Audioguidetext zum

SCHLOSS UND PARK TIEFURT

Text/Redaktion: Linon Medien

Klassik Stiftung | Tiefurt | 11.2011 1

Inhalt

TITEL ...... AUDIOGUIDE-NUMMER

Schloss Tiefurt Einführung ...... 400 Diele 1. OG ...... 401 Vertiefungsebene zu 401 ...... 40 Speisezimmer ...... 402 Kaminzimmer ...... 403 Vertiefungsebene zu 403 ...... 41 Musikzimmer ...... 404 Vertiefungsebene zu 404 ...... 42 Schlafzimmer ...... 405 Alkovenzimmer ...... 406 Altangang ...... 407 Göchhausen-Zimmer ...... 408 Goethezimmer ...... 409 Vertiefungsebene zu 409 ...... 43 Kabinett neben Goethezimmer ...... 410 außen vor dem Eingang zu Schloss Tiefurt: Baugeschichte ...... 411 außen im Hof: Küche ...... 412

Park Tiefurt außen an der Rückseite des Schlosses: Geschichte des Parks ...... 413 Vertiefungsebene zu 413 ...... 44 Teesalon ...... 414 Denkmal für Mozart ...... 415 Gesellschaftsplatz ...... 416 Gedenkstein für ...... 417 Vertiefungsebene zu 417 - Das Lied vom Schmetterling ...... 45 Schauplatz der Uraufführung von Goethes „Die Fischerin“ ...... 418 Vertiefungsebene zu 418 ...... 46 Musentempel ...... 419 Wieland-Platz ...... 420 Vertiefungsebene zu 420 ...... 47 Denkmal für Prinz Leopold von Braunschweig ...... 421 Amor als Nachtigallenfütterer ...... 422 Kenotaph für Prinz Constantin ...... 423 Grottenhöhle - Vergilgrab ...... 424

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Schloss Tiefurt

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400: Einführung

„hobbymäßig“ den schönen Künsten wid- mete. Wir begleiten Sie nun auf Ihrem Rund- gang durch das Schloss und führen Sie zu den wichtigsten Denkmalstätten im Park. Die Wohn-und Empfangsräume, die man im Haus besichtigen kann, liegen alle in der ersten Etage. Die Küche ist in einem Nebengebäude untergebracht – wo genau, ist auf Ihrem Rundgangsflyer markiert. Herzlich willkommen in Schloss Tiefurt, Dort finden Sie auch die Nummern für Ihren Audioguide. Los geht es oben in der das mit seinem herrlichen Park zum Diele, wohin Sie über die breite Holztrep- UNESCO-Welterbe „Klassisches Wei- pe im Flur gelangen. Wir wünschen Ihnen mar“ gehört. Herzogin Anna Amalia viel Freude beim Entdecken von Schloss wählte diesen beschaulichen Ort 1781 zu und Park Tiefurt! ihrem Sommersitz. Er wurde zu einem beliebten Treffpunkt der Dichter, Denker und Künstler der Weimarer Klassik, wo man gemeinsam dilettierte, sprich sich

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401: Diele 1. OG

Wenn Anna Amalia Gäste bekam, wur- zu bekommen. 1806 verwüsteten die den diese – genau wie Sie jetzt – hoch in Truppen Napoleons Tiefurt. Ein Großteil die erste Etage geführt: Hier lagen die der ursprünglichen Ausstattung ging Zimmer, in denen man gemeinsam speis- dadurch verloren. Anna Amalia kehrte te und diskutierte, Lesungen hielt und nach diesem Schock nicht wieder nach musizierte – kurz: wo man all den Ver- Tiefurt zurück und starb im darauf folgen- gnügungen nachging, für die der den Jahr im Alter von 67. „Musenhof“ der Herzogin bis heute be- Erst Anna Amalias Enkel Carl Friedrich rühmt ist. Die Abgüsse nach antiken richtete das Schloss ab 1820 wieder neu Skulpturen stimmten einen schon hier in ein. 1907 ließ der letzte Weimarer Groß- der Diele auf das geistige Klima ein, das herzog, Wilhelm Ernst, es dann anlässlich das Leben in Tiefurt damals geprägt hat. des 100. Todestages Anna Amalias Tiefurt Aber lassen Sie uns erst noch einen Blick zum Museum umgestalten. Zu sehen ist auf die Geschichte des Hauses werfen: hier also keine durchgängig einheitliche Ein „Schloss“ im eigentlichen Sinne ist Wohnkultur. Vielmehr geben die Räume Tiefurt nicht, sondern ein ehemaliges Einblicke in die unterschiedlichsten Aus- Gutspächterhaus. Hier lebte seit 1776 stattungen und Nutzungsphasen des zunächst Prinz Constantin, der jüngere, Schlosses. Wenn Sie mehr dazu hören damals 17-jährige Sohn Anna Amalias, wollen, drücken Sie 40. mit seinem Erzieher Carl Ludwig von Ansonsten gehen Sie bitte weiter gerade- Knebel. Fünf Jahre später, 1781, machte aus/an der Treppe vorbei(?) und dann Anna Amalia Tiefurt zu ihrem persönli- durch die rechte Tür bis zum Kaminzim- chen Refugium: Mehr als 20 Sommer mer mit der Nummer 403. Von dort ist der verbrachte sie hier – weit weg vom höfi- Blick ins Speisezimmer besser als hier schen Treiben in Weimar und doch nahe von der Diele aus. Dort setzen wir unseren genug an der Stadt, um reichlich Besuch Rundgang mit Nummer 402 fort.

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40: Vertiefungsebene zu 401

„artig zurecht“ gemacht fand Goethe die tung der Räume wich einer Vielfalt an For- schlichte Ausstattung von Tiefurt zu men und Farben. Verschiedenste Möbel Constantins Zeiten. Der sollte hier – ganz und zahlreiche kunsthandwerkliche Gegen- dem aufgeklärten Zeitgeist entsprechend – stände hielten Einzug. Die schlichte Holz- fernab des Hofes in natürlicher und einfa- dielung wurde mit Ölfarbentechnik bemal- cher Umgebung heranreifen. Auch Anna ter Leinwand bespannt. Amalia ließ die Räume dem ländlichen Als man Tiefurt 1907 zum Museum um- Charakter des Hauses gemäß gestalten: wandelte, wurden die angehäuften Raritä- Für die Fußböden benutzte man Sand- ten und meisten Porzellane entfernt, die steinplatten, Holzdielen und Estrich. Innenräume dagegen weitestgehend in ih- Die Wände waren durch Rechteckflächen rer Ausstattung belassen. Bei umfassenden und einen umlaufenden Sockel klar ge- Restaurierungsarbeiten1979/81 ist noch gliedert und bildeten in Farbgebung und einmal besonderes Augenmerk auf die Zeit Form eine Einheit mit dem Mobiliar, das Anna Amalias gelegt worden, besonders mahagoniartig gebeizt oder passend zur bei der Farbgebung der Wände. Wandfarbe – bevorzugt Grün – gestrichen Jetzt gehen Sie bitte durch die Tür weiter war. geradeaus und dann durch die rechte Tür 1806 durch Napoleons Soldaten zerstört, bis zum Kaminzimmer mit der Nummer nahm sich erst Anna Amalias Enkel Carl 403. Von dort ist der Blick ins Speisezim- Friedrich des Schlosses wieder an. Er ließ mer besser als hier von der Diele aus. Dort es in den 1820er Jahren sanieren und rich- setzen wir unseren Rundgang mit Nummer tete es dem Geschmack der Zeit entspre- 402 fort. chend ein: Die klare und einfache Ausstat-

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402: Speisezimmer

Constantin noch in Tiefurt wohnte. An hei- ßen Tagen konnte man in dem Schrank mit Eis gefüllte Blechkisten verstauen und so die Weinflaschen und – herrlich erfri- schend! – auch die Gläser kühlen. Auf dem Schenktisch sehen Sie Teile eines edlen Service aus Fürstenberg – eine der ältesten Porzellanmanufakturen Europas, die Anna Amalias Vater, Herzog Carl I. von Braun- schweig-Wolfenbüttel, bereits 1747 ge- Im Speisezimmer wurde getafelt und ge- gründet hat. Von dort kamen regelmäßig plaudert – und das meist in geselliger Lieferungen nach Weimar – und zwar „auf Runde. Anna Amalia lud gerne auf ihren allerhöchsten Befehl“, wie es heißt. Eine idyllischen Landsitz ein, wie ein Brief große Auswahl der wertvollen Porzellan- vom Mai 1783 an Caroline Herder zeigt: sammlung ist heute in Schloss Belvedere „Kommen Sie Liebe Frau, doch bald nach ausgestellt. Tiefurt; Sie können ganz dreist kommen, Der große Kupferofen gehörte zu den ers- hier trinkt man aus dem Fluß Lethe, der ten Anschaffungen, die Anna Amalia selbst alle Sorgen vergessen macht u[nd] nur das veranlasst hat. Die Tafelstühle mit den Mu- Andenken am Genuß des Guten und schelornamenten in der Rückenlehne ka- Schönen erhält“, men hingegen erst in den 1790iger Jahren versprach sie der Gattin des berühmten in das Haus. Weimarer Hofpredigers. Beachten Sie bitte auch die großen, quer- Das Speisezimmer ist der größte Raum in formatigen Bilder. Es sind kolorierte Ra- Schloss Tiefurt. Die Einrichtung stammt dierungen nach den Fresken Raffaels in der aus den verschiedenen Nutzungsphasen Villa Farnesina in Rom, die hier schon zur des Hauses und spiegelt die jeweiligen Zeit Anna Amalias hingen. Dargestellt ist Stilepochen wieder: die Geschichte von Amor und Psyche, die Besonders raffiniert ist – von hier aus die Herzogin übrigens selbst einmal aus rechts – der lange, grün gestrichene dem Italienischen übersetzt und in ihrem „Schenktisch“ mit dem Wasserspender „Journal von Tiefurt“ veröffentlicht hat. darauf: ein Möbel aus der Zeit, als Prinz

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403: Kaminzimmer

In den kleinen Kaminraum zog sich Anna pastellfarbige Wandfassung mit dem de- Amalia gerne mit ihren Gästen zurück, zenten Medaillonschmuck stammt übrigens wenn die Tafel im benachbarten Speise- noch aus der Frühzeit von Schloss Tiefurt, zimmer aufgehoben wurde. aus den 1780er-Jahren, und wurde bei der Zwei Statuen fallen besonders ins Auge. grundlegenden Innensanierung von 1979 In der Ecke steht Melpomene, die Muse bis 81 wieder hergestellt. der tragischen Dichtung, ein Abguss aus So können wir etwas von der Stimmung der Werkstatt des Hofbildhauers Martin erahnen, wenn Anna Amalia hier mit ei- Gottlieb Klauer, der die meisten aufge- nem erlesenen Kreis aus Hofangehörigen, stellten Plastiken schuf. Abgüsse antiker Dichtern und Intellektuellen die Kunst und Skulpturen finden sich vielfach im Haus die Literatur pflegte. Goethe las in Tiefurt und spiegeln den humanistischen Bil- aus seiner Neufassung der „Iphigenie“ vor dungsanspruch des Klassizismus, der hier und Schiller aus dem „Don Carlos“. Dass an Anna Amalias Musenhof herrschte. es bei diesen geselligen Runden recht hit- Auch die Knabenfigur zwischen den Fens- zig zugehen konnte, erzählt die junge frän- tern orientiert sich an der antiken Formen- kische Adlige Henriette von Egloffstein: sprache. Dieses Aktbild aus Kalkstein von Die „geistreichen Unterhaltungen (...) gin- 1779 stammt ebenfalls von Klauer. gen nur allzu oft in heftige Diskussionen Dargestellt ist Fritz, der knapp siebenjäh- über, bei welchen Wielands launenhafte rige Sohn der Charlotte von Stein, einer Kritelei, Herders persifflierender beißender Weimarer Hofdame, die vor allem als en- Witz, so wie Knebels unbezähmbare Lei- ge Vertraute Goethes in Weimar berühmt denschaftlichkeit, vor allem aber Goethe’s ist. diktatorisches Genie kräftig hervortraten“. Vom Ideal der Antike zeugen auch die Die Runde um Anna Amalia hinterließ in Themen der Wanddekoration – das ideali- Tiefurt aber auch selbst ihre literarischen sierte Landleben und die Jahreszeiten. Die Spuren. Mehr dazu erfahren Sie unter 41.

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41: Vertiefungsebene zu 403

1781, gleich in ihrem ersten Sommer hier, Die Damen und Herren, die die Herzogin gründete Anna Amalia das „Journal von in Tiefurt um sich versammelte, waren vor Tiffurth“. Diese Zeitschrift kam in den allem Adlige, teils kamen sie aber auch aus folgenden drei Jahren insgesamt 47 Mal dem Bürgertum. Von einer Aufhebung der heraus; jede Ausgabe aber nur in elf hand- Standesgrenzen am „Musenhof“ konnte schriftlichen Exemplaren für eine ausge- jedoch keine Rede sein. Aber Anna Amalia wählte Leserschaft, zu der auch Goethes musste – seit 1775 frei von allen herr- Mutter in Frankfurt gehörte. Das Journal schaftlichen Pflichten – an ihrem Witwen- beinhaltete Nachrichten über das Landle- hof nun nicht mehr das vorgeschriebene, ben, Scharaden, Preisfragen, aber auch strenge Hofzeremoniell einhalten, wie zu- Gedichte, Abhandlungen und Übersetzun- vor noch als regierende Herzogin. Dennoch gen. Anfangs nur als willkommene Ab- vergaß sie die Etikette nie, also die stan- wechslung für lange, heiße Sommertage desgemäßen Umgangsformen. Und das gedacht, entwickelte sich das Journal zu bekamen selbst ihre engsten Vertrauten zu einem literarischen Kleinod, vor allem spüren. Als Wieland einmal beim Karten- durch die Beiträge von Herder, Wieland spiel verlor und sich dabei offenbar etwas und Goethe, die alle anonym erschienen. im Ton vergriff, ermahnte Anna Amalia Letzterer veröffentlichte dort zum Bei- ihn: spiel das Gedicht, das mit den berühmten „... aber mein Wielandchen; mit wem spie- Versen beginnt: len Sie denn? Und an welchem Ort befin- „Edel sei der Mensch/hilfreich und gut, den Sie sich?“ denn das allein/unterscheidet ihn von allen Wesen/die wir kennen.“

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404: Musikzimmer

„Ich sitze in meinem kleinen Thal und Anna Amalia spielte aber nicht nur mehre- suche mir die Musen zu Freundinnen zu re Instrumente, sie verfasste auch musik- machen“. theoretische Schriften und komponierte. So Diese Worte schrieb Anna Amalia – über vertonte sie zum Beispiel Goethes dem Sofa im Bild – von Tiefurt aus an Schwank „Das Jahrmarktsfest zu Plunders- Goethe. Unter allen Künsten, denen sich weilern“, der 1778 vom Weimarer Liebha- die Herzogin widmete, war die Musik bertheater auf Schloss Ettersburg uraufge- zeitlebens ihre größte Leidenschaft. Da- führt wurde: „der halbe Hof und ein guther von zeugen auch die Instrumente hier im Teil der Stadt“ waren daran beteiligt, heißt Musikzimmer. Wieland berichtet, dass an es. Wie bunt es dabei tatsächlich zuging, ihrem Hof „geklimpert, gegeigt, geblasen zeigt das Aquarell rechts der Tür zum fol- und gepfiffen [wurde], daß die Engel im genden Raum – übrigens eine Faksimile, Himmel ihre Freude daran hatten.“ wie alle Grafiken hier im Haus. Das Bild Klavier spielte Anna Amalia schon seit stammt von Georg Melchior Kraus, dem ihrer Jugend in Braunschweig, Querflöte Weimarer Hofmaler, bei dem die Herzogin hat sie in Weimar gelernt. Und als sie auch Zeichenunterricht nahm. Amüsiert schon fast 50 Jahre alt war, entdeckte sie beschreibt ihr Oberhofmeister das künstle- in Italien noch das Gitarrespielen für sich. rische Dilettieren der Herzogin in Tiefurt: Das lyraförmige Instrument auf dem Kla- „Die Fürstin sitzt im dunklen Wald Auf- vier gehörte ihr und ist typisch für die an- merksam wie ein Mäusgen Und mahlt den tikisierende Mode um 1800. Obwohl holden Auffenthalt mit Hülffe ihres Kräus- schwer zu spielen, war diese Gitarrenform gen.“ in der Damenwelt damals sehr beliebt, da Als Freundin der schönen Künste präsen- man damit „den anmutigen Anblick grie- tierte sich Anna Amalia auch gerne auf chischer (...) Citherspielerinnen“ erwe- ihren offiziellen Porträts, wie auf unserem cken konnte, wie es in einer Musikzeit- hier. Mehr dazu hören Sie unter 42. schrift hieß.

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42: Vertiefungsebene zu 404

Das Bildnis entstand um 1773 und zeigt Amalia – gerade erst Mitte 30 – ganz den die Herzogin mit Anfang 30: Ihr Blick ist schönen Künsten widmen, was sie auch mit selbstbewusst, ein leichtes Lächeln um- Leidenschaft tat: in den Wintermonaten in spielt den Mund. Das aufgeschlagene Weimar und im Sommer auf dem Land, Buch und die Zeichenrolle auf dem Tisch erst auf Schloss Ettersburg, dann hier in zeigen, dass sie eine gebildete Fürstin ist, Tiefurt. Regelmäßig versammelte die Her- die sich – ganz standesgemäß – gerne den zogin eine ausgewählte Schar von Gästen schönen Künsten widmet. Der feine, um sich, um gemeinsam zu „dilettieren“, schwarze Schal deutet ihren Witwenstand also einander vorzulesen, zu zeichnen, Mu- an. Ihr Gemahl, Ernst August II. sik zu machen und Theater zu spielen. Von Constantin – hier gegenüber im Bild –, war „dilettieren“ sprach man damals, wenn bereits 1758 gestorben, nach nur zwei Jah- Laien sich der Kunst aus purer Freude hin- ren Ehe. Von da an musste die gerade mal gaben, nicht zum Broterwerb. Anna Ama- 18jährige Anna Amalia – in Staatsgeschäf- lias Witwenhof wurde zu einem vielbeach- ten eigentlich unerfahren – das Herzogtum teten kulturellen Zentrum. regieren: 16 Jahre lang, bis ihr älterer Sohn Ein besonderes Abbild Anna Amalias, Carl August 1775 volljährig wurde. Sein nämlich einen Bronzeabguss ihrer linken Bildnis auf einem kleinen Pastell erblicken Hand, sehen Sie in dem Vitrinenschrank. sie über dem um 1770 gebauten Sekretär Solche Nachbildungen fertigte man damals aus Rosenholz mit reicher Intarsia in Chi- gerne von Künstlern an: Im Weimarer namotiven. Seinen jüngeren Bruder Liszt-Museum können Sie beispielsweise Constantin, sehen Sie in einem Kupferreli- die Hand des berühmten Komponisten se- ef unter dem Porträt des Vaters. hen. Die Fächer mit Chinoiserie-Malerei Nachdem Carl August die Herrschaft gehörten Anna Amalia. übernommen hatte, konnte sich Anna

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405: Schlafzimmer

Die ganze Ausstattung des Raums weist Die Bildnisse an den Wänden zeigen Fami- darauf hin, dass dies hier ursprünglich lienmitglieder oder Menschen, die Anna das Schlafzimmer war: ein Bett, ein Ru- Amalia nahe standen: So etwa über dem hesofa, große Spiegel und Schränke – Schreibschrank, rechts vom Fenster, Anna und eine Kommode mit einer wunderba- Amalias berühmten Onkel, den preußische ren Toilettengarnitur aus Porzellan, her- König Friedrich der Große. Rechts neben gestellt in der Kaiserlichen Manufaktur der Tür ihren Bruder Karl Wilhelm Ferdi- in Wien. Die vielen Döschen und Schüs- nand Herzog von Braunschweig, darüber seln, die Zahnbürste, Lockenwickler und ihre Schwiegertochter Louise. Pudertupfer erzählen uns einiges über die Ein Blickfang ist heute auch der Ofenauf- Schönheitspflege der Damenwelt um satz, ganz hinten im Raum, der erst später 1820. Diese Utensilien kamen allerdings hierher kam. Er zeigt das mythologische – wie auch das meiste Mobiliar – erst Geschwisterpaar Kaunos und Byblis, des- hierher, als Anna Amalias Enkel, Groß- sen Geschichte von einer tragischen Liebe herzog Carl Friedrich, das Haus renovier- erzählt. Die Figurengruppe ist ein Abguss te und neu möblierte. Unterstützt wurde nach einer Skulptur, die der Weimarer er dabei von seiner Ehefrau der Zaren- Hofbildhauer Martin Gottlieb Klauer 1799 tochter Maria Pawlowna. Auf sie verwei- anfertigte. Das Zwillingspaar stand ur- sen hier auch die beiden Blumenbouquets sprünglich in einem kleinen Tempelbau im aus Biskuitporzellan zwischen den Fens- Tiefurter Park, dem Vorgängerbau des heu- tern, die vermutlich aus Sankt Petersburg tigen Musentempels, den Sie auch besichti- stammen. gen können.

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406: Alkovenzimmer

Das sogenannte Alkovenzimmer liegt di- Luise von Göchhausen – wie sie dazu rekt neben dem Schlafzimmer der Herzo- kam? Das erzählen wir Ihnen später in ih- gin und diente ihr auch als Ankleide. Der rem Zimmer, das Sie über den Altangang Name kommt von der Bettnische mit dem erreichen. Vorhang rechts, dem Alkoven. Dort Die Italienansichten, die hier an den Wän- schlief die Kammerzofe, um ihrer Herrin den hängen und in dem schmalen Gang jederzeit zur Verfügung zu stehen. Die rechts, stammen aus dem späten 18. Jahr- Zimmer der Kammerfrauen befanden sich hundert. Solche Serien stillten das Bedürf- oben im Dachgeschoss. nis jener Jahre, sich mit Kunstwerken zu Anna Amalias Hofstaat in Tiefurt war re- umgeben, die an die glanzvolle Zeit der lativ bescheiden – zumindest im Vergleich Antike erinnern. Die Bilder zeigen be- zu dem, den sie in den Wintermonaten im rühmte Stätten des Altertums in Rom, Wittumspalais um sich hatte, ihrem Wei- Pompeji und anderen Orten Italiens, DEM marer Wohnsitz, den Sie ebenfalls besich- Sehnsuchtsort der gebildeten Elite in der tigen können. Die meisten ihrer rund 40 Epoche des Klassizismus. Auch Anna Angestellten blieben in der Stadt, wenn Amalie brach im August 1788 nach Italien sich die Herzogin im Sommer aufs Land auf und blieb fast zwei Jahre – viel länger, zurückzog. Der Schriftsteller Christoph als ursprünglich geplant. Zurück in Wei- Martin Wieland, ein häufiger Gast, berich- mar schrieb sie wehmütig: tete im Juli 1781: „Seit dem ich mich nun wieder im Tührin- „Unsere liebe gute Herzogin Amalia rusti- ger Lande befinde, ist es mir nicht anders ciert seit des Prinzen Abreise zu Tiefurt, zu Muthe, als erwachte ich aus einem tie- ganz allein mit Thusnelden und 2 Bedien- fen Schlaf, und alle die schönen und glück- ten“. lichen Tage die ich in Italien gelebt habe, „Thusnelda“ war übrigens einer der Spitz- wäre[n] nur ein schöner Traum gewesen“. namen von Anna Amalias Erster Hofdame Folgen Sie nun bitte dem schmalen Gang.

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407: Altangang

Dieser Gang verbindet das Haupthaus mit rungsarbeiten unter Carl Friedrich hier an- einem kleinen Nebengebäude. Durch eine gebracht. An der Decke sollte die Himmel- Terrassentür in der langen Fensterfront Tapete mit Wölkchen die Illusion verstär- gelangt man hinaus auf den Altan, einen ken, dass man sich im Freien befindet. Die hölzernen Vorbau, von dem man einen heutige Wandtapete ist ein Nachdruck von herrlichen Blick auf den Park hat. Heute 1958, die Deckentapete wurde durch eine ist er leider nicht mehr zugänglich. Die Malerei ersetzt. Balustrade ist mit einigen Terrakottafigu- In der Nische sehen Sie die Figur eines ren nach berühmten antiken Vorbildern Mädchens, das sich mit einem Tuch zu um- geschmückt, darunter die „Knöchel- hüllen versucht – es ist „Die Frierende“, spielerin, ein sitzendes Mädchen, das ge- eine der bekanntesten und häufig kopierten dankenversunken mit Würfeln spielt. Skulpturen des französische Bildhauers Besonders auffällig im Altangang ist die Jean-Antoine Houdon. Über die andere Dekoration der Wände: Die Tapete er- Treppe, die hier im Gang nach unten führt, weckt den Eindruck eines dichten Blätter- gelangte man früher direkt ins Freie: in den werks, vor dem – auf Sockeln – die gold- Hof mit der Küche oder den Park. Dorthin glänzenden Figuren der vier Jahreszeiten kommen wir später. Lassen Sie uns zu- stehen und dunkle Schatten werfen. Diese nächst noch einen Blick in das Zimmer am „Laubwerff-Tapete“, so ihr sprechender Ende des Altangangs werfen! Name, wurde 1826 im Zuge der Renovie-

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408: Göchhausen-Zimmer

Dieses Zimmer diente ursprünglich als die Hofdame über den Verlust ihres Schoß- Unterrichtsraum für Prinz Constantin, da- hündchens hinwegtrösten sollte. nach als Nachtquartier für Herzog Carl Im Alkoven steht ein kleines Bett aus Bir- August. Später hatte dann Anna Amalias kenholz, davor ein Lavabo mit Krug und Erste – und liebste – Hofdame Luise von Schüssel aus der Thüringer Manufaktur Göchhausen hier ihr eigenes kleines Volkstedt. Der Mahagoniflügel und das Reich. Die Büste auf dem Schreibsekretär Spieltischchen wurden zur geselligen zeigt sie mit etwa 30 Jahren. Schön war Abendunterhaltung genutzt. Luise von Göchhausen nicht, eher klein Mehr als 30 Jahre stand Luise von Göch- von Statur und verwachsen. Daher nannte hausen Anna Amalia treu zur Seite. Natür- Wieland sie auch liebevoll-spöttisch lich war sie auch mit von der Partie, als die „Gnomide“ und ihre Tiefurter Freunde Herzogin 1788 zu ihrer lange ersehnten „Thusnelda“. Reise nach Italien aufbrach. Auf dem Bild Doch Luise von Göchhausen hatte andere über dem Biedermeier-Sofa sieht man die Qualitäten: einen scharfen Verstand, eine Hofdame, mit dem Rücken zu uns, neben spitze Zunge – und einen mitunter recht Anna Amalia, die links am Ende der Säule spöttischen Humor. Als kluge Gesprächs- sitzt, im Park der Villa d’Este in Tivoli. partnerin wurde sie daher auch von den Die Reisegesellschaft der Herzogin um- Künstlern und Literaten geschätzt, die am fasste noch weitere Begleiter. Das gehörte Witwenhof häufig zu Gast waren. Goethe sich so für eine Person ihres Standes – so- überließ ihr sogar einige seiner Manu- gar ihr Leibarzt und ein Koch waren dabei. skripte zur Abschrift. Durch diesen glück- Im Alkoven steht ein kleines Bett aus Bir- lichen Umstand blieb eine Fassung des kenholz, davor ein Lavabo mit Krug und Urfausts erhalten, dessen Original der Schüssel aus der Thüringer Manufaktur Dichter vernichtet hat. Volkstedt. Der Mahagoniflügel und das Sehen Sie das Körbchen mit der Hunde- Spieltischchen wurden zur geselligen mutter und ihren Jungen aus Pappmaché, Abendunterhaltung genutzt. das vor dem Kamin steht? Der Legende Bitte gehen Sie nun zur Haupttreppe zu- nach, war es ein Geschenk Goethes, das rück. Dort finden Sie, rechts davon, das „Goethezimmer“.

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409: Goethezimmer

zwischen Illustrationen zu seinem Briefro- man „Die Leiden des jungen Werthers“, der ihn 1774 auf einen Schlag berühmt ge- macht hat. Die Büste schräg gegenüber ist ein Werk des Hofbildhauers Martin Gott- lieb Klauer, das den Dichter mit Ende 20 zeigt. Und auf dem kostbaren Mahagoni- Schreibschrank neben dem Fenster steht in der Mitte noch ein Miniaturbildnis Goe- thes. Solche kleinen Porträtköpfe gab es Dieses Zimmer erinnert an einen häufigen zum Beispiel auch von Wieland, Herder – und den wohl berühmtesten – Gast von und der Fürstenfamilie. Sie wurden in der Tiefurt: Johann Wolfgang von Goethe, Porzellanmanufaktur Fürstenberg herge- den großen Poeten, Naturforscher und stellt. Die Vorlagen dafür sandte die Her- Minister, der 1775 auf Wunsch von Her- zogin höchstpersönlich dorthin – und sorg- zog Carl August nach Weimar kam und te damit schon zu ihren Lebzeiten dafür, dort fast ein halbes Jahrhundert blieb, bis dass die wichtigsten Protagonisten ihres zu seinem Tod 1832. Ihm gewidmet wur- „Musenhofs“ deutschlandweit bekannt wa- de dieser Raum allerdings erst später, als ren. das Schlösschen zum Museum wurde. Auf der kleinen Silberstiftzeichnung über Ursprünglich wohnte hier Carl Ludwig dem Schreibschrank ist Karl Ludwig Kne- von Knebel, der Prinzenerzieher. Anna bel zu sehen, 1780 gemalt von seiner Amalia nutzt es zeitweise als Gastzimmer. Schwester. Das Ölbild darüber zeigt eine Die farbenfrohen, auf den ländlichen Cha- Dame, für die Goethe eine Weile ent- rakter Tiefurts abgestimmten Blüten- und flammt war: die Schauspielerin Corona Blätterbordüren sind eine Übermalung aus Schröter. Mehr dazu und zu der Rolle, die den 1820iger Jahren. sie am Weimarer Liebhabertheater spielte, Goethe selbst sehen Sie hier im Zimmer hören Sie unter 43. gleich drei Mal: Einmal über dem Sofa

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43: Vertiefungsebene zu 409

ihre Söhne. Solche Liebhabertheater gab es auch an anderen deutschen Höfen, doch in Weimar war es etwas Besonderes! Hier haben sowohl Angehörige des Witwenho- fes als auch Mitarbeiter des Regierenden Hofes gemeinsam auf der Bühne dilettiert, wie man damals sagte. Dass sich diese bei- den, sonst eher eigenständigen „Welten“ vermischten, war selten. Die wohl legen- därste Aufführung des Liebhabertheaters „Bis 10 bey Kronen. Nicht geschlafen. fand in einer Sommernacht 1782 hier im Herzklopfen und fliegende Hizze“, ver- Tiefurter Park statt – den Ort können Sie traute Goethe im Januar 1777 seinem Ta- nachher noch besichtigen. Gezeigt wurde gebuch an. Mit „Kronen“ meinte er jene Goethes Singspiel „Die Fischerin“, und in Corona Schröter, deren Selbstporträt Sie der Titelrolle glänzte: Corona Schröter. hier sehen. Eine Liebesbeziehung wurde Auf dem Szenenbild – hier links an der daraus zwar nicht, doch die beiden waren Wand – sieht man sie rechts davon eilen. lange Zeit eng befreundet. Die „Fischerin“ war das letzte große Stück Herzog Carl August hatte Corona Schröter des Weimarer Liebhabertheaters. Goethe, als einzige professionelle Schauspielerin der bis dahin Regie geführt hatte, zog sich ans Liebhabertheater nach Weimar geholt. zurück. Etwas später wandte er sich, ge- Diese Truppe spielfreudiger Laien for- meinsam mit Schiller, ganz von der mierte sich um Anna Amalia, nachdem „Pfuscherey“ der Dilettanten ab – nicht das Weimarer Theater 1774 beim Schloss- nur, was das laienhafte Theaterspiel betraf, brand zerstört worden war: Nicht Profis, sondern auch das Zeichnen, Schreiben und sondern Hofdamen, Beamte und Minister Musizieren. Anna Amalia konnte und woll- stellten nun ihr Talent unter Beweis, te Goethe dabei nicht folgen – was wäre ihr manchmal auch die Herzogin selbst oder sonst auch geblieben?

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410: Kabinett neben Goethezimmer

Das kleine Kabinett ist heute – wie das nett die Schattenrisse von Anna Amalia, Goethezimmer – ganz im Stile der Jahre Goethe und – ganz rechts – Prinz Constan- um 1820 eingerichtet. Besonders fallen tin. Als jener noch in Tiefurt wohnte, dien- hier die Fußböden aus mit Ölfarbe bemal- te das Kabinett vermutlich als Schlafraum ter Leinwand auf. Ihre Ornamente erin- für seinen Erzieher Carl Ludwig von Kne- nern an Motive auf pompejanischen Stein- bel. Später wohnte dann Luise von Göch- und Mosaikfußböden. hausen kurzzeitig in den zwei Räumen. Die Schattenrisse an den Wänden zeigen Wie gerne sie die Sommer in Tiefurt ver- Personen aus dem Umkreis der Fürstenfa- brachte, verrät ein wehmütiger Brief, den milie – auf dem größten Blatt etwa den sie im November 1782 vom Wittumspalais russischen Zaren Paul I. mit Gemahlin aus an Knebel schrieb und der den Gegen- und den beiden Söhnen. Aber auch Gäste satz zum Hofleben in Weimar verrät: des Hauses sind zu sehen, wie die Geige- „Daß wir das holde Tiefurt verlassen rin Regina Schlick, die bei ihren Darbie- [haben], wird Ihnen schon längst der tungen oft von Anna Amalia am Klavier Schnee verkündigt haben! Wenn mir die- begleitet wurde. Solche Silhouetten oder sen Sommer beym Herumwandern so der „Finsterlinge“, wie man die schwarzen Gedanke kam, daß es wieder Winter wer- Bildnisse auch nannte, kamen damals in den, ich den Graf Werthern an der Tafel Mode und waren sehr beliebt. gegenüber in sein gros Maul sehn die Schließlich konnte man sie im Vergleich Spieltische und vielen Lichter wieder sehn zu Büsten oder gemalten Porträts rasch würde, – so meint ich, es wär nicht mög- und günstig selber herstellen – es gab da- lich, ich könts nicht aushalten, und iezt ists für eigene Silhouettierapparate –, und so alles wieder so, und ich halts aus.“ viele Bilder geliebter Menschen um sich Nun gehen Sie bitte nach unten, wo wir sammeln. unseren Rundgang draußen vor dem Wenn Sie einen Schritt zurücktreten, se- Haupteingang fortsetzen werden. hen Sie über dem Durchgang zum Kabi-

Klassik Stiftung Weimar | Tiefurt | 11.2011 18 außen vor dem Eingang zu Schloss Tiefurt: 411: Baugeschichte

in Weimar bezogen, wählte man für den Prinzen dieses idyllische Anwesen als eige- ne kleine Hofhaltung. Goethe war bei sei- nem Einzug am 20. Mai 1776 mit dabei und berichtet: „Nach Tische ging alles nach Tiefurt wo der Prinz sich hat ein Pachtgut artig zurecht machen lassen. Die Bauern empfingen ihn mit Musick, Böllern, ländlichen Ehrenpfor- ten, Kränzlein, Kuchen, Tanz Feuerwerks- Schloss Tiefurt ist neben Belvedere, süd- puffen, Serenade und s[o]. w[weiter]. Wir lich von Weimar, und Ettersburg, etwa waren vergnügt ich hatte das Glück alles zehn Kilometer nördlich von hier, die drit- sehr schön zu sehen.“ te – und kleinste – Sommerresidenz des Unter Constantin wurde an der Rückseite Weimarer Herzoghauses. Doch anders als des Schlosses die hölzerne Terrasse ange- die beiden Barockschlösser – die Sie baut, der Altan. Nach fünf Jahren ging der ebenfalls besuchen können –, ist Tiefurt Prinz auf seine große Kavalierstour durch kein höfischer Prachtbau. Europa und schlug anschließend eine mili- Das 1772 errichtete Gebäude war ur- tärische Laufbahn ein. Tiefurt wurde zur sprünglich nur ein einfaches Gutshaus, in geliebten Sommerresidenz seiner Mutter: dem der Pächter des herzoglichen Kam- Die Herzogin hatte Gefallen gefunden an merguts Tiefurt wohnte. dem ruhigen, ländlichen Leben, das sie hier Zu einem – wenn auch bescheidenen – führen konnte. Unter Anna Amalia und „Schloss“ wurde es erst, als vier Jahre ihren Nachfolgern gab es am Außenbau später Constantin, der jüngere Sohn Anna offenbar keine gravierenden Veränderun- Amalias, hier einzog. Nach dem verhee- gen mehr. 2006 wurde das Dach neu ge- renden Schlossbrand 1774 suchte man deckt und die Fassade nach dem histori- standesgemäße Unterkünfte für die Mit- schen Vorbild der Anna Amalia-Zeit wie- glieder der Fürstenfamilie. Während die derhergestellt. Herzogin das Wittumspalais und ihr ältes- Weiter geht es nun mit der Küche, einem ter Sohn Carl August das repräsentative eigenen kleinen Bau, der links im Innenhof Gebäude der heutigen Musikhochschule liegt.

Klassik Stiftung Weimar | Tiefurt | 11.2011 19 außen im Hof: 412: Küche

hier in Tiefurt schon Anna Amalia mit ih- ren Tafelgästen erlaubt. Die heutige Einrichtung der Küche geht auf eine Sanierung der 1960er-Jahre zu- rück. Die Schaugerichte, die noch aus der Zeit Anna Amalias stammen, wurden um Möbel, Gebrauchsgegenstände aus Holz, Kupfer, Ton und Zinn, Geschirr, Porzella- ne mit Zwiebel-und Strohblumenmuster und Küchengeräte aus dem herzoglichem Fast sieht es aus, als hätten der Koch und Besitz ergänzt, so dass Sie hier nun eine seine Gehilfen die Schlossküche nur für funktionstüchtige Küche des 18. Jahrhun- einen Moment verlassen: Auf dem gro- derts vor sich haben. Um die fertigen Spei- ßen, gemauerten Herd stehen Kupferkes- sen ins Schloss zu bringen, musste das Per- sel und Töpfe, und in den Wandregalen sonal übrigens nicht extra zum Hauptein- Vorlegeplatten, Terrinen und Teller. Die gang laufen. Gleich gegenüber der Küche Tische biegen sich unter den feinen Spei- befindet sich eine Tür, die direkt in den sen, die scheinbar nur darauf warten, ser- Schlossflur führt. Und damit die Gerichte viert zu werden: Spargel, Hummer und auch richtig heiß serviert werden konnten, Fische, gebratene Hühner und Brötchen, gab es im Schloss noch eine Möglichkeit, ebenso frisches Obst und Salat. SCHEIN- das Essen zu wärmen. BAR ist hier allerdings das passende Wort Haben Sie Lust auf einen Spaziergang – denn was Sie hier sehen, sind keine ech- durch den herrlichen Park? Dann laden wir ten Speisen, sondern „Schaugerichte“, Sie dazu ein. Hören Sie noch ein paar ein- auch „Kalte Küche“ genannt. Solche At- führende Worte auf dem Platz hinter dem trappen aus Porzellan, Wachs oder Papp- des Schloss, gleich hier unter dem Altan maché wurden zwischen die echten Spei- hindurch, bevor Sie sich auf den Weg ma- sen geschmuggelt, um die Besucher bei chen. Tisch zu verblüffen. Diesen Spaß hat sich

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Park Tiefurt

Klassik Stiftung Weimar | Tiefurt | 11.2011 21 außen an der Rückseite des Schlosses: 413: Geschichte des Parks

Hier, von der Rückseite des Schlosses aus, chen 21 Hektar an, was etwa der Größe führt eine Kastanienreihe in den ältesten von 30 Fußballfeldern entspricht. Verschie- Teil des Parks. Entstanden ist der Tiefur- dene Denkmäler, die im Park verteilt ste- ter Schlosspark ab dem späten 18. Jahr- hen, zeugen vom Leben, Denken und Füh- hundert. Seine heutige Gestalt verdankt er len damals. Oft ging es hier aber auch ein- drei Entwicklungsetappen, die alle mit fach nur recht vergnügt zu. Mit welch il- den Familienmitgliedern des Weimarer lustrer Gästeschar man gerne mal eine Herzogshauses verknüpft sind, die auch Runde gekegelt oder bei Fackelschein The- den Wandel des Tiefurter Schlosses ge- ater gespielt hat, erzählen wir Ihnen gerne prägt haben – vom einfachen Gutspächter- vor Ort. Sie können im Park nach Lust und haus unter Prinz Constantin zum legendä- Laune herumlaufen, die entsprechenden ren Musensitz Anna Amalias bis hin zum Nummern für den Audioguide finden Sie Ort der Erinnerung unter Großherzog Carl in Ihrem Rundgangsflyer. Friedrich. Der Park erstreckt sich zu bei- Machen Sie sich einfach auf den Weg. den Seiten der Ilm, die in einem großen Wenn Sie noch hören möchten, wie sich Bogen durch das Tal fließt. Vom Schloss dieser schöne Flecken Erde zu dem ein- her fallen weite Wiesen mit Baumgruppen drucksvollen Landschaftsgarten entwickelt sanft zum Ufer hinab, auf der anderen Sei- hat, der heute als Teil des Ensembles te erhebt sich ein dicht bewachsener Steil- „Klassisches Weimar“ zum UNESCO- hang. Im Laufe seiner Geschichte wuchs Welterbe gehört, drücken Sie bitte 44. der Park auf die heutige Größe von stattli-

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44: Vertiefungsebene zu 413

Als 1775 die Entscheidung fiel, Prinz Hühner und Esel, damit der kleine Haus- Constantin das Kammergut Tiefurt als halt sich selbst versorgen konnte. Und zum eigene Hofhaltung zu überlassen, sah die Entspannen und Flanieren entstand am Il- Umgebung hier noch deutlich anders aus. mufer ein kleiner Landschaftsgarten. Mit Einen Park gab es damals nicht. Die wei- seinen sanft geschwungenen Wegen, den ten Wiesen zum Fluss wurden damals lauschigen Sitzplätzen und Einsiedeleien landwirtschaftlich genutzt. Und das sollte entsprach diese Anlage – anders als die auch noch eine ganze Weile so bleiben. streng symmetrischen Gärten der Barock- Prinz Constantin lebte in Tiefurt mit nur zeit – ganz dem Zeitgeist und seiner Sehn- wenigen Bediensteten und seinem Erzie- sucht nach Natürlichkeit. her, dem humanistisch gebildeten Carl Als Constantin Tiefurt fünf Jahre später Ludwig von Knebel, der hier das Ideal verließ, entwickelte Anna Amalia ihr lieb- eines bescheidenen Landlebens verwirkli- liches Tal, wie sie den Park nannte, nach chen wollte – ganz im Sinne des französi- ihren Vorstellungen weiter und stattete ihn schen Pädagogen Jean-Jaques Rousseau, mit zahlreichen Denkmälern aus. Unter der in körperlicher Ertüchtigung, wie der ihrem Enkel Carl Friedrich gab der Hof- Gartenarbeit, einen wichtigen Teil der gärtner Eduard Petzold dem Park bis 1850 Erziehung sah. Knebels Vorbild waren die sein heutiges Gesicht. Er gestaltete einen großen antiken Landgüter, in denen die Teil der Wege neu und bezog das Acker- römische Elite einen Ausgleich zum hekti- und die Weideland als Wiesen mit ein. Auf schen Treiben der Stadt gesucht hatte. So den neuen Wiesen pflanzte er zahlreiche legte er mit dem jungen Prinzen einen Baumgruppen, die das Bild des Parks bis Weinberg an, einen Küchengarten mit heute prägen. Gemüsebeeten und Ställe für Kaninchen,

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414: Teesalon

die Gesellschaft zu vereinigen. Er (...) knüpft den Faden der Unterhaltung“, heißt es im „Journal des Luxus und der Moden“, einer weit verbreiteten Zeitschrift, die darüber informierte, was gerade in Sa- chen Mode, Mobiliar und an sonstigen Trends angesat war. Herausgegeben wurde das Journal übrigens von , einem Weimarer Unternehmer, der häufig zu Gast bei Anna Amalia war, Der kleine Fachwerkbau war der Teesalon auch hier in Tiefurt. Anna Amalias. Er entstand 1805 im damals So schlicht der Teesalon von außen wirkt – beliebten chinesischen Stil und war die innen war der lichtdurchflutete Raum luxu- letzte von zahlreichen Parkarchitekturen, riös ausgestattet: mit vergoldetem Stuck- die die Herzogin errichten ließ – zum Zeit- marmor, großen Spiegeln und Wandleuch- vertreib für sich, ihre Hofdamen und ihre tern. Die ersten Salonrunden fanden im Gäste. Hier traf man sich, wie der Name Sommer 1806 statt – allerdings währte die schon sagt, zum Tee. Als Importware aus heitere Geselligkeit nur für kurze Zeit: Be- China gehörte Tee, genauso wie Kaffee reits wenige Monate später, nach der und Schokolode, zu den begehrten Luxus- Schlacht von Jena und Auerstedt, zogen die gütern. Kein Wunder, dass Teegesellschaf- Truppen Napoleons plündernd durch das ten in feinen Kreisen beliebt waren. Land und verschonten auch Tiefurt nicht. „... der Thee wirkt wie ein Talismann, die Menschen einander näher zu bringen, und

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415: Denkmal für Mozart

Mozart und den Musen, wie die Inschrift verrät. Anna Amalia, deren größte Leidenschaft die Musik war und die selbst einige Instru- mente spielte, würdigte den großen Kom- ponisten mit diesem Monument als eine der ersten: Der Altar im Tiefurter Park ist das älteste Mozart-Denkmal, das außerhalb seiner Heimat Österreich entstand. In Wei- mar gehörte Mozart um 1800 zu den am meisten gespielten Komponisten: Immer wieder führte man den „Don Giovanni“ auf, „Die Hochzeit des Figaro“ und „Cosi fan tutte“. Die Lieblingsoper der Weimarer aber war „Die Zauberflöte“ (hier bitte als Hintergrundmusik ganz leise eine Melodie aus der Zauberflöte einspielen): Sie wurde zwischen 1791 und 1817, als Goethe dort Theaterdirektor war, ganze 82 Mal gezeigt. Wie verrückt das Publikum danach war, Ein Rundaltar, darauf eine Lyra und zwei lässt sich gut an Christiane Vulpius, Goe- Masken, die Sinnbilder für Musik, Tragö- thes späterer Ehefrau, ablesen: Sie sah das die und Theater. Auf dieses antike For- Stück am 6. April 1799 bereits zum 30. mengut griff man 1799 zurück, um einem Mal der größten Komponisten jener Jahre zu huldigen – und den Geschöpfen, die die Musik und die schönen Künste schützen:

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416: Gesellschaftsplatz

Sie stehen an einer der ältesten Stätten des Einrichtung. Zuweilen gaben wir Feste Tiefurter Parks. Dieser Platz mit den bei- (...). Alles war sehr einfach, doch anstän- den mächtigen Linden war das Herzstück dig, und die Weimarer wußten sich den der ersten Gartenanlage, die hier am Ufer Aufenthalt nicht genug zu loben. (...) auch der Ilm seit 1776 unter Prinz Constantin den Winter brachten wir daselbst zu und und seinem Erzieher Carl Ludwig von gaben Schlittenfahrtsfeste.“ Knebel angelegt wurde. An diesem idylli- Tatsächlich wissen wir von Goethe, dass er schen Flecken hat man an schönen Som- an verschneiten Tagen mit dem Pferde- mertagen gerne musiziert, gelacht und schlitten nach Tiefurt kam, um seinen gu- gefeiert. Solche „Gesellschaftsplätze“ gab ten Freund Knebel zu besuchen. Bei besse- es einige im Tiefurter Park, zum Beispiel rer Witterung lief der Dichter manchmal vor dem Teesalon. Dieser hier war der auch die rund drei Kilometer von Weimar größte. zu Fuß hierher und schätzte es, dabei in Dass man zu Zeiten Constantins in Tiefurt Ruhe seinen S4 „Manichfaltige[n] Ge- gerne gefeiert hat, schrieb Knebel rückbli- dancken“ nachzuhängen, wie er selbst sag- ckend in sein Tagebuch. Dort erfahren wir te. Was dabei herauskommen konnte, er- auch, wie sehr das ländliche Idyll der da- fahren wir aus einer Notiz vom 30. März maligen Sehnsucht nach einem einfachen, 1780: natürlichen Leben entsprach: „Zu Mittag nach Tiefurt zu Fus[;] Gute „Nachmittags und gegen Abend kam Erfindung TASSO“ meist Besuch aus Weimar. (...) Goethe Gemeint ist sein Schauspiel „Torquato war Tage und Wochen bei uns, ingleichen Tasso“, das Goethe allerdings erst neun der Herzog. Allen gefiel unsere ländliche Jahre später vollendet hat.

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417: Gedenkstein für Johann Gottfried Herder

HERDER – das ist alles, was auf der Tafel Am Witwenhof Anna Amalias hatte man zu lesen steht. Und mehr brauchte es auch ihn häufig und gerne zu Gast, auch hier in nicht, als Anna Amalia diesen Gedenk- Tiefurt. Wie sehr die Herzogin den klugen stein 1805 errichten ließ. Denn Johann Gelehrten vermisste, erfahren wir aus ei- Gottfried Herder – der große Theologe, nem Brief, den sie einer Freundin in den Philosoph und Schriftsteller – war damals ersten Januartagen des Jahres 1804 schrieb: in den gebildeten Kreisen bestens be- „Ich danke dir liebe Rudel für deine Glück- kannt, nicht nur in Weimar. Er war einer wünsche, ich habe sie sehr nöthig den Ver- der „drei Weimarischen Riesen“, wie lust den Wir hier durch Herders Tode ge- ihn zusammen mit Goe- macht haben hat mir ein sehr trauriges und the und Wieland ehrfurchtsvoll nannte, schmerzhaftes Neujahr geschenkt“. bevor er selbst zu einem der führenden Erkennen Sie den Schmetterling über der Köpfe der Weimarer Klassik wurde. Inschrift? Er ist ein altes Sinnbild für die Herder war 1776, mit Anfang 30, als Ge- Auferstehung und die unsterbliche Seele. neralsuperintendent der evangelischen Um die wehmütig-sentimentale Stimmung Landeskirche nach Weimar gekommen. noch zu betonen, wurden einige dunkle Diesen wichtigen Posten hatte ihm Goethe Fichten hinter den hellen Gedenkstein ge- vermittelt, mit dem er schon länger be- pflanzt. freundet war. Fast drei Jahrzehnte lang Wenn Sie Herders „Lied vom Schmetter- blieb Herder Oberhofprediger in Weimar, linge„ hören möchten, drücken Sie die bis zu seinem Tod im Dezember 1803. Nummer 45

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45: Vertiefungsebene zu 417 - Das Lied vom Schmetterlinge

Liebes, leichtes, luft'ges Ding, Schmetterling, Das da über Blumen schwebet, Nur von Thau und Blüthen lebet, Blüthe selbst, ein fliegend Blatt, Das, mit welchem Rosenfinger! Wer bepurpurt hat?

War's ein Sylphe, der Dein Kleid So bestreut, Dich aus Morgenduft gewebet, Nur auf Tage Dich belebet? Seelchen, und Dein kleines Herz Pocht da unter meinem Finger, Fühlet Todesschmerz.

Fleuch dahin, o Seelchen, sei Froh und frei, Mir ein Bild, was ich sein werde, Wenn die Raupe dieser Erde Auch wie Du ein Zephyr ist Und in Duft und Thau und Honig Jede Blüthe küßt!

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418: Schauplatz der Uraufführung von Goethes „Die Fischerin“

Im Sommer 1782 fand hier am Ufer der An dieser Stelle gab Goethe das entschei- Ilm die Uraufführung von Goethes Sing- dende Stichwort – er rief: „Und Feuer spiel „Die Fischerin“ statt. Anna Amalia an!“. hatte dazu ein ausgewähltes Publikum Genau auf diesen Moment hin war das gan- nach Tiefurt geladen. Die Vorstellung war ze Stück berechnet: „In dem (...) Augen- offenbar so beeindruckend, dass noch ihr blick sah man erst Fackeln sich in der Nähe Enkel Carl Friedrich fast 40 Jahre danach bewegen. Auf mehreres Rufen erschienen die beiden Pfosten hier aufstellen ließ, um sie auch in der Ferne; dann loderten auf die Erinnerung daran wach zu halten. Was den ausspringenden Erdzungen flackernde aber war das Besondere an dieser Auffüh- Feuer auf (...), indessen die entferntere Ge- rung? gend rings umher in tiefer Nacht lag. Sel- Stellen Sie sich vor: Es ist Nacht, ein lauer ten hat man eine schönere Wirkung gese- Juliabend. Der Park liegt im Dunkeln, nur hen.“ die Stelle hier am Ufer ist etwas beleuch- Aufgeführt wurde „Die Fischerin“ vom tet. Dort stehen ein paar eigens gezimmer- Weimarer Liebhabertheater. Die einzige te Fischerhütten, im Wasser liegen Kähne professionelle Schauspielerin dieser Laien- verankert. Erzählt wird die Geschichte der truppe um Anna Amalia war Corona Fischertochter Dortchen. Wie so oft bangt Schröter. Sie gab in der Hauptrolle der sie um den Vater und ihren Verlobten, Dortchen eine legendäre Vorstellung! Be- weil die beiden nicht, wie versprochen, sonders eindrucksvoll muss der Moment beizeiten vom Fischen nach Hause ge- gewesen sein, als sie Goethes berühmte kommen sind. Dortchen beschließt, ihnen Ballade vom „Erlkönig“ vor der nächtli- auch einmal einen Schrecken einzujagen chen Kulisse im Park sang. Die Melodie und versteckt sich. Als die Männer dann dazu hatte Corona Schröter übrigens selbst heimkehren, fürchten sie, dass Dortchen komponiert – wenn Sie ihrer Vertonun– ertrunken sei. Alle helfen beim Suchen, wenn Sie ihrer Vertonung lauschen wollen, das ganze Fischerdorf ist auf den Beinen! drücken Sie bitte 46.

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46: Vertiefungsebene zu 418

(Einspielung des Erlkönigs in der Verto- nung von Corona Schröter)

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419: Musentempel

hauer Martin Gottlieb Klauer. Der Bau selbst geht auf einen Entwurf von Johann Heinrich Meyer zurück, dem damaligen Leiter der Fürstlichen Zeichenschule. Die Säulen sind übrigens ein Relikt aus dem Residenzschloss in Weimar, das 1774 niedergebrannt war. An dieser Stelle über- spannte eine Brücke die Ilm, die zu einem Treppenweg führte, über den man die stei- len Höhen erklimmen konnte. Der Musentempel entstand 1803 an der Stelle eines Vorgängerbaus, der bereits 20 Jahre zuvor unter der Regie Anna Amalias errichtet worden war. Fast programmatisch klingt da, was Carl Ludwig von Knebel der Herzogin in jenen Jahren einmal für das Tiefurter Tal gewünscht hat: „unter Euer Durchlaucht und aller Musen Aufsicht, erwachse daselbst ein zweytes Tempe, wozu es auch die Natur schon be- Schon von weitem ist der Musentempel zu stimmt zu haben scheint. Die Art womit es sehen. Doch nicht nur der schmucke Bau Euer Durchlaucht verschönern, versichert selbst macht diesen Ort zu einem wichtigen ihm, daß es von nun an ein beständiger Zentrum des Tiefurter Parks, sondern auch Musensitz bleiben werde.“ das, wofür der Name des kleinen Tempels Mit „Tempe“ spielt Knebel auf ein steiles, seit jeher steht: die Huldigung der Musen, von einem Fluss durchzogenes Tal in Grie- jener Wesen aus der griechischen Mytholo- chenland an, das schon in der Antike für gie, die ihre Hände schützend über die seine Schönheit berühmt war. Ein Ver- schönen Künste halten. Verkörpert werden gleich, den der Tiefurter Schlosspark – die neun Musen hier durch Kalliope, die wenn auch im Kleinen – durchaus nicht zu über Dichtung, Wissenschaft und Philoso- scheuen braucht! phie wacht. Die Statue schuf der Hofbild-

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420:Wieland-Platz

Dieses Ensemble aus Tisch, Bank und Amalia beriet er in literarischen Fragen. Büste erinnert an Christoph Martin Wie- Fast alles, was die Herzogin schrieb und land, den großen Dichter und Denker, der übersetzte, ist noch einmal durch seine um 1800 gemeinsam mit Herder, Goethe Hände gegangen. Nachdem Wielands Ehe- und Schiller das Viergestirn der Weimarer frau 1801 gestorben war, mietete ihm die Klassik bildete. Geboren im Jahre 1733, Herzogin im Dorf Tiefurt sogar eine eigene war Wieland der Älteste dieser illustren Unterkunft an, damit er in ihrer Nähe war. Runde. Selbst wenn Sie keine Zeile von Anna Amalia hatte auf dieser Seite der Ilm Wieland gelesen haben, werden Sie seinen – das „Lohholz“ genannt – bereits 1782 Satz kennen: „Ich sehe den Wald vor lau- eine Art „Gelehrtenhain“ mit tönernen ter Bäumen nicht!“ Büsten angelegt. Darunter befanden sich Herzogin Anna Amalia hatte den berühm- auch Wieland, Goethe und Herder. Wo ten Schriftsteller 1772 als Erzieher ihres genau sie standen, wissen wir allerdings älteren Sohnes nach Weimar geholt. Als nicht. Der Gestaltung des bewaldeten Carl August drei Jahre später volljährig Hangs widmete sich Anna Amalia damals wurde, konnte sich Wieland – mit Anfang besonders intensiv, wie sie im November 40 – ganz der Literatur widmen: bei voller des Jahres schrieb: Pension, so hatte man es vereinbart. Das „Das Lohhölzchen wurde umgeschaffen, unterschied ihn übrigens von seinem und in einen solchen Zustand gesetzt, daß Dichterkollegen Goethe, der zeit-und Faunen und Nymphen sich nicht schämen kraftraubende Ämter inne hatten, oder von brauchen, ihren Aufenthalt darinnen zu Schiller, der von seiner Schriftstellerei haben.“ leben musste. 1802, genau 20 Jahre danach, schuf die 1797 erwarb Wieland das Ilm-abwärts Herzogin dann einen eigenen Platz nur zu gelegene Gut Oßmannstedt, wo er im Ehren von Wieland. Gegen 1860 kam Kreise seiner Familie ein ländliches Leben schließlich noch das Goethe-Gedicht auf pflegte und 1813 auch begraben wurde. der Rückseite des Büstensockels hinzu. Dem Herzoghaus Weimar blieb Wieland Möchten Sie es sich vorlesen lassen? Dann ein Leben lang treu – Carl August war er drücken Sie bitte 47. zeitlebens eng verbunden und auch Anna

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47: Vertiefungsebene zu 420

„Wenn zu den Reihen der Nymphen, ter der Liebesgötter in einem Aufzug er- Versammelt in heiliger Mondnacht, schien, welcher dem Negligé einer Wäsche- Sich die Grazien heimlich rin oder Grasnymphe ähnlicher sah als dem Herab vom Olympus gesellen, einzigen Putz, der sich für die Göttin der Hier belauscht sie der Dichter Schönheit ziemt. Ich brauche mich hoffent- Und hört die schönen Gesänge, lich nicht deutlicher zu erklären, aber ich Sieht verschwiegener Tänze kann nicht umhin zu wünschen, daß bei et- Geheimnisvolle Bewegung. wa künftigen dergleichen Vorstellungen das Was der Himmel nur Herrliches hat, Dekorum oder Kostüm der Venus, welche Was glücklich die Erde außer ihrem Gürtel mit keinem andern frem- Reizendes immer gebar, den Schmuck beladen sein darf, besser beo- Das erscheint dem wachenden Träumer: bachtet werden möchte. An Schönen, wel- Alles erzählt er den Musen, che zu dieser Rolle tauglich sind, kann es an Und daß die Götter nicht zürnen, einem der Schönheit des Frauenzimmers Lehren die Musen ihn gleich wegen so berühmten Ort nicht fehlen.“ Bescheiden Geheimnisse sprechen.“ Wieland schlug für diese Rolle das Fräu- lein Luise von Göchhausen vor, die aller- Dass allerdings dings verwachsen war. Doch fügte er hin- auch einen bisweilen leicht bösartigen zu: Humor hatte, verdeutlicht folgende Anek- „Sollte jedoch die löbliche Tugend der De- dote: mut keiner von unsern Schönen erlauben Zu Goethes 32. Geburtstag, am 28. August wollen, sich einer solchen Rolle gleichsam 1781, wurde im Tiefurter Park das Schat- als eine Nebenbuhlerin der Schönheitsgöt- tenspiel „Minervens Geburt, Leben und tin darzustellen, so dächte ich, daß es noch Taten“ aufgeführt. Darüber verfasste Wie- immer besser wäre, etwa einen Gipsabguß land eine Rezension für das „Journal von von der mediceischen Venus auf die Tiefurt“, in der er beklagte, dass „die Mut- Schaubühne zu bringen. ...“

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421: Denkmal für Prinz Leopold von Braunschweig

Mit dem Entwurf im antikisierenden Stil hatte Anna Amalia den von ihr hochge- schätzten Adam Friedrich Oeser in Leipzig beauftragt, der die Urne dort auch anferti- gen ließ. Die übrigen Arbeiten, darunter auch Leopolds Reliefbild am Sockel, über- nahm der Weimarer Hofbilderhauer Klau- er. Mit Bedacht wurde auch der Standort aus- gewählt – der Betrachter sollte sich, wie Über dem aufgeschütteten Hügel erhebt Sie jetzt, auf dem gegenüberliegenden Ufer sich ein Sockel, auf dem eine mächtige befinden, um die Kraft eines Flusses bei Urne steht. An wen dieses Denkmal erin- Hochwasser zu erahnen. nert, verrät die Inschrift: Leopolds früher Tod nahm Anna Amalia DEM VEREWIGTEN LEOPOLD / AN- sehr mit – auch wenn sie zu ihrem 13 Jahre NA AMALIA. jüngeren Bruder nur wenig Kontakt gehabt Prinz Leopold von Braunschweig-Wolfen- hatte. Schließlich war er noch ein kleines büttel war ein Bruder der Herzogin – und Kind gewesen, als sie ihre Heimat Braun- das jüngste ihrer insgesamt 12 Geschwis- schweig verließ, um nach Weimar zu heira- ter. Er hatte eine militärische Karriere ein- ten. Kurz nach dem Unglück schrieb sie: geschlagen und war später in Frankfurt an „[S]o schön und ruhmreich sein Tod auch der Oder stationiert. Dort starb er 1785 gewesen ist, umso schmerzhafter ist er für mit gerade mal Anfang 30, als er Men- ein Herz, das ihm vollkommen verbunden schen aus den Fluten eines schweren war; ach, dieser teure Bruder ist ein Opfer Hochwassers retten wollte. Die Nachricht seines edlen und mitfühlenden Herzens vom Tod des Prinzen, der sich über alle geworden, seine schöne Tat verleiht Ruhm Standesgrenzen hinweg aufgeopfert hatte, unserem Jahrhundert, das so voll ist von verbreitete sich rasch in ganz Deutsch- gefühlvollem Geschwätz, aber so schwäch- land. In zahlreichen Kunstwerken fand lich, wenn es darum geht zu handeln.“ seine selbstlose Tat ihren Nachhall: in der Literatur, auf Gemälden und Medaillen – und auf Erinnerungsmalen wie diesem.

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422: Amor als Nachtigallenfütterer

Diesen lauschigen Sitzplatz mit der gro- Philomele ist eine tragische Gestalt aus ßen Inschrifttafel ließ Anna Amalia 1782 der griechischen Mythologie, die in eine anlegen. Die Statue des kleinen Amor, Nachtigall verwandelt wird. Der der eine Nachtigall mit seinem Pfeil füt- „Nachtigallen-fütterer“, den Sie hier in tert, kam zwei Jahre später hinzu. Das einer Kopie sehen, war übrigens eine der Denkmal entstand zu Ehren der Schau- beliebtesten Skulpturen des Weimarer spielerin Corona Schröter, die dem von Hofbilderhauers Martin Gottlieb Klauer. Laien getragenen Liebhabertheater Anna Er fertigte in seiner „Kunstbackstein- Amalias damals Glanz und Professionali- fabrik“ tönerne Kopien davon und bot sie tät verlieh. Die „Kronen“, wie Goethe sie als vergleichsweise kostengünstige Gar- nannte, hatte im selben Sommer einen tenplastiken an. denkwürdigen Auftritt als Titelheldin in Dieser Ruheplatz entstand in einer Phase, Goethes Singspiel „Die Fischerin“, das in der sich Anna Amalia intensiv um die hier im Park vor nächtlicher Kulisse auf- Weiterentwicklung des Parks kümmerte. geführt wurde. Ein Besuch des berühmten Wörlitzer Auch hier saßen und standen damals die Parks hatte sie 1782 derart inspiriert, dass Zuschauer. Von Goethe stammen auch sie diese als Vorbild für ihr eigenes klei- die Zeilen der Inschrift, die die schöne nes Reich in Tiefurt nahm, wie sie begeis- Schauspielerin und begnadete Sängerin tert berichtet: huldigen: „ich ruhe und raste nicht, bis ich Tiefurt in „Dich hat Amor gewiss, o Saengerin, einen – dürft‘ ich doch sagen! – beinahe fuetternd erzogen Kindisch reichte der ähnlichen Zustand gebracht habe. Kaum Gott dir mit dem Pfeile die Kost Schluer- war ich wieder zurück, stürmte ich mit fend saugtest du Gift in die unschuldige Projecten los; mein armes Tiefurt war Kehle Und mit der Liebe Gewalt trifft ganz erstaunt über meine erhabenen Philomele das Herz.“ Ideen“.

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423: Kenotaph für Prinz Constantin

auf die musische Neigung des Prinzen an. Die kurze, von Goethe verfasste Inschrift, lautet: „IM ZWEITEN JAHRE DES UNSELI- GEN KRIEGES / DER AUCH IHN HIN- WEGNAHM IHREM ZWEYTEN UND LEZTEN ZU FRÜH ABGESCHIEDNEN SOHN CONSTANTIN / TRAUERND AMALIE DEN GEBILDETEN JÜNG- LING / DEN WERDENDEN MANN Dieses Denkmal erinnert an den Mann, ENTRIS DIE PARZE“ mit dem die Geschichte des Tiefurter Constantins Tod war ein schwerer Schick- Parks ihren Anfang nahm: Prinz Constan- salsschlag für Anna Amalia. Ihr anderer tin, der von 1776 bis 81 in Tiefurt lebte. Sohn, der regierende Herzog Carl August, Er starb 1793, zwei Tage vor seinem 35. war im September 1793 noch ans Kranken- Geburtstag, während der Revolutionskrie- lager des sterbenden Bruders ins Saarland ge gegen Frankreich an Typhus. geeilt, kam aber zu spät. Erst nach einer Zwei Jahre später ließ Anna Amalia die- Woche wagte er es, seiner Mutter vom Tod ses Kenotaph – wie solche Scheingräber des Bruders zu berichten. Wie tief sie trau- heißen – in Form eines griechischen Sar- erte, erfahren wir aus einem Brief, den sie kophags aufstellen. Sie sehen das Denk- wenige Tage später mit fahriger Schrift an mal heute in einer Kopie, wie übrigens ihren Bruder verfasste: viele Monumente hier im Park. „Du hast ein Herz, lieber Fritz, ich weiß, Der Rückgriff auf die antike Formsprache daß Du mit einer Mutter fühlst, die sich im entsprach ganz dem Geschmack der Jahre größten Kummer befindet und daß Du mei- um 1800, der Epoche des Klassizismus. nen schweren Schmerz teilen wirst. Oh Als symbolischen Dekor zeigt das Erinne- weh! Mir bleibt nur noch ein Sohn (...)“. rungsmal links einen römischen Helm, der Zumindest dieser überlebte die Herzogin für die militärische Karriere Constantins aber noch viele Jahre: Carl August starb steht. Die zwei sogenannten Genien vorne erst 1828, mit 70 Jahren. mit ihren gesenkten Fackeln sind ein altes Todessymbol. Und die Lyra rechts spielt

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424: Grottenhöhle – Vergilgrab

Diese Felsengrotte, auch „Vergilgrab“ ge- „Tiburs Hain“ – in Erinnerung an die be- nannt, ist die älteste erhaltene , Parkarchi- rühmte Landvilla, die Kaiser Hadrian vor tektur hier in Tiefurt. Sie entstand bereits den Toren Roms anlegen ließ: im antiken im Sommer 1776, kurz nachdem Prinz Tibur, dem heutigen Tivoli. Constantin und sein Erzieher Carl Ludwig Grotten wie diese waren ein typisches Ele- von Knebel das Tiefurter Schlösschen be- ment der englischen Landschaftsgärten. In zogen hatten. Voller Tatendrang machten solche künstlichen Höhlen oder andere, sie sich damals daran, den kleinen Park zu kleine Einsiedeleien, zog man sich gerne gestalten. Der antikebegeisterte Knebel zurück, um sich – zumindest für einen Mo- wollte mit dieser Grotte an Vergil erinnern, ment – wie ein Eremit fern der Welt zu füh- einen der bedeutendsten Schriftsteller im len. Hier fand man die Einsamkeit und Ruhe alten Rom. Das mutmaßliche Grab des in freier Natur, nach der man sich damals Dichters bei Neapel war um 1800 ein re- sehnte. Den besten Blick über die Land- gelrechter Wallfahrtsort für die bildungs- schaft hat man übrigens von dem Aussichts- reisende Elite Europas. Knebel, ein versier- platz oben auf der Grotte, der von Anfang ter Kenner der alten Sprachen, hatte sogar an zum Konzept gehörte, um „vortrefflichen selbst schon Passagen aus Vergils Aussichten“ zu schaffen, wie Knebel es „Georgica“ übersetzt, einem Lehrgedicht nannte. Früher gab es eine lange Treppe, die auf den Landbau, und in Anna Amalias bis hinunter zur Ilm führte. exklusivem „Journal von Tiefurt“ veröf- Wenn Sie den Weg oben weiter gehen, fentlicht. kommen Sie hinter einer kleinen Brücke an Ganz im Geist der Antike verwirklichte einem weiteren Platz mit einer herrlichen Knebel hier in Tiefurt ein Landgut klassi- Aussicht in das Ilmtal. Dort steht ein Stein schen Stils. Der kleine Weinberg, der dazu mit der Inschrift: Steile Höhen besucht die gehörte, lag direkt nördlich – also links von ernste forschende Weisheit, sanft gebahnte- hier – am Hang über der Ilm. Nicht um- re Pfad wandelt die Liebe im Thal … sonst nannte man Tiefurt damals auch

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