abschnitt Dampflokomotiven im regelmäßigen Ein- lage wird in den oft STRECKENBESCHREIBUNG satz, während im oberen, flacheren Abschnitt mit vollbesetzten Zügen geringeren Steigungen die Dieselloks der Baureihe Die Reise beginnt in Mettupalayam, 350 m über einfallsreich ersetzt. YDM4 den Verkehr bewältigen. Im Juli 2005 wurde dem Meer, mit Anschluss an das indische Fern- die NMR von der UNESCO als Teil der bahnnetz von und nach . Es gibt einen „Welterbestätte Gebirgseisenbahnen“ in Indien auf kleinen Lokschuppen und die Wagenreparatur- die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wur- werkstätten. Auf dem ersten Abschnitt zwischen de, nachdem die geforderten Voraussetzungen er- Mettupalayam und Kallar wird die Strecke im Adhä- füllt waren. sionsbetrieb befahren. Zum Fluss Bhavani hin weist die Strecke sogar zunächst ein leichtes Ge- Bild linke Seite: fälle auf, bevor sie nach der Brücke in eine leichte Der talwärts fahrende BETRIEBSABLAUF Steigung übergeht. Im Bahnhof Kallar bei Km 8 be- Zug hat gerade den Auf den Zahnstangenabschnitten unterhalb des be- ginnt der erste Zahnradabschnitt, die Steigung be- Tunnel hinter dem trieblichen Mittelpunktes der Strecke, trägt zunächst 1:12. In Adderly bei Km 13 erfolgt Bahnhof Coonoor (Kunnur), werden die Züge von Dampflokomotiven der erste Wasserhalt. In Hillgrove bei Km 18 und verlassen und rollt der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinen- bereits ca. 800 m höher gelegen, erfolgt ein weite- über den vermutlich fabrik aus Winterthur den Berg hinauf geschoben. rer Zwischenstopp zur Wasserversorgung und Ver- meistfotografierten Die durchschnittliche Steigung beträgt 1:24.5 pflegung der Passagiere. Viadukt der Strecke. (40.8‰), die maximale Steigung 1:8.3 (120‰). Die Zahnradlokomotiven haben separate Antriebe für In Runneymede bei Km 21 wird bei Bedarf erneut (Beide Aufnahmen: die Adhäsionräder und für die Treibzahnräder, so- Wasser nachgefüllt. Danach folgt einer der reiz- KWK, Februar 1996) dass sie auch auf den Abschnitten ohne Zahnstan- ge verkehren können. Infokasten – die Dampfloks der Bahn:

Seit 2007 fährt täglich nur ein Zug auf dem Zahn- Eingesetzt wird eine Tenderlok-Konstruktion (D1' n2t) von SLM, die Baujahre stangenabschnitt in jede Richtung. Er startet am sind: 1914 bis 1925 und 1952. Gebaut wurden insgesamt 21 Stück. Die 1897 frühen Morgen in Mettupalayam und kehrt am frü- gebaute R-Klasse von Beyer-Peacock, die S-Klasse von 1905 und die P-Klasse hen Abend dahin zurück. von 1910 (beide von North British Lokomotive) wurden ab 1925 aus dem Betrieb genommen. Zwischen Coonoor und Udagamandalam kommen schon seit langen Jahren Diesellokomotiven zum Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30 km/h ohne und 15 km/h mit Zahnstange Einsatz, welche ohne Zahnstangen-Hilfe auf dem Scheinbar waren die Maschinen keine schlechte Wahl, sind die Lokomotiven allerdings auch flacheren Abschnitt auskommen doch teilweise seit fast 100 Jahren im Einsatz. Zwar wurden 1952 von SLM (fünf müssen. In den 1990ern war die erste Lok der Loks) und nochmals vor wenigen Jahren, 2011 bis 2014 in Indien (X 37396 bis X „Blue Diamond“. Auf dieser Strecke wird die Loko- 37399) vier Maschinen ohne wesentliche Änderungen nachgebaut, es gibt aber motive immer auf der Coonoor-Seite des Zuges, al- auch noch „Oldies“ im Einsatz. so wiederum auf der „Talseite“, gekuppelt. Die Steigung ist mit 1:25 (40‰) immer noch erheblich. Aktuell wird ein „Kohleverbot“ bei den auf der Zahnradstrecke eingesetzten Es verkehrten täglich mehrere Züge in pro Rich- Dampfloks umgesetzt. Hintergrund ist neben der Störanfälligkeit die deutlich tung. erhöhte Waldbrandgefahr in den trockenen Monaten durch den Funkenflug bei der Kohlefeuerung. Auch ist die Versorgung mit hochwertiger Kohle mittlerweile Die meisten Reparaturen werden in Eigeninitiative zu teuer, die im normalen Handel befindliche Kohle ist zu minderwertig für diese im Schuppen von Coonoor durchgeführt, größere Verwendung. Reparaturen an den Dampflokomotiven erfolgen hingegen in den Golden Rock Workshops. Eine Maschine (37395, Baujahr 1952) ist ohnehin bereits ölgefeuert. Weitere Loks aus dieser SLM-Lieferung werden noch umgebaut. Die in den Jahren 2011 Wegen starker Erdrutsche war die Strecke in den bis 2014 in Golden Rock/Indien nach alten SLM-Plänen neu gebauten Loks letzten Jahren mehrfach, teilweise längere Zeit auf hatten bereits ebenfalls Ölfeuerung. Dass die Dampfloks überhaupt “überlebten“ dem Abschnitt Mettupalayam – Coonoor unterbro- ist dem UNESCO-Weltkulturerbe-Status der Bahn zu verdanken, in dem der chen, zuletzt vom November 2009 bis zum 1. Mai „historische „Dampfbetrieb festgeschrieben ist. Die 1999 geplante Elektrifizie- 2010. rung wurde ebenfalls vom UNESCO-Status verhindert.

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Auf dem Viadukt von Wellington ist die YDM4 - 6664 zu sehen. Dass der Hang unter dem Viadukt die örtliche Müllkippe ist, erkennt man auf dem Bild nicht. (Beide Fotos: Thomas Franke)

Eine Brücke zwischen Hillgrove und Runneymede ist das Motiv für die X 37399. Deutlich ist die Zahnstange in der Gleismitte zu erkennen.

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1996 führte der länge- re Wasserstopp zu Picknickszenen im Bahnhof. (KWK, Februar 1996)

Eckdaten der Bahn: 208 Kurven, 16 Tunnel und 250 Brücken wer- den durchfahren bzw. überquert. Eine Berg- fahrt dauert etwa fünf, die Talfahrt dreieinhalb Stunden.

Die Strecke (Planung 1845, Eröffnung 1899, Spurweite: 1.000 mm) ist die einzige indische Zahnradbahn, betrieben nach dem Abt-System des Schweizer Ingeni- eurs Roman Abt. Länge: 46 km, Steigung von 350 m.ü.NN. bis 1.843 m.ü.NN.

vollsten – und wahrscheinlich der meistfotografierte Lichter der Lok schon im Tunnel erkennbar sind, ist Der Zahnstangenbetrieb – Teil der Strecke: Ein weites Seitental wird ausge- beeindruckend … ist durchgehend (18 km) fahren, auf einem sehenswerten Viadukt überquert ab Km 8 bis Km 28, wei- und anschließend verschwindet die Strecke gleich Gleich darauf wird der Bahnhof Coonoor erreicht, tere 18 km verlaufen im in einem Tunnel. Hinter dem Tunnel liegt vermut- Km 28, 1.843 m.ü.NN. Es ist der wichtigste Bahn- Adhäsionsbetrieb über lich einer der Bahnübergänge mit – gemessen an hof der Strecke. Hier, am Ende des Zahnradab- weitere 500 Höhenmeter der Zugdichte – der höchsten Unfallrate. Was hier schnittes, befinden sich die Werkstätten für die Lo- bis Udagamandalam, noch unter den geschlossenen Schranken durch- komotiven. Durch die beschaulichen Hallen läuft (Dieselbetrieb kriecht, durcheilt, durchgeschoben wird, wenn die auch schon mal eine der heiligen Kühe, ohne ver- mit YDM4).

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Im Bahnhof Coonoor trieben zu werden und mampft genüsslich auf ei- zu bedauern war der Eisenbahner an der Spitze steht die YDM4 mit nem ausgedienten Strohbesen herum des Zuges. Die Lokomotiven schieben ihre Züge der Betriebsnummer bergauf und der arme Mensch saß mit einem Re- 6706 mit dem Zug Die weiterfahrenden Züge, jetzt mit Diesellok be- genschirm auf der Plattform und versuchte sich so nach immer spannt, müssen den Zug zunächst ein Stück aus gut wie möglich zu schützen. Bis Coonoor liegt die noch im Nebel des dem als Sackbahnhof angelegten Areal herauszie- Zahnstange und hier ist auch der Betriebsmittel- 03.12.2016. hen, bevor sie am Bahnhof vorbei die Fahrt Rich- punkt der Strecke. Der ankommende Dampf-Zug (Foto: Th. Franke) tung Udagamandalam fortsetzen können. Die un- wird hier auf YDM4-Diesellokomotiven umgespannt übliche Gleislage ist der Tatsache geschuldet, und fährt nach dem Umsetzen nach Ooty weiter. dass ohne diese „Finte“ für die Steigung aus dem Auch das Betriebswerk befindet sich in Coonor. Bahnhof heraus ein weiterer Zahnstangenabschnitt Dieses suchten wir jetzt auf und konnten es in aller erforderlich gewesen wäre, den man aber vermei- Ruhe besichtigen, schließlich regnet es im Lok- den wollte. schuppen ja nicht. An einer Dampflok wurde ge- schweißt, während eine andere auf der Achssenke In Lovedale, Km 42, 2.524 m.ü.NN. wird der höchs- stand. te Punkt der Strecke erreicht, wenige Kilometer später fällt die Strecke bis Ooty leicht ab. In Uda- Mit einigen anderen Teilnehmern bemühten wir gamandalam bei Km 46 ist auf 2.371 Höhenmetern uns erfolgreich um Fahrkarten für die Rückfahrt der Endpunkt erreicht. des Dampfzuges ab Coonoor. Im Vorverkauf wa- ren die Züge ausverkauft, aber 30 Minuten vor der REISEBERICHT THOMAS FRANKE Abfahrt der Züge werden noch Restkarten verkauft. Am zweiten Adventswochenende 2016 brachen wir Die Abteile der Ersten Klasse sind mit Abstand am in den Süden auf. Die Reiseplanung sah drei Tage begehrtesten, weil sie am freien Ende des Zuges und ein paar Stunden am Abreisetag für die Erkun- sind und man von dort den besten Blick auf die dung der Bahn und der Umgebung vor. Leider Strecke hat. Gemeinsam mit einer indische Familie scheiterte ein geplanter Sonderzug kurzfristig an saßen wir im Abteil mit geschnitzten Fenster- und exorbitanten Nachforderungen der Bahngesell- Türrahmen und bemalten Trennwänden zu den schaft Southern Railway. So blieben uns „nur“ die Nachbarabteilen. Planzüge, also täglich ein Dampf-Zugpaar auf der Strecke von Mettupalayam nach Coonoor und vier Die Familie hat den Zug im Gegensatz zu uns nicht Diesel-Zugpaare auf der Strecke von Coonoor zum Ausflug genutzt, sondern fuhr bepackt ins nach Udagamandalam (kurz Ooty genannt). Flachland. Im Laufe der Fahrt nach Mettupalayam reichten sie uns selbstgebackenen Kuchen und wir Am Samstagmorgen nahm die X 37398 in Kallar versuchten uns mit Süßigkeiten zu revanchieren. vor der Bergfahrt Wasser. Es regnete in Strömen Unsere Reise aus Japan und Europa zu ihrer Bahn und auch der Nebel machte sich breit. Am meisten und in ihre Heimat hat sie erfreut. Unsere Zugfahrt

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1996 waren die YDM4- Diesellok in einem durchaus fotogenen Blau lackiert und führte den stolzen Namen „Blue Diamand“. Ein Zug nach Ooty zieht - wie beschrieben - aus dem Bahnhof in Rich- tung Mettupalayam heraus, um gleich hin- ter der Weiche in den Schiebe-Betrieb berg- auf über zu gehen … (KWK, Februar 1996)

führte über viele Brücken, ansehnliche Viadukte Für die Züge mit den YDM4 nach und von Ooty und durch etliche Tunnel. Am Sonntag wiederhol- nahmen wir uns auch etwas Zeit und haben am Via- ten wir unsere Aktivitäten vom Sonnabend. Da dukt in Wellington und in Lovedale, dem mit 2.524 aber allen Unkenrufen zum Trotz der Regen auf- Metern höchsten Punkt der Bahn fotografiert. Nach hörte und auch die Sonne herauskam, gelangen den Aufnahmen der Rückfahrt des Dampf-Zuges in heute die Motive, die gestern unmöglich waren. den Teeplantagen hinter Coonoor schauten wir noch den Lokschuppen mit der X 37384 von 1914 Im Bahnhof Runneymede blühten große Weih- und der X 37386 von 1920 und das kleine Museum nachtssterne, richtige Adventsstimmung kommt da- mit der X 37389 von 1925 in Mettupalayam an. durch trotzdem nicht auf. Eine Mitfahrt im Diesel- Zug nach Ooty und zurück war der Plan nach un- Quellen: serer Ankunft in Coonoor. Auch heute bekamen wir  https://en.wikipedia.org/wiki/ Fahrkarten, obwohl alle Züge sehr gut gefüllt wa- Nilgiri_Mountain_Railway Ein Blick in das ren. Zur Rückfahrt des Dampf-Zuges begaben wir  Schweizerische Bauzeitung vom 18.08.1917 betriebsame Depot uns in Kallar an den Rand des Wildtiergebietes.  Eisenbahn-Journal 7/2000 - Dampf in Indien in Coonoor Dort trafen wir uns mit Wildhütern, die uns am  Fahrplancenter News FCN 57 (Foto: Thomas Franke) nächsten Morgen zwei Kilome- ter an der Strecke zu einem Vi- adukt führen sollten. Für eine Gruppe, die zusammen läuft, wäre es aus ihrer Sicht keine Gefahr.

Am Montagmorgen waren die Wildhüter leider nicht wie abge- sprochen vor Ort. Nach einigem Abwägen gingen wir dann ohne sie zum Viadukt. Wir kamen da- nach auch wieder wohlbehalten am Bahnhof Kallar an.

Danach fuhren wir in Richtung Coonoor und konnten in den Teefeldern vor dem Ort die Vor- beifahrt des Zuges genießen. Einen sehr kleinen Teepflan- zenableger habe ich mitgenom- men. Dieser steht jetzt zu Hau- se auf dem Blumenbrett und entwickelt sich prächtig. Mal se- hen, wann es für die erste eige- ne Teepflückung reicht.

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