DEZ.13/JAN.14

2013 EINSCHLAUFEN Betrifft: Das traurige Ende eines langen Jahres Impressum Nº 10.13 DER MUSIKZEITUNG LOOP 16. JAHRGANG Wenn einem die Worte fehlen, sollte man schwei- chenden – wenngleich eher imaginären – Bi- gen. Für längere Zeit, am besten irgendwo in lanzpressekonferenz werde ich vorne am langen P.S./LOOP Verlag selbstgewählter Isolation, abgeschieden vom Tisch sitzen, sprachlos hinter den Mikrofonen. Postfach, 8026 Zürich Rest der Welt. Um den persönlichen Furor aus- Was es noch zu sagen gibt, lässt sich nicht ein- Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 kühlen zu lassen und die Sinne zu schärfen für ei- fach so sagen. Es muss niedergeschrieben und www.loopzeitung.ch nen adäquaten Rückblick auf ein katastrophales verewigt werden. Jahr. Irgendwo da draussen, in einer Blockhütte Zum Beispiel die Erinnerungen an den Mitte Verlag, Layout: Thierry Frochaux im Niemandsland, abseits aller Zerstreuung. März viel zu früh verstorbenen Jason Molina, [email protected] Das mag primär ein allgemeiner Trend sein, der der sich mit den Alben seiner Bands Songs:Ohia sich an einem diffus formulierten Bedürfnis nach und Magnolia Electric Co. eigentlich bereits un- Administration, Inserate: Manfred Müller Ruhe und Leere in diesem Zeitalter permanenter sterblich gemacht hatte, dann aber an seinen Dä- [email protected] Reizüberfl utung und Erreichbarkeit orientiert. monen und Schmerzen scheitern musste. Oder Darauf hat sich inzwischen bereits ein nicht un- an George Jones, der mit «He Stopped Loving Redaktion: Philippe Amrein (amp), bedeutender Teil unserer Gesellschaft geeinigt, Her Today» das ultimativ traurige und mit «The Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe der zeitgeistig inspiriert über ein gewisses «burn- King Is Gone» das ultimativ dämliche Liebeslied [email protected] out» klagt und den privaten Alltag mit «quality der Country-Geschichte gesungen hat – und als time» durchsetzen möchte. Das ist freilich – mit letzter grosser Trinker Nashvilles ein fast schon Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto aller an dieser Stelle gebotenen Toleranz – Hum- biblisches Alter von 81 Jahren erreichte. Aschwanden (ash), Yves Baer, Ueli Bernays, bug im halbleeren Glas. Und in diesem Glas Wir werden sie alle vermissen, doch am dring- Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, schwappt noch ein letzter Schluck Bier, und den lichsten fehlt uns Nino, den wir vor wenigen Pascal Cames, Christoph Fellmann, transzendenten Song dazu hat die Band Lamb- Monaten viel zu früh verlieren mussten. Er ist Christian Gasser, Michael Gasser (mig), chop auf ihrem 1996er- «How I Quit nun dort oben oder drüben, wo sich die Gefalle- Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber, Smoking» veröffentlicht. Das Lied trägt den nen miteinander unterhalten. Mit Jason Molina Mathias Menzl (men), Philipp Niederberger, schönen Titel «The Man Who Loved Beer» und wird er sich bestens verstehen, zu George «No Veit Stauffer gipfelt in zwei Zeilen, mit denen sich auch die Show» Jones muss er wohl erst mal einen Draht jüngere Gegenwart schlüssig umschreiben lässt: fi nden. Druck: Rotaz AG, Schaffhausen «February through december / We have such a Wir verbleiben in Schweigen, Tränen und Trau- tragic year.» er. Stellen eine Kerze ins Fenster. Und halten eine Das nächste LOOP erscheint am 30.1.2014 Aber eben: Es liegen noch ein paar letzte Tage Tür offen für die Toten. Redaktions-/Anzeigenschluss: 23.1.2014 vor uns. Dann erst können wir das Jahr 2013 tatsächlich abschliessen, und bei der entspre- Guido Gubbio

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] claude nobs

DER FREUND DER MUSIKER Geradezu legendär sind Festival-Patron durchaus ärgerte: Für ihn gebe es gute und Claude Nobs ist tot. Der Patron des Mon- seine Grussworte, die er in schlechte Musik, pfl egte er zu sagen. Und wie sein Freund, seinem sehr französisch ein- der Musiker, Arrangeur und Produzent Quincy Jones, der treux-Jazzfestivals erlag Anfang Jahr im gefärbten Englisch formu- Nobs in Montreux zeitweilig unterstützte, hielt er Jazz für lierte. Nicht selten erschien eine Art klassisches Fundament zur Pop- und Rock-Musik. Alter von 76 Jahren den Folgen eines Claude auch am Ende oder Später wurde der Begriff «Jazz» insofern zur Hypothek, als am vermeintlichen Ende er das junge Publikum abzuschrecken drohte. Nobs begeg- Skiunfalls. Aus dem Festival, das er 1967 eines Konzertes abermals nete dem Risiko, indem er das Angebot noch ausweitete in auf der Bühne. Jetzt spielte neuen Lokalitäten wie der Miles Davis Hall oder dem Jazz- gegründet hatte, machte er einen inter- er Weihnachtsmann. Die Café, wo Shootingstars bisweilen Gratiskonzerte geben. Musiker und Musikerinnen nationalen Grossanlass. beglückte er nun mit einem «FUNKY CLAUDE» prächtigen Blumenstrauss Er war nicht nur ein Freund oder mit einer schönen Uhr. Und das Publikum überraschte Manchmal konnte einem in Montreux schwindlig wer- der Musik. Er war vor al- er nicht selten mit Special Guests. Claude Nobs pfl egte in den bei dem Überangebot und all den wilden stilistischen lem auch ein Freund der Montreux die spontane Session. Deshalb wurden die Kon- Kombinationen. Mit wachsender Grösse des Anlasses war Musiker. Und wie diese zertabende am Festival von Montreux – obwohl das Ange- das Musikbusiness in Montreux auch immer präsenter. Er- genoss er auch selber den bot ohnehin fast immer oft üppig, ja überladen war – nicht staunlicherweise aber konnte Claude Nobs weiterhin auf Auftritt auf der Bühne. Für selten durch einen Jam abgerundet. War der Patron beson- seine persönlichen Stärken setzen: die Gastfreundlichkeit Claude Nobs war jedes ders gut gelaunt, nahm er die Bluesharp aus der Weste und zum Beispiel. Andere Konzertveranstalter kennen die Mu- Konzert eine musikalische mischte sich selbst unter die Solisten. siker gar nicht, sie verhandeln nur mit Tourmanagern. An- Feier. Und ihm, dem Veran- ders Nobs: Er schliesse keine Verträge ab mit den Musikern, stalter, dem Impresario und KOCH, BUCHHALTER, IMPRESARIO sagte er. Er schicke ihnen lediglich ein Flugticket. Und wenn Grandseigneur, oblag es, sie dann da waren, wohnten sie nicht selten in seiner Chalet- den quasi rituellen Ablauf Claude Nobs war von Beruf aber nicht Musiker. Er wur- Residenz in Caux, hoch oben über dem Genfersee, wo er sie im performativen Akt sei- de am 4. Februar 1936 als Sohn eines Bäckers und einer mitunter selber bewirtete. ner Ansage zu eröffnen. So Krankenschwester in Territet geboren und machte als Ju- Nobs war ein Freund von Musikern wie Quincy Jones, B. erschien er also oft auf der gendlicher zunächst eine Kochlehre. Später wechselte er ins B. King, Keith Richards, David Bowie, Carlos Santana usw. Bühne des alten Casinos, Tourismusbüro von Montreux, wo er zunächst als Buch- Und diese Musiker haben sein Engagement öffentlich auch wo das Festival seit 1967 halter eingesetzt wurde. Es war allerdings gerade nicht das immer wieder gerühmt. Legendär ist freilich «Smoke On stattfand, oder später im Buchhalterische, das den Festival-Veranstalter Nobs später The Water» von Deep Purple: Die Rockband besang nicht neuen Auditorium Stravin- charakterisierte, sondern vielmehr das sanguinische Tem- nur den Brand des Casinos Montreux, sondern insbesonde- ski, wenn die Spannung im perament, der unbedingte Wille, seine Träume zu realisie- re auch den «Funky Claude». Publikum am grössten war. ren. Und als Musikfan, der den Jazz ebenso liebte wie den 2010 hatte Claude die operative Leitung des Montreux- Die Roadies und Gitar- Rhythm’n’Blues, träumte er bald davon, Konzerte zu ver- Jazzfestivals wegen gesundheitlicher Probleme mit dem renstimmer hatten bereits anstalten – grosse Konzerte mit klingenden Namen. 1964 Rücken an sein Team und seinen designierten Nachfolger dem Drummer oder dem brachte er die Rolling Stones in die Schweiz. Drei Jahre spä- Mathieu Jaton abgegeben. Die strategische Leitung war Bassisten Platz gemacht, ter dann gründete er mit zwei Kollegen das sogenannte Jazz- aber bis vor kurzem in seiner Verantwortung geblieben. da schritt der freundliche festival – das Budget lag damals knapp unter 10 000 Fran- Wie die Stiftung des Montreux-Jazzfestivals am bekannt- Herr, bestens herausgeputzt ken; unterdessen stieg es bis an die 20-Millionen-Grenze. gab, ist Claude Nobs am 10. Januar im Alter von 76 Jahren und gekleidet in schrill ge- Das Jazzfestival Montreux war immer schon auch ein tou- gestorben. Er war am 24. Dezember beim Langlauf unweit tupften oder bunt karierten ristisches Unternehmen, das Leute an den Genfersee bringen seines Wohnorts Caux gestürzt und nach einer Operation Hemden, ans Mikrofon, sollte. Das Angebot war deshalb von Beginn weg stilistisch ins Koma gefallen. um die Stars, seine Stars breit. Aus diesem Grund wurde Claude Nobs immer wie- öffentlich zu begrüssen. der ein Ausverkauf der Jazz-Kultur vorgeworfen – was den Ueli Bernays GEDANKEN & AUSDRUCK Hören: Velvet Underground and , Transformer, Berlin, Rock’n’Roll Animal, , Mistrial, New York, , , Set the Twillight Reeling, Ecstasy, NYC Man, Animal Serenade, Lulu. Sehen: Live In Montreux 2000, Blue in the Face. Lesen: Pass Throu Fire – The Collected Lyrics das Vatersein aus. Ende der 80er-Jahre lernte er die Kon- DER UNBEQUEME WURDE STILL Lou Reed war der Eckstein der Rock- zeptkünstlerin kennen und lieben, 2008 heiratete das Paar. In den 2000er-Jahren gönn- musik und ein bis zuletzt verkannter te sich Reed eine Art Ruhe- DREI MENTOREN FÜRS LEBEN stand, betrieb Tai Chi und Künstler. Zürcher Reminiszenzen zum schrieb Meditationsmu- Reed hatte drei Mentoren. Den amerikanischen Dichter sik. Daneben frönte er der Abschied. Delmore Schwartz, bei dem er an der Syracuse University Kunst: Bei den Kurzfi lm- Kurse in Creative Writing belegt hatte. Schwartz entdeckte tagen in Nyon hatte 2010 Im Jahr 2000 spielte Lou Reed zum zweiten Mal im Lan- Reeds literarisches Talent und führte ihn in die intellektu- sein Dokumentarfi lm «Red desmuseum bei Live At Sunset. Corinne Mauch, damalige ellen Zirkel New Yorks ein. Reed widmete ihm mehrere Shirley» über seine 101-jäh- Präsidentin der SP Zürich 6, führte Moritz Leuenberger Songs, u.a. «European Son» und «The House». Andy War- rige Cousine Premiere. Der (ebenfalls SP 6) zu seinem Platz in den hinteren Reihen auf hol war vom ersten Moment an, als er Velvet Underground Literatur blieb Reed ver- der Tribüne. Die nachmalige Stadtpräsidentin und der Bun- gesehen hatte, von der Band fasziniert und engagierte sie bunden, für den Regisseur desrat erlebten mit dem Publikum einen locker ironischen für sein neues Multimediaprojekt «Exploding Plastic Evi- Robert Wilson verarbeitete Lou Reed. Reed hatte die Rockmusik immer als Kunst ver- table». Zu «Venus In Furs» tanzten Warhols Tänzerinnen er Edgar Allan Poes Texte standen, nannte seine Songs «Rock Menuett» und führte sie und Tänzer den Peitschentanz. Reed und Warhol verstan- und Frank Wedekinds «Erd- als solche auf, ohne dabei verkopft zu wirken. den sich auf Anhieb. Als Mentor förderte er Reed und war geist» und «Die Büchse der Legendär wurden seine expliziten Texte, in einfacher Spra- zugleich eifersüchtig auf ihn. Nach Warhols Tod veröffent- Pandora» zu Theatern. Die che verfasst und dennoch hochpoetisch. «Er lässt sich länger lichte Reed mit das Gedenkalbum «Songs vor Poe-Songs erschienen 2003 als andere auf düstere Gedanken ein. Er zieht dich mit hin- Drella» über das Leben Warhols. David Bowie schliesslich auf «The Raven», den We- ein und holt dich wieder hinaus», beschrieb Fernando Saun- überredete Reed Anfang der Siebzigerjahre, nach Europa zu dekind-Stoff nahm er zu- ders, seit den Achtzigerjahren Reeds Bassist, die Wirkung übersiedeln und produzierte das Album «Transformer». Er sammen mit auf der Songs. Beschrieben die Beatles die hellen Seiten des Auf- formte aus Lou Reed, dem coolen Typen in der schwarzen dem Album «Lulu» (2011) bruchs der Sechzigerjahre, gelten heute Lou Reed und seine Lederkleidung, die Glam-Figur des Rock’n’Roll Animals. auf. Die alten Themen wa- damalige Band Velvet Underground als die Antipoden der ren zurück – und die harten Liverpooler, da Reed die dunkle Seite der Sixties beschrieb. 1996: DER UNNAHBARE IM LANDESMUSEUM Songs, die selbst harte Jungs emotional aufwühlten: Bei 2004: STEHENDE OVATIONEN IM KONGRESSHAUS Als Reed 1996 beim Live At Sunset-Festival im Hof des den Aufnahmen zu «Junior Landesmuseums spielte, hatte er sein aktuelles Album «Set Dad» hatten sich sowohl Das Publikum im Zürcher Kongresshaus erhob sich zu ei- The Twillight Reeling» im Gepäck. Für das Publikum un- Kirk Hammett als auch ner stehenden Ovation. Reed hatte mit der Rezitation von nahbar, spielte er die Songs seiner drei letzten Alben, «Mist- James Hetfi eld weinend in Edgar Allan Poes «The Raven» geendet. Es war die zweite rial», «Video Violence», «» und Walk on die Küche zurückgezogen. Standing Ovation an diesem Abend, die erste hatte Cel- the Wild Side» waren die einzigen Songs, die er vor 1989 Lou Reed sagte einmal von listin Jane Scarpatoni für ihr feuriges Solo bei «Venus In geschrieben hatte. Die Tour hiess «Hookywooky Tour», sich, dass New York sei- Furs» erhalten. Trotz aller Ovationen irritierte Lou Reed Tele Züri interviewte Reed. Der VJ fragte, was der Satz «I ne DNS wäre, gleich nach letztendlich das Zürcher Publikum: Einerseits liess er seinen wanna hookywooky with you» bedeuten würde, er hätte derjenigen seiner Eltern. Tai-Chi-Meister Ren Guang Yi während seinen wichtigsten den Begriff nicht im Wörterbuch gefunden. Reed, der Jour- Nur zu einem Thema hat- Songs vor der Band performen, andererseits sass – einem nalisten verachtete, lächelte und begann vom Wortklang zu te er sich nicht geäussert, Buddha gleich – ein weissgekleidetes, glatzköpfi ges Etwas schwärmen. Unbedarft hatte Tele Züri den unbekannten zu 9/11. Vielleicht hatte auf der Bühne und jammerte wie eine verstimmte Heulbo- Reed präsentiert. er in den vergangenen an- je. Reed stellte das Es als Antony Hegarty vor, der später Ende der Siebzigerjahre prangte auf jedem seiner Alben der derthalb Jahrzehnten zuvor im Jahrzehnt mit seiner Intersexualität zu einem Kritiker- Satz: «This is a stereo binaural sound recording». Beim bi- schon alles den Neolibera- liebling werden sollte. Die Irritation sollte zu Reeds künst- nauralen System klingt die Musik nur in speziellen Kopfhö- len gesagt. Literarisch elo- lerischem Konzept gehören. Lewis Allan Reed wurde am rern perfekt. Trotz seiner starken Drogensucht trieb Reed quent äusserte sich Reed 2. März 1942 in New York geboren, er stammte aus der schon damals die Frage um, wie es ihm möglich wäre, die in seinem Alterswerk po- traditionellen jüdischen Familie Rabinowitz. In Wayne Songs so klingen zu lassen, wie er sie zuvor in seinem Kopf litisch. Das begann 1982 Wangs Episodenfi lm «Blue in the Face» erzählt er, dass sei- gehört hatte. Erst 1997, beim Konzert am Meltdown Festi- mit «The Day John Kenne- ne Erinnerungen erst mit 17 Jahren einsetzen würden. Ob val, bei dem er seine akustische Gitarre und ein Aufnahme- dy Died», setzte sich 1986 skurrile Aussage oder tragische Realität, wusste am Ende gerät direkt am Verstärker anschloss, hatte er es geschafft, auf dem Album «Mistrial» nur er selber, die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Reed die Lücke zwischen Gedanken und Ausdruck zu schliessen. in Kaskaden gegen Ronald hatte die Schule gehasst und gegen die Lehrer und Eltern Das Konzert veröffentlichte er als «Perfect Night». Reagan fort und gipfelte rebelliert. Diese liessen ihn psychiatrisch behandeln. Wegen 1989 in Leserbriefen und angeblicher Homosexualität bekam er Elektroschocks ver- TRAUMAÜBERWINDUNG seinem Meisterwerk «New passt. Diese Urkatastrophe in Reeds Leben bewirkte genau York». In der Form von ge- das Gegenteil. Die Queer-Theorie besagt, dass die meisten 2008 führte Reed sein 1973er-Meisterwerk «Berlin» im sungenen Kurzgeschichten Menschen erst durch ihre Lebensumstände homosexu- Hallenstadion auf, rund 3000 Personen wohnten einem schilderte er die Folgen neo- ell werden. Lou Reed kam psychisch verwundet aus der historischen Moment der Rockgeschichte bei. Auf Geheiss liberaler Politik. Therapie, voller Wut und Hass, der nach und nach in den seiner Plattenfi rma musste Reed seinerzeit das Album kür- 1996 schliesslich veröffent- Rock’n’Roll, die Drogen sowie in den Sadomasochismus zen, gekauft wurde es dennoch kaum, die Tragödie des lichte er den Song «Mo- und die Homosexualität fl oh. Erst in den Achtzigerjahren Ehepaares Caroline und Jim ist noch heute schwer verdau- therfucker». Rief man seine überwand Reed die selbstzerstörerischen Folgen der gutge- lich. «Berlin» war Reeds künstlerisches Trauma: Je kom- Website auf, sah man eine meinten Therapie. merzieller und schlechter er seiner Meinung nach schrieb, Klingel mit der Aufforde- Seinen Eltern hatte er die Qualen nie verziehen. Die gestör- desto mehr verkaufte er, seine Meisterwerke jedoch blieben rung, für Sex mit den El- te Eltern-Kind-Beziehung thematisierte Reed oft in seinen Ladenhüter. Der Nachfolger von «Berlin», «Sally Can’t tern zu drücken. Tat man Songs, beispielsweise in «Kill Your Sons» 1974. Auch sein Dance», erreichte die Top Ten. Das Album «Metal Machine das, erschien der Songtext. Beziehungsleben war lange gestört, seine erste Ehe mit Betty Music», bestehend aus Gitarrenfeedbacks, war Reeds Ant- Er ist Lou Reeds defi niti- Kronstadt zerbrach 1972. Von 1976 bis 1978 lebte er mit wort darauf. Dreieinhalb Jahrzehnte später hatte Lou Reed ves Statement und zeitloser dem Transvestiten Rachel zusammen. 1980 heiratete er Syl- seinen Frust überwunden und führte «Berlin» im Rahmen Kommentar gegenüber dem via Morales, das Paar hatte sich in einem Sadomaso-Club einer Welttournee auf. Die gewaltigen Songs gewannen live Neoliberalismus, falschem kennengelernt. Sylvia begann sich um das Geschäft zu küm- noch mehr an Wucht. Es war der letzte Auftritt Reeds in Marktglauben und verloge- mern und unterstützte Reeds Drogentherapien. Nicht nur, Zürich. 2011 machte er mit der «From VU To Lulu»-Tour ner Moral geworden. aber auch an der Kinderfrage zerbrach die Ehe. Reed wollte in Crans Halt. Eine Ausstellung mit seinen New Yorker Fo- keine, in «Beginning of a Great Adventure» malte er sich tos wurde 2012 in gezeigt. Yves Baer TANZ MIT DEM TEUFEL Sinn für Humor (an den sich aber niemand mehr erinnert, seit Oliver Stone 1991 die Geschichte der Band verfi lmt hat). Standen die Doors bei vielen Musikfans der späten Sechziger für den Flirt mit der Freiheit und dem Verderben, dann nicht, weil Ray Manzarek darüber redete, als habe er die Parolen der Hippies auswendig gelernt. Sondern weil Jim Morrison den Zeitgeist in seiner ganzen verschwenderi- schen Existenz verkörperte. Das war Manzarek: seitlich ab- gewandt vom Publikum und tief über die Klaviatur gebeugt, während sich Morrison in den Zeilen etwa des «Roadhouse Blues» räkelte: «Well I woke up this mornin’, I got myself a beer / The future’s uncertain, and the end is always near.» KLASSISCHE POPSONGS

Die Nachwelt hat die Doors auf ihren Mythos reduziert und damit auch auf ihren Coverboy. Und es stimmt wohl: Wenn Morrison mal für einen Auftritt unpässlich war und Manzarek seine Texte sang, dann «verwandelten sich die Doors in eine Kneipenband, die Doors-Songs coverte», schreibt Greil Marcus in seinem neuen Buch über die Band («The Doors», Kiepenheuer & Witsch). Und doch bestä- tigen die sechs Platten der Band die Regel: Wer mit dem Teufel tanzen will, sollte gute Songs mitbringen. Und die hatten die Doors. Zwischen dem raunenden Pa- thos und dem verblasenen Blues, den man bei ihnen auch fi ndet, gibt es fast schon klassische Popsongs wie «Riders on the Storm», «Crystal Ship», «Strange Days» oder «Love Street» – hübsch in den Existenzialismus abschattierte Sin- galongs, von Ray Manzarek (Keyboards), Robbie Krieger (Gitarre) und John Densmore (Schlagzeug) mit stupender Eleganz umspielt. Die drei Musiker kannten sich mit Jazz ebenso aus wie mit Weltmusik, und der klassisch trainier- te Ray Manzarek spielte auf seinen Orgeln nicht nur das psychedelische Sirren von «The End», sondern hielt im «Roadhouse Blues» auch den Kneipenblues in Griffnähe, mit dem er, Sohn polnischer Einwanderer, in den 40er- und 50er-Jahren in der Southside von Chicago aufgewachsen war. Er war kein Virtuose und neigte in seinen Soli zum Dudeln. Und doch sind die Doors undenkbar ohne den va- riablen, perfekt in die Songs eingelassenen Orgelsound von Ray Manzarek. «People Are Strange» intonierte er wie eine Kabarettnummer von Kurt Weill, und sein bekanntestes Motiv verdankt sich seiner Begeisterung für die Barockmu- sik, namentlich von Johann Sebastian Bach. JIM MORRISON HAT ANGERUFEN

«Light My Fire» war die zweite Single der Doors, und sie machte die Band im Januar 1967 berühmt. Ray Manzarek ray manzarek spielte den Song noch Jahrzehnte nach dem Tod von Jim Morrison, in verschiedenen Bands, die von Rechts wegen dem Moment zerbrochen, nie The Doors heissen durften, und bewirtschaftete die ei- Er gründete 1965 gemeinsam mit Jim als sie die Balance nicht gene Legende auch sonst mit einem Fleiss, den man dem mehr hätten halten kön- Sixties-Veteranen nicht gegeben hätte. Natürlich, Manzarek Morrison eine der ruhmreichsten Bands nen, hat Manzarek einmal machte auch anderes, produzierte Platten mit den Punks gesagt. Und mit Nietzsche von X und den Britpoppern von Echo & the Bunnymen. der Popgeschichte. Am 20. Mai ist Ray präzisiert: «Diese Band, das Aber die Doors blieben das Lebensthema, obwohl sie nur war die Vermählung des di- sieben Jahre existiert hatten. Auch in seinen Büchern: Als Manzarek, Keyboarder der Doors, im Alter onysischen Wahnsinns von er 2001 mit «The Poet in Exile» seinen ersten Roman vor- Jim mit der apollinischen stellte, las die Welt, dass Jim Morrison gar nie gestorben sei. von 74 Jahren an Krebs gestorben. Ordnung von uns ande- Sondern von einem geheimen Ort aus Ray Manzarek ange- ren.» rufen habe, um auf einer letzten Tournee eine neue Rockre- Jim Morrison griff nach den Sternen, er in die Tasten. Wenn Tatsächlich hatten die bei- volution anzuzetteln. Dazu kommt es nicht. Am 20. Mai ist der Sänger am Bühnenrand seine unberechenbare Perfor- den Gründer der Doors we- Ray Manzarek an Gallenkrebs gestorben. Anders als sein mance gab, die Texte neu formte und mit gerade erfundenen nig gemeinsam ausser dem Sänger hinterlässt er keinen Mythos, aber einen Sohn. Zeilen und Provokationen aufl ud, dann hielt Ray Manzarek Filmstudium, das sie zu- an den Keyboards die Musik zusammen. Die Doors seien in sammenbrachte, und ihrem Christoph Fellmann george francis «shadow» morton

TODESJAHR 2013 siker arbeitete, trug «Shadow» im Studio ein dunkles Cape Das Jahr ist fast schon zu Ende, also wird und benahm sich wie eine launische Diva. 1966 lancierte er die Karriere der 15-jährigen Janis Ian: «Society’s Child», ein es Zeit, Abschied zu nehmen und Verluste kontroverser Song über interrassische Liebe, wurde zum Hit. Nach Janis’ ersten drei Alben produzierte er die psychede- zu betrauern. Und sich bei dieser Gele- lischen Rockbands Vanilla Fudge und Iron Butterfl y, deren Endlosnummer «In-A-Gadda-Da-Vida» zum Hippie-Hit genheit auch mal wieder für die Musik avancierte. In den Siebzigern produzierte der alkoholsüch- tige Sonderling lediglich «Too Much Too Soon» mit den zu bedanken. New York Dolls, sowie Platten der Frauen-Funkrock-Band Isis und Tom Pacheco. Dann zog er sich aus dem Business zurück. Am 14. Februar 2013 starb «Shadow» Morton im Alter von 72 Jahren. George Francis Tony Lauber «Shadow» Morton Kevin Ayers (1941 – 2013) (1944 – 2013)

«Is she really going out with him?», lautet das gesprochene Kevin Ayers wuchs in Malaysia und in Lydden, einem engli- Intro zu «Leader of the Pack» von den Shangri-Las, einem schen Dorf bei Canterbury auf. Dort lernte er 1962 die künf- der suggestivsten Beispiele für den Girl-Group-Pop der Six- tigen Mitglieder der Wilde Flowers kennen. Um mit seinen ties. Der Song schoss 1964 an die Spitze der US-Charts, trotz neuen Freunden mithalten zu können, übte Kevin Gitarre, oder gerade wegen der dramatischen Schilderung der fatalen obwohl ihn Musik damals kaum interessierte. Liebe eines Mittelklasse-Girls zum Chef einer Bikergang – in- Mit den Wilde Flowers spielte er von 1964 bis 1966, ehe die klusive Motorenlärm. Produzent und Ko-Autor des Hits war in Soft Machine umgetaufte Band zu Pionieren des britischen George «Shadow» Morton aus Long Island, New York. Psychedelic-Rock avancierte. Mit Organist Mike Ratledge, Im Frühjahr 1964 gab er sich im New Yorker Brill Building, Daevid Allen an der Gitarre und Drummer wo Pophits am Fliessband entstanden, als Songschreiber aus. bediente Ayers den Bass, sang und schrieb die meisten Songs Ellie Greenwich Jeff Barry zeigten Interesse am jungen Ta- des Debütalbums. 1968 verliess er Soft Machine Richtung lent. Das Produkt der ersten Session mit den Shangri-Las war Mallorca, womit er sein Image als scheuer Künstler, Chaot «Remember (Walking in the Sand)», ein Top-20-Hit und Pro- und Lebemann ohne Ambitionen im Musikbusiness begrün- totyp für Mortons künftige Erfolge wie «Give Him a Great dete: Kaum winkte der Erfolg, fl üchtete Ayers in eine exo- Big Kiss»: dramatische Story, gesprochene Dialoge, üppige tische Destination. In Ibiza oder Südfrankreich kämpfte er Produktion mit originellen Soundeffekten (Möwengeschrei). mit Dämonen wie Heroin- und Alkoholsucht, lebte bis zu Von Beginn weg kultivierte Morton das Image des unbere- chenbaren Genies. Laut Billy Joel, der damals als Studiomu- bitte umblättern in memoriam

nino kühnis 21. april 1978 bis 23. september 2013 bild: autonomerbeautysalon.wordpress.com Power ihrer Live-Auftritte im Aufnahmestudio einzufangen, TODESJAHR 2013 gelang dem Quartett erst mit der vierten LP «Sssh» (1969), einer inspirierten Tour de Force, welche viel zur Populari- tät der Band beisteuerte. In den siebziger Jahren avancierte sie zur weltweit erfolgreichen Rockband, deren Hits «Love Like A Man» und «I’d Love To Change The World» sogar in den USA als radiotauglich befunden wurden. Spätestens nach dem Hitalbum «Cricklewood Green» (1970) schien das kreative Potenzial der Band aufgebraucht, was sie jedoch nicht davon abhielt, das Ende der Band bis 1973 hinauszu- zögern. Stargitarrist Alvin Lee ging eigene Wege, spielte mit ex-Musikern von King Crimson oder Freunden wie George Harrison. Der Rock’n’Roll- und Boogie-Woogie-Liebhaber veröffentlichte ein Dutzend Soloalben, reformierte Ten Years After 1989, stieg dann aber endgültig aus. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Alvin Lee mit «On The Road To Freedom» sein letztes Album. Dessen Titel bezog sich auf das country- und bluesinspirierte «On The Road To Freedom», die Kollaboration mit Mylon LeFevre aus dem Jahr 1973. Er starb am 6. März nach einer Routineoperati- on. Lee wurde 68 Jahre alt. kevin ayers Tony Lauber seinem Tod in kleinen Dörfern und klimperte im Bistro auf storm thorgerson der Gitarre. Seine Solokarriere startete der blonde Dandy mit «Joy of a Toy» (1969), der ersten von insgesamt 17 Platten. Die in den Siebzigern mit Schlüsselfi guren der englischen Avantgarde (Robert Wyatt, David Bedford, Mike Oldfi eld, Ollie Hal- sall, ) eingespielten Alben («Whatevershebrings- wesing», «Bananamour», «The Confessions of Dr. Dream and Other Stories») strotzten vor Kreativität, sie boten einen Mix aus exquisiten Liebesliedern, verspielten Popsongs, Jazz, Reggae, orchestralen Balladen und spleenigen Experimenten. Kevins Texte waren poetisch bis surreal, sein wohlklingender Bariton verströmte viel Charme. Seine letzte Platte («The Un- fairground») brach ein 15-jähriges Schweigen und bescherte ihm 2007 ein gefeiertes Comeback. Tony Lauber Alvin Lee Storm Thorgerson (1944 – 2013) (1944 – 2013) Zu den Highlights des Kinofi lmes über das Woodstock-Festi- val im Sommer 1969 gehörte der Auftritt von Alvin Lee mit Mit den Covern zu Led Zeppelins «Houses of the Holy» und Ten Years After: Lees atemberaubend schnelle Soli im Song Pink Floyds «Dark Side of the Moon» hat er Popgeschichte «I’m Going Home» begründeten seinen Ruf als «Überschall- geschrieben: der britische Grafi kdesigner Storm Thorgerson. gitarrist», dessen Kreativität jedoch selten mit seiner Finger- Während seiner Schulzeit in Cambridge lernte er Syd Bar- fertigkeit Schritt halten konnte. rett kennen, den Sänger und Gitarristen von Pink Floyd. 1967, im Sog des britischen Blues-Booms, ging der Stern von Fortan gestaltete Thorgerson zusammen mit dem Grafi ker- Ten Years After auf. Alvin Lees Pyrotechnik auf der roten kollektiv Hipgnosis die psychedelischen Covers der Floyd- Gibson, Leo Lyons swingende Bassläufe, Rick Lees solide Alben «A Saucerful of Secrets» (1968) und «Ummagumma» Trommelei und Chick Churchills dezentes Orgelspiel ergaben (1969) sowie Syd Barretts Solodebüt «The Madcap Laughs» ein explosives Gebräu zwischen Jazz, Rock und Blues. Die (1970). Mit dem hyperrealistisch anmutenden «Atom Heart Mother»-Cover (1970) – eine gefl eckte Kuh auf grüner Wiese – entwickelten Hipgnosis eine unverkennbare Hand- schrift. Thorgersons berühmteste Idee für Hipgnosis war ebenfalls simpel: 1973 setzte er auf schwarzen Hintergrund ein dreieckiges Prisma, das einen weissen Lichtstrahl zu ei- nem Regenbogen bricht. Das Motiv ziert das Albumcover von «The Dark Side of the Moon», mit dem Pink Floyd ihren grössten Bestseller landeten. Auch die Covers zu «Wish You Were Here» (1975) – der Handschlag mit dem brennenden Stuntman – und «Animals» (1977) – mit dem fl iegenden Schwein über dem Londoner Battersea-Kraftwerk – kamen von Hipgnosis. Kaum weniger berühmt wurde die Arbeit für Led Zeppe- lins Album «Houses of the Holy» (1973) oder Peter Gabriel alvin lee bitte umblättern SZENE 30 Years 30 Jahre

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(«3», 1979). Storm Thorgerson schuf auch Cover für aktuel- lere Bands wie The Mars Volta. Der Grafi ker starb Mitte Ap- ril 2013 an Krebs. Pink-Floyd-Gitarrist Dave Gilmour, der ihn seit den gemeinsamen Schultagen in Cambridge kennt, schrieb auf seiner Website: «Er war eine konstante Kraft in meinem Leben, privat wie bei der Arbeit - eine Schulter, an der man weinen konnte und ein grosser Freund. Seine Werke waren ein unverzichtbarer Teil unserer Arbeit.» Tony Lauber Richie Havens (1941 – 2013)

Seine 15 Minuten Ruhm verdankt er dem Fehler der ande- ren. Weil die vorgesehene Band im Stau stecken blieb, kam ihm die Aufgabe zu, das Woodstock-Festival zu eröffnen. Ri- chie Havens, ein grosser schwarzer Mann mit rauer Stimme wobei er am liebsten die Beatles und interpretier- und einem perkussiven, von offenen Stimmungen geprägten te. Darunter «A Hard Rain’s a-Gonna Fall», eine amerikani- Gitarrenstil, betrat die Bühne kurz nach fünf. Es war der sche Apokalypse zur Zeit der Kuba-Krise. Als Havens nach 15. August 1969. Als ihm nach vier Zugaben das Material einem Auftritt zu seiner Garderobe zurückkehrte, hielt ihn ausging, improvisierte er einen Gospelsong um das unabläs- ein Unbekannter auf der Treppe an und sagte, das sei die sig beschworene Wort «Freedom», das er mit «Motherless beste Version des Songs, die er je gehört habe. Es war Bob Child» kombinierte, einem Traditional über Identitätsverlust Dylan. und Einsamkeit. Am Schluss taumelte er von der Bühne, sein Jean-Martin Büttner Kaftan durchtränkt mit Schweiss. Und er spielte immer noch. Sein Schrei nach Freiheit, vorgetragen vor einer halben Mil- lion desillusionierter Amerikanerinnen und Amerikaner, machte den Sänger über die Verfi lmung von Woodstock weltberühmt. Richie Havens am Anfang des Festivals und Jeff Hanneman Jimi Hendrix an seinem Ende drei Tage später verkörpern Aufbruch und Radikalisierung, Hoffnung und Zorn der (1964 – 2013) Sechzigerjahre. Hendrix starb im Jahr darauf, Havens wurde 72 Jahre alt; er starb 22. April in seinem Haus in New Jersey Es wäre eine wunderbare Legende geworden, doch wurde sie an einem Herzinfarkt. abgewürgt, bevor sie sich richtig bilden konnte. Kaum war Obwohl er zwischendurch für Werbung singen musste, hat die Nachricht vom überraschenden Hinscheiden von Jeff er zeitlebens auf den Idealen seiner Generation bestanden. Hanneman gekommen, erzählte seine Witwe den Medien, Er engagierte sich für Benefi zprojekte, unterrichtete Kinder der Tod ihres Gatten sei die Spätfolge eines Spinnenbisses, in Umweltschutz und spielte für die Inauguration von Bill der eine nekrotisierende Fasziitis ausgelöst hatte. Ein Spin- Clinton, dem ersten Präsidenten der amerikanischen Sixties. nenbiss und eine Krankheit, die zum Absterben von Haut Havens kam am 21. Januar 1941 in Brooklyn, New York, und Muskelfaszien führt, was höllisch schmerzt und grauen- auf die Welt, als ältestes von neun Kindern. Er sang auf der haft ausschaut – wie passend für den Gitarristen von Slayer. Strasse, verliess die Schule, versuchte sich als Porträtmaler Es passte zu gut. Nur wenige Tage später veröffentlichte die und schloss sich dann der Folkbewegung an.Obwohl er Mu- Band ein Statement mit profanerem Inhalt: Jeff Hanneman sik machte bis zuletzt, Platten aufnahm und auf der Bühne erlag einer alkoholbedingten Leberzirrhose. Die öffentliche ein mitreissender Performer war, blieb diesem sanften Men- Gedenkfeier fand im Beisein von 4000 Fans im Hollywood schen der Grosserfolg verwehrt. Das hat auch damit zu tun, Palladium statt: Die Bühne zierten Marshall-Wände, die US- dass Havens sich mehr als Interpret denn als Autor verstand, Flagge und ein kitschiges Hanneman-Porträt in Ölfarben. Bandkollege Kerry King las seine Grabrede von iPhone ab und trank Jägermeister auf seinen Kumpel. Dabei mochte der gar keinen Jägermeister, er stand mehr auf Bier und Wodka – zum Frühstück. Die lachhafte Inszenierung von Hannemans Abschied passt insofern, als auch Slayer auf ihrem Weg zur ultimativ bösen Band keine Rücksicht auf guten Geschmack nehmen konn- ten. Also posierten sie blutverschmiert vor einer geschlach- teten Jungfrau und schrieben Songs wie «Angel of Death», der von Josef Mengele handelt. Das brachte der Band Na- zi-Vorwürfe ein, die nicht unbedingt entkräftet wurden, als auf Hannemans Gitarre der SS-Symbole prangten. Aller- dings klebte gleich daneben ein Sticker der Dead Kennedys. Hanneman fand einfach die Abzeichen geil. Er entstammte einer Soldatenfamilie der weissen US-Unterschicht und war wohl nicht der Hellste. Immerhin war er schlau genug, im Gegensatz zu seinem Gitarrenkollegen Kerry King, einem ausgewiesenen Hohlkopf, meist die Klappe zu halten. All das richie havens bitte umblättern SZENE

TOM TILDA JOHN MIA HIDDLESTON SWINTON HURT WASIKOWSKA

«Jarmusch lebt seine musikalischen Obsessionen aus: Sixties-Soul und Garagenpunk.» Fr. 13.12.13 Aktionshalle 21:00 Der Spiegel Enter The Dancehall LUCIANO & COCOA TEA Boss Hi-Fi

Sa. 21.12.13 Aktionshalle 21:00 Enter The Dancehall DAVID RODIGAN Johnny Osbourne & Lone Ranger / Boss EIN FILM VON JIM JARMUSCH HiFi

Fr. 10.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig MY NAME IS GEORGE

www.filmcoopi.ch Sa. 11.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig Ab 19. Dezember in den Kinos & AFGHAN ROCK NIGHT FEAT. WHITE PAGE / ARIANA DELAWARE & BAND

So. 12.1.14 Kunstraum Walcheturm 20:30 Fabrikjazz INTERNATIONAL QUARTET feat. Ray Anderson & Han Bennink

Do. 16.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig VELOJET

Sa. 18.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig GLETSCHER (PLATTENTAUFE) VENTURA

Fr. 24.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig THE WEYERS / MINTZKOV

Di. 28.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig TV GHOST Support

Mi. 29.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig SLUT AND THE GOLDEN CHOIR

KASHMIR DK Do. 30.1.14 Ziegel oh Lac 21:30 WE INVENTED PARIS CH Ziischtigmusig FR 10.1. SALZHAUS WINTERTHUR DORIAN WOOD Vorverkauf:www.starticket.ch Musik im Briefkasten www.loopzeitung.ch tile, fl üssige Gitarre, heiser fl üsternde Stimme. War das nun TODESJAHR 2013 bluesige Country Music oder Country-Blues? Diese intimen Songs klangen wie Demos, doch der minimalistische Sound war das Produkt eines genialen Studiotüftlers. Dem Debüt folgten tolle Platten wie «Troubadour» (1976) oder «Grasshopper» (1982). Auf Grund seiner Aversion gegen Promoaktivitäten blieb der Mann, dem Eric Clapton den Hit «Cocaine» verdankte, lange ein Geheimtipp. Clap- ton betonte stets, wie sehr ihn Cales reduzierter Gitarrenstil beeinfl usst hatte. 2005 nahmen beide das Album «The Road to Escondido» auf. Das entspannte, inspirierte Treffen zweier Freunde, wurde im 2008 mit einem Grammy als bestes zeit- genössisches Bluesalbum ausgezeichnet. Tony Lauber (1941 – 2013)

Als Sänger der Troggs lieferte Reg Presley solch urwüchsige Knaller wie «Wild Thing» (1966). Dieser Song inspirierte Jimi Hendrix zu seiner Version und brachte zehn Jahre später den Musikkritiker Lester Bangs zur Einsicht, die Troggs sei- en «the godfathers of punk». Gewiss muss man die Troggs, wie The Monks oder The Sonics, als Vorläufer des Punk einordnen. Ihr Sound war bewusst grobschlächtig, zuweilen überraschte das uniform gekleidete Quartett jedoch mit Pop- Ohrwürmern wie dem von Reg Presley geschriebenen «», das 1995 von gecovert wur- jj cale de und 15 Wochen lang Nummer eins der britischen Charts war. Bis 1968 gelangen weitere Hitparadenerfolge: Sowohl ändert nichts daran, dass Slayer jene Band ist, die den Thrash «Love Is All Around», «I Can’t Control Myself» wie auch Metal defi nierte. «Reign in Blood», 1986 von Rick Rubin «» erreichten Platz eins. produziert, bildet bis heute den Massstab für jeglichen Ext- Reg Presleys gewinnende Bühnenpräsenz und sein kraftstrot- rem-Metal. Es gibt mittlerweile härtere und schnellere Bands zender Gesangsstil trugen viel zum Appeal der Band bei. Kei- – doch niemand entwickelt im Konzert die brutale Präzision ner – ausser Tom Jones – stand so provozierend breitbeinig in und Zerstörungskraft von Slayer. Und das Material für diese seiner hautengen Hose da und verströmte dabei solch anima- Schlachten schrieb zu einem schönen Teil Hanneman: Band- lischen Sexappeal. Presley, der ehemalige Maurer, blieb stets klassiker wie «Angel of Death», «Raining Blood», «South of der bodenständige Kumpel aus dem Pub. Lange nach der Heaven» und «War Ensemble» stammen aus seiner Feder. Beat-Ära ging Reg Presley noch regelmässig mit den Troggs «Gott des Gemetzels» überschrieb Spiegel online treffend auf Tour. 1992 nahmen sie gemeinsam mit ihren amerika- den Nachruf auf Jeff Hanneman. Südlich des Himmels gibt nischen Fans R.E.M. das hörenswerte Album «Athens An- es einen neuen Regenten. dover» auf. Von einer anderen Seite präsentierte sich Reg Reto Aschwanden Presley 2002: Er verfasste ein Buch über seine Faszination für Ausserirdische und Kornkreise namens «Wild Things They Don’t Tell Us». Nach einem Schlaganfall erholte er sich wieder soweit, um auf die Bühne zurückzukehren, zog sich jedoch nach der Krebsdiagnose im Jahr 2011 vollständig zu- JJ Cale rück. Reg Presley starb 71-jährig in seinem Haus im südost- englischen Andover. (1938 – 2013) Tony Lauber

John Weldon Cale, den Eric Clapton «einen der wichtigsten Künster der Rockgeschichte» nannte, wuchs in Tulsa, Okla- homa, auf. In den Fünfzigerjahren waren dort Blues und Jazz so populär wie Country Music oder Rockabilly. Als Gitarrist absorbierte Cale all diese Einfl üsse. Er spielte in Rock- und Western-Swing-Bands, 1964 zog es ihn nach Kalifornien. JJ arbeitete als Tontechniker, er nahm zwei Singles auf, die fl oppten. Ein Produzent drängte ihn, eine LP mit psychede- lisch angehauchten Pop-Covers aufzunehmen. Sie fl oppte. Frustriert vom Musikgeschäft kehrte Cale 1967 nach Tulsa zurück. Er nahm öde Brotjobs an, abends spielte er in Bars. Als er soweit war, alles hinzuschmeissen, hörte er im Radio Claptons Version von «After Midnight», das gab ihm Auf- trieb. Sein Demotape landete bei Denny Cordell, dem Boss von Shelter Records. Er nahm den «Okie» unter Vertrag und veröffentlichte Ende 1971 dessen Debutalbum. «Naturally» enthielt Songs wie «Crazy Mama», «After Midnight» und «Call Me the Breeze». Musikalisch war es der Prototyp für JJs typischen Laid-Back-Sound: schleppende Grooves, sub- reg presley LINDSAY FOREVER! 1987 ausgebrochen, hielt Lindsay ihr Leiden zehn Jahre Orgel von Die Komponistin und Multi-Instrumen- geheim, um nicht während dem Musizieren dauernd dar- (deutlich zu hören ist der auf angesprochen zu werden. Sie verstummte musikalisch Einfl uss von Olivier Mes- talistin durchlebte und ab 1997, als sich die traurige Gewissheit herumsprach, und siaen). Nach 90 Sekunden lebte nochmals 16 Jahre, umsorgt von einem engagierten hören wir das zaghaft be- prägte eine der spannendsten Entwick- sozialen Netz um die Regisseurin . ginnende Sopransax-Solo von Lindsay Cooper, sich lungen im europäischen Avantgarde- IN DER CANTERBURY-SCENE witzig verhaspelnd wie ein Wollknäuel, deutlich im Rock. Eine Würdigung. Mitte der Siebzigerjahre traten als wichtigste Exponenten Kontrast zur nordisch unter- des Frank Zappa, King Crimson, Pink kühlten Klangwand im Stil Im Alter von 29 Jahren veröffentlichte die britische Multi- Floyd und Gentle Giant in Erscheinung. Viele Bands wur- eines Terje Rypdal. Ab 3:45 Instrumentalistin Lindsay Cooper das erste Soloalbum den als Geheimtipps gehandelt, speziell auch die sogenann- Minuten gibts den überra- «Rags» (1980), gefolgt von «Gold Diggers» (1983) und te Canterbury-Scene um Soft Machine mit Robert Wyatt, schenden Break in den virtu- «Music For Other Occasions» (1986) auf ihrem eigenen deren Nachfolgebands beim jungen Label osen Schlussteil mit Anklän- Label Sync Pulse, im Vertrieb von vorübergehend eine Heimat fanden. Dazu gehörte die sehr gen an Gong und Hatfi eld . Mit dieser Trilogie erarbeitete sie sich den Ruf, innovative Gruppe Henry Cow. Ab dem zweiten Album & The North, dann furiose eine bedeutende Komponistin zu sein – im Bereich Avant- «Unrest» (1974) war Lindsay Cooper mit an Bord, ihre Tempiwechsel mit sich über- garde-Rock, Jazz und Neuer Musik. Ihre Musik wirkte Instrumente: Fagott, Oboe, Sopransax und Flöte. schlagenden Einfällen. Die zeitgenössisch kühl, aber auch überschwänglich und me- Lindsay Cooper durchlebte zwischen 1974 und 1986 Wortschöpfung «Fagott- lodienverliebt. Ähnlich wie Simon Jeffes (Penguin Cafe eine der spannendsten Entwicklungen im europäischen Rock» erscheint auf der Orchestra) schuf sie hervorragende Instrumentalmusik, die Avantgarde-Rock mit dem Zusammenschluss von Henry imaginären Leinwand, ganz oftmals einen leicht nostalgischen Touch verströmt und an Cow mit inklusive Sängerin , benommen vom Mitzählen die Stummfi lmzeit erinnert. Alle drei Alben wurden auch Ausstieg von , Einstieg von Bassistin/Cellis- der ungeraden Rhythmen auf Vinyl veröffentlicht, diese sind noch zu erschwinglichen tin in die Band – ein schöner Zufall, damit erleben wir den zappaesken Preisen erhältlich. bestand die Band aus drei Frauen und drei Männern: da- Schluss. Spätere Werke wie «Schrödinger’s Cat» (1991) «An Angel mals war keine Frauenquote notwendig, aber historisches Auf derselben Seite fi nden on the Bridge» (1991) oder «Pia Mater» (1997) wirkten Bewusstsein. wir «Gretel’s Tale»: eine eine Spur gezähmter, dies könnte aber auch mit ihrer heim- Zwischen 1978 und 1980 folgte dann die Umwandlung weitere verschlungene Lind- tückischen Krankheit Multiple Sklerose zu tun haben. Um von Henry Cow in , zuletzt die beiden Alben mit say Cooper-Komposition, 1984 und 1986, inklusive und . Lindsay Cooper schrieb den vier Ausnahmesänger/ innen Robert Wyatt, Sally Potter, und Dagmar Krause die schöns- ten «»- Melodien auf die ausserge- wöhnlichen Stimmbänder. Led Zeppelin wurden durch die Hymne «Stair- way to Heaven» unsterb- lich, Lindsay Cooper aber schrieb 1984 das 9-mi- nütige Opus «Victory / Anno Mirabilis», welches im zweistimmigen Finale Krause / Minton ungeahnte Gipfel erklimmt. «FAGOTT-ROCK»

Auf dem letzten Henry Cow Album «Western Culture» (erschienen im Oktober 1979), war Lindsay Cooper in der Band voll aufgeblüht und komponierte die gan- ze zweite Seite der Platte. «Half the Sky» ist eine sehr dynamische und viel- schichtige Komposition von ihr. Das Intro dauert 50 Se- kunden, mit starker Präsenz der Gitarre von , dann folgt der Einsatz der Die unvergessliche Lindsay Cooper, zu Besuch in Zürich nach einem Auftritt von Henry Cow im Januar 1979. Fotos: Doris Stauffer

leicht unentschlossen, aber dennoch spannend anzuhören, Lindsay Cooper spielte das Fagott oftmals virtuos mit Wah- vom Anfang bis zum Schluss. Hier ist die Zürcher Jazzpianis- Wah-Pedal, ob sie den Storyteller (Pere Ubu) tin zu Gast, aufgenommen im Sunrise Studio begleitete oder wie auch 1982 im Orkestra in Kirchberg SG, August 1978. Gab es eine vergleichbare mit dem Werk «The Cortege». Konstellation nicht bereits in der Geschichte des Progressive Rock? Genau: beim zweiten King Crimson-Album «In the «DOPPELGÄNGER» Wake of Poseidon» (1970) gab Pianist Keith Tippett auf «Cat Food» eine ähnliche Freejazz-Klaviereinlage zum Besten. Lange suchte ich vergeblich Fotos von der Gruppe Henry Lindsay Coopers politischen Werke umfassen «Last Nightin- Cow, erst auf «Concerts» im Sommer 1976 war die Band gale» (November 1984), das den britischen Minenarbeiter- abgebildet, aber längst hatte ich zwei Fotos von Lindsay Streik beleuchtet und ihre bisher nicht auf CD erschienene Cooper als Gastmusikerin bei Egg und ent- Komposition «In The Dark Year» mit Robert Wyatt enthält), deckt. Bei der psychedelischen Folkband Comus (deren erste der Song-Zyklus zum kalten Krieg «Oh » (1991, im Platte ich im Mai 1979 auf dem Zürcher Flohmarkt fand, Oktober 1987 am Zürcher Jazzfestival uraufgeführt), «Saha- die heute in perfektem Zustand bis 1500 Franken gehandelt ra Dust» (1992) über den zweiten Golfkrieg, sowie im No- wird) war Lindsay 1972 vollwertiges Mitglied. vember 1994 die Konzertaufführung in Grenoble der «Sara- Und Lindsay spielte Fagott auf der zweiten Platte von Mike jevo Suite» mit 5-köpfi gem Ensemble. Oldfi eld, während ein männlicher Doppelgänger namens Lindsay Cooper (1940-2001) auf der ersten LP Kontrabass FILMMUSIK UND DAVID THOMAS spielte… Der Schweizer Saxofonist Christoph Gallio, der einige Zeit mit ihm zusammenspielte, erzählte mir kürzlich Die schönste Cooper-Komposition? Der Tango «Plate die köstliche Anekdote. Weil sie es leid waren, ständig ver- Dance» vom dritten Album «Music For Other Occasions» wechselt zu werden, organisierten die beiden einen Auftritt 1986, oder vom selben Album eine andere Perle, das zärtli- zu Zweit: Lindsay Cooper & Lindsay Cooper. Der Kont- che «As She Breathes», das auf Samtpfoten heranschleicht, rabassist hat sich später in Lindsay L. Cooper umbenannt. und fesselnd Sängerin Sally Potter auf den Leib geschrieben ist. Als Beispiel aus ihrem wichtigsten Album, der Filmmusik Veit Stauffer «Gold Diggers», wähle ich «Horse Waltz». Der Film «Gold Diggers» ist ein umstrittenes Frühwerk von Sally Potter, wie PS: Liebe Lindsay. Heute Nacht hatte ich einen absurden auch ein Schlüsselwerk des feministischen Films. Die surrea- Traum, und beim Aufwachen habe ich sehr gelacht. An len Szenen (ein Pferd erscheint im Tanzsaal) und die prächti- sämtliche noch lebenden Fagottistinnen und Oboistinnen gen Naturbilder im Eis rufen eine Stimmung zwischen Luis der Welt wurde ein Schreiben verschickt, an Kammermusik- Buñuel und Ingmar Bergman hervor. Ensembles, Symphonieorchester und Musik-Konservatori- Als Bindeglied zwischen Lenny Bruce und den heutigen Slam- en. Die Message lautete: «Für das Jahr 2014 ist eine Stelle Poeten hat während den Achtzigerjahren der geniale Enter- neu zu besetzen, wir suchen eine Nachfolgerin für die Kom- tainer David Thomas (of Pere Ubu) eine ganze Generation ponistin Lindsay Cooper (1951-2013). Bitte senden Sie uns blendend unterhalten, wie eine Aufnahme aus Hilversum Ihre Bewerbung mit Lebenslauf und den üblichen Unterla- (mit viel herzhaftem Gelächter) von 1982 auf Youtube zeigt. gen bis 31. Dezember 2013 an folgende Adresse…» DIE BESTEN PLATTEN Tony Lauber Michael Gasser Christian Pauli Aaron Neville: My True Story Agnes Obel: Aventine Denseland: Chunk Ry Cooder: Live in San Francisco Eminem: The Marshall Mathers LP 2 Lump200: Hobbies & Religions Gov‘t Mule: Shout! Laura Marling: Once I Was An Eagle My Bloody Valentine: MBV Marc Ribot’s Ceramic Dog: Your Turn Jonathan Wilson: Fanfare Nick Cave & The Bad Seeds: Push the Sky away She & Him: Vol. 3 Kacey Musgraves: Same Trailer Different Park No Home (Brötzmann, Pliakas, Wertmüller) and Arcade Fire: Refl ektor Omar Souleyman: Wenu Wenu FM Einheit: No Home Tedeschi Trucks Band: Made Up Mind Julia Holter: Loud City Song Schorsch Kamerun: Der Mensch lässt nach The Strypes: Snapshot Kurt Vile: Walkin On a Pretty Daze Sleaford Mods: Wank Seasick Steve: Hubcap Music Bonnie «Prince» Billy/Dawn McCarthy: What Steamboat Switzerland: Zeitschrei The Sadies: Internal Sounds The Brothers Sang The Knife: Shaking the Habitual La Honda: I See Stars These New Puritans: Fields of Reeds Philipp Anz Mesparrow: Keep This Moment Alive Thomas Bohnet Benedikt Sartorius Caitlin Rose: The Stand-In The National: Trouble Will Find Me DJ Koze: Amygdala Parquet Courts: Light Up Gold Daft Punk: Random Access Memories Deerhunter: Monomania Savages: Silence Yourself Baden Baden: Coline Devendra Banhart: Mala Nadine Shah: Love Your Dum And Mad Nick Cave & The Bad Seeds: Push the Sky Away Mikal Cronin: MCII Courtney Barnett: The Double EP – A Sea of Maître Gims: Subliminal Factory Floor: Factory Floor Split Peas Edwyn Collins: Understated Die Goldenen Zitronen: Who’s Bad Phosphorescent: Muchacho Stromae: Racine carrée Earl Sweatshirt: Doris Evelinn Trouble: The Great Big Heavy Tocotronic: Wie wir leben wollen Kwes: ilp Jessy Lanza: Pull My Hair Back Primal Scream: More Light Yo La Tengo: Fade Emily Jane White: Blood/Lines Jesper Munk: For In My Way It Lies Tocotronic: Wie wir leben wollen

Philipp Niederberger Reto Aschwanden Sam Mumenthaler Shady & The Vamp: As We Told You Earlier Queens of the Stone Age: …Like Clockwork Fai Baba: She’s My Guru Destruction Unit: Deep Trip John Grant: Pale Green Ghosts Valerie June: Pushin’ Against a Stone Complications: Play Loud and Pray Lords Nick Cave & The Bad Seeds: Push the Sky Away Elvis Costello/The Roots: Wise Up Ghost Bassholes: Boogieman Stew Grande Roses: Disease Steve Earle & The Dukes/Duchesses: The Low True Sons of Thunder: Stop and Smell Your Face Atlantean Kodex: The White Godess Highway The Readymades: I’m a Man I’m a Flower The Animen: Hi! John Grant: Pale Green Ghosts Ex-Cult: Same Janelle Monae: Electric Lady Neko Case: The Worse Things Get, The Harder Dead Ghosts: Can’t Get No Year Of The Goat: Angels’ Necropolis I Fight, The More I Love You The Shrills: Meltdown Savages: Silence Yourself Billy Bragg: Tooth & Nail Bad Noids: Everything From Soup to Dessert VV Brown: Samson & Delilah Ry Cooder: Live in San Francisco Becky Lee & Drunkfoot: One Take Session Various Artists: Black Europe (40 CDs, Bear Family) Pascal Cames Chrigel Fisch Devendra Banhart: Mala Death Grips: Government Plates Barbarossa: Bloodlines William Tyler: Impossible Truth Philippe Amrein Bob Dylan: Another Self Portrait Guz: Der beste Freund des Menschen Cosmo Alley: Now It’s On Emmylou Harris & Rodney Crowell: Old Yellow Navel: Loverboy Lisa Germano: No Elephants Moon M.I.A.: Matangi Mikal Cronin: MCII Various Artists: Inside Llewyn Davis Yuri Member: Do Caitlin Rose: The Stand-In Jim James: Regions of Light and Sound of God MIR: Shake Your Moneymaker Guz: Der beste Freund des Menschen DJ Koze: Amygdala Lucinda Williams: Live at Kaufl euten : Seasons of Your Day Lady Lamb the Beekeeper: Ripely Pine Judy Birdland: Aurora Deafheaven: Sunbather Mazzy Star: Seasons of Your Day Saint Vitus: Lillie F-65 She & Him: Vol. 3 Mayer Hawthorne: Where Does This Door Go Fai Baba: She’s My Guru Big Harp: Chain Letters Beat-Man Mathias Menzl Sean and Zander: Walk Thee Invisible Arcade Fire: Refl ektor The Future Primitives: Into the Primitive Hanspeter Künzler Jon Hopkins: Immunity Becky Lee and Drunkfoot: One Take Session Kurt Vile: Waking on a Pretty Daze Kurt Vile: Wakin’ On a Pretty Daze Daddy Long Legs: Evil Eye on You The Black Angels: Indigo Meadow Girls in Hawaii: Everest Fuzz: Fuzz Pinkunoizu: The Drop Radkey: Cat & Mouse Black Sabbath: 13 L. Pierre: The Island Come True Touché Amoré: Is Survived By The 13 Floor Elevators: The Psychedelic World Courtney Barnett: The Double EP – A Sea of Mikal Cronin: MCII of the 13 Floor Elevators Split Peas Vampire Weekend: Modern Vampires of the City The Pretty Things: SF Sorrow Grant Hart: The Argument Cheathas: Extended Plays Sensational: Corner the Marked The Liminanas: Costa Blanca Autre Ne Veut: Anxiety Johan Bachelbel: Canon in D Dur James Blake: Overgrown Matthew E. White: The Big Inner David Bowie: The Next Day DIE NEUEN PLATTEN

Shearwater VV Brown Arcade Fire Courtney Vincent Fellow Travelers Samson & Delilah Refl ektor Barnett Delerm (Sub Pop) (YOY) (Merge Records) The Double EP – Les Amants A Sea of Split Peas Paralleles Zehn Jahre sind Shearwa- Dark’n’B als Stilangabe Im Herbst dieses Jahres (Milk! Records) (Tot ou tard/Import) ter bereits als Band unter- tönt erstmal blöd. Doch gabs eigentlich nur eine wegs. Markenzeichen ist VV Brown verleiht dieser wichtige Platte: «Refl ek- Es liest sich wie ein In- Vor elf Jahren debütier- die orchestrale und erhabe- Bezeichnung Form und tor» von Arcade Fire. Es ist die-Märchen: Eine junge te Vincent Delerm mit ne Stimme von Sänger Jo- Grösse. Das Zweitwerk wahrscheinlich die wich- Australierin nimmt 2012 fantastischen Songs wie nathan Meiburg. Shearwa- der Britin ist eine impo- tigste Platte des Jahres. zuhause in Melbourne dem der grossen Truffaut- ters neues Album ist keines sante Verbindung von Sie ist gross und mächtig. eine erste EP auf, gründet Schauspielerin Fanny Ar- mit eigenen Songs, sondern Finsterelektronik mit Soul- Es ist ein Doppelalbum. dafür und für die Musik dant gewidmete «Fanny versammelt Coversongs Stimme. Zu erwarten war Kein «Use Your Illusion» von Freunden ein eigenes Ardant et moi», «Tes pa- von Bands, die in den ver- das nicht, denn 2009 fab- und auch kein «Mellon Label, erspielt sich einen rents» oder «Deauville sans gangenen zehn Jahren den rizierte sie auf ihrem De- Collie and the Infi nite Sad- tollen Ruf in ihrer Heimat, Trintignant». Der belesene Weg der Texaner gekreuzt büt noch eine Mischung ness», aber sie lässt sich in reist für das CMJ-Festival 37-Jährige streift auch auf haben. Dazu gehören Xiu aus Kinderdisco und Amy die Reihe dieser grossen 2013 in New York erstmals dem neuen Album wieder Xiu, Coldplay, St. Vincent Winehouse. Zwar erfolg- Doppel-Alben stellen. Es überhaupt über den Ozean durch die Literatur und oder Clinic. Viele Bands, reich, doch dann gabs ist die Platte, mit der sich und lässt dort ein eben- Populärkultur, mit einem die man kennt, die einzel- Streit mit der Plattenfi rma, Arcade Fire endgültig von so baffes wie begeistertes Faible für gehobenen briti- nen Songs aber nicht un- worauf sie ihr eigenes La- dem emanzipieren, was wir Publikum zurück. Und schen Pop der Smiths oder bedingt. Alle haben sie eine bel gründete, auf dem nun Indie Rock nennen – hin zu Courtney Barnett blickt von Divine Comedy. Bedeutung für Shearwater. dieses Album erscheint. etwas Neuem das zwischen denn auch etwas verwun- Besonders schön die Man- Und das Spezielle an den Es ist eine Reise in dunkle Genres mäandert und sich dert auf das, was gerade chester-Hommage «Haci- Covers: Alle gecoverten Gefi lde, wo die Computer nicht schubladisieren lässt. mit ihr passiert, aber auch enda», ein feines Stück zu Künstler – bis auf Coldplay die Klänge fi es verziehen «Do you like Rock & Roll ohne Aufregung. Genauso Ehren der legendären engli- – sind auch auf der Plat- und die Rhythmen nicht Music? ’Cause I don’t know unaufgeregt ist ihr Gesang: schen Disco, die in der bri- te vertreten, jedoch nicht das Leben feiern, sondern if I do», singt Win Butler «Ich habe gemerkt, dass tischen Popgeschichte (von auf ihren eigenen Tracks. das Durchhalten befeu- auf dem Track «Normal ich eine schlechte Sängerin Joy Divsion bis zum Rave Das gibt diesem Projekt ern. Die Gesangsmelodien Person». Angeblich nur ein bin und einfach so singen der 80er-Jahre) eine grosse das gewisse Etwas. Denn freilich kommen betörend beiläufi ges Bonmot aus den sollte, wie es aus meinem Rolle gespielt hatte. Doch Cover-Platten sind immer und eingängig. So könnte Aufnahmen, aber die Band Mund kommt», sagt sie. auch der Rest ist wunder- eine heikle Angelegenheit. es klingen, würde Tricky entschied, die Zeilen auf Dieser Gesangsstil passt bar geworden. Das Cover Oft enden sie belanglos, eine Zusammenarbeit von der Platte zu lassen, da sie vortreffl ich zu ihren Texten des erinnert an ein manchmal sogar peinlich. Grace Jones und The Knife exemplarisch dafür stehen, voller Witz und Liebe zum Filmplakat. In Interviews Und unterschätzt werden produzieren. «Samson & was sie nicht machen woll- Detail. Barnett zeigt sich spricht er von seiner frü- sie auch. Dabei bedarf es ei- Delilah» ist ein Album wie ten: Ein weiteres «The Su- als brillante Schreiberin mit hen Liebe für die Nouvelle nes besonderen Efforts, mit aus einem Guss, das seinen burbs». Die Band entschied Zeilen, die man sich an den Vgue und besonders die Fil- einem Track auszudrücken, Höhepunkt im Dreisprung sich für den radikalen Auf- Kühlschrank oder sonst me von François Truffaut. was man an der gecoverten «Igneous», «Looking For bruch, reiste nach Jamaika, einen Ort für die Ewigkeit Diesmal kommt Mia Far- Band wirklich mag. Ob das Love» und «The App- kam mit 60 Songs zurück pinnen kann. row vor, als werdende Shearwater gelungen ist, le» fi ndet – von einer wum- und zog sich mit James Für die zweite EP ging sie Mutter im Horror-Thriller das wissen nur sie selber. mernden Dubstep-Hymne Murphy (ehemals LCD mit Gitarre und Band ins «Rosemary’s Baby». Auch der Selbstbehauptung über Soundsystem) zurück. Das Studio und pendelt zwi- Sport spielt bei Delerm eine men. eine verzogene Liebesklage Resultat ist eine Mischung schen Rock, Folk und Surf. Rolle. Besang er einst un- zur pumpenden Abrech- aus Studio 54 und haiti- Auch das so unaufgeregt, ter anderem die Beine von nung, komplett mit Italo- anischem Voodoo. Doch dass es wieder aufregend Steffi Graf, so bringt der Disco-Chörli. Wer gern die Platte ist nicht deshalb klingt. Die beiden nun zu- Song «Super Bowl» den gleichzeitig verstört und bemerkenswert, weil sie sammen veröffentlichten Football-Star Joe Monta- verführt wird, fi ndet hier anders ist, sondern weil sie EPs seien nicht als Debüt- na ins Spiel. Trotz dieser eines der spannendsten Al- einfach gut ist. album zu sehen, betont sie amerikanischen Anspielun- ben des Jahres. – das folge dann erst 2014. gen ein sehr französisches men. Bis dahin kann man sich Album voller kleiner Pop- ash. ganz unaufgeregt für diese Preziosen. 12 Songs begeistern. tb. anz. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Es ist die Jahreszeit des Fazit-Ziehens. Entsprechende Bes- tenlisten bevölkern auch die neuste Ausgabe des schönen Organes, das wir gerade in Händen halten. Ich beuge mich dem Geist des Momentes und wage einen Blick in die bri- tische Presse. Er zeigt leider, dass dieser Korrespondent punkto Popgeschmack in diesem Jahr komplett neben den Schuhen stand. So ist die Bilanz von Kurt Vile, Autor mei- Erdmöbel Chris Eckman Marijuana nes «Album of the Year», eher trüb: im ansonsten recht Kung Fu Fighting Harney County Deathsquads stilsicheren «Uncut» schafft er es auf Rang 8. Stattdessen (jippie!/TBA) (Glitterhouse/Irascible) Oh My Sexy Lord schwangen My Bloody Valentine obenauf. David Bowie, (Memphis Industries/MV) Nick Cave, John Grant, Laura Marling, Roy Harper Dieses Album ist schon vor Aus der Ferne betrachtet, und Bill Callahan liegen alle noch vor unserem Kurt. Im einigen Wochen erschienen. erkennt man sein Heimat- Dieses Album tönt mit «Mojo» taucht er überhaupt nicht auf – hier landete Bill Doch zum Jahresende darf land bisweilen besonders Sicherheit nicht im ent- Callahan den Treffer des Jahres, gefolgt von Daft Punk, man auch mal Verpass- deutlich. Chris Eckman, ferntesten so, wie man es David Bowie, Arctic Monkeys, John Grant, Deerhunter, tes nachholen. Zudem ist der seit 1984 – zusammen sich angesichts des ganja- Vampire Weekend, Mark Kozelek, Nick Cave und John «Kung Fu Fighting» genau- mit Carla Torgerson – geräucherten Namens Murry. Im «Q» schaffte es Kurt immerhin auf Platz 36 – so aus der Zeit gefallen wie den Walkabouts vorsteht, vorstellen würde. Die hy- die Arctic Monkeys schwangen obenaus. Der «New Musi- sein Vorgänger. Erdmöbel lebt seit Jahr und Tag in drahafte «Band» besteht cal Express» nennt Kurt immerhin auf Rang 37. Auch hier spielen Popsongs, knapp, Ljubljana. Doch in seiner praktisch aus ganz Minne- liegen indes die Arctic Monkeys zuvorderst. konzis und kunstsinnig. Musik hat er den Blick nie apolis (minus Prince). Im Beschämend für einen Trendjäger wie mich ist die Liste des Der Bass von Produzent wirklich von den USA ab- Kern gehören dazu Drew Avant-Magazins «Wire». Abgesehen vom sehr reizvollen Eki Maas sorgt für den gewandt. Das ist auch auf Christopherson und Ben Number-One-Album von Julia Holter werden die Top 10 melodisch bollernden Un- seinem vierten Soloalbum Ivascu (beide sonst Drum- zu zwei Dritteln von spanischen Dörfern bevölkert: 2) Lau- terbau, dazu meist Gitar- «Harney County» so. In- mer bei Polica), Stef Alex- rel Halo, 3) Rashad Becker, 4) Richard Dawson, 5) Tim ren oder Pianos und oben spiriert durch die Memoi- ander (alias Rapper P.O.S.), Hecker, 6) Oneohtrix Point Never (kenne ich immerhin!), drüber – das ist ein Unter- ren von Autor William Isaac Gale und Studiobast- 7) RP Boo, 8) Wolf Eyes, 9) Graham Lambkin & Jason schied zu früheren Platten Kitteridge (*1932), die ler Ryan Olson (Gayn- Lescalleet, 10) The Knife (kenne ich auch!). – eher Flöten statt Trompe- von gescheiterten Träu- gs). Sie waren einst eine Wer nun meinte, die einschlägigen Web-Magazine hät- ten. Sänger Markus Berges’ men an einem Ort voller Punk-Band, aber während ten die Nase etwas weiter vorn im Wind, liegt verblüf- Vortrag ist von wunderli- rauer Schönheit im Staate P.O.S.‘s Solo-Ausfl ügen fend unrichtig. Hier die Top 5 von musicOMH.com: 1) cher Lakonie, die Texte ste- Oregon berichten, schweb- tobten sie sich als impro- John Grant, 2) Nick Cave, 3) The National, 4) Bowie, 5) cken voller Wortspiele und te Eckman ein Album à la visierendes Ensemble aus. Arctics. Immerhin sind bei «Drowned in Sound» Variatio- Assoziationen, die man «Nebraska» von Springs- Bei den Sessions konnte nen zu erkennen. Hier wagt man den kühnen Schritt, die nicht unbedingt verstehen teen vor – im Dub-Modus. jeder mitmachen, der da space-rockigen Hookworms an die Spitze zu setzen – ein muss, denn eine Band, die Von Letzterem hat der war. Drei Mixtapes sind so sehr reizvolles Werk, das den gegenwärtigen Psychedelik- ihre Lieder «Bewegliche Fe- 53-Jährige dann allerdings entstanden. Dieses vierte Groove sehr narkotisch in Szene setzt. Dahinter tummelt rien», «Zollstockbad» oder abgelassen. Stattdessen nun klingt etwas gepfl eg- sich ein bunter Haufen mit Nick Cave, Julianna Barwick, «Klub der senkrecht Begra- widmet er sich, ganz wie ter: man nistete sich im Paramore, Arcade Fire, Vampire Weekend, Jon Hopkins, benen» nennt und Desiree gehabt, der düsteren Ame- Studio von Justin Vernon These New Puritans, John Grant und Future of the Left. Nosbusch zum Duett bit- ricana. Mit resignierter (Bon Iver) ein, empfi ng Ich kann mich nicht an ein Jahr erinnern, in dem diese tet, geniesst Narrenfreiheit. Stimme singt er sich durch Gäste wie Polica-Sängerin Listen so stark von etablierten Namen geprägt wurden. Diese nutzen die Kölner acht ausgemergelte Folk- Channy Leaneagh, Justin Warum? Einerseits wohl darum, weil ein paar grosse Na- schon seit geraumer Zeit, Lieder, die von Gräbern Vernon und Har Mar Su- men heuer mit wirklich grossen Alben aufgewartet haben um sich in ihrer eigenen in der Wüste, verspukten perstar und machte Krach. (Daft Punk könnte man von mir aus allerdings hinter den Nische einzurichten. Man- Dampfschwaden oder vom Die besten Fetzen wurden Mond schiessen), andererseits wird es an der gigantischen che fühlen sich an Prefab Rauch brennender Reifen danach zum Album ver- Auswahl liegen: Die Stimmen der Jurys verteilten sich auf Sprout, andere von fern an handeln. Eckman kreiert woben. Der resultierende so viele Neutöner, dass kaum einer in die Hegemonie der Element of Crime erinnert. Abgründe, vor denen es Sturm von fulminantem Alt-Stars einzubrechen vermochte, die überall ein bisschen Allerdings unterscheiden kein Entfl iehen gibt. Seine Getrommel, verzerrtem Punkte kassierten. sich Erdmöbel von Rege- Version des Traditionals Rap/Geschrei und herzhaft Ach, und mit meinem Kurt Vile stehe ich doch nicht so ners Kapelle (und allen «Katy Cruel», an dem sich fi ependen Synthis ist so lus- allein auf weiter Flur: Es ist auch das Album des Jahres von anderen deutschen Bands) vor ihm auch schon Karen tig wie lustvoll, denn noch Bobby «Primal Scream» Gillespie! durch Flockigkeit und Dalton und Jerry Garcia im düstersten Gerumpel freundliche Verschroben- versuchten, vervollständigt schimmert ein Hauch von Hanspeter Künzler heit, was dazu einlädt, den das Bild aus Enttäuschung sonniger Melodik durch. Begriff «Easy Listening» und Bedauern, das für die Zwischenhinein brechen neu zu defi nieren. Platte so prägend ist. Ru- die Wolken auf und geben hig, rau und beklemmend. den Blick frei auf idyllische ash. Instrumentalpassagen. Al- mig. les tönt wie aus einem Guss – und macht mächtig Spass.

hpk. DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprise Gründermythen sind zäh. Was Wilhelm Tells Apfelschuss für die Schweiz ist, ist Robert Johnsons Pakt mit dem Teu- fel für den Rock’n’Roll: Da stand ein Getriebener in einer dunklen Nacht an einer einsamen Kreuzung und verhö- kerte dem Gehörnten seine Seele – im Gegenzug spielte er fortan die Gitarre so, als hätte er das Instrument erfunden. Various Artists The Deep I Break Horses Diese Legende erwähnt der Bluesmusiker und Autor Elijah Inside Llewyn Davis Dark Woods Chiaroscuro Wald in «Vom Mississippi zum Mainstream. Robert John- (Nonesuch) Jubilee (Bella Union/MV) son und die Erfi ndung des Blues» (Rogner & Bernhard) (Sugarhill/Universal) nur am Rand. Es geht ihm um das Wesentliche, die Musik. Ähnlich wie Quentin Ta- Da hab ich mir wieder Wald lehrt uns, die Songs von Robert Johnson anders zu rantino sind die Coen Brü- Nomen est omen. Ein gu- einmal eine schöne Brühe hören, aufmerksamer. Zum einen versteht man Johnsons der mit ihren Filmmusiken ter Name für eine Ame- eingegossen, als ich zu- Einmaligkeit besser – gleichzeitig versteht man ihn auch im stilprägend geworden. Der ricana- respektive Cana- sagte, ein paar Worte zu Kontext der populären afroamerikanischen Musik in den aktuelle Soundtrack zum diana-Band: The Deep diesem widerwärtigen Al- Dreissigerjahren. Folk-Epos «Inside Llewyn Dark Woods. Im Früh- bum zu schreiben, ehe ich Walds Ausgangspunkt ist eine vordergründig ketzerisch Davis» erinnert an eine jahr rauschten sie bereits es tatsächlich auch gehört anmutende doppelte Frage: Warum wurde Robert Johnson Zeit in Amerika, die durch auf Clubtour durch den hatte! Was tun? Nun, Ehr- von seinen Zeitgenossen weitgehend ignoriert, und warum den Kalten Krieg und die deutschsprachigen Raum lichkeit war schon immer gilt er heute als der grösste Bluesmusiker aller Zeiten? Friedensbewegung geprägt und zeigten ihre ganze die Mutter der zerbroche- Diese Fragen beantwortet Wald zunächst mit einer pro- war. Hauptdarsteller Oscar Klasse. nen Schüsseln und abge- funden Untersuchung der populären Musik im schwarzen Isaac singt und spielt auch Für die sympathische Band brannten Brücken. Also, es Amerika. Dabei zeichnet er eine Geschichte des Blues, die Gitarre, beides bravourös. aus Saskatoon in der Prä- liegt völlig jenseits meiner dem gängigen Bild widerspricht, das, so Wald, weitgehend Wenn er Queen Janes tra- rieprovinz Saskatchewan Begriffsfähigkeiten, wie eine Projektion der weissen, eher intellektuellen und gebil- gisches Ende zum besten fi ndet die Presse zurecht zwei Menschen freiwillig deten Folkies der Sechzigerjahre ist. Diese interessierten gibt, dürfen auch Tränen nur die allerwärmsten Wor- hinsitzen wollen, um sich sich mehr für obskure Randfi guren als für die Stars. Tat- kullern. Und es gibt noch te: Das Fachmagazin «Bill- mit der ganzen Passion sächlich war der Blues in der Zwischenkriegszeit ein unter mehr von diesen harten board» zum Beispiel lobt ihrer Musikantenherzen Afroamerikanern populärer Stil, kommerzielle Tanz- und Liedern, die im Vergleich den «zeitlosen organischen der Schöpfung einer der- Radiomusik, dargeboten von professionellen Entertainern zum Inhalt immer noch Sound» und vergleicht ihre massen kühlschrankhaften im Dienst des Publikums. Der heute gefeierte «Delta Blues» viel zu schön gesungen und Alben mit den besten Wer- Musik hinzugeben. Es ist hingegen war unter diesem Gesichtspunkt eher marginal. mit akustischen Instrumen- ken von The Band. Andere dies das zweite Album von In diesem Umfeld tauchte Robert Johnson auf, jung, at- ten gespielt werden. Eine Schreiber ziehen Referenz- Maria Lindén und Fredrik traktiv und ehrgeizig, ein begnadeter Gitarrist und ein Mutter verliert ihre Toch- grössen wie Gram Parsons Balck aus Stockholm. Wie Herumtreiber, ein professioneller Musiker, der 1936 und ter an einen Spieler, da gibt und die Byrds oder den das erste klang, weiss ich 1937 in zwei Sessions 41 Aufnahmen machte. Einige Songs es nichts zu machen. Ein Landsmann Neil Young nicht. Das zweite strotzt erschienen auf Platten, waren nicht ganz erfolglos – schlu- Mensch vegetiert im Ge- heran. Wer modernere Ver- vor gletscherhaften Com- gen aber keine hohen Wellen. 1938 starb er, 27-jährig, an- fängnis, kein Ende in Sicht. gleiche haben möchte, dem putersounds, die manch- geblich ermordet von einem eifersüchtigen Ehemann. Auch Weitere Sänger sind Bob seien Wild Oldham und mal so tun, als ob sie in den das ist eine Legende, die sich hartnäckig hält. Dylan mit einer Rarität oder die Felice Brothers Achtzigerjahren hergestellt Wald vernachlässigt auch diese Legende und fokussiert von 1965, Justin Timberla- genannt. Zwischen Folk worden wären. Maria säu- auf die Musik. Akribisch analysiert er die 41 Aufnahmen ke und Marcus Mumford. und Indie-Pop, Alternati- selt mysteriös, sie meint es Johnsons: Er arbeitet seine Einfl üsse heraus und beweist Der schönste Song stammt ve Country und America- sicher furchtbar ernst, und damit, dass Johnson sich der damaligen Trends durchaus aber von Dave van Ronk, na richten sich The Deep gemahnt hie und da ent- bewusst war und Anspielungen an Hits und berühmte einmal von Oscar Isaac in- Dark Woods ein und kom- fernt an Elizabeth Frazer Interpreten einfl ocht. Gleichzeitig arbeitet Wald auch die terpretiert und einmal im men dabei zu grossartigen von den Cocteau Twins. Einmaligkeit und Genialität Johnsons als Gitarrist, Sänger, Original. Van Ronk stellt Songs, wie ihr bisheriges Viele Titel bestehen aus Komponist und Texter heraus. Robert Johnson entpuppt alle anderen in den Schat- Oeuvre – vier Alben an der einem einzigen, tonnen- sich in Walds Studie nicht als der vom Höllenhund verfolg- ten, ausgefuchst, meis- Zahl – zeigt. schweren Wort: «Faith», te Getriebene, zu dem er später verklärt wurde, sondern terlich, diabolisch. Dylan Mit dem neuen Werk «Ju- «Ascension», «Denial» als hochprofessioneller, musikalisch überdurchschnittlich bleibt blass. Produziert hat bilee», das erstmals auch zum Beispiel. Alles trieft artikulierter und selbstbewusster Musiker und Entertainer, diesen Soundtrack der aus- hierzulande veröffentlicht von synthetischem Tief- der wenig dem Zufall überliess. gewiesene Spezialist für in wird, sollten die Kanadier sinn, Fernweh und mys- Eine Demystifi zierung? Vielleicht. Doch letztlich führt Würde gealtertes Liedgut endlich auch bei uns richtig teriösem Verlangen. Aber Walds Analyse durch das genauere Verständnis zu einer T-Bone Burnett. bekannt werden. 13 wun- wegen diesen verdammten, noch tieferen Bewunderung für Johnsons schmales Werk. derbare Songs zwischen faustdick aufgetragenen Und niemand verbietet uns, weiterhin an Teufelspakte und cam. Americana und Country- Digi-Sounds klingt alles eifersüchtige Ehemänner zu glauben. Schliesslich lieben und Folk-Rock, in dessen Her- eher nach einer humor-, brauchen wir diese Legenden, und nicht selten vermitteln zen «18th of December» ohrwurm- und sonnenlo- sie Wesentliches, das weit über die Fakten hinausgeht. steht – ein Song, der das sen Zeitlupenversion von Zeug zum Klassiker hat. Empire of the Sun. Christian Gasser Elijah Wald: «Vom Mississippi zum Mainstream. Robert Johnson und die tb. hpk. Erfi ndung des Blues», Rogner & Bernhard, 432 Seiten SZENE

Dez/Jan

Fr 13.12. Nemoy DJs Jack Pattern, Marc Metha, Disco Ste

Sa 14.12. Mafia Kiss, Larry King Tabis, Buko

Fr 20.12. Santa Claus Allstars Afterparty: Santa Claus Allstars

Sa 21.12. DJs Maxxx Mack Stax, Pfund 500, Cutxact, Kosi

Di 24.12. DJ Soulrabbi

Fr 27.12. What A Bam Bam Real Rock Sound

Sa 28.12. Panik Pop DJs Mr. Cashmere, Marc Maurice, Sun:Elektrisch Di 31.12. Live: Drops Trubaci Soundsistema, Real Rock Sound, DJ Sh4bb4, Boomboxx Sound

Sa 04.01. Film: Ghost Dog DJs Silvy, Clapto Fr 10.01. Doesn’t Rhyme With King, Die nächste St. Kitts Royal Orchestra DJs Mr. Cashmere, Marc Maurice, Sun:Elektrisch Sa 11.01. Elektronisches SH Disco Ste, Ata, Credo, Kneubühler, Hals Über Kopf, Ausgabe Marc Maurice Fr 17.01. Grossstadtgeflüster DJ MTDF Sa 18.01. Albumrelease: NJ feat. Roms on Drums, Camero, erscheint am Pole, Cynic, Jayquilibrium Fr 24.01. Raashan Ahmad & Band DJs Soulfill Franklin, Natty B Sa 25.01. Riverboat Gamblers, 30. Januar. Hateful Monday So-Nachmittag 26.01. Big Zis & Domenico Ferrari Experience Fr 31.01. What A Bam Bam Abotalon S. 02 Selecta Panza (Supersonic), Real Rock Sound Tap Tab Musikraum, Baumgartenstrasse 19 www.taptab.ch Postfach 1583, CH-8200 Schaffhausen Musik im Briefkasten www.loopzeitung.ch DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Wenn man so heiss ist wie die kalifornischen Apache, braucht man Schnee und Eis einer Januar-Tour durch die Schweiz nicht zu fürchten. Damit die Meute beim Mitsin- gen ausnahmsweise mal den Ton trifft, ist der neue Hit «Ci- vil Disobedience» (Grazer) bereits verschifft. Vor ein paar Jahren haben sie mit ihrer Debüt-LP ihre Pfeile mitten ins Lo Fat Fai Baba Herz der nicht mehr so jungen Jugend geschossen. Nun Orchestra She’s My Guru wird um einiges punkiger nachgeladen. In der Ferne nicken (ATO/MV) We Need You (A Tree In A Field) die Dead Boys, und jemand schreit «Savage». Das neue Jahr (Sounds of Subterrania) wird also sehnlichst erwartet. Für die B-Seite haben sie sich malt auf «The Es gibt Musiker, die halten mit New Yorks Rock’n’Rollern Daddy Long Legs zusam- Silver Gymnasium» eine Die bandchemisch immer sich an die gängigen Kon- mengetan und mit diesen in wohl weniger als einer Minute Landkarte seiner ent- nur knapp stabile Verbin- zepte und schauen, dass die «Motorcycle Madness» geschrieben und den Song gleich schwindenden Jugend und dung im Schaffhauser Lo Schublade nicht klemmt, in anschliessend in etwas mehr als drei Minuten eingespielt. seufzt. Der in Texas leben- Fat Orchestra aus hyste- die sie geschoben werden. Nikki Hill aus South Carolina hat den Rhythm & Blues de Frontmann von Okker- rischem Kontrollverlust, R&B hat gefälligst nach einer Etta James ebenso aufgesogen wie den Rockabilly- vil River – benannt nach brutaler Stoik und explo- R&B zu klingen, Blues ist Boogie eines Johnny Burnette. «I’ve Got a Man» (El Toro) einer Kurzgeschichte der siver Energie tönt auf der Blues, und so weiter. Was ist ein totaler Rocker, aufgenommen mit grossem Ohr für russischen Schriftstellerin neuen 4-Stück-45-rpm- passiert aber, wenn einer Vintage-Sounds, nicht unähnlich JD McPherson. Angetrie- Tatjana Tolstaja – kehrt Maxi «We Need You» so das Spiel nicht mitspielt? ben von frühem Sun-Records-Boogie singt sich Nikki Hill mittels Konzeptalbum an gut wie noch nie: Mit dem Fai Baba, der sein Album in mit ihrer charismatischen Stimme selber in Hypnose. Dass seine alte Heimat nach Opener «I don’t know New York aufgenommen sie live auch mal AC/DC oder Chuck Berry covert, ist dabei Meriden, New Hampshire, how to get back to you» hat, spricht von Blues und so sympathisch wie überfl üssig, denn lieber hört man «I’ve und ins Jahr 1986 zurück. kommt gleich der Hit rein nennt gar John Lee Hoo- Got a Man» noch ein zweites und drittes Mal. Und diesem Der 37-Jährige erinnert ohne anzuklopfen. Bumm! ker als Inspiration. Aber kann «Strapped to the Beat», ein nettes Stück Rock’n’Roll sich an Freunde von einst, Ein Instantklassiker mit statt des Hooker’schen mit viel Saxophon, natürlich nicht das Wasser reichen. an Atari-Computer und an Euphoriebefehl. Als kraut- «Boom Boom Boom» gibt Seit Jahren ein grosser Live-Favorit und eine der wenigen seine Versuche, Lieder ab rockiges Motorikbeat-Up- es hier Kitsch, Twang und Bands, welche heutzutage Country spielen, den ich hören Radio aufzuzeichnen – na- date kommt der Titeltrack Avantgarde. Für die zehn mag, sind die Luzerner Ophelia's Iron Vest. Nach zwei türlich mit dem Kassetten- daher und explodiert ge- neuen Songs werden ton- LPs veröffentlichen sie nun endlich auch eine Single. Er- gerät und einem Mikrofon gen Schluss mit Tasten- nenweise Ideen verschenkt, zählt werden in grosser Country-Poesie-Tradition wunder- in der Hand. Entsprechend Freakout und ekstatischem Psychedelik anno 1968, bare Geschichten, die sich diesmal allesamt um Alkohol periodengerecht der Sound: Gebrüll. «Basement Blues» die Beatles rückwärts ge- drehen. Ein dezentes Schlagzeug und trockener Stehbass Man schwelgt in romanti- ist in sich so was wie sein spielt, heisser Funk, Dance legen das Memphis-Fundament, auf dem Akustik-, Steel- schen Synthesizer-Klängen, eigener Remix: Aus einem und Space- und Krautrock und Telecaster-Gitarre den Bakersfi eld-Country eines Buck die Gitarren rocken dyna- Instrumental bastelte Ton- sind ein paar Quellen, die Owens aufbauen. Die etwas gar brave Produktion wird misch, und Sheff zeigt, dass techniker Samuel Hart- die schon totgetrampelte «The Drinking Side» (High Time) oder «I Call on You» er den Gesang von Bruce mann eine auf den Floor Erdigkeit von Papa Blues nicht ganz gerecht, passt jedoch wunderbar zum leicht me- Springsteen mehr als bloss zielende Nummer und sang neu beleben. Fai Baba lancholischen «When You Are Drinking», einer Ode ans verinnerlicht hat. Das Gan- die fehlende Vocoderstim- könnte sogar amtliche Hits Trinken, wie sie das letzte Mal vor 40 Jahren jemandem ze funktioniert, weil die In- me stantepede selbst ein. haben, wie der eingängige gelungen ist. die-Band bei ihrem Tun die Gleich neben Hartmanns Titelsong defi nitiv beweist. nötige Distanz an den Tag Studio wohnt Ex-Sterne- Klare Melodie, Falsettge- Philipp Niederberger legt und weil darauf ver- Keyboarder Frank Will mit sang und ein sauberes E- zichtet wird, durch die rosa Familie. Die rückten ihren Piano schrauben sich hier Brille zu schauen. Darin Sohn raus, um den Gas- mit Widerhaken ins Ohr. liegt aber auch das einzige senhauer «Uli Has A New Und doch ist der Mann Manko des Werkes begra- Boyfriend» einzusingen. aus Zürich meilenweit ben: Um nicht in die Nost- Echt jöö! Das LFO und ihr weg vom Mainstream. Zu algiefalle zu tapsen, agieren deutsches Label, Sounds of unberechenbar macht er Okkervil River kühl und Subterrania, passen zusam- Musik, zu viel ist zu schräg, mit Köpfchen. Doch ganz men. Auch Labelchef Gre- verspielt und verspult. In und gar ohne Bauchgefühl. gor Samsa ist ein Mann, «She’s My Guru» muss Das mündet in durchdach- der gegen vielerlei Widrig- man sich hineinhören, ja, te Musik, aber kaum in keiten und Idioten seine man kann sich sogar hin- Leidenschaft. Liebe zur Musik verteidigt. eintanzen. Was will man Für Leute wie ihn gilt: We mehr? mig. need you! cam. odi. NACHTSCHICHT

Geistersehen mit Timber Timbre Schauern mit Doomenfels

Einst hauste Taylor Kirk einsam in den kanadischen Wäldern, begleite- Kürzlich ertönte die erdenschwere Doomenfels-Adaption des Kinderlieds te seine Geschichten und Stossgebete mit Gitarre und Banjo und schickte «Heile heile Säge» auf BBC 6. Der Moderator erklärte nach dem Lied sei- diese Lo-Fi-Folk-Vignetten im Eigenvertrieb in die Zivilisation zurück. Es ner Zuhörerschaft, dass man diesen schweizerdeutschen Gute-Besserungs- waren Zeugnisse, die in der damaligen «New Weird America»-Waldschra- Klassiker dem Nachwuchs immer dann vorsinge, wenn es mal weh tut. tenlandschaft rasch untergingen, und Taylor Kirk alias Timber Timbre Und er fügte maliziös an: «The children will be terrifi ed for the rest of wagte sich zurück in die Stadt, genauer nach Toronto. Dort stellte er eine their lives.» Fürwahr, denn «Heile heile Säge» in der Version von Dominic kleine Band zusammen, und verwandelte sich zum theatralischen Schauer- Oppliger alias Doomenfels ist ein schön-schauerliches Stück Musik, in dem sänger. Zwei Platten mit tiefschwarzem Geisterfolk sind seither erschienen, selbst das Glockenspiel zum Unbehagen beiträgt. Das Lied ist denn auch auf denen Kirk mit seiner angeschmalzten Stimme den «Gothic Rockabilly die prägnanteste Nummer auf dem originären Mini-Album «Epilog», das Blues» inszeniert – und Geschichten über Poltergeister, Wikingerschiffe, diesen Sommer auf dem Basler Label A Tree in a Field erschienen ist und Hypnotiseure und blasse Pferde in einer Kunstsprache erzählt, die mit Ana- seither muntere Runden dreht – und allerorts Zittern hervorruft, selbst im chronismen und Zitaten aus der romantischen Horrorliteratur und dem englischen Radio. (bs) amerikanischen Songbook gespickt ist. «Creep On, Creepin’ On» heisst die immer noch aktuelle Platte aus dem Jahr 2011, die die Folk-Dämonen 16.12., Restaurant Alpenrose, Zürich; 19.12., Rössli, ; verführerisch auferstehen lässt und endlich wieder einmal konzertant zu 11.1., La Parenthèse, Nyon; 17.1., Palace, St. Gallen; erleben sind. (bs) 18.1., Stiefelchnächt, Bremgarten; 25.1., Gewerbehalle, Luzern; 8.2., One of a Million Festival, Baden 14.12., La Gravière, Genf; 15.12, Dachstock, Bern

Auswerten mit Guz Antifolk mit Stanley Brinks & Freschard Hassloch: So heisst der unscheinbare Ort mit dem markantem Namen, Stanley Brinks hiess in seinem ersten Musikerleben André Herman Düne dem Olifr M. Guz auf seiner neuen Platte eine Sehnsuchts-Hymne widmet. – und spielte mit seinen falschen Mitbrüdern David-Ivar und Néman herz- Ein Ort, der das Mekka der Marktforschung ist, weil die Bürger des Städt- liche und niedergeschlagene Antifolk-Klassiker wie «Not on Top» oder chens in der deutschen Pfalz am normalsten sind. «Drogen nehmen und «The Static Comes from my Broken Heart» ein. 2006 kam es zum Split rumfahren» gilt hier also nicht, sondern man fl üchtet rasch wieder aus der zwischen André und der Rest-Band, die ihr Glück bei einem Majorlabel Ortschaft, in der niemand ein Problem zu haben scheint. «Hassloch» ist versuchen wollte – und nicht nur Jeffrey Lewis vermisst die Herman Düne eines der zwölf Lieder auf «Der beste Freund des Menschen», einer Platte, dieser frühen Phase. Seither wohnt André alias Stanley Brinks in Berlin, die ein wenig leiser als der Vorgänger «Mein Name ist Guz» ausgefallen spielt Wohnzimmerkonzerte, hält die Independent-Flagge hoch und ver- ist. Die Songs führen vom trompetenden «General Guz befreit Pyongy- öffentlicht mit wechselnden musikalischen Partnern eine unüberblickbare ang» über den nostalgischen «Sommer 1984» bis hin zu einer freien «Hey Anzahl an offenherzigen und niedergeschlagenen Platten, die wie zu den Jude»-Outro-Adaption im grossen «Anpumpen». Zeitweise wagt Guz den Antifolk-Hochzeiten die eigene Biografi e spiegeln. Eine Geistesverwandte elektrischen Tanz – und beobachtet und wertet das Geschehen auf dem Pla- fand Stanley in der Französin Clémence Freschard, die ebenfalls in Berlin neten aus, auf dem niemals etwas passiert. Und natürlich droht, als schönes haust, und mit der der einstige Düdingen-Stammgast nun ins Bad Bonn Herz der Platte, «Hassloch». Ein Ort, der hoffentlich bald auch auf dem zurückkehrt, um fast wie einst das hohe Antifolk-Lied anzustimmen. (bs) Guz-Tourkalender auftauchen wird. (bs)

18.12., Bad Bonn, Düdingen 8.1., Rössli, Bern; 17.1., Helsinki, Zürich NACHTSCHICHT

Rockwoche mit The Weyers Berichten mit Berthold Seliger

Nennen wir es einfach mal ein Rencontre der Institutionen. Auf der ei- Lambchop, Calexico oder Patti Smith – Berthold Seliger brachte sie alle nen Seite die Rockwoche, in deren Rahmen Freundinnen und Freunde der auf die hiesigen Konzertbühnen. Im Herbst kündigte der Gründer der etwas härteren Gangart seit Jahren schon den ersten Monat des Jahres gleichnamigen Konzertagentur in einer «Ausmitteilung» das Ende seiner verbringen. Denn während in den grösseren Sälen der Roten Fabrik Re- Firma an – nach über 25 Jahren, in denen Seliger die Veränderungen im visionsarbeiten vorgenommen werden, brummt der Laden im Ziegel oh Live-Markt scharf beobachtete und diese in seinem legendären Newsletter Lac. Hier lassen sich immer wieder junge Bands entdecken – hin und wie- noch schärfer kritisierte. Einige dieser Tendenzen, etwa die zunehmende der auch lokale Institutionen wie heuer die Gebrüder Weyermann, die an Monopolisierung und die Konzentration der Geldfl üsse auf ein paar global diesem Ort vor Jahresfrist mit ihrem aktuellen Duo The Weyers ihre ei- tätige Unterhaltungsfi rmen, beleuchtet Seliger nun im Buch «Das Geschäft gentliche Feuertaufe erlebten. Also ist nun die Zeit gekommen, Bilanz zu mit der Musik» (Edition Tiamat), das gewohnt furios einen Überzeugungs- ziehen nach zwölf Monaten, in denen der frühere Crank-Bandleader und täter präsentiert, dem die Musik seiner Künstler am Herzen liegt. Glück- der ehemalige Trommler der Hillbilly Moon Explosion ihr Debüt-Album licherweise kommt uns Seliger trotz der Agentur-Aufl ösung nicht abhan- «Within» sowie zwei beeindruckende Videos vorgelegt und unlängst sogar den, gründete er doch ein neues Büro «für Musik, Texte und Strategien». das Cover dieser Zeitung geziert haben. Da ist ein Wiederbesuch bei der Eines auch, das jegliche Zusammenarbeit mit Managern ablehnt, denn die Rockwoche also eigentlich ein Pfl ichttermin. Zumal sich davor, danach Lebensqualität sei ihm zu wichtig. Bevor er im neuen Büro aber loslegen und daneben auch gleich noch diverse andere tolle Combos erleben lassen. wird, kommt Berthold Seliger nun mit seinem «Insiderbericht» auf Lese- So macht der Januar Laune. (amp) tour – und damit auf die Bühnen, auf denen viele seiner Künstler bereits aufspielen durften. (bs) Januar, diverse Abende, www.rotefabrik.ch 17.1., Kaserne, Basel; 19.1., El Lokal, Zürich; 21.1., Palace, St. Gallen; 22.1., Cardinal, Schaffhausen

Aufraffen mit Stephen Malkmus

Kurz nach der Veröffentlichung seines letzten Albums «Mirror Traffi c» Herumkommen mit Terry Lee Hale (2011) zog Stephen Malkmus von Portland, Oregon, nach Berlin, Deutsch- land. In der Hoffnung, dass es seiner Frau Jessica Jackson Hutchins, einer Gibt es einen versöhnlicheren Klang am Ende eines langen Arbeitstags als bildenden Künstlerin, dort einfacher falle, Geld zu verdienen. «In Berlin der einer diskret gespielten Mundharmonika? Vielleicht noch eine leise da- gibt es so viele Künstler, dass man ständig über einen von ihnen stolpert», herschlierende Pedal Steel oder ein paar sanft hingetupfte Piano-Akkorde. sagte Malkmus vor wenigen Wochen gegenüber «Pitchfork». Dennoch Doch all das bleibt reduktionistischer Soundtrack zum Tränenversenken oder gerade deswegen spielte der 47-Jährige seine neustes Werk, «Wigout im Bierglas, wenn da die vom Leben gegerbte Stimme des Songerzählers At Jagbags», nicht etwa in der deutschen Hauptstadt, sondern in der Nähe fehlt. Oder eben der Mann hinter der Stimme, in diesem Fall also Terry Lee von ein. Der Titel ist Chicago-Slang und steht etwa für: «we- Hale. Der Texaner weiss, wovon er singt, denn er ist im Verlauf seiner mitt- gen Idioten ausfl ippen». lerweile vier Dekaden umfassenden Karriere ganz schön herumgekommen. Die Lieder von Malkmus, bis Ende 1999 Frontmann der Indie-Rocker Er hat in fast allen wichtigen Musikmetropolen der Vereinigten Staaten ge- Pavement, rasten nicht aus, doch sie geniessen Momente der Aggression. lebt und gewirkt, residierte in der Frühphase des Grunge-Hypes in Seattle, Malkmus zitiert gerne und viel und rattert in lakonischer Manier durch so um später seine Zelte in Europa aufzuschlagen, wo auch seine guten Freun- ziemliche alle Genres. Von Folk über Rock bis hin zu Punk und Psychede- de von The Walkabouts ein Publikum fernab der Heimat gefunden hatten. lik. Man spürt: Hier ist kein Jungspund am Werk, sondern ein Musiker Und so zieht der 60-Jährige als weiser Troubadour durch die Lande und mittleren Alters, der sich heutzutage für seine Songs aus dem Alltag aufraf- singt sein Publikum mit leiser Wehmut in den Feierabend hinein. (amp) fen muss. Aber Spass an der Sache hat er offensichtlich immer noch. (mig)

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