Der Dezemvirat in Sage Und Geschichte

Total Page:16

File Type:pdf, Size:1020Kb

Der Dezemvirat in Sage Und Geschichte I. Der Dezemvirat in Sage und Geschichte. Von Professor Dr. W. Soltau in Zabern (Elsaß). Die Erzählungen von der schlimmen Lage und Ver- schuldung der Plebs, von der römischen Gesandtschaft nach Athen 452 v. Chr., von den guten Gesetzgebern 451, welche das römische Landrecht in X Tafeln zusammenstellten, und weiter von den tyrannischen Dezemvirn, welche, die plebeji- schen Freiheiten nicht achtend, die jungfräuliche Virginia für eine Sklavin eines Klienten des Dezemvirs Appius Clau- dius erklärten und deren Vater sie töten mußte, um sie nicht entehren zu lassen, endlich die zweite secessio plebis und der Sturz des Dezemvirats durch die braven Optimaten Valerius und Horatius. — Das sind Geschichten, das ist keine Geschichte. Alles dieses ist so sehr dem Unglauben moderner Forscher be- gegnet, daß die ganze Gesetzgebung der XII Tafeln von ihnen in eine viel spätere Zeit verlegt, der Dezemvirat als Gebilde der Sage aus der Geschichte verwiesen worden ist. Bekannt ist, daß die ζ. T. geschickten Versuche, dies zu erweisen — namentlich von E. Lambert (l'histoire tra- ditionelle des XII tables), von Ettore Pais (studi storici), J. E. Hoekstra (de decemviri en hun wetgewing) — nicht gelungen sind. Wenn namentlich schon durch Flavius oder bald nach ihm eine Rekonstruktion der älteren römischen Geschichte in der Pontifikalchronik erfolgt ist1), so ist es ausgeschlossen, Soltau, Die Anfänge der römischen Geschichtschreibung 99f. Zeitschrift für Kechtsgesohiohte XXXVIII. Rom. Abt. 1 Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 7/7/15 1:30 PM 2 W. Soltau, daß die Hauptepochen der Geschichte der voraufgehenden, zwei Jahrhunderte einfach erfunden sein sollten.1) Die Hauptgründe, welche die genannten Forscher gegen sie vorgebracht haben, sind jedenfalls bereits widerlegt. Wichtiger aber als diese Elemente der Überlieferung über den Dezemvirat ist das, was sich aus einer Geschichte der römischen Verfassung und aus den Berichten der Anti- quare über ihre Entwicklung ergibt.2) Wenn ζ. B. festgestellt werden kann, daß um die Zeit des Dezemvirats wichtige politische Reformen durchgeführt worden sind, so ist das von größerer Bedeutung als irgend- welche annalistische Schilderungen über eine Zeit, die doch nur einer viel späteren Epoche angehören. Aus jenen kann wenigstens mit größerer Bestimmtheit dargetan werden, was jene Gesetzgeber bezweckt haben. Eine streng geschichtliche Forschung hat abzusehen von den romanhaften Schilderungen der Verfassungskämpfe, welche die politischen Gesinnungen der Parteimänner des 1. Jahrhunderts v. Chr. wiederspiegeln sollten. Aber sie hat um so mehr Wert auf die antiquarische Uberlieferung zu legen, am meisten aber auf dasjenige, was außerdem über die Grundsätze des römischen Staatsrechts feststeht und aus ihm erschlossen werden darf.3) I. Der sicherste Ausgangspunkt ist die Feststellung der Veränderungen, welche die einzelnen Beamten durch den Dezemvirat oder sogleich nachher erfahren haben. Auch diese sind mit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen, soweit sie in näherem Zusammenhang mit den Reformen der Dezemvirn stehen. Bei der Unsicherheit der Überlieferung4) und bei der Historische VierteJjahrschrift 1914.. 321. 2) Vgl. Sol tau. Zur römischen Verfassungsgeschichte. Philologus 1916, 504. 3) Soltau, Zur röm. Verfassungsgeschichte. Philologus 1916, 535. 4) Mit Recht urteilt so auch Mo m ms en, Röm. Geschichte I 287 darüber: „Unmöglich kann . die große Krise, der die XII Tal'eln ent- sprangen, in solche romantische Abenteuerlichkeiten und politischen Un- begreiflichkeiten ausgelaufen sein.1' Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 7/7/15 1:30 PM Der Dezemvirat in Sage unci Geschichte. 3 tendenziösen Entstellung, welche dieselbe über den De- zemvirat erfahren hat, ist es nämlich nicht nur er- laubt, sondern geradezu notwendig, die Bedeutung der Tätigkeit jener Männer aus den Wirkungen, welche un- mittelbar nach ihrer Tätigkeit festgestellt werden können, zu erschließen. Es ist ζ. B. allgemein anerkannt, daß die Zwölf taf el- gesetzgebung noch nicht das conubium patrum et plebis gewährt hat, dieses vielmehr erst nach einigen Kämpfen durch das Canuleische Gesetz (444) legitimiert worden ist.1) Aber erstrebt ist es bereits in der Zeit der Dezemvirn. Viel- leicht sogar von ihnen selbst. Andrerseits ist klar, daß die um 443 eingesetzten Zen- soren zwar selbst nicht von den Dezemvirn vorgesehen wor- den sind, daß aber die Zensusordnung, die locatio vectiga- lium und die ultro tributa, kurz die ganze Ordnung des Budgets und die Festsetzungen über den Zensus bereits in eine kurz vorhergehende Zeit gehören, im wesentlichen das Werk des Dezemvirats sind.2) Allerdings ist nach dieser Richtung hin Vorsicht ge- boten. Es wäre gewiß verkehrt, alle möglichen Neuerungen, welche bald nach dem Dezemvirat eingeführt sind, auf Rech- nung der Dezemvirn zu setzen. Es ist z. B. gar nicht einmal wahrscheinlich, daß die Dezemvirn Anordnungen getroffen oder beabsichtigt hätten, welche die Plebiszite aufs neue einführen sollten und über die Möglichkeit, ihnen Gesetzes- kraft zu verleihen, Bestimmungen getroffen hätten, wie das valerisch-horatische Gesetz sie eingeführt hat.3) Desgleichen wäre es sehr unvorsichtig, die Idee einer Vermehrung der Oberbeamten, wie sie zuerst 443 erfolgt ist, a priori auf die Dezemvirn zurückzuführen. Es mag später, nachdem gesicherte Ergebnisse über die Vermehrung der Magistrate durch die Dezemvirn festgestellt sind, auch der Militärtribune gedacht und eine Erklärung für sie ge- 1) Aber geplant ist es sehr wahrscheinlich auch schon vor diesen. Trotz Cicero, de re publica 2, 37. 2) Vgl. Soltau, Über den Ursprung von Zensus und Zensur in Rom (Deutsche Philologenversammlung 1883 S. 146). 3) Vgl. Soltau, Die Gültigkeit der Plebiszite 3. 147. 1* Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 7/7/15 1:30 PM 4 W. Soltau, sucht, darf aber nicht von vornherein dieser Frage präjudi- ziert werden. Zwei Mittel gibt es, das Wesen und die Beschaffenheit der durch die Dezemvirn geschaffenen Neuordnungen zu er- fassen: zunächst der Wortlaut der XII Tafeln, sodann die Neuerungen, welche sicher nach den Dezemvirn in Rom bestanden. Über den ersten Punkt steht so viel fest : Die XII Tafeln haben in Rom seit ihrer Veröffentlichung allgemeine An- erkennung gefunden. Nie hat man, auch als manche ihrer Anordnungen veraltet waren, diese abrogiert, sondern unter formeller Beibehaltung sie faktisch durch Neuordnungen ersetzt. Aus allem hier Gesagten geht hervor, daß die XII Tafeln durchweg im Sinne der Gesamtheit gegeben waren und zwar so, daß fast alle berechtigten Wünsche der Plebejer berück- sichtigt worden waren. Neben dem Landrecht, das zwar nach den Vorstellungen unserer Zeit manche Härten ent- hielt, die aber in jener Zeit durchaus nicht beanstandet wurden, war dem Volke ein Prozeßrecht verliehen, das für alle Zeiten vorbildlich gebheben ist. An die Stelle eines Pro- zeßganges vor den Pontífices, welche nach sakralen Satzun- gen mit priesterlichen Vorurteilen Recht sprachen, trat ein Zivilprozeß, welcher durch Trennung in dem Verfahren in iure und dem in iudicio durch Geschworene weitgehende Garantien bot, daß das bürgerliche Recht ungebeugt jedem Bürger zuteil wurde. Nicht minder wichtig waren die politischen Rechte, welche teils durch die XII Tafeln, teils durch besondere gesetzliche Festsetzungen begründet wurden, die wir nur aus den seit 449 bestehenden staatlichen Ordnungen er- schließen können. Das Wichtigste ist das, was uns das bekannte Gesetz quae de capite civis Romani nisi comitiis centuriatis statui vetaret meldet. Cicero, de re publica 2, 36, 611). Hierin liegt nicht nur, daß der Kapitalprozeß den co- mitia centuriata reserviert sein sollte, sondern auch, daß bei !) Vgl. Livius 3, 55, 4. Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 7/7/15 1:30 PM Der Dezemvirat in Sage und Geschichte. 5 geringeren Delikten, soweit eine Provokation erhoben wurde, diese den comitia leviora überlassen bleiben sollte. Was waren das aber für comitia? Gewiß nicht die comitia curiata, die außer bei sakralen und gentilrechtlichen Fragen nicht mehr berufen wurden. Aber auch noch nicht die comitia tributa, die erst 366 eingeführt sind.1) Da der- artige Multprozesse, bevor die Prätur eingeführt ward, allein durch die Volkstribunen geleitet werden konnten, wenn Aediles oder Quästoren die Multa aufgelegt hatten, so hegt in diesem Gesetze auch so viel, daß — mindestens nach Absicht der Dezemvirn — die concilia plebis unter Leitung der Tribune fortbestehen und über Multprozesse entscheiden sollten. So war denn auch im Kriminalprozeß das Recht des Volkes auf Provokation voll gewahrt. Durch die Dezemvirn müssen aber, wie mein Aufsatz2) ,,Die lex centuriata de imperio" erwiesen hat, diese Komitien reformiert worden sein und in der demokratischen Form auf der Grundlage der Tribus (des Populus tributim censu aetate ordinibus descriptus) eine volksfreundliche Umgestal- tung erhalten haben. Zu dieser Neuordnung der Volksversammlungen und ihres Verhältnisses zueinander, welche das Volk gleichfalls durchaus befriedigen mußte, kam .nun das weitgehende Ent- gegenkommen, das durch die Dezemvirn und seit ihnen den plebejischen Beamten erzeigt wurde.3) Schon aus dem oben über den comitiatus maximus Ge- sagten geht hervor, daß es den Dezemvirn zweifellos ganz fern gelegen hat, den Tribunat zu beseitigen. Sie haben den einzelnen
Recommended publications
  • Public Construction, Labor, and Society at Middle Republican Rome, 390-168 B.C
    University of Pennsylvania ScholarlyCommons Publicly Accessible Penn Dissertations 2012 Men at Work: Public Construction, Labor, and Society at Middle Republican Rome, 390-168 B.C. Seth G. Bernard University of Pennsylvania, [email protected] Follow this and additional works at: https://repository.upenn.edu/edissertations Part of the Ancient History, Greek and Roman through Late Antiquity Commons, and the History of Art, Architecture, and Archaeology Commons Recommended Citation Bernard, Seth G., "Men at Work: Public Construction, Labor, and Society at Middle Republican Rome, 390-168 B.C." (2012). Publicly Accessible Penn Dissertations. 492. https://repository.upenn.edu/edissertations/492 This paper is posted at ScholarlyCommons. https://repository.upenn.edu/edissertations/492 For more information, please contact [email protected]. Men at Work: Public Construction, Labor, and Society at Middle Republican Rome, 390-168 B.C. Abstract MEN AT WORK: PUBLIC CONSTRUCTION, LABOR, AND SOCIETY AT MID-REPUBLICAN ROME, 390-168 B.C. Seth G. Bernard C. Brian Rose, Supervisor of Dissertation This dissertation investigates how Rome organized and paid for the considerable amount of labor that went into the physical transformation of the Middle Republican city. In particular, it considers the role played by the cost of public construction in the socioeconomic history of the period, here defined as 390 to 168 B.C. During the Middle Republic period, Rome expanded its dominion first over Italy and then over the Mediterranean. As it developed into the political and economic capital of its world, the city itself went through transformative change, recognizable in a great deal of new public infrastructure.
    [Show full text]
  • Due April 15
    UCLA UCLA Electronic Theses and Dissertations Title The Representation of Poverty in the Roman Empire Permalink https://escholarship.org/uc/item/3sp0w5c4 Author Larsen, Mik Robert Publication Date 2015 Peer reviewed|Thesis/dissertation eScholarship.org Powered by the California Digital Library University of California UNIVERSITY OF CALIFORNIA Los Angeles The Representation of Poverty in the Roman Empire A dissertation submitted in partial satisfaction of the requirements for the degree Doctor of Philosophy in History by Mik R Larsen 2015 © Copyright by Mik R Larsen 2015 ABSTRACT OF THE DISSERTATION The Representation of Poverty in the Roman Empire by Mik R Larsen Doctor of Philosophy in History University of California, Los Angeles, 2015 Professor Ronald J. Mellor, Chair This dissertation investigates the cultural imagination of Roman elites regarding poverty in their society – how it was defined, how traditional and accepted images of poverty were deployed for rhetorical effect, and in what way elite attitudes toward poverty evolved over the course of the first century and a half under the Empire. It contends that the Roman conception of poverty was as a disordered discourse involving multiple competing definitions which frequently overlapped in practice. It argues that the inherent contradictions in Roman thought about poverty were rarely addressed or acknowledged by authors during this period. The Introduction summarizes scholarly approaches toward Roman perceptions of poverty and offers a set of definitions which describe the variant images of poverty in elite texts. The first chapter addresses poverty’s role in the histories of Livy, and the ways in which his presentation of poverty diverge from his assertion that the loss of paupertas was key to the decline of the Roman state.
    [Show full text]
  • Tribuni Plebis and the End of the Roman Republic
    Promotor Prof. Dr. Andries Johan Zuiderhoek Vakgroep Geschiedenis Decaan Prof. dr. Marc Boone Rector Prof. dr. Anne De Paepe Faculteit Letteren & Wijsbegeerte Loonis Logghe The tribuni plebis and the end of the Roman Republic Proefschrift voorgelegd tot het behalen van de graad van Doctor in Geschiedenis 2016 List of Abbreviations C Clark, Albert Curtis, ed. Q. Asconii Pediani orationum Ciceronis quinque enarratio. Oxford: Oxford University Press, 1907. CIL Corpus Inscriptionum Latinarum, 17 vols. Berlin: de Gruyter, 1853-. F Flemisch, Michael, ed. Grani Liciniani quae supersunt. Leipzig: Teubner, 1904. FGrH Jacoby, Felix, ed. Die Fragmente der griechischen Historiker, 19 vols. Berlin: Weidmann, 1923-26; Leiden: Brill, 1940-99. ILS Dessau, Hermann, ed. Inscriptiones Latinae Selecae, 3 vols. Berlin: Weidmann, 1892-1916. Inscr. It. Degrassi, Attilio, ed. Inscriptiones Italiae, 13 vols. Rome: Libreria dello Stato, 1937-86. MRR Broughton, T. Robert S. The Magistrates of the Roman Republic, 3 vols. New York: American Philological Association, 1951- 86. RE Wissowa, Georg et alii, eds. Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 34 vols., 15 suppls. Stuttgart: J.B. Metzler, 1894-1980. RRC Crawford, Michael H. Roman Republican Coinage, 2 vols. Cambridge: Cambridge University Press, 1974. Stangl Stangl, Thomas, ed. Ciceronis Orationum Scholiastae. Leipzig: Freitag, 1912. v List of Figures Figure 1 Simplified schematic representation of contention ...................................... 38 vii Table of Contents Introduction 1 The tribuni
    [Show full text]
  • LATIJNSE EPIGRAFISCHE POËZIE UIT DE REPUBLIEK Repertorium, Vertaling En Studie
    Vrije Universiteit Brussel Faculteit Letteren En Wijsbegeerte Taal- en Letterkunde: Latijn – Grieks LATIJNSE EPIGRAFISCHE POËZIE UIT DE REPUBLIEK Repertorium, vertaling en studie door Wouter Keuleers Promotor: Prof. Dr. Dorothy Pikhaus Eindverhandeling ingediend tot het behalen van de graad van licentiaat in de taal- en letterkunde: Latijn – Grieks Academiejaar 2002-2003 VOORWOORD De klassieke filologie is een studie die voor een groot deel nog steeds gericht is op een romantisch en een heroïsch ideaal. We lezen Homeros, Aeschylus, Aristophanes, Sophocles, Herodotos, Plato en Aristoteles. We lezen Cicero, Caesar, Vergilius, Ovidius, Livius en Ta- citus. We staan in bewondering voor de schitterende prestaties in de filosofie en de weten- schappen van de antieke mens, en hun kunstwerken roepen bij ons het beeld op van een groots verleden. Maar wat leert ons dat over de leefwereld van de kleine man? Mijn interesse voor de Carmina Latina Epigraphica, die uiteindelijk geresulteerd heeft in deze thesis, is ontstaan uit nieuwsgierigheid naar de kleine literatuur en naar de poëzie van de gewone mens uit de Oud- heid. Tevens zou ik hierbij graag mijn dank uitdrukken aan mijn promotor Professor Dorothy Pikhaus, aan wie ik veel verschuldigd ben. Ze heeft me met raad en daad geholpen bij de uitwerking van deze thesis. Haar ervaring, haar adviezen en haar eigen belangstelling voor het onderwerp waren voor mij een grote steun. Haar hulp bij de correcties, haar praktische tips en de tijd die ze er zelf aan besteedde, hebben dit werk in de goede banen geleid. Bovendien mocht ik ook probleemloos gebruik maken van haar eigen literatuur en bibliografie.
    [Show full text]
  • 03-AK2 A130-16 Pieper Layout 1
    RhM 159 (2016) 156–190 MENENIUS AGRIPPA ALS EXEMPLUM FÜR DIE FRÜHE RÖMISCHE BEREDSAMKEIT Eine historische Spurensuche* 1. Menenius Agrippa orator? Menenius Agrippa, der durch seine berühmte Fabel vom Staat als menschlichem Körper das römische Volk mit der Aristokratie versöhnt haben und dadurch das Auseinanderbrechen der frisch entstandenen römischen Republik verhindert haben soll, wurde im 20. Jahrhundert vor allem als demagogischer Redner rezipiert. Er konnte geradezu als Symbol für die politische Dichotomie zwi- schen Kommunismus und Nationalsozialismus eingesetzt werden. So machte auf der einen Seite der marxistische Philosoph Ernst Bloch in einem Essay des Jahres 1936 Menenius Agrippa zu einem Demagogen und „Schwadroneur“. Als Erfinder der Soziallüge fungierte Menenius für Bloch als Sinnbild der Unterdrückung der Arbeiterklasse, wie in der prägnanten Formulierung „der älteste Sozial-Goebbels“ besonders deutlich wird.1 Auf der anderen Seite beschrieb der Publizistikwissenschaftler Emil Dovifat in einem Büchlein mit dem Titel Rede und Redner von 1937 Menenius Agrippa als einen „wahrhaft volkstümliche[n] Redner“, was in Do- vifats Argumentation ein uneingeschränktes Kompliment darstellt: Die Kategorie der Volkstümlichkeit wird zur Grundlage guter Rhetorik stilisiert, die ihren glanzvollen historischen Zielpunkt in Mussolini und Hitler erreicht habe.2 *) Der Artikel geht auf einen Vortrag zurück, den ich beim niederländischen Latinistentag 2014 an der Universität Nijmegen gehalten habe. Dem dortigen Pu- blikum, v.a. Diederik Burgersdijk (Nijmegen) und Rodie Risselada (Amsterdam), danke ich für konstruktive Kritik. Auch der Leidener Arbeitsgruppe Rhetorik bin ich für manche Hinweise dankbar. Stephanos Matthaios (Thessaloniki) hat dan- kenswerterweise den Beitrag gründlich gelesen und viele hilfreiche Verbesserungs- vorschläge gemacht. Meine Forschung wurde ermöglicht durch ein VENI-Stipen- dium der Nederlands Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek.
    [Show full text]
  • 2012 Harvard Certamen Intermediate Division Round One
    2012 HARVARD CERTAMEN INTERMEDIATE DIVISION ROUND ONE 1) Welcome to the Harvard 2012 Invitational Certamen, level two, round one! We hope that you all have a good time in Cambridge. On that subject, please listen to the following passage, written by as if by a grumpy MIT student, and answer in English the questions that follow: Quādam in urbe sunt plūrimae ūniversitātēs. Est magnum flūmen quod per urbem fluit. Sunt iuxtā duae scholae praeclārae, altera artibus līberālibus, altera physicae praestāns. In autumnō, saepe pluit, igitur ibi habitāre discīpulīs nōn placet. Tamen cum ningat, discīpulī gaudeant. Question: Why don’t the students like to live in the city in the fall? IT RAINS OFTEN Bonus 1: Where within the city are thse two schools located? NEAR THE RIVER Bonus 2: According to this hypothetical MIT student, what is the difference between these two well-known schools? ONE EXCELS IN LIBERAL ARTS, THE OTHER IN PHYSICS 2) We all know that Rome is the city of sevel hills. On which did Romulus first found it? PALATINE Bonus 1: On which hill had Remus tried to found his city? AVENTINE Bonus 2: What English word for a place political power might reside is derived from the word “Palatine”? PALACE 3) Translate the following sentence into Latin using the adjective tūtus, -a, -um to mean “safe”: “Do you believe that our soldiers are safe?” CRĒDISNE NOSTRŌS MĪLITĒS TŪTŌS ESSE? Bonus 1: Now translate this sentence: “We never heard that the entire legion had been captured.” NUMQUAM AUDĪVIMUS TŌTAM LEGIŌNEM CAPTAM ESSE. Bonus 2: Translate this sentence using a deponent verb: “I think that the commander of the legion will escape soon.” ARBITROR DUCEM/IMPERATŌREM LEGIŌNIS MOX FUGITŪRUM ESSE.
    [Show full text]
  • Vorlesung Zur Römischen Rechtsgeschichte (29
    Vorlesung zur Römischen Rechtsgeschichte (29. Oktober 2007) Spekulationen über die frühe Geschichte Roms – Anfänge, Königtum und Entstehung der Republik Sérgio Fernandes Fortunato, Ref. jur. Überblick über die Vorlesungsstunde I. Quellenlage und Methoden II. Römische Frühgeschichte 1. Anfänge bis zur Stadtgründung 2. Etruskische Herrschaft und Königtum Verfassung der Königszeit, Königtum, Senat und Volksversammlung 3. Ende der Königsherrschaft und die frühe Republik Ständekämpfe, Verfassung der Republik, Ausdehnung des römischen Einflusses III. Betrachtung der frühen Rechtsquellen 1. Die Trichotomie: ius – fas – lex 2. Erster Überblick zur 12-Tafel-Gesetzgebung 2 Sérgio Fernandes Fortunato, Ref. jur. Quellenlage und Methoden – Aussagen in der Literatur – z „...ungünstige Quellenlage...“ Kaser (1967), S. 19. z „Die Anfänge Roms gehören zu den schlechtbelichteten Provinzen der Alten Geschichte.“ Wieacker, Bd. 1,1 (1988), S. 185. z „Die Anfänge dieser Tibersiedlung sind in sagenhaftes Dunkel gehüllt.“ Waldstein/Rainer (2005), S. 17. z „Der Historiker, der sich mit der Geschichte der frühen römischen Republik beschäftigt, muß sich stets im klaren sein, daß er ein sehr unsicheres Gebiet betritt. Die Quellen, soweit es sich nicht um archäologische handelt, stammen durchweg aus einer späteren Zeit und bieten überdies den historischen Stoff mit Legenden durchsetzt und von Erfindungen entstellt.“ RWerner, Der Beginn der römischen Republik (1963), Vorwort. 3 Sérgio Fernandes Fortunato, Ref. jur. Quellenlage und Methoden – Quellenüberblick – 1. Römische Geschichtsschreibung zur augustinischen Zeiten Titus Livius (59 v.Chr.-17 n.Chr.), Ab urbe condita libri CXLII. z Umfassende römische Geschichte von der Gründung Roms (753 v.Chr.) bis zum Tode des Drusus (9 v.Chr.). z Von ursprünglich 142 Büchern, heute nur Bücher 1-10 und 21-45 erhalten.
    [Show full text]
  • Mystical Rome V 2.0- July Release Morra Universal Cinematic Game System Contents Chapter Eight: Genre: Mystical Rome
    Mystical Rome V 2.0- July Release Morra Universal Cinematic Game System Contents Chapter Eight: Genre: Mystical Rome ................................................................ 4 Mystical Rome Credits .................................................................................... 5 Target Audience ............................................................................................ 5 Rating and Descriptors: R ............................................................................... 5 Mystical Rome Inspiration ............................................................................... 6 Mystical Rome Budget .................................................................................... 7 Mystical Rome Archetypes ............................................................................... 7 Artisan .................................................................................................... 7 Barbarian ................................................................................................. 9 Bureaucrat ..............................................................................................10 Clergy ....................................................................................................11 Criminal ..................................................................................................12 Druid ......................................................................................................13 Gladiator .................................................................................................14
    [Show full text]
  • Coming of Age in Ancient Greece: Images of Childhood from the Classical Past
    284 | EVE D’AMBRA Coming of Age in Ancient Greece: Images of Childhood from the Classical Past. Edited by Jenifer Neils and John H. Oakley (New Haven, Yale Univer- sity Press, 2003) 333 pp. $65.00 cloth $40.00 paper Coming of Age in Ancient Greece is the catalog accompanying the exhibi- tion of the same name (originating at the Hood Museum of Art, Dart- mouth College). As an exhibition catalog, however, it goes beyond the narrow conªnes of the genre usually focused only on the works of art, their provenance, and styles. Although most current art-historical and Downloaded from http://direct.mit.edu/jinh/article-pdf/35/2/284/1696650/0022195041741996.pdf by guest on 28 September 2021 archaeological research aims to contextualize its subjects or ªndings, the editors of this volume have also looked to the intellectual history of their venture, the sweeping twentieth-century project to recover the private lives of people in the past (the title consciously echoes Margaret Mead, Coming of Age in Samoa [New York, 1928]; Phillipe Ariès, L’enfant et la vie familale sous l’ancien régime [Paris, 1960], also receives due recognition). The subject of childhood, by necessity, entails discussion of the structures of social life, the family, religion, and the state. Yet scholars of classical antiquity have often lingered on the images of ideal youth—for example, the glorious horseman on the Parthenon frieze—while passing over the grim realities of abandoned newborns, who were fortunate if they were rescued from the dung heaps to be taken as slaves. The edi- tors’ contribution lies in the breadth and depth of their inquiry.
    [Show full text]
  • Downloaded from ORCA, Cardiff University's Institutional Repository
    This is an Open Access document downloaded from ORCA, Cardiff University's institutional repository: http://orca.cf.ac.uk/106471/ This is the author’s version of a work that was submitted to / accepted for publication. Citation for final published version: Bradley, Guy 2017. Mobility and secession in the Early Roman Republic. Antichthon 51 , pp. 149- 171. 10.1017/ann.2017.10 file Publishers page: https://doi.org/10.1017/ann.2017.10 <https://doi.org/10.1017/ann.2017.10> Please note: Changes made as a result of publishing processes such as copy-editing, formatting and page numbers may not be reflected in this version. For the definitive version of this publication, please refer to the published source. You are advised to consult the publisher’s version if you wish to cite this paper. This version is being made available in accordance with publisher policies. See http://orca.cf.ac.uk/policies.html for usage policies. Copyright and moral rights for publications made available in ORCA are retained by the copyright holders. 1 Mobility and Secession in the Early Roman Republic1 ABSTRACT One consequence of the globalisation of the modern world in recent years has been to focus historical interest on human migration and movement. Sociologists and historians have argued that mobility is much more characteristic of past historical eras than we might expect given our modern nationalistic perspectives. This paper aims to contribute to this subject by surveying some of the evidence for mobility in central Italy, and by examining its implications for early Rome. I will focus primarily on the plebeian movement, which is normally seen in terms of an internal political dispute.
    [Show full text]
  • Shock and Awe: Battles of the Gods in Rome
    L’ARMÉE ROMAINE ET LA RELIGION SOUS LE HAUT-EMPIRE ROMAIN Rassemblés et édités par Catherine Wolff avec la collaboration de Yann Le Bohec Actes du quatrième Congrès de Lyon (26-28 octobre 2006) Lyon, 2009 Diffusion Libraire De Boccard 11, rue Médicis Paris 2 N.B. This pdf of the original manuscript marks page breaks of the published version (pp.225- 267) in bold in double brackets. Efforts to reproduce the layout of the published version have not been successful. 3 Shock And Awe: Battles Of The Gods In Roman Imperial Warfare, Part I Everett L. Wheeler As Titus entered the Temple at Jerusalem in September 70 A.D., Josephus has the later emperor marvel: “With god’s help we waged war. And god was the one who took the Jews down from those fortifications, since what can the hands of men or siege-machines do against those towers?”1 Two centuries later, when bands of Juthungi and Marcomanni threatened Italy, the Historia Augusta records that Aurelian urged the Senate by letter to consult the Sibylline Books: “for it is not inglorious to win when the gods provide aid. Among our ancestors many wars were ended in this way and likewise begun.”2 Scholar in residence, Duke University, Durham, NC 27708-0103, USA and Adjunct Professor of Latin, Meredith College, Raleigh, NC 27607-5298. 1 Jos. BJ 6.411; cf. 6.399, 401; note also Liv. 26.48.3 on divine aid in Scipio Africanus Maior’s capture of Carthago Nova. The following short titles will be used: Ankersdorfer = H.
    [Show full text]
  • The Making of Plebeian Secessions in Roman Historiography A
    2018 ВЕСТНИК САНКТ-ПЕТЕРБУРГСКОГО УНИВЕРСИТЕТА Т. 63. Вып. 3 ИСТОРИЯ ВСЕОБЩАЯ ИСТОРИЯ The Making of Plebeian Secessions in Roman Historiography A. V. Koptev For citation: Koptev A. V. The Making of Plebeian Secessions in Roman Historiography.Vestnik of Saint Petersburg University. History, 2018, vol. 63, issue 3, pp. 823–844. https://doi.org/10.21638/11701/ spbu02.2018.310 The early two centuries of the Roman Republic were filled with conflicts between the patri- cians and the plebeians. From 494 BC onwards, the Roman plebs used several social crises to force the patrician Senate to satisfy their demands, withdrawing from Rome to a sacred mount. The secessio plebis has been considered in scholarship a revolutionary movement of the people. However, the dissonance between the objectives declared by the plebeians and the obtained results of the secessions suggests that the idea of secessio may have originated in the later republican historiography. The mons sacer to which the plebeians temporary resettled is identified with the Alban Mount rather than with an unknown mountain in the Sabine country. A prototype of the plebeian withdrawal from Rome was the annual celebration of the Feriae Latinae, during which newly elected consuls accompanied by soldiers and large masses of people visited the sanctuaries of Jupiter on the Alban Mount. The pontifical chronicles also recorded withdrawals of plebeians for the establishment of a new settlement or a tribe. The foundation of a tribe or a colony in Latium required a consultation with Jupiter Latiaris on the Alban Mount, but the same act outside Latium did not need an approval of the deity.
    [Show full text]