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ThemenGeschichtsPfad

Wissenschaftsstadt München

Auf den Spuren berühmter Forschender und Nobelpreisträger in München Die ThemenGeschichtsPfade erscheinen als Inhalt Ergänzung zu der Reihe KulturGeschichtsPfade der Stadt München. Grußwort Oberbürgermeister Dieter Reiter 3 Vorwort Hans-Georg Küppers 5 In der Reihe ThemenGeschichtsPfade bereits erschienene Publikationen: Informationen zum Heft 9 Band 1 Der Nationalsozialismus in München Routenverlauf Rundgang Innenstadt 11 Band 1 engl. National Socialism in Streckenverlauf Wissenschaftslinie U6 11 Band 2 Geschichte der Lesben und Schwulen in München Barrierefreiheit 12 Band 3 Orte des Erinnerns und Gedenkens Nationalsozialismus in München Band 3 engl. Places of Remembrance München als Wissenschaftsstadt 15 National Socialism in Munich München als Wissenschaftsstadt / Band 4 Die Geschichte der Frauenbewegung in München Frauen in der Wissenschaft / Band 5 Ziegeleien im Münchner Osten Wissenschaft im Nationalsozialismus Anleitung zur Spurensuche Band 6 Wissenschaftsstadt München Auf den Spuren berühmter Forschender Die Wissenschaftslinie U6 45 und Nobelpreisträger in München Garching-Forschungszentrum 47 Das Garchinger „-Ei“ / Ehrungen berühmter Wissenschaftler in Garching Studentenstadt 63 Weitere Informationen finden Sie unter: Max-Planck-Institut für Physik www.muenchen.de/tgp (Werner-Heisenberg-Institut) Münchner Freiheit 69 Ricarda Huch – Schriftstellerin, Dichterin, Eine Auflistung der bereits erschienenen Historikerin und zukünftigen Publikationen der Reihe Giselastraße 73 KulturGeschichtsPfade finden Sie am Ende „Schweinchenbau“ / Institut für Soziologie / dieser Broschüre. Ludwig Quidde – Historiker, Pazifist und Friedensnobelpreisträger / Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann Rundgang in der Innenstadt Odeonsplatz / Universität 79 Bayerische Akademie der Wissenschaften / Max-Planck- Gesellschaft / Bayerische Staatsbibliothek / Ludwig-Maximilians- Universität / Schellingstraße / Technische Universität München / Paul-Heyse-Villa / Palais Pringsheim / Chemische Institute

Fortsetzung: Die Wissenschaftslinie U6 Sendlinger Tor / Goetheplatz 155 Klinikviertel / Innenstadtkliniken während des Nationalsozialismus / Alter Südlicher Friedhof Poccistraße 175 Ruhmeshalle / Frauen in der Ruhmeshalle Grußwort Holzapfelkreuth 183 Waldfriedhof München ist mit 17 Universitäten, Akademien und Hoch- Klinikum Großhadern 187 schulen der zweitgrößte Hochschulstandort in Deutschland. Campus Großhadern und Martinsried / Die Ludwig-Maximilans-Universität und die Technische Uni- Klinikum Großhadern / Campus Großhadern / versität München zählen dabei zu den besten Universitäten Campus Martinsried / Ehrungen berühmter der Welt. Hinzu kommen zahlreiche namhafte Forschungs­ Wissenschaftler in Großhadern / Martinsried institute wie etwa die Fraunhofer-Gesellschaft oder die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft, Nobelpreisträger in München 201 das Helmholtz Zentrum sowie das Deutsche Zentrum für Der Nobelpreis / „Alternativer Nobelpreis“ / Luft- und Raumfahrt, aber auch das ifo Institut für Wirt- Münchner Nobelpreisträger / schaftsforschung und das Institut für Zeitgeschichte. Zudem Ehrungen für Nobelpreisträger in München verfügen wir über etliche Technologie- und Gründerzentren, sind Sitz vieler Hightech-Unternehmen und ein Zentrum Weitere Informationen des europäischen Patentwesens. Eben eine Stadt, „in der Literaturauswahl 214 sich die Wissenschaft vor allem durch eine menschliche Weiterführende Links 219 Unmittelbarkeit und Lebendigkeit auszeichnet und die wei- Bildnachweis 221 terhin allem Neuen aufgeschlossen bleibt und die Früchte Dank 224 ihrer Toleranz ernten wird“. Das hat der Physiknobelpreis- und erste Kulturelle Ehrenpreisträger Münchens, Werner Übersichtsplan Rundgang Innenstadt Heisenberg, unserer Stadt schon bei der 800-Jahr-Feier Übersichtsplan Rundgang Wissenschaftslinie 3 1958 attestiert. Und auch für die Zukunft Recht behalten, wie man sieht. Mehr als ein Dutzend weitere Nobelpreis­ träger hat München seither hervorgebracht.

Allein was fehlte, war ein handliches Kompendium, das diesen stetigen Aufstieg seit dem 19. Jahrhundert bündig dokumentiert und jedem Interessierten zur Verfügung steht. Mit dem neuen ThemenGeschichtsPfad zur Wissenschafts- stadt München ist diese Lücke nun erfolgreich geschlossen worden. Nach den Broschüren zum Nationalsozialismus in München, zur Geschichte der Lesben und Schwulen, zur Frauenbewegung und zu den Ziegeleien im Münchner Osten kann man sich hiermit erneut auf die Spurensuche Vorwort machen nach bedeutsamen Orten und Ereignissen im Stadtgebiet, in diesem Fall bezogen auf unsere reiche Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner, Wissenschaftsgeschichte. Allen, die sich auf diesen Weg liebe Gäste der Stadt, begeben, wünsche ich viele neue Einsichten und span­ nende Aha-Erlebnisse. wenn Sie eine ungewöhnliche Form der Wissensvermittlung erleben möchten, dann kann ich Ihnen den vorliegenden ThemenGeschichtsPfad zur Wissenschaftsstadt München nur empfehlen. Dort finden Sie nämlich Antworten auf so kuriose Fragen, wie zum Beispiel „Was ist das Garchinger ‚Atom-Ei‘?“ oder „Was birgt der sogenannte ‚Schweinchen- bau‘ an der Leopoldstraße 13?“ oder „Warum stand in der Ruhmeshalle hinter der Bavaria die selbstgefertigte Büste einer Münchner Künstlerin, wo dort doch nur die Büsten Dieter Reiter von baye­rischen Feldherren, Dichtern und Wissenschaftlern Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München stehen?“. Aber natürlich beantwortet der ThemenGeschichts­ Pfad auch herkömmliche Fragen, nämlich „Wo befindet sich die Ehrengalerie der Nobelpreisträger?“, „Wer ist der Begrün­ der der Quantenmechanik?“ oder – für München ganz wich- tig – „Welche wissenschaftliche Institution verfügt über ihre eigene Brauerei?“.

4 5 Wie Sie sehen, verfolgen wir ganz im Sinne des angelsäch- Das muss dem Wettbewerb keineswegs widersprechen. sischen public science das Ziel, Wissenschaft anschaulich Dass Münchens Universitäten die deutschen Listen sämt- darzustellen und sie vom Vorurteil der reinen Rationalität zu licher inter­nationaler Rankings anführen und überhaupt im befreien. Denn etwas sehr Entscheidendes wird allzu oft globalen Vergleich weit vorne liegen, ist kein Geheimnis vergessen: die Emotionalität und die Offenheit, aus dem und hat auch mit der erwähnten Offenheit zu tun. Beide eigenen Denken und aus der eigenen Methode herauszu­ Universitäten, die TU und die LMU, gehören zu den ersten gehen, um Neues zu schaffen. Von diesem Forschergeist, Hochschulen, deren Forschungsprojekte seit 2005 durch von dieser unbändigen Neugier und Leidenschaft hat die Exzellenz­initiative des Bundes und der Länder maß- Mün­chen ganz außerordentlich profitiert. Das ist die Trieb- geblich gefördert werden. Ein Blick auf die lange Reihe der feder für die Zukunft. Wollten wir auch nur oberflächlich Nobelpreisträger unterstreicht nur die Bedeutung der Stadt zusam­men­fassen, was zwischen Garching und Großhadern als hochkarätigen internationalen Wissenschaftsstandort. passiert, wäre das Stoff für mindestens einen weiteren Mehr als 40 Nobelpreisträger sind in München geboren oder ThemenGeschichtsPfad. haben hier zumindest geforscht, gelehrt und gelebt. Von Wilhelm Conrad Röntgen über , Dass aber gerade hier so weit und erfolgreich in die Zukunft oder bis hin zum „Jüngsten“ Gerhard Ertl, geblickt wird, hat mit der Vergangenheit zu tun. München der die renommierte Auszeichnung 2007 erhalten hat. Die mag sich spät in die Riege der Wissenschaftsstädte einge- Fortsetzung folgt, das darf an einem Standort wie München reiht haben – erst im Jahr 1826 wurde die Universität aus als sicher gelten. Ingolstadt hierher verlegt. Doch was mit einer gewissen Verzögerung seinen Lauf nahm, trug bald umso reichere Vergleichbares mag es für die Geisteswissenschaften nicht Früchte. Der vorliegende ThemenGeschichtsPfad führt das geben, doch auch in diesen Bereichen wurde in München nicht nur lehrreich, sondern auf mindestens so spannende Enormes geleistet. Wobei Paul Heyse, u. a. Professor für wie unterhaltsame Weise vor Augen. Und nicht zuletzt Romanische Philologie, 1910 immerhin als erster deutscher waren es die Universitäten und Forschungseinrichtungen, Schriftsteller mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet die in entscheidendem Maße zur Modernisierung und zur wurde. In diesem Zusammenhang darf natürlich Thomas Demokratisierung der Wissenschaft und darüber hinaus Mann nicht fehlen, der den Preis 1929 erhielt. Fast vier Jahr- bei­getragen haben. Die industrielle, wirtschaftliche und zehnte hat der Schriftsteller des „Zauberberg“ in München lebensweltliche Entwicklung Münchens und Bayerns wurde gelebt, zeitweise sogar an der TU studiert und noch wenige und wird hier befördert. Von jeher hat man an den Universi- Wochen vor seinem Tod 1955 an den dama­ligen Ober­ täten ganz selbstverständlich den internationalen Austausch bürger­meister Thomas Wimmer geschrieben, er sei dieser gepflegt, nicht selten über kaum überwindbare politische Stadt „von Herzen zugetan“. Eine große Geste war das nach Grenzen hinweg. Auch in dieser Hinsicht konnte und kann allem, was er und seine Familie erlebt hatten. Und viele eine Gesellschaft von der Wissenschaft nur lernen. andere, die während des NS-Regimes ihren Platz in der

6 7 Wissenschaft verloren hatten und verfolgt wurden. Auch Informationen zum Heft dieses dunkle Kapitel ist nicht ausgespart. Der ThemenGeschichtsPfad „Wissenschaftsstadt München Die ThemenGeschichtsPfade stehen immer auch für eine – Auf den Spuren berühmter Forschender und Nobelpreisträ- kritische Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer Ver- ger in München“ liegt als Broschüre und als Online-Fassung gangenheit. Und in jedem dieser Bände gelingt es, komplexe vor. Inhalte differenziert und zugleich anschaulich darzustellen – www.muenchen.de/tgp immer mit Bezug auf die Stadttopographie. Demgemäß bieten sämtliche bisher erschienenen Pfade spannende Die Broschüre orientiert sich in ihrem Aufbau am Strecken­ Rundgänge entlang historisch wichtiger Orte und Ereignisse verlauf der U-Bahnlinie 6. In der Umgebung ausgewählter im städtischen Raum. Der vorliegende Band macht vor Haltestellen der sogenannten Wissenschaftslinie können Sie allem aber Lust auf die Wissenschaft und ihre vielfältigen sich auf die Spuren herausragender Wissenschaftler_­innen Errungenschaften. Und keine Sorge, man braucht keine und Nobelpreisträger und bedeutender wissenschaftlicher Vorkenntnisse, um mit diesem kompakten Leitfaden die Einrichtungen in München begeben. In der Innenstadt rund Welt der Forschung kennen und verstehen zu lernen. um die U-Bahnstationen Odeonsplatz und Universität haben Sie die Möglichkeit, auf einer beschriebenen Route weitere Ich möchte alle Leserinnen und Leser herzlich dazu einla- Orte aufzusuchen. den, diesen Weg der Wissenschaft, der München auf so vielfältige Art und Weise geprägt hat, entlangzugehen und Die jeweiligen Kapitel geben einen Einblick in die Geschichte sich auf die Spuren von bekannten und weniger bekannten der Orte als Wirkungsstätten ausgewählter Wissenschaft- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie von ler_innen und Nobelpreisträger. Im letzten Teil der Broschüre Ereignissen der Wissenschaftsgeschichte zu begeben. finden Sie Informationen zur Geschichte des Nobelpreises und eine Aufstellung der Nobelpreisträger, die in einer Ihr Verbindung mit der Stadt München standen oder stehen.

Der ThemenGeschichtsPfad kann unterschiedlich genutzt werden. Die ausgewählten Orte in der Umgebung der Halte- stellen können einzeln aufgesucht werden. Zur Orientierung finden Sie zu Beginn jedes Kapitels jeweils einen kleinen Übersichtsplan. Der Routenverlauf des Spaziergangs in der Innenstadt ist in einer eigenen Karte verzeichnet. Dr. Hans-Georg Küppers Kulturreferent der Landeshauptstadt München

8 9 Am Ende der Broschüre sind in einer Übersichtskarte von Routenverlauf Rundgang Innenstadt München alle Orte und der Rundgang verzeichnet. Zudem finden Sie hier auch einige Orte aufgeführt, die abseits der Start: Odeonsplatz „Wissenschaftslinie“ und des Rundgangs liegen. Die Orte, Ende: Alter Botanischer Garten die in der Karte eingezeichnet sind, enthalten Verweise (ca. 5 Minuten zum Hauptbahnhof) zu den Seiten, auf denen sie in der Broschüre aufgeführt Dauer: ca. 100 Minuten zu Fuß werden. Im Text sind diese Orte hervorgehoben. # Zu den einzelnen Stationen: siehe Übersichtskarte im Anhang

Öffentliche Verkehrsmittel an der Route Odeonsplatz U 3/6/4/5 Universität U 3/6, Bus 150/153/154 Schellingstraße Trambahn 27/28 Königsplatz U 2/8, Bus 100/150 Hauptbahnhof S-Bahn (alle Linien), U 2/8/4/5

Streckenverlauf Wissenschaftslinie U 6

Start: Garching-Forschungszentrum Ende: Klinikum Großhadern Dauer: 42 Minuten reine Fahrtzeit

# Zu den einzelnen Stationen: siehe Übersichtskarte im Anhang

Fahrplanauskünfte unter: www.mvv-muenchen.de

10 11 Barrierefreiheit

Wir haben uns bemüht, die Frage der barrierefreien Nutz­­­bar­ keit des ThemenGeschichtsPfades zu berücksichtigen. Die Routen sind prinzipiell auch für Menschen mit eingeschränk- ter Mobilität zu bewältigen. Bei einigen Stationen bedeutet dies jedoch einigen Mehraufwand.

Unter www.wheelmap.org finden Sie eine interaktive Web­seite, welche den rollstuhlgerechten Zugang zu Orten kennzeichnet. Die Stationen der beiden Routen des ThemenGeschichtsPfades­ sind dort beschrieben.

Eine umfassende Barrierefreiheit, welche die Anforderungen an eine barrierefreie Nutzbarkeit erfüllen würde (beispiels- weise eine barrierefreie Online-Version des Themen­ Wissenschaftsstadt GeschichtsPfades sowie eine Version in leichter Sprache), München kann zum aktuellen Zeitpunkt leider noch nicht zur Verfü- gung gestellt werden.

Auf den Spuren berühmter Forschender und Nobelpreisträger in München

12 München als Wissenschaftsstadt

„Denn wenn der Name München erklingt, wer dächte da an die Nüchternheit der Naturwissenschaften? Bei diesem Na- men kommen andere Bilder in den Sinn. Die Ludwig­straße vom Siegestor zur Feldherrnhalle vom Sonnenlicht übergos- Blick vom Monopteros über sen, der Blick vom Monopteros über die blumenübersäten den Englischen Garten Richtung Wiesen des Englischen Gartens hin zur Frauen­kirche, ‚Figa- Münchner Innenstadt, Aufnahme ros Hochzeit‘ im Residenztheater, die Dürerbilder in der Pina­ von 2007. kothek, der mit Skiern überfüllte Zug nach Schlier­see und Bayrischzell, und schließlich das Bierzelt auf der Oktoberfest­­ wiese, das mit dem bayerischen Löwen gekrönt ist. Das alles ist München. Aber was hat das mit den Naturwissenschaften zu tun?“ Mit diesen Worten begann der Physiker und Nobel- preisträger seine Fest­rede anlässlich der Feier zum 800-jährigen Bestehen Münchens am 14. Juni 1958 im Kongresssaal des Deutschen Museums, in deren Rahmen er selbst als erster Träger des Kulturellen Ehrenprei- ses der Stadt ausgezeichnet wurde. Der vor­liegende The­ men­GeschichtsPfad befasst sich mit der Wissenschaftsstadt München. Ursprünglich als Würdigung der Münchner Nobel- preisträger gedacht, behandelt er herausragende Münchner

14 15 spezifischen Profil zu den renommier- Die Hochschule für angewandte Wissenschaften an der Loth­ testen Universitäten Europas. Knapp straße 34 (Aufnahme von 2010) 90.000 Studierende waren im Winter- ist die größte Fachhochschule semester 2014/15 an einer der beiden Bayerns und zweitgrößte Universi­tä­ten eingeschrieben. Insge- Deutschl­ands. Im Wintersemester 2014/15 waren hier rund 17.500 samt stu­dier­ten in München in diesem Studierende immatrikuliert. Semester etwa 115.000 Studentinnen und Stu­den­ten an einer der insgesamt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso wie eine 17 Hochschulen, Akademien und Uni- Auswahl bedeutender wissenschaftlicher Einrichtungen in versitäten, wie beispielsweise der der Stadt. Ein gewisser Schwerpunkt auf die Naturwissen- Hoch­schule für angewandte Wissen- schaften ist dem Fokus auf die Münchner Nobelpreisträger schaften, der Akademie der Bildenden geschuldet. Eine aus­schließliche Konzentration auf diese Künste, der Hochschule für Fern­sehen erschien den Ver­fasser_innen dieses Heftes jedoch zu ein­ und Film, der Hochschule für Musik und seitig. Denn die Naturwissenschaften sind mit den Geistes- Theater, der Universität der Bundes- und Sozialwissenschaften ebenso verwoben wie aufeinan- wehr, der Fachhochschule für öffent­ der bezogen. Mit ihrer Kultur und ihrem Wirken prägen sie liche Verwaltung und Rechts­pflege die Orte, an denen sie erdacht, diskutiert und gelehrt wer- oder der Katholischen Stiftungsfach- Das Institut für Zeit- den. Gleich­zeitig sind sie Teil des sozialen, kulturellen und hochschule. geschichte München politischen Lebens, welches Wissenschaften und die je- – Berlin (IfZ) in der Leonrodstraße 46b weils spezifische Art, wie sie in den einzelnen Disziplinen Von herausragender Bedeutung für die (Aufnahme o.J.) hervorgebracht werden, wiederum maßgeblich beeinflusst. Strahlkraft des Wissenschaftsstandorts wurde 1949 als „Ins- München sind neben den Hochschulen titut zur Erforschung Die Münchner Wissenschaftslandschaft mit zwei großen außerdem mehrere namhafte außer­ der nationalsozialis- tischen Politik“ ge- Universitäten, zahlreichen Hochschulen und Akademien, universitäre Forschungseinrichtungen gründet und trägt mehreren bedeutenden außeruniversitären Forschungsein- wie die Fraunhofer-Gesellschaft oder seinen heutigen richtungen und Instituten sowie einer Vielzahl an öffentlichen die Max-Planck-Gesellschaft. Darüber Namen seit 1952. wie privaten Forschungskontexten, Museen, Bibliotheken hinaus sind in der Region München Die Sammelschwer- punkte des Instituts- und Archiven ist ungemein vielfältig. In ihrem Zentrum befin- weitere bedeutende Institutionen wie archivs konzentrieren den sich die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und die das Helmholtz-Zentrum – Deutsches sich auf nichtstaat­ li­ ­ Technische Universität München (TUM). Sie beschäftigen Forschungszentrum für Gesundheit und che Überlieferungen vom Ersten Weltkrieg zusammen rund 9000 wissenschaftliche Mit­arbeiterinnen Umwelt (Helmholtz-Zentrum München), bis zur Gegenwart. und Mitarbeiter (Stand 2015) und zählen mit ihrem jeweils das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Historische Kolleg und 16 17 das Zentralinstitut für Kunstgeschichte ansässig sowie die Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft wie das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München oder das Institut für Zeitgeschichte München – Berlin.

Zu den Orten der Wissensgenese und -vermittlung zählen jedoch nicht nur Universitäten, Akademien und wissen- schaftliche Institute, sondern auch populäre Einrichtungen und Veranstaltungen wie die Volkshochschulen oder die jähr- Die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten For- lich stattfindenden Wissenschaftstage sowie die zahlreichen schung e.V. ist mit rund 24.000 Mitarbeitenden in 67 Forschungsein- Bibliotheken, Sammlungen, Archive, Museen und Schulen, richtungen in Deutschland das größte Unternehmen dieser Art in die den Charakter und das Erscheinungsbild der Wissen- Europa (Stand 2016). In München und Umgebung betreibt die Gesell- schaft neben der Zentrale (Aufnahme von 2007), die sich seit 2003 an schafts- und Kulturstadt München maßgeblich mit prägen. der Hansastraße 27c befindet, vier wei­tere Forschungseinrichtungen. Die größten Auftraggeber sind Wirt­schaft und Staat. Die nach dem Das „Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwis­ Münchner Optiker und Physiker Joseph von Fraunhofer (1787 – 1826) senschaft und Technik” beispielsweise gilt mit circa 1,5 Mil­- (e S. 169) benannte Institution wurde 1949 in München gegründet. Fraunhofers wissenschaftliche Arbeiten und seine praktische Anwen- lionen Besucher_innen jährlich als eines der größten natur- dungsorientierung machten ihn zum Namens­geber. An den Erfinder wissenschaftlichen Museen weltweit. Die Sammlungen des und Unternehmer wird an zahlreichen Orten Münchens erinnert Museums umfassen heute etwa 100.000 naturwissenschaft­ (e S. 169, Alter Südlicher Friedhof, e S. 175 Ruhmeshalle). ­­liche und technische Objekte. Ausgestellt davon sind circa 1951 erhielt die Fraunhofer-Gesellschaft über den US-amerikanischen Marshallplan wirtschaftliche Aufbaugelder für die wirtschaftsnahe 25.000 im Haupthaus und in den drei Außenstellen (Ver­ Forschung. Ab Mitte der 1950er Jahre expandierte die Fraunhofer- kehrs­­zentrum Theresienhöhe, Flugwerft Schleißheim, Deut- Gesellschaft und gründete zahlreiche neue Institute. Ab 1956 wird sches Museum Bonn). Die öffentlich zugängliche Spezial­ die „Ver­teidigungsforschung” für die weitere Entwicklung immer bibliothek zur Wissenschafts- und Technikgeschichte ist die bedeutender. Ende der 1960er Jahren geriet die Gesellschaft auf- grund ihrer militärischen Forschungen zunehmend in die Kritik. größte Museumsbibliothek Deutschlands. Als Forschungs- Institutsbesetzun­gen durch Student_innen konnten teilweise nur museum gehört das Deutsche Museum zur Leibniz-Gemein- durch die Polizei verhindert werden. Heute liegen die Forschungs- schaft (Zusammenschluss außeruniversitärer deutscher schwerpunkte der Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich der Infor­ Forschungs­institute) und erfüllt damit auch wissenschafts- mations- und Kommunikationstechnologie. So entwickelte die Fraun­hofer-Gesellschaft beispielsweise die mp3-Technologie zur politische Aufgaben beispielsweise durch wissenschaftlich- Komprimierung von Musikdaten. technische Nachwuchsförderung. Neben dem Forschungs­ institut für Technik- und Wissenschaftsgeschichte befindet sich seit 1997 noch das Münchner Zentrum für Wissen- schafts- und Technikgeschichte am Deutschen Museum.

18 19 Das Zentrum verbindet verschiedene Münchner Institute der Wissenschafts-, Technik- und Medizingeschichte in gemeinsamer Forschung.

„Was ist nun eigentlich das Wesen dieser Stadt?“ fragte Heisenberg in seiner Rede zum 800jährigen Stadtjubiläum und stellte anschließend zwei Dinge heraus: eine konserva- tive, katholisch geprägte Grundhaltung auf der einen Seite, der auf der anderen Seite eine geistige Beweglichkeit ge- genüberstehe, aufgeschlossen für Neues und geprägt von Ideen und Zuzug von außen. Der charakteristische Zug des geistigen Klimas in München, so Heisenberg, bestehe in der Verbindung dieser beiden Schichten.

Wie aber entwickelte sich die Stadt, die Mitte des 19. Jahr­ hunderts nicht einmal 100.000 Einwohner_innen zählte, zu einem der weltweit modernsten Wissenschafts- und 1925 konnte der von Gabriel von Seidl ent- (Hoch-)Technologie Standorte mit zwei im Exzellenzwettbe- worfene Bau (Aufnahme um 1925) am heuti- werb aus­gezeichneten Eliteuniversitäten und einem dichten gen Standort auf der Mu­seumsinsel (ehema- lige Kohleninsel) fertiggestellt werden. Davor Netz an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und befand sich das 1903 von Oskar von Miller forschungs­intensiven Unternehmen? Der Wissenschafts­- gegründete Museum im alten Nationalmu­ his­to­­­riker Helmuth Trischler identifiziert in seiner Analyse seum an der Maximilianstraße. Nach der „Mün­chen als Wissenschaftsmetropole und Hochtechno­ nationalsozialistischen­ Machtüber­ nahme­ trat Oskar von Miller 1933 als Leiter des Deut- logiestandort“ vier wesentliche Faktoren, die zu dieser Ent- schen Museums zurück – offi­ziell aus gesund- wicklung beitrugen. Erstens verfügte München mit der heitlichen Gründen. Tatsächlich galt er den Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Hoch- neuen Machthabern auf Grund seiner kosmo­ schule schon früh über zwei bedeutende und wettbewerbs- po­litischen Haltung als verdächtig. Der neue Vorstand war offen für eine Kooperation mit fähige Hochschulen, und insbesondere die Technische dem NS-Regime. Nach starken Zerstörungen Hochschule vernetzte sich mit der regionalen Wirtschaft. im Zweiten Weltkrieg konnte das Museum Zweitens hatte die staatliche Wissenschaftspolitik im Wett- 1948 wiedereröffnet werden. 2015 begann bewerb um Spitzenpersonal die wirtschaftsfördernden eine Generalsanierung des Deutschen Museums, die 2025 abgeschlossen sein soll. Effekte der Hochschulförderung im Blick ohne die Berufun- gen auf Industrierelevanz zu verkürzen. Drittens erfolgte

20 21 während der Herrschaft des Nationalsozia­lismus eine mas­ sive Förderung der Rüstungsforschung und vor allem gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden kriegsrelevante Industrieunternehmen wie beispielsweise Siemens in den Süden des „Reiches“ verlegt, was die wirtschaftliche und wissenschaftstechnologische Entwicklung des Standortes München in den frühen Jahren der Bundesrepublik beschleu­ nigte. Viertens schließlich, so Trischler, begünstigten die „weichen“ Faktoren wie ein vielfältiges Kulturleben und die landschaftlich schöne Lage Münchens den Zuzug von wis- senschaftlichem und wirtschaftlichem Spitzenpersonal.

An dieser Stelle soll noch einmal Werner Heisenberg mit seiner Rede zu Wort kommen: „Man könnte befürchten, daß in einem kulturellen Leben, in dem die heitere Gesellig- keit eine so wichtige Rolle spielt, etwas zu wenig Raum bliebe für die eigentliche geistige Arbeit, für die höchste Das Kulturzentrum Gasteig (Aufnahme von Konzentration der Kräfte, die nun einmal notwendig ist, um 2014) ist das Haupthaus der Münchner Volks- in der Kunst oder in der Wissenschaft etwas Neues hervor- hochschule (MVHS), welche die größte kom- zubringen. Die Unruhe unserer Zeit macht ja nicht vor den munale Erwachsenenbildungseinrichtung in Deutschland ist. Das äußerst vielfältige Toren Münchens halt. Sie bedroht hier wie in allen anderen Programm beinhaltet auch zahlreiche wissen­ Großstädten die Stille und Einsamkeit der Studierstube, in schaftliche Angebote. So können studien­ der wirklich mit den Problemen gerungen wird. Doch wer vorbereitende Kurse, Kurse zu Grundlagen das geistige Leben der Stadt genauer kennt, der weiß, nicht wissenschaftlichen Arbeitens oder Sprach­ intensivkurse besucht werden. Im Programm­ nur aus dem Geschaffenen, daß es diese Einsamkeit durch­ bereich „Forschungsstandort München – aus gibt, daß hier die wirkliche Stille der Arbeit immer wie- Wissenschaft hautnah” werden beispiels­- der gefunden wird. Aber es ist oft nicht die Einsamkeit der weise Führungen durch wissenschaftliche Studier­stube, sondern die einer Baumgruppe auf einem Einrichtungen und Labore angeboten. In Kooperation mit Hochschulen und anderen Moränenhügel im Voralpenland oder eines Badeplatzes an wissenschaftlichen Institutionen werden einem der Osterseen. […] Als , der mit etwa auch die Münchner Wissenschaftstage der mathematischen Strenge der klassischen Physik so wohl geplant und durchgeführt. vertraut war, auf die neuen und noch ungeklärten Zusam- menhänge der Quantentheorie stieß, begeisterte er sich so

22 23 an den geheimnisvollen ganzzahligen Beziehungen in den 1990 eröffnete das Experimenten über die Spektrallinien, daß seine Vorlesun- Museum Mensch gen an die hymnischen Äußerungen Keplers zur Harmonie und Natur der Staat­ lichen Naturwissen- der Sphären erinnerten. Auch als seine Kritiker ihm Zahlen- schaftlichen Samm- mystik und Schwärmerei vorwarfen, […] konnte das seine lungen Bayerns (Auf- Freude nicht stören; denn in München nehmen wir die nahme von 2010). Dinge nie ganz ernst, und doch wieder ganz ernst und am Es befindet sich im Nordteil des Schlos- Schluß hat Sommerfeld sehr viel mehr recht behalten als ses Nymphenburg seine Kritiker.“ und bietet lebendige Wissensvermittlung in den Bereichen der Bio- und Geowissen- Gerade die Quantentheorie hat gezeigt, schaften sowie der dass die Fähigkeit, über das Bekannte Life-Sciences.­ Im hinaus zu denken, und die Bereitschaft, Bild unten die Abtei- vermeintliche Gewissheiten immer lung „Spielerische Naturkunde – Nicht wieder aufs Neue zu befragen, wesent- nur für Kinder“. licher Teil wissenschaftlichen Arbeitens und die Grundbedingung wissenschaft- licher Innovation sind. Als „Denken ohne Geländer“ hat die Philosophin Hannah Arendt diese Haltung einmal Die Münchner Wissenschaftstage wurden 2001 erstmals veranstaltet und haben das bezeichnet, die der Denker und Philo- Ziel, wis­senschaftliche und technische soph Michael Foucault folgendermaßen Themen all­ge­meinverständlich zu vermitteln. beschreibt: „Es gibt im Leben Augen- Die zentralen Veranstaltungsorte der vier­ blicke, da die Frage, ob man anders tägigen Groß­veranstaltung sind seit 2012 die Alte Kongress­halle auf der Theresienhöhe denken kann, als man denkt, und an- (Aufnahme von 2007) gemeinsam mit dem ders wahrnehmen kann, als man sieht, Verkehrszentrum des Deutschen Mu­seums. zum Weiterschauen oder Weiterdenken Jährlich zählen die Wissenschaftstage bei unentbehrlich ist. [...] Es war eine phi- den kostenfreien Veranstaltungen, Vorträgen und Workshops inzwischen etwa 30.000 Be- losophische Übung: es ging darum zu sucher_innen. Getragen wird das Programm wissen, in welchem Maße die Arbeit, von den Münch­ner Universitäten, außer­uni­ seine eigene Geschichte zu denken, ver­sitären Forschungseinrichtungen und das Denken von dem lösen kann, was Unternehmen. es im Stillen denkt, und inwieweit sie 24 25 Frauen in der Wissenschaft

„Beim Kultusministerium harren verschiedene Eingaben von ‚Damen‘ um Zulassung zum Studium an Gymnasien und Universitäten. Hoffentlich wird der Minister die Gesuche ab- Ausgestopfter lehnend bescheiden. Je mehr Frauenzimmer höhere Schulen Waldrapp in der besuchen, um so mehr steht die Männlichkeit der Studenten Zoo­logischen Staats- in Gefahr, insofern als sie vor lauter Rücksichten gegen das sammlung in Mün- chen, Aufnahme von weibliche Geschlecht zu duldenden Eunuchen werden. 2014. Der­jenige Staat, in dem die Weiber professions- oder sport­ mäßig in die politischen und wissenschaftlichen Berufe hin- es ihm ermöglichen kann, anders zu denken.“ Die Unruhe einpfuschen, ist dem Untergange geweiht, dafür liefert die und das Lachen, welche eine solche Haltung auszulösen ver­ Geschichte Beispiele. Die Männer haben ohnehin unter sich mag, führt er uns in seinem Buch „Die Ordnung der Dinge“ genug oder schon zu viel Konkurrenz, also können sie die vor Augen, indem er aus einem Text des argentinischen weibliche Konkurrenz nicht mehr brauchen […] Die Aus­brei­ Schriftstellers Jorge Luis Borges eine „gewisse chinesische tung des Frauenstudiums ist ein gemeingefährlicher Un­­fug“ Enzyklopädie“ zitiert, „in der es heißt, daß ‚die Tiere sich wie – schreibt die Bayerische Landeszeitung am 18. Januar 1900. folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbal- samierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, Neben gleichberechtigter politischer Teilhabe war der gleich­ f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung berechtigte Zugang zu Abitur und Studium eine der zentralen gehörige, i) die sich wie Trolle gebärden, k) die mit einem politischen Forderungen der Frauenbewegung um 1900. ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so Die Mehrheit der akademisch gebildeten Männer stand dem weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von jedoch ablehnend gegenüber. Nicht selten wurde versucht, weitem wie Fliegen aussehen‘. Beim Erstaunen über diese diese Ablehnung biologisch zu begründen.1872 schrieb der Taxonomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser Münchner Professor für Anatomie und Physio­logie Theodor Aufzählung uns als der exotische Zauber eines anderen von Bischoff in seinem Buch „Das Studium und die Aus- Denkens bezeichnet wird – die Grenze unseres Denkens: übung der Medicin durch Frauen“: „Der Mann ist muthig, die schiere Unmöglichkeit, das zu denken.“ kühn, heftig, trotzig, rauh, verschlossen; das Weib furcht- sam, nachgiebig, sanft, zärtlich, gutmüthig, geschwätzig, verschmitzt. Der männliche Geist sieht tiefer, weiter, schär- fer, erforscht gründlicher und genauer, prüft ruhiger und urtheilt unbefangener. Der weibliche Geist berücksichtigt mehr das Äußere, den Schein, als das innere Wesen; sein

26 27 Urtheil ist befangen, oberflächlich. Aus dieser Verschieden­ heit der Geschlechter geht unwiderleglich hervor, dass das weib­liche Geschlecht für das Studium und die Pflege der Wissenschaften und insbesondere der Medizin nicht ge- eignet ist.“ Er argumentiert unter anderem, das weibliche Gehirn sei kleiner und damit weniger leistungsfähig als das männliche Gehirn und kommt zu dem Schluss: „Die Bildung weiblicher Ärzte läßt sich mit unseren staatlichen Einrich- tungen auf Schulen und Universitäten nicht vereinigen […] Die Überladung des ärztlichen Standes mit unbefähigten halbgebildeten weiblichen Handwerkern, wie sie allein von dem weiblichen Geschlechte zu erziehen sind, hemmt und stört die Fortbildung der ärztlichen Wissenschaft und Kunst auf das Schädlichste.“

Selbstportrait von bekannten Frauenrechtlerinnen aus dem Atelier Das Luisengymna­ Elvira in München um 1895. Von links: Anita Augspurg (e S. 113), sium an der Luisen- Marie Stritt, Lily von Gizycki, Minna Cauer und Sophia Goudstikker. straße 7 (Aufnahme von 2011) wird 1822 Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen und Frauen zu höherer als Münchens erste Bildung wurde von der Frauenbewegung um 1900 mühsam und gegen Schule für höhere viele Widerstände erkämpft. Die bekannteste Münchner Frauenrecht- Töchter gegründet. lerin Anita Augspurg beispielsweise trat 1891 dem Verein „Frauenbil- Erst mit der Schul­ dungsreform“ bei, der sich für den uneingeschränkten Zugang von reform 1912 wird die Mädchen zu Bildung einsetzte und die Einrichtung von Mädchengym- Schule jedoch als nasien forderte. 1894 gründete Anita Augspurg in München gemein- zur Hochschulreife sam mit ihrer damaligen Lebensgefährtin Sophia Goudstikker den bis führendes Mädchen­ heute bestehenden Verein für Fraueninteressen unter dem Namen gymna­ sium­ aner- „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“. Die gleich­ kannt. Bis dahin berechtigte Teilhabe von Mädchen und Frauen an höherer Schulbil- können Frauen das dung und die Zulassung von Frauen zum wissenschaftlichen Studium Abitur nur als Ex­ gehörten zu den zentralen Forderungen des Vereins, der als Keimzelle terne an einem der bürgerlichen Frauenbewegung in München und Bayern gilt. Da ihr Knabengymnasium selbst der Zugang zur Universität in München verwehrt wurde, ging ablegen und sind auf Anita Augspurg nach Zürich, um Jura zu studieren. Als erste promo- teuren Privatunter- vierte Juristin des deutschen Kaiserreichs nutzte sie ihr Wissen, um richt angewiesen. für die Gleichberechtigung von Frauen zu kämpfen. 28 29 Städtische Oberschule für Mäd­ 20 Jahre später – 1894 – stellte der bayerische Landtag fest, chen am St.-Anna-Platz (Aufnah- dass für staatliche Mädchenschulen mit Abitur kein aus- me o.J.). 1907 richtet der Verein reichender Bedarf bestehe. Katia Pringsheim, die ab ihrem für Frauenin­teressen ein Gesuch zur „Errichtung einer zweiten siebten Lebensjahr Privatunterricht erhalten hatte, konnte Höheren Töchterschule in Mün- 1901 als Externe an der Abiturprüfung des Wilhelmsgymna- chen“ an den Magistrat. 1909 sium teilnehmen und machte dort als erste Frau in München wird die neue Schule genehmigt Abitur. Auf Antrag erhielt sie die Erlaubnis, Vorlesungen zu und im Schuljahr 1912/13 mit vier Klassen am St.-Anna-Platz besuchen. In Ausnahmefällen war es – wie im Fall von Katia eröffnet. Pringsheim – zu dieser Zeit zwar möglich, an der Universität zu studieren, als reguläre Studentinnen konnten sich Frauen In ihrem Text „Die wissenschaftliche Emancipation der Frau“ jedoch erst ab dem Jahr 1903 voll an der Ludwig-Maximi­ von 1874 reagierte die Berliner Schriftstellerin und Frauen- lians-Universität immatrikulieren (e S. 103). rechtlerin Hedwig Dohm (die Großmutter von Katia Mann, geborene Pringsheim) auf die Argumentation Bischoffs: Sehr deutlich zeigen sich in diesem ThemenGeschichtsPfad „Die physiologische Bedeutung der abweichenden Formen die Nachwirkungen dieses ungleichen Zugangs von Mäd- männlicher und weiblicher Schädel festzustellen, ist bis jetzt chen und Frauen zu höherer Bildung. Eine überwältigende der Wissenschaft nicht gelungen, und nur einem Charlatan, Mehrheit der berühmten und bedeutenden Wissenschaft- einem Phantasten oder einem fanatischen Prinzipienreiter ler_innen, die hier in München geforscht haben, waren kann es einfallen, aus einer verschiedenartigen Schädel- Männer. Unter den Nobelpreisträger_innen, die in München bildung der Geschlechter die Basis zu einer ernsten Argu- tätig waren und sind, befindet sich bisher mit der Literatur- mentation gegen die geistige Befähigung der Frau machen nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek nur eine einzige Frau und zu wollen.“ Und sie stellte fest: „Wie sonderbar diese Con- keine einzige Wissenschaftlerin (e S. 208). Ricarda Huch currenzfurcht ist. Sind die Männer wirklich das höhere Ge- (e S. 69) wurde zwar für den Nobelpreis vorgeschlagen, hat schlecht, das heißt, mit höheren Kräften für alle die Fächer ihn jedoch nie erhalten. Mit dem offiziellen Zugang zu den begabt, von denen sie die Frauen ausschließen, so brauchen Universitäten waren zwar grundlegende rechtliche Rahmen- sie doch die Concurrenz nicht zu fürchten, im Gegentheil, bedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung die Frauen werden ihnen zur Folie dienen; sind ihre Kräfte gegeben, der tatsächliche Zugang von Mädchen und Frauen aber nicht höher, so setzen sie sich dem Verdacht aus, daß zu höherer Bildung und zum Universi­tätsstudium blieb jedoch sie die Frauen einsperren, damit dieselben ihnen die Preise auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten erschwert. nicht verderben, und ihr Verhalten wird zur Gewaltthat, zur Neben politischen und sozialen Rah­menbedingungen waren wider­rechtlichen Aneignung eines Monopols“. die Gründe hierfür nicht zuletzt geschlechtlich differenzierte Sozialisationserfahrungen, Rollenerwartungen und Lebens- entwürfe. Abgesehen von vorüber­gehenden Einbrüchen

30 31 stieg der Anteil der weiblichen Stu­die­renden und Wissen- schaftlerinnen in den vergangenen hundert Jahren jedoch kontinuierlich an. Während der Zeit des Natio­nalsozialismus wurde diese Entwicklung vorüber­gehend umgekehrt. In den Jahren nach 1933 wurden Frauen zunehmend aus Funktio- nen des öffentlichen Lebens sowie aus dem Erwerbsleben, insbesondere dem akademischen Bereich, verdrängt. So wurde beispielsweise der Zugang von Frauen zum Studium begrenzt, indem unter anderem der Anteil von Frauen bei Neueinschreibungen nicht über 10 Prozent liegen durfte. Darüber hinaus wurde Frauen der Beruf als Staatsanwältin oder Rechtsanwältin verboten und verheiratete Ärztinnen Flugblatt des Frauenreferats des Allgemeinen Studenten Ausschuss verloren ihre Kassenzulassung. (AStA) mit der Forderung nach Frauenbeauftragten (rechts): Im Juni 1987 fordert das kurz zuvor gegründete AStA-Frauenreferat im Rahmen der landesweiten Proteste gegen das neue Bayerische Heute liegt der Anteil der weiblichen Studienanfängerinnen Hochschul­gesetz (BHG) die Einführung von Frauenförderplänen und bei knapp der Hälfte (Stand Studienjahr 2014). Je nach Stu­ Frauenbeauftragten. Als das neue BHG 1988 verabschiedet wird, ist diengang schwankt dieser aber zum Teil erheblich. Im Stu­ das Amt der Frauenbeauftragten in Art. 34, Absatz 1 verankert. Dort dienjahr 2014 waren beispielsweise 13,3 Prozent der Stu­ heißt es: „Frauenbeauftragte achten auf die Vermeidung von Nach­ teilen für Wissenschaftlerinnen, weibliche Lehrpersonen und Studie- dierenden im Fach Maschinenbau weiblich und 16,5 Pro­zent rende; sie unterstützen die Hochschule in der Wahrnehmung ihrer im Fach Elektrotechnik. Im Fach Sozialwesen dagegen Aufgabe, die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und waren 86,6 Prozent Frauen und im Fach Veterinärmedizin Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile 86,2 Pro­zent. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass der hinzuwirken.“ Im Wintersemester 1988/89 wird mit Prof. Dr. Renate von Heydebrand (1933 – 2011) die erste Frauenbeauftragte an die LMU Frauen­anteil drastisch sinkt, je höher man in die wissen- bestellt. schaftliche Hierarchie blickt. Während rund 56 Prozent der Promotionen an der LMU von Frauen abgeschlossen wer- Das Frauenreferat der Katholischen Stiftungsfachhochschule bei der den, liegt der Frauenanteil bei den Habilitationen bei rund Demonstration gegen das BHG am 26. Juni 1987 auf dem Geschwis- ter-Scholl-Platz (links). 34 Prozent. Diese Tendenz zeigt sich bei den Professuren noch einmal deutlicher. Insgesamt liegt der Anteil weiblicher Professorinnen bei rund 20 Prozent und bei den am höchsten eingruppierten W3/C4 Professuren sogar nur bei 16 Pro- zent. (Zahlen zu den Promotionen, Habilitationen und Pro- fessuren stam­men aus dem Studienjahr 2014 der LMU).

32 33 Frauenforschung, Geschlechterforschung, Gender Studies

Mit der neuen Frauenbewegung entwickelte sich im Verlauf Im Oktober 1978 fand in Mün- der 1970er Jahre das Feld der Frauenforschung, die einer­ chen eine Tagung zur „Frauen- seits die politische und soziale Stellung von Frauen in der forschung in den Sozialwissen- schaften“ statt. 1979 schließlich Gesellschaft wissenschaftlich beleuchteten und Themen wurde die Sek­­tion Frauenfor- wie strukturelle Diskriminierung, Gewalt gegen Frauen, Pro­ schung in der Deut­schen Gesell- duk­tionsverhältnisse, Frauengeschichte etc. untersuchte und schaft für Sozio­logie ge­gründet andererseits aus einer feministischen und wissen­schafts­­ – eine der ersten bundesweiten Zusam­men­sch­lüsse feministi- kritischen Perspektive Forschung und Theoriebildung an den scher Wissenschaftlerinnen. Universitäten als solche benannte und in Frage stellte. Von Anfang an vervielfältigte sich die Frauenforschung in den wissenschaftlichen Disziplinen mit jeweils unterschiedlichen theoretischen und methodischen Zugängen. „Die sinnvollste Verbindung In München institutionalisierte sich die Frauenforschung in zwischen zwei Punkten ist die Spirale“ – so Erika Wisselink den 1980er Jahren unter anderem mit den Frauenstudien (1926 – 2001), die 1988 zusammen und der Frauenakademie München (FAM), die sich als ge- mit Helma Mirus den 1980 ge- meinnützige Vereine gründeten und mit ihren jeweils spezi- gründeten Verein Frauenstudien fischen Schwerpunkten der Frauenforschung widmeten und übernahm. „Die Frauenstudien organisieren Vorträge, Work- noch heute widmen. Eine der Frauen, die an der Gründung shops, Exkursionen und Reisen. des „Vereins zur Förderung der Frauenakademie München Nicht nur die Rechte von Frauen e.V.“ 1984 beteiligt waren, schildert den Hintergrund wie und das Wissen von Kulturleis­ folgt: „Was der FAM-Gründung vorausging, war die kritische tungen von Frauen werden erforscht, son­dern es geht den Analyse der Wissenschaft, vor allem die Geschlechterblind- Frauenstudien auch darum, heit in den Sozialwissenschaften, in denen die meisten von Lebens­entwürfe für die ganze uns gearbeitet haben. Diese Lücke wollten wir schließen. Gesellschaft weiterzuentwi- Und es war dezidiert so, dass wir wahrgenommen haben, ckeln, die von einzelnen Frauen und von Frauenbewegungen in dass wir als Frauen viel Terrain zu erobern hatten. Wir woll- die Welt gebracht wurden und ten uns als Frauen mit unserem Wissen, aber auch uns als werden.“ 2013 übernahm eine qualifizierte Personen Chancen eröffnen und dieses Umfeld neue Generation von Frauen die gestal­ten.“ 1994 wurde die FAM, deren Schwerpunkt auf Arbeit des Vereins.

34 35 der „theoretischen und empirischen Erforschung und Aus­ einandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen und Männern“ liegt, schließlich vom Freistaat Bayern als außeruniversitäre Forschungseinrichtung anerkannt und seit 1996 institutionell gefördert. Im Verlauf der 1990er und 2000er Jahre konnten sich die Geschlechterforschung / Gen- der Studies Schritt für Schritt und zum Teil gegen heftige Widerstände an den Universitäten etablieren. Seit Januar 2010 gibt es eine Fachgesellschaft Geschlechterstudien, in der sich Forschende, Lehrende und Studierende der unter- schiedlichen Disziplinen des Feldes wissenschaftlich aus­ tauschen und vernetzen.

Kundgebung im Lichthof der Uni­ versität vor dem Fackelzug der Studierenden zur Bücherverbrennung am Königsplatz am 10. Mai 1933.

Wissenschaft im Nationalsozialismus

„Ihr habt auch alle für Nazi-Deutschland gearbeitet und habt auch nie nur einen passiven Widerstand zu machen versucht. Gewiß, um Euer Gewissen los zu kaufen, habt Ihr hier und da einem bedrängten Menschen geholfen, aber Millionen unschuldiger Menschen hinmorden lassen, und keinerlei Protest wurde laut.“ Mit diesen Worten wendete sich die Physikerin Lise Meitner, die 1939 aus Deutschland vertrieben worden war, im Juni 1945 an ihren ehemaligen Kollegen den Chemiker Otto Hahn, der von 1928 bis 1946 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin

36 37 war und späterer Gründer und erster Präsident der aus 24 Nobelpreisträger aus Deutschland und Österreich fliehen. der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft hervorgegangenen Max- Den in Deutschland verbliebenen Wissenschaftler_innen Planck-Gesellschaft (e S. 88). Der Brief erreichte Hahn war es ab 1937 verboten, den Nobelpreis anzunehmen, nicht, wie sie später selbst auf einem Durchschlag hand- nachdem 1936 der Friedensnobelpreis an den Journalisten schriftlich notierte. Dennoch hat die Anklage, die sie gegen- und Pazifisten Carl von Ossietzky (1889 – 1938) verliehen über den Wissenschaftlern formulierte, auch über 70 Jahre worden war. nachdem Lise Meitner diese Zeilen verfasst hat, nichts an ihrer Aktualität verloren: „Solange nur wir die schlaflosen Die Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitute Nächte haben und nicht Ihr, solange wird es in Deutschland stellten sich in den Dienst des NS-Regimes, und an der nicht besser werden. Aber ihr hattet keine schlaflosen Spitze mancher Institutionen standen überzeugte National- Nächte. Ihr habt nicht sehen wollen, es war zu unbequem.“ sozialisten wie beispielsweise der Historiker Karl Alexander Die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaftsinsti­ von Müller als Präsident der Bayerischen Akademie der Wis- tutionen und Wissenschaftler_innen während der NS-Zeit senschaften (e S. 81). Und auch Teile der Studenten­schaft wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges lange Zeit nicht betätigten sich aktiv, wie die maßgeblich vom Nationalsozia- und allenfalls sehr oberflächlich thematisiert. Erst seit den listischen Deutschen Studentenbund initiierte „Bücherver- späten 1980er Jahren ist eine intensivere Auseinanderset- brennung“ am 10. Mai 1933 auf dem Königsplatz offenbart. zung mit den Verstrickungen der Universitäten, Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen in den Nationalsozialis- Die nationalsozialistische Durchdringung des Wissenschafts- mus zu beobachten. betriebes betraf alle Disziplinen von den Naturwissenschaf- ten bis zu den Geistes-, Kultur-, Sprach- oder Agrarwissen- Nach der Machtübernahme der NSDAP begannen in Folge schaften und war geprägt von einerseits Anpassungsdruck des antisemitischen und rassistischen „Gesetzes zur Wie- und andererseits bereitwilliger Mitwirkungsbereitschaft. derherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 In vielen Fällen erfolgte die Forschung etwa im Sinne einer Massenentlassungen an den deutschen Hochschulen. NS-Weltanschauungswissenschaft nicht unter politischem Von den etwa 1000 entlassenen Wissenschaftler_innen in Druck, sondern auch aus eigenem Interesse. In der zweiten Deutschland waren ungefähr vier Fünftel jüdischer Herkunft. Hälfte der 1930er Jahre steigerte sich im Zuge der Kriegs- Weitere verließen die Universitäten „freiwillig“ aus politi- vorbereitungen des NS-Regimes auch die rüstungs- und schen Gründen. Allgemein wird heute von einem umfangrei- kriegsrelevante Forschung. Dazu wurden parallel zu den be- chen wissenschaftlichen Substanzverlust durch die Vertrei- stehenden Institutionen eine Reihe von neuen Forschungs- bung der Wissenschaftler_innen gesprochen. Ein Hinweis zentren vom NS-Regime ins Leben gerufen, die einen eigenen darauf ist auch die große Zahl von Nobelpreisträgern unter militärisch-technisch-wissenschaftlichen Komplex bildeten. den emigrierten Wissenschaftlern. Inklusive derjenigen, die den Nobelpreis erst nach der Vertreibung erhielten, mussten

38 39 Die wenigsten Wissenschaftler_innen stellten sich dem In einigen Fällen finden sich im Münch­ entgegen, und nicht selten stand die wissenschaftliche ner Wissenschaftsbetrieb auch schon Arbeit voll und ganz im Dienste des Nationalsozialismus. lange vor 1933 Forschungsrichtungen, Der Historiker Reinhard Rürup spricht bezogen auf die die für die Entwicklung der national­ Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (e S. 90ff.) von Grenzen, die sozialistischen Ideologie eine wichtige in der wissenschaftlichen Arbeit überschritten wurden, Rolle spielten. München entwickelte „die zuvor als unantastbar gegolten hatten“: „Das betrifft sich beispielsweise schon vor dem die ‚rassenhygienischen‘ Maßnahmen, Menschenversuche Ersten Weltkrieg zu einem „Zentrum an KZ-Häftlingen oder Kriegsgefangenen, die Arbeit mit der Rassenhygiene“. Einflussreiche menschlichem ‚Material‘, das von Opfern der NS-Verbrechen Wissen­schaftler wie Ernst Rüdin (e S. stammte, die Entwicklung chemischer Kampfstoffe, die 165) forschten mit dem Ziel zur „Aus- Ausplünderung von Forschungsstätten in den besetzten merze“ vermeintlich „minderwertiger Gebieten und anderes mehr.“ Ele­mente“. Die erste deutsche Pro­ fessur für Rassenhygiene wurde 1923 München als Wissenschaftsstandort konnte von dem natio- an der Universität München mit dem nalsozialistischen Rüstungsboom langfristig profitieren, wie Anthropologen Fritz Lenz (1887­ – 1976) der Münchner Wissenschaftshistoriker Helmuth Trischler besetzt. Ab 1933 wirkten Wissen- ausführt. Der Ausbau der Luftfahrtforschung führte beispiels- schaftler wie Ernst Rüdin oder Fritz weise zur Gründung des Flugfunkforschungsinstituts Ober- Lenz auch an der Planung und Durch- pfaffenhofen 1937, das heute als einer der größten Standor- führung rassenpoli­tischer Maßnahmen te des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gilt. mit. Vor allem profitierte Bayern und damit auch München von der Verlagerung von Forschung und Industrie in der letzten Johannes Nikolaus Stark (1874 – 1957, Aufnahme von 1919) wurde Phase des Zweiten Weltkrieges in den Süden des Deutschen 1919 mit dem Nobel­preis für Physik für die Entdeckung des Doppler- Reiches. Diese Strukturveränderungen nutzten langfristig Effekts in Kanal­strahlen und des Nachweises der Aufspaltung der Spektrallinien in elektrischen Feldern ausgezeichnet. Er studierte und beispielsweise der TH München (e S. 127) und verschafften promovierte an der LMU in München. Stark war ein Vertreter der anti- der Hochschule laut Trischler nach Kriegsende einen erheb­ semitischen „Deutschen Physik” und Anhänger des Nationalsozialis- lichen Standortvorteil. Sie ebneten ihren „Weg zu High- mus. Nach 1945 sagten im Entnazifizierungsverfahren die Physiker Tech“. , Arnold Sommerfeld und Werner Heisenberg gegen ihn aus. Im Berufungsverfahren wurde er 1949 als Mitläufer zu einer Geldstrafe verurteilt.

40 41 Der Historiker Karl Alexander von Müller (1882 – 1964) mit Peter Dörfler (Schriftsteller) und dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss bei einem Empfang für Theodor Heuss in München im Juni 1954 (von li. nach re.). Müller trat 1933 der NSDAP bei und wurde 1936 als Prä­si­ dent der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) ein­ge­ setzt. Von 1928 bis 1945 hatte er eine Professur an der LMU München (e S. 103) inne. Von 1935 bis 1944 war er Herausgeber der Histori­ schen Zeitschrift und leitete formell die Münchner „Forschungs­ab­tei­ lung Judenfrage“, eine Abteilung des „Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutsch­land“. 1943 wurde Müller als Präsident der Aka­ demie abgewählt. Mit dem Rechtshistoriker Mariano San Nicoló trat ein weiteres NSDAP-Mitglied die Nachfolge an. Zwischen 1933 und 1945 war die Arbeit der Akademie stark von den ideologischen Vorbedingungen geprägt. Die vier wesentlichen Maß­nah­men der NS-Regierung, Durchsetzung des „Führerprinzips“, Satzungsänderung, Eingriffe in das Wahlsystem und Verfolgung „nichtarischer“ Mitglieder und Mitarbeiter, wurden der Akademie aufgezwungen. Zahlreiche Parteimitglieder wurden aufgenommen, zugleich schloss die Akademie die jüdischen Mitglieder Lucian Scher- man, Alfred Pringsheim, Richard Willstätter und Heinrich Liebmann Während der NS-Zeit wurden Räume des Deutschen Museums für aus. Propagandaveranstaltungen genutzt: 1936 wurde die „Große antibol- schewistische Schau” gezeigt und 1937 die antisemitische Ausstel- lung „Der ewige Jude” (hier im Bild). Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme und dem Rücktritt Oskar von Millers als Leiter des Deutschen Museums 1933 war der neue Vorstand offen für eine Kooperation mit dem NS-Regime. Einige Schwerpunkte, wie beispielsweise die Halle für Kraftfahrwesen, wurden ausgebaut und auch Panzermodelle präsentiert. Außerdem wurden Passagen der Texttafeln gestrichen, die auf Erfindungen jüdischer Wis­sen­schaftler verwiesen hatten. Nach 1945 war die Ko- operation des Deutschen Museums mit dem NS-Regime lange kein Thema. 2010 veröffentlichte das Deutsche Museum schließlich eine umfassende Studie, die sich mit der eigenen Geschichte zwischen 1933 und 1945 auseinandersetzt.

42 43 Die Wissenschaftslinie U6

Die Topografie der Wissenschafts- Garching- landschaft Münchens lässt sich Forschungszentrum anhand der Stationen der Linie U6 Garching erschließen. Da die Strecke verschie­ Fröttmaning dene Einrichtungen der Münchner Kieferngarten Universitäten verbindet, trägt die Linie schon seit einigen Jahren den Freimann inoffiziellen Namen „Wissenschafts- Studentenstadt linie”. Nach der geplanten Verlänge- Alte Heide rung nach Martinsried wer­den die Nordfriedhof dortigen Institute der LMU (Medizin, Dietlindenstraße Chemie, Pharmazie, Biologie und Münchner Freiheit Lebenswissenschaften) über den „Campus Großhadern” (Klinikum Giselastraße Großhadern), den „Campus Innen- Universität Seit 2006 ist der U-Bahnhof Garching- stadt” (Klinikviertel, Goetheplatz / Odeonsplatz Forschungszentrum (Aufnahme von Sendlinger Tor), das Hauptgebäude Marienplatz 2016) das nördliche Ende der „Wissen- der LMU (Universität) direkt mit dem schaftslinie“ U6. Sendlinger Tor Areal der Technischen Universität München (TUM) in Garching-For- Goetheplatz schungszentrum verbunden sein. Poccistraße Implerstraße Darüber hinaus finden sich noch Harras weitere wissenschaftliche Einrich­ Partnachplatz tungen und Spuren bekannter Westpark Münchner Wissenschaftler_innen und Münchner Nobelpreisträger in Holzapfelkreuth der Nähe der Haltestellen der U6, Haderner Stern so dass sich die Streckenführung Großhadern durchaus eignet, um einen Eindruck Klinikum der Münchner Wissenschaftsland- Großhadern schaft zu vermitteln. 44 45 Zentrum für med. Laser-Anwendungen Technologie- u. Zentralinstitut für Katalyseforschung Gründerzentrum Fakultät f. Fakultät1 für Chemie Physik (LMU) Walter-Schottky- Ausbildungszentrum (TUM) Institut Entrepreneurship- Zentrum Mensa Fakultät f. Physik4 (TUM) Exzellenzzentrum Forschungs-5 Fakultät für Neutronenquelle Maschinenwesen3 Heinz-Meier-Leibnitz Zentrum Garching-Forschungszentrum Radiochemie Zengtralinstitut f. Medizintechnik Walther-Meißner- Institut

Fak. f. Informatik Garching-Forschungszentrum u. Mathematik (TUM) Max-Planck-Institut Der Forschungsreaktor (FRM) – das sogenannte Atom-Ei – Leibnitz- war 1957 die Keimzelle des heutigen wissenschaftlichen Rechenzentrum Max-Planck-Inst. Zentrums in Garching. Das Forschungsgelände wuchs seit 2 extrat.6 Physik Astrophysik Anfang der 1960er Jahre stetig und zählte mit dem Haupt- Speicherbibliothek der arbeitsgebiet der Kernforschung bald zu einer neuen Gene- Bayer. Staatsbibliothek Max-Planck-Institut Europäische ration von Großforschungsanlagen, die ab Mitte der 1950er für Quantenoptik Südsternwarte Jahre in der Bundesrepublik Deutschland entstanden. Den Anfang in Garching machte das Max-Planck-Institut für Plas- maphysik mit Werner Heisenberg (e S. 63), das sich 1960 auf dem Gelände ansiedelte, gefolgt von weiteren Instituten 1 TUM Fakultät für Chemie 4 TUM Fakultät für Physik der Max-Planck-Gesellschaft. Ab 1970 wechselte schließlich

Lichtenbergstr. 4, James-Franck-Str. 1, die Fakultät für Physik der Technischen Universität München 85748 Garching 85748 Garching (TUM) (e S. 127) auf den Campus. Heute befindet sich mit 2 Oskar-von-Miller Turm 5 „Atom-Ei“ den Fakultäten für Mathematik, Informatik, Chemie und Ludwig-Prandtl-Str. 1, Lichtenbergstr. 1 Maschinenwesen der größte Standort der TUM in Garching. 85748 Garching (zwischen Lichtenberg- Weitere sowohl universitäre als auch außeruniversitäre 3 TUM Fakultät für und Walter-Meißner-Str.), naturwissenschaftliche und technische Forschungseinrich- Maschinenwesen 85748 Garching Boltzmannstr. 15, tungen, wie beispielsweise die Bayerische Akademie der 6 Max-Planck-Institut 85748 Garching Wissenschaften (Walther-Meißner-Institut und Leibniz-Re- für Astrophysik Karl-Schwarzschild-Str. 1, chenzentrum) (e S. 81), die Ludwig-Maximilians-Universität 85748 Garching 46 47 Seit 2010 befindet sich auf dem Campus Garching gewisser­ maßen als zweites Wahrzeichen neben dem „Atom-Ei” der 50 Meter hohe Meteoturm (Oskar-von-Miller Wetter-Turm, Aufnahme von 2012). Er re­gis­ triert Windge­ schwin­ dig­ keit,­ Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung, Luftdruck und Niederschlag.­

München (e S. 103), die Fraunhofer-Gesellschaft (e S. 18) Optische Verzögerungsleitung zur Vergröße- oder der Hauptsitz der Europäischen Südsternwarte (ESO) rung der effektiven Armlänge des Interfero- machen Garching zu einem der modernsten Forschungs- meters im Institut für Astrophysik des Max- Planck-Instituts für Physik und Astrophysik, zentren Deutschlands. Inzwischen ist der Campus mit etwa Aufnahme von 1977. 14.000 Studierenden und rund 6000 Beschäftigten (Stand 2015) einer der größten Wissenschaftsstandorte Deutsch- lands. Die Entwicklung mit immer neuen Bauprojekten zeigt auch die Dynamik und Qualität des Standortes im Norden Garchings. Eine Studie der Fakultät für Architektur der TUM stellte allerdings 2013 fest, der Campus leide unter der Abwesenheit städtischer Heterogenität: „Am Ende des Studien- und Arbeitstages ist die U-Bahn überfüllt, weil Studierende und Forschende den Ort so bald wie möglich verlassen möchten.“

48 49 1 Leibniz-Rechenzentrum der 23 Exzellenzcluster Universe Das Forschungszentrum Garching beherbergt heute eine Vielzahl von BAdW 24 Zentrum für Angewandte wissenschaftlichen Einrichtungen. Neben der Lehre oder physikalischer 2 Fakultät für Mathematik der Energieforschung e.V. Grundlagenforschung in verschiedenen Bereichen umfassen die Arbeits- TUM (ZAE Bayern) felder der Institutionen und Unternehmen auch die technische Entwick- 3 Fakultät für Mathematik der 25 Walter-Meißner-Institut für lung und anwendungsorientierte Forschung: TUM Tieftemperaturforschung 4 IMETUM – Zentralinstitut für 26 Max-Planck-Institut für Medizintechnik der TUM Plasmaphysik (IPP) 5 Fakultät für Maschinenwesen 27 Max-Planck-Institut für der TUM extraterrestrische Physik 12 6 Exzellenzzentrum der TUM 28 Max-Planck-Institut für 7 Institute for Advanced Study Astrophysik 16 der TUM 29 European Southern 10 13 8 Mensa des Studentenwerks Observatory (ESO) 11 15 9 14 17 München + C2 Campus Cneipe 30 Max-Planck-Institut für 9 Department Chemie der TUM Quantenphysik 8 18 19 10 Zentralinstitut für 31 Speicherbibliothek der Baye- Katalyseforschung der TUM rischen Staatsbibliothek 7 33 20 11 Garchinger Technologie- 32 Feuerwehr der TUM und Gründerzentrum 33 Ingeborg-Ortner-Kinderhaus 6 12 General Electric Global 21 Research Center 5 13 Exzellenzcluster MAP 14 Physik der LMU München 15 Walter Schottky Institut 22 25 24 der TUM 4 16 Lehrstuhl für Siedlungs­ 23 wasserwirtschaft der TUM 17 Maier-Leibnitz-Laboratorium 26 3 18 Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH 2 19 Institut für Sicherheits­ 27 technologie (ISTec) GmbH 1 20 Physik Department der TUM 28 21 FRM II: Forschungs- Neutronenquelle der TUM 32 22 Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der TUM 31 30 29

50 51 Das Garchinger „Atom-Ei“

Das „Atom-Ei“ hat die Gemeinde Garching international be- kannt gemacht – seit 1967 trägt sie es als ihr Wahrzeichen im Wappen. Seit seiner Stilllegung im Jahr 2000 kann es als Sehenswürdigkeit besucht werden. Das „Atom-Ei” erinnert darüber hinaus an die Auseinandersetzungen um die Atom­- kraft in den vergangenen Jahrzehnten: Während beispiels- weise die Gestaltung der Speisekarte beim Richtfest 1957 noch für eine gewisse Unbefangenheit im Umgang mit nu- klearer Forschung steht (siehe S. 54), wurde sowohl der Betrieb des Reaktors als auch des Nachfolgers von der Anti- atombewegung und Bürger_inneninitiativen kritisiert, da hoch angereichertes, atomwaffentaugliches Uran als Brenn- stoff benutzt wurde. Die Forschungs-Neutronenquelle ist

Atomkraftgegner_ innen protestierten 2004 gegen die Eröff­nung des For- schungsreaktors FRM II in Garching. Die von der Siemens AG er­rich­­te­te neue For­schungs­­neu­tro­ Baustelle des Forschungsreaktors 1957. nen­quelle ging 2005 in den Routinebetrieb und ersetzte das schon im Jahr 2000 stillgelegte­ „Atom- Ei”.

52 53 heute die leistungsfähigste der Welt. Über 50 Prozent aller Experimente dort werden von Wissenschaftler_innen aus dem Ausland durchgeführt. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Forschung zu Krebstherapeutika, Energiespeicherung, Datensicherung und Informationssystemen.

Nach den Ansprachen beim Richtfest 1957 für das „Atom- Ei” in Garching in Anwesenheit u.a. des bayerischen Minis­ terpräsidenten Dr. Wilhelm Hoegner und Münchens Ober­ bürgermeister Thomas Wimmer bekamen die Ehrengäste eine „Atom-Mahlzeit“ serviert: „Uranstäbe (Weißwürste) mit Brötchen, Vorfluterbrühe mit Kerneinlage (Leberknödel­ suppe), Neutronenschlegel (Kalbfleisch) mit Rahmsauce, ein Stück Fettisotop (Nachspeise), radioaktives Kühlwasser (Bier) und Garchinger Gammadunst (Käse)” standen auf der Speisekarte. Auch unterhielten „Atomgeschütze“ baye­ rischen Humors wie Michl Ehbauer, Schorsch Blädl und Liesl Karlstadt die Gäste beim Richtschmaus. Das Garchinger „Atom-Ei” 1966. Der Forschungsreaktor war die erste nukleare Anlage in der Bundesrepublik Deutschland. Heute steht die Anlage unter Denkmalschutz.

54 55 Ehrungen berühmter Wissenschaftler_innen in Garching

Mehrere Straßen des Campus sind nach herausragenden Wissenschaftlern und Physikern benannt, wie beispiels­ weise die Boltzmannstraße nach dem Physiker Ludwig Boltz­ mann (1844 – 1906), die Karl-Schwarzschild-Straße nach dem Astronomen und Physiker Karl Schwarzschild (1873 – 1916) oder nach dem im nahegelegenen Freising geborenen Physi- ker, Hydro- und Aerodynamiker Ludwig Prandtl (1875 – 1953), dem Namensgeber der Ludwig-Prandtl-Straße. Auch dem ersten deutschen Professor für Experimentalphysik Georg Protest (oben) ge- Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) ist eine Straße gewid- gen die umstrittene met. Mit der Walther-Meißner-Straße wird der gleichnamige Ehrentafel für den Münchner Physiker (1882 – 1974) gewürdigt, der bis zu seiner Flugzeugbauer Willy Messerschmitt (un- Emeritierung 1952 an der Technischen Hochschule München ten), Aufnahmen von einen Lehrstuhl inne hatte und unter anderem für seine Tief- 2004 (Protest) und temperaturforschungen bekannt wurde.Von 1946 bis 1950 2016 (Tafel). war Meißner Präsident der Bayerischen Akademie der Wis- senschaften, die 1982 das Institut für Tieftemperaturfor- Zur Eröffnung der U-Bahnstation Garching-Forschungszen­ schung in Garching nach ihm benannte. trum im Jahr 2006 wurde der U-Bahnhof mit Bildtafeln gestaltet, die 26 Persönlichkeiten der Wissenschaft port- Die Ehrentafeln für rätieren. Unter ihnen befinden sich neben Albert Einstein, die Physikerin Lise Wilhelm Conrad Röntgen, Max Planck und Lise Meitner die Meitner (oben) und umstrittenen Flugzeugbauer Claude Dornier und Willy Mes- den Nobelpreisträ- ger Hans Fischer serschmitt. Nach Kritik dieser Würdigung durch die Israeli- (unten) im U-Bahn­ tische Kultusgemeinde Münchens und anderer wurden die hof Garching-For­ Ehrungen von Messerschmitt und Dornier zwar nicht unter- schungszentrum, lassen, aber deren Unterstützung der NS-Kriegsproduktion Aufnahmen von 2016. ergänzt. Auf derjenigen zu Claude Dornier ist als ergänzen- der Satz zu lesen: „[...] Seine Firmen bauten während des Zweiten Weltkrieges Kampfflugzeuge, auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, von denen viele dabei zu Tode kamen.“

56 57 Hans Fischer (1881 – 1945) stu­ dierte ab 1904 in München Medi- zin und leitete zwischen 1911 und 1915 eine Abteilung am Physio­ logischen Institut im Münchner Klinikviertel (e S. 155), bevor er zum Professor an der LMU er- nannt wurde. 1921 übernahm er an der Technischen Hochschule München den Lehrstuhl für ­Organische Chemie von Heinrich Wieland (e S. 149). 1930 wurde der Chemiker und Mediziner für seine „Arbeiten über den strukturellen Aufbau der Blut- und Pflanzenfarbstoffe sowie für die Synthese des ­Hämins“ mit dem Nobelpreis ­ für Chemie ausgezeichnet. Während des NS-Regimes ver- suchte er auf Grund seiner regimekritischen Einstellung Ehrengalerie der Nobelpreisträger der Fakul- seinen Lehrstuhl von NS-Ein­flüs­ tät für Chemie der Technischen Universität sen abzuschirmen. 1945 nahm München in Garching (Ernst Otto Fischer, sich Fischer das Leben. , Hans Fischer und Robert Huber), Aufnahme von 2016. An der Fakultät für Chemie der TUM in Garching wird mehrfach an den Nobelpreisträger Hans Fischer erinnert. Neben einer Büste in der Ehrengalerie der Chemie-Nobelpreisträger und einem nach ihm benannten Hör­ saal, befindet sich vor der Biblio­ thek eine Fischer gewid­mete Vitrine (Aufnahme von 2016).

58 59 Die Nobelpreisträger für Physik Theodor W. Hänsch und auf einem Empfang der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) im Jahr 2005. Die beiden Wissenschaftler verbindet unter anderem ihre Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Quanten­optik in Garching.

Theodor W. Hänsch (*1941) wurde 2005 (gemeinsam mit John Lewis Hall und Roy J. Glauber) der Nobelpreis für Physik für die „Entwick- lung des Frequenzkamms in Verbindung mit seinen übrigen Leistun­ gen in der Laserspektroskopie” verliehen. Seit 1986 ist Hänsch Pro- fessor an der LMU in München und leitet das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München. Prof. Hänsch ist seit dem 1. November 2016 emeritiertes wissenschaftliches Mitglied des MPI für Quantenoptik, aber weiterhin Leiter der Emeritus-Gruppe Quan- tenspektroskopie, zugleich hat Prof. Hänsch seit 2006 die zeitlich nicht befristete Carl Friedrich von Siemens Professur an der LMU inne. Wolfgang Ketterle (*1957) erhielt 2001 zusammen mit Eric A. Cornell und Carl E. Wiemann den Nobelpreis für Physik für die „Erzeugung der Bose-Einstein-Kondensation in verdünnten Gasen aus Alkaliatomen und für frühe grundsätzliche Studien über die Eigenschaften der Kondensate“. Ketterle studierte unter anderem an der Technischen Universität in München und forschte anschließend am Max-Planck- Institut für Quantenoptik in Garching. 1986 promovierte er an der LMU München. 1990 wechselte er in die USA und lehrt heute am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der Physiker und Nobelpreisträger Rudolf Mößbauer (1929 – 2011, Aufnahme von 1977) vor dem „Atom-Ei” in Garching. 1961 wurde Mößbauer zusammen mit für seine Untersuchun- gen zur Resonanzabsorption von Gammastrahlung und die in diesem Zusammenhang gemachte Entdeckung des nach ihm benannten Effektes der Nobelpreis für Physik zuerkannt geteilt mit Robert Hof- stadter. Mößbauer studierte bis 1955 in München und promovierte 1958 an der Technischen Hochschule München. Mit Unterbrechun- gen war er bis zu seiner Emeritie­rung 1997 an der TUM tätig. Ende der 1960er Jahre unterstützte der Nobelpreisträger den Umzug des Physik-Departments nach Garching.

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Studentenstadt

Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut)

Nicht weit entfernt von der U-Bahnstation Studentenstadt befindet sich am Föhringer Ring 6 seit 1958 das Max- Planck-Institut für Physik. Die 1917 in Berlin als Kaiser-Wil- helm-Institut (KWI) für Physik gegründete Forschungsein- richtung war seitdem an den Standorten in Berlin, Göttingen und München Wirkungsstätte zahlreicher herausragender Wissenschaftler. Albert Einstein leitete das Institut bis zu sei­ner Emigration 1933. Allerdings betrieb das KWI für Phy- sik bis Mitte der 1930er Jahre keine eigene Forschung, son- dern fungierte als Instanz zur Vergabe von Fördermitteln. Max von Laue (1879 – 1960), der 1914 den Nobelpreis für 1 Max-Planck-Institut für Physik Physik „für seine Entdeckung der Beugung von Röntgen-

Föhringer Ring 6 strahlen beim Durchgang durch Kristallgitter“ erhielt, wurde 1922 Vize­direk­tor der Einrichtung. Die nobelpreiswürdige Entdeckung machte Laue während er von 1909 bis 1912 an der LMU München als Privatdozent am Institut für theore­ tische Physik bei Arnold Sommerfeld (e S. 110) tätig war.

62 63 Eine Gedenk­tafel im Innenhof der LMU am Ort des ehemaligen Institutes von Sommerfeld erinnert an Laues Ent­deckung 1912.

Werner Heisenberg (1901 – 1976) war in München aufgewachsen. Der Phy- sik-Nobelpreisträger von 1932, wurde 1942 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Insti- tuts für Physik in Berlin. Nach Kriegs­ ende konnte das Institut unter dem Namen Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen weitergeführt werden. und hatte dort die wissenschaftliche Das Max-Planck- Als Max-Planck-Institut für Physik und Hauptleitung des deutschen Uranpro- Institut für Physik in Astro­physik siedelte die Forschungs- jekts inne, welches die Atomenergie München-Freimann kurz nach der Eröff- einrichtung 1958 nach München über. zunächst auch für militärische Zwecke nung 1960. Den Neubau hatte der renommierte nutzbar machen sollte. Für diese For- Münchner­ Architekt Sep Ruf (1908 – schung und seine indiffe­rente Haltung Max von Laue im 1982) entworfen. zum NS-Regime wurde Heisenberg Deutschen Museum wiederholt kritisiert. 1957 war er einer anlässlich des 50jäh- Heisenberg wurde 1932 mit dem No­­bel­­ der 18 Unterzeichner des „Göttinger rigen Jubiläums 1953. preis für Physik für seine Begründung Manifests“, in dem sich führende deut- der Quantenmechanik geehrt, der phy- sche Atomphysiker gegen die Aufrüs- sikalischen Theorie zur Beschreibung tung der Bundeswehr mit Atomwaffen der Moleküle, Atome, Atomkerne, Ele- wendeten. mentarteilchen und ihrer Gesetzmäßig- keiten. Heisenberg besuchte in Mün- Von 1958 bis 1970 war Heisenberg chen das Gymnasium und studierte bis Direktor am Max-Planck-Institut für 1924 bei Arnold Sommerfeld Physik Physik in München. 1960 war er ent- an der Ludwig-Maximilians-Universität scheidend an der Gründung des In­sti­ (e S. 103). Während des NS-Regimes tuts für Plasmaphysik in Garching leitete er von 1942 – 1945 das Kaiser- (e S. 47) beteiligt. Sein Grab befindet Wilhelm-Institut für Physik in Berlin sich auf dem Waldfriedhof (e S. 183)

64 65 in München. Zu Ehren Werner Heisen- bergs erhielt das Institut in Freimann nach seinem Tod 1976 den Zunamen „Werner-Heisenberg-Institut“. Büsten, die an den Wissenschaftler erinnern, finden sich in München sowohl in der Ruhmeshalle an der Bavaria (e S. 175) als auch in der Ehrenhalle des Deut- schen Museums (e S. 212).

Zu den zahlreichen bekannten Wissen­ schaftlern, die unter Heisenberg am Föhringer Ring arbeiteten, zählen der Physiker, Philosoph und Friedensfor- scher Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 – 2007) und Hans-Peter Dürr (1929 – 2014), der das Institut bis 1997 leitete. Dürr war über viele Jahre enger Mitarbeiter Heisenbergs und machte sich einen Namen als Kritiker sowohl der friedlichen als auch militärischen Oben: Der Architekt des Instituts für Physik, Nutzung der Kernenergie. 1987 erhielt Sep Ruf, und Werner Heisenberg im Gespräch er für sein Engagement den alterna­ anläßlich der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste im Prinz-Carl- Der Nobelpreis­ tiven Nobelpreis (e S. 204) und 1995 Palais am 7. Juli 1967. träger Werner wurde der Gruppe internationaler For­ Heisenberg, scher und Wissenschaftler „Pug­wash Links: Zu seinem 100. Geburtstag widmete Aufnahme von 1933. Conferences of Science and World die Deutsche Post AG 2001 dem Nobelpreis- träger Werner Heisenberg eine Briefmarke. Affairs“, der Dürr angehörte, der Frie- densnobelpreis „für ihre Anstrengun- gen, die Rolle von Atomwaffen in der internationalen Politik zu verringern“ verliehen.

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Münchner Freiheit

Ricarda Huch – Schriftstellerin, Dichterin und Historikerin

Ricarda Huch (1864 – 1947) wuchs in Braunschweig auf und ging 1886 nach Zürich. Dort immatrikulierte sie sich 1888 an der Universität, studierte Geschichte, Philosophie und Philo­ logie, promovierte und erhielt das Diplom für das höhere Lehramt. Anders als im Deutschen Reich war es Frauen in der Schweiz seit den 1860er Jahren möglich, Geistes­wis­sen­­ schaften zu studieren. In Zürich lernte sie auch die Biologin Marianne Plehn (1863 – 1946) kennen, die ab 1898 an der Königlichen Tierärztlichen Hochschule München Fischkrank- heiten erforschte. 1910 wurde Plehn als einziger Frau an 1 Ricarda-Huch-Realschule der späteren Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians- Wilhelmstr. 29a Universität (e S. 103) die Ehrendoktorwürde verliehen.

Ab 1900 verbrachte Ricarda Huch, mit Unterbrechungen, 21 Jahre ihres Lebens in München, bis sie 1927 nach Berlin zog. 1924 wurde sie zur Ehrensenatorin der LMU in Mün- chen berufen und 1928 für den Nobelpreis für Literatur vor- geschlagen, den aber Thomas Mann (e S. 76) erhielt.

68 69 Huch verfasste Gedichte, Romane sowie historische Darstellungen. Während des National­sozialismus emi- grierte sie nicht, son­dern lebte bis zu ihrem Tod 1947 zurückgezogen in Jena.

1965 wurde die städtische Mädchen- mittelschule an der Wilhelmstraße 29 in Schwabing in Städtische Ricarda- Huch-Realschule umbenannt. Seit 1983 erinnert dort außerdem ein Bronze­ abguss, gestaltet nach einer Marmor­ büste aus der Zentralbibliothek in Zürich, an Ricarda Huch. Seit 1974 ehrt die Ricarda-Huch-Straße im Münchner Norden ihr literarisches Wirken.

Die Ricarda-Huch-Realschule in der Wilhelm- straße 29 in München-Schwabing, nicht weit von der Münchner Freiheit entfernt, Aufnahme von 2013.

Die Schriftstellerin Ricarda Huch, Radie­ rung von Johann Lindner, 1904, nach einer Fotografie des Atelier Elvira aus dem Jahr 1901.

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Giselastraße 1 „Schweinchenbau“ 2 3 Direkt an der U-Bahnstation Giselastraße findet sich an der Leopoldstraße 13 der aufgrund seiner rosa Farbe „Schwein­chenbau“ genannte Gebäudekomplex. In den Bau der archi­tektonischen Postmoderne zwischen der Mensa des Studentenwerk Münchens (e S. 103) und der Leopoldstraße zog 1985 auch die Fakultät für Psychologie und Pädagogik ein.

Neben der Mensa findet sich das Studentenwerk München, in dem auch die Studierendenvertretung (StuVe) unter­ 1 Fakultät für Psychologie 3 Ehem. Wohnhaus gebracht ist. Nachdem die ver­fasste Studentenschaft und Pädagogik Ludwig Quidde (Allgemeiner Studenten Ausschuss/AStA) mit dem baye­ („Schweinchenbau“) Gedonstr. 4 rischen Hochschulgesetz 1973 abgeschafft worden war, Lepoldstr. 13 4 Ehem. Wohnhaus gab es bis 2007 an dieser Adresse weiter einen AStA als 2 Institut für Soziologe Thomas Mann Parallel­modell zur offiziellen Studierendenvertretung. Konradstr. 6 Franz-Joseph-Str. 2

72 73 Institut für Soziologie Ludwig Quidde Historiker, Pazifist und Friedensnobelpreisträger Der an die Mensa grenzende kleine Leopoldpark führt in die Konradstraße, 2011 wurde am früheren Wohnhaus von Ludwig Quidde in der im Haus Nummer sechs seit (1858 – 1941) in der Gedonstraße 4 eine Gedenktafel ent­ 1963 das Institut für Soziologie (IfS) der hüllt. Die Landeshauptstadt München ehrte damit den LMU seinen Sitz hat. Das IfS zählt zu Friedensaktivisten, der sich schon um 1900 im Deutschen den angesehensten Einrichtungen des Kaiserreich gegen Krieg und Militarismus engagierte. Seit Faches in Deutschland. Als Vordenker Anfang der 1890er Jahre lebte und arbeitete der 1858 in der Soziologie in München zählt Max Bremen geborene Quidde in München. Der promovierte Weber (1864 – 1920), der 1919 den Historiker war seit 1887 außerordentliches Mitglied der Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) und LMU übernahm, aber schon im nächs­ organisierte 1893 den ersten deutschen Historikertag in ten Jahr verstarb. Weber gilt als einer München. der bedeutendsten soziologischen Den­­ ker und u.a. als Begründer der Herr- Für die bürgerlich-demokratische Deutsche Volkspartei schafts-, Wirtschafts- und Religions­ wurde der Pazifist 1907 erstmals in den bayerischen Land- soziologie. An seinem letzten Wohnort tag gewählt. Im gleichen Jahr organisierte er den 16. Welt- Am 7. November in der Seestraße 16 in München ist friedenskongress in München. 1917 hielt Max eine Gedenktafel für Max Weber ange- Weber (1864 – 1920) bracht. Auf Initiative des renommierten im Kunstsaal der Münchner Buch- Soziologen Ulrich Beck (1944 – 2015) handlung Steinicke wurde 1998 der Max-Weber-Platz in Ludwig Quidde (sitzende Reihe, Dritter von seinen Vortrag „Wis- München-Haidhausen zusätzlich dem links) auf dem Weltfriedenskongress in senschaft als Beruf“, gleichnamigen Soziologen gewidmet. München 1907. der 1919 als Aufsatz veröffentlicht wurde Im Gebäude des IfS erinnert eine und neben „Politik „Bildergalerie“ an weitere international als Beruf“ zu seinen bekannte Soziologen. bekannteren Veröf- fentlichungen zählt. Max Weber gilt heute In der Konradstraße 11 lebte 1903 als ein Klassiker der der Schriftsteller und spätere Literatur­ Soziologie. nobelpreisträger Thomas Mann (e S. 76).

74 75 1924 wurde Quidde wegen Landesverrats angeklagt und kurzzeitig inhaftiert, nachdem er in einem Artikel die nach dem Versailler Vertrag unerlaubte Auf­rüstung der deutschen Reichswehr aufgedeckt hatte. 1927 erhielt er den Friedens- nobelpreis zusammen mit dem Franzosen Ferdinand Buis- son für sein pazifistisches Lebenswerk und seinen Einsatz für die deutsch-französische Verständigung. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 floh er in die Schweiz. Auf Grund seines En­gagements gegen die Kriegs- und Annektionspolitik­ des NS-Regimes wurde er von diesem 1940 offiziell aus­gebürgert. 1941 starb Ludwig Quidde in Genf. Thomas Mann, Aufnahme von 1929. Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann In München wird an zahlreichen Stellen mit Gedenktafeln an Der Schriftsteller Thomas Mann (1875 – 1955) lebte fast Thomas Mann erinnert. An der Fassade des Hauses in der vier Jahrzehnte in München. 1894 zog er aus Lübeck nach Franz-Joseph-Straße 2 wurden im Jahr 2000 zwei Glas­ München, wo er 1905 Katia Pringsheim heiratete, die Toch- tafeln angebracht, die an den Wohnort Thomas Manns zwi- ter des Mathematikers Alfred Pringsheim (e S. 142). Für schen 1905 und 1910 erinnern. Eine Tafel zeigt das ehema­ seinen 1901 veröffentlichten Roman „Die Buddenbrooks“ lige Gebäude 1906, auf der anderen sind gemalte Porträts wurde der Schriftsteller 1929 mit dem Nobelpreis für Litera- der Familie Mann abgebildet. tur geehrt. Als Befürworter der Weimarer Demo­kratie kehrte Thomas Mann 1933 nach der Machtübergabe an die Natio- Die Stadt München nimmt in der Chronik der Familie Mann nalsozialisten und nach dem heftigen Protest gegen einen für viele Jahre den Platz des Lebenszentrums ein. Die re­ von ihm in der Universität München gehaltenen kritischen präsentative Bedeutung von Thomas Mann und München Vortrag über Richard Wagner nach einer Vortragsreise nicht erschließt sich erst im Kontext der gesamten Familienge- mehr nach Deutschland zurück. Aus dem Exil rief er zum schichte. Deshalb plant die Landeshauptstadt München die Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf. Bis zu sei- Erstellung eines dauerhaften Kunstprojekts als zeitgenös­ nem Tod lebte er in Frankreich, der Schweiz und den USA. sische Form eines Denkmals für die Familie Mann im öst­ lichen Teil der Stadt, das an das außergewöhnliche Wirken der Schriftsteller-Familie erinnern soll.

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Rundgang in der Innenstadt Odeonsplatz / Universität 8 Spaziergang vom Odeonsplatz bis zum Alten Bota­ 9 nischen Garten: Auf den Spuren berühmter Münchner Wissenschaftler_innen und Nobelpreisträger

1 2 Von den beiden Haltestellen Odeonsplatz oder Univer- sität aus können einzelne Spaziergänge zu weiteren Orten der Wissenschaft und Münchner Nobelpreisträ- ger unternommen werden. Der gesamte Spaziergang 1 Bayer. Akademie d. Wissenschaften 6 Technische Universität München führt vom Odeonsplatz bis zum Alten Botanischen

Alfons-Goppel-Str. 11 Arcisstr. 21 Garten größtenteils durch den Stadtteil Maxvorstadt, 2 Max-Planck-Gesellschaft 7 Paul-Heyse-Villa der mit den beiden großen Universitäten als Zentrum

Hofgartenstr. 8 Luisenstr. 22 der Münchner Wissenschaftslandschaft gelten kann. 3 Bayerische Staatsbibliothek 8 Münchner Haus der Kulturinstitute

Ludwigstr. 16 (Ehem. Palais Pringsheim) Wegbeschreibung Katharina-von-Bora-Str. 10 4 Ludwig-Maximilians-Universität

Professor-Huber-Platz 2 9 Lenbachgärten (Ehem. Chemische Vom Odeonsplatz führt der Weg durch den Hofgarten zur Institute, ehem. Zoologisches 5 Schellingstraße Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) in der Institut der LMU) Schellingstr. 3 – 9 Ecke Sophienstr./ Alfons-Goppel-Straße 11 und der um die Ecke gelegenen Katharina-von Bora-Str. 78 79 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (e S. 88) in der Hofgartenstraße 8. Kurz vor der Bayerischen Staats­ bibliothek (e S. 97) an der Ludwigstraße 16 liegen auf dem Weg durch die Schönfeldstraße das Bayerische Hauptstaats­ Seit ihrem 200jäh- archiv und das Staatsarchiv München. Vor der Ludwig-Maxi- rigen Gründungs- milians-Universität (e S. 103) am Geschwister-Scholl-Platz jubiläum im Jahr zweigt die Schellingstraße (e S. 123) ab. Der weitere Verlauf 1959 befindet sich die Bayerische Aka- der Strecke führt durch die Türkenstraße und vorbei an der demie der Wissen- Büste für den Physiker Arnold Sommerfeld vor der Biblio- schaften (Aufnahme thek für Mathematik und Physik an der Theresienstraße 37 von 2013) in der (e S. 110) zur Technischen Universität München (e S. 127). Alfons-Goppel- Straße 11 im Nord- Nach der Arcis- und Gabelsbergerstraße führt der Weg zur ostflügel der Münch- Luisenstraße 22, wo sich die ehemalige Villa des Literaten ner Residenz. und Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse (e S. 138) befindet. Bayerische Akademie der Wissenschaften

Nach dem Königsplatz mit Blick auf die Hochschule für Wilhelm Conrad Rontgen, Joseph von Utzschneider, Max Musik und Theater und das NS-Dokumentationszentrum von Pettenkofer, Joseph von Fraunhofer, Max Planck, Carl liegen in der Katharina-von-Bora-Straße das „Münchner Friedrich Philipp von Martius, Karl Maximilian von Bauern- Haus der Kulturinstitute“, an dessen Standort sich früher feind, Franz von Kobell, Albert Einstein, Max Weber – die das Wohnhaus des Mathematikers Alfred Pringsheim Namen der Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wis- (e S. 142) befand und an der Ecke zur Sophienstraße das senschaften lesen sich wie das Who is Who der bayerischen ehemalige Areal der „Chemischen Institute“ (e S. 144). und deutschen Wissenschafts- und Kulturgeschichte. 1759 von Kurfürst Maximilian III. Joseph gegründet, ist die Am nahegelegenen Maximiliansplatz befinden sich die Baye­rische Akademie der Wissenschaften von Beginn an Denkmäler für Max von Pettenkofer (e S. 159) und Justus ein außer­uni­versitäres Forschungs- und Wissenschaftszen­ von Liebig (e S. 145). trum, das wissenschaftlichen Austausch, interdisziplinäre Zusammenarbeit und langfristig angelegte Grundlagenfor- schung in den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften ermöglicht. Die Mitglieder der Gelehrtengemeinschaft gehören vier Sektionen an: • Sektion I – Geistes- und Kulturwissenschaften, • Sektion II – Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, 80 81 „Maximilian Joseph Von 1783 bis 1944 befand sich der Sitz der Bayerischen III. stiftet die Acade­ Akademie der Wissenschaften im Wilhelminum, dem mie der Wissenschaf­ ehemaligen Kollegiengebäude des Jesuitenordens an ten im Jahre 1759“. der Neuhauser Straße 51 (Aufnahme o.J.). In der Nacht Wandgemälde im auf den 25. April 1944 wurden das Gebäude sowie weite Münchener Hofgar- Teile der Münchner Innenstadt während eines Bomben- ten. Entwurf und angriffes nahezu vollständig zerstört. Nach diversen ursprüngliche Aus­ Notunterkünften und Provisorien konnte die Akademie in führung von Philipp ihrem Jubiläumsjahr 1959 schließlich ihr neues Domizil Foltz 1826 – 1829, im Nordostflügel der Münchner Residenz beziehen. Aufnahme von 2006.

• Sektion III – Naturwissenschaften, Mathematik, Technikwissenschaften, • Sektion IV – Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin. Die Zahl der Mitglieder ist auf 30 ordentliche (mit Dienst- oder Wohnsitz in Bayern) und 30 korrespondierende Mitglie- der (mit Wohnsitz außerhalb Bayerns) je Sektion begrenzt. Mitglieder, die das 70. Lebensjahr überschritten haben, wer- den hier nicht eingerechnet.

Seit Gründung der Akademie erhielten zahlreiche Akademie- mitglieder Auszeichnungen für ihre Verdienste um die Wis- senschaft:

• Nobelpreis: 77 Akademiemitglieder • Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst: 247 Akademiemitglieder • Orden Pour le Mérite: 278 Akademiemitglieder • Gottfried Wilhelm Leibniz Preis: 27 Akademiemitglieder • Balzan-Preis: 11 Akademiemitglieder

82 83 Hier befindet sich auch die Portraitbüste ihres Gründungs- präsidenten Sigmund Graf von Haimhausen.

Darüber hinaus erinnern Denkmäler, Gedenk- und Grab- tafeln, Brunnen und etwa 220 der rund 6000 Münchner Straßen­namen an Mitglieder der Akademie. Rechts zu sehen: das LRZ-Rechnergebäude „Twin Cube“ und der Am Maximiliansplatz stehen sich die Denkmäler zweier Höchstleistungsrech- Akademiepräsidenten gegenüber. ner SuperMuc (Auf- nahmen von 2012), der zum Zeitpunkt seiner Inbetrieb­ nahme im Juli 2012 Links: Denkmal für Max von Pettenkofer (1818 – 1901, Aufnahme der viertschnellste von 2013), Chemiker und Hygieniker, Präsident der Akademie von Rechner der Welt 1890 – 1899, das Denkmal wurde 1909 von dem Bildhauer Wilhelm und der schnellste von Rümann fertiggestellt. Rechner Europas war. Rechts: Denkmal für Justus von Liebig (1803 – 1873, Aufnahme von 2009), Chemiker, Präsident der Akademie von 1859 bis 1873, das Neben ihrem Hauptsitz in der Münchner Residenz betreibt Denk­mal wurde 1883 vom Bildhauer Michael Wagmüller geschaffen. die Bayerische Akademie der Wissenschaften das Leibniz- Rechenzentrum (LRZ) und das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) in Garching (e S. 47).

Im Münchner Stadtbild finden sich viele Hinweise auf die bekannten und auch auf die weniger bekannten Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: Die Max- Planck-Gesellschaft (e S. 88), die Fraunhofer Gesellschaft (e S. 18) und diverse Institute der Ludwig-Maximilians- Universität (e S. 103) sowie das Albert-Einstein-Gymnasium in Harlaching und das Max-Planck-Gymnasium in Pasing sind nach Akademiemitgliedern benannt. Ein weiterer Ort, an dem an zahlreiche Akademiemitglieder erinnert wird, ist die Ruhmeshalle (e S. 175) oberhalb der Theresienwiese.

84 85 Seit April 2009 befindet sich eine Büste von Therese Prinzessin von Bayern (1850 – 1925) in der Ruhmeshalle (e S. 175) oberhalb der Theresienwiese. Bereits 1892 wurde sie auf Grund ihrer wissenschaftlichen Verdienste als Ehrenmitglied aufgenommen. Auf ausge- dehnten Forschungsreisen hatte sie umfang- reiche botanische, zoologische und ethno­ logische Sammlungen aufgebaut, die sich heute u.a. in der Zoologischen Staatssamm- lung und im Museum Fünf Kontinente befin- den. 1897 wurde ihr von der Universität Mün- chen – zu einem Zeitpunkt, zu dem Frauen das Studium an der Universität noch ver- wehrt wurde – als erster Frau die Ehrendok- torwürde verliehen. Therese Prinzessin von Bayern war und ist bis heute das einzige weibliche Ehrenmitglied der Bayerischen Feierliche Enthüllung des Petten- Akademie der Wissenschaften. Um zu klären, kofer-Denkmals am Maximilians­ ob eine Frau als Ehrenmitglied aufgenommen platz am 23. Mai 1911. werden kann, wurde eigens ein Rechtsgut- achten angefertigt. 1936 wurden mit der klas- sischen Philologin und Papyrologin Medea Norsa erstmals eine Frau als korrespondie- Denkmal für den Physiker rendes Mitglied und 1995 mit der Linguistin Georg Simon Ohm (1789 – 1854) Johanna Narten erstmals eine Frau als or- (e S. 171) vor der Technischen dentliches Mitglied in die Akademie aufge- Universität (e S. 127) in der nommen. Inzwischen (Stand Dezember 2016) Theresienstraße, Aufnahme gehören der Akademie 13 weibliche ordent­ von 2009. Ohm war ab 1845 liche Mitglieder (gesamt: 178) an, ebenfalls 13 korrespondierendes und ab der korrespondierenden Mitglieder (gesamt: 1850 ordentliches Mitglied der 131) sind weiblich. Unter den 19 außerordent- Akademie.­ lichen Mitgliedern sind 11 Frauen. Therese von Bayern, Lithographie 1832 (Franz Seraph Hanfstaengl).

86 87 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften

Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissen- schaften (MPG) ist eine der weltweit führenden nicht- universitären Forschungseinrichtungen. Die derzeit 83 Max- Planck-Institute (Stand 2016) widmen sich vorrangig dem Bereich der ressourcen- und zeitintensiven Grundlagenfor- schung in den Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaf- ten. Sie kooperieren mit den Universitäten, arbeiten aber unabhängig. Die Finanzierung der MPG erfolgt überwiegend aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern.

In und um München befinden sich folgende Max-Planck- Institute:

Max-Planck-Institute in München: • Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb • Max-Planck-Institut für Physik • Max-Planck-Institut für Psychiatrie Eingang der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesell- • Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik schaft zur Förderung der Wissenschaften (MGP) in der Hofgartenstraße 8. Der Hauptsitz des gemeinnützigen • Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Vereins befindet sich in Berlin. Die Generalverwaltung, Öffentliche Finanzen die 1969 endgültig nach München umzog und seit 1999 in diesem Neubau untergebracht ist, dient als Hilfsorgan Max-Planck-Institute in Martinsried (e S. 187): für den Vorstand und ist für die Unterstützung und Bera- tung der aktuell insgesamt 83 Forschungseinrichtungen • Max-Planck-Institut für Biochemie zuständig. • Max-Planck-Institut für Neurobiologie Der Eingang der Generalverwaltung wird gesäumt von einer von Fernando de la Jara aus dunkelgrünem Granit Max-Planck-Institute in Garching (e S. 47): gefertigten Skulptur Minervas, der römischen Göttin der Weisheit und Hüterin des Wissens (Aufnahme von 2007). • Max-Planck-Institut für Astrophysik Ihrem Positivprofil steht ihr Negativprofil gegenüber: • Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik Die Welt des Geistes wird mit der Welt der Materie kon- • Max-Planck-Institut für Plasmaphysik frontiert. • Max-Planck-Institut für Quantenoptik

88 89 Berühmte Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft Die Liste der Auszeichnungen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft für ihre Forschung erhalten haben, ist lang. Seit ihrer Gründung 1948 erhielten 18 Wissenschaftler_innen der MPG den Nobel- preis. Und zwischen 1914 und 1948 wurden 15 Wissen- schaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorgänger­ organisation der MPG, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Den Leibniz-Preis, den höchstdotierten deutschen For- schungspreis, der seit 1985 von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft verliehen wird, erhielten bis zum Jahr 2015 insgesamt 55 Forscher_innen der MPG.

Folgende Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft mit Bezug zu München erhielten den Nobelpreis:

• Feodor Lynen (1911 – 1979), Medizin 1964 (e S. 150f.) • Konrad Lorenz (1903 – 1989) und Karl von Frisch Namensgeber der MPG ist der Physiker Max Planck (1858 – 1947). Er (1886 – 1982), zusammen mit Nikolaas Tinbergen gilt als Begründer der Quantenphysik. 1918 erhielt er den Nobelpreis (1907 – 1988), Medizin 1973 (e S. 152f.) für Physik für die Entdeckung des planckschen Wirkungsquantums. • Georges Köhler (1946 – 1995), Medizin, 1984 Von 1930 bis 1937 war Max Planck Präsident der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG). Nach Kriegs- • Klaus-Olaf von Klitzing (1943), Physik 1985 (e S. 131) ende setzte er sich für den Erhalt der KWG ein. So konnte deren • (1906 – 1988), Physik 1986 Struktur erhalten und 1948 unter dem Namen Max-Planck-Gesell- • Johann Deisenhofer (1943) und Robert Huber (1937), schaft neu gegründet werden. zusammen mit Hartmut Michel: Chemie 1988 Rechts: Max Planck als Schüler das Maximiliansgymnasiums in (e S. 196) München, das er von 1867 bis 1874 besuchte. Ab 1874 studierte er in • Erwin Neher (1944) und Bert Sackmann, Medizin 1991 München und Berlin und von 1880 bis 1885 lehrte er als Privatdozent • Theodor Hänsch (1941), Physik 2005 (e S. 61) an der Universität in München. • Gerhard Ertl (1936), Chemie 2007 (e S. 111) Links: Aufnahme um 1930.

90 91 Folgende Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft aus München erhielten den Nobelpreis:

• Max von Laue (1879 – 1960), Physik 1914 (e S. 63f.) • Richard Martin Willstätter (1872 – 1942), Chemie 1915 (e S. 146) • Max Planck (1858 – 1947), Physik 1918 • Albert Einstein (1879 – 1955), Physik 1921 • Werner Heisenberg (1901 – 1976), Physik 1932 (e S. 63) • Richard Johann Kuhn (1900 – 1967), Chemie 1938 (e S. 146) • Adolf Butenandt (1903 – 1995), Chemie 1939 (e S. 96) • Otto Hahn (1879 – 1968), Chemie 1944 (e S. 146) Der Eingang zum Forschungsamt für Psychiatrie in der Die am 26. Februar 1948 in Göttingen gegründete Max- Kraepelinstraße 2. Planck-Gesellschaft gilt auf Grund der zahlreichen institutio- Aufnahme von 1928. nellen und personellen Verflechtungen zwar nicht rechtlich, aber de facto und in ihrem Selbstverständnis als Nachfolge­ weit verbreitete Verdrängung der eigenen Verstrickungen organisation der 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesell- in nationalsozialistische Verbrechen (e S. 37). Oft wurde schaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG), deren diese bis heute in vielen Fällen nicht abgeschlossene Auf- Institute nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach von arbeitung durch externe Forscher_innen angestoßen. So der MPG übernommen wurden. beispielsweise­ auch im Fall des tief in den Apparat der NS- „Euthanasie“ eingebundenen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Zum Erbe der KWG gehören aber nicht nur die Übernahme Hirnforschung in Berlin. und Fortführung ihrer Institute und wissenschaftlichen Ver- dienste, sondern auch die Verantwortung für die Rolle der Zwischen 1940 und 1945 waren dort – ebenso wie an der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Es Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München, dauerte jedoch bis in die 1990er Jahre, bis sich die MPG der Vorgängerorganisation des heutigen Max-Planck-Insti- dieser Verantwortung annahm. Diese sehr späte Auseinan- tuts für Psychiatrie – hunderte Gehirne untersucht worden dersetzung ist keinesfalls ungewöhnlich, sondern im Gegen- von Opfern des Massenmords an Menschen mit Behinderun- teil symptomatisch für die im Bereich der Wissenschaften gen oder psychischen Krankheiten. Die Präparate, die über

92 93 gehalten: „[...] dass viele Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm- Mahnmal am Wald- friedhof: „Zur Erinne­ Gesellschaft und die Verantwortlichen in der Generalver­ rung an Opfer des waltung in vielfältiger Weise am NS-System Anteil gehabt Nationalsozialismus hatten. Oft kooperierten Forscher bereitwillig und ohne und ihren Miss- Zwang mit dem NS-Staat, indem sie eigene Forschungs­ brauch durch die Medizin allen For- interessen mit den politischen und militärischen Zielen des schern als Mahnung Regimes zum beiderseitigen Vorteil verbanden. In den zu verantwortlicher meisten Kaiser-Wilhelm-Instituten waren die Übergänge Selbstbegrenzung. zwischen wissenschaftlichen Interessen und der Einbindung Errichtet von der Max-Planck-Gesell- in Politik und Zielsetzungen des NS-Regimes fließend. Vor schaft 1990“, Auf- allem in den Biowissenschaften überschritten Wissenschaft- nahme von 2015. ler eindeutig ethische Grenzen. Die Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) für Hirnforschung und für Psychiatrie bezogen mensch­ die beteiligten Forscher in die Sammlungen des Max-Planck- liche Präparate aus ‚Euthanasie‘-Tötungsanstalten. Wissen- Instituts für Hirnforschung in Frankfurt gelangt waren, wur- schaftler des KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre den 1990 auf Beschluss der MPG in einer neu errichteten und Eugenik, allen voran dessen Gründungsdirektor Eugen Gedenkstätte am Münchner Waldfriedhof (e S. 183) bei­ Fischer, bekannten sich bereits 1933 ideologisch zur natio­ gesetzt. 1997 schließlich berief der damalige Präsident der nal­sozialistischen Rassenpolitik und unterstützten diese, Max-Planck-Gesellschaft Hubert Markl eine Kommission indem sie an entsprechenden Gesetzesvorlagen mitarbeite- unabhängiger Historiker_innen ein, die „Geschichte der ten und an der Vermittlung der Rassenideologie an Juristen, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Natio­nal­sozialismus“ zu un- Ärzte und Pfleger aktiv mit­wirk­ten. Der spätere Direktor des tersuchen. Die Kommission beschäftigte sich unter anderem KWI für Anthropologie, Otmar von Verschuer, unterhielt ab mit der Rüstungsforschung und der biowissenschaftlichen, 1942 gute Kontakte zum Lager­arzt von Auschwitz Josef medizinischen und psychiatrischen Forschung in den Insti­ Mengele und bezog über ihn gezielt Blutproben sowie Prä- tuten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sowie mit der Politik parate von im KZ ermordeter Menschen.“ Außerdem wird der Generalverwaltung, der Rolle einflussreicher Wissen- festgestellt, dass die Vertreibung der jüdischen Wissen- schaftler und der Vertreibung jüdischer Wissenschaftler_in- schaftler_innen ab 1933 „ohne größeren Widerstand der nen. 2005 wurde das Projekt abgeschlos­sen. Die Ergebnis- Verantwortlichen in der Generalverwaltung und an den se der Kommission wurden mit insgesamt 28 Vorabdrucken, Instituten, aber auch der meisten Mitarbeiter“ erfolgt war. 18 Forschungsbänden und einem Gedenkbuch zur Erinne- rung an die 104 aus politischen und / oder rassistischen Gründen vertriebenen Wissenschaftler_innen dokumentiert. Auf der Homepage der MPG wird zusammenfassend fest-

94 95 Obwohl die von der MPG in Auftrag gegebene Untersuchung Adolf Friedrich Johann Butenandt der vielfältigen Verstrickungen der KWG mit dem NS-Regime (1903 – 1995, Aufnahme von 1939). Dem Che- und der NS-Ideologie als vorbildhaft gelten kann, ist sie nach miker wurde 1939 (gemeinsam mit Leopold wie vor nicht abgeschlossen. Dies zeigte beispielsweise das Ružička) für seine Arbeiten zu Steroidhor- Auftauchen weiterer menschlicher Hirnschnitte im Archiv monen der Nobelpreis für Chemie verliehen. Von 1960 bis 1972 amtierte Butenandt als der MPG in Berlin im Frühjahr 2015, die im Zusammenhang Präsident der MPG in München. mit dem nationalsozialistischen „Euthana­sie“-Programm Nach seinem Tod 1995 wurde, trotz seiner stehen. Der Präsident der MPG veranlasste da­­raufhin eine umstrittenen Rolle im Nationalsozialismus, erneute Untersuchung, die Direktoren des Max-Planck- das Institut für Physiologische Chemie der LMU-München in Adolf-Butenandt-Institut Instituts für Hirnforschung bekannten sich in einer Stellung- umbenannt (e S. 192). nahme zu einer Politik der „Umfassenden Transpa­renz im Umgang mit der eigenen Geschichte“ und veranlassten Einer der Wissenschaftler der KWG, dessen Verstrickung im Frühjahr 2016 eine Gesamtrevision ihrer Präparate- mit der NS-Ideologie und dem NS-Regime untersucht Sammlungen. wurde, war der Nobelpreisträger und spätere Präsident der MPG Adolf Butenandt. Seine Rolle im Nationalsozialismus kann nicht abschließend geklärt werden – nicht zuletzt, weil Bayerische Staatsbibliothek er selbst wichtige Akten beseitigte. Gesichert ist, dass der national-konservative Butenandt 1936 der NSDAP beitrat Über 10 Millionen Bände und rund 63.000 laufende ge­ und an medizinisch-militärischen Forschungsprojekten be- druckte und elektronische Zeitschriften (Stand 2014) – die teiligt war. Hinweise auf eine antisemitische Grundhaltung Bayerische Staatsbibliothek in der Ludwigstraße 16 ist Butenandts dagegen gibt es nicht. Nach dem Krieg half er, die zentrale Archiv- und Landesbibliothek des Freistaates Kollegen vom Nazismusvorwurf freizuwaschen. Robert N. Bayern. Sie gehört zu den bedeutendsten Forschungs- und Proctor kommt in Hinblick auf seine Haltung nach 1945 zu Universalbibliotheken in Europa. Zusammen mit der Staats- folgender Einschätzung: „Butenandt hat dazu beigetragen, bibliothek Berlin sowie der Deutschen Nationalbibliothek in eine neue Konzeption von Wissenschaft populär zu machen, Frankfurt und Leipzig teilt sie sich die klassischen national­ der zufolge Wissenschaft a priori mit politischer Unschuld bibliothekarischen Aufgaben. Gemeinsam bilden sie die gleichzusetzen sei. In diesem Sinne hat er dazu beigetragen, virtuelle Nationalbibliothek Deutschlands. die Bemühungen der Nachkriegszeit zu vereiteln, die Mit­täterschaft der Wissenschaft bei den Verbrechen der Gegründet wurde die Bibliothek im Jahr 1558 von Herzog Hitler-Ära aufzuklären, strafrechtlich zu verfolgen und Albrecht V. als Hofbibliothek der Wittelsbacher durch den ‚Wieder­gutmachung‘ zu leisten.“ Ankauf der Privatbibliothek des österreichischen Kanzlers und Orientalisten Johann Albrecht Widmannstetter. 1571

96 97 Diese im Zuge der Säkularisierung Mit mehr als 90.000 gewaltige Zunahme der Bibliotheks- Handschriften ver- bestände musste in den folgenden fügt die Bayerische Staatsbibliothek Jahrzehnten bewältigt werden. Der (Aufnahme von 2013) Germanist und bayerische Sprach- über eine der größ- forscher Johann Andreas Schmeller ten und wichtigsten (1785 – 1852) wurde 1829, dem Jahr, Handschriftensamm- lungen. in dem er zum ordentlichen Mitglied Ihre 20.000 Inkunab- der Bayerischen Akademie der Wis- len (Wiegendrucke; senschaften (e S. 81) gewählt wurde, im 15. Jahrhundert zum Kustos der Bibliothek ernannt. Als mit beweglichen Lettern gedruckte Betreuer der Handschriftensammlung Bücher und Einblatt- inventarisierte er in den folgenden drucke) umfassende Jahren 27.000 Handschriften. Sammlung ist die weltweit größte ihrer Art.

Die Bayerische konnte außerdem die Bibliothek des Staatsbibliothek, Augsburgers Johann Jakob Fugger Aufnahme um 1910. erworben werden. In den kommenden Jahrzehnten folgten diverse weitere Ankäufe, so dass die Bibliothek, als sie im Jahr 1663 erstmals ein Pflichtexem- plarrecht für bayerische Publikationen erhielt, bereits zu den größten Biblio- theken Europas zählte. Und als 1802/03 die Klöster und geistlichen Fürsten­ tümer in Landeshoheit übergingen, wuchs der Bibliotheksbestand um 450.000 Bände und 18.600 Handschrif- ten. 1803/04 wurde die 100.000 Bände umfassende kurpfälzische Hofbibliothek des Kurfürsten Karl Theodor von Mann- heim nach München überführt.

98 99 Um den im Schnitt jährlich um 150.000 Bände wachsenden Bestand der Bayerischen Staats- bibliothek bewältigen zu können, wurde 1988 eine Speicherbiblio­ thek im Münchner Norden ein­­ge­ richtet (Aufnahme von 2011). 2005 ging der zweite Bauab- schnitt in Betrieb. In Garching (e S. 47) können nun etwa sechs An der Freitreppe vor dem Eingangsportal der Bayerischen Staats­ Millionen Bücher bewahrt bibliothek (Aufnahme von 1998) befinden sich vier von Ludwig von werden. Schwanthaler entworfene überlebensgroße Statuen. Die ursprüng­ lichen Figuren wurden während des Zweiten Weltkrieges so schwer Bereits 1827 erhielt Friedrich von Gärtner von Ludwig I. den beschädigt, dass es sich heute um Nachbildungen verschiedener Künstler handelt. Von den Münchner_innen werden sie „Die vier hei­ Auftrag zur Planung eines repräsentativen Gebäudes für die ligen Dreikönige“ genannt. Von links: Thukydides – der Begründer Bibliothek. Nachdem verschiedene Standorte wie beispiels- der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, Homer – der Dichter weise die Ludwigstraße 1 oder der Königsplatz verworfen der Ilias und der Odyssee, Aristoteles – der griechische Philosoph und und die Planungen 1831 abgeschlossen worden waren, er- Lehrer Alexanders des Großen und Hippokrates – der berühmteste Arzt der Antike. Sie sollen die Vielfalt der Wissenschaften symboli­ folgte die Grundsteinlegung am 8. Juli 1832. Nach gut zehn sieren, deren Literatur in der Bibliothek, vor deren Türen sie sitzen, Jahren Bauzeit konnte der Bibliotheksbau 1843 fertiggestellt gesammelt wird. werden. Er galt lange als modernstes Bibliotheksgebäude der Welt. Um 1900 schließlich öffnete sich die Bibliothek zunehmend dem Publikumsverkehr – die Zugänge wurden liberalisiert und die Öffnungszeiten verlängert. Im Revolu­ tionsjahr 1919 wurde die Münchner Hofbibliothek in Baye­ rische Staatsbibliothek umbenannt.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude zu 85 Prozent zerstört. Obwohl ein Teil der Bestände zuvor ausgelagert worden war, wurden 500.000 Bände vernich- tet. Bereits 1946 wurde mit dem Wiederaufbau und der Rückführung der ausgelagerten Bestände begonnen. Der Erweiterungsbau an der Ostseite konnte 1966 fertiggestellt und der wiederaufgebaute Südflügel 1970 eingeweiht werden.

100 101 In den 1970er Jahren begann allmäh- Ludwig-Maximilians-Universität lich die elektronische Katalogisierung der Bestände. 1993 wird der elektro­ Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ist mit rund nische Benutzerkatalog (OPAC) über 50.000 Studierenden und etwa 200 Studiengängen eine das Internet bereitgestellt. Seit 2005 der größten Universitäten Deutschlands (Stand 2016). Etwa ist der gesamte Druckschriftenbestand 750 Pro­fessor­_innen lehren an 18 Fakultäten. Das wissen- der Bayerischen Staatsbibliothek online schaftliche Spektrum der LMU reicht von den Geistes- und Der große Lesesaal, abfragbar. Seit 2007 besteht eine Ko­ Kulturwissenschaften, den Naturwissenschaften sowie der Aufnahme von 2006. ope­ration zwischen der Bayerischen Medizin bis zu den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissen- Vor allem von Stu- Staa­tsbibliothek und Google zur Digita- schaften. dierenden und Wis- senschaftler_innen lisierung des gesamten urheberrechts- wird die Bibliothek freien Bibliotheksbestandes. Inzwi- Gegründet wurde die LMU 1472 in Ingolstadt durch Herzog intensiv genutzt. Die schen sind über eine Million Bände Ludwig den Reichen als erste Universität Altbayerns. Im knapp 1000 Arbeits- digitalisiert (Stand 2014). Jahr 1800 veranlasste Kurfürst Max IV. Joseph die Verle- plätze für Nutzer_in- nen sind häufig voll gung der Universität nach Landshut. Bei der Installations­ belegt. 2014 gab es feier 1802 bekam die Universität ihren heutigen Namen: 1,1 Mio. Lesesaal­ Ludovico Maximilianea beziehungsweise Ludwig-Maximi­ besuche, 78.000 lians-Universität – nach ihrem Gründer Herzog Ludwig IX. aktive Nutzer_innen, 6,5 Mio. Zugriffe auf und nach dem für den Umzug verantwortlichen Kurfürsten, den Online-Katalog, dem späteren ersten König Bayerns Maximilian I. Joseph. 1,9 Mio. Entlei- hungen, 300.000 Kurz nach seinem Amtsantritt 1825 veranlasste König Lud- Dokumentenliefe- rungen, 146.000 Aus- wig I. die Verlegung der Universität nach München. Bereits kunftsanfragen und im November 1826 konnte die LMU ihr vorübergehendes 870.000 Downloads Domizil, die Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegs – der digi­talisierten St. Michael und Wilhelminum – in der heutigen Neuhauser Titel. Straße beziehen. 14 Jahre später, am 25. August, dem Geburts- und Namenstag von König Ludwig I., bezog die Universität ihr neues Hauptgebäude, das von 1835 bis 1840 nach den Plänen von Friedrich von Gärtner errichtet worden war.

102 103 Der wachsende Bedarf an Akademi- Das Hauptgebäude kern begünstigte im weiteren Verlauf der Ludwig-Maxi­ milians-Universität des 19. Jahrhunderts ein Klima, in dem im 19. und 21. Jahr- sich die Wissenschaften auch mit Hilfe hundert. Dort be­ staatlicher Förderung ausdifferenzieren finden sich heute und entfalten konnten. Bedeutende hauptsächlich die Geistes­ wissen­ schaf­ ­ Wissenschaftler wie der Historiker ten. Im Südflügel Joseph Görres (1776 – 1848), der Philo- ist die Universitäts­ soph Friedrich Schelling (1775 – 1854) bibliothek unter­ (e S. 124), der Hygieniker Max von gebracht, deren e Bestand zusammen Pettenkofer (1818 – 1901) ( S. 159) mit 13 weiteren oder der Chemiker Justus von Liebig Stand­orten über (1803 – 1873) (e S. 145) wurden an die 4,7 Millionen Bände LMU berufen, zahlreiche Seminare und umfasst (Stand 2016). Lehrstühle eingerichtet und neue Insti­ tute und Kliniken gegründet. Verteilt Oben: Stahlstich von über das Stadtgebiet entstanden diver- Johann Poppel nach se neue Standorte, unter anderem das einer Zeichnung von e Gustav Seeberger Klinikviertel ( S. 155) am Sendlinger aus dem 19. Jahr­ Tor und die Chemischen Institute hun­dert. (e S. 144) an der Sophienstraße. Die Geisteswissenschaften blieben im Unten: Studenti- Hauptgebäude der Universität unter- sches Leben auf dem Geschwister-Scholl- gebracht, das um 1900 in mehreren Platz vor dem Haupt- Schritten ausgebaut und erweitert gebäude der LMU, wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg Aufnahme von 2009. war ein Großteil der Gebäude der LMU schwer beschädigt oder vollständig zerstört.

104 105 Lithographie von Kurzfristige Überlegungen, die Uni­­ver­ Biozentrum der LMU in Martinsried Die LMU (Postkarte der Eröffnung der sität am Stadtrand Münchens voll­stän­ (e S. 195) fertiggestellt. Dort auf dem vom Hauptgebäude Ludwig-Maximilians- dig neu zu errichten, wurden jedoch HighTechCampus Großhadern / Martins- um 1900) ist keine Universität im No- klassische Campus- vember 1826. Die verworfen und die Gebäude in der In- ried ist der Großteil der Natur- und universität, ihre Landshuter Profes- nenstadt wieder aufgebaut. Im Zuge Lebenswissenschaften der LMU an­ge­ Einrichtungen und soren und Studenten der Erweiterung und des zunehmenden siedelt – in unmittelbarer Nachbarschaft Gebäude verteilen ziehen in die St. Mi- Platzbedarfs wurden in den folgenden zu den Max-Planck-Instituten für Bio- sich über die Stadt. chaels Kirche ein, die bis 1840 Teil des Jahrzehnten allerdings verschiedene chemie und Neurobiologie sowie dem ersten Domizils der Bereiche und Fakultäten der Universität Helmholtz Zentrum München. LMU in München ist. an den Stadtrand verlegt oder dort neu aufgebaut. So entstand ab 1967 Rechts: Die St. Mi­ chaels Kirche in der an der südwestlichen Stadtgrenze Neuhauser Str. 6, Mün­chens das Klinikum Großhadern Aufnahme von 2014. (e S. 187). 1972 eröffnete das Be­ schleunigungslabor der Sektion Physik in Garching (e S. 47), das aus einer Kooperation mit der TU München her­ vorgegangen war. In Garching befinden sich inzwischen auch verschiedene Institute und Labore der Fakultät für Physik der LMU. 2009 wurde das

106 107 Innenstadtcampus der LMU

12 1 Hauptgebäude 2 Historicum 11 10 3 Universitätsbibliothek

4 Jura, Volks- und Betriebswirtschafts- lehre

5 Tiermedizin 9 6 Physik

7 Sprach- und Literatur­ wissenschaften

8 Bayerische Staatsbibliothek

9 Zentrale Universitäts­ 4 verwaltung

10 Geistes- und 1 Kulturwissenschaften

3 11 Psychologie, 5 13 Sozial­wissenschaften 2 und Pädagogik 6 12 Mensa

13 Politik- und 7 Kommunikations­ wissenschaften

8

108 109 Herausragende Wissenschaftler_innen an der LMU Karen Radner (*1972, Aufnahme von 2015) lehrt als Humboldt-Professorin für Alte Niemand wurde so oft – insgesamt 81 mal – für den Nobel- Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens preis vorgeschlagen wie der Physiker Arnold Sommerfeld an der LMU. Die Ale­xander von Humboldt- (1868 – 1951), erhalten hat er ihn allerdings nie. Folgende Professur ist der höchst dotierte Forschungs- Nobelpreisträger führt die LMU auf ihrer Internetseite auf: preis Deutschlands und wurde im Jahr 2008 erstmals ausgeschrieben. • Wilhelm Conrad Röntgen (1845 – 1923), Physik 1901 (e S. 206) • Adolf von Baeyer (1835 – 1917), Magdalena Götz (*1962, Aufnahme von 2015) e erhielt 2007 den Leibnizpreis. Ihre Forschun- Chemie 1905 ( S. 146f.) gen an Zellen des Nervengewebes gelten als • Wilhelm Wien (1864 – 1928), wegweisend für die Versuche, die ziel­gerich­ Physik 1911 (e S. 206f.) tete Differenzierung von Stammzellen zu len- • Max von Laue (1879 – 1960), ken und damit eines der zentralen Pro­bleme Physik 1914 (e S. 63f.) der angewandten Stammzellforschung zu lösen. Sie ist Direktorin des Instituts für • Richard Willstädter (1872 – 1942), Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum Chemie 1915 (e S. 149) sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Physio­ • Heinrich Wieland (1877 – 1957), logische Genomik an der LMU. Chemie 1927 (e S. 149) • Werner Heisenberg (1901 – 1976), Physik 1932 (e S. 63) Der Physiker und Oberflächenchemiker Eine Büste des • Adolf Butenandt (1903 – 1995), Gerhart Ertl (*1936, Aufnahme von 2007) Physikers Arnold Chemie 1939 (e S. 96) erhielt 2007 den Nobel­preis für Chemie für seine „Studien von chemischen Prozessen Sommerfeld vor • Feodor Lynen (1911 – 1979), der Fachbibliothek auf Festkörperoberflächen“. Ertl studierte für Mathematik und Medizin 1964 (e S. 150) 1958/59 an der LMU in München Physik. 1962 Physik der LMU an • Karl Ritter von Frisch (1886 – 1982), kam er wieder nach München an die Techni- der Theresienstraße Medizin 1973 (e S. 152) sche Hochschule, an der er promovierte und habilitierte. Nach einem Ruf an die Universi- 37 (Aufnahme von • Ernst Otto Fischer (1918 – 2007), 2009) erinnert an den tät in Hannover übernahm er 1973 eine Pro- außergewöhnlichen­ Chemie 1973 (e S. 131) fessur am Institut für Physikalische Chemie Wissenschaftler. • Theodor W. Hänsch (1941), an der LMU in München. 1986 wechselte er Sommerfeld gilt als Physik 2005 (e S. 61) als Direktor an das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft nach Berlin. 2004 einer der Begründer • Gerhard Ertl (1936), der theoretischen wurde er emeritiert. Physik und lehrte ab Chemie 2007 (e S. 111) 1906 in München.

110 111 Entwicklung der Studierendenzahlen an der LMU Die Frauenrechtlerin und Juristin Von wenigen Ausnahmen abgesehen stieg die Zahl der Anita Augspurg 1899 in ihrem Studierenden der Universität kontinuierlich an. Im Jahr ihrer Arbeitszimmer in München. Da ihr der gleichberechtigte Zugang Gründung 1472 in Ingolstadt waren rund 800 Studenten zum Studium an der Universität eingeschrieben. In der folgenden Zeit studierten jährlich verwehrt wurde, ging sie nach etwa 300 bis 500 Studenten an der Universität. Während Zürich und studierte dort Jura. der 26 Jahre in Landshut lag die Zahl der Studierenden im 1897 schloss sie ihr Studium mit einer Promotion ab und kehrte Schnitt zwischen 500 und 600 und nach dem Umzug nach nach München zurück. Sie gilt München 1826 bei etwa 1000 Personen. Im Zuge der Cho­ als erste promovierte Juristin im lera-Epidemien Mitte des 19. Jahrhunderts sank die Zahl der Deutschen Kaiserreich. Studierenden vorübergehend. 1900 waren rund 4600 Perso- nen und 1914 etwa 7000 Studenten eingeschrieben. Nach Frauen an der LMU Ende des Ersten Weltkrieges stieg die Zahl der Studieren- Bis 1903 durften Frauen nur in Ausnahmefällen an der den weiter an und erreichte im Wintersemester 1921/22 Ludwig-Maximimilians-Universität studieren. Die Satzung mit über 9000 eingeschriebenen Student_innen einen der königlich-bayerischen Universitäten bezog sich allgemein vorübergehenden Höhepunkt. auf Studierende und bot damit keine Handhabung, Frauen grundsätzlich vom Studium auszuschließen. Wollte eine In Folge der Machtübergabe an die Nationalsozialisten und Frau eine Vorlesung besuchen, musste sie allerdings eine deren Eingriffe in die Universität sank die Zahl der Studie- Ausnahmegenehmigung beantragen. Sie erhielt dann den renden deutlich. 1935 waren rund 5500 Personen an der Status einer Hörerin. 1897 wurde der Forschungsreisenden LMU eingeschrieben und nach einem kurzfristigen Anstieg Therese Prinzessin von Bayern (e S. 87), die seit 1892 auf zu Kriegsbeginn auf rund 6700 Studierende waren zwischen Grund ihrer wissenschaftlichen Verdienste Ehrenmitglied der 1941 bis 1944 durchschnittlich zwischen 3000 und 4000 Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) war, Personen eingeschrieben. als erster Frau die Ehrendoktorwürde der LMU verliehen. Wenig später wurden im Jahr 1900 mit der Schottin Maria Nach der Wiedereröffnung der Universität am 23. Juli 1946 Ogilvie-Gordon und der Australierin Agnes Kelly zwei Natur- stieg die Zahl der eingeschriebenen Student_innen rasch wissenschaftlerinnen, die beide zuvor in England studiert an. 1949 waren es bereits rund 10.000 Student_innen und hatten, an der philosophischen Fakultät der Universität pro- 1973 rund 28.500. Im Wintersemester 2009 / 10 waren über moviert. Seit 1903 wurde es Frauen schließlich erlaubt, sich 45.000 und im Jahr 2015 über 50.000 Student_innen an der als Studentinnen an der LMU voll zu immatrikulieren. LMU immatrikuliert.

112 113 Die ersten Studentinnen, die sich ab 1903 an der LMU immatrikulieren, stammten vor allem aus dem gehobenen oder mittleren Bürgertum. Im Wintersemester 1905/06 sind 53 Studentinnen an der LMU eingeschrieben – rund ein Pro- zent aller Studierenden der Universität. Im Wintersemester 1918/19 sind es knapp 14 Prozent weibliche Studierende. Heute liegt der Anteil der Studentinnen bei etwa 60 Prozent aller Studierenden (Stand 2015), wobei dieser Anteil je nach Studienrichtung stark schwankt. Unter den an der LMU beschäftigten Professor_innen sind Frauen mit einem Anteil von etwa 20 Prozent nach wie vor stark unterrepräsentiert. Bei den am höchsten eingruppierten W3/C4-Professuren liegt der Frauenanteil sogar nur bei knapp 16 Prozent (Stand 2014).

Maria Ogilvie-Gordon (1864 – 1939, Auf­ nahme von 1900) war eine schottische Geo- login und Paleontologin. 1890 schloss sie ihr Studium der Geologie, Botanik und Zoologie in London und Edinburgh ab. In Berlin und München war ihr ein reguläres Einladung zur Antrittsvorlesung von Dr. med. Studium verwehrt worden. Mit ihrer Arbeit Adele Hartmann am 20. Dezember 1918. Adele „Die Geologie der Wengener und St. Cassia- Hartmann (1881 – 1937) wurde 1918 als erste ner Schichten in Südtirol“ wurde sie schließ- Frau an der LMU habilitiert. 1919 wurde sie lich an der Universität London promoviert. zur Privatdozentin ernannt und war damit die Im Jahr 1900 waren sie und die Australierien erste habilitierte Frau in Deutschland. Agnes Kelly die ersten Frauen, die an der Die Stadt München würdigte sie im Jahr 2002 LMU promoviert wurden. mit der Benennung der Adele-Hartmann- Straße in unmittelbarer Nähe zum Klinikum Großhadern (e S. 187).

114 115 jüdischen Wissenschaftler_innen und Gegner_innen des NS-Regimes entzogen. All diese Maßnahmen stießen auf keine grundsätzliche Gegenwehr. Reaktionäre, antisemiti- sche und völkische Vorstellungen waren an der LMU sowohl im Lehrkörper als auch unter den Studierenden schon vor 1933 weit verbreitet. Bereits 1919 weigerte sich der Senat der Universität, die neue Reichsverfassung mit einer Feier zu ehren. Die erste außerordentliche Professur für „Rassen- hygiene“ in Deutschland wurde 1923 an der LMU eingerich- tet und 1933 in ein Institut umgewandelt. Wegen des zuneh- menden Antisemitismus trat 1925 der Chemiker und Chemie Nobel­preisträger Richard Willstädter (e S. 146f.) als Ordi­ narius zurück, u. a. weil einige Professoren, insbesondere der Physiker Wilhelm Wien (e S. 206f.) in Berufungsfragen rassistischen Gesichtspunkten einen höheren Stellenwerk einräumten als wissenschaftlichen Erwägungen. 1927 ge- besucht Die Ludwig-Maximilians-Universität staltete Rektor Karl Vossler, anders als in den vorangegan­ anlässlich der Jah- in den Jahren 1933 – 1945 genen Jahren, die Reichsgründungsfeier als eindeutiges restagung der Aka- Die Machtübergabe an die National­ Bekenntnis zur Verfassung der Weimarer Republik, worauf- demie für deutsches Recht am 29. Juni sozialisten 1933 hatte unmittelbaren hin Teile des Lehrkörpers und der Studierenden die Feier 1935 die LMU. Einfluss auf die Universitäten, die rasch boykottierten. Wiederholt kam es in diesen Jahren zu Aus­ nach nationalsozialistischen Vorstellun- einandersetzungen und Tumulten. Nach dem Vorbild von gen umgestaltet wurden. Der Anteil Polizei und Justiz reagierte der Senat der Universität mit jüdischer Studierender wurde stark Härte gegen linksgerichtete Studierende und Nachsicht reglementiert, der Zugang von Frauen gegenüber rechtsextremen Straftätern. Die Vorlesungen des zum Studium begrenzt und die Lehre jüdischen Professors und Staatsrechtlers Hans Nawiasky gemäß der NS-Ideologie ausgerichtet. wurden beispielsweise 1931 so heftig angegriffen und Jüdische und politisch unliebsame Studierende zusammengeschlagen, dass die Universität Personen wurden aus dem Lehrkörper nach der Räumung durch die Polizei eine Woche lange entfernt – bis 1939 wurde etwa die geschlossen blieb. Hälfte der Lehrstühle an der LMU neu besetzt. Bis 1945 wurden über 150 von der Universität verliehene Doktortitel

116 117 Walther Wüst (1901 – Nur vereinzelt regte sich an der LMU 1993) spricht am Widerstand gegen das NS-Regime. 10. März 1937 vor der Das bekannteste Beispiel ist die Wider­ SS im Münchner Hackerkeller. Ab stands­gruppe „Weisse Rose“*, ein 1941 war Wüst „Füh- Freundeskreis um die Studenten Hans rer-Rektor“ der LMU. Scholl und . Insge- Er war an der Verhaf- samt verfasste und verteilte die Gruppe tung des Münchner Widerstandskreises sechs Flugblätter. Während die ersten „Weisse Rose“ betei- vier Flugblätter noch mit „Flugblätter ligt. der Weissen Rose“ betitelt waren, sollte das sechste und letzte Flugblatt, das mit Eine der treibenden Kräfte dieser gewaltätig aufgeladenen „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“ über­ Stimmung war der bereits 1926 gegründete Nationalsozia­ schrieben war, gezielt die Studentinnen listische Deutsche Studentenbund (NSDStB), der ab 1930 und Studenten der Münchner Universität den ersten Vorsitzenden des Allgemeinen Studenten Aus- mobilisieren. Den Text verfasste Kurt schuss (AstA) stellte. Am 10. Mai 1933 war die LMU Aus- Huber, Pro­fessor für Philosophie an der gangspunkt für die öffentlich inszenierte „Bücherverbren- LMU. Dort heißt es: „Es gibt für uns nur Kurt Huber nung“ (e S. 37) auf dem Königsplatz, die maßgeblich vom eine Parole: Kampf gegen die Partei! (1893 – 1943), NSDStB organisiert worden war. Heraus aus den Parteigliederun­gen, in Aufnahme etwa 1940. denen man uns politisch weiter mund- Wenige Wochen nach der Bücherverbrennung erklärte der tot halten will! Heraus aus den Hör­sälen Senat der Universität im Juli 1933 offiziell seine Bereitschaft der SS-Unter- oder -Oberführer oder zur Zusammenarbeit mit dem NS-Regime. Am 3. April 1935 Parteikriecher! Es geht uns um wahre traten die „Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschul- Wissenschaft und echte Geistes­ frei­ heit!­ verfassung“ in Kraft, mit denen das „Führerprinzip“ an den Kein Drohmittel kann uns schrecken, Universitäten festgeschrieben wurde. 1941 wurde der Indo- auch nicht die Schliessung unserer loge und Präsident der nationalsozialistischen „Forschungs- Hoch­schulen. Es gilt den Kampf jedes gemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“ Walther Wüst zum einzelnen von uns um unsere Zukunft, Sohpie Scholl „Führer-Rektor“ ernannt. In Folge dieser Ernennung wurden unsere Freiheit und Ehre in einem sei- (1921 – 1943), Forschung und Lehre noch stärker als bereits in den voran- ner sittlichen Verantwortung bewuss- Aufnahme etwa 1942. gegangenen Jahren von der nationalsozialistischen Ideologie ten Staatswesen.“ durchdrungen. * Die Schreibweise „Weisse Rose“ folgt der Namensgebung der Gruppe; die Schreibweise „Weiße Rose“ bezieht sich auf die Denkstätte und die Stiftung. Anm. der Herausgeberin. 118 119 Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl beim Verteilen des Flugblattes an der Universität verhaftet. Die Mitglieder der „Weissen Rose“ wurden vor dem Volksgerichtshof an- geklagt und zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt. , Hans und Sophie Scholl wurden im Vor dem Eingang Februar 1943, Kurt Huber und Alexan- des Hauptgebäu- der Schmorell im Juli 1943 und Willi des der LMU am Geschwister-Scholl- Graf im Oktober 1943 hingerichtet. Platz erinnert seit 1988 eine Collage Bereits seit 1946 erinnert eine Gedenk- des Bildhauers Ro- tafel an den Widerstand der „Weissen bert Schmidt-Matt mit in den Boden Rose”. Es folgten u.a. die Benennung eingelassenen des Geschwister-Scholl-Platzes und des Nachbildungen Professor-Huber-Platzes, ein Bronze- von Flugblättern, Relief, in den Boden eingelassene Flug- Portraitfotos und dem Abschiedsbrief blätter und 1997 die Eröffnung der von Willi Graf an „Denk­Stätte Weiße Rose” (e S. 120). den Widerstand der Die Auseinandersetzung mit der Ge- „Weissen Rose“, schichte der LMU in der NS-Zeit da­ Aufnahme von 2005. gegen dauerte deutlich länger. 2002 ini­tiierte die LMU ein Forschungspro- jekt zur systematischen Untersuchung der Geschichte der LMU im National­ sozia­lismus. Inzwischen liegen zwei Aufsatzbände zur „Universität Mün- chen im Dritten Reich“ vor.

120 121

Die Weiße Rose ist ein Freundeskreis um die Studenten „IN EINEM STAAT und Alexander Schmorell. Ab Sommer 1942 rufen sie in München mit Flugblättern gegen die NS- RÜCKSICHTSLOSER Diktatur und zur Beendigung des Krieges auf. Auch in anderen deutschen Städten gewinnen sie Helfer für die Verteilung der Flugblätter. Ende 1942 schließt sich Schellingstraße KNEBELUNG KNEBELUNG Prof. Kurt Huber an.

Vom Widerstandskreis der Weißen Rose werden sieben Christoph Probst, um 1939 JEDER FREIEN Personen von der NS-Justiz ab Februar 1943 zum Tode Christoph Probst, c. 1939

verurteilt und hingerichtet. Rund 60 Mitstreiter werden Abbildung neu in mehreren Prozessen angeklagt und zum Teil zu langen Alexander Schmorell, um 1939 MEINUNGSÄUSSERUNG Haftstrafen verurteilt. Alexander Schmorell, c. 1939 Der Name der nach dem Titel der ersten vier Flugblätter Vor allem der östliche, an die Ludwigstraße grenzende Teil SIND WIR benannten Widerstandsgruppe sei willkürlich gewählt, sagte Hans Scholl im -Verhör. Er sollte „einen guten AUFGEWACHSEN.“ Klang haben, hinter dem aber ein Programm steht“. der Schellingstraße ist von der unmittelbar angrenzenden Die Weiße Rose ist heute eine der bekanntesten deut- Sechstes Flugblatt der Weißen Rose, 1943 schen Widerstandsgruppen. In der Zeit des national- Hans Scholl, um 1939 Hans Scholl, c. 1939 sozialistischen Terrors appellieren sie aus humanistischen Motiven an die Verantwortung jedes Einzelnen für Universität geprägt. Zwischen Buchhandlungen, Kneipen Freiheit und Gerechtigkeit. Sophie Scholl, um 1942 Sophie Scholl, c. 1942

“WE HAVE GROWN UP The is a circle of friends around students Hans Scholl und Cafés haben diverse Institute, Bibliotheken und andere and Alexander Schmorell. Starting in summer 1942 in Munich, they IN A COUNTRY WHERE use pamphlets to call for resistance to the NS dictatorship and an end to the war. They receive help in producing and distributing their THE FREE EXPRESSION pamphlets in other German cities, too. Towards the end of 1942 they are joined by Professor Kurt Huber. Semestereröffnungsfeier im Lichthof der universitäre Einrichtungen ihre Adresse. In den Sommer- Ludwig-Maximilians-Universität, die zugleich Willi Graf, um 1939 Auftakt für die öffentliche Bücherverbrennung Willi Graf, c. 1939 auf dem Königsplatz ist, 10. Mai 1933 OF ANY OPINION After February 1943 seven members of the White Rose resistance Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv

Die Universität präsentiert sich im Zeichen des group are sentenced to death and executed under NS law. Around Hakenkreuzes. Porträts von Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Hitler hängen unter IS RUTHLESSLY SUPPRESSED.” 60 of their fellow campaigners stand trial in a number of different den Statuen Ludwigs I. und Prinzregent Luitpolds. Dicht gedrängt stehen Korpsstudenten und proceedings. Most are given long prison sentences. Prof. Kurt Huber, um 1941 Mitglieder des Nationalsozialistischen Deutschen Prof. Kurt Huber, c. 1941 monaten ist auf den relativ schmalen Gehwegen kaum ein Studentenbundes. Der Großteil der Versammlung zieht anschließend zur Bücherverbrennung – Sixth Sixth WhiteWhite RoseRose pamphlet,pamphlet,1943 1943 einem Symbol der Zerstörung der geistigen Freiheit. During his interrogation by the Gestapo, Hans Scholl says the group’s Passbilder aus der Studentenkartei der Ludwig-Maximilians-Universität und name is chosen by chance from the title of the fi rst four pamphlets. aus dem Dozentenausweis Kurt Hubers The celebration in the atrium marks the new Universitätsarchiv München, Stud-Kart II und E-II-1818 semester at the Ludwig-Maximilians-Universität He says it is meant as something “with resonance but with a pro- Identity photos from the University’s and is also prelude to the public book burning student register and from Professor Kurt on Königsplatz, 10 May 1933 gramme behind it”. Huber’s staff card. The University is decorated with the symbol of Durchkommen. the swastika. Portraits of Hindenburg, President of Germany, and of Hitler, Chancellor of the Reich, Today the White Rose is one of the best-known German resistance hang beneath the statues of Ludwig I and Luitpold, the Prince Regent. Members of the German Student Corps and of the National Socialist German Students’ groups. Under the terror of National Socialism, they make an appeal League have a strong presence throughout the crowd. Afterwards the vast majority of those gathered on humanist grounds to every individual’s sense of responsibility for then move on to the book burning – a symbol of the destruction of intellectual freedom. freedom and justice. Das Gebäude in der Schellingstraße 3 beherbergt neben der Cafeteria und diversen Hörsälen die Institute der Fakultät In Kooperation mit der Universität richtete für Sprach- und Literaturwissenschaft, das Amerika-Institut, die Weiße Rose Stiftung e.V. 1997 die „Denk- das Münchner Zentrum für Antike Welten und die Fach­bi­blio­ Stätte Weiße Rose“ am Lichthof des Haupt- thek der Klassischen und Indogermanischen Philologie. In gebäudes der LMU ein. Am 18. Februar 2017 wurde eine neugestaltete zweisprachige der Schellingstraße 5 befinden sich die Institute der Fakul- Dauerausstellung in der DenkStätte eröffnet. tät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religions­ Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt der wissenschaft, des Departments für Kulturwissenschaften neuen Ausstellung. Weitere Informationen: und der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften. In www.weisse-rose-stiftung.de der Schellingstraße 7 sind die Institute des Departments für Germanistik, Komparatistik, Nordistik und Deutsch als

Blick in die Schelling- straße in Richtung Ludwigskirche, Aufnahme von 2014.

122 123 Fremdsprache und in der Schellingstraße 9 die Institute der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften und das Institut der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre unter- gebracht.

In der Schellingstraße 4 befindet sich das Dekanat der Fakultät für Physik und in der Schellingstraße 10 sind die Frauenbeauftragte, die Gleichstellungsbeauftragte und der Personalrat der Universität untergebracht sowie die Institute der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften, das Institut der Fakultät für Philosophie und das Lehrerbildungs- zentrum.

Die meisten Einrichtungen des Historischen Seminars und die dazugehörige Bibliothek befinden sich im 1999 eröff­ ne­ten Historicum in der Schellingstraße 12. Dem Histo­ rischen Seminar gehören folgende geschichtswissenschaft- liche Fächer an: Alte Geschichte, Mittelalterliche Die Bibbliothek des Ge­schichte, Geschichte der Frühen Historicums ist die Neuz­eit, Neueste Geschichte und größte geschichts- wissenschaftiche Namensgeber der Straße ist der Zeitgeschichte, Jüdische Geschichte Bibliothek Deutsch- Philosoph Friedrich Wilhelm und Kultur (diese drei letztgenannten lands. Ihr lichtdurch- Joseph Schelling (1775 – 1854), fluteter Lesesaal der 1827 als Professor an die Teilfächer bilden das Fach Neuere und Neueste Geschichte), Historische (Aufnahme von LMU kam. Er galt, neben Georg 2007) ist nicht nur Wilhelm Friedrich Hegel, als einer Grundwissenschaften und Historische bei Historiker_innen­ der Hauptvertreter des deutschen Medienkunde, Didaktik der Geschichte, sehr beliebt. Idealismus. Neben seinem Ordi­ na­riat an der LMU war er von Geschichte Osteuropas und Südost- 1827 bis 1842 Präsident der Baye­ europas, Bayerische Geschichte und rischen Akademie der Wissen­ Wissenschaftsgeschichte. schaften (e S. 81). 1842 folgte Schelling einem Ruf nach Berlin auf den vakanten Lehrstuhl Hegels. Das Gemälde von Joseph Karl Stieler zeigt Schelling im Jahr 1835. 124 125 Technische Universität München

Die Technische Universität München (TUM oder TU Mün­ chen) ist die einzige technische Universität in Bayern und eine der größten Technischen Hochschulen Deutschlands. 528 Professor_innen lehren und forschen an den 14 Fa­kul­­ tä­ten der Universität. Im Wintersemester 2015/16 waren über 39.000 Student_innen eingeschrieben.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Voraussetzun­ gen für eine akademische Ingenieursausbildung geschaffen. Gesamtansicht des In Bayern waren 1833 „Polytechnische Schulen“ in Augs­ Gebäudes an der burg, Nürnberg und München eingerichtet worden, ein­­- Arcisstraße, welches grup­piert als „Lyzeen“ zwischen Mittel- und Hochschule. nach den Plänen von Gottfried von Nachdem eine an der wenige Jahre zuvor nach München Neureuther errichtet umgesiedel­ ten­ Ludwig-Maximilians-Universität (e S. 103) worden war und im eingerichtete „Technische Hochschule“ wenig erfolgreich Gründungsjahr 1868 war, wurde 1840 an der Polytechnischen Schule München bezogen wurde, Aufnahme von 1890. ein weiterführen­der Ingenieurskurs angeboten. Damit war die Grundlage der späteren Technischen Hochschule Mün­ Unten: Haupteingang chen gelegt. 1868 schließlich gründete König Ludwig II. der Technischen Uni- die als Hochschule re­organisierte „Polytechnische Schule versität München an der Arcisstraße 21, München“. 1877 wurde ihr der Rang einer „Technischen Aufnahme von 2012. Hochschule“ zuer­kannt und knapp 100 Jahre später wurde sie 1970 in „Technische Universität“ umbenannt.

In Bayern hat die TUM mit München, Garching (e S. 47) und Weihenstephan drei große Standorte. International hat die TUM Vertretungen in Brüssel, Peking, Kairo, São Paulo, Mumbai und San Francisco. Als erste deutsche Universität eröffnete die TUM 2002 eine eigene Dependance im Aus- land: die TUM Asia in Singapur. Hinzu kommen unzählige internationale Kooperationen.

126 127 Am Olympiapark befindet sich die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften und zu den Universitätskliniken der TUM gehören das Klinikum rechts der Isar, wo auch die Fakultät für Medizin angesiedelt ist, sowie das Deutsche Herzzentrum München und die Klinik am Biederstein.

Das Gebäude der Fakultät für Maschi­ nenwesen in Gar- ching (e S. 47, Auf- nahme von 2016). Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind: Luft- und Raum­­ fahrt, Auto­motive, Produktions- und Energietechnik, Mecha­ tronik­ und – gemeinsam mit an- deren Fakultäten – Medizintechnik und Das Wissenschafts­ Innerhalb von München ist die TUM Verfahrenstechnik. zentrum für Ernäh- an drei Standorten präsent: Der Innen- rung, Landnutzung Medizinstudent_in- und Umwelt (WZW) stadt-Campus auf dem historischen nen trainieren im der TUM in Freising- Stammgelände an der Arcisstraße Operationssaal Weihenstephan, beheimatet das Hochschulpräsidium (Aufnahme von 2014) Luftbildaufnahme sowie die Fakultäten für Architektur, des Simulationszent- von 2014. rums für angehende für Bau Geo Umwelt, für Elektrotech- Ärzt_innen im Klini- nik und Informationstechnik und für kum rechts der Isar Wirtschaftswissenschaften. In unmit- an einer Mannequin- telbarer Nähe befindet sich außerdem Puppe namens „Detlef Nothinger“ die Fakultät für Lehrerbildung und die Behandlung von Bildungsforschung, die TUM School Pa­tient_innen. of Education.

128 129 Herausragende Wissenschaftler an der TUM Der Ingenieur, Erfinder und Unternehmer Die TU München hat eine Reihe namhafter Wissenschaft- Carl von Linde (1842 – 1934, Aufnahme von 1927) war ab 1868 außer­ordentlicher und ab ler_innen, Architekt_innen, Ingenieur_innen und Unterneh- 1872 ordentlicher Pro­fes­sor an der Polytech- mer_innen hervorgebracht. Unter ihnen Ingenieure und nischen Schule München. Dort rich­tete er Erfinder wie Rudolf Diesel und Carl von Linde, der Architekt das erste Maschinenlabor Deutschlands ein. und Maler Friedrich von Thiersch, der Bauingenieur und Linde ent­wickelte ein neues Kältetechnikver- e fahren, welches die industrielle Herstellung Begründer des Deutschen Museums ( S. 19f.) Oskar von von Kühlschränken ermöglichte. Miller. Aus dem Professorenkollegium und den Alumni der Technischen Universität München sind bisher 13 Nobel- preisträger hervorgegangen: Der Erfinder des Dieselmotors Rudolf Diesel (1858 – 1913, Aufnahme von 1883) studierte • Heinrich Otto Wieland (1877 – 1957), Chemie 1927 von 1875 bis 1880 Maschinenwesen an der Technischen Hochschule München. Schon (e S. 149) während seines Studiums versuchte er, den • Hans Fischer (1881 – 1945), Chemie 1930 (e S. 58) Wirkungsgrad von Dampfmaschinen zu ver- • Rudolf Ludwig Mößbauer (1929 – 2011), Physik 1961 bessern. (e S. 60) • Konrad Bloch (1912 – 2000), Medizin 1964 Ernst Otto Fischer (1918 – 2007) erhielt 1973 • Ernst Otto Fischer (1918 – 2007), zusammen mit den Nobelpreis für Physik zusammen mit Geoffrey Wilkinson: Chemie 1973 Geoffrey Wilkinson für seine Pionierleistun- • Klaus-Olaf von Klitzing (* 1943), Physik 1985 gen über die Chemie der metallorganischen sog. Sandwichverbindungen. Nach seiner • Ernst Ruska (1906 – 1988), Physik 1986 Habilitierung an der TH München 1954 hatte • Robert Huber (1937) und Johann Deisenhofer (1943), Fischer einige Jahre an der LMU gewirkt, be- zusammen mit Hartmut Michel, Chemie 1988 vor er 1964 den Lehrstuhl für Anorganische (e S. 196) Chemie an der TH München übernahm. Im Bild Ernst Otto Fischer (li.) während der • (1913 – 1993), zusammen mit Verleihung des Nobelpreises durch den Professor Hans G. Dehmelt, Physik 1989 schwedischen König Carl XVI. Gustaf (re.), • Erwin Neher (* 1944), zusammen mit Professor Bert Aufnahme von 1973. Sackmann, Medizin 1991 • Wolfgang Ketterle (* 1957), zusammen mit Eric A. Dem Physiker Klaus-Olaf von Klitzing (Auf- Cornell und Carl E. Wieman, Physik 2001 (e S. 61) nahme von 1985) wurde 1985 der Nobel- • Gerhard Ertl (* 1936), Chemie 2007 (e S. 111) preis für Physik für seine „Entdeckung des sogenannten quantisierten Hall-Effekts” verliehen. Zwischen 1980 und 1985 hatte er eine Professur für Festkörperphysik an der TUM inne. 130 131 Frauen an der TU München lag im Fach Architek­tur bei 55 Prozent und im Fach Mathe- „Innerhalb der Ingenieurwissenschaften hat der Frauenanteil matik bei 32 Prozent. In Informatik waren es 18 Prozent bei den Studierenden dieses Jahr erstmals die 50 Prozent- weibliche Studierende und im Maschinenwesen ebenso Marke erreicht, wobei nach wie vor die Architektinnen und wie in Elektrotechnik und Informationstechnik 15 Prozent. Bauinge­nieurinnen den Löwenanteil ausmachen. In der Elek­ trotechnik studieren derzeit 35 Prozent Studentinnen, im Die erste dokumentierte Hörerin an der Technischen Hoch- Maschinenwesen sind es 31 Prozent. Der Anteil der Profes- schule München war 1899 für zwei Semester im Fach sorinnen hat sich seit 2007 verdreifacht. Die paritätische Mathematik Thekla Freytag aus Berlin. Frauen durften zu die- Verteilung unter den Studieren­den spiegelt sich auch in den sem Zeitpunkt nur mit persönlicher Befürwortung eines Pro- Gremien und Ämtern der TUM wider. Das Präsidium besteht fessors an den Vorlesungen teilnehmen. Erst im Jahr 1905 zur Hälfte aus Frauen, viele Fakultäten haben seit Jahren erlaubte das Königreich Bayern eine reguläre Immatri­kulation Dekaninnen und 2019 wurde erstmals eine Frau an die Spitze von Frauen an einer technischen Hochschule. Die erste regu- der TUM gewählt.“ Im Jahr 2022 – so die Vision der Ver­fas­ lär immatrikulierte Studentin der THM war Agnes Macken- ser_innen dieses Textes, der im Jahr 2007 in einer Broschüre sen, die 1915 als erste diplomierte Architektin ihr Studium der Universität veröffentlicht wurde – hat die TU München ihr mit Auszeichnung abschloss. Im Fach Elektrotechnik war Ziel erreicht, „Deutschlands frauenfreundlichste technische Anna Helene Boyksen die erste eingeschriebene Studentin Universität zu werden“. Diese Vision ist im Jahr 2017 zwar an der THM. 1908 bestand sie das Vordiplom, studierte noch nicht umgesetzt, dennoch konnte der Frauenanteil un- Volkswirtschaft und Jura und promovierte in Erlangen. Die ter den Studierenden und Professor_innen in den letzten Jah­ TU München hat das Anna Boyksen Fellowship nach ihr be- ren zum Teil deutlich gesteigert werden. Während 1995 nur nannt, ein Forschungsstipendium, „das an herausragende 3 Wissenschaftlerinnen im Professorenkollegium waren, sind internationale Wissenschaftler/innen vergeben wird, die zu- es heute fast 90 Professorinnen, also 17 Prozent des Kolle­ sammen mit Forschern und Forscherinnen der TUM gender- giums. Unter den Studierenden waren im Wintersemes­ter und diversity-relevanten Fragestellungen nachgehen wollen.“ 2015/16 34 Prozent der insgesamt mehr als 39.000 Studie- renden an der TUM weiblich. Der Anteil der Studentinnen Im Jahr 1910 studierten insgesamt 17 Frauen an der THM und 1931 waren im Wintersemester 101 Studentinnen Dongheui Lee, Juniorprofessorin im Fachbereich „Dynamische immatrikuliert. 1941 schließlich habilitierte sich Liesel Beck- Mensch-Roboter-Interaktion für mann (1914 – 1965) als erste Frau an der THM im Bereich Automatisierungstechnik“ am Handwerkswirtschaft. 1946 wurde sie zur ersten außerplan- Lehrstuhl für Steuerungs- und mäßigen außerordentlichen Professorin der THM ernannt. Regelungstechnik der Techni- schen Universität München. Die Die TU München erinnert an sie mit dem jährlichen Liesel- Aufnahme von 2016 zeigt sie mit Beckmann-Symposium, das neue Aspekte und Inhalte für einem Roboter­modell in ihrem die Gender- und Diversityforschung an der TUM generieren Büro in der Karlstraße. und die interne und externe Vernetzung fördern soll. 132 133 und Weihenstephan organisiert und gegen „rote“ und „schwarze“ Professoren an der Technischen Hochschule gehetzt.

Einschneidende Änderungen vollzogen sich auch für den Lehrkörper mit Hilfe des neu erlassenen „Gesetzes zur Wie- derherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933. Noch 1933 wurden sechs „nichtarische“ Dozenten entlas- Der Thiersch-Turm – Die Technische Hochschule sen und 1937 zwei weitere Dozenten, die mit Jüdinnen das heutige Wahr­ zwischen 1933 und 1945 verhei­ratet waren. zeichen der TUM – Ab 1930 war der Nationalsozialistische wurde 1916 von dem Architekten Deutsche Studentenbund zur stärksten Aufgrund „nichtarischer“ Abstammung entlassene Hoch- und Maler Friedrich Fraktion an der Technischen Hoch­ schullehrer der TH München (1933): Maximilian Thiersch schule aufgestiegen. Unter den Ordi­ (1852 – 1921) fertig­ narien der THM gab es zu dieser Zeit • Dr. Arthur Cohen, Privatdozent mit Titel und Rang eines gestellt, der 1882 als Professor an die allerdings nur ein einziges Mitglied der a.o. Professors für Nationalökonomie THM berufen wor- NSDAP. Bis zum Mai 1933 trat jedoch • Dr. Robert Emden, Privatdozent mit Titel und Rang eines den war. beinahe jeder fünfte Hochschullehrer a.o. Professors für Physik und Meteorologie der THM in die NSDAP ein. Gegner_ • Dr. Guido Zerkowitz, Privatdozent mit Titel und Rang eines Links: Blick auf das Hochschulgebäude innen des NS-Regimes und alle, die a.o. Professors für Maschinenbaukunde in der Gabelsberger- nicht in die Volksgemeinschaft passen • Dr. Paul Busching, Honorarprofessor für straße, Aufnahme wollten oder sollten, bekamen dies Kleinwohnungswesen von 1930. deutlich zu spüren. Am 1. April 1933, • Dr. Leo Jordan, Honorarprofessor für Rechts: Löscharbei- dem reichsweit organisierten Boykott die französische Sprache ten auf dem Dach der gegen Jüdin­nen und Juden, stellten • Dr. Heinrich Rheinstrom, Honorarprofessor für Hochschule, nach sich auch vor der Technischen Hoch- Steuerwesen einem Luftangriff im schule uniformierte Studenten auf und September 1943. hetzten gegen eine „Verjudung der Aufgrund „jüdischer Versippung“ entlassene Hochschul­ Hochschulen“. Gut einen Monat später, lehrer der TH Müchen (1937): am 10. Mai rie­fen sie mit auf zur Bü­ cher­verbrennung auf dem Königsplatz • Dr. August Albert, Privatdozent mit Titel und Rang eines (e S. 37). Im selben Jahr wurden a.o. Professors für organisch-chemische Technologie mehrere Kund­gebungen in München • Dr. Manfred Schröter, Lehrbeauftragter für Geschichte

134 135 Parallel zur Entlassung von Dozenten wurde der Zugang von Studierenden zur Hochschule nach rassistischen und politi- schen Gesichtspunkten reguliert. Die nationalsozialistische Durchdringung der Hochschule umfasste darüber hinaus vor allem die „Gleichschaltung“ und Reorganisation der Hoch- schule sowie die Neubesetzung von Schlüssel­positionen. Der letzte frei gewählte Rektor war Anton Schwaiger, der 1933 der NSDAP beitrat, aber auf Grund seiner Versuche, die Unabhängigkeit der Hochschule zu­mindest in Einzelfällen zu bewahren, sein Amt aufgeben musste. 1935 wurden der nationalsozialistische Wunsch­kandidat Wolfgang Schmidt und 1938 Lutz Pistor zum „Führerrektor“ der THM ernannt.

Unter den Dozent_innen und Studierenden gab es, abge­se­ hen von vereinzelten kleinen Aktionen wie die Störung einer NS-Propagandaveranstaltung mit Stinkbomben, so gut wie keinen nennenswerten Widerstand gegen die nationalsozia- Oben: Bei Kriegsen- listische Durchdringung der Hochschule. Was es jedoch gab, de waren die Münch- war der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch einzelner ner Gebäude der Technischen Hoch- regimekritischer Ordinarien wie beispielsweise Hans Fischer schule zu 80 Prozent (e S. 58), die Hochschule oder den eigenen Wirkungskreis zerstört. Aufnahme gegen NS-Einflüsse weitgehend abzuschirmen. von 1945/46. Unten: Wiederaufbau der kriegszerstörten Nach Kriegsende ließ die US-Militärregierung alle Hoch­-­ Gebäude, Aufnahme schu­len vorübergehend schließen und entließ alle Mitglieder von 1950. von NS-Organisationen. Die THM verlor auf diese Weise 73 der zu diesem Zeitpunkt insgesamt 119 Hochschullehrer – bis 1953 wurden 31 von ihnen wieder eingestellt. Eine Gründungsjubiläum­ 2006 den Betroffe- Ausein­an­dersetzung mit der Rolle der THM während der nen ihre unrechtmäßig entzogenen NS-Zeit blieb – wie an nahezu allen Universitäten – lange Zeit akademischen Titel posthum wieder tabu und erfolgte erst in den 2000er Jahren auf ausdrück­ zuerkannt. Dies trug wesentlich zur lichen Wunsch ihres Präsidenten Wolfgang A. Herrmann. weiteren Erforschung des Themas in Auf seine Initiative wurden außerdem zum 140jährigen München bei.

136 137 Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude teilweise zer- stört und anschließend zwar im gleichen Stil, aber in etwas vereinfachter Form wieder errichtet. 2013 setzte sich eine Bürger_inneninitiative für den Erhalt des Anwesens ein, nachdem der damalige Eigentümer den Denkmalschutz auf- heben lassen wollte. Die zukünftige Nutzung ist noch nicht bekannt.

Paul Heyse erhielt 1910 den Nobel- preis für Literatur für sein „vollendetes und von idealer Auffassung geprägtes Künstlertum als Lyriker, Dramatiker, Romanschriftsteller und Dichter von Novellen“. Im selben Jahr wurde er in den Adelsstand erhoben und zum Paul-Heyse-Villa Ehrenbürger von München ernannt. Seit er 1854 eine Professur in romani- Die denkmalge­ Von einer alten, hohen Mauer teilweise scher Philologie erhalten hatte, lebte schützte Villa des verborgen und von einem Garten mit er in München. Er verfasste eine Viel- Münchner Schrift­ altem Baumbestand umgeben, grenzt zahl von Werken in allen literarischen stellers und Nobel­ preisträgers für die Paul-Heyse-Villa direkt an die Glyp­ Gattungen. Schon 1867 bezeichnete Literatur Paul Heyse tothek und liegt schräg gegenüber dem ihn Theodor Fontane in der Zeitschrift (1830 – 1914) an der Lenbachhaus. Nachdem Paul Heyse „Gartenlaube“ als „Liebling der Mu- Literaturnobelpreis- Luisenstraße 22, das Grundstück erworben hatte, ließ sen“. träger Paul Heyse, Aufnahme um 1920. 1830 – 1914 München, er das bestehende Haus ab 1872 von Aufnahme um 1912. dem Architekten Gottfried von Neu- reuther im Stil der Neorenaissance umbauen. Um 1900 war die Villa Paul Heyses Treffpunkt für Münchner Künst- ler_innen und Intellektuelle, wie Franz von Lenbach oder Thomas Mann (e S. 76).

138 139 Sein Nachlass mit der Nobelpreis-Urkunde befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek (e S. 97), die anlässlich des hundertjährigen Todestages 2014 mit einer Ausstellung an den Schriftsteller erinnerte. Sein Grab befindet sich auf dem Münchner Waldfriedhof (e S. 183).

Ebenfalls dem Schriftsteller gewidmet ist die Namensge- bung der Unterführung zwischen Arnulf- und Bayerstraße unter dem Münchner Hauptbahnhof. Der Sanierungsbedarf des Tunnels beschäftigt seit Jahren immer wieder die Stadt- öffentlichkeit.

Der Maler Adolph von Menzel (Mitte) mit Paul Heyse und seiner Frau in deren Villa, Aufnahme von 1902.

Der Salon der Paul-Heyse-Villa, Aufnahme von 1910.

140 141 Im Wohnhaus des Ehepaars Hedwig und Alfred Pringsheim lernte der spä­ tere Nobelpreisträger für Literatur Thomas Mann (e S. 76) Katia, die Tochter des Ehepaars, kennen, die er 1905 heiratete.

Die Nationalsozialisten zwangen im August 1933 die deutsch-jüdische Familie, das Palais Pringsheim an die Das Palais Prings- NSDAP zu verkaufen. Anschließend heim (Aufnahme von 1894) an der Arcis­ wurde das Gebäude abgerissen, um straße 12 (heute Platz für den „Verwaltungsbau“ der Katharina-von-Bora- NSDAP zu schaffen. 1938 raubte die Straße 10). Heute Gestapo Pringsheims wertvolle Gold- befindet sich an Stelle des 1933 auf schmiedesammlung und genehmigte Veranlassung der erst 1939 die Ausreise in die Schweiz, Nationalsozialisten nachdem er seine Kunstsammlungen Der Mathematiker abgerissenen Gebäu- weit unter Wert zwangsversteigern Alfred Pringsheim des das Münchner lassen musste. Viele Objekte aus in jungen Jahren, Haus der Kulturins- undatierte Auf­ titute. Pringsheims Sammlungen sind heute nahme. weltweit in Museen zerstreut. Seit Palais Pringsheim Jahr­zehnten kämpfen die Nachkom- men um eine Entschädigung und Alfred Pringsheim (1850 – 1941), der aus einer schlesisch- Restitution. jüdischen Familie stammte, war Professor für Mathematik an der Ludwig-Maximilians-Universität (e S. 103), Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) und Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Pringsheim kam 1875 nach München und heiratete 1878 Gertrude Hedwig Anna Dohm (1855 – 1942). Als Mathemati- ker veröffentlichte Pringsheim zahlreiche wissenschaftliche Artikel und galt als ausgezeichneter Lehrer.

142 143 phischen Fakultät zum Professor der Chemie ernannt und das Chemische Laboratorium in die Universität eingeglie- dert.

Ab 1852 lehrte der Chemiker Justus von Liebig (1803 – 1873) in München. Für den berühmten Gießener Forscher ließ König Maximilian II. noch im selben Jahr einen Institutsneu- bau westlich des alten Hauses an der Sophienstraße errichten.

Liebig gilt als einer der erfolgreichsten Chemiker des 19. Jahrhunderts, nicht nur als Theoretiker, sondern auch als Erfinder und Unternehmer. Besonders die Entwicklung eines Fleischextraktes Chemische Institute an der Sophienstraße (1815 – 2004) machte ihn weit über Europa hinaus bekannt. Von 1859 bis zu seinem Tod Nach der Zerstörung Noch bevor die Universität 1826 von war Liebig Präsident der Akademie der des Chemischen Landshut nach München verlegt wurde, Wissenschaften in München (e S. 81). Staatslaboratoriums entschied die königlich Bayerische Aka- Sein Grab befindet sich auf dem Alten der Universität München im Zweiten demie der Wissenschaften (e S. 81), Südlichen Friedhof (e S. 168). Die Weltkrieg wurden ein Chemisches Laboratorium zu er- Stadt München benannte ihm zu Ehren am gleichen Ort nach richten. 1815 wurde nördlich des 1809 eine Straße im Lehel und 1883 wurde 1945 die Chemischen neu angelegten (Alten) Botanischen ein Denkmal am Maximiliansplatz Institute der LMU (e S. 103) errichtet. Gartens an der Ecke Sophien- und ein­geweiht (e S. 85). Im Deutschen Auf der Aufnahme Arcisstraße (heute Katharina-von-Bora- Museum (e S. 19f.) gibt es seinen Ver- Justus von Liebig, von 1890 ist das Straße) mit dem Bau begonnen. Der brennungsapparat zur Elementar­ana­ Aufnahme um 1860. „Liebig Laborato­ erste „Konservator“ wurde der Che­ lyse Kohlenstoff und Wasserstoff ent- rium“ und daneben das Chemische Insti- miker Heinrich August Vogel (1778 – haltender organischer Substanzen und tut zu sehen (heute 1867), der dem Laboratorium bis 1852 im Ehrensaal des Museums seine Katharina-von-Bora- vorstand. Nach dem Umzug der Uni­ Büste zu sehen. Straße). versität wurde Vogel von der philoso-

144 145 blieb auch Mitglied in der Akademie der Wissenschaften. 1939 musste Willstätter aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus München in die Schweiz fliehen. Heinrich Wieland (1877 – 1957) wurde 1926 der Nachfolger Willstätters am Chemischen Staatslaboratorium. Das „Liebig Labo­ ra­torium“ im Deut- schen Museum, Wieland leitete das Institut auch während der NS-Zeit. Aufnahme um 1930. Durch seine Reputation als Nobelpreisträger gelang es ihm, die Freistellung junger Wissenschaftler vom Militärdienst zu Die Stelle Liebigs übernahm der später geadelte Adolf erreichen. Auch bot er Angestellten jüdischer Herkunft die Baeyer, der für seine Arbeiten über organische Farbstoffe Möglichkeit, bei ihm weiter zu studieren und zu forschen. 1905 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Von 1875 bis zu seiner Emeri­tierung 1915 leitete er das Chemische Labora­ Chemie-Professoren und Studenten während des Wintersemesters torium der LMU. Baeyer ließ Liebigs Wohnhaus und Teile 1877/1878 an der Ludwig-Maximilians-Universität, in der Mitte unten des alten Laborato­riums abreißen und ab 1876 einen Neu- mit Hut Adolf von Baeyer (1835 – 1917), rechts daneben der spätere bau errichten. Nobelpreisträger für Chemie von 1902, Emil Fischer (1852 – 1919). Adolf von Baeyer erhielt 1905 den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten über organische Farbstoffe und die hydroaromatischen Der spätere herausragende Wissenschaftler und „Vater der Verbindungen. Kernchemie“ Otto Hahn war 1900 einer seiner Studenten (Nobelpreis für Chemie 1944). Richard Willstätter, ein Schü- ler Baeyers, hatte auch in München studiert und wurde 1916 an die LMU berufen, wo er den Lehrstuhl von Baeyer und die Leitung des Laboratoriums übernahm. Noch während des Ersten Weltkrieges zwischen 1916 und 1918 wurde ein neuer großer Hörsaal errichtet und das Laboratorium umgebaut. Bei Willstätter promovierte 1922 Richard Kuhn (1900 – 1967), der 1938 „für seine Arbeiten über Carotinoide und Vitamine“ den Nobelpreis für Chemie erhalten sollte. 1924 legte der aus einer jüdischen Familie stammende Richard Willstätter seine Professur an der LMU aus Protest gegen den zunehmenden Antisemitismus bei Personalent- scheidungen an der Universität nieder (eS. 117). Am Che­ mischen Staatslaboratorium forschte er dagegen weiter und

146 147 Richard Martin Willstätter Adolf von Baeyer gelang 1865 die Indigosynthese im Experiment. Die (1872 – 1942, Aufnahme von genaue Strukturformel zur synthetischen Herstellung konnte er 1883 1915). Der Chemiker erhielt 1915 angeben. den Nobelpreis für seine „Un- tersuchungen der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des 1943 waren noch 25 Studierende jüdischer Herkunft im La- Chlorophylls“. boratorium beschäftigt, darunter die spätere FDP-Politikerin Hildegard (Hamm-) Brücher. Es herrschte dort eine „aufge- Heinrich Otto Wieland (1877 – 1967, Aufnahme um 1930). schlossene Atmosphäre, die viel Raum für – regimekritische Wieland wurde 1927 mit dem – Gespräche bot”, erinnerte sich Marie-Luise Schultze-Jahn Nobelpreis für Chemie für seine (1918 – 2010), die 1940 ihr Studium am Chemischen Staats­ Forschungen zur Strukturermitt­ laboratorium begann. Am Institut lernte sie auch den durch lung der Gallensäuren und ver- wandter Substanzen ausgezeich- die Rassengesetze der Nationalsozialisten als „Halbjuden“ net. Wieland studierte ab 1896 ausgegrenzten Hans Leipelt kennen, der ebenfalls in Mün- an der LMU in München. Von chen Chemie studierte. Marie-Luise Jahn bewegte sich im 1918 bis 1921 war er Professor Umfeld der Widerstandsgruppe der „Weissen Rose“ (e S. für Chemie an der Technischen Hoch­schule München (e S. 127). 119ff.) und tippte gemeinsam mit Hans Leipelt 1943 nach Ab 1925 leitete er das Chemische der Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl und Christoph Staats­laboratorium an der So­ Probst das 6. Flugblatt der Gruppe ab. Im gleichen Jahr ver- phien­straße. Das Laboratorium haftete die Gestapo sie beide und fünf weitere Studenten wurde unter der Leitung Wie- lands während der nationalsozia- des Instituts. Hans Leipelt wurde am 13. Oktober 1944 zum listischen Herrschaft als regime- Tode verurteilt, Marie-Luise Jahn zu 12 Jahren Zuchthaus. kritischer Ort weiter betrieben. Am 29. Januar 1945 wurde Hans Leipelt in München- Stadelheim hingerichtet. Beim Prozess 1944 war Heinrich

148 149 Wieland als Entlastungszeuge aufgetreten. Im Jahr 2000 brachte die LMU zusammen mit der Weiße Rose Stiftung e.V. eine Gedenktafel in einem Hans Leipelt gewidmeten Seminarraum an der Fakultät für Chemie und Pharmazie auf dem „HighTech Campus” in München-Großhadern (e S. 187) an.

Im Spätsommer 1944 zerstörten Bomben große Teile des Instituts an der Sophienstraße. Nach Ende des Krieges 1945 konnten die Lehre und Forschung vorerst nur behelfsmäßig wieder aufgenommen werden. In den 1950er Jahren wurden auf dem Areal zwischen Karl- und Sophienstraße verschie- dene Institute neu erbaut (organische, anorganische, physi- kalische Chemie und Biochemie, Pharmazie und Lebensmit- telchemie, pharmazeutische Arzneimittellehre). Die Leitung des Instituts für Biochemie wurde Feodor Lynen übertragen. Lynen hatte an der LMU Chemie studiert und promoviert. 1942 hatte er nach seiner Habilitierung die Leitung der Ab- teilung Biochemie am Chemischen Laboratorium übernom- men. Lynen war mit Eva Wieland, der Tochter von Heinrich Wieland verheiratet. Feodor Lynen (1911 – 1979, Aufnahme von 1964) wurde 1964 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. 1964 erhielt Feodor Lynen zusammen mit Konrad Emil Bloch Lynen war Professor für Biochemie an der den Nobelpreis für Physiologie/Medizin für seine Forschun- LMU und Direktor des Max-Planck-Instituts gen auf dem Gebiet des Stoffwechsels von Cholesterin und für Zellchemie in München. In den letzten Fettsäuren. Jahren vor seiner Emeritierung 1979 konnte er auch noch den Neubau des Instituts für Biochemie der Max-Planck-Gesellschaft in Nachdem 1999 die Fakultäten für Chemie/Pharmazie und Martinsried bei München beziehen. Biologie auf den neuen „HighTech Campus” der LMU nach München-Großhadern verlegt worden waren, wurden die Gebäude der Chemischen Institute 2004 abgerissen. Heute befindet sich auf dem Areal das Luxusquartier Lenbachgär- ten.

150 151 Der Verhaltensbiologe Karl von Frisch (1886 – 1982, Aufnahme von 1959) forschte im Bereich der Sinnesphysiologie und ent- schlüsselte die sogenannten Tänze der Honigbiene. Frisch stu- dierte Zoologie in München und Wien. 1973 erhielt er zusammen mit Konrad Lorenz den Nobel- preis für Medizin.

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903 – 1989, Aufnahme von 1973) ist seit den 1950er Jah- ren einer breiten Öffentlichkeit durch seine Publikationen zum Sozialverhalten der Graugänse bekannt. Lorenz Rolle im und seine Einstellung zum National- Das 1931/32 errich­ Zoologisches Institut der LMU sozialismus sind nicht völlig ge- tete Zoologische Angrenzend an die Chemischen Insti- klärt. In Österreich blieb dem Institut der LMU in tute befand sich seit 1932 das Zoolo- Verhaltensbiologen aufgrund der Luisenstraße seiner NS-Vergangenheit eine 14 (Aufnahme von gische Institut der LMU. Hier wirkten Professur verwehrt. Dem ehe­ 1938). Karl von auch Konrad Lorenz und Karl Ritter maligen NSDAP-Mitglied wer­den Frisch leitete das von Frisch. Beide erhielten 1973 den Mitarbeit an „rasse­kundlichen“ Institut ab 1925 bis Nobelpreis für Physiologie/Medizin Studien und eine ideo­lo­gische zu seiner Emeritie- Nähe hinsichtlich biologis­tischer rung 1958. gemeinsam mit Nikolaas Tinbergen für Vorstellungen vorgeworfen. ihre „Entdeckungen zur Organisation Lorenz war ab 1957 Honorarpro- und Auflösung von individuellen und fessor für Zoologie an der LMU sozialen Verhaltensmustern“. und leitete von 1958 – 1973 das Max-Planck-Institut für Verhal­ tens­physiolgie/Ornithologie in Seewiesen/Oberbayern. 1973 erhielt er zusammen mit Karl von Frisch den Nobelpreis für Medizin.

152 153 9 7 2

3 10 4 8

5 1

11 Fortsetzung: Die Wissenschaftslinie U6 6 Sendlinger Tor / Goetheplatz

Klinikviertel

12 Das Klinikviertel erstreckt sich zwischen Goetheplatz und Sendlinger Tor. Es ist von den Innenstadtkliniken der Lud- wig-Maximilians-Universität (e S. 103) geprägt. 1813 wurde 1 Med. Klinik und Poliklinik 7 Ehem. Physiologisches Institut vor dem Sendlinger Tor das „Allgemeine Krankenhaus“

(„Links der Isar“) Pettenkoferstr. 12 – 14 erbaut und 1826 der nach München verlegten Universität Ziemssenstr. 1 8 Ehem. Firma Studiengruppe angeschlossen. Heute findet sich in dem Gebäude an der

2 Med. Klinik und Poliklinik Biologie und Umwelt Ziemssenstraße die „Medizinische Klinik Innenstadt“ Pettenkoferstr. 8a Nußbaumstr. 14 – auch „Ziemssenklinik“ oder „Klinikum links der Isar“ 3 Anatomische Anstalt 9 Ehem. Max-Planck-Institut für genannt. Die Straße wurde 1903 nach dem Direktor der Pettenkoferstr. 11 Eiweiß- und Lederforschung Klinik Hugo von Ziemssen (1829 – 1902) benannt, der zu den Schillerstr. 46 4 Max-von-Pettenkofer-Institut herausragendsten Medizinern des späten 19. Jahrhunderts Pettenkoferstr. 9a 10 Chirurgische Klinik gezählt wird. Nußbaumstr. 20 5 Psychiatrische Klinik

Nußbaumstr. 7 11 Dr. v. Hauner’sches Kinderspital In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts differenzierten Lindwurmstr. 4 6 Klinik und Poliklinik sich die verschiedenen medizinischen Fachrichtungen aus,

für Frauenheilkunde 12 Alter Südlicher Friedhof was sich in der Errichtung einer Vielzahl verschiedener Maistr. 11 Thalkirchner Str. 66

154 155 Gebäude für die jeweiligen Kliniken zwischen Sendlinger Tor und Goethestraße niederschlug. Darunter waren das Dr. v. Hauner’sche Kinderspital, die Frauenklinik, die Chirurgische Klinik, die Zahnärztlichen Kliniken, Psychiatrie und Augen­ klinik sowie die Dermatologische Klinik.

Ebenfalls im Klinikviertel befindet sich in der Pettenkofer­ straße 11 die Anatomische Anstalt der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU), die als eine der ersten großen Stahlbe- tonbauten Deutschlands zwischen 1905 und 1907 errichtet wurde. Hier werden den Studierenden der Medizin die Grundlagen von Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers vermittelt. Die Anatomische Schausammlung in dem Gebäude präsentiert über 2000 Exponate, die eine Übersicht über den Aufbau und die Organe des menschlichen Körpers geben. Zu Forschungszwecken ist es möglich, den eigenen Körper der Anatomischen Anstalt als „Spende“ zu überlassen. Die Grabanlage für die Toten befindet sich am Münchner Wald- friedhof (e S. 183).

Das Krankenhaus „Links der Isar“ an der Ziemssenstraße, Aufnahme von 1905. Rund um das bereits 1813 gegründete Krankenhaus entwi- ckelte sich um 1900 Oben: Die denkmalgeschützte Anatomische Anstalt in der Petten­ das Klinikviertel. koferstraße, Aufnahme von 1910. Die Anatomische Sammlung ist Montag von 11 bis 16 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich.

Unten: Mikroskopiersaal in der Anatomischen Anstalt, Aufnahme von 1910.

156 157 Besonders verbunden ist das Klinikvier­ tel mit dem Chemiker und Hygieniker Max von Pettenkofer (1818 – 1901). Pettenkofer gilt als Pionier im Bereich der Hygiene und öffentlichen Gesund- heit. Er erkannte den Einfluss hygieni- scher Zustände auf die Verbreitung von Seuchen. Auf sein Bestreben bekam München eine zentrale Trinkwasserver- sorgung und Kanalisation. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts galt München als eine der saubersten Städte Europas. Pettenkofer wurde erster Professor für Hygiene in Deutschland und war von 1890 bis 1899 Präsident der Bayeri- schen Akademie der Wissenschaften (e S. 81). Das heutige Max-von-Petten- In der nach den Plänen des Archi- kofer-Institut für Hygiene und Medizi­ tekten Max Littmann 1907 erbauten nische Mikrobiologie in der Petten­ „Neuen Anatomischen Anstalt“ koferstraße 9a ging aus dem Institut (Aufnahme von 1910) befindet sich noch heute ein nach dem Vorbild für Hygiene hervor, das Pettenkofer als eines Amphitheaters gestalteter Professor für medizinische Chemie Max von Pettenkofer, große Hörsaal für 415 Studierende. gegründet hatte. Ihm zu Ehren trägt Aufnahme um 1860. die Pettenkoferstraße seit 1902 seinen Eingang zur 1820 von Franz Reisinger (1787 – 1855) gegründeten Poliklinik Namen. Sein Grab findet sich auf dem an der heutigen Pettenkoferstraße nicht weit entfernt vom Klinikviertel 8a, die von Anfang an als Ambulanz- liegenden Alten Südlichen Friedhof klinik für die Münchner Bevölkerung (e S. 168). Der Nachlass Pettenkofers konzipiert war. Das Gebäude mit Ele- menten des Münchner Jugendstils befindet sich in der Bayerischen Staats­­ (Aufnahme von 2010) wurde von bibliothek (e S. 97). 1907 bis 1910 von Ludwig von Stempel zusammen mit Theodor Kollmann errichtet.

158 159 An der heutigen Nußbaumstraße eröffnete 1904 die König- lich Psychiatrische Klinik. Die Straße wurde 1891 nach dem Gründer der Chirurgischen Klinik in der gleichen Straße, Nepomuk von Nußbaum (1829 – 1890) umbenannt (früher Krankenhausstraße). Erster Direktor der Psychiatrischen Klinik war Emil Kraepelin (1856 – 1926), der als einer der Begründer der modernen Psychiatrie gilt, aber aufgrund seiner „völkischen“ Einstellung heute auch umstritten ist. 1917 gründete er in München die Deutsche Forschungs­ anstalt für Psychiatrie (e S. 93), das heutige Max-Planck- Institut für Psychiatrie.

Der wohl heute bekannteste Mitarbeiter Kraepelins in der Nußbaumstraße war zwischen 1903 und 1912 Alois Alzhei- mer (1864 – 1915). Nach ihm ist die Alzheimersche Krankheit benannt.

Eingang zur Psychiatrischen Klinik der Universität (Auf­- nahme von 2011) in der Nuß­ baumstraße 7 im Klinikviertel in der Münchner Innenstadt. Das denkmalgeschützte Gebäude im Stil der Gründerzeit wurde von dem Architekten Max Littmann entworfen und im Jahr 1904 eröffnet. Die heutige „Klinik und Poliklinik für Frauenheil- kunde und Geburtshilfe Campus Innenstadt“ (Aufnahme um 1916) an der Maistraße 11 wurde 1916 eröffnet. Die Vorläuferklinik befand sich an der Sonnen- straße und war 1857 als städtische Gebäranstalt gegründet und 1884 in Königliche Universitäts- Frauenklinik umbenannt worden.

160 161 Innenstadtkliniken Der Chemisch-Physiologischen 1 Medizinische Klinik Abteilung des 1863 gegründeten 2 Chirurgische Klinik Physiologischen Institutes stan- 3 Poliklinik den die Nobelpreisträger Eduard Buchner (1908 – 1909) (e S. 207), 4 Augenklinik 4 Hans Fischer (1911 – 1915) (e S. 5 Psychiatrische Standort Pettenkoferstr. 58) und Adolf Butenandt (1955 – Klinik 3 1960) (e S. 96) vor. Bute­nandt und Poliklinik leitete in der Zeit neben dem Ins- 6 Zahnkliniken titut für Physiologische Chemie - Poliklinik für (Goethestraße 33 und Pettenko- Zahnerhaltung und 2 ferstraße 14) auch das Max- Parodontologie 3 Standort Planck-Institut für Biochemie Ziemsenstr. - Poliklinik für 5 (Goethestraße 29 – 31). Beide Zahnärztliche Institute zogen später nach Groß- Prothetik 1 hadern bzw. Martinsried (e S. - Poliklinik für 187). Im Bild: Institut für Physio- Kieferorthopädie logie, Findlingstr. 3c (heute Pet- 7 Klinik und Poliklinik tenkoferstraße), Holzschnitt von für Mund-Kiefer- 7 1863. Gesichtschirurgie 6 8 8 Dr. von In der Nußbaumstraße 14 befand Hauner’sches 9 sich seit 1970 die Studien­gruppe Kinderspital Biologie und Umwelt GmbH - Kinderklinik des Biochemikers Frederic Vester - Kinderchirurgische (1925 – 2003, im Bild in der Mitte, Klinik li. Peter Gauweiler, re. Bernhard 9 I. Frauenklinik 10 Fricke, undatierte Aufnahme). 10 Dermatologische Vester, der 1995 mit der Me- Poliklinik daille „München leuchtet” aus­ gezeichnet wurde, gilt als einer der Vordenker der Umweltbewe- gung. Des Weiteren forderte er Die Innenstadtkliniken bilden seit 1999 zusammen mit dem Klinikum ein „vernetztes Denken“, ein Großhadern das Klinikum der Universität München als selbstständi- „Denken in Kreisläufen“ und gen Teil der Ludwig-Maximilians-Universität. Neben den Kliniken prägte die entsprechenden Be­ befinden sich rund um die Pettenkofer- und Nußbaumstraße noch griff­­ichkeiten im wissenschaft­ weitere Insti­tute der Ludwig-Maximilans-Universität im Bereich lichen Diskurs. zwischen der Goethe­straße und dem Sendlinger Tor. Zusammen bilden sie den Campus Innenstadt des Klinikums der LMU.

162 163 Innenstadtkliniken während des Nationalsozialismus

Unter dem NS-Regime wurde der überzeugte Nationalso­ zialist Heinz Kürten (1891 – 1966) zum Direktor der Poliklinik ernannt. Der Gauamtsleiter des Rassenpolitischen Amtes im NSDAP-Gau München-Oberbayern forschte zur „Rassen­ pflege“ und forderte die „Reinhaltung der deutschen Rasse“. Nach 1945 wurde der Eugeniker Kürten zwar erst entlassen, später aber als „Professor zur Wiederverwendung“ rehabi­ litiert.

Der Psychiater und Humangenetiker Ernst Rüdin (1874 – 1952) arbeitete ab 1907 bei Emil Kraepelin (1856 – 1926) an der Psychiatrischen Klinik in der Nußbaumstraße. Rüdin ge- hörte 1905 zu den Gründungsmitgliedern der „Gesellschaft für Rassenhygiene“, deren Vorsitz er 1933 übernahm. Ab 1931 leitete er die Deutsche Forschungsanstalt für Psychia­ trie (Kaiser-Wilhelm-Institut) in München (e S. 93) und ab Ebenfalls im Klinikviertel in der Schiller­ 1933 war er als rassenhygienischer Berater des Reichsinnen­ straße befand sich von 1957 bis 1973 das ministeriums auch an rassenpolitischen Entscheidungen des Max-Planck-Institut für Eiweiß- und Leder­ NS-Regimes beteiligt. forschung (Aufnahme von 1957), bis dieses mit anderen Einrichtungen im neuen Institut für Biochemie (e S. 88) der Max-Planck-Ge- Chirurgische Klinik sellschaft in Martinsried zusammengefasst in der Nußbaum­ wurde. straße 20, undatierte Aufnahme. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Lederfor- schung (1922 – 1945) in Dresden, Vorgänger des Max-Planck-Instituts, führte über Jahre während der NS-Zeit Menschenversuchs­ reihen im KZ Sachsenhausen durch, die nach 1945 über viele Jahre verschwiegen wurden.

164 165 fungskammer 1946. Dies war die Voraussetzung für eine Rückübertragung des Lehrstuhls und der Klinikleitung 1948 und machte die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland 1953 möglich.

In der Anatomischen Anstalt wurden unter der Leitung des Professors für Anatomie Max Clara zwischen 1942 und 1945 die Körper von im Gefängnis München-Stadelheim hingerichteten Häftlingen für Präparierkurse verwendet.

Seit dem Jahr Nachdem 1933 das „Gesetz zur Ver­ 2000 erinnert eine hütung erbkranken Nachwuchses” Im Dr. von Hau­ner‘­ Gedenktafel mit erlassen worden war, wurden in der schen Kinderspital Mahnmalbüsten Frauenklinik in der Maistraße 1345 an der Lindwurm­ (Aufnahme von straße 4 wurde am 2015) an die Zwangs­ Zwangssterilisationen und Abtreibun- 9. November 2015 sterilisationen­ zwi- gen durchgeführt. Ab 1934 leitete der mit der Enthüllung schen 1934 und 1945 Professor für Gynäkologie Heinrich einer Gedenktafel in der Frauenklinik Eymer (1883 – 1965) die Klinik. Eymer der 31 jüdischen an der Maistraße 11. Kinderärztinnen und war seit 1934 SS- und seit 1937 -ärzte gedacht, die NSDAP-Mitglied. Ab 1936 arbeitete er Opfer der national­ am Kommentar der zweiten Auflage sozialistischen Ver­ des „Gesetzes zur Verhütung erbkran- folgung wurden. ken Nachwuchses“ mit. Nachdem er im November 1945 seines Amtes ent- hoben worden war, folgte erst eine Einstufung als „Minderbelasteter“, später als „Mitläufer“ durch die Beru-

166 167 gesamte Areal des Friedhofs steht unter Denkmalschutz. Der Alte Südliche Unter den zahlreichen prominenten und einflussreichen Friedhof 1830, Münchnerinnen und Münchnern, die hier beerdigt sind, Ölbild von Wilhelm finden sich auch viele Wissenschaftler und Gelehrte. Scheuchzer. Vor allem während des Nobelpreisträger wurden auf dem Alten Südlichen Friedhof 18. und 19. Jahrhun- nicht beerdigt. derts wurden hier zahlreiche promi- nente Münchnerin- nen und Münchner beerdigt.

Alter Südlicher Friedhof Das heutige Grab des Physikers und Optikers Josef von Fraun­ Als 1563 eine Pestepidemie in München ausbrach und die hofer (1787 – 1826) auf dem Alten Südlichen Friedhof, Aufnahme Ka­pazitäten der innerstädtischen Friedhöfe zunehmend von 2014. Das ur­sprüng­liche erschöpft waren, ließ Herzog Albrecht V. vor den Toren der städtische Ehrengrab in den Stadt einen Pestfriedhof anlegen, der zunächst als Armen- Arkaden von 1826 wurde im friedhof galt. Mit dem Verbot von Bestattungen innerhalb Zweiten Weltkrieg zerstört. Fraunhofer war gleichermaßen der Stadtmauern, das Kurfürst Karl Theodor 1789 aussprach, Wissenschaftler, Erfinder und wurde der Friedhof zum Zentralfriedhof Münchens und zur Unternehmer. Mit seinem Vor­ einzigen Begräbnisstätte für die Toten des gesamten Stadt- gehen, exakte wissenschaftliche gebiets. 1840 erhielt Friedrich von Gärtner von König Lud­ Arbeit mit praktischer Anwen- dung zu verbinden, wurde der wig I. den Auftrag zur Erweiterung. Gärtner plante diese in Autodidakt Fraunhofer zum Form eines Campo Santo mit vier mal vier quadratischen Vorbild und Namensgeber der Grabfeldern und 175 umlaufenden Rundbo­genarkaden. Ende Fraunhofer-Gesellschaft (e S. des 19. Jahrhunderts beschloss der Münch­ner Stadtrat, den 18). Nach einigen Auseinander- setzung bezüglich seiner feh­ Friedhof allmählich aufzulassen. Gegen Ende des Zweiten lenden wissenschaftlichen Weltkrieges wurde der Bestattungsbetrieb schließ­lich end- Ausbildung wurde er 1821 als gültig eingestellt. 1954/55 wurde der Friedhof nach Plänen außer­ordent­liches und 1823 als von Hans Döllgast umgestaltet und von 2004 bis 2007 ordentliches Mitglied der Baye­ rischen Aka­demie der Wissen- saniert. Heute ist der Alte Südliche Friedhof eine Ruheoase schaften (e S. 81) aufgenom- in der Stadt, die von Spaziergänger_innen und Jogger_innen men. ebenso gerne besucht wird wie von Obdachlosen. Das

168 169 Zugang Stephansplatz

Gräber von Wissenschaftlern auf 11 Georg Friedrich von Reichenbach (1771 – 1826), Ingenieur und dem Alten Südlichen Friedhof Erfinder, gilt als Wegbereiter der Dampfmaschine in Bayern (Auswahl): 12 Johann Andreas Schmeller (1785 – 1852), Germanist, bayerischer Sprachforscher 1 Hubert Karl Philpp Beckers 13 Johann Baptist von Spix (1781 – 1826), Naturforscher und (1806 – 1889), Philosoph Forschungsreisender (e S. 172f.) 2 Theodor von Bischoff 14 Friedrich von Thiersch (1784 – 1860), Philologe, gilt als Begründer 12 (1807 – 1882), Anatom und der humanistischen Bildung in Bayern Physiologe, entschiedener 15 Hugo von Ziemssen (1829 – 1902), Internist, Direktor des 13 Gegner der Zulassung von Städtischen Krankenhauses München, gründete 1877 das erste Frauen zum Studium (e S. 27f.) deutsche klinische Institut (e S. 155) 3 Ignatz von Döllinger (1799 – 1890), 16 Nicht mehr vorhandenes Grab von Juri und Miranha (e S. 172f.) katholischer Theologe und Zugang Pestalozzistr. Kirchenhistoriker Das Grab von Johann Andreas Schmeller (1785 – 1852) 1 4 Josef von Fraunhofer (1787 – 1826), Optiker und auf dem Alten Südlichen Friedhof, Aufnahme von 2012. 15 3 Physiker (e. S. 169) Der Germanist und bayerische Sprachforscher wurde 5 August Hauner (1811 – 1884), 1824 zum außerordentlichen und 1829 zum ordentlichen Kinderarzt und Hochschullehrer, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) gewählt. Er lehrte an der Ludwig-Maximilians-

ZugangThalkirchner Str. 5 Gründer des Dr. von Hauner’schen Universität (e S. 103) und arbeitete als Kustos an der 7 Kinderspitals (e S. 162) 6 Justus von Liebig (1803 – 1873), Münchner Hofbibliothek, der heutigen Bayerischen Staats­­bibliothek (e S. 97). Mit seinem vierbändigen 8 Chemiker und Naturforscher (e S. 145) „Bayerischen­ Wörterbuch“ legte er den Grundstein einer 9 7 Carl Friedrich Philipp von Martius modernen Mundartforschung. (1794 – 1868), Naturforscher, 16 Botaniker, Ethnograph und Grab des Physikers Georg Simon Ohm (1789 – 1854) auf 11 dem Alten Südlichen Friedhof, Aufnahme von 2010. 4 Forschungsreisender (e S. 172f.) 8 Johann Nepomuk von Nußbaum Ohms Name ist in die Terminologie der Elektrizitätslehre (1829 – 1889), Chirurg und eingegangen. Ohm ist die abgeleitete SI-Einheit des elek- Hochschullehrer für Chirurgie und trischen Widerstands mit dem Einheitszeichen Ω (großes Augenheilkunde, Ordinarius an griechisches Omega). Das Ohmsche Gesetz von 1826 der heutigen Universitätsklinik bezeichnet die Proportionalität zwischen Stromstärke links der Isar (e S. 155) und Spannung in einem elektrischen Leiter. Ab 1845 war 9 Georg Simon Ohm (1789 – 1854), Ohm korrespondierendes und ab 1850 ordent­liches Mit- 10 Physiker (e S. 86) glied der Bayerischen Akademie der Wissenschaf­ten. 10 Max von Pettenkofer (1818 – 1901), Ein Denkmal des Physikers steht vor der Technischen Chemiker, Hygieniker, verantwort- Universität in der Theresienstraße (e S. 86). lich für die Einrichtung der Münchner Kanalisation und zentralen Trinkwasserversorgung 14 2 6 (e S. 159) 170 171 Zugang Kapuzinerstr. Neben den Gräbern berühmter Wissenschaftler (ver)birgt der Alte Südliche Friedhof auch Spuren eines fragwürdigen Kapitels der Wissenschaftsgeschichte, das bis heute nur fragmentarisch aufgearbeitet ist. Dort, wo sich seit 1895 das Grab des bayerischen Kultusministers Ludwig August von Müller befindet, waren bis zur Auflassung ihres Grabes zwei Kinder beerdigt, die von den beiden angesehenen For- schungsreisenden Carl Friedrich Philipp von Martius und Johann Baptist von Spix nach München verschleppt worden waren. Martius und Spix waren 1817 auf Geheiß König Max I. Joseph nach Brasilien aufgebrochen, wo sie im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (e S. 81) möglichst alles, was ihnen dort begegnete, sammelten, erfassten, vermaßen und katalogisierten. Dieser Auftrag beschränkte sich nicht auf die Botanik und Zoologie, die beiden Fächer von Martius und Spix, sondern bezog sich auch auf die Mineralogie und die Physik, die Topographie Schaulust der Bevölkerung ausgesetzt, Das von Königin und Geographie sowie auf die Menschen, die ihnen wäh- gezeichnet, vermessen und wissen- Karoline von Bayern gestiftete rend der Reise begegnen sollten, auf ihre Lebensumstände schaftlich untersucht. Juri und Miranha Grabrelief für Juri und -weisen, auf ihre Sprache, ihre Geschichte und Kultur. sollten den Aufenthalt in München nicht und Miranha (Auf- Als Martius und Spix 1820 nach München zurückkehrten, lange überleben. Sie bezahlten, wie nahme von 2013), umfasste die „Ausbeute“ ihrer Reise nicht nur Tiere, Pflan- Mar­tius in seinen Aufzeichnungen no- welches als frühe Arbeit von Johann zen und ethnografische Gegenstände, sondern auch ein tiert, „den Wechsel des Klima und der Baptist Stiglmaier Mädchen und einen Jungen. Sie waren die Überlebenden übrigen Außenverhältnisse mit dem in der Ausstellung von insgesamt acht Kindern, welche die beiden Wissen- Leben“ und starben innerhalb kurzer „Typisch München“ schaftler auf ihrer Reise verschleppt hatten. Vier der Kinder Zeit: Juri im Mai 1821 im Alter von 12 im Münchner Stadt- museum zu sehen waren während der Reise gestorben und zwei hatten die Jahren, Miranha im Mai 1822 im Alter ist. Der Grabstein beiden Forscher unterwegs „verschenkt“. Noch in Brasilien von 14 Jahren. Beerdigt wurden sie auf trug ehemals die In- waren die beiden Kinder auf die Namen Johannes und Isa- dem Alten Südlichen Friedhof. Ihr Grab schrift: „Der Heimat bella getauft worden. Genannt wurden und werden sie je- wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf- entrückt fanden sie Sorgfalt und Liebe doch meist Juri und Miranha. Doch auch diese Namen sind gelassen. Die Gräber der beiden For- im fernen Welttheile, nicht ihre Geburtsnamen, sondern bezeichnen lediglich ihre scher befinden sich noch heute auf jedoch unerbittlich Herkunft. Nach ihrer Ankunft in München wurden sie der dem Friedhof. des Nordens rauhen Winter“. 172 173 Poccistraße

Ruhmeshalle 1

Staatsrechtler und Baumeister, Feldherren und Dichter, Gottesmänner und Künstler – unter den bayerischen Persön- lichkeiten, die in der Ruhmeshalle geehrt werden, befinden sich außerdem zahlreiche Wissenschaftler und Gelehrte. Unter ihnen finden sich der Sprachforscher Johann Andreas Schmeller (e S. 171), der Kartograph Johann Baptist Ho­ mann, der Historiker Sigmund von Riezler, der Chemiker Heinrich Wieland (e S. 149) sowie die Physiker Joseph von Fraunhofer (e S. 169), Georg Simon Ohm (e S. 171) und Werner Heisenberg (e S. 63).

Im Februar 1833 ließ König Ludwig I. von Bayern einen Archi­ tekturwettbewerb ausschreiben für die Gestaltung eines Ehrentempels für bedeutende bayerische Persönlichkeiten, die sich um Wissenschaft und Kunst verdient gemacht hat- ten. Die Halle sollte Platz für etwa 200 Büsten bieten und 1 Ruhmeshalle oberhalb der Theresienwiese errichtet werden. Zur Teil­

Theresienwiese nahme am Wettbewerb eingeladen waren Friedrich von

174 175 Im Jahr 1966 entschied der Bayerische Ministerrat, die Ruhmeshalle im Sinne des königlichen Stifters fortzuführen und weiterhin bayerische Persönlich­ keiten für ihre Verdienste durch die Auf­ stellung einer Büste zu ehren. In Folge dieses Beschlusses wurde die 1944 bei einem Luftangriff schwer beschä- digte Halle instandgesetzt und zu den Olympischen Spielen in München 1972 mit den erhaltenen und zum Teil wie- derhergestellten Büsten eröffnet. Seit damals wurden etwa 30 neue Büsten aufgestellt. Die Auswahl der zu ehren- Die Ruhmeshalle Gärtner, Leo von Klenze, Joseph Daniel den Personen erfolgt durch eine Exper- und die Statue der Ohlmüller und Georg Friedrich Zieb- tenkommission, welche aus Vertreter_ Bavaria (Aufnahme land. Durchsetzen konnte sich der Ent- innen des Bayerischen Kultus­ministe­- von 1855), in deren Körper eine Treppe wurf von Leo von Klenze mit seiner riums, der Bayerischen Akademie der eingearbeitet ist, Idee, der Ruhmeshalle mit der Bavaria Wissenschaften (e S. 81), der Bayeri- sind vom 1. April als weib­licher Symbolgestalt des baye- schen Schlösser- und Seenverwaltung, bis 15. Oktober von rischen Staates eine Kolossalplastik 9 bis 18 Uhr öffent- lich zugänglich. voranzustellen. Errichtet wurde das En- Während des Okto- semble schließlich von 1843 bis 1853. Oben: Modell der Bavaria nach einer berfestes ist die Bereits 1850 konnte die Bavaria nach Zeichnung von Ludwig von Schwanthaler, Bavaria bis 20 Uhr den von Ludwig von Schwanthaler Pressebild um 1845. geöffnet, die Ruh- meshalle bleibt in überarbei­teten Entwürfen fertiggestellt Unten: Der Torso der Bavaria kurz vor dem dieser Zeit aus werden. Die ersten Büsten von zu eh- Transport zu seinem Standort, Aufnahme Sicherheitsgründen renden Personen wurden mit der Ein- von 1850. geschlossen. weihung der Halle 1853 aufgestellt.

176 177 Frauen in der Ruhmeshalle

Die Auswahl der Personen, die in der Ruhmeshalle geehrt werden, wird vor allem von feministischer Seite immer wieder kritisiert. Wie kann es sein, dass bei über hundert Büsten nur vier Frauen für ihre Leistungen gewürdigt wer- den? Welche Personen werden geehrt? Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl? Wer definiert diese Kriterien? Die im Jahr 2009 neu dem Haus der Bayerischen Geschichte, aufgestellte Büsten, dem Bayerischen Finanzministerium „Frauen in die Ruhmeshalle!“ forderten von links: , und der Ludwig-Maximilians-Universi- am 27. Juni 2008 Frauen im Rahmen Werner Heisenberg, Bertolt Brecht, tät (e S. 103) zusammengesetzt wird. einer nicht genehmigten Performance. Emmy Noether, 1997 ließ diese Kommission mit der Mit Portraits von Frauen würdigten sie Therese Prinzessin Schriftstellerin Lena Christ (1881 – deren Lebensleistungen und Erfolgs­ von Bayern und 1920) und der Schauspielerin Klara geschichten. Sie kritisierten nicht nur Franz von Lenbach, Aufnahme von 2009. Ziegler (1844 – 1909) erstmals zwei die Auswahl der geehrten Personen Frauen in die Ruhmeshalle einziehen. und die geringe Zahl von Frauen, die in Seit dem Jahr 2009 werden mit der der Ruhmeshalle geehrt werden, son- Mathema­tikerin Emmy Noether und dern hinterfragten mit ihrer Aktion die der For­scherin Therese Prinzessin von gesellschaftlichen Bedingungen, nach Bayern (e S. 87) zwei Wissenschaft­ denen Erfolg bemessen wird: „Was lerinnen mit Büsten geehrt. bedeutet erfolgreich sein in unserer Gesellschaft und es wert sein in so einer Ruhmeshalle ausgestellt zu wer- den?“, fragt Gabi Kleineidam, die die Die Gipsbüste von Aktion initiiert hat. Und Ruth Weizel Aneta Steck, die formuliert die Kritik an diesem Ort 2006 / 2007 sieben Monate unbemerkt folgendermaßen: in der Ruhmeshalle „Ja. Es gibt rechtliche Gleichstellung. stand, Aufnahme Stimmt. Ist das genug? Schaut euch von 2007. doch mal um. Schaut die Wände an, schaut die Architektur an, schaut den Marmor an! Ausgrenzung und Diskri­

178 179 minierung ist ein Tabu. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Tabu. Dieser Ort ist ein Tabu. Hier werden zwei Hexenverfolger geehrt. Das zu benennen ist ein Tabu. Und es ist verboten hier, an diesem patriarchalen Ort Gleich­ berechtigung und Vielfalt sichtbar zu machen.“

Zwei Jahre zuvor hatte die Künstlerin Aneta Steck (*1977), eine selbstgefertigte Gipsbüste ihres eigenen Kopfes zwi- schen die Marmorbüsten platziert. Dass sie die Grundvor- aussetzung – bereits einige Zeit verstorben zu sein – nicht erfüllte, hinderte die Künstlerin nicht, ihre Büste an einem Sonntagmorgen im November 2006 in der Ruhmeshalle aufzustellen. Knapp sieben Monate stand sie unbemerkt. Erst ein Beitrag in der Sendung „Zündfunk“ im Bayerischen Rundfunk ließ die Aktion bekannt werden. Rückblickend sagt die Künstlerin in einem Interview zu ihrer Arbeit: „Ich mag monumentale Architektur, doch diese geballte Form „Frauen in die Ruhmeshalle!“ der Heldenverehrung ist mir sehr fremd. Außerdem gibt es Aktion des Frauennotrufes am 27. Juni 2008. auch einen feministischen Anklang. Bei diesen bayerischen Helden handelt es sich größtenteils um Männer.“

180 181 Holzapfelkreuth

Waldfriedhof

Der alte Teil des größten Münchner Friedhofs wurde 1907 nach Plänen des Stadtbaurats Hans Grässel fertiggestellt. 1 Seitdem ist er auch zur letzten Ruhestätte berühmter Münch­ ner Wissenschaftler_innen und Nobelpreisträger geworden. Beispielsweise befinden sich hier die Gräber der Nobelpreis- träger für Chemie, Adolf von Baeyer (e S. 146), und der für Physik, Werner Heisenberg (e S. 63) und Wilhelm Wien (e S. 206). Der Nobelpreisträger für Literatur, Paul Heyse (e S. 138) hat ebenfalls sein Grab auf dem Waldfriedhof sowie der Unternehmer und Erfinder Carl von Linde (e S. 131), der Chemiker Nils Wiberg (1934 – 2007), der Chirurg Rudolf Zenker (e S. 198) oder der Dermatologe Alfred Marchionini (e S. 198).

Auf dem Areal befindet sich außerdem ein Mahnmal für 1 Waldfriedhof die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen,

Fürstenrieder Str. 288 welches die Max-Planck-Gesellschaft 1990 (e S. 88) errich- ten ließ „Zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus

182 183 Beerdigung des und ihrem Missbrauch durch die Me- Links: Mahnmal für die Opfer der national­ Literaturnobel­ dizin allen Forschern als Mahnung zu sozialistischen Euthanasieverbrechen preisträgers Paul verantwortlicher Selbstbegrenzung“. (Standort: Waldfriedhof, Alter Teil, 220-W-37), von Heyse am Aufnahme von 2016. Waldfriedhof am Eine Grabanlage der Anatomischen 5. April 1914. Anstalt des Klinikums der Universität Rechts: Grabanlage der Anatomischen Anstalt München (e S. 156) dient der Urnen- (Standort: Waldfriedhof, Neuer Teil, beisetzung der Menschen, die ihren 451-W-15a/b), Aufnahme von 2016. Körper nach dem Tod der Anatomie zur Verfügung stellen.

184 185 Fakultät für Chemie 2 und Pharmazie (LMU)

Patholog.3 4 Institut Helmholtz Zentr. Genzentrum OP-Zentrum Klinikum Großhadern 5 1 BioMedizinisches Zentrum Palliativmedizin (Universität München) Fachakademie Physik. Medizin Klinikum Großhadern Klinikum Großhadern Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie Campus Großhadern und Martinsried 7 Seit 1993 ist der U-Bahnhof Klinikum Großhadern die End­ Aalholz sta­tion der U6. Eine Verlängerung um einen Kilometer nach Martinsried ist beschlossen und etwa 2021 soll der 6 „Brain Train“ auf der „Wissenschaftslinie“ zwischen dem Max-Planck-Institut Forschungscampus Garching (e S. 47) und den Campus für Neurobiologie und Biochemie Großhadern und Martinsried fahren. Auf den Campus Groß- hadern und Martinsried sind überwiegend Einrichtungen der Natur- und Lebenswissenschaften der Ludwig-Maximilians- 1 Klinikum Großhadern 5 Biomedizinisches Centrum, Universität angesiedelt, aber auch außeruniversitäre For­

Marchioninistr. 15 Campus Martinsried schungs­institute. Etwa 13.000 Menschen arbeiten in den Großhaderner Str. 9, 2 Campus Großhadern, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Martinsried 82152 Planegg Department Chemie der LMU und Großhadern (Stand 2015). Butenandtstr. 5 – 13 6 Max-Planck-Institut für

Biochemie, Martinsried 3 Genzentrum Am Klopferspitz 18, Feodor-Lynen-Str. 25 82152 Planegg 4 Helmholtz Zentrum München 7 Campus-Tower, Martinsried Marchioninistr. 25 Am Klopferspitz 21, 82152 Planegg

186 187 Campus Großhadern und Martinsried 1 Klinikum der Universität München, Standort Großhadern 2 Genzentrum 9 3 3 Fakultät für Chemie und Pharmazie 10 4 13 4 Zentrum für Neuropathologie und Prionenforschung 2 5 Fakultät für Biologie /Biozentrum 7 6 Campuszentrum 8 7 Operationszentrum 1 8 Biomediziniesches Centrum 9 Forschungszentrum für 6 Molekulare Biosysteme (BioSysM) 10 Zentrum zur Erforschung von 5 Schlaganfall, Demenz und neurodegenerativen Erkrankungen 11 Max-Planck-Institute für 12 Biochemie und Neurobiologie 12 Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie 14 13 Helmholtz Zentrum München – Hämatologikum 14 BioM GmbH

11

188 189 Das hier abgebildete, mehr als 200 Meter lange und 60 Meter hohe Bettenhaus aus Stahlbeton des Klini­ kums Großhadern, der so genannte „Toaster“ (Auf­ nahme von 2010), soll abgerissen und bis etwa 2025 durch einen Neubau ersetzt werden.

Klinikum Großhadern Die ersten Überlegungen in Mün- Das Klinikum Groß- ­chen für ein „Klinikum auf der grünen hadern im Bau, Das Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Univer­ Wiese“ begannen Mitte der 1950er Aufnahme von 1973. sität (LMU) (e S. 103) im Südwesten Münchens zählt mit Jahre. Seit 1959 setzten die konkreten etwa 1400 Betten zu den größten Krankenhäusern Deutsch- Planungen für die Klinik an der südwest­ lands. Das Klinikum ist mit dem Campus Großhadern und lichen Stadt­grenze ein. Errichtet wurde dem Campus Innenstadt (e S. 155„Klinikviertel“) ein selbst- der Klinikkomplex ab 1967 und dann ständiger Teil der LMU. stufenweise in Betrieb genommen. Die erste Aufnahme von Patient_innen Im Klinikum sind eine Vielzahl von medizinischen Abteilun- erfolgten 1974. 1977 war der Gesamt- gen vom Allergie- bis zum Zelltherapiezentrum angesiedelt, komplex endgültig fertig gestellt. Der angegliedert sind auch verschiedene wissenschaftliche Bau mit 14 Stockwerken war mit allen Institute und Beratungsdienste. technischen Errungenschaften der Das Transplantationszentrum des Uniklinikums gilt seit vielen Zeit ausgestattet und wurde aufgrund Jahren sowohl auf dem Gebiet der Transplantationen als auch seiner Dimensionen auch als „Gesund- der Forschung als eines der angesehensten in Deutschland heitsfabrik“ bezeichnet. und umfasst alle Organe. 1983 wurde hier etwa die erste Herz-Lungen-Transplantation in Deutschland durchgeführt. 2014 wurde ein neues interdisziplinäres Operationszentrum mit u. a. fünf Intensivstationen und 32 OP-Sälen eingeweiht.

190 191 Campus Großhadern Genforschungslabor im Genzentrum, Aufnahme von 2001. Mit dem Umzug des Genzentrums der LMU nach Groß­ Der Schwerpunkt der hadern 1994 begründete sich neben dem Klinikum der neu Arbeit im Genzent- benannte „HighTechCampus Großhadern“. Bis zu diesem rum der LMU liegt Zeitpunkt war das Genzentrum im Max-Planck-Institut für auf grundlegenden Problemen der Bio- Biochemie in Martinsried untergebracht. wissenschaften, bei- 1999 folgte die Fakultät für Chemie und Pharmazie der LMU. spielsweise auf dem Das ehemalige Institut für Physiologische Chemie der Medi- der Genregulation. zinischen Fakultät der LMU, das 1995, nach dem im gleichen Jahr verstorbenen Nobelpreisträger, in Adolf-Butenandt- Institut (e S. 96) umbenannt wurde, wechselte 2003 aus dem „Klinikviertel“ am Sendlinger Tor nach Großhadern. Zusammen mit weiteren universitären Einrichtungen wie Campus der LMU in Großhadern (Auf- dem Zentrum für Neuropathologie und Prionenforschung nahme von 2016) mit oder dem Pathologischen Institut der LMU und dem außer­ der Skulptur des No- uni­versi­tären des Helmholtz-Zentrum bilden sie heute den belpreisträgers Adolf Campus Großhadern. von Baeyer von dem Bildhauer Hermann Hahn, die ursprüng- An den beiden benachbarten Forschungsstandorten Mar­ lich am Eingang tins­ried und Großhadern wird in erster Linie wissenschaft­ zum „Chemischen liche Grundlagenforschung, Lehre und klinische Forschung Laboratorium“ an der Sophienstraße in den Bereichen Biologie und Medizin geleistet. stand und dort 1922 enthüllt wurde (e S. 144). Labor im Institut für Chemie und Pharma­ zie auf dem Campus Großhadern, Aufnahme von 1999.

192 193 Neben den Einrichtungen der LMU findet sich schon seit 1989 das Campus Martinsried Hämatologikum des „Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt“ auf dem Campus Auf einem ehemaligen Erdbeerfeld Das Biomedizinische Großhadern, Aufnahme von 2011. In diesem Gebäude sind mehrere Centrum (BMC) auf Institute angesiedelt, dort wird derzeit der Forschungsschwerpunkt im Ortsteil Martinsried der Gemeinde dem Campus der Stammzellforschung und Epigenetik ausgebaut. Ebenfalls in Groß­ Planegg im Südwesten Münchens LMU in Martinsried, hadern liegt das Translationszentrum für Lungenforschung des begann 1973 die Entwicklung zum heu- Aufnahme von 2016. Helmholtz Zentrum München. tigen internationalen Forschungszent- 1960 in Neuherberg bei München gegründet, ist das Helmholtz rum. Der Neubau des „Biochemischen Zentrum München längst eine Großforschungsinstitution, Mitglied Zentrums“ (Max-Planck-Institut für Bio- der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und chemie) der Max-Planck-Gesellschaft schwerpunktmäßig in den Bereichen Biomedizin und Umwelt tätig. (e S. 88) vereinte mehrere Institute der Dazu zählen die Erforschung weitverbreiteter Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Allergien und chronischer Lungenerkrankungen Gesellschaft vor den Toren der Stadt. „im Kontext von Umweltfaktoren, Lebensstil und individueller gene- Von 1984 bis 1994 war in Martinsried tischer Disposition“. Insgesamt hat das Helmholtz-Zentrum acht auch das Genzentrum der LMU. Stand­orte in München, der Hauptstandort befindet sich mit dem Campus Neuherberg im Münchner Norden.

194 195 Links: Büste von Luftdusche am Eingang zur Tier- Max Planck vor dem versuchsforschungsanstalt im Eingang zum Max- Biomedizinischen Zentrum (BMC) Planck-Institut für auf dem Campus der LMU in Biochemie und Neu- Martinsried, Aufnahme von 2015. robiologie in Mar- Das Zentrum wurde im Oktober tinsried, Auf­nahme 2015 offiziell eröffnet. Die -Ver von 2016. suchslabore sind mit etwa 9.000 Käfigen für rund 50.000 Mäuse Rechts: Heute steht Martinsried für einen euro- und andere Nagetiere aus­gelegt. Robert Huber Die Notwendigkeit von Tier­ver­ (*1937 München, paweit einflussreichen Standort für suchen ist nach wie vor umstrit- Aufnahme von 1988) Bio-Technologie und Biotech-Industrie. ten. Bereits in der Bauphase Dem Chemiker Vom Klinikum und Campus Großhadern protestierten Tierschutzorgani­ wurde zusammen nur durch einen Streifen Grün getrennt sa­tio­nen gegen das geplante mit Johann Deisen- Zentrum. hofer und Hartmut findet sich auch hier, neben diversen Michel für die Biotech-Firmen, eine Reihe von uni­ Bar des „Faculty Clubs G2B” „Aufklärung der versitären und nicht-universitären For- im Campus-Hotel, Aufnahme dreidimensiona­len schungseinrichtungen: die Institute für von 2014. An der Seite sind Struktur eines photo- großflächige Porträts berühmter synthetischen Reak- Biochemie und Neurobiologie der Max- Wissenschaftler und Nobelpreis- tionszentrums“ 1988 Planck-Gesellschaft sowie die Fakultät träger angebracht. der Nobelpreis für für Biologie/Biozentrum und das Bio- Chemie verliehen. medizinische Centrum (BMC) der LMU. Das Innovations- und Gründer­ Huber habilitierte zentrum Biotechnologie in 1968 an der TUM Das BMC auf dem Campus der LMU in Martinsried (IZB, Aufnahme von und ist seit 1976 Martinsried wurde 2015 eingeweiht. 2012) fördert seit 1995 „die wirt- außerplanmäßiger Acht Lehrstühle der LMU, die zuvor schaftliche Umsetzung von Pro- Professor an der auf mehrere Standorte verteilt waren, dukt- und Dienstleistungsideen TUM. Von 1971 bis im Life Science Bereich“. 2005 war er als werden hier zusammengefasst. Im Direktor für das Max- BMC mit dem Zentrum für angewandte Planck-Institut für Zellforschung steht biomedizinische Biochemie in Mar- Grundlagenforschung und Lehre im tinsried tätig. Mittelpunkt. Mit 950 Plätzen findet sich hier der größte Hörsaal der LMU.

196 197 Ehrungen von Wissenschaftlern in Großhadern und Martinsried

In dem Universitätsviertel rund um das Klinikum sind einige Straßen nach berühmten (Münchner) Wissenschaftlern und Mediziner_innen benannt.

Die Marchioninistraße würdigt seit 1967 den Dermatologen Alfred Marchionini (1899 – 1965), die Sauerbruchstraße und der Max-Lebsche-Platz sind ebenfalls seit den 1960er Jah- ren den beiden Chirurgen gewidmet.

1996 wurden zwei Straßen nach den beiden Nobelpreis­trä­ In der Fakultät für Chemie und Pharma­ Das Max-Planck- gern Adolf Butenandt (e S. 96) und Feodor Lynen (e S. 150) zie der LMU an der Butenandtstraße Institut für Bioche- benannt. Im Jahr 2002 ehrte die Stadt München noch den wurden neben einem Seminarraum mie in Martinsried, Aufnahme von 1973. Chirurgen Rudolf Zenker (1903 – 1984) mit einer Straße, der und einer Gedenktafel für Hans Leipelt 1958 die erste erfolgreiche Operation am offenen Herzen in zudem zwei Hörsäle nach den Chemi- Deutschland vornahm, 1969 die erste Herztransplantation in kern und Nobelpreisträgern Heinrich München durchführte und dessen Name eng mit dem Bau Wieland und Richard Martin Willstätter des Klinikums Großhadern verbunden ist. Zur politischen benannt, die auch an die Zivilcourage Vergangenheit Zenkers während der NS-Zeit stellte das Wielands und die Verfolgung Willstät- Stadtarchiv München im Zuge der Straßenbenennung fest, ters im Nationalsozialismus erinnern dass „eine über die bereits bekannte Parteimitgliedschaft (e S. 146ff.). seit 1937 hinausgehende Verstrickung in das nationalsozia- listische System nicht wahrscheinlich ist.“ In der Gemeinde Planegg – zu der Martinsried gehört – wurden viele Die Parallelstraße wurde der Ärztin Adele Hartmann (1881 – Straßen nach Naturwissenschaftlern 1937) gewidmet, die in München Medizin studierte und sich von Galileo Galilei bis Albert Einstein als erste Frau im Deutschen Reich 1918 habilitierte benannt. Auch den Münchner Nobel- (e S. 115). preisträgern Adolf Butenandt und Feo- dor Lynen widmete die Gemeinde je- weils eine Straße. Nach letzterem ist das Gymnasium in Planegg benannt.

198 199 Die erste Seite des Testaments von Alfred Nobel vom 27. November 1895.

Nobelpreisträger in München

Der Nobelpreis

Seit 1901 werden jährlich die Nobelpreise für Physik, Che- mie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Verdienste für den Frieden vergeben. Die vom schwedischen Industriellen Alfred Nobel (1833 – 1896) gestifteten Auszeichnungen sol- len „als Preis denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“ und werden von verschiedenen schwedischen wissenschaft­ lichen Institutionen verliehen. Die Preise werden von der Nobel­stiftung verwaltet. Die Vergabe des Friedensnobel­ preises erfolgt durch ein fünfköpfiges Komitee, das vom norwegischen Parlament gewählt wird. Die Schwedische Reichsbank stiftete 1968 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, der gleichzeitig mit den anderen Nobelpreisen vergeben wird. Die Vergabe einer in der Öffentlichkeit oft als „Wirtschaftsnobelpreis“ wahrge- nommenen Auszeichnung wird mitunter von den Sozialwis- senschaften kritisiert, da sie die Wirtschaftswissenschaften damit in die Nähe von Naturwissenschaften rücke. Die

200 201 jeweils mit etwa 850.000 Euro dotier- ten Preise (2015) können nur an ein­ zelne, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verleihung noch lebende Personen vergeben werden. Die Auszeichnung von bis zu drei Personen und zwei verschiedenen Leistungen pro Preis ist möglich und wird vor allem in den Naturwissenschaften häufig prak­tiziert. Das Preisgeld wird dann auf­geteilt. Trotzdem gerät die Vergabe an Einzel- personen aber auch immer wieder in die Kritik, da die Gesamtleistung der Die Nobelpreise in Physik, Chemie, Die Verleihung des beteiligten Institute und Labormitar­ Physiologie oder Medizin gelten als Nobelpreises für beiter_innen den Preis verdient hätte. wichtigste wissenschaftliche Auszeich- Literatur an Thomas Mann im Stockhol- Den Friedensnobelpreis dagegen kön- nungen der Naturwissenschaften und mer Konzerthaus, nen auch Organisationen erhalten. Bis genießen weltweit hohes Ansehen. Aufnahme von 1929. zum Jahr 2014 zählte die Nobel­stiftung Die Nobelpreise für Literatur und Frie- 889 Personen und 25 Organisationen, den sind zwar gleichermaßen populär, Die Physikerin und Chemikerin Marie an die die Preise (inklusive Wirtschafts- aber die Vergabe der Preise wurde in Curie (1867 – 1934, wissenschaften) bislang ver­liehen wur­ der Öffentlichkeit oder von politischen undatierte Aufnah- den, darunter nur 47 Frauen. Vor allem Akteuren auch nicht selten kritisiert. me) erhielt 1903 ge- meinsam mit Henri Alfred Nobel während des Ersten und Zweiten Welt- Um sicherzustellen, dass die zu würdi­ Bequerel und ihrem (1833 – 1896), Stifter krieges entfiel die Vergabe der Nobel- genden Leistungen oder Entdeckun- Mann Pierre den No- des Nobelpreises, preise für einige Jahre. gen auch tatsächlich eine besondere belpreis für Physik undatierte Auf­ und 1911 den Nobel- nahme. Wertschätzung in der entsprechenden Fachwelt genießen, werden die Nobel- preis für Chemie. Sie war die erste Frau, preise oftmals erst Jahre oder sogar die den Nobelpreis Jahrzehnte später vergeben – mit Aus­ erhalten hat und ist nahme wiederum des Friedensnobel- die bisher einzige preises. Frau, die mit zwei Nobelpreisen auf unterschiedlichen Gebieten ausge- zeichnet wurde. 202 203 „Alternativer Nobelpreis” Für die Zuordnung von Nobelpreisträger_innen zu einer Stadt existieren aber keine eindeutigen Kriterien. Deswegen Andere Auszeichnungen und Preise, schwankt die Zahl oftmals beträchtlich je nach Definition. die für herausragende wissenschaft­ Zahlreiche Wissenschaftler verbrachten nur einzelne Semes- liche Leistungen vergeben werden, ter während ihres Studiums an einer der Münchner Universi- erreichen bei Weitem nicht die Be- täten, wie beispielsweise der Physiker Gustav Hertz (1887 – kanntheit und Aufmerksamkeit wie 1975), der 1925 den Nobelpreis für Physik erhielt und als die Nobelpreise. einziger Nobelpreisträger in der DDR tätig war.

Der „Right Livelihood Award“ von In München sind über 40 Nobelpreisträger geboren oder Jakob von Uexküll, in Deutschland auch haben zumindest einige Jahre in der Stadt gewirkt, ge- als „alternativer Nobelpreis“ bezeich- forscht, studiert oder gelebt. Dazu zählten Albert Einstein, net, kommt dem Bekanntheitsgrad der der zwischen 1885 und 1894 seine Kindheit und Jugend in Nobelpreise noch am nächsten. Der München verbrachte (Nobelpreis Physik 1921), oder der Preis wird seit 1980 an Personen und US-amerikanische Physiker deutsch-jüdischer Herkunft Arno Organisationen in den Kategorien Allan Penzias (Nobelpreis Physik 1978). Penzias wurde in Ökologie und Entwicklung verliehen. München geboren, konnte 1939 im Alter von sechs Jahren mit einem Kindertransport nach England ausreisen und 1987 erhielt den später mit seinen Eltern in die USA emigrieren. Auch die „alternativen Nobel- Münchner Nobelpreisträger Nobelstiftung ordnet formal die Preisträger_innen ihrem preis“ der Münchner Geburtsort zu. wird demnach als deut- Physiker Hans Peter Dürr (1929 – 2014, Die meisten Nobelpreisträger_innen scher Nobelpreisträger gewertet. Die meisten „Münchner“ Aufnahme von 2000) arbeiten an Forschungseinrichtungen Nobelpreisträger sind aber nicht in der Stadt geboren, son- für seine Arbeit, in den USA. dern verbrachten eine unterschiedlich lange Zeit in München. hochentwickelte Aber auch viele Städte weltweit schmü­ Nur acht Nobelpreisträger wurden in München geboren Technologien für friedliche Zwecke cken sich gerne mit „ihren“ Nobelpreis­ (Eduard Buchner, Rudolf Mößbauer, Feodor Lynen, Ernst nutzbar zu machen. trägern. Göttingen beispielsweise ehrte Otto Fischer, Wassily Leontief, Arno Allan Penzias, Georges Von 1958 bis 1976 2002 mit der Ausstellung „Göttinger Köhler, Robert Huber). Nahe­liegender erscheint, die ent- war Dürr Mitarbeiter Nobelpreiswunder“ 44 Nobelpreis­ scheidenden Jahre der wissenschaftlichen Tätigkeit in Mün- von Werner Heisen- berg, später leitete träger, die mit der Stadt Göttingen in chen als Kriterium heranzuziehen. Die Uneindeutigkeit hat er das Max-Planck- Verbindung gebracht werden können. dazu geführt, dass in etlichen Fällen mehrere Städte bzw. Institut für Physik in Universitäten auf „ihre“ Nobelpreisträger verweisen. Einige München. der „Münchner Nobelpreisträger“ sind etwa gleichermaßen

204 205 mit Universitäten in München und Der gebürtige Münchner Eduard Buch- Würzburg verbunden (Wilhelm Conrad ner studierte und habilitierte sich an Röntgen, Eduard Buchner, Wilhelm der LMU, verließ aber 1893 München Carl Wien, Max von Laue, Johannes und erhielt 1907 den Nobelpreis für Stark, Klaus von Klitzing): Chemie für seine biochemischen Arbei- ten und die Entdeckung der zellfreien Wilhelm Conrad Röntgen war bei­ Gärung, als er in Berlin an der Land- spielsweise­ von 1900 bis 1920 Profes- wirtschaftlichen Hochschule lehrte. sor an der Ludwig-Maximilians-Univer- 1908 / 09 kehrte er für kurze Zeit nach sität in München und erhielt 1901 als München zurück und leitete eine Abtei- erster Wissenschaftler den Nobelpreis lung am Physiologischen Institut der für Physik. Die nach ihm benannten LMU. 1911 folgte Buchner dem Ruf an Strahlen entdeckte er allerdings 1895 das Chemische Institut der Universität an der Universität Würzburg. Das Würzburg. 1917 erlag er den Verletzun- Deutsche Röntgen-Museum wieder- gen, die er als Soldat im Ersten Welt- Wilhelm Conrad um befindet sich in seiner Geburts- krieg erlitt. Wilhelm Carl Wien Röntgen (1845 – 1923), stadt Remscheid, in der er nur seine (1864 – 1928), Aufnahme von 1900. ersten Lebensjahre verbrachte. Heute reklamieren die Städte Würzburg Aufnahme von 1911. und München die Wissenschaftler für 1911 wurde Wilhelm Carl Wien der sich, aber auch Berlin erhebt Anspruch: Nobelpreis für Physik für seine For- neben Eduard Buchner etwa auf Wil- schungen zu Gesetzen der Wärme- helm Carl Wien, da er die Auszeichnung strahlung verliehen, als er an der Uni- im Wesentlichen für Arbeiten erhielt, versität in Würzburg tätig war. 1920 die er zwischen 1892 und 1895 in Ber- trat er die Nachfolge Röntgens in lin ausführte. Wilhelm Carl Wien ist München als Professor an der LMU an, aber keineswegs der einzige Wissen- deren Rektor er 1925 bis 1926 war. schaftler, auf den sich aufgrund der Ver- leihung des Nobelpreises verschiedene Nobelpreisurkunde Universitäten und Städten beziehen. Wilhelm Conrad Eine eindeutige lokale Zuordnung er- Eduard Buchner Röntgens, ange­- scheint vor dem Hintergrund der Be- (1860 – 1917), fertigt von Sofia Aufnahme von 1907. Gisberg,1901. rufswege mit vielen Lebensstationen somit in vielen Fällen kaum möglich.

206 207 Eine Verbindung zu München hat auch die Max Planck Physik 1918 einzige Frau unter den aufgeführten Nobel- Physik 1919 preisträger_innen: Elfriede Jelinek, die Litera- Albert Einstein Physik 1921 tur-Nobelpreisträgerin von 2004, die seit Mitte der 1970er Jahre in Wien und München Physik 1925 lebt. Heinrich Otto Wieland Chemie 1927 Ludwig Quidde Frieden 1929 Die österreichische Schriftstellerin (*1946, (zusammen mit Ferdinand Buisson) Aufnahme von 2004) erhielt den Preis für „den musikalischen Fluss von Stimmen und Thomas Mann Literatur 1929 Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die Hans Fischer Chemie 1930 mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft Werner Heisenberg Physik 1932 die Absurdität und zwingende Macht der so- Otto Loewi Physiologie oder Medizin 1936 zialen Klischees enthüllen“. Zum 100jährigen Bestehen der Münchner Kammerspiele (zusammen mit Henry H. Dale) schrieb Elfriede Jelinek ein Stück über Mode, Richard Johann Kuhn Chemie 1938 Reichtum, Schönheit und die Münchner Adolf Butenandt Chemie 1939 Maximilianstraße. (zusammen mit Leopold Ružička) Otto Hahn Chemie 1944 Wolfgang Ernst Pauli Physik 1945 Folgend wird auf diejenigen Wissenschaftler und Schrift- Hermann Staudinger Chemie 1953 steller verwiesen, die einen Nobelpreis erhielten und auf Hans Adolf Krebs Physiologie oder Medizin 1953 die eine oder andere Art, wenn auch nur für kurze Zeit, mit Rudolf Ludwig Mößbauer Physik 1961 der Stadt München verbunden waren oder sind. In kursiver (zusammen mit Robert Hofstadter) Schrift finden sich diejenigen, die sich nur im Rahmen des Feodor Lynen und Konrad Bloch Physiologie oder Medizin 1964 Studiums für einzelne Semester in München aufhielten. Ernst Otto Fischer Chemie 1973 (zusammen mit Geoffrey Wilkinson) Name Nobelpreis Jahr Karl von Frisch Physiologie oder Medizin 1973 Wilhelm Conrad Röntgen Physik 1901 zusammen mit Konrad Lorenz Hermann Emil Fischer Chemie 1902 (und Nikolaas Tinbergen) Adolf von Baeyer Chemie 1905 Wassily Leontief Wirtschaftswissenschaften 1973 Eduard Buchner Chemie 1907 Alfred Nobel Gedächtnispreis Paul Johann Ludwig von Heyse Literatur 1910 Arno Allan Penzias Physik 1978 Wilhelm Carl Wien Physik 1911 Georges Köhler Physiologie oder Medizin 1984 Max von Laue Physik 1914 (zusammen mit César Milstein Richard Martin Willstätter Chemie 1915 und Niels K. Jerne)

208 209 Klaus-Olaf von Klitzing Physik 1985 Ernst Ruska Physik 1986 (zusammen mit und ) Robert Huber und Johann Chemie 1988 Deisenhofer (zusammen mit Hartmut Michel) Wolfgang Paul Physik 1989 (zusammen mit Hans G. Dehmelt) Erwin Neher und Bert Sakmann Physiologie oder Medizin 1991 Wolfgang Ketterle Physik 2001 (zusammen mit Eric A. Cornell und Carl E. Wiemann) Elfriede Jelinek Literatur 2004 Theodor W. Hänsch Physik 2005 Ehrungen für Nobelpreisträger in München (zusammen mit John Lewis Hall und Roy J. Glauber) Ehrungen der Wissenschaftler finden U-Bahnhof Frött- Gerhart Ertl Chemie 2007 sich im Stadtgebiet in vielerlei Hinsicht. maning, Ausgang Mehr als 13 Straßen benannte die Stadt Werner-Heisenberg- Allee, Aufnahme München nach Nobelpreisträgern, die von 2013. Empfang im Münch- in München lebten und/oder forschten. ner Rathaus für die Schulen, Institute, Hörsäle oder Semi­ Münchner Nobel- nar­räume der Universitäten tragen die preisträger Werner Heisenberg, Feodor Namen der ausgezeichneten Wis­sen­ Lynen und Rudolf schaftler. Büsten einiger Münchner No- Mößbauer am belpreisträger finden sich im Ehren­saal 16. Dezember 1964 des Deutschen Museums (e S. 19f.) (v.l. Frau Mößbauer, Rudolf Mößbauer, und in der Ruhmeshalle (e S. 175) Feodor Lynen, ober­halb der Theresienwiese. An ver- Oberbürgermeister schiedenen Orten erinnern Informa- Hans-Jochen Vogel, tions- und Gedenktafeln sowie einige Werner Heisenberg und Frau Heisen- Denkmäler an das Wirken der Nobel- berg). preisträger.

210 211 Büsten von Wissenschaftler_in- nen im Ehrensaal des Deutschen Museums (e S. 19f.), Aufnahme von 2010.

Nach dem Nobelpreisträger Hans Fischer benannter Hörsaal Weitere an der Fakultät für Chemie der Informationen Technischen Universität Mün- chen in Garching (e S. 47), Aufnahme von 2016.

U-Bahnhof Quiddestraße in München Ramersdorf-Neu- perlach, benannt nach dem Friedensnobelpreisträger von 1929 Ludwig Quidde (e S. 75), Aufnahme von 2016.

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Werner Heisenberg in Bayern alpha (Text und Podcast) http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/werner-heisenberg/ index.html

218 219 Nobelpreis bei Bayern alpha (Suchergebnis) Bildnachweis http://www.br.de/service/suche/suche104.html?page=2&query=nobelpreis - Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem, S. 65, 90 rechts 250 Jahre Bayerische Akademie der Wissenschaften, (Wikimedia Commons), S. 164, 199 Akademie aktuell - Bayerische Staatsbibliothek München, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, www.badw.de/fileadmin/pub/akademieAktuell/2009/29/00_aa2009_02_ S. 37 (hoff-7937), 116 (hoff-10837), 134 rechts (hoff-64303), gesamt.pdf 137 oben (hoff-64430), 137 unten (hoff-64800) - Bayerische Staatsbibliothek München, Fotoarchiv Felicitas Timpe, Münchner Wissenschaftstage S. 43 (timp-009695), 64 ( timp-011800), 67 oben (timp-018672) http://www.muenchner-wissenschaftstage.de/2014/front_content. - Bayerische Staatsbibliothek München, S. 86 oben (Fotoarchiv, php?idart=261 port-001583), 102 (Wikimedia Commons), 163 oben (Fotoarchiv, Port-003999) - Bundesarchiv, S. 42 (Bild 119-03-16-06, Wikimedia Commons), 66 (Bild 183-R57262, Wikimedia Commons), 118 (Bild 146-1999-007-36, Wikimedia Commons), 141 (Bild 183-R21244, Wikimedia Commons) - Erinnerungsgruppe München, Marianne Walther S. 57 oben - Frauenstudien München e.V., www.frauenstudien-muenchen.de, S. 35 unten - Hinz & Kunst Braunschweig, S. 122 - Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IFZ), S. 17 - Klinikum der Universität München, S. 167 - Max-Planck-Gesellschaft, S. 49 (Peter Blachian) - NS-Dokumentationszentrum, S. 94 (Orla Conolly), 166 (Orla Conolly) - Zara S. Pfeiffer, S. 29, 44, 57 unten, 59, 129 oben, 173 - Martin W. Rühlemann, S. 56 oben + unten, 58 unten, 185 links + rechts, 193 unten, 195, 196 links, 212 mitte + unten - Stadtarchiv München, S. 20 (Pett2-0103), 33 links (ZBE_Q_0534), 55 (FS-STB-4746), 58 oben (Per-Fischer-Hans-Prof-01), 77 (Per-Mann- Thomas-02), 93 (FS-STB-0279), 98 (Pett1-2169), 107 (PkStb-04867), 126 oben (FS-NL-WEIN-0074), 131 oben (Per-Linde-Carl-01), 133 links (PkStr-00452), 138 (PkStr-03029), 139 (Per-Heyse-Paul-01), 144 (FS-NL- WEIN-0113), 146 (PkStb-11914), 149 oben (Per-Willstaetter-Richard-01) 149 unten (Per-Wieland-Heinrich), 152 (PkStb-12846), 156 (FS-NL- WEIN-0101), 157 oben (PkStb-04933), 157 unten (PkStb-04946), 158 oben (PkStb-04942), 161 (FS-STB-2756), 165 (PkStb-11465), 176 (FS-NL-KV-2228), 184 (Per-Heyse-Paul-04), 191 (FS-STB-4745), 210 (RD2032M31) - Süddeutsche Zeitung Photo, S. 16 (Josef Wildgruber, 00746858), 18 (Klaus Wagenhäuser/imageBROKER, 00550918), 24 (Andreas Heddergott, 00157795), 26 (Catharina Hess, 02136483), 28 (Scherl, 00822455), 48 (Florian Peljak, 01036813), 52 (Fotoarchiv Otfried Schmidt, 00644827), 53 (Andreas Heddergott, 00101490), 60 (Thomas Schuhmann, 00401928), 61 (Andreas Heddergott, 00129950),

220 221 71 (Florian Peljak, 01153344), 81 (Catharina Hess, 01083059), Pläne: 83 (00289381), 96 (Scherl, 00077704), 99 (Stephan Rumpf, 01081506), 101 (Günter R. Müller, 00069694), 104 unten (Andreas Heddergott, - S. 50, basiert auf: Technische Universität München, 00407608), 111 oben (Stephan Rumpf, 02288526), 111 mitte (Lukas www.forschung-garching.de Barth, 02248649), 112 (Scherl, 00058271), 119 oben (00004628), - S. 108, basiert auf: Ludwig-Maximilians-Universität, 119 unten (Geschwister-Scholl-Archiv, 00023245), 123 (Florian Peljak, www.uni-muenchen.de 02107387), 125 (Robert Haas, 00157141), 129 unten (Stephan Rumpf, - S. 162 + 188, basiert auf: Klinikum der Universität München, 02143163), 131 zweites v. unten (dpa, 00907787), 131 unten (ap/dpa/ www.klinikum.uni-muenchen.de picture alliance, 00348269), 132 (Catharina Hess, 02350186), 140 (Scherl, 00014403), 151 (UPI, 00390661), 153 oben (Rue des Archives / AGIP, 02006764), 153 unten (Fritz Neuwirth, 00389486), 160 (Alessandra Schellnegger, 00778271), 163 unten (Karl-Heinz Egginger, 00644308), 181 (Andreas Heddergott, 00179943), 190 (Karl Schillinger, 00634878), 192 (Andreas Heddergott, 00007307), 193 oben (Andreas Heddergott, 00088637), 194 (Catharina Hess, 00768978), 196 rechts (ap/dpa/picture alliance, 00400779), 197 oben (Catharina Hess, 02292393), 197 mitte (Stephan Rumpf, 02130876), 197 unten (Catharina Hess, 01037183), 203 links (IMAGNO/ Austrian Archives (S), 00629306), 204 (Volker Derlath, 00105731), 211 (Stephan Rumpf, 01059856) - Technische Universität München, S. 128 (140608028-N) - Themengeschichtspfad Geschichte der Frauenbewegung in München, S. 30, 33 rechts, 35 oben - Universitätsarchiv München, S. 115 (UAM, E-II-1610) - Wikimedia Commons (gemeinfrei), S. 41, 67 unten, 70, 74, 75, 85 rechts (Donaulustig), 87, 90 links, 104 oben, 106 links, 120 (Griffindor), 124, 131 zweites v. Oben, 142 (Wilhelm Kick (Hrsg., Moderne Neubauten aus Süd und Mitteldeutschland, Stuttgarter Architektur-Verlag Kick, Stuttgart 1894. Tafel 81), 143, 145 (Franz Seraph Hanfstaengl), 147, 159 (Franz Seraph Hanfstaengl), 168, 171 unten, 177 oben, 177 unten (Alois Löcherer), 200, 202, 203 rechts, 206 oben + unten, 207 oben + unten - Wikimedia Commons (Creative Commons Lizenzen), S. 14 (Ludmila Pilecka), 22 (M(e)ister Eiskalt), 25 (Lepo Rello), 82 (Javier Carro), 84 oben (Michael Brenner), 84 unten (mdw77), 85 links (D. Fuchsberger), 86 unten (Cholo Aleman), 89 (Maximilian Dörrbecker), 100 (Rudolf Buch), 106 rechts (M(e)ister Eiskalt), 110 ( Donaulustig), 111 unten (Wolfram Däumel), 114 (Wachtler), 126 unten (Gras-Ober), 148 (Roland Mattern), 158 unten (Rufus46), 169 unten + 169 oben (HubertST), 178 + 179 (Rufus 46), 208 (G. Huengsberg), 212 oben (Mattes)

222 223 Wir bedanken uns sehr herzlich bei In der Reihe KulturGeschichtsPfade bereits erschienene und zukünftige Publikationen: Elisabeth Angermair (Stadtarchiv München) Dr. Angelika Baumann Stadtbezirk 01 Altstadt-Lehel Benjamin Bowman Stadtbezirk 02 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Dr. Michael Eckert (Deutsches Museum) Stadtbezirk 03 Maxvorstadt Prof. Dr. Hans van Ess (LMU) Stadtbezirk 04 Schwabing-West Dr. Andreas Heusler (Stadtarchiv München) Stadtbezirk 05 Au-Haidhausen Dr. Hildegard Kronawitter (Vorsitzende Weiße Rose Stiftung e.V.) Stadtbezirk 06 Sendling Dr. Isabel Leicht (Bayerische Akademie der Wissenschaften) Stadtbezirk 07 Sendling-Westpark Larissa Leiminger Stadtbezirk 08 Schwanthalerhöhe Hanna Liertz Stadtbezirk 09 Neuhausen-Nymphenburg Dr. Ulrich Marsch (TUM) Stadtbezirk 10 Moosach Dr. Karin Pohl Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart Dr. Markus Reuther (Helmholtz Zentrum München) Stadtbezirk 12 Schwabing-Freimann Christa Sigg Stadtbezirk 13 Bogenhausen Heidi Sorg Stadtbezirk 14 Berg am Laim Dr. Peter M. Steiner (Max-Planck-Gesellschaft) Stadtbezirk 15 Trudering-Riem Prof. Dr. Helmuth Trischler (Deutsches Museum) Stadtbezirk 16 Ramersdorf-Perlach Stadtbezirk 17 Obergiesing-Fasangarten Stadtbezirk 18 Untergiesing-Harlaching Stadtbezirk 19 Thalkirchen-Obersendling- Forstenried-Fürstenried-Solln Stadtbezirk 20 Hadern Stadtbezirk 21 Pasing-Obermenzing Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied Stadtbezirk 23 Allach-Untermenzing Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl Stadtbezirk 25 Laim

Weitere Informationen finden Sie unter: www.muenchen.de/kgp

224 Impressum:

Landeshauptstadt München Kulturreferat, Burgstr. 4, 80331 München © 1. Auflage, 2016

Konzeption und Inhalt Zara S. Pfeiffer, Dr. Martin W. Rühlemann

Redaktion Kulturreferat, Abt. 1

Projektleitung Dr. Daniela Rippl

Grafische Gestaltung Heidi Sorg & Christof Leistl, München

Druck und Bindung Weber Offset, München 2016