SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
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2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Feist Die stille Verführerin Autorin: Christiane Rebmann Redaktion: Bettina Stender Sendung: Freitag, 27.01.12 um 19.20 Uhr in SWR2 Wiederholung: Freitag, 30.07.15 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. 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Geburtstag ein Tonbandgerät geschenkt bekommen hatte, übte sie Singen und gründete mit 15 eine Mädchenband namens Placebo, die nach einem ersten Preis bei einem Band Wettbewerb im Vorprogramm der US Band Ramones auftreten durfte. 1999 zog Feist nach Toronto und nahm dort ihr erstes Soloalbum „Monarch“ auf, eine Sammlung von Indiepop Songs, die sie anfangs vor allem nach ihren Konzerten verkaufte. Zur selben Zeit trat sie auch in der Elektro Punk Show ihrer zu schräg erotischen Performances neigenden WG-Mitbewohnerin Peaches auf. Damals verwendete sie das Pseudonym Bitch Lap Lap, hinter dem sie auch heute noch manchmal versteckt. Ihr zweites Album „Let it Die“ entstand 2004 teilweise in Berlin. Feist war dorthin gezogen, weil ihr die Lebendigkeit der Stadt gefiel. Der Werbeindustrie gefiel die Musik auf diesem Album, weil sie das Indieflair ihrer musikalischen Herkunft mit Mainstreamappeal verband. Die Firma Lacoste verwendete in ihrer Werbung den Song „Mushaboom“. 2. Song: Mushaboom 0.50 Das dritte Album „The Reminder“ spielte Feist in ihrer Interims-Wahlheimat Paris ein. Es ließ ihr die Glaubwürdigkeit der Alternative Musikszene, obwohl Songs wie „My moon my man“ durchaus leichtgängiges Popfeeling vermittelten. Ihre Erklärung zur Entstehungsgeschichte des Songs weist nicht gerade darauf hin, dass sie es beim Schreiben auf kommerziellen Erfolg abgesehen hatte. O-Ton Ich habe den Song geschrieben, als ich herumlief, im Laufen. Wenn dich ein bestimmtes Thema grad sehr beschäftigt, erinnert dich alles an dieses Thema. Der Mond. Das Geräusch einer schmutzigen Serviette. „My Moon My Man“. Das ist eher wie ein Rätsel, in dem ich sage: Du findest die Bedeutung dort, wo du nach ihr suchst. Es heißt ja: Ein Mann erscheint dir so, wie du ihn siehst. Anais Nin hat was Ähnliches gesagt: „Du siehst die Dinge so, wie du bist. Nicht so, wie sie sind.“ 3. Song: My Moon, my man 0.45 Der Apple Erfinder Steve Jobs wählte das Lied „1,2,3,4“ als Soundtrack für seine iPad Nano Spots. Obwohl die weltweit eingesetzte Werbung dafür sorgte, dass Feist international bekannt wurde, sieht die Musikerin ihre damalige Entscheidung heute eher kritisch. O-Ton Ich könnte heute damit nicht mehr so naiv umgehen wie damals, als ich „ja“ zum Apple-Werbespot sagte. Ich konnte damals nicht wissen, was passieren würde. Und selbst wenn mir eine Wahrsagerin alles vorausgesagt hätte, hätte ich es immer noch erleben müssen, um wirklich zu verstehen, was passiert ist. Jetzt werde ich nie wieder nicht wissen, was das bedeutet. Schon John Steinbeck hat ja darauf hingewiesen, dass man Gedanken, die man einmal gedacht hat, nicht ungedacht machen kann. 4. Song: 1, 2, 3, 4 0.25 Ihr Faible für den US Autor John Steinbeck sorgte unter anderem dafür, dass Feist ihr viertes Album „Metals“ nicht in einer Stadt aufnahm, sondern in einem Bauernhaus hoch über dem Meer, in Big Sur an der kalifornischen Pazifik Küste. Das ist die Landschaft, die Steinbeck gern in seinen Romanen beschreibt. Als ich ihr erzähle, dass ich die Gegend einmal mit einem Wohnwagen bereist habe, gerät sie ins Schwärmen. O-Ton ohne Synch Das ist die ideale Art, sich mit der Landschaft dort zu verbinden, findet die zierliche Musikerin mit den schulterlangen haselnussbraunen Haaren. O-Ton Wir wohnten in einem Haus, das oben auf die Steilküste geklebt war. Sie erinnern sich sicher: Dort ist es so hoch, dass man nicht mal das Meer hört. Man erlebt das Meer nicht so, wie man es normalerweise erlebt. Man muss von dort oben genau hingucken, um zu sehen, wie sich die Wellen bewegen. Ein bisschen wie aus der Vogelperspektive. Das Haus, in dem Feist und ihre Band „Metals“ aufnahmen, gehört einer Malerin, und die Einrichtung musste für die Aufnahmen ein wenig modifiziert werden. O-Ton Wir haben die Songs im oberen Stockwerk aufgenommen. Dort gab es einen riesigen Raum, in dem normalerweise die Besitzerin des Hauses malt. Sie hatte das Atelier leer geräumt, bis auf ein Bücherbord und einen Tisch mit Farben in einer Ecke. Die Besitzerin ist auch Milchbäuerin. Sie hat Ziegen. Sie hat quasi direkt neben unserem Abhör-Equipment Käse hergestellt. Er wurde in riesigen Kesseln auf dem Herd gekocht, während wir zwei Meter daneben auf dem Sofa saßen und uns die Musik anhörten, die wir fünf Minuten vorher aufgenommen hatten. Zwischendurch entspannten sich die Künstler, indem sie die Annehmlichkeiten des Bauernhofs nutzten. Ein Video über die Entstehungsgeschichte des Albums zeigt, wie Feist ausgelassen neben einer Gruppe von jungen Ziegen her läuft. O-Ton Es ist sehr verführerisch, mit Ziegenbabies herumzutoben, die einen Tag vorher geboren wurden. Das sind so samtige kleine Wesen. Sie können sich nicht vorstellen, wie intelligent und niedlich die sind. Wir haben uns alle in die Ziegen verliebt. Selbst die Jungs, die normalerweise gern Ziegenbraten essen. Die kamen ins Schleudern und sagten: „Ich glaub, das war‘s für mich mit Ziegenfleisch.“ Sie sahen ja, was für emotionale Wesen das sind. In den zwei Wochen dort erlebten wir, wie die Ziegenbabies größer wurden und eine Beziehung zu ihren Brüdern und Schwestern aufbauten. Dieser Moment, der in dem Video festgehalten ist, das war ein herrlicher Nachmittag. Auf der sonnigen Weide mit den Ziegen, das war so schön. 5. Song: Caught a long wind 2.25 O-Ton Bevor wir ins Studio gingen, setzten wir uns auf die Klippen, tranken Kaffee und guckten da raus und saugten den Blick in uns auf. Der Horizont scheint bis in die Ewigkeit zu gehen. Und das alles schlägt sich natürlich dann auch in dem nieder, was du tust. Der Pazifik ist so rau, er hat so viele unbekannte Tiefen. Er ist wie eine geheimnisvolle, flüssige Gewalt. Ich meine, wenn man wie ich Symbole und Metaphern liebt, dann gibt es keinen besseren Ort als am Rand eines Kontinents, am größten Ozean dieses Planeten, am Pazifik. Ich war mir dieser riesigen Proportionen bewusst. Und dieses winzige Haus dort oben auf der Klippe schien genau der richtige Ort zu sein. Das ist ganz anders, als wenn man ganz nah am Meer ist Ich habe mich bewusst für einen Ort am Pazifik entschieden, weil ich den Atlantik schon sehr gut kenne, erklärt Feist. Ich kenne seine Ausmaße und seine Persönlichkeit. Nicht nur die kanadische Küste habe sie und ihre Musik geprägt, sagt sie. O-Ton Ich bin an der Ostküste zur Welt gekommen. In Nova Scotia. Aber ich verbrachte dort nur sechs Monate. Dann zog meine Mutter mit meinem Bruder und mir Richtung Westen. Als Kind zog ich dauernd um. Wir wohnten dauernd in einer anderen Stadt. Wahrscheinlich kann ich mich deshalb heute dort zuhause fühlen, wo ich jeweils bin. Ich musste ja als Kind dauernd neue Freunde finden. Dieses Gefühl, immer in Bewegung zu sein, das ist kein großes Problem für mich. Diese Beweglichkeit, die Flexibilität in Bezug auf den Wohnort sei eine typisch kanadische Eigenschaft, sagt sie. Sie liegt schon allein in den geografischen Gegebenheiten des Landes begründet. O-Ton In Kanada liegt immer eine riesige Strecke zwischen den einzelnen Städten. Das zeigt den Städten dann auch, wo ihr Platz im Land ist. Da ist klar, dass sie nicht der Mittelpunkt des Universums sind. Du befindest dich zwar als Bewohner so einer Stadt in einer Art Zentrum. Aber um dich herum ist dieser ganze leere Raum. Ich ja schon am Anfang meiner Karriere viel durch Kanada getourt, wir haben für die Fahrt von einer Stadt in die andere immer mindestens neun Stunden gebraucht. Andererseits hat man das Gefühl, dass man eine Menge Luft zum Atmen hat. Das Land verändert sich andauernd, mit jeder Provinz, durch die man kommt. Ich meine, die Prairies sind die Prairies. Aber wenn man dann mal nach Winnipeg in Manitoba kommt und dann die vielen Seen erreicht, dann wird es richtig schön. Auf einer meiner Tourneen in der Gegend, das muss so 1999 gewesen sein, habe ich auch in Thunder Bay gespielt. Der einzige Grund, warum man in Thunder Bay auftritt, ist, dass dieser Ort quasi auf dem Weg von Toronto in die nächste Stadt liegt. Aber man muss dann immer noch um den Lake Michigan herum. Acht Stunden Umweg nach Norden, dann vier Stunden nach Westen und dann wieder sieben Stunden nach Süden. Da ist man dann fast 24 Stunden unterwegs. Ich schrieb damals auf die Wand meiner Garderobe: „Mein Name ist Feist, und ich werde nie wieder hierher kommen.