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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Feist Die stille Verführerin Autorin: Christiane Rebmann Redaktion: Bettina Stender

Sendung: Freitag, 27.01.12 um 19.20 Uhr in SWR2

Wiederholung: Freitag, 30.07.15 um 19.20 Uhr in SWR2

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Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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MANUSKRIPT

Am Mikrofon ist Christiane Rebmann mit einem Portrait der kanadischen Musikerin Feist.

Selten hat eine Musikerin die Feuilletons zu so einhellig positiven Aussagen hingerissen, wie es der Kanadierin Leslie Feist 2011 mit ihrem neuen Album „Metals“ gelang. Die Kritiker lobten den ätherischen Schmelz ihrer Stimme, die eigenwilligen Kompositionen, die zwischen Newfolk, Alternative Rock und Pop changieren und die poetischen Texte.

1. Song: The circle married the line 2.20

Leslie Feist kam 1975 in Amherst im ostkanadischen Nova Scotia zur Welt und wuchs in der Provinz Alberta auf. Nachdem sie zu ihrem 13. Geburtstag ein Tonbandgerät geschenkt bekommen hatte, übte sie Singen und gründete mit 15 eine Mädchenband namens Placebo, die nach einem ersten Preis bei einem Band Wettbewerb im Vorprogramm der US Band Ramones auftreten durfte. 1999 zog Feist nach Toronto und nahm dort ihr erstes Soloalbum „Monarch“ auf, eine Sammlung von Indiepop Songs, die sie anfangs vor allem nach ihren Konzerten verkaufte. Zur selben Zeit trat sie auch in der Elektro Punk Show ihrer zu schräg erotischen Performances neigenden WG-Mitbewohnerin Peaches auf. Damals verwendete sie das Pseudonym Bitch Lap Lap, hinter dem sie auch heute noch manchmal versteckt. Ihr zweites Album „Let it Die“ entstand 2004 teilweise in Berlin. Feist war dorthin gezogen, weil ihr die Lebendigkeit der Stadt gefiel. Der Werbeindustrie gefiel die Musik auf diesem Album, weil sie das Indieflair ihrer musikalischen Herkunft mit Mainstreamappeal verband. Die Firma Lacoste verwendete in ihrer Werbung den Song „Mushaboom“.

2. Song: Mushaboom 0.50

Das dritte Album „“ spielte Feist in ihrer Interims-Wahlheimat Paris ein. Es ließ ihr die Glaubwürdigkeit der Alternative Musikszene, obwohl Songs wie „My moon my man“ durchaus leichtgängiges Popfeeling vermittelten. Ihre Erklärung zur Entstehungsgeschichte des Songs weist nicht gerade darauf hin, dass sie es beim Schreiben auf kommerziellen Erfolg abgesehen hatte.

O-Ton Ich habe den Song geschrieben, als ich herumlief, im Laufen. Wenn dich ein bestimmtes Thema grad sehr beschäftigt, erinnert dich alles an dieses Thema. Der Mond. Das Geräusch einer schmutzigen Serviette. „My Moon My Man“. Das ist eher wie ein Rätsel, in dem ich sage: Du findest die Bedeutung dort, wo du nach ihr suchst. Es heißt ja: Ein Mann erscheint dir so, wie du ihn siehst. Anais Nin hat was Ähnliches gesagt: „Du siehst die Dinge so, wie du bist. Nicht so, wie sie sind.“

3. Song: My Moon, my man 0.45

Der Apple Erfinder Steve Jobs wählte das Lied „1,2,3,4“ als Soundtrack für seine iPad Nano Spots. Obwohl die weltweit eingesetzte Werbung dafür sorgte, dass Feist international bekannt wurde, sieht die Musikerin ihre damalige Entscheidung heute eher kritisch.

O-Ton Ich könnte heute damit nicht mehr so naiv umgehen wie damals, als ich „ja“ zum Apple-Werbespot sagte. Ich konnte damals nicht wissen, was passieren würde. Und selbst wenn mir eine Wahrsagerin alles vorausgesagt hätte, hätte ich es immer noch erleben müssen, um wirklich zu verstehen, was passiert ist. Jetzt werde ich nie wieder nicht wissen, was das bedeutet. Schon John Steinbeck hat ja darauf hingewiesen, dass man Gedanken, die man einmal gedacht hat, nicht ungedacht machen kann.

4. Song: 1, 2, 3, 4 0.25

Ihr Faible für den US Autor John Steinbeck sorgte unter anderem dafür, dass Feist ihr viertes Album „Metals“ nicht in einer Stadt aufnahm, sondern in einem Bauernhaus hoch über dem Meer, in Big Sur an der kalifornischen Pazifik Küste. Das ist die Landschaft, die Steinbeck gern in seinen Romanen beschreibt. Als ich ihr erzähle, dass ich die Gegend einmal mit einem Wohnwagen bereist habe, gerät sie ins Schwärmen.

O-Ton ohne Synch

Das ist die ideale Art, sich mit der Landschaft dort zu verbinden, findet die zierliche Musikerin mit den schulterlangen haselnussbraunen Haaren.

O-Ton Wir wohnten in einem Haus, das oben auf die Steilküste geklebt war. Sie erinnern sich sicher: Dort ist es so hoch, dass man nicht mal das Meer hört. Man erlebt das Meer nicht so, wie man es normalerweise erlebt. Man muss von dort oben genau hingucken, um zu sehen, wie sich die Wellen bewegen. Ein bisschen wie aus der Vogelperspektive.

Das Haus, in dem Feist und ihre Band „Metals“ aufnahmen, gehört einer Malerin, und die Einrichtung musste für die Aufnahmen ein wenig modifiziert werden.

O-Ton Wir haben die Songs im oberen Stockwerk aufgenommen. Dort gab es einen riesigen Raum, in dem normalerweise die Besitzerin des Hauses malt. Sie hatte das Atelier leer geräumt, bis auf ein Bücherbord und einen Tisch mit Farben in einer Ecke. Die Besitzerin ist auch Milchbäuerin. Sie hat Ziegen. Sie hat quasi direkt neben unserem Abhör-Equipment Käse hergestellt. Er wurde in riesigen Kesseln auf dem Herd gekocht, während wir zwei Meter daneben auf dem Sofa saßen und uns die Musik anhörten, die wir fünf Minuten vorher aufgenommen hatten.

Zwischendurch entspannten sich die Künstler, indem sie die Annehmlichkeiten des Bauernhofs nutzten. Ein Video über die Entstehungsgeschichte des Albums zeigt, wie Feist ausgelassen neben einer Gruppe von jungen Ziegen her läuft.

O-Ton Es ist sehr verführerisch, mit Ziegenbabies herumzutoben, die einen Tag vorher geboren wurden. Das sind so samtige kleine Wesen. Sie können sich nicht vorstellen, wie intelligent und niedlich die sind. Wir haben uns alle in die Ziegen verliebt. Selbst die Jungs, die normalerweise gern Ziegenbraten essen. Die kamen ins Schleudern und sagten: „Ich glaub, das war‘s für mich mit Ziegenfleisch.“ Sie sahen ja, was für emotionale Wesen das sind. In den zwei Wochen dort erlebten wir, wie die Ziegenbabies größer wurden und eine Beziehung zu ihren Brüdern und Schwestern aufbauten. Dieser Moment, der in dem Video festgehalten ist, das war ein herrlicher Nachmittag. Auf der sonnigen Weide mit den Ziegen, das war so schön.

5. Song: Caught a long wind 2.25

O-Ton Bevor wir ins Studio gingen, setzten wir uns auf die Klippen, tranken Kaffee und guckten da raus und saugten den Blick in uns auf. Der Horizont scheint bis in die Ewigkeit zu gehen. Und das alles schlägt sich natürlich dann auch in dem nieder, was du tust. Der Pazifik ist so rau, er hat so viele unbekannte Tiefen. Er ist wie eine geheimnisvolle, flüssige Gewalt. Ich meine, wenn man wie ich Symbole und Metaphern liebt, dann gibt es keinen besseren Ort als am Rand eines Kontinents, am größten Ozean dieses Planeten, am Pazifik. Ich war mir dieser riesigen Proportionen bewusst. Und dieses winzige Haus dort oben auf der Klippe schien genau der richtige Ort zu sein. Das ist ganz anders, als wenn man ganz nah am Meer ist

Ich habe mich bewusst für einen Ort am Pazifik entschieden, weil ich den Atlantik schon sehr gut kenne, erklärt Feist. Ich kenne seine Ausmaße und seine Persönlichkeit. Nicht nur die kanadische Küste habe sie und ihre Musik geprägt, sagt sie.

O-Ton Ich bin an der Ostküste zur Welt gekommen. In Nova Scotia. Aber ich verbrachte dort nur sechs Monate. Dann zog meine Mutter mit meinem Bruder und mir Richtung Westen. Als Kind zog ich dauernd um. Wir wohnten dauernd in einer anderen Stadt. Wahrscheinlich kann ich mich deshalb heute dort zuhause fühlen, wo ich jeweils bin. Ich musste ja als Kind dauernd neue Freunde finden. Dieses Gefühl, immer in Bewegung zu sein, das ist kein großes Problem für mich.

Diese Beweglichkeit, die Flexibilität in Bezug auf den Wohnort sei eine typisch kanadische Eigenschaft, sagt sie. Sie liegt schon allein in den geografischen Gegebenheiten des Landes begründet.

O-Ton In Kanada liegt immer eine riesige Strecke zwischen den einzelnen Städten. Das zeigt den Städten dann auch, wo ihr Platz im Land ist. Da ist klar, dass sie nicht der Mittelpunkt des Universums sind. Du befindest dich zwar als Bewohner so einer Stadt in einer Art Zentrum. Aber um dich herum ist dieser ganze leere Raum. Ich ja schon am Anfang meiner Karriere viel durch Kanada getourt, wir haben für die Fahrt von einer Stadt in die andere immer mindestens neun Stunden gebraucht. Andererseits hat man das Gefühl, dass man eine Menge Luft zum Atmen hat. Das Land verändert sich andauernd, mit jeder Provinz, durch die man kommt. Ich meine, die Prairies sind die Prairies. Aber wenn man dann mal nach Winnipeg in Manitoba kommt und dann die vielen Seen erreicht, dann wird es richtig schön. Auf einer meiner Tourneen in der Gegend, das muss so 1999 gewesen sein, habe ich auch in Thunder Bay gespielt. Der einzige Grund, warum man in Thunder Bay auftritt, ist, dass dieser Ort quasi auf dem Weg von Toronto in die nächste Stadt liegt. Aber man muss dann immer noch um den Lake Michigan herum. Acht Stunden Umweg nach Norden, dann vier Stunden nach Westen und dann wieder sieben Stunden nach Süden. Da ist man dann fast 24 Stunden unterwegs. Ich schrieb damals auf die Wand meiner Garderobe: „Mein Name ist Feist, und ich werde nie wieder hierher kommen. Weil es so nervig war.“

6. Song: Cicadas and gulls 1.05

„Cicadas and Gulls“, Zikaden und Lachmöwen – Feist verwendet gern Bilder aus der Natur, um den Zustand einer Beziehung zu beschreiben. In ihrer Musik achtet Feist darauf, dass sie nicht überfrachtet klingt, sondern luftig. Dass sie quasi atmet.

O-Ton Wir nannten diese Eigenschaft Luftdruck, Winddruck, diese Art von erweitertem Raum schafft Platz zwischen den Dingen und sorgt dadurch dafür, dass sie schwingen können, wie ein Windspiel, das in die eine oder andere Richtung bewegt wird.

Bei der Arbeit an „Metals“ befreite sich Feist von dem Druck, den Erfolg ihres dritten Albums „The Reminder“ wiederholen zu müssen. Kommerziellen Zwängen wollte sie nicht nachgeben. Sie vertraute lieber auf die Führung des derzeit sehr angesagten, aber eigenwilligen isländischen Produzenten Valgeir Sigurðsson, der bekannt dafür ist, dass er weibliche Stimmen sehr gut in Szene setzt. Ansonsten verließ sie sich wieder auf ihr langjähriges Team: den Schlagzeuger Dean Stone und den Keyboarder Brian LeBarton, dazu das Allroundtalent Mocky. Und auf Jason Charles Beck alias , den wichtigsten Wegbegleiter in ihrer Karriere. Der Kanadier hat sich als skurriler musikalischer Grenzgänger einen Namen gemacht. Er vermischt unbekümmert Elemente aus Jazz, Klassik, Electro und Rap miteinander und stellte 2009 einen Weltrekord auf, mit einem 27stündigen Dauerkonzert.

7. Song: Chilly Gonzales - Shut up and play the piano 1.20

Während der Arbeit verwendet Feist ungern die Fachterminologie, in der sich Musiker normalerweise unterhalten. Während der Aufnahmen zu „Metals“ habe sie mit ihren Kollegen eine ganz eigene Sprache entwickelt, erzählt sie:

O-Ton Wir sagten etwa: „Die Drums sollten klingen wie eine Handelskarawane, die durch die Wüste zieht. Man sieht sie zuerst am Horizont, und dann kommt sie langsam auf uns zu. Sie kommt immer näher an unser Ohr. Und die Keyboards sollten klingen wie so eine komische Blade Runner Rakete, die den Song hochhebt. Und daraus entwickelt sich dann dieser himmlische Sound. Da schiebt das Altertümliche das Moderne nach oben". Das Ende von „Commotion“ klingt, als würden Androiden einmarschieren. Wir haben uns in Bildern, in Symbolen ausgedrückt. Ich finde es uninteressant, über Akkorde zu sprechen. Das mussten wir natürlich ab und zu auch tun, wenn wir entschieden, ob ein Song quasi mit einem Bogen endet oder nicht. Aber ansonsten unterhielten wir uns lieber über das, was die weisen Männer da in dem Song in ihren Taschen trugen, während sie auf uns zu marschierten.

8. Song: A Commotion 3.05

Schon in unserem Interview 2007 erzählte mir Feist, dass sie in ihren Texten zwar gern Bilder verwendet, aber ansonsten lieber vage bleibt.

O-Ton Ich ziehe es vor, alles in einer Analogie oder einer Metapher zu verstecken. Auch für mich selbst. Ich habe nämlich festgestellt: Wenn ich zu wörtlich meine Erfahrungen aufschreibe oder beim Komponieren zu direkt in den Spiegel gucke, dann muss ich blinzeln. Und dann kann ich mir nicht mehr selbst direkt in die Augen sehen. Wenn ich dagegen ein bisschen vage bleibe, während ich meine Geschichte erzähle und alles eher in Silhouetten darstelle oder wie hinter einem leichten Nebel, als würde ich durch einen Weichzeichner gucken, dann können sich meine Texte auch Jahre später noch an mein jeweiliges Leben anpassen. Es fühlt sich dann so an, als hätte ich mir eine Fährte ausgelegt, um den Weg zurück in mein Gedächtnis zu finden. Auf eine Art, die mir später gut tut.

Hat sich an dieser Vorgehensweise im Laufe der letzten fünf Jahre etwas verändert?

O-Ton Das ist gleich geblieben. Es ist eher noch ausgeprägter geworden. Ich suche immer nach unterschiedlichen Arten, wie ich etwas entstehen lassen kann. Ich finde es faszinierend, den jeweiligen Gegensatz zu dem zu finden, was ich gerade geschrieben habe, etwas das dem widerspricht. Ich lege jetzt mehr Wert auf die Perspektive, aus der ich eine Geschichte erzähle. Deshalb ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass ein Song auch nach 40 Jahren noch in meinen Ohren Bestand hat. Dass er überleben kann, weil er das Potenzial hat, dass der Hörer ihn nach Belieben nach seinen Vorstellungen verändert und ihn so interpretiert, wie es ihm entspricht. Das ist wie mit Schulbüchern, die man nach zehn Jahren noch einmal liest. Man denkt: „Das ist ja ein ganz anderes Buch.“ Das ist es aber nicht. Es lässt einem nur Raum, es aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Manche meiner früheren Songs bieten diesen Raum nicht. Sie haben nicht das Potenzial, die nächsten Tourneen zu überdauern.

Ihr großes Vorbild als Komponistin ist die Grande Dame der kanadischen Singer Songwriterelite, Joni Mitchell. „Ich habe mir eine Zeitlang sehr oft Joni Mitchells Album ‚Blue„ angehört, erzählt sie. Aber selbst mit Millionen Jahren Erfahrung würde ich nie Songs zustande bringen, wie Joni sie für ‚Blue„ geschaffen hat“.

Doch sie lässt sich nicht nur von der Kollegin inspirieren. Eine wichtige Rolle hat auch immer die jüngere Musikszene in Toronto gespielt, in die sie seit vielen Jahren eingebunden ist. Feists Erfolg wurde auch durch die Vernetzung mit anderen, eng befreundeten Musikern aus der ostkanadischen Metropole möglich.

O-Ton In Toronto ist meine musikalische Familie. Ich bin da ja Teil der Band Broken Social Scene. Wir sind wie eine Gang, auch wenn jeder von uns seine eigenen Projekte hat. Das Gute ist: Ich kann dort einfach meine Freunde anrufen, wenn mir danach ist, mit ein paar Leuten Musik zu machen.

Zum Kern der 1999 gegründeten, teilweise 11 Mitglieder zählenden Indie Rock Formation gehören Brendan Canning sowie Feists Ex Lebenspartner Kevin Drew.

9. Song: Broken Social Scene - Windsurfing Nation 1.10

Nachdem sie eine Zeitlang in Berlin und Paris gelebt und sich direkt vor den Aufnahmen zu „Metals“ ein paar Monate in Mexiko vom Stress der letzten Tournee erholt hatte, ließ sich Feist wieder in ihrem Haus in Toronto nieder. Sie kann sich dorthin nach Belieben unbehelligt zurückziehen. Es ist eine Art Hexenhaus, sagt sie.

O-Ton Mein Haus ist mit Efeu zugewachsen. Da ist dieser grüne Schimmer. Du fühlst quasi die Fotosynthese, und manchmal komme ich mir vor wie jemand, der in einem verwunschenen Märchenhaus lebt. Ich bin die Hexe im Wald, die in einem Haus aus Efeu lebt. In das einzige Fenster, das nicht zugewachsen ist, habe ich eine Bleiverglasung einbauen lassen. In dem Zimmer sieht es aus wie in einer sehr farbigen Lichtschachtel.

Es ist der richtige Ort, um die letzten Jahre Revue passieren zu lassen und Rückschau auf ihre bisherige Karriere zu halten. Zu den Höhepunkten zählt für sie im Nachhinein der Song „The Simple Story“, den sie in ihrer Pariser Zeit mit Gonzales schrieb und mit der französischen Film- und Musikikone Jane Birkin sang. An ihrer Karriere möchte sie sich gern orientieren.

O-Ton Damals wusste ich gar nicht so richtig, wer sie ist. Ich wusste nur, dass sie eine sehr coole Frau ist, die mit Gonzo gearbeitet hat. Und die offensichtlich einen sehr reichhaltigen Wortschatz hat, eine sehr expressive Art, zu sprechen. Ich war gern mit ihr zusammen.

Erst später dachte ich: „Moment mal.“ Das war, als ich „Sex and the City“ im Fernsehen sah und sich die Hauptdarstellerinnen über die Birkin Bag unterhielten. Ich hatte nicht gewusst, dass Jane diese Tasche entworfen hatte. Ich wusste gar nichts über sie. Ich bin so naiv kanadisch. Ich finde es gut, wie das in Frankreich läuft. In den USA kommt es selten vor, dass man Musikerinnen oder Schauspielerinnen immer mehr bewundert und respektiert, je älter sie werden. Dass man sogar noch mehr von ihnen schwärmt. In Nordamerika läuft es praktisch anders herum. Da müssen die älteren Frauen dagegen ankämpfen, dass sie ihren Wert verlieren. Ich finde, das ist eine deprimierende Falle. Erst als ich in Frankreich wohnte, dämmerte mir, dass es gar nicht so laufen muss. Ich habe in Paris eine Menge Frauen getroffen, die Ende fünfzig waren oder in den 60ern. Und die immer noch Alben aufnahmen und als Sexsymbole gesehen wurden. Das volle Programm.

10. Song: Feist/Birkin – Simple story 1.30 Mit welch entspannter Geisteshaltung sie an ihre Arbeit herangeht, zeigt auch die Entstehungsgeschichte des Songs „How Come you never go there“ aus ihrem aktuellen Album “Metals”.

O-Ton Das war einer der wenigen Songs, die wir im Studio arrangiert haben. Ich hatte ihn ursprünglich als akustischen Song ohne diese „Wow Wows“ drin angelegt. Sehr langsam und sehr ruhig. Aber dann sagten wir: „Dieser Song braucht mehr Temperatur. Er muss das Blut kochen lassen, er muss aktiver klingen.“ Und die Jungs vertauschten ihre Instrumente. Brian setzte sich ans Schlagzeug, Mocky rutschte rüber an den Bass. Nur Gonzo blieb am Piano, und ich blieb an der Gitarre. Wir spielten den Song zwei, dreimal, um ihn uns einzuprägen. Dann sagten wir: “Zu gut sollten wir ihn nicht auswendig können. Sonst können wir uns nicht mehr auf unsere Instinkte verlassen.“ Die Version auf diesem Album ist wohl der dritte Take. Was man hier hört, ist im Prinzip Improvisation.

11. Song: How Come you never go there 0.05

Das war „Die stille Verführerin – Feist“ – ein Portrait der kanadischen Sängerin von und mit Christiane Rebmann.

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12. Song: How come you never go there 3.20