2013 EINSCHLAUFEN Betrifft: Das Traurige Ende Eines Langen Jahres Impressum Nº 10.13 DER MUSIKZEITUNG LOOP 16
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DEZ.13/JAN.14 2013 EINSCHLAUFEN Betrifft: Das traurige Ende eines langen Jahres Impressum Nº 10.13 DER MUSIKZEITUNG LOOP 16. JAHRGANG Wenn einem die Worte fehlen, sollte man schwei- chenden – wenngleich eher imaginären – Bi- gen. Für längere Zeit, am besten irgendwo in lanzpressekonferenz werde ich vorne am langen P.S./LOOP Verlag selbstgewählter Isolation, abgeschieden vom Tisch sitzen, sprachlos hinter den Mikrofonen. Postfach, 8026 Zürich Rest der Welt. Um den persönlichen Furor aus- Was es noch zu sagen gibt, lässt sich nicht ein- Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 kühlen zu lassen und die Sinne zu schärfen für ei- fach so sagen. Es muss niedergeschrieben und www.loopzeitung.ch nen adäquaten Rückblick auf ein katastrophales verewigt werden. Jahr. Irgendwo da draussen, in einer Blockhütte Zum Beispiel die Erinnerungen an den Mitte Verlag, Layout: Thierry Frochaux im Niemandsland, abseits aller Zerstreuung. März viel zu früh verstorbenen Jason Molina, [email protected] Das mag primär ein allgemeiner Trend sein, der der sich mit den Alben seiner Bands Songs:Ohia sich an einem diffus formulierten Bedürfnis nach und Magnolia Electric Co. eigentlich bereits un- Administration, Inserate: Manfred Müller Ruhe und Leere in diesem Zeitalter permanenter sterblich gemacht hatte, dann aber an seinen Dä- [email protected] Reizüberfl utung und Erreichbarkeit orientiert. monen und Schmerzen scheitern musste. Oder Darauf hat sich inzwischen bereits ein nicht un- an George Jones, der mit «He Stopped Loving Redaktion: Philippe Amrein (amp), bedeutender Teil unserer Gesellschaft geeinigt, Her Today» das ultimativ traurige und mit «The Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe der zeitgeistig inspiriert über ein gewisses «burn- King Is Gone» das ultimativ dämliche Liebeslied [email protected] out» klagt und den privaten Alltag mit «quality der Country-Geschichte gesungen hat – und als time» durchsetzen möchte. Das ist freilich – mit letzter grosser Trinker Nashvilles ein fast schon Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto aller an dieser Stelle gebotenen Toleranz – Hum- biblisches Alter von 81 Jahren erreichte. Aschwanden (ash), Yves Baer, Ueli Bernays, bug im halbleeren Glas. Und in diesem Glas Wir werden sie alle vermissen, doch am dring- Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, schwappt noch ein letzter Schluck Bier, und den lichsten fehlt uns Nino, den wir vor wenigen Pascal Cames, Christoph Fellmann, transzendenten Song dazu hat die Band Lamb- Monaten viel zu früh verlieren mussten. Er ist Christian Gasser, Michael Gasser (mig), chop auf ihrem 1996er-Album «How I Quit nun dort oben oder drüben, wo sich die Gefalle- Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber, Smoking» veröffentlicht. Das Lied trägt den nen miteinander unterhalten. Mit Jason Molina Mathias Menzl (men), Philipp Niederberger, schönen Titel «The Man Who Loved Beer» und wird er sich bestens verstehen, zu George «No Veit Stauffer gipfelt in zwei Zeilen, mit denen sich auch die Show» Jones muss er wohl erst mal einen Draht jüngere Gegenwart schlüssig umschreiben lässt: fi nden. Druck: Rotaz AG, Schaffhausen «February through december / We have such a Wir verbleiben in Schweigen, Tränen und Trau- tragic year.» er. Stellen eine Kerze ins Fenster. Und halten eine Das nächste LOOP erscheint am 30.1.2014 Aber eben: Es liegen noch ein paar letzte Tage Tür offen für die Toten. Redaktions-/Anzeigenschluss: 23.1.2014 vor uns. Dann erst können wir das Jahr 2013 tatsächlich abschliessen, und bei der entspre- Guido Gubbio Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] claude nobs DER FREUND DER MUSIKER Geradezu legendär sind Festival-Patron durchaus ärgerte: Für ihn gebe es gute und Claude Nobs ist tot. Der Patron des Mon- seine Grussworte, die er in schlechte Musik, pfl egte er zu sagen. Und wie sein Freund, seinem sehr französisch ein- der Musiker, Arrangeur und Produzent Quincy Jones, der treux-Jazzfestivals erlag Anfang Jahr im gefärbten Englisch formu- Nobs in Montreux zeitweilig unterstützte, hielt er Jazz für lierte. Nicht selten erschien eine Art klassisches Fundament zur Pop- und Rock-Musik. Alter von 76 Jahren den Folgen eines Claude auch am Ende oder Später wurde der Begriff «Jazz» insofern zur Hypothek, als am vermeintlichen Ende er das junge Publikum abzuschrecken drohte. Nobs begeg- Skiunfalls. Aus dem Festival, das er 1967 eines Konzertes abermals nete dem Risiko, indem er das Angebot noch ausweitete in auf der Bühne. Jetzt spielte neuen Lokalitäten wie der Miles Davis Hall oder dem Jazz- gegründet hatte, machte er einen inter- er Weihnachtsmann. Die Café, wo Shootingstars bisweilen Gratiskonzerte geben. Musiker und Musikerinnen nationalen Grossanlass. beglückte er nun mit einem «FUNKY CLAUDE» prächtigen Blumenstrauss Er war nicht nur ein Freund oder mit einer schönen Uhr. Und das Publikum überraschte Manchmal konnte einem in Montreux schwindlig wer- der Musik. Er war vor al- er nicht selten mit Special Guests. Claude Nobs pfl egte in den bei dem Überangebot und all den wilden stilistischen lem auch ein Freund der Montreux die spontane Session. Deshalb wurden die Kon- Kombinationen. Mit wachsender Grösse des Anlasses war Musiker. Und wie diese zertabende am Festival von Montreux – obwohl das Ange- das Musikbusiness in Montreux auch immer präsenter. Er- genoss er auch selber den bot ohnehin fast immer oft üppig, ja überladen war – nicht staunlicherweise aber konnte Claude Nobs weiterhin auf Auftritt auf der Bühne. Für selten durch einen Jam abgerundet. War der Patron beson- seine persönlichen Stärken setzen: die Gastfreundlichkeit Claude Nobs war jedes ders gut gelaunt, nahm er die Bluesharp aus der Weste und zum Beispiel. Andere Konzertveranstalter kennen die Mu- Konzert eine musikalische mischte sich selbst unter die Solisten. siker gar nicht, sie verhandeln nur mit Tourmanagern. An- Feier. Und ihm, dem Veran- ders Nobs: Er schliesse keine Verträge ab mit den Musikern, stalter, dem Impresario und KOCH, BUCHHALTER, IMPRESARIO sagte er. Er schicke ihnen lediglich ein Flugticket. Und wenn Grandseigneur, oblag es, sie dann da waren, wohnten sie nicht selten in seiner Chalet- den quasi rituellen Ablauf Claude Nobs war von Beruf aber nicht Musiker. Er wur- Residenz in Caux, hoch oben über dem Genfersee, wo er sie im performativen Akt sei- de am 4. Februar 1936 als Sohn eines Bäckers und einer mitunter selber bewirtete. ner Ansage zu eröffnen. So Krankenschwester in Territet geboren und machte als Ju- Nobs war ein Freund von Musikern wie Quincy Jones, B. erschien er also oft auf der gendlicher zunächst eine Kochlehre. Später wechselte er ins B. King, Keith Richards, David Bowie, Carlos Santana usw. Bühne des alten Casinos, Tourismusbüro von Montreux, wo er zunächst als Buch- Und diese Musiker haben sein Engagement öffentlich auch wo das Festival seit 1967 halter eingesetzt wurde. Es war allerdings gerade nicht das immer wieder gerühmt. Legendär ist freilich «Smoke On stattfand, oder später im Buchhalterische, das den Festival-Veranstalter Nobs später The Water» von Deep Purple: Die Rockband besang nicht neuen Auditorium Stravin- charakterisierte, sondern vielmehr das sanguinische Tem- nur den Brand des Casinos Montreux, sondern insbesonde- ski, wenn die Spannung im perament, der unbedingte Wille, seine Träume zu realisie- re auch den «Funky Claude». Publikum am grössten war. ren. Und als Musikfan, der den Jazz ebenso liebte wie den 2010 hatte Claude die operative Leitung des Montreux- Die Roadies und Gitar- Rhythm’n’Blues, träumte er bald davon, Konzerte zu ver- Jazzfestivals wegen gesundheitlicher Probleme mit dem renstimmer hatten bereits anstalten – grosse Konzerte mit klingenden Namen. 1964 Rücken an sein Team und seinen designierten Nachfolger dem Drummer oder dem brachte er die Rolling Stones in die Schweiz. Drei Jahre spä- Mathieu Jaton abgegeben. Die strategische Leitung war Bassisten Platz gemacht, ter dann gründete er mit zwei Kollegen das sogenannte Jazz- aber bis vor kurzem in seiner Verantwortung geblieben. da schritt der freundliche festival – das Budget lag damals knapp unter 10 000 Fran- Wie die Stiftung des Montreux-Jazzfestivals am bekannt- Herr, bestens herausgeputzt ken; unterdessen stieg es bis an die 20-Millionen-Grenze. gab, ist Claude Nobs am 10. Januar im Alter von 76 Jahren und gekleidet in schrill ge- Das Jazzfestival Montreux war immer schon auch ein tou- gestorben. Er war am 24. Dezember beim Langlauf unweit tupften oder bunt karierten ristisches Unternehmen, das Leute an den Genfersee bringen seines Wohnorts Caux gestürzt und nach einer Operation Hemden, ans Mikrofon, sollte. Das Angebot war deshalb von Beginn weg stilistisch ins Koma gefallen. um die Stars, seine Stars breit. Aus diesem Grund wurde Claude Nobs immer wie- öffentlich zu begrüssen. der ein Ausverkauf der Jazz-Kultur vorgeworfen – was den Ueli Bernays lou reed GEDANKEN & AUSDRUCK Hören: Velvet Underground and Nico, Transformer, Berlin, Rock’n’Roll Animal, The Blue Mask, Mistrial, New York, Songs For Drella, Magic and Loss, Set the Twillight Reeling, Ecstasy, NYC Man, Animal Serenade, Lulu. Sehen: Live In Montreux 2000, Blue in the Face. Lesen: Pass Throu Fire – The Collected Lyrics das Vatersein aus. Ende der 80er-Jahre lernte er die Kon- DER UNBEQUEME WURDE STILL Lou Reed war der Eckstein der Rock- zeptkünstlerin Laurie Anderson kennen und lieben, 2008 heiratete das Paar. In den 2000er-Jahren gönn- musik und ein bis zuletzt verkannter te sich