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Die Donkosaken: Regionalismus als Komponente der rußländischen Erneuerung Gehrmann, Udo

Veröffentlichungsversion / Published Version Forschungsbericht / research report

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Gehrmann, U. (1996). Die Donkosaken: Regionalismus als Komponente der rußländischen Erneuerung. (Berichte / BIOst, 11-1996). Köln: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. https://nbn-resolving.org/ urn:nbn:de:0168-ssoar-42332

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ISSN 0435-7183

Inhalt Seite Kurzfassung ...... 2 Einleitung ...... 6 1. Die Rekonstitution der Donkosaken als gesellschaftliche Vereinigungen...... 7 2. Die donkosakische Programmatik in historischer Retrospektive...... 11 3. Die Wiederherstellung des Donheergebietes als Vision kosakischer Rehabilitierungsforderungen...... 13 4. Der "Große Krug zur Rettung des Don": Regionalismus versus Zentralismus...... 16 5. Die Zerreißprobe donkosakischer Ambitionen vor dem Hintergrund Moskauer Machtkonstellationen...... 18 6. Die Lösung der "Kosakenfrage" im machtpolitischen Verständnis des Rostover Gebietssowjets...... 21 7. Die Achillesferse der Kosakenbewegung: Ideologisierung und politische Differenzierung in der postsowjetischen Zeit...... 23 8. Die ethnische Identität und territoriale Integrität im kontroversen Selbstverständnis der Donkosaken...... 26 9. Die militärische Vision im tradierten Spannungsfeld zwischen Regionalismus und Patriotismus ...... 27 10. Ausblick: Vom kosakischen Folkloreverein zum rußländischen Staatsdienst...... 31 Summary ...... 33

29. Januar 1996

Die vorliegende Arbeit ist aus einem Forschungsauftrag des Bundesinstituts für ostwissenschaft- liche und internationale Studien hervorgegangen. Der Verfasser ist Historiker und lebt in Erfurt. Redaktion: Gerhard Simon 2 Berichte des BIOst 1996

Udo Gehrmann

Die Donkosaken Regionalismus als Komponente der rußländischen Erneuerung Bericht des BIOst Nr. 11/1996

Kurzfassung

Vorbemerkung Der Zusammenbruch der Sowjetunion verlieh der Rückbesinnung sowohl auf tradierte Herr- schaftsstrukturen des polyethnischen Imperiums als auch auf nationale und regionale Traditionen und Eigenwege eine gegenwartspolitische und vielleicht auch zukunftsweisende Relevanz. Die Wiedergeburt der Kosaken nimmt dabei einen besonderen Platz ein. Neben der Wiederbelebung von Staatsdienstpflichten vor allem im militärischen Bereich des imperialen Bestandsschutzes birgt die Rekonstitution der Kosakengemeinschaften aber für die rußländische Zentralmacht auch die Gefahr einer Neuauflage nationaler Sonderwege und autonomer Regionalentwicklungen. Die offizielle Rehabilitierung der Kosaken als einer "historisch entstandenen ethno-kulturellen Menschengemeinschaft", das Selbstverständnis als "viertes ostslavisches Volk" und die jüngsten Versuche, eine Donkosaken-Republik als "national-staatliches Gebilde" zu proklamieren, sind deutlicher Ausdruck dieser Intentionen. Der regionale Aspekt der Kosakenrenaissance in Rußland ist Anlaß für eine Studie, in der nicht allein die mit Beginn der neunziger Jahre am Don einsetzende Kosakenbewegung in wesentli- chen Konturen nachvollzogen wird. Vielmehr verfolgt sie das Ziel, die Wiedergeburt der Donko- saken nach den regionalen Traditionen und Visionen zu befragen und diese in den Gesamtkon- text der rußländischen Erneuerung zu setzen. Vor dem Hintergrund der jeweiligen machtpo- litischen Konstellationen im Zentrum und in der Donprovinz schenkt die Studie den Fragen der Rehabilitierung, der regionalen Identität und der territorialen Integrität des Donkosakenlandes sowie nicht zuletzt der militärischen Option der Kosakenheere besondere Beachtung. Als Material- und Quellengrundlage dienen Dokumente (Programme, Satzungen, Resolutionen) und Presseerzeugnisse der Donkosaken sowie anderer zentraler und territorialer Kosakenvereini- gungen.

Ergebnisse 1. Das Jahr 1990 ging in die Regionalgeschichte des Dongebietes als Jahr der Wiedergeburt der Kosaken ein. Wie in zahlreichen anderen Landesteilen der Sowjetunion vollzog sich die Kosakenrenaissance auch am Don von "unten" nach "oben". Delegierte der auf Chutor-, Staniza- und Okrugebene gebildeten Kosakenvereinigungen gründeten im November 1990 auf dem "1. Großen Krug" (höchstes Legislativorgan der Kosaken) den "Kosakenbund des Donheergebietes" (Sojuz kazakov Oblasty Vojska Donskogo). Der "Krug" setzte mit der Annahme der Satzung und des Programms sowie von 11 Resolutionen strategische Orientierungspunkte für die Wiederbelebung regionaler Dontraditionen. Erstmals seit über 70 Jahren wählte der "Krug" für die Verwaltung des einstigen Donheergebietes einen und entsprechende Leitungsgremien. Die Donkosaken 3

Charakteristisch für die Kosakenvereinigungen war, daß sie auf der Grundlage sowjetischer Gesetze jedoch lediglich den formalrechtlichen Status gesellschaftlicher Vereinigungen besaßen. 2. Wesentliche programmatische Forderungen waren die Rehabilitierung der Kosaken, die Wie- derherstellung der territorialen Integrität des Dongebietes und die Restitution von Grund und Boden als Voraussetzungen für die vollständige ethno-kulturelle Wiedergeburt einer regional selbstverwalteten Kosakengemeinschaft. Ungeachtet der beanspruchten Rechts- nachfolge des Donheergebietes von 1918/19 dominierte im Programm analog zu den damals allerdings vergeblichen Hoffnungen der "roten" Kosaken die Überzeugung, daß sich eine kosakische Neuordnung am Don auf der Grundlage des Staatsgesetzes "Über die regionale Selbstverwaltung in der RSFSR" durchsetzen ließe. Weitere Schwerpunkte bildeten die Pflege donkosakischer Kultur, die Einführung traditioneller Bodennutzungsformen sowie das Zusammenwirken mit der Armee. 3. Im Unterschied zu Moskau unterstützten die sowjetischen Machtinstanzen am Don bereits 1990 die Forderungen der Kosaken. Insofern wies die Situation am Don in der Endphase der Sowjetunion eine Reihe regionaler Besonderheiten auf, die auf das engste mit der Ko- sakenrenaissance verbunden waren. Denn selbst das im April 1991 verabschiedete Gesetz der RSFSR "Über die Rehabilitierung der unterdrückten Völker" stellte zwar auch den Kosaken die Rehabilitierung in Aussicht, doch verschaffte es den Kosaken noch nicht den Rechtsanspruch auf Wiedererhalt politischer Autonomie und auf Restitution von Grund und Boden. Diese Option aber spiegelte sich bereits in dem ersten Programm zur Wieder- geburt der Donkosaken wider, das im Sommer 1991 Gegenstand einer Tagung des Rostover Gebietssowjets war. Wenige Wochen nach dem Augustereignissen in Moskau beschloß der "2. Große Krug" des Donkosakenbundes die Wiederherstellung der Don- Republik im Bestand der RSFSR. Der analog dazu verabschiedete Beschluß des Rostover Gebietssowjets wurde jedoch annulliert. Denn Moskau vertrat den Standpunkt, daß die Kosaken als gesellschaftlich-politische und nicht als territorial-administrative Organisationen wirken sollten. 4. Durch den im Juni 1992 unterzeichneten Präsidentenerlaß Nr. 632 und den Beschluß des Obersten Sowjet vom Juli 1992 wurden die Kosaken als "historisch entstandene ethno- kulturelle Menschengemeinschaft" rehabilitiert. Unter dem Vorbehalt des Verzichts auf die einstigen Standesprivilegien stellte die Zentralmacht den Kosaken staatliche Unter- stützung in Aussicht. Doch weder die zentralen noch die territorialen Kosakenverbände (Heere) erhielten irgendwelche Vollmachten, die über den formaljuristischen Status gesellschaftlicher Vereinigungen hinausgingen. Die ambivalente Kosakenpolitik der Zen- tralmacht reflektierte die fortschreitende Differenzierung der Kräfte innerhalb der Kosakenbewegung. Der "3. Große Krug" des Donkosakenbundes wurde vom Flügelkampf zwischen Vertretern einer regionalen Eigenständigkeit und den Sympathisanten großrussischer Ambitionen bestimmt. 5. Gegen Ende 1992 deutete sich eine Wende in der "Kosakenpolitik" El'cins an. Die Zentral- macht betrachtete die Kosaken als Komponente der bevorstehenden Militärreform. Gegen den Widerstand des Obersten Sowjet unterschrieb El'cin im März 1993 den Erlaß über die staatliche Unterstützung der Kosaken. Die Machtkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Obersten Sowjet in Moskau hinterließen auch am Don ihre Spuren. Während die Kosaken das Dongebiet zum "kompakten Siedlungsraum der Kosaken" erklärten und die Wiederherstellung des Dongebietes als "national-staatliches Gebilde" proklamierten, 4 Berichte des BIOst 1996

entfaltete der Rostover Gebietssowjet mit Hilfe aller zur Verfügung stehenden Rechtsmittel eine breite Kampagne gegen die Donkosaken. 6. Der regionale Handlungsspielraum hing, wie die turbulenten Märztage am Don zeigten, di- rekt von der Machtkonstellation in Moskau ab. Im September 1993 erklärte das Verfas- sungsgericht Rußlands den Präsidentenerlaß über die staatliche Unterstützung der Kosaken für verfassungskonform. Das Urteil dokumentierte die gefestigte Position El'cins in der Auseinandersetzung mit dem Obersten Sowjet, der wenige Tage später in den Kämpfen um das "Weiße Haus" in Moskau seine historische Berechtigung verlieren sollte. Der Rostover Gebietssowjet sah sich zum Einlenken gezwungen. Auf der 15. Tagung befaßte er sich in erster Lesung mit dem zweiten Programm zur Wiedergeburt der Donkosaken. Die zur Sowjetzeit gewählten Abgeordneten waren aber nicht gewillt, dieses Programm zu verabschieden. Die strittigen Fragen betrafen vor allem die territoriale Integrität des Dongebietes und die Privatisierung von Grund und Boden. 7. Im Zusammenhang mit den Wahlen zur Staatsduma und den Kommunalwahlen kam es zu einer fortschreitenden Politisierung der Kosakenbewegung, die Ende 1994 am Don in der organisatorischen Spaltung kulminierte. Die Zentralmacht versuchte die Gunst der Zeit zu nutzen, um die regionalistischen Bestrebungen in das großrussische Fahrwasser zu lenken. Die Regierung Rußlands verabschiedete dazu im April 1994 den Beschluß "Über die Konzeption einer Staatspolitik bezüglich der Kosaken". Und zur Beschleunigung der Arbeiten am Staatsprogramm für die Wiedergeburt der Kosaken veranlaßte El'cin die Bildung eines Rates für Kosakenfragen beim Präsidenten Rußlands, der mit der Durchführung eines "Gesamtrußländischen (Vereinigungs-)Krug" beauftragt wurde. Die scharfe Kritik vor allem territorialer Kosakenvereinigungen an dieser staatlichen Kosakenpolitik führte dazu, daß die konstituierende Sitzung des Rates für Kosakenangelegenheiten erst im Januar 1995 stattfand. 8. Die Kontroverse um die Kosakenpolitik reflektierte im wesentlichen die unterschiedlichen Standpunkte der sogenannten "Gosudarstvenniki" (Etatisten), der "Avtonomisty" (Autonomisten) und der "Samostijniki" (Separatisten). Die Gosudarstvenniki bzw. die "Edinonedelimcy" (Unitaristen) traten als Verfechter der staatlichen Kosakenpolitik für den Erhalt eines rußländischen Imperiums ein. Demnach sei die "Kosakenfrage" ein ständisches und kein ethnisches Phänomen. Der Kosakenstand sollte Privilegien besitzen, das Rückgrat der russischen Armee bilden und für Ordnung und Disziplin im Lande sorgen. Die Anhänger der Kosakenautonomie warnten vor diesen Anschauungen. Sie betrachteten die Kosaken ganz im Sinne des Präsidentenerlasses vom Juni 1992 als eine "ethno-kulturelle Menschengemeinschaft", die die gleichen Rechte auf Selbstbestimmung wie andere Völker besitze. Über dieses autonome Regionalverständnis der ethnischen Identität gingen die "Samostijniki" hinaus, die erneut einen von Rußland unabhängigen Kosakenstaat (Kosakia) kreieren wollten. 9. Ein grundlegender Konsens aller Verfechter der Kosakenrenaissance bestand hinsichtlich der Revitalisierung der gleichermaßen berühmten wie gefürchteten Militärtraditionen, die einst nahezu alle Charakterzüge der regionalen Donidentität geprägte hatten. Mit dem Präsidentenerlaß vom März 1993 nahm die Wiederaufnahme kosakischer Militär- und Polizeifunktionen konkrete Gestalt an: Bildung von Kosakenformationen und speziellen Gremien für Kosakenangelegenheiten im Verteidigungs-, Sicherheits- und Innenministerium, Übertragung von Aufgaben der Miliz etc. Im Unterschied zur Zentralmacht und den gesamtrussischen Kosakenverbänden legten die Donkosaken dem Wiederaufbau kosakischer Militärstrukturen das Territorialprinzip zugrunde. Doch das Die Donkosaken 5

Verfassungsgericht Rußlands stellte das "exterritoriale Prinzip der Rekrutierung" nicht in Frage. Die Stanizen sollten sich keinesfalls in Militärsiedlungen verwandeln. 10. Den Hintergrund für die staatliche Reglementierung des kosakischen Militär- und Staatsdien- stes bildete insbesondere der nicht kontrollierbare Einsatz von Kosaken in Transdnestrien, im Kaukasus und in Serbien. Doch offenbarte sich auch im Tschetschenienkonflikt die regiona- listische Option der Donkosaken in Gestalt eines Freundschaftsvertrages zwischen dem Do- nataman und Dudaev vom August 1994 oder in den 1995 entwickelten Konzepten einer "friedensschaffenden Mission" der Donkosaken in Tschetschenien. Angesichts dieser Bestre- bungen initiierte der Sicherheitsrat der Rußländischen Föderation die Vorbereitung eines Präsidentenerlasses über den Staatsdienst der Kosaken. Dabei handelt es sich um den bislang weitreichendsten Versuch der Zentralmacht, die Kosaken als Militärstand analog den tradierten Strukturen zu reorganisieren. Insofern haben sich auch die Donkosaken zu ent- scheiden zwischen der Rückbesinnung auf eigenständige Traditionen der Donregion und der "Wiederbelebung des für Rußland traditionellen Staatsdienstes der Kosaken als Komponente der Herausbildung einer neuen rußländischen Staatlichkeit". Einleitung

Die Donkosaken gehörten einst zu den ältesten, größten und wohl berühmtesten Kosakengemein- schaften. Bis zur Revolution von 1917 besaßen die Donkosaken im Rußländischen Reich ein eigenes Verwaltungsgebilde unter der Bezeichnung "Donskaja oblast'" (Dongebiet oder Don- provinz). Obwohl die zarische Autokratie regionalen Sonderwegen entweder keinen oder einen nur geringen Freiraum ließ1, bewahrt das "Land der Donischen Kosaken", wie es Peter Köppen Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieb2, noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts einen für Rußland ungewöhnlichen Sonderstatus. Mit einer Ausdehnung von 164.600 Quadratkilometern und etwa 3,9 Millionen Einwohnern war das Dongebiet 1914 nicht nur größer und be- völkerungsreicher als die meisten Gouvernements im europäischen Teil Rußlands. Vielmehr un- terschied sich dieses Gebiet durch die Eigenart seiner Verfassung und seiner Bevölkerung stark von allen anderen Landesteilen. Dieser Sonderstatus war geprägt durch die Geschichte und die Kultur der am Don lebenden Ko- saken, die 1914 aber nur noch 42,3 % der Gesamtbevölkerung des Dongebietes ausmachten. Dennoch waren es gerade die Kosaken, die nach der Revolution von 1917 um den Erhalt des Dongebietes kämpften und 1918 eine unabhängige Donkosakenrepublik proklamierten.3 Nach der Unterwerfung der Donkosaken leitete die Sowjetregierung eine radikale Neuordnung ad- ministrativer Grenzen ein, um künftigen Autonomieansprüchen oder separatistischen Bestrebun- gen endgültig einen Riegel vorzuschieben. Der westliche Teil des Dongebietes ging zunächst an die Sowjetukraine. Doch erst die "Rayonierung" von 1925 besiegelte nach vielen Experimenten das Ende der Selbständigkeit und der Integrität des Dongebietes zumindest für die Dauer von über 70 Jahren. Die gewaltigen Heeresländereien der Kosaken wurden konfisziert, den Kollektivwirtschaften zur Verfügung gestellt oder als Staatsgüter bewirtschaftet. Anstelle der kosakischen Selbstverwaltungen (krug4) übernahmen die Räte (sovety) die politische Macht. Und die Kultur der Donkosaken schien unaufhaltsam in Vergessenheit zu geraten. In der internationalen Forschung galt bis vor kurzem noch unbestritten, daß im Ergebnis der Re- volution von 1917 in Rußland die Kosakenheere als eine einzigartige Erscheinung ihre histo- rische Existenzberechtigung unwiderruflich verloren hätten.5 Gegenwärtig aber ist sicher, daß die Kosaken mittels einer unerwarteten Renaissance ihre Traditionen mit der Zukunft Rußlands zu verbinden suchen. Obwohl es zu Beginn der neunziger Jahre nur noch etwa 1,3 Millionen direkte Nachfahren der einstigen "Adler vom Don" gab und die Kosaken im Gebiet Rostov am Don lediglich 28 % der Gesamtbevölkerung stellten6, gingen vom Don wichtige Impulse für die gesamte Kosakenbewegung und die Erneuerung Rußlands aus. 1 Vgl. zum Begriff "Regionalismus" und zu weiterführenden Literaturhinweisen: Carsten Goehrke, Zum Pro- blem des Regionalismus in der russischen Geschichte. Vorüberlegungen für eine künftige Untersuchung, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Bd. 25, Berlin 1978, hier besonders S. 75-107. 2 Vgl. Peter von Köppen, Statistische Reise in's Land der Donischen Kosaken durch die Gouvernements Tula, Orel und Woronesh im Jahre 1850, St. Petersburg 1852. 3 Vgl. u.a. Udo Gehrmann, Turbulenzen am Stillen Don. Zur deutschen Kriegsziel- und Ostpolitik in der Zeit des Brest-Litovsker Friedens, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 41 (1993), H. 3, S. 394ff. 4 Siehe zum kosakischen Demokratiemodell "Krug" (Ring, Kreis - höchste Legislative der Kosaken): Udo Gehr- mann, Das Kosakentum in Rußland zu Beginn der neunziger Jahre: Historische Traditionen und Zukunfts- visionen, Berichte des BIOst, 11-1992, S. 25ff. 5 Vgl. u.a. Carsten Goehrke, Historische Selbststilisierung des Kosakentums: Ständische Tradition als Integra- tionsideologie, in: Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Köln/Wien 1977, S. 359-375. 6 Vgl. Donskie vojskovye vedomosti (im folgenden DVV), Nr. 35 (42), Dezember 1992, S. 3; Nr. 2/46, Januar 1993, S. 1. Der Zusammenbruch der Sowjetunion verlieh der Rückbesinnung sowohl auf tradierte Herr- schaftsstrukturen des polyethnischen Imperiums als auch auf nationale und regionale Traditionen und Eigenwege eine gegenwartspolitische und vielleicht auch zukunftsweisende Relevanz. Im Rahmen der rußländischen Erneuerung nimmt die Wiedergeburt der Kosakengemeinschaften einen besonderen Platz ein. Mit dieser Renaissance ist einerseits das Bestreben der Zentralmacht verknüpft, den Kosaken vor allem im militärischen Bereich des imperialen Bestandsschutzes einen kontrollierbaren Freiraum für die Wahrnehmung regionaler Sonderwege zu bieten. Die Rehabilitierung der Kosaken als eines repressierten Volkes sowie die an Militärdienstpflichten geknüpfte Unterstützung der Kosaken durch den rußländischen Staat sind deutlicher Ausdruck dieser Option. Die Rekonstitution der Kosakengemeinschaften birgt aber andererseits für Rußland auch die Ge- fahr der Rückbesinnung auf soziopolitische Ordnungen und ethno-kulturelle Grundmuster, die in der Vergangenheit erheblich von den russischen Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen ab- wichen und erneut für autonome Regionalentwicklungen mit einer ausgeprägten Identität in Fra- ge kämen.7 Die jüngsten Versuche, eine Donkosaken-Republik als "national-staatliches Gebilde" zu proklamieren, und das Selbstverständnis als "viertes ostslavisches Volk" berechtigen zu der Annahme, daß die Kosaken eine wichtige Komponente im rußländischen Erneuerungsprozeß bleiben werden. Unter diesem Aspekt besteht das Anliegen der Untersuchung nicht allein darin, die mit Beginn der neunziger Jahre am Don einsetzende Kosakenbewegung in wesentlichen Konturen nachzu- zeichnen. Vielmehr verfolgt sie das Ziel, die Wiedergeburt der Donkosaken nach den regionalen Traditionen und Visionen zu befragen und diese in den Gesamtkontext der Erneuerung Rußlands zu setzen. Vor dem Hintergrund der jeweiligen machtpolitischen Konstellationen im Zentrum und in der Donprovinz wird den Fragen der Rehabilitierung, der regionalen Identität und der territorialen Integrität des Donkosakenlandes sowie nicht zuletzt der militärischen Option der Kosakenheere besondere Beachtung geschenkt. Andere Bezugspunkte des zu untersuchenden Problemkreises, wie die Bezüge von Kosakenbewegung und Russisch-Orthodoxer Kirche oder die Wechselbeziehungen zwischen dem Donregionalismus und der Wiedergeburt der Kosaken in der Ukraine8, bilden eigene Themen und werden nicht näher behandelt. Als Material- und Quellengrundlage dienen in erster Linie die Dokumente (Programme, Satzun- gen, Resolutionen) sowie die Presseerzeugnisse der Donkosaken und anderer zentraler und re- gionaler Kosakenvereinigungen. Darüber hinaus werden in Rußland und insbesondere im Rosto- ver Gebiet herausgegebene zentrale und regionale Zeitungen sowie Arbeiten der internationalen Kosakenforschung ausgewertet.

1. Die Rekonstitution der Donkosaken als gesellschaftliche Vereinigungen

Zu den ersten Organisationen donkosakischer Nachfahren in Rußland gehörte die informelle Vereinigung "Don". Diese Vereinigung, die im Februar 1990 registriert wurde, begann im Sep- tember 1990 mit der Herausgabe der Zeitung "Golos Dona" (Die Stimme des Don).9 Wenig spä- ter konstituierte sich in Rostov am Don die "Freiwillige gesellschaftliche Gebietsvereinigung 'Ka-

7 Siehe dazu: Andreas Kappeler, Bemerkungen zur Nationsbildung der Russen, in: ders. (Hg.), Die Russen. Ihr Nationalbewußtsein in Geschichte und Gegenwart, Köln 1990, S. 26.; ders., Rußland als Vielvölkerreich, 1992, S. 51. 8 Vgl. Udo Gehrmann, Die Kosaken - Traditionalismus und nationale Erneuerung in der Ukraine, Berichte des BIOst, 23-1994. 9 Vgl. Golos Dona, Nr. 3, November 1990, S. 4; Donskoj kazak, Nr. 4, Februar 1991, S. 1. začij Krug Dona'". Diese Gebietsvereinigung bestätigte im November 1990 nicht nur ein Pro- gramm und Statut, sondern wählte mit Aleksandr Judin auch einen der ersten Atamane. Judin zählte neben Oleg Oblauchov und Sergej Kazakov zu den Wegbereitern der kosakischen Wie- dergeburt am Don. Bereits im März war in Rostov eine weitere kulturhistorische Gesellschaft mit dem Namen "Starodon'e" entstanden. Während die Vereinigung "Kazačij Krug Dona" ihre Eigenständigkeit bewahrte10, ging die Assoziation "Starodon'e" in dem sich im August 1990 konstituierenden Rostover Kosakenokrug auf. Und der Initiator der Vereinigung "Starodon'e", Vladimir Samsonov, sollte zum Ataman des Rostover Kosakenokrugs und dann zum stell- vertretenden Ataman des Kosakenbundes des Donheergebietes avancieren. Nahezu zeitgleich mit den Neugründungen kosakischer Organisationen in der Gebietshauptstadt Rostov erfolgte seit Frühjahr 1990 der Zusammenschluß kosakischer Nachfahren auf der Chu- tor11-, Stanizen12-, und Okrug-Ebene. Delegierte der örtlichen Kosakengemeinschaften fanden sich im September zum "Interrepublikanischen Krug" zusammen. Dieser beschloß die Umbenennung der Assoziation "Don" in "Interrepublikanischer Bund der Donkosaken" (Mežrepublikanskij

10 Die Vereinigung "Kazačij Krug Dona" wurde durch das Exekutivkomitee des Rostover Stadtsowjets am 21. Dezember 1990 registriert. Diese Vereinigung verfolgte unter Aleksandr Judin bereits 1990 das Ziel, die traditionellen Kosakenokruge am Don zu rekonstituieren und ein Kosakenunternehmertum zu entwickeln. Das traf in dieser Phase der kulturell ausgerichteten Kosakenrenaissance auf das Unverständnis der Initiatoren der Kosakenbewegung in Rostov am Don. Die damit programmierte Spaltung der Rostover Kosaken schlug sich auch in der Vorbereitung des "1. Großen Krug" der Donkosaken nieder. Nach der Gründung des Rostover Kosakenokrug, dessen Ataman Vladimir Samsonov wurde, erfolgte die Auflösung der Vereinigung "Starodon'e". Doch die Gesellschaft "Kazačij Krug Dona", die sich in der Anfangszeit vor allem um die kosakische Kultur (das Theater "Don" mit 68 Mitarbeitern, Vereinigung von sechs Ensembles etc.) bemühte, spezialisierte sich zunehmend auf das Unternehmertum der Kosaken in der Landwirtschaft, Industrie, im Handel, Bauwesen und Dienstleistungssektor. Unter dem Gesichtspunkt des veränderten Profils ließ sich die Gesellschaft 1992 mit neuer Satzung registrieren. Das bot die Möglichkeit für eine konstruktive Zu- sammenarbeit mit dem Kosakenbund des Donheergebietes. 1994 zählte die Vereinigung "Kazačij Krug Don" ca. 4.500 Mitglieder, von denen 600 unmittelbar in der Produktion der Unternehmen der Tochtergesellschaft "Kazač'ja Associacija Dona" beschäftigt waren. Zu den Wirtschaftsunternehmen gehörten z.B. ein Ko- sakenhandelshaus, der Pferdezuchtbetrieb "Majdan", die Aktiengesellschaft "Lider" sowie verschiedene land- wirtschaftliche Betriebe, die als Einzelwirtschaften (Farmen) oder in der traditionellen Form der kosakischen Obščina betrieben wurden.- Vgl. DVV, Nr. 1/76, Januar 1994, S. 4. 11 Das Wort "Chutor" bezeichnet eine kleinere Steppensiedlung. Diese waren am Don erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Da sie oft nur aus zwei bis drei Gehöften bestanden, waren sie verwaltungsrecht- lich den Stanizen untergeordnet. Die Selbstverwaltung der Chutors beschränkte sich auf wirtschaftliche und örtliche Angelegenheiten. - Vgl. dazu: Gustav Simoleit, Die Donkosaken und ihr Land, Königsberg i. Pr. 1930, S. 80, 120. 12 Der Begriff "Staniza" unterlag in der Kosakengeschichte zahlreichen Wandlungen. Zu Beginn des 16. Jahrhundert bezeichnete dieser Begriff eine Unterabteilung einer bestimmten Anzahl von Kosaken, die spezielle Aufgaben zu erledigen hatte. In späteren Zeiten des organisierten Grenzschutzes und Sicherungs- dienstes der Kosaken bedeutete die Staniza einen ständigen Vorposten, einen stehenden Spähtrupp, aus dem sich dann befestigte Siedlungen entwickelten. In der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhun- derts wurde unter Staniza eine administrative Untergliederungseinheit der "Uezdy" (analog den preußischen Regierungsbezirken) im Dongebiet verstanden. Insofern stellte die Staniza eine größere Kosakensiedlung mit dem dazugehörigen Grund und Boden dar. Die Staniza bildete die grundlegende Verwaltungseinheit und entsprach in der Flächengröße etwa einem preußischen Landkreis. In den Stanizen hatten sich Rudimente der tradierten Gleichberechtigung und Selbstverwaltung erhalten. Das Leben in der Staniza wurde durch die Gemeindeversammlung bestimmt, in der alle männlichen Mitglieder gleiches Stimmrecht hatten. Hier wurden der Ataman gewählt und die wichtigsten Entscheidungen getroffen. Vgl. dazu ausführlicher: Günther Stökl, Die Entstehung des Kosakentums, München 1953, S. 100; Gustav Simoleit, Die Donkosaken, a.a.O., S. 79; Peter Rostankowski, Siedlungsgeschichte und Siedlungsformen in den Ländern der russischen Kosakenheere, Berlin 1969, S. 75, Anm. 43. Sojuz Donskich kazakov). Als Ataman dieses Kosakenbundes wurde Valerij Mošnjakov gewählt.13 Bis November 1990 waren in zahlreichen Donstanizen und -kreisen (okrugi) Kosakenvereinigungen entstanden. So hatte sich am 3. November auch das höchste Macht- gremium (Krug) des Oberen Donokrug konstituiert. Damit waren die Voraussetzungen für die Gründung eines Kosakenbundes des Donheergebietes gegeben. Charakteristisch für die 1990 gebildeten Kosakenvereinigungen war, daß diese dem sowjetischen Gesetz "Über die gesellschaftlichen Vereinigungen" zu entsprechen hatten. Dieses Gesetz bot den Kosaken die Legalisierung. Und dabei offenbarten die Kosaken ihre historisch überlieferten Tugenden: Ideenreichtum und Phantasie. So rekonstituierte sich der Ober-Don-Kosakenokrug unter der Bezeichnung einer kultur-historischen Vereinigung "Verchne-Donskoj Kazačij okrug", der Krug der Staniza Vešenskaja ließ sich als "Literarisch-schöpferische Vereinigung und gesellschaftlich-patriotische Gesellschaft" registrieren und die Kosakennachfahren des Okrug Čerkassk entfalteten ihre "gesellschaftlichen" Aktivitäten unter der Flagge einer ökologischen Interessengemeinschaft. Die Satzungen dieser registrierten Vereine verliehen den Kosakenorganisationen den Status einer juristischen Person. Der Handlungsspielraum für den Geschäftsbetrieb dieser "Vereine" war formal im Artikel 3 des Gesetzes sogar recht breit gefaßt: Wahrnehmung und Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger, Förderung von Kreativität und Selbständigkeit der Bürger, ihrer Teilnahme an der Leitung der staatlichen und gesellschaftlichen Belange. Mit dem Blick auf diesen Handlungsspielraum wurde auch der Kosakenbund des Donheergebie- tes im November 1990 als freiwillige gesellschaftlich-patriotische Organisation "Sojuz kazakov Oblasti Vojska Donskogo" gegründet. Denn der Gründungskongreß sah in der Einhaltung der sowjetischen Gesetze, wie es in der Resolution Nr.1 "Über die Bildung des Kosakenbundes" hieß, eine Gewähr dafür, daß der Donkosakenbund "die Rechte einer selbstverwalteten unabhängigen Organisation" in Anspruch nehmen konnte.14 Auf dem Gründungskongreß des Don- kosakenbundes, der vom 17. bis 18. November in dem großen Saal der Philharmonie in Rostov am Don stattfand, waren etwa 1.000 Delegierte und Gäste aus allen Kreisen (okrugi) des einstigen Donheergebietes sowie aus zahlreichen Teilen der Sowjetunion vertreten. Der Kongreß bestätigte die Satzung (ustav) des "Vereins". Danach begann das Ritual gemäß der historischen Überlieferung. Die Delegierten beschlossen, den Gründungskongreß als "Ersten Großen Krug" des Kosakenbundes des Donheergebietes fortzusetzen. Der "Krug" verabschiedete das Programm und wählte den Ataman, dessen Beigeordnete (tovarišči), den Stellvertreter des , den Ataman für Militärfragen (pochodnyj ataman), den Ataman für Wirtschaftsangelegenheiten (koševoj ataman), den Ältestenrat, die Leitung (pravlenie) und den Rat der Atamane (Kleiner Krug). 70 Jahre lang hatte es am Don unter der Sowjetmacht keinen "Krug" der Donkosaken gegeben. Der bis 1990 letzte "Krug" war 1919 durch den Ataman des Donheeres, Petr Nikolaevič Kras- nov, einberufen worden. Damals konnte wohl selbst der kühnste Prophet nicht voraussehen, daß sieben Jahrzehnte später als Nachfolger dieses Zarengenerals kein anderer als Michail Šolochov, Sohn des bekannten Schriftstellers, Oberst der Miliz und Mitglied derjenigen Kommunistischen Partei gewählt werden sollte, die den Niedergang der Kosaken politisch zu verantworten hatte. Als Beigeordnete des Atamans Šolochov wählte der "Erste Krug" Valerij Mošnjakov (Erster Stellvertreter) und Vladimir Samsonov (Zweiter Stellvertreter). Viktor Ratiev wurde zum Feldzugataman erhoben, und V. Rezanov übernahm das Amt eines Atamans für Wirt-

13 Vgl. Golos Dona, Nr. 3, November 1990, S. 1, 4. 14 Vgl. Donskoe slovo, special'nyj vypusk gazety Molot, 15. Dezember 1990, S. 7. schaftsfragen. Und die Atamane der Donkosaken legten den überlieferten Treueid gegenüber Gott, dem Vaterland und der Kosakengemeinschaft ab.15 Der "Große Krug" setzte mit der Annahme von 11 Resolutionen, der Satzung und des Pro- gramms strategische Orientierungspunkte. Dabei erinnerten nicht nur das Wappen, das Banner und die Hymne der Donkosaken an das Erbe des Dongebietes der Jahre 1917-1919. Vielmehr verstand sich der Kosakenbund, wie in der Resolution Nr. 1 unterstrichen wurde, als "historischer Nachfolger des Donheeres mit seiner traditionellen Demokratie des Kosakenkrug". Insofern betrachtete der Bund "das Territorium des ehemaligen Donheergebietes" als seinen Wirkungs- bereich. Die Stadt Novočerkassk galt erneut als Zentrum (Hauptstadt) der Kosaken. In Rostov am Don, das sich in der Sowjetzeit zu einem Gebietszentrum entwickelt hatte, bezog die Leitung des Kosakenbundes das "Hauptquartier". Große Bedeutung wurde dem Wiederaufbau einer eigenen Selbstverwaltung beigemessen. Die Resolutionen Nr. 2 und Nr. 3 "Über die Leitung und die Struktur des Kosakenbundes" legten fest, daß der "Große Krug" der Kosaken des Donheergebietes als höchstes Machtgremium (Le- gislative) zu rekonstituieren und gemäß der Satzung mindestens einmal innerhalb von drei Jahren einzuberufen sei. Mit einfacher Stimmenmehrheit der Delegierten waren auf dem "Großen Krug" der Ataman und die Mitglieder der Führungs- und Kontrollgremien zu wählen. Der "Große Krug" hatte über die Annahme der Geschäftsberichte, die Entlastung des Rates der Atamane, der Exekutivleitung und der Revisionskommission, über Änderungen der Satzung, des Programms und über strategische Entwicklungsfragen zu entscheiden. Die einzige Selbsteinschränkung bestand darin, daß die Beschlüsse sowohl des Großen als auch des Kleinen Krug (Rat der Atamane) durch die Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche abzusegnen waren.16 Im Sinne der militär-demokratischen Strukturen erhielt der Ataman des Kosakenbundes als pri- mus inter pares umfassende Vollmachten. Der Ataman war auf dem Großen Krug für eine drei- jährige Legislaturperiode zu wählen. Er erhielt das Recht, donkosakische Interessen auf allen Ebenen der Staatsmacht und gegenüber ausländischen Vertretungen wahrzunehmen, Bezie- hungen zu anderen Organisationen herzustellen, sämtliche Finanz- und grundlegende Personal- fragen des Bundes zu entscheiden. Der Ataman war für die Umsetzung der Programmatik, der Beschlüsse und Maßnahmen des Großen und des Kleinen Krug verantwortlich. Die Satzung des Donkosakenbundes regelte die Wahlmodalitäten, Kompetenzen und Pflichten der Atamane auf der Kreis-, Stanizen-, Chutor- und Kuren'-Ebene17. Während die Rechte und Pflichten der örtlichen Selbstverwaltungen in bezug auf die Gremien des Donkosakenbundes streng reglementiert waren, hieß es in § 4 (25) der Satzung: "Die örtlichen Organisationen des Kosakenbundes entscheiden selbständig über ihre Struktur und Leitungsprinzipien und die

15 Vgl. Golos Dona, Nr. 3, November 1990, Gazeta Associacii "Don", S. 1. 16 Vgl. Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 13. 17 Der Ursprung des Begriffes "Kuren'" ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. So soll eine Kuren' anfänglich bei den Steppenbeutern die gemeinsame Wohnstätte einer kleinen Beutegemeinschaft gewesen sein. Wenn Peter Rostankowski (Anm. 41, S. 75) feststellte, daß die Bedeutung dieses Wortes sich analog zur Siedlungs- entwicklung veränderte und die Donkosaken zu Beginn des 20. Jahrhunderts diesen Begriff für ihr Wohnhaus gebrauchten (s. dazu auch: Rudolf Karmann, Der Freiheitskampf der Kosaken, Puchheim 1985, S. 12), so das Wort "Kuren'" mit der Kosakenrenaissance erneut einer inhaltlichen Begriffsveränderung. Entsprechend der Satzung des Donkosakenbundes wurde als Kuren' eine Gemeinschaft von Kosaken bezeichnet, die sich außerhalb des territorialen Organisationsprinzips in größeren Betrieben, Lehreinrichtungen und anderen Institutionen gebildet hatte. Diese Gemeinschaften erhielten unter Vorbehalt einer personellen Zusammensetzung von mindestens 10 Kosaken (das entsprach etwa der Stärke einer Chutororganisation) das Recht, ihren eigenen Krug durchzuführen und einen Ataman zu wählen. - Vgl. Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 14. Schwerpunkte der Arbeit in Übereinstimmung mit dem vorliegenden Statut und unter Berück- sichtigung der örtlichen Besonderheiten und Traditionen."18

2. Die donkosakische Programmatik in historischer Retrospektive

Eine zentrale Frage der im November 1990 bestätigten Programmatik betraf das Verhältnis gegenüber den sowjetischen Machtinstanzen. Dazu hieß es in der Präambel, daß dem Programm die Beschlüsse des Großen Krug und das Sowjetgesetz "Über die gesellschaftlichen Vereinigun- gen" zugrunde lägen. Entsprechend der Überlieferung hatten einst die Beschlüsse des "Krug" oberste Gesetzesautorität am Don. Insofern war es keine Formulierungsfrage, daß die Krug- beschlüsse den sowjetischen Gesetzen vorangestellt waren. Denn das programmatische Ziel einer "Teilnahme an der staatlichen und gesellschaftlichen Selbstverwaltung" der Donkosaken korrespondierte in keiner Weise mit dem genannten Gesetz, das die "Teilnahme der Bürger an der Leitung der staatlichen und gesellschaftlichen Belange" der Sowjetunion als Zweck der offiziell registrierten Vereinigungen vorsah. Als Voraussetzung für den Wiederaufbau einer eigenen Selbstverwaltung im ehemaligen Gebiet des Donheeres betrachtete der Kosakenbund die gesetzliche Regelung des Status "Kosaken- tum" (kazačestvo) im Rahmen der RSFSR, die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Dongebietes und die Restitution von Grund und Boden. Ungeachtet der Rückbesinnung auf die letzten Jahre des Donheergebietes orientierte die Programmatik jedoch nicht auf eine gewaltsame Durchsetzung dieser Ziele. Vielmehr dominierte in dem Programm von 1990 analog zu den damals allerdings vergeblichen Hoffnungen der "roten" Kosaken von 1918/19 die Überzeugung, daß sich eine kosakische Neuordnung am Don auf einem staatsrechtlichen Wege durchsetzen ließe. So sollten gemeinsam mit dem gesamtrussischen Bund der Kosaken19 Gesetzesvorlagen erarbeitet, spezielle Gremien für Kosakenangelegenheiten bei den Räten der Volksdeputierten gebildet und auf dieser Grundlage ein "Gesellschaftliches Kosakenparlament am Don" mit beratender Stimme konstituiert sowie bei den Volksdeputiertenwahlen eigene Kosakenlisten aufgestellt werden. Doch reichten dafür 1990 weder die Popularität noch der Organisationsgrad der Donkosaken aus. Insofern orientierte das Programm auf ein Zusammengehen mit anderen patriotischen Kräften der "Volksverständigung" und der "nationalen Versöhnung". Gleichzeitig legte es die Hauptrichtungen der Öffentlichkeitsarbeit fest: Einrichtung eines Pressezentrums, Gründung kosakischer Verlage und Druckereien, Aufbau eines eigenen Vertriebssystems, Gestaltung kosakischer Rundfunk- und Fernsehprogramme, Herausgabe traditioneller Kosakenzeitungen, -zeitschriften und -periodika.20 Einen weiteren programmatischen Schwerpunkt bildete die Pflege donkosakischer Kultur. So war vorgesehen, eine Kulturvereinigung "Kazač'ja kul'tura Dona" sowie mittelständische Unter- nehmen für die Produktion kosakischer Volkstrachten, Uniformen und Volkskunsterzeugnisse

18 Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 14. 19 Der Bund der Kosaken (Sojuz kazakov) hatte sich im Juni 1990 als erste zentrale Kosakenvereinigung eta- bliert. Als zweiter Dachverband bildete sich im Juli 1991 der Bund der Kosakenheere Rußlands (Sojuz kaza- čich vojsk Rossii). Die Unterschiede zwischen diesen Verbänden bestanden weniger im strategischen Ziel der kosakischen Wiedergeburt. Vielmehr reduzierten sich die Differenzen auf taktische Fragen. Diese Konstel- lation blieb auch nach der Neustrukturierung dieser Dachverbände im Jahr 1993 bestehen. So hatte sich der Bund der Kosakenheere im Juli 1993 in Moskau auf einem "Obersten Vereinigungskrug" als "Bund der Ko- sakenheere Rußlands, der Landsmannschaften und der Kosaken des Auslandes" neu formiert. Und der Bund der Kosaken hatte sich im Oktober 1993 in Orenburg als "Bund der Kosaken Rußlands und des Auslandes" ebenfalls neu organisiert. - Vgl. Tatjana Tabolina, Vozroždenie kazačestva: istoki, chronika, perspektivy 1989-1994, tom I, Moskau 1994, S. 293ff, 445ff. ins Leben zu rufen. Traditionelle Gedenk- und Feiertage, Bräuche und Rituale sollten der Ver- gangenheit entrissen, Kosakenfriedhöfe und -denkmale würdig gepflegt werden. Bestandteil der "kultur-historischen Arbeit" war die Umbenennung von Straßen und Ortschaften, die Schaffung eines Nationalparks "Verchnedonskij jurt donskogo kazačestva", der Erhalt der Kosakenarchive sowie nicht zuletzt die Einführung der Fächer "Kosakengeschichte" und "Donkirche" an den Hoch- und Mittelschulen. Das Programm übertrug der Russisch-Orthodoxen Kirche die Zuständigkeit für die geistige und mentale Wiedergeburt der Donkosaken. Dafür sicherten die Kosaken ihre Unterstützung bei der Rekonstruktion von Kirchengebäuden sowie bei der Herausgabe religiöser Literatur zu. Einen breiten Raum nahm in der Programmatik das Zusammenwirken mit der Armee (sojuz s armiej) ein. Das Aufgabenspektrum reichte von der gemeinsamen "patriotischen Arbeit" bei der Organisation von Kosakencamps für die Ausbildung künftiger Rekruten und der Durchführung von uniformierten Reiterfeldzügen, Paraden und Wehrsportkämpfen über die Bildung einer mili- tärhistorischen Abteilung des Kosakenbundes und die Wiedereröffnung der Kadettenschule bis zur Formierung militärischer Einheiten und einer nationalen Kosakengarde.21 Ähnlich wie andere informelle Vereinigungen der Umbruchperiode griffen auch die Kosaken das Thema Umweltschutz auf. In der Sorge um das Dongebiet als Wiege und Lebensraum der Ko- saken ging es dabei insbesondere um die Rettung des Donbeckens und des nördlichen Donez- gebietes, um die Rekultivierung der Chutorwirtschaften und die Demontage des Rostover Atomkraftwerkes. Neben der Kritik am Sowjetsystem waren mit den Umweltfragen auch For- derungen nach Staatskrediten für den sozialen Wohnungsbau und die Wirtschaftsentwicklung verbunden. Die Gründung einer Donkosakenbank wurde angekündigt. Insgesamt verkörperte die Programmatik vom November 1990 einen noch weitgehend eklektizi- stischen Neuansatz, der in eigentümlicher Weise die über siebzig Jahre ausgeprägte Sowjetmen- talität mit tradierten Wertevorstellungen einer idealisierten Kosakengeschichte zu verbinden suchte. Die Verbindungslinien lagen nicht allein im ethischen Bereich. Folgsamkeit gegenüber den Alten, Vätern und Müttern; Familienbindung, Brot und Arbeit als Wert- und Lebensorien- tierungen, Hilfeangebote für Weisen, sozial schwache und benachteiligte Menschen, Kranke und Behinderte galten als beste kosakische Lebensnormen. Vielmehr wiesen die Traditionen des kosakischen Gemeinwesens in höherem Maße Bezüge zu siebzig Jahre Sowjetrealität als zur Marktwirtschaft auf. Insofern sah die Programmatik die Rückkehr zur Umverteilungsgemeinde (obščina) vor. Das schloß die gemeinsame Verwaltung und Nutzung des Gemeindeeigentums an Grund und Boden (jurtovaja zemlja22) sowie an Wäldern, Wiesen, Weiden, Gewässern, Straßen

20 Vgl. Programma Sojuza kazakov oblasti Vojska Donskogo, in: Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 11. - Zu den ersten Kosakenzeitungen am Don gehörten u.a.: Donskoe slovo, special'nyj vypusk gazety "Molot" (Rostov am Don); Kazačij vestnik, gazeta v gazete "Trud", Zeitung des "Donskij kazači'ij krug" (Kamensk-Šachtinskij); Golos Dona, gazeta associacii "Don", gegründet 1990 (Surovikino, Wolgograder Gebiet). Jedoch erfolgte erst 1991 die Neuauflage einst bedeutender Kosakenzeitungen: Donskija vojskovyja vedomosti, Zeitung des Kosakenbundes des Donheergebietes (Rostov am Don); Kazak, narodnaja bespartijnaja gazeta, osnovana v 1919 g, vozroždena v 1991 g, Nr. 1, Januar 1991, Zeitung der "Pravlenija pervogo Donskogo okruga (Konstantinovsk) u.a. 21 Vgl. Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 11. 22 Als "jurtovaja zemlja" bezeichneten die Donkosaken das einer Staniza gehörende Gemeindeland. Bis 1835 war der Boden Eigentum der gesamten Kosakengemeinschaft. Erst danach wurde der Boden auf die damals bestehenden 110 Stanizen verteilt, wobei 30 Desjatinen pro Kopf der männlichen Bevölkerung zugeteilt wur- den. Neben diesen Landanteilen (paj) verblieb eine gewaltige Landreserve im unmittelbaren Heeresbesitz. Doch auch die Stanizen verfügten bis Ende des 19. Jahrhunderts noch über große Landanteile (jurtovaja zemlja), die nicht als Einzelanteile (paj) vergeben, sondern gemeinsam verwaltet wurden. - Vgl. u.a. Gustav Simoleit, Die Donkosaken, a.a.O., S. 79f. und Wegen ein. Das Programm wandte sich gegen eine Vermarktung der erbmäßig beanspruchten Ländereien. Die Positionen zu den Privatisierungsabsichten der Regierung sollten jedoch in einem gesonderten Bodenprogramm festgeschrieben werden.23 Im Unterschied zu den Jahren 1917-1919 verstand sich der 1990 konstituierte Donkosakenbund als Teil der gesamten Kosakenbewegung. Insofern war die Wiedergeburt der Donkosaken auf das engste mit einer rußländischen Erneuerung verbunden. Doch galt es 1990 auch, das Verhältnis zur Kosakenemigration zu definieren. Dabei ging es um die Rückführung kosakischer Reliquien, die Edition vergessener literarischer Werke, die Wirtschaftskooperation und den Aufbau kosakischer Kulturzentren im Ausland sowie um die Unterstützung heimkehrender Don- kosaken durch die Vergabe von Landanteilen. Charakteristisch für die Programmatik von 1990 war, daß diese zwar in historischer Retrospektive geschrieben, doch nahezu frei von Werturteilen über die Donkosakengeschichte geblieben war. Eine Ausnahme bildete die "Entkosakisierung" unter der Sowjetmacht, die verbunden mit der Forderung nach Rehabilitierung auf das schärfste verurteilt wurde. Doch erschöpfte sich darin schon der Konsens zwischen Nachfahren der "roten" und der "weißen" Kosaken.24

3. Die Wiederherstellung des Donheergebietes als Vision kosakischer Rehabilitierungsforderungen

Im Bewußtsein dieser historischen Erblast hatten die Donkosaken im November 1990 dazu auf- gerufen, die Einheit und Geschlossenheit aller Kräfte im Interesse der Wiederherstellung des ter- ritorialen Status quo ante 1917 des Dongebietes zu wahren. Das aber erforderte zunächst "die zivilrechtliche und politische Rehabilitierung des Kosakentums". Die Donkosaken wandten sich mit einem entsprechenden Ersuchen an Gorbačev.25 Während aber die sowjetischen und kom- munistischen Machtzentralen sich offiziell in Schweigen hüllten26, fanden diese Forderungen am Don die Unterstützung jener politischen Kräfte, die die "Entkosakisierung" zu verantworten hatten. Am 13. Dezember 1990 sicherte das Präsidium des Rostover Gebietssowjets in dem Beschluß "Über das Verhältnis der Sowjets der Volksdeputierten und ihrer Exekutivkomitees zur Wiedergeburt des Kosakentums" den Donkosaken die Unterstützung zu. Selbst das Büro des Rostover Gebietskomitees der KPdSU sah sich veranlaßt, in einem analogen Beschluß die Politik der Entkosakisierung zu verurteilen und die Rehabilitierungsansprüche der Kosaken zu legitimieren.27 Insofern wies die Situation am Don in der Endphase der Sowjetunion eine Reihe regionaler Besonderheiten auf, die auf das engste mit der Kosakenrenaissance verbunden waren. Die Unabhängigkeitserklärungen der Ukraine und einiger kaukasischer Republiken verliehen dem regionalistischen Hintergrund der Rehabilitierungsansprüche noch deutlichere Konturen.28 Am 26. April 1991 verabschiedete der Oberste Sowjet der RSFSR das Gesetz "Über die Rehabi- litierung der repressierten Völker". Artikel 2 dieses Gesetzes räumte den Kosaken als einer "hi-

23 Vgl. Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 11. 24 Siehe u.a. dazu: Udo Gehrmann, Das Kosakentum in Rußland, a.a.O., S. 14ff. 25 Vgl. Donskoe slovo, 15. Dezember 1990, S. 2, 7; Terskij kazak, Nr. 5-6, 1991, S. 5. 26 Im Unterschied zu El'cin hatte Gorbačev als Präsident der Sowjetunion zu diesen Fragen keine offizielle Stel- lung bezogen. Das galt auch für die kommunistische Machtzentrale. Erst in dem letzten Heft der "Izvestija CK KPSS" erschien im August 1991 ein Artikel des Referenten der Abteilung für die Verbindung zu ge- sellschaftlichen politischen Organisationen beim ZK der KPdSU, in dem eine offizielle Wertung der Kosa- kenbewegung gegeben und zur Kontaktaufnahme mit den Kosaken ermuntert wurde.- Vgl. Tatjana Tabolina, a.a.O., S. 120ff. 27 Vgl. Kazač'i vedomosti, Nr. 3, 1991, S. 2-3; Terskij kazak, Nr. 5-6, 1991, S. 7. 28 Vgl. Kazač'ja volja (Čerkessk), Nr. 2, Mai 1991, S. 3. storisch entstandenen ethno-kulturellen Menschengemeinschaft" das Recht auf Rehabilitierung ein. Erstmals seit Jahrzehnten tauchte der Begriff "Kosakentum" (kazačestvo) in einem ruß- ländischen Gesetz auf. Dennoch verschaffte es den Kosaken noch nicht den "Rechtsanspruch auf Wiedererhalt politischer Autonomie und auf Rückerstattung von Land und Eigentum".29 Wenige Wochen nach dem Augustputsch tagte vom 5. bis 6. Oktober in Novočerkassk der 2. Große Krug der Donkosaken. An diesem Krug nahmen etwa 1.600 Delegierte und Gäste teil. Neben hochrangigen Politikern wie Vladimir Zubkov, Vertreter des Präsidenten der RSFSR, Michail Fetisov, Chef für Inneres im Rostover Gebiet, waren Kosakenabordnungen aus Sachalin, von den Kurilen, vom Enisej, Ural, Terek, aus Transdnestrien und anderen Landesteilen der ehemaligen Union vertreten. Nach knapp einjähriger Amtszeit zog der Ataman Šolochov eine insgesamt positive Bilanz. Doch dürfte insbesondere die passive Haltung während des Augustputsches den Ausschlag dafür gegeben haben, daß Šolochov "aus gesundheitlichen Gründen" seinen Rücktritt erklärte. Nach zwei Wahlgängen legte der neue Heeresataman Sergej Meščerjakov den Treueid ab.30 Mit dem neuen Ataman schien sich der radikale Flügel durchgesetzt zu haben. Die Regierung wurde ultimativ aufgefordert, sämtliche Dokumente zur vollständigen Rehabilitierung der Kosa- ken zu verabschieden. Der 2. Große Krug beschloß, ein "politisches und national-patriotisches Programm für die Wiedergeburt des Kosakentums und die Wiederherstellung seiner staatlichen Grenzen und Unabhängigkeit" zu erarbeiten. Denn "für die Wiedergeburt des Donkosakentums ist", wie es im Beschluß hieß, "die ethnische, mentale und territorial-wirtschaftliche Einheit notwendig, die sich in den Gesetzen und Verträgen der Union sowie der Republiken widerspiegeln muß".31 Auf der Grundlage der Beschlüsse "Über die Wiederherstellung des ungesetzlich liquidierten na- tional-staatlichen Gebildes im Bestand der RSFSR" und "Über die Wiederherstellung der Don- Republik" erklärte der Rat der Atamane am 3. November 1991, daß in Übereinstimmung mit dem Gesetz der RSFSR "Über die Rehabilitierung der repressierten Völker" der Donkosaken- bund als Rechtsnachfolger des unrechtmäßig liquidierten national-staatlichen Gebildes des Don- heeres Anspruch auf Restitution der einstigen Besitztümer dieses Gebildes im In- und Ausland habe. Die Kosaken proklamierten die Don-Republik. Unter massivem Druck stimmte der Ro- stover Gebietssowjet wenige Tage nach dem Krug sogar für den Übergang der Macht an den Rat der Atamane. Nur unter schärfstem Protest der Staatsanwaltschaft wurde dieser Beschluß annulliert.32 Denn ungeachtet der während des Augustputsches gegenüber den Kosaken ab- gegebenen Versprechen vertrat El'cin die Standpunkt, "daß die Kosaken als gesellschaftlich-po- litische Organisation wirken sollen - nicht als territorial-administrative".33 Die regionale Option kosakischer Rehabilitierungsansprüche offenbarte sich deutlich in den fünf Merkmalen des am Don wiederherzustellenden Staatsgebildes: das Heereseigentum an Grund und Boden, das mobile und billige Heer, die kosakische Selbstverwaltung, die vom Staat eingeräumten Privilegien als Gegenleistung für den kosakischen Militärdienst sowie die ei-

29 Klaus Gestwa, Die Wiedergeburt des Kosakentums, in : Osteuropa, 43. Jg., H. 3, Mai 1993, S. 453. 30 Sergej Alekseevič Meščerjakov wurde 1953 in der Staniza Semikarakorskaja geboren. Nach der Schule absol- vierte er einen Kurzlehrgang an der Militärhochschule und anschließend ein Studium an dem Don-Land- wirtschaftsinstitut. Neben seiner Arbeit als Agronom war er im Sowchos "Susatskij" vier Jahre lang Par- teisekretär. Meščerjakov, Oberleutnant der Reserve, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. - Moskov- skie novosti (Nr. 21), 24.5.1992, S. 8. 31 Terskij kazak, Nr. 11, 1991, S. 2. 32 Vgl. Kazač'ja volja, Nr. 1, 1992, S. 2. 33 Die Zeit, Nr. 47, 15. November 1991, S. 3. genständige, auf dem russisch-othodoxen Glauben fußende Kultur der Donkosaken.34 Der don- kosakische Regionalismus geriet in den Verdacht des Separatismus. Doch der Ataman Meščerja- kov beschwichtigte: "Viele betrachten das Streben nach der Don-Republik als Separatismus. Dabei verfolgen wir doch nur die Wiederherstellung des ungesetzlich beseitigten Verwaltungs- gebildes - des Gebietes des Donheeres - als Subjekt der Föderation im Bestand Rußlands." 35 Weder die öffentliche Meinung noch das regionale Selbstverständnis wollte Meščerjakov dem Zufall überlassen. So ließ der Donataman Einschreibelisten für die angestammte Bevölkerung (korennoe naselenie) des Dongebietes in Umlauf bringen. Meščerjakov spekulierte darauf, daß etwa die Hälfte der 4 Millionen Bewohner des Rostover Gebietes bereits länger als 25 Jahre am Don lebte und damit das Recht auf Aufnahme in die Kosakengemeinschaft beanspruchen durfte. Demnach wäre jeder zweite Bewohner des Rostover Gebietes als "gebürtiger Kosak" (rodovyj kazak) zu betrachten. Sowohl die Kategorisierung in angestammte und zugereiste Bewohner wie auch das ethno-ständische Selbstverständnis erinnerten an die bereits 1918 am Don gestellte Frage: "Wer kann eine Kosak sein?" In Anlehnung an die damals formulierte Antwort hieß es auch 1992, daß diese Ehre alle gebürtigen Kosaken, alle in die Kosakengemeinschaft Aufgenommenen und deren Nachfahren, alle am Don Geborenen, alle Personen mit ständigem Wohnsitz am Don beanspruchen können. Während in diesem Selbstverständnis die ethnische Zugehörigkeit keine Rolle spielte, galt 1918 wie auch 1992 der rechtmäßige orthodoxe Glauben als unabdingbare Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Kosakentum.36 Am 15. Juni 1992 erließ der Präsident Rußlands den lange erwarteten Ukas Nr. 632 "Über Maß- nahmen zur Realisierung des Gesetzes der Rußländischen Föderation 'Über die Rehabilitierung der repressierten Völker' bezüglich der Kosaken".37 Der Erlaß rehabilitierte die Kosaken als "historisch entstandene ethno-kulturelle Menschengemeinschaft". Unter dem Vorbehalt des Verzichts auf die einstigen Standesprivilegien sicherte der Ukas den Kosaken die staatliche Un- terstützung zu. Er war nach Ansicht der Donkosaken "der erste Sieg der wiedererwachenden Kosakendemokratie über die 'Demokratie', die im August 1991 obsiegt hatte".38 Dennoch er- füllten sich nicht alle Hoffnungen. Weder die zentralen noch die territorialen Kosakenverbände (Heere) erhielten irgendwelche Vollmachten, die über den formaljuristischen Status eingetra- gener gesellschaftlicher Vereinigungen hinausgingen. Selbst die Satzungen örtlicher Kosaken- gemeinschaften waren durch die entsprechenden staatlichen Verwaltungen zu bestätigen. Die beanspruchten Militär- und Staatsdienste bedurften der Abstimmung mit den Ämtern der Zen- tralmacht. Die Selbstverwaltung sollte im Ergebnis eines örtlichen Referendums nur in Gebieten mit einer kompakten Kosakenbevölkerung zur Anwendung kommen. In der Frage der ter- ritorialen Integrität der einstigen Heeresgebiete wurde das Außenministerium Rußlands lediglich ersucht, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.39

34 Vgl. Moskovskie novosti, 24.5.1992, S. 8. 35 Vgl. DVV, Nr. 3/47, Januar 1993, S. 6; Terskij kazak, Nr. 2, 1992, S. 1; Moskovskie novosti (Nr. 21), 24.5. 1992, S. 8. 36 Obwohl Atheisten und Andersgläubigen damit das Recht abgesprochen wurde, Donkosaken werden zu kön- nen, bestätigten die tradierten Ausnahmen damals wie heute die strenge Glaubensregel der Donkosaken. Ne- ben der 1918 zwangsläufig erfolgten Anerkennung der kalmykischen Donkosaken buddhistischen Glaubens sowie der angestammten Don-Armenier christlich-gregorianischen Glaubens entschied sich auch Meščerjakov im Sinne seiner Vorgänger für eine im Zweifelsfalle notwendige Einzelprüfung. Vgl. Moskovskie novosti, 24.5.1992, S. 8; Literaturnaja gazeta, Nr. 41, 7.10.1992, S. 11; DVV, Nr. 35 (42), Dezember 1992, S. 6. 37 Vgl. Ukaz prezidenta Rossijskoj Federacii "O merach po realizacii Zakona Rossijskoj Federacii 'O reabilitacii repressirovannych narodov' v otnošenii kazačestva, in: Rossijskaja gazeta, Nr. 138 (474), 18.6.1992, S. 4. 38 DVV, Nr. 33/40, Dezember 1992, S. 4. Die wohl wichtigste Entscheidung dürfte darin bestanden haben, daß die Regierung mit der Erar- beitung eines "Staatlichen Komplexprogramms für die schrittweise wirtschaftliche und kulturelle Wiedergeburt des rußländischen Kosakentums" beauftragt wurde. In Übereinstimmung mit dem Anliegen und dem Wortlaut des Präsidentenerlasses verabschiedete der Oberste Sowjet Rußlands am 16. Juli 1992 den Beschluß Nr. 3321-1 "Über die Rehabilitierung des Kosakentums". Und am 7. August signalisierte der Rat der Atamane Rußlands sein Einvernehmen mit diesem Parlamentsbeschluß.40

4. Der "Große Krug zur Rettung des Don": Regionalismus versus Zentralismus

Der Präsidentenerlaß schien die Horizonte der Kosakenbewegung am Don zu erweitern. Bereits einen Tag vor der Annahme des Parlamentsbeschlusses "Über die Rehabilitierung des Kosa- kentums" verabschiedete der Kleine Rat des Rostover Gebietssowjets den Beschluß Nr. 170 zur Umsetzung des Präsidentenerlasses vom 15. Juni 1992.41 Voller Hoffnung erklärte der Don- kosakenbund, daß nunmehr die Kosakenbewegung über den juristischen Status gesellschaftlicher Vereinigungen hinauswachse. Der Vorsitzende der Ständigen Kommission für Kosakenangelegenheiten beim Rostover Gebiets- sowjet, Evgenij Lykov, Volksdeputierter und Kosak der Staniza Nižne-Gnilovskaja, erfüllte diese Hoffnung jedoch nicht. Unter seiner Ägide befaßte sich die auf Beschluß des Gebietsso- wjets vom 15. Juli gebildete Arbeitsgruppe lediglich mit der Vorbereitung einer Vereinssatzung und nicht mit der Erarbeitung von Gesetzesgrundlagen für die Selbstverwaltung und die Re- gelung der Bodenfrage. Erst unter dem Druck des Donkosakenbundes erarbeitete die Kommis- sion nach Archivstudien ein Musterstatut für Kosakengemeinschaften auf Chutor- und Staniz- enebene, eine Durchführungsverordnung für ein Referendum zur Wiederherstellung der ko- sakischen Selbstverwaltung und eine Verordnung zur Aufteilung und Nutzung des Bodens durch die Kosaken. Der Kleine Rat des Gebietsparlaments bestätigte diese Dokumente in erster Lesung am 24. September 1992.42 Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Differenzierung der Kräfte schien sich am Don in den Sommermonaten 1992 eine Spaltung der Kosakenbewegung anzubahnen. Dabei ging es we- niger um prinzipielle Fragen. Vielmehr gerieten die leere Heereskasse und der damit verbundene Führungsstil des Atamans in die Kritik. Zur Lösung dieser Konfliktsituation beschloß der Rat der Atamane am 23. September, den Großen Krug zur Rettung des Don zum 10. Oktober einzuberufen. Meščerjakov, der den Termin für den Krug auf den 24. Oktober verschieben wollte, sah sich zum Einlenken gezwungen. Die Eröffnung des 3. Großen Krug charakterisierte in symbolischer Weise den Flügelkampf zwi- schen den Vertretern einer regionalen Eigenständigkeit und den Sympathisanten großrussischer Ambitionen. Anstelle der kurzen Heereshymne des Jahres 1918 bot ein Volkschor eine auf die Melodie der Heereshymne neu vertexte Darbietung. Der in diesem Lied besungene "Ruhm des 39 Die Frage der territorialen Integrität der Kosakenheergebiete fand selbst im Rahmen der Rußländischen Föde- ration keine Lösung. Am 3. Juli 1992 verabschiedete der Oberste Sowjet das Gesetz zur territorial-staatlichen Gliederung der Rußländischen Föderation, das den Status quo und nicht die kosakischen Territorialfor- derungen als Grundlage für den Erhalt des rußländischen Vielvölkerstaates betrachtete. 40 Vgl. Nezavisimaja gazeta, 7.8.1992, S. 1. 41 Vgl. DVV, Nr. 14/58, März 1993, S. 4. 42 Das Musterstatut der Stanizen-Kosakengemeinschaft wurde erst am 24. November 1992 in der Gebietszeitung "Molot" veröffentlicht. Der Entwurf stieß auf heftige Kritik der Kosaken, da er mehr einer Vereinssatzung als einem Gesetz zur Regelung des Lebens in der Stanizengemeinschaft ähnlich war. - Vgl. DVV, Nr. 3/47, Januar 1993, S. 3. russischen Zaren" veranlaßte den Monarchisten Kolodkin zu emotionalen Hochrufen auf den "Herrscher und Imperator!" Darauf folgte jedoch eine laut vernehmbare Antwort der Kosaken: "Ruhm dem Ataman Petr Nikolaevič Krasnov". Ataman Meščerjakov berichtete nur kurz über die politischen Hauptrichtungen der geleisteten Arbeit. Im Mittelpunkt standen die 25 Punkte umfassenden Forderungen nach der Rehabilitie- rung der Donkosaken.43 Diese Forderungen fanden die Unterstützung aller Delegierten. Doch konnten weder die Gründe für die leere Heereskasse ausreichend geklärt werden noch die Berich- te der Mitglieder der Atamansleitung die Unzufriedenheit der Kosaken mit ihrem Ataman ver- drängen. Damit war der Ausgang der Atamanswahl programmiert.44 Als neuer Ataman wurde Vasilij Kaledin gewählt, er legte am 24. Oktober 1992 den Treueid ab.45 Im Unterschied zu Meščerjakov, der die Wiederherstellung der Don-Republik auf politischem Wege zu erreichen suchte, erwies sich der neue Ataman als Verfechter eines Kulturregionalis- mus. Dabei ging es insbesondere um die Integration der nichtkosakischen Bevölkerung am Don. Den Schwerpunkte legte Kaledin auf das Zusammengehen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche und die Wiederherstellung des Don-Erzbistums. Denn niemand könne verbieten, wie Kaledin meinte, daß sich die Kosaken im Schutze der Kirche entsprechend ihrem Glauben, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Kultur und Mentalität im angestammten Territorium des Dongebietes vereinigen.46 Doch klammerte auch Kaledin die politischen Fragen nicht aus. So verfolgte er das Ziel, in Moskau eine Botschaft der Donkosaken zu eröffnen und eine Abgeordnetengruppe der Kosaken im russischen Parlament zu bilden, die sich aus Deputierten der Gebiete Rostov und Wolgograd sowie der Kalmykischen Autonomen Republik zusammensetzen sollte. Im Oktober 1992 verabschiedete der Kleine Rat der Atamane den Beschluß "Über das örtliche Referendum (Provisorische Verordnung für den Aufbau kosakischer Selbstverwaltungen in den Stanizen und Chutors des Rostover Gebietes)".47 Dieses Dokument war bereits durch den Kleinen Rat des Rostover Gebietssowjets am 24. September in erster Lesung bestätigt worden. Das Referendum sollte über die Machtfülle der kosakischen Selbstverwaltungen entscheiden. Be- merkenswert war, daß dieser schleichende Machtwechsel im Rahmen des Gesetzes "Über die regionale Selbstverwaltung in der RSFSR" und auf Initiative der örtlichen Sowjets vollzogen werden sollte. Insofern waren Konflikte zwischen den an die Macht drängenden Kosaken und den bestehenden Herrschaftsstrukturen am Don unausweichlich. Allein im Jahr 1992 wurden wegen unerlaubten Waffenbesitzes mehr als 30 Strafrechtsverfahren gegen Kosaken durch die örtliche Staatsanwaltschaft angestrengt und über 20 Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse kosakischer Vereinigungen erhoben. "Unsere Aufgabe ist es", betonte der Staatsanwalt des Rostover Gebietes, Posidelov, "die Kosakenbewegung in eine gesetzlich geregelte Bahn zu lenken". Die Grundlage dafür bilde der Ukas El'cins, der jedoch in bestimmten Formulierungen wie z.B. "kompaktes

43 Vgl. DVV, Nr. 26/33, Oktober 1992, S. 1f. 44 Nachdem sieben Kosaken ihre Kandidatur für die Atamanswahl zurückgezogen hatten, stellten Baryšnikov, Černokalov, Kaledin und Meščerjakov ihre Programme vor. Im ersten Wahlgang erhielt Baryšnikov 172 Stim- men, Černokalov keine Stimme, Meščerjakov 112 Stimmen und Kaledin bereits 295 Stimmen. Die Stichwahl gewann Kaledin mit 321 Stimmen gegen Baryšnikov, der 169 Stimmen verbuchen konnte. 45 Vasilij Ivanovič Kaledin ist zumindest nicht in erster Linie mit dem legendären Donataman Kaledin der Jahre 1917/18 verwandt. Er wurde 1937 am Don in der Staniza Ust'-Choperskaja im Rayon Podtelkovskij des Wolgograder Gebietes geboren. Nach dem Studium der Philologie und Geschichte am Wolgograder Päda- gogischen Institut war er als Lehrer für Geschichte und Literatur an Schulen und Hochschulen tätig.- Vgl. DVV, Nr. 35/42, Dezember 1992, S. 3. 46 Vgl. DVV, Nr. 28/35, Oktober 1992, S. 2. 47 Vgl. DVV, Nr. 28/35, Oktober 1992, S. 4-6; Nr. 14/58, März 1993, S. 4f. Siedlungsgebiet" oder "traditionelle Form des kosakischen Gemeindebesitzes an Grund und Boden" eine inhaltliche Präzisierung erfahren müsse.48 Nur wenige Wochen nach dem 3. Großen Krug der Donkosaken schien sich in den gespannten

Beziehungen zwischen den Kosaken und dem Präsidentenvertreter eine Wende anzubahnen.49 Zubkov empfing am 6. November 1992 eine Abordnung der Donkosaken. Die Volksdeputierten des Rostover Gebietssowjets hatten die Absicht erkennen lassen, das - ihrer Meinung nach - ver- fassungswidrige Amt eines Vertreters des Präsidenten am Don abzuschaffen. Und angesichts einer wachsenden Opposition im Obersten Sowjet suchte Zubkov im Namen des Präsidenten die Unterstützung der Kosaken. Als Gegenleistung wollte der Präsident einen "Fonds für die Wiedergeburt des Kosakentums" einrichten. Die Kosaken bekannten sich zu El'cin. Im Gegenzug erwarteten sie aber die offizielle Anerkennung des Don-, Kuban'-, Terek-, Orenburger und anderer Gebiete als Regionen mit einer kompakten Kosakenbevölkerung und die Annullierung der Bodengesetze in diesen Gebieten. Im Unterschied zu dieser regionalen Option verlangte der Kosakenbund Rußlands die überfällige Unterzeichnung des Erlasses "Über den Staatsdienst der Kosaken".50 Die Zuspitzung der politischen Situation in Rußland hatte den Präsidenten im Oktober 1992 er- neut veranlaßt, eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung der "Kosakenfrage" zu bilden. Diese Ar- beitsgruppe stand unter Leitung von Jurij Skokov, damaliger Sekretär des Sicherheitsrates.51 Die Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe (Vertreter der Ministerien für Inneres, Verteidigung und Sicherheit) verdeutlichte das Anliegen. Die Zentralmacht schien die Kosaken als Komponente der bevorstehenden Militärreform zu betrachten. Und diese Vermutung fand in dem Präsidentenerlaß Nr. 341 "Über die Reform der Militärstrukturen, der Grenztruppen und der Truppen des Innenministeriums in der Nordkaukasus-Region der Rußländischen Föderation und über die staatliche Unterstützung der Kosaken" vom 15. März 1993 ihre Bestätigung.52 Eng verknüpft mit der Rückbesinnung auf die militärischen Tugenden der Kosaken war El'cins Bestreben, den regionalistischen Tendenzen einzelner Kosakenvereinigungen durch ein großrussisches Zugehörigkeitsgefühl Einhalt zu gebieten und das gesamte "Kosakentum" erneut in den patriotischen Dienst zu stellen.

5. Die Zerreißprobe donkosakischer Ambitionen vor dem Hintergrund Moskauer Machtkonstellationen

Die Donkosaken waren sich dessen bewußt, daß die regionalen Belange nur mit Unterstützung der Zentralmacht sowie des Bundes der Kosaken Rußlands Erfolg haben konnten. Doch wollten sie sich mit dem gewachsenen Einfluß des gesamtrussischen Kosakenbundes und dessen Ataman Martynov, der sich in den Augen der Donkosaken die einstigen "Vollmachten des Thronfolgers" zu verschaffen suchte, nicht anfreunden. Die zunehmende Distanz gegenüber den "Asphalt-

48 Vgl. DVV, Nr. 13/57, März 1993, S. 2. 49 Die Wende in den Beziehungen zwischen den Donkosaken und Vladimir Zubkov blieb jedoch aus. Die Kosa- ken betrachteten Zubkov als echten russischen "Wendehals". Zubkov war als Chefarzt in einem Krankenhaus der Stadt Rostov am Don von 1986 bis 1990 Mitglied der KPdSU. Als Abgeordneter im Volkskongreß der UdSSR verstand er es, die Gunst El'cins zu erlangen. Nach Ansicht der Kosaken war Zubkov ein wahrer Verfechter der Lehre des "El'cinismus-Gajdarismus". - Vgl. DVV, Nr. 5/49, Januar 1993, S. 2. 50 Vgl. DVV, Nr. 31/38, November 1992, S. 1; Russkij vestnik, Nr. 5, 1993, S. 8. 51 Vgl. Nezavisimaja gazeta, 20.11.1992, S. 3. 52 Vgl. Ukaz Prezidenta Rossijskoj Federacii "O reformirovanii voennych struktur, pograničnych i vnutrennich vojsk na territorii Severo-Kavkazskogo regiona Rossijskoj Federacii i gosudarstvennoj podderžke kazačestva", in: Stanica, gazeta Sojuza kazač'ich vojsk Rossii, special'nyj vypusk, Nr. 1 (9), April 1993, S. 1. Kosaken" in Moskau hing auch damit zusammen, daß die Donkosaken nur indirekt an der Erarbeitung des Präsidentenerlasses beteiligt waren und sich bei der Bildung der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Satzung des "rußländischen Kosakentums" völlig übergangen fühlten. Die vermeintliche Mißachtung der regionalen Interessen durch die Zentralmacht führte am Don zu einer weiteren Radikalisierung kosakischer Ambitionen. Das zeigte sich während eines Treffens der Atamane Südrußlands am 25. November in Novočerkassk. Während die Donkosaken den bevorstehenden VII. Kongreß der Volksdeputierten Rußlands für die Durchsetzung kosakischer Interessen nutzen wollten, plädierten Martynov, Ataman des Kosakenbundes Rußlands, wie aber auch Gromov, Ataman des Kubanheeres, und Konjachin, Ataman des Terekheers, für eine Politik der Zurückhaltung und Geduld. Im Zeichen der Geschlossenheit veranstalteten die Donkosaken am 28. November 1992 in Ro- stov am Don eine beeindruckende Heerschau. Mit Genugtuung vernahmen die Kosaken auf der anschließenden Kundgebung die scharfe Kritik des Feldzugatamans an der doppelzüngigen Po- litik des Präsidentenvertreters. Es ist Zeit, betonte Ratiev, Zubkov von seinem Amt zu entbinden und Ataman Kaledin als Vertreter des Präsidenten der Rußländischen Föderation am Don einzusetzen. Das Mitglied der Atamansleitung Alejnikov verlas einen vom Rat der Atamane vorbereiteten Entwurf des Präsidentenerlasses "Über die Rehabilitierung der Kosaken". Und der am 28. November tagende Kleine Krug beschloß, diesen Entwurf dem VII. Kongreß der Volks- deputierten Rußlands durch die kosakischen Abgeordneten vorzustellen.53 Die regionale Kirchturmsicht versperrte den Donkosaken offensichtlich den Blick auf die reale Machtlage in Moskau. Denn es lag , wie die Donkosaken auf dem VII. Kongreß der Volksdepu- tierten erkennen mußten, nicht am Präsidenten El'cin, daß die geforderten Rechtsgrundlagen auf Ablehnung stießen. Vielmehr erwies sich der Volkskongreß als Hauptgegner der Präsidenten- erlasse zur Kosakenfrage. So ließ der Oberste Sowjet der Rußländischen Föderation im Dezem- ber 1992 auch die erste Beschlußvorlage des Präsidentenerlasses "Über die staatliche Unter- stützung der Kosaken" nicht passieren. Nachdem El'cin diesen Erlaß am 15. März 1993 dennoch unterschrieb, kam es zum offenen Bruch zwischen dem Obersten Sowjet und den Kosaken. Symptomatisch dafür war die Äußerung von Ramazan Abdulatipov, dem Ersten Stellvertreter des damaligen Parlamentspräsidenten Chasbulatov: "Wir haben gegen die Kosaken gekämpft. Die Völker des Kaukasus werden niemals unter der Decke der Kosaken leben."54 Im Wechselspiel dieser Moskauer Machtkonstellation erhielt der donkosakische Regionalismus durch El'cins Ukas Nr. 341 vom 15. März 1993 zunächst jedoch neuen Aufwind. Denn El'cin hatte die rußländische Regierung beauftragt, gemeinsam mit den Kosaken und den örtlichen Ver- waltungschefs bis zum 1. Juni 1993 einen Gesetzentwurf zu den Fragen der kosakischen Selbst- verwaltung zu erarbeiten. Grundlegende Orientierungspunkte waren das Verbot der Diskri- minierung kosakischer Vereinigungen, die Beteiligung der Kosaken an der Arbeit örtlicher Ver- waltungsgremien, die Regelung der wirtschaftlichen, finanziellen und kulturellen Aktivitäten der Kosakengemeinschaften im Rahmen der bestehenden Gesetze, die Wählbarkeit der Atamane und die Übertragung staatlicher Dienstpflichten.55 Diese weitgehende Legitimierung kosakischer Forderungen setzte die Rostover Gebietsverwal- tung im März 1993 erneut unter Druck. Den Anlaß dafür boten die Machtkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Obersten Sowjet Rußlands. Als Antwort auf den Ukas Nr. 341 berief der Oberste Sowjet den IX. außerordentlichen Kongreß der Volksdeputierten Rußlands ein, der am

53 Vgl. DVV, Nr. 35/42, Dezember 1992, S. 3. 54 Zit. n. DVV, Nr. 17/61, April 1993, S. 4f. 55 Vgl. DVV, Nr. 15/59, März 1993, S. 3. 21. März beschloß, grundlegende Präsidentenerlasse außer Kraft zu setzen. Das betraf insbesondere den Ukas Nr. 341 "Über die staatliche Unterstützung der Kosaken".56 Nach Ansicht der Donkosaken hatten die Volksdeputierten mit dieser Entscheidung "die Interes- sen des rußländischen Volkes verraten". Bereits am 21. März tagte der Rat der Atamane. Die Heeresleitung bot dem Präsidenten für den Fall der Auflösung des Obersten Sowjet und notwen- diger Neuwahlen jegliche Unterstützung an. Dabei handelte es sich nicht nur um verbales Säbelrasseln. Seit dem 20. März befand sich das Donheer in Alarmbereitschaft. Der Feldzugataman Ratiev unterschrieb den Befehl Nr. 21 "Über die politische Situation in Rußland und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung". Die Situation spitzte sich am 22. März weiter zu. Das Gebäude des Gebietssowjets war durch kampfbereite OMON-Truppen gesichert. Eine direkte Konfrontation mit den dort versammelten Kosaken schien unausweichlich. Der Gebietssowjet signalisierte jedoch Verhandlungs- bereitschaft. Ataman Kaledin sah sich veranlaßt, den Befehl Nr. 21 des erst am 21. März zum Generalmajor der Kosakenheere ernannten Feldzugatamans Ratiev zu annullieren. Dennoch verteidigte auch Kaledin "die juristisch und moralisch gerechtfertigte Forderung nach Wie- derherstellung des ungesetzlich liquidierten national-territorialen Gebildes des Donheergebietes als einer wirtschaftlich freien und autonomen Verwaltungseinheit".57 Am 23. März hatten sich statt fünf bereits sechzehn Kosakenhundertschaften aus dem ganzen Dongebiet vor dem Gebäude des Gebietssowjets mit Transparenten und Losungen eingefunden. Im Ergebnis der erneut aufgenommenen Verhandlungen zwischen Kaledin und dem Gebiets- sowjet wurde eine Vereinbarung über die schrittweise Wiederherstellung der kosakischen Selbst- verwaltung am Don unterzeichnet. Doch die Donkosaken lehnten diese vagen Versprechungen ab. Es kam zu einer spontanen Koskenversammlung im Paramonov-Haus in Rostov. Der selbsternannte Außerordentliche Große Krug billigte die Vereinbarung. Der Konsens bestand darin, daß die Gebietsverwaltung weder die Rechtswirksamkeit der Präsidentenerlasse am Don anzweifelt noch die kosakischen Machtansprüche als eine Usurpation betrachtet. Die Kosaken verpflichteten sich, den Aufbau kosakischer Selbstverwaltungen am Don von den Ergebnissen eines Donkongresses aller Bevölkerungsteile abhängig zu machen. Im Vorgriff dieser Entscheidung proklamierte der Große Krug im Sinne der Grundgesetze des Donheeres von 1918 "die Wiederherstellung der kosakischen Selbstverwaltung in Gestalt des durch die Bolševiki liquidierten national-territorialen Gebildes des Donheergebietes". Damit wurde das gesamte Dongebiet zum kompakten Siedlungsraum der Kosaken erklärt.58 Am 24. März bestätigte der Kleine Rat des Gebietssowjets eine provisorische Verordnung über die Zuteilung von Bodenabschnitten an Kosakengemeinschaften.59 Es war vorgesehen, einen Bo- denfonds für die Rehabilitierung der Kosaken zu bilden und ein neues Regionalprogramm für die Wiedergeburt der Donkosaken zu erarbeiten. Doch die Rostover Gebietsverwaltung überwand ihre Ohnmacht. Staatsanwalt Posidelov leitete gem. Artikel 21 des Gesetzes "Über die Staatsanwaltschaft der Rußländischen Föderation" eine Rechtsprüfung der Donkosakenbeschlüs- se ein und beauftragte den Chef der Rostover Verwaltung des Ministeriums für die Sicherheit der

56 Der Präsidentenerlaß Nr. 341 vom 15. März 1993 wurde am 23. März 1993 in der Zeitung "Rossijskaja gaze- ta" veröffentlicht. Gemäß Artikel 10 des Erlasses trat dieser Ukaz mit dem Tag seiner Veröffentlichung in Kraft. Dieser Umstand verdeutlichte, daß El'cin ungeachtet der Angriffe des Volkskongresses vom 21. März gewillt war, diesen Ukaz durch die Veröffentlichung am 23. März in Kraft setzen zu lassen. 57 DVV, Nr. 17/61, April 1993, S. 2f, 3. 58 Ebenda; Večernij Rostov, 24. März 1993. 59 Siehe Wortlaut der Verordnung, in: DVV, Nr. 19/63, Mai 1993, S. 3. Rußländischen Föderation (ehemals KGB), Jurij Kuznecov, mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens.

Die Märzereignisse am Don waren Gegenstand internationaler Medienberichte.60 Da in diesen Berichten von der Bildung einer Donregierung sowie einer von Rußland unabhängigen Kosaken- republik die Rede war, fanden sich am 25. März in Rostov am Don zur Klärung der Situation der Ataman des Kosakenbundes Rußlands und die Atamane des Donheeres, des Kubanheeres, der Stavropoler Linienkosaken, des kalmykischen Kosakenbundes, des Sibirischen Heeres und des Wolga-Ural-Kosakenbundes ein. Martynov verwies auf die Erklärung des Kosakenbundes vom 23. März 199361, die den Präsidentenerlaß positiv bewertete und die Bereitschaft der Kosaken zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben beim Schutz der heiligen Grenzen Rußlands sowie bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung dokumentierte. In der neuen Erklärung an die Bürger Rußlands vom 25. März warnte der Rat der Atamane vor der Einbeziehung der Kosaken in die zentralen Machtkämpfe, da die Gesellschaft sich am Rande eines Bürgerkrieges bewege. Die Kosaken seien bereit, ihren Beitrag zur Stabilisierung der Staatlichkeit und der demokratischen Umgestaltungen zu leisten. In diesem Sinne unterstützten die Atamane auch die Beschlüsse der Donkosaken zur Wiederherstellung des Donheergebietes als Subjekt der Rußländischen Föderation.62

6. Die Lösung der "Kosakenfrage" im machtpolitischen Verständnis des Rostover Gebietssowjets

Der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Obersten Sowjet der Rußländischen Föde- ration erreichte am 2. April 1993 einen neuen Höhepunkt. Der Oberste Sowjet der Rußländi- schen Föderation hatte gegen den Präsidentenerlaß Nr. 341 vom 15. März 1993, der mit seiner Veröffentlichung am 23. März in Kraft getreten war, beim Verfassungsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt. Im Windschatten dieses Vorstoßes, mit dem die Kosakenpolitik El'cins paralysiert werden sollte, eröffnete auch die Altnomenklatura im Rostover Gebiet eine neue Offensive gegen die Kosaken. Den Anlaß dafür bot ein Zwischenfall mit tödlichem Ausgang im Paramonov-Haus. Das "Hauptquartier" der Donkosaken wurde am 14. April von OMON- Einheiten besetzt. "Die Ereignisse der letzten Tage erfordern", wie der Bürgermeister der Stadt Rostov am Don, Ju- rij Pogrebščikov, unterstrich, "unser entschlossenes Vorgehen, da die Handlungen der Kosaken- organisationen völlig der Kontrolle entglitten sind". Nach Meinung des Bürgermeisters beab- sichtigten die Donkosaken die Bildung neuer Machtstrukturen und damit eine Veränderung des Staatsaufbaus am Don. Mit der Bemerkung, daß er auch zu blutigen Lösungen bereit sei, ver- anlaßte Pogrebščikov die Überprüfung der Rechtsfrage, ob die Handlungen der Kosaken ihren offiziell registrierten Satzungen entsprächen. Auf Betreiben des Rostover Staatsanwaltes sollte der Rostover Kosaken-Okrug aufgelöst und damit ein Präzedenzfall geschaffen werden. Diese

60 So informierte am 24.3.1993 BBC über die Unterstützung El'cins durch die Kosaken, der Radiosender "Svo- bada" brachte ein Interview mit Kaledin, das Nachrichtenprogramm "Vesti" berichtete über die Wiederherstel- lung der kosakischen Selbstverwaltung und die Bildung einer Kosakenregierung am Don. 61 Am 23. März 1993 fand ein Treffen des Sekretärs des Präsidiums des Obersten Sowjets der Rußländischen Föderation, V. Syrovatko, mit führenden Vertretern der Kosakenvereinigungen Rußlands statt, auf dem die Probleme der Kosakenbewegung und insbesondere auch die Situation am Don erörtert wurden. Noch am glei- chen Tage trat der Kleine Rat der Atamane des Kosakenbundes Rußlands zusammen, der die genannte Er- klärung beschloß und Mitglieder des Rates der Atamane nach Rostov am Don zur Klärung der Situation ent- sandte. 62 Vgl. DVV, Nr. 17/61, April 1993, S. 4. "Streitsache" wurde am 23. und 25. Juli 1993 vor dem Gebietsgericht verhandelt. Das Gericht stellte fest, daß der Rostover Kosaken-Okrug in den Jahren 1992 und 1993 gegen die Verfassung und andere Gesetze der Rußländischen Föderation sowie gegen die eigene Satzung verstoßen habe. Dadurch wären Rechte und Freiheiten von natürlichen und juristischen Personen eingeschränkt und die gesellschaftliche Lage destabilisiert worden. Dennoch konnte oder wollte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verbot des Rostover Kosaken-Okrug nicht folgen. Den Kosaken wurde aber angedroht, daß im Wiederholungsfall die Liquidierung dieser Vereinigung als eingetragene juristische Person erfolgen werde.63 Der massiv einsetzende Widerstand gegen den "Kosaken-Extremismus" beschränkte sich nicht auf Rostov. Die Machtinstanzen im Oberen Dongebiet erklärten den konstituierenden Krug der Kanzansker, Sumilinsker und Meškovsker Jurten als ungesetzlich und forderten deren Neuregi- strierung. Im Čertkovsker Rayon wurden gegen Kosaken ein Prozeß wegen Entfachung nationa- ler Zwistigkeiten angestrengt, der Post die Zuteilung von Kosakenzeitungen untersagt und Ak- tivitäten zur Errichtung kosakischer Selbstverwaltungen verboten. Diese Vorgehensweise wurde durch die Beschlüsse der 13. Tagung des Rostover Gebietssowjets ganz im Sinne der Re- solutionen der XI. Tagung des Obersten Sowjet Rußlands politisch sanktioniert.64 Die Donkosaken wandten sich an das Verfassungsgericht Rußlands. Gleichzeitig versuchten sie, aus ihrer Notsituation heraus eine Offensive zu entwickeln. Der Donataman erließ den Befehl Nr. 30 zur Einrichtung eines Informationszentrums, das im Mai 1993 die Arbeit aufnahm. Das Informationszentrum sollte Kampagne zur Diskreditierung der Kosaken entgegenwirken.65 Die regionalen Probleme standen, wie die turbulenten Märztage am Don zeigten, in direkter Ab- hängigkeit von der Machtkonstellation im Zentrum. Unter diesem Vorzeichen beteiligten sich die Donkosaken an dem Obersten Vereinigungskrug der Kosakenheere Rußlands, der Lands- mannschaften und der Kosaken des Auslandes (Ob-edinitel'nyj Verchovnyj Krug kazač'ich vojsk, zemljačestv i kazakov zarubež'ja), der im Juli 1993 in Moskau stattfand. Auf diesem Kongreß waren 269 kosakische Delegierte vertreten. Der Krug wählte den Donataman Kaledin zum Vorsitzenden und den Donfeldzugataman Ratiev zum Obersten Ataman.66 Die Donkosaken schienen gewillt, die Dominanz in den Leitungsgremien des zentralen Kosakenverbandes für die Durchsetzung ihrer regionalen Interessen zu nutzen. Novočerkassk wurde als Hauptstadt aller Kosaken bestätigt. Ratiev rief dazu auf, selbständig für Recht und Ordnung in den Kosakenländern einzutreten. Und Kaledin kritisierte die "volksfeindlichen Beschlüsse der 13. Tagung des Rostover Gebietssowjets".67 Am 16. September 1993 erklärte das Verfassungsgericht der Rußländischen Föderation den Prä- sidentenerlaß El'cins Nr. 341 vom 15. März 1993 über die Reform der Militärverwaltungsstruk- turen im Nordkaukasus und die staatliche Unterstützung der Kosaken verfassungsgemäß. Der Erlaß entspräche insbesondere dem Beschluß des Obersten Sowjet vom 16. Juli 1992 "Über die Rehabilitierung der Kosaken". Insofern bilde der Präsidentenerlaß, wie das Mitglied des Verfassungsgerichtes, Boris Ebzeev, erklärte, "ein Regelwerk für die Umsetzung früher durch den Obersten Sowjet verabschiedeter Gesetze".68 63 Vgl. DVV, Nr. 19/63, Mai 1993, S. 1f; Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 2. 64 Vgl. DVV, Nr. 19/63, Mai 1993, S. 4; Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 1. 65 Vgl. DVV, Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 3. 66 Der bis Juli 1993 amtierende Ataman des Bundes der Kosakenheere Rußlands Vetrov stand auf dem Krug we- gen seiner "finanziellen Machenschaften" unter scharfer Kritik. Er zog es vor, für das Amt des Obersten Ata- mans nicht zu kandidieren.- Vgl. DVV, Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 1; Nr. 30/74, November 1993, S. 1. 67 DVV, Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 1. 68 Vgl. Rossijskaja gazeta, Nr. 180, 17. September 1993, S. 2; DVV, Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 3, 8. Das Urteil des Verfassungsgerichtes dokumentierte die gefestigte Position El'cins in der Ausein- andersetzung mit den Obersten Sowjet, der wenige Tage später in den blutigen Machtkämpfen um das "Weiße Haus" in Moskau unterging. Unter diesen Bedingungen sah sich auch der Ro- stover Gebietssowjet gezwungen, seinen offenen Konfrontationskurs gegen die Kosaken zu ver- lassen. Am 13. September 1993 kam es in Rostov am Don zu einer Beratung der Deputierten des Gebietssowjets, zu der auch Ataman Kaledin eingeladen war. Es ging um die Vorbereitung der 15. Tagung des Rostover Gebietssowjets, die Mitte September über ein neues Programm zur Wiedergeburt der Donkosaken beraten sollte. Auf dieser Tagung hielt der stellvertretende Chef der Gebietsverwaltung, Emel'janov, zu dem Programm ein Grundsatzreferat. Seine Ausführungen charakterisierten die ambivalente Haltung des Gebietssowjets. Die konträren Meinungen der Gebietsverwaltung und der Kosaken kamen in den Darlegungen des Donatamans Kaledin vor den Volksvertretern zum Ausdruck. Kaledin betonte, daß "die Ko- saken wie jedes andere Volk das Recht auf Selbstbestimmung haben". Im Hinblick auf die Na- mengebung des Gebietes erinnerte Kaledin an das einstige Regionalbewußtsein aller am Don lebenden Menschen als "Doncy". So sei die Wiederbelebung kultureller Traditionen der Don- kosaken eine gesamtregionale Aufgabe. Zur Frage der territorialen Integrität führte er aus, daß die Kosaken keine Gebietsansprüche z.B. gegenüber der Ukraine hegten. Die Rehabilitierung der Kosaken stünde nicht im Gegensatz zur Privatisierung, da die Kosaken lediglich die Restitution jener Gebäude forderten, die bis zur Konfiskation durch die Sowjetmacht der gesamten Kosakengemeinschaft gehörten. Die Standpunkte des Donatamans stießen bei zahlreichen Sowjetdeputierten auf entschiedene Ablehnung. Das dokumentierte die Abstimmung über die zwei vorgelegten Programmentwürfe zur Wiedergeburt der Donkosaken. Das Programm der Ständigen Kommission für Angelegenhei- ten der Kosaken beim Rostover Gebietssowjet fand nicht die notwendige Stimmenmehrheit.

7. Die Achillesferse der Kosakenbewegung: Ideologisierung und politische Differenzie- rung in der postsowjetischen Zeit

Der 4. Große Krug der Donkosaken tagte vom 9. bis 10. Oktober 1993 in Novočerkassk, wenige Tage nach den Kämpfen um das "Weiße Haus" in Moskau. Unter den Bedingungen einer zu- gespitzten politischen Situation und einer fortschreitenden Ideologisierung der Kosakenbewegung erlebte der große Saal des Novočerkassker Donkosakentheaters eine traurige Vorstellung des Demokratiemodells "Krug". Unter Mißachtung der Bräuche begann der Krug ohne den feierlichen Einmarsch des Heerbanners und den traditionellen Gottesdienst. Bei der Wahl des Vorsitzenden des "Krug" spielten persönliche Ambitionen die entscheidende Rolle. Ratiev, der einstige Donfeldzugataman, prophezeite eine Spaltung der Kosakenbewegung, wenn es auf dem Krug zur Neuwahl des Atamans kommen sollte. Der Krug aber schien nicht gewillt, den Donataman in seinem Amt zu belassen. Kaledin dankte ab. Für die Neuwahl wurden der amtierende Feldzugataman Kozicyn, der Erste Beigeordnete des Donatamans, Baryšnikov, der stellvertretende Vorsitzende des Komitees für die Angelegenheiten der Kosaken bei der Rostover Gebietsverwaltung, General Čumičev, der Ataman des Čerkassker Okrugs, Meščerjakov, der ehemalige Ataman des Rostover Okrugs, Bojko und der Ataman der Staniza "Verchnaja" des Čerkassker Okrugs, Nedvigin, vorgeschlagen. Meščerjakov zog seine Kandidatur zurück. Bojko und Ratiev riefen dazu auf, Kozicyn als Ataman zu wählen. Doch konnte weder Čumičev (145 Stimmen) noch Kozicyn (123 Stimmen) die erforderliche Stimmenmehrheit im ersten Wahlgang auf sich vereinen.69 Aus der Stichwahl ging der Gene- ralmajor der Reserve der russischen Streitkräfte, Vladimir Čumičev, knapp als Sieger (162 Stimmen) hervor. Daraufhin verließen die Kosaken von Rostov und Čerkassk den Krug. Die Mehrheit aber hielt zu Čumičev. Damit war jedoch die Krise noch nicht überwunden. Nur zwei Wochen währte die Amtsperiode Čumičevs. Am 23. Oktober erklärte er auf dem Rat der Atamane in Novočerkassk seinen Rücktritt. Von den anwesenden 13 Mitgliedern des Rates stimmten 11 Atamane für die Ernennung von Nikolaj Kozicyn zum amtierenden Heeresataman. Oberst Kozicyn war mit der Übernahme dieser Pflichten unter dem Vorbehalt einverstanden, daß im Mai 1994 der Große Krug über die Wahl des Heeresatamans entscheiden sollte.70 Der Rat der Atamane beschloß im November 1993, jegliche Kosakenvereinigungen außerhalb des Bundes der Donkosaken verbieten zu lassen. Der amtierende Donataman erließ den Befehl, alle "Raskolniki" im Range eines Atamans einstweilig vom Dienst zu suspendieren. Die Spaltung der Donkosaken hatte verhängnisvolle Auswirkungen auf die Vorbereitung der Wahlen zur Staatsduma. Da in einzelnen Wahlbezirken Kosaken gegeneinander kandidierten, vermochten nicht einmal traditionelle Kosakenregionen wie Čerkassk oder Taganrog einen Kan- didaten durchzubringen. Mit dem Blick auf die im März 1994 angesetzten Kommunalwahlen beschloß der Rat der Atamane im Januar 1994, eine breite Wahlkampagne zu führen. Neben einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit sollte das bei der Atamansleitung als Wahlkampfstab in- stallierte "Politische Zentrum zur Rehabilitierung der Kosaken" zum Wahlerfolg beitragen.71 Die mit den Wahlkämpfen verbundenen politischen Aktivitäten der Kosaken signalisierten der Zentralmacht den Handlungsbedarf. Am 22. April 1994 verabschiedete die Regierung Rußlands den Beschluß "Über die Konzeption einer Staatspolitik bezüglich der Kosaken". Doch offenbarte diese "neue" Kosakenpolitik, die auf eine einfache Transformation kosakischer Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen vom Ende des 19. Jahrhunderts in das ausgehende 20. Jahrhundert orientierte, zugleich die große Unsicherheit der Zentralmacht im Umgang mit den komplizierten Problemen der Kosakenrenaissance. Die Politisierung der Kosakenbewegung in einzelnen Regionen Rußlands, die an Eigendynamik gewonnen hatte, unterstrich die Notwendigkeit, die Arbeiten am Staatsprogramm für die Wiedergeburt der Kosaken zu forcieren. El'cin unterzeichnete am 1. Juli 1994 den Erlaß Nr. 1389 "Über den Rat für Kosakenfragen beim Prä- sidenten der Rußländischen Föderation". Dieser Rat, in dem auf nebenamtlicher Grundlage Ver- treter der Kosaken, der Präsidentenverwaltung, der Regierung Rußlands sowie interessierter Gremien der föderalen Exekutive mitwirken sollten, besaß beratende Funktionen in Fragen der staatlichen Kosakenpolitik. Unter dem Vorsitz des Ministers für Nationalitätenfragen und Re- gionalpolitik der Rußländischen Föderation, Nikolaj Egorov, wurde der Rat mit der Vorberei- tung und Durchführung eines "Gesamtrußländischen (Vereinigungs-) Krug" beauftragt.72 Die fortschreitende Ideologisierung und politische Differenzierung waren für die gesamte Kosa- kenbewegung in den Jahren 1994 und 1995 charakteristisch. Als Pendant zum Kosakenbund des Donheeres unter dem Ataman Kozicyn versuchten die von der Führung des Donkosakenbundes "Geächteten", Baryšnikov, Nedvigin, D'jakov u.a., eine selbständige Donkosakenvereinigung zu formieren. Ende 1994 konstituierte sich unter der Bezeichnung "Vsevelikoe Vojsko Donskoe" eine alternative Kosakenvereinigung. Der Gründungskrug dieser Assoziation, an dem ehemalige 69 Baryšnikov erhielt nur 29 und Nedvigin sogar nur 9 Stimmen. 70 Vgl. DVV, Nr. 30/74, November 1993, S. 2. 71 Vgl. DVV, Nr. 31/75, Dezember 1993, S. 1f.; Nr. 1, Januar 1994, S. 1. 72 Ukaz Prezidenta Rossijskoj Federacii "O Sovete po delam kazačestva pri Prezidente Rossijskoj Federacii" vom 1.7.1994 (Nr. 1389), in: Stanica Nr. 1 (14), Februar 1995, S. 3; Vgl. auch Rossijskie vesti, 24.8.1994, S. 1. Atamane sowie in Opposition zur Führung des Donkosakenbundes stehende Kosaken teilnahmen, wählte Baryšnikov zum Ataman. Dabei fanden sie, wie Baryšnikov am 4. Februar 1995 auf der ersten Zusammenkunft des Rates der Atamane des "Vsevelikoe Vojsko Donskoe" berichtete73, die Unterstützung der Rostover Gebietsverwaltung. Diese hatte die Dumawahlen ohne wesentliche personelle Veränderungen überstanden. In den Augen des nach wie vor amtierenden Gebietsverwaltungschefs Čub, seines Stellvertreters Emel'janov, des Vorsitzenden des Gebietskomitees für Kosakenangelegenheiten Rubanov und anderer Gebietsvertreter, die an der Erarbeitung der Satzung des Bundes der donkosakischen "Raskol'niki" (Spalter) beteiligt gewesen sein sollen, mochte denn auch eine gespaltene Kosakenbewegung als potentieller Machtkonkurrent leichter zu beherrschen sein.74 Besonders deutliche Konturen nahmen die unterschiedlichen Standpunkte in der Tschetschenien- Frage an. Einen Tag vor der endgültigen Entscheidung Moskaus, Dudaev zu stürzen, unter- zeichneten Kozicyn und Dudaev am 24. August 1994 in Groznyj einen Vertrag über Freund- schaft und Zusammenarbeit zwischen dem Allmächtigen Donheer und der Tschetschenischen Republik. Dieser Vertrag wurde durch den Großen Vereinigungskrug der Kosaken vom Don, Kuban, Terek und des Stavropoler Kreises in Krasnodar gebilligt. Der am 12. September 1994 in Novočerkassk tagende Rat der Atamane des Donheeres empfahl, diesen Vertrag unter dem Vorhalt einiger Ergänzungen zu ratifizieren. Doch fand dieser Vertrag auch am Don Widersacher. So hatte der Große Krug der Kosaken von Novočerkassk den Vertrag abgelehnt, weil er die Interessen des "Kosakentums" und der rußländischen Heimat verraten würde. Große Bedenken gegenüber der Tschetschenien-Politik Kozicyns äußerte auch der Ataman des Ober- Donokrug Kartašov, weil diese Politik weder bei den Kuban- und Terekkosaken noch bei den historisch mit den Donkosaken verbundenen Osseten, Adygen und Kabardinern Verständnis gefunden habe.75 Ungeachtet der scharfen Kritik an diesem Vertrag seitens der rußländischen Machtinstanzen und Medien, aber auch der zentralen Kosakenverbände ließ Kozicyn als Donkosakenataman sich auch während des Tschetschnien-Krieges nicht von seiner wohl auch regionalistisch begründeten Haltung abbringen. Die Wiederwahl Kozicyns als Ataman auf dem 5. Großen Krug des Kosakenbundes des Donheeres, der unter Beteiligung von Vertretern zahlreicher Kosakenver- einigungen des In- und Auslandes vom 3. bis 4. Dezember 1994 in Novočerkassk stattfand, be- stärkte in seinen politischen Anschauungen. Während selbst Ramazan Abdulatipov sich veran- laßt sah, seine einstigen Vorbehalte zu revidieren und den Donkosaken für ihre prinzipielle Po- sition in der Tschetschenien-Frage zu danken, bezeichnete nicht nur die großrussische Presse die Politik der Donkosaken "als Musterbeispiel juristischen Analphabetentums" und "Verrat Ruß- lands". Vielmehr gab es auch am Don zahlreiche Stimmen, die den Vertag umgehend annulliert wissen wollten, da er eine Schande für die Donkosaken sei.76

73 Auf der Tagesordnung dieses Rates der Atamane standen folgende Fragen: Die Wiedergeburt der Kosaken als Volk, das Wirtschaftsprogramm des Vsevelikoe Vojsko Donskoe, die Gründung einer Kosakenakademie der Wissenschaften. - Vgl. Lazorevaja step', gazeta kazakov Doneckogo okruga oblasti Vojska Donskogo, Nr. 6 (60), Februar 1995, S. 1. 74 Vgl. DVV, Nr. 1/88, Januar 1995, S. 1. 75 Vgl. Lazorevaja step', Nr. 6 (60), Februar 1995, S. 2. 76 Vgl. Lazorevaja step', Nr. 31 (40), September 1994, S. 2. 8. Die ethnische Identität und territoriale Integrität im kontroversen Selbstverständnis der Donkosaken

Die Meinungsverschiedenheiten, die Ende 1994 in der organisatorischen Spaltung der Donkosa- kenbewegung kulminierten, reflektierten die unterschiedlichen Standpunkte zur territorialen In- tegrität und ethnischen Identität. Im wesentlichen handelte es sich dabei um drei größere Strö- mungen: die sogenannten "Gosudarstvenniki" (Etatisten), die "Avtonomisty" (Autonomisten) und die "Samostijniki" (Separatisten). Die "Gosudarstvenniki" bzw. die "Edinonedelimcy" (Unita- risten), wie sie auch bezeichnet wurden, traten für den Erhalt des rußländischen Imperiums ein. In den Anschauungen der "Gosudarstvenniki" war die "Kosakenfrage" ein ständisches und kein ethnisches Phänomen.77 Demnach galt es, die durch die "Entkosakisierung" gelichteten Reihen mittels Neuaufnahmen in den Kosakenstand zu füllen. Der Kosakenstand sollte Privilegien besitzen, das Rückgrat der russischen Armee bilden und für Ordnung und Disziplin im Lande sorgen. Die "Gosudarstvenniki" waren bereit, den Kampf um Großrußland gegen die Ukraine, Georgien, Moldavien, die "kaukasische Mafia" oder jeden anderen beliebigen Feind zu führen. Denn in ihren Augen hatten die Kosaken nur die Russen als Verbündete. Ganz in diesem Sinne bedauerte u.a. der Donkosak Kostjukov, daß Rußland im Unterschied zu anderen Republiken des "nahen Auslandes" keine eigene staatliche Souveränität besäße. "Und falls jemand meinen Patriotismus als Nationalismus bewertet, so möge Gott ihm vergeben. Dann bin ich eben ein Nationalist, ein russischer Nationalist."78 Die Anhänger der Kosakenautonomie warnten vor den Folgen des Abdriftens in das großrussi- sche Fahrwasser. Sie hegten Zweifel gegenüber Großrußland als einzigem Verbündeten. Denn weder die Kosaken vom Ural oder Terek noch die Kosaken von Semirečensk oder von der sibi- rischen "Gor'kaja linija" in Kasachstan hätten bislang die erhoffte Hilfe der Russen erhalten. Des- halb könne die Zukunft der Donkosaken ausschließlich in einer autonomen Kosakenrepublik des Allmächtigen Donheeres (avtonomnaja kazač'ja respublika Vsevelikoe Vojsko Donskoe) sowie in dem Bund der autonomen Kosakenrepubliken, -gebiete und -rayons im Bestand der Rußländischen Föderation bestehen. Die "Avtonomisty" betrachteten die Kosaken als ein ei- genständiges slavisches Volk. In diesem Verständnis traten sie für die Wiedergeburt des "Kosa- kentums" als Ethnie in der Ukraine und für eine Autonomie der Zaporoger vom Dnepr-Unterlauf (Nizovye Zaporožcy) im Bestand der Ukraine ein. Das aber klammerte eine politische Lösung der aufgeworfenen Frage nach der territorialen Integrität des Dongebietes nicht aus. Dabei ging es in erster Linie um jene Gebiete des Donheeres, die auf Betreiben der Bol'ševiki der damaligen Sowjetukraine übertragen worden waren.79 Eine Reproduktion kosakischer Eigenständigkeitsideen jüngeren Datums boten die "Samostijni- ki". Sie verfolgten das Ziel, einen unabhängigen Kosakenstaat in Gestalt einer Föderation der Kosakenrepubliken zu kreieren. Nicht nur die Bezeichnung dieses Staates als "Kosakia" ließ Analogien zu dem höchst zweifelhaften Vorhaben der Exilkosakenbewegung unter Petr Krasnov erkennen.80 So sollte die "Kosakia" das Don- und Kubangebiet, die Kalmykische Republik, das Stavropoler, Astrachaner, Orenburger und Ural-Gebiet umfassen. In Anlehnung an ihre

77 Vgl. u.a. Naše vremja, 10. März 1993. 78 DVV, Nr. 31/38, November 1992, S. 2. 79 Vgl. DVV, Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 4f., Siehe auch: Udo Gehrmann, Die Kosaken, a.a.O., S. 20ff. 80 Siehe u.a. Carsten Goehrke, Die russischen Kosaken im Wandel des Geschichtsbildes, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 30, 1980, S. 196ff. Vorgänger sahen die "Samostijniki" in der Ukraine und in Deutschland die wichtigsten Ver- bündeten.81 Im wesentlichen ging es bei dieser Kontroverse um die ethno-kulturelle Zugehörigkeit der Kosa- ken. Während die "Samostijniki" an die Hypothesen eines nichtslavischen Ursprungs der Kosa- ken anknüpften, setzten die "Gosurdarstvenniki" das ethnische Gleichheitszeichen zwischen Rus- sen und Kosaken. Und die Autonomisten vertraten die Meinung, daß es sich bei den Donkosaken um eine regional geprägte ethnische Menschengemeinschaft handele, die die gleichen Rechte auf Selbstbestimmung wie andere Völker besitze. Diese Ansicht erfuhr mit dem Ukas des Präsidenten Rußlands vom 15. Juni 1992 eine Aufwertung. In dem Erlaß wurden die Kosaken als eine "historisch entstandene ethno-kulturelle Menschengemeinschaft" betrachtet und gleichberechtigt in die Reihe der repressierten Völker eingeordnet. Insofern fühlten sich auch die Donkosaken in ihrem regionalen Verständnis der ethnischen Identität bestärkt. Ganz in diesem Sinne forderte z.B. der Rat der Atamane des Čerkassker Okrug im Sommer 1993, in den Pässen der Bürger kosakischer Abstammung das Wort "Russe" (russkij) durch die "Kosake" zu ersetzen.82 Denn die Kosaken seien neben den Russen, Weißrussen und Ukrainern als "viertes ostslavisches Volk" zu betrachten.83 Insofern sei ein "national-patriotisches Gefühl für die Kosaken ebenso natürlich und berechtigt wie für die Russen, Tschetschenen oder Juden...". Doch würden sich die Donkosaken zugleich als ein Teil des rußländischen Volkes verstehen und mit Stolz über sich sagen können: "Ja, wir sind keine Russen, wir sind rußländische Kosaken."84

9. Die militärische Vision im tradierten Spannungsfeld zwischen Regionalismus und Patriotismus

Nahezu alle Charakterzüge der regionalen Donidentität waren durch die militärischen Traditio- nen geprägt. Der Revitalisierung dieser Traditionen hatten sich die militär-historischen Klubs an- genommen. Bereits im Juli 1990 versammelten sich Mitglieder dieser Klubs der Kosakenheere Rußlands in Novočerkassk, um erstmals in den Kosakenuniformen der Jahre 1914-1918 eine "Heerschau" zu veranstalten und das erste Banner des Donheeres segnen zu lassen.85 Durch den Ukas Nr. 341 über die Reform der Militärstrukturen in der Nord-Kaukasischen Re- gion und über die staatliche Unterstützung der Kosaken vom 15. März 1993 erfuhren die einsti- gen Militär- und Polizeifunktionen der Kosaken eine deutliche Aufwertung. El'cin bestätigte ein Reglement für den Militärdienst der kosakischen Nachfahren und aller Bürger, die freiwillig den Kosakengemeinschaften beitreten wollten. Das Verteidigungs-, Sicherheits- und Innenmini- sterium wurden angewiesen, die Zahl bereits vorhandener Kosakenformationen festzustellen und Vorschläge für die Vergabe traditioneller Namen an diese Einheiten zu unterbreiten. In den Ver- waltungsapparaten dieser Ministerien waren Gremien für Kosakenangelegenheiten zu bilden sowie Verordnungen über Ausbildungsstätten, Uniformen, Ränge und Ehrenzeichen der Kosaken

81 Vgl. DVV, Nr. 31/38, November 1992, S. 2; Nr. 24-25/68-69, September 1993, S. 13; Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 12; Nr. 30/74, November 1993, S. 7. 82 Vgl. Pravda, Nr. 175, 10. September 1993; Die Unsicherheit der Sowjetbehörden bei der Behandlung dieser Frage zeigte sich u.a. auch darin, daß es ungeachtet der großrussischen Politik sogar noch in den 50er Jahren vorkam, daß in den Bescheinigungen für die Entlassung von Kosaken aus dem Gulag in der Spalte "Natio- nalität" das Wort "Kosak" eingetragen wurde. - Vgl. DVV, Nr. 1/76, Januar 1994, S. 2. 83 Diesen Standpunkt der "avtonomisty" vertrat u.a. der Ataman des Ober-Don-Okrug Kartašov. - DVV, Nr. 5/ 49, Januar 1993, S. 3; Nr. 18/62, April 1993, S. 4f. 84 DVV, Nr. 33/40, Dezember 1992, S. 4f. 85 Vgl. DVV, Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 7. zu erarbeiten.86 Den Verwaltungschefs der Gebiete mit einer kompakten Kosakenbevölkerung empfahl El'cin, gesonderte Strukturen für freiwillige Aktivitäten der Kosaken in den Bereichen der patriotischen Erziehung, des Wehrsports sowie des Zivil- und Katastrophenschutzes zu bilden. In Übereinstimmung mit dem Gesetz der Rußländischen Föderation "Über private Detekteien und Sicherheitsdienste" erhielten die Kosaken das Recht, Maßnahmen zur Auf- rechterhaltung der Ordnung, zum Schutz des Eigentums, des Lebens und der Gesundheit der Bürger zu ergreifen.87 Der Präsidentenerlaß Nr. 341 vom 15. März 1993 war im Vorfeld seiner Vorbereitung selbst bei hochrangigen Offizieren auf Unverständnis gestoßen. Besonders im Innenministerium gab es Vorbehalte gegenüber dem kosakischen Polizeidienst. Noch zu Beginn des Jahres 1992 hatte der Rostover Gebietschef für Inneres, Michail Fetisov, in dem Fernsehprogramm "Kazačij krug" erklärt, daß weder ein Kosak Milizionär noch ein Milizionär Kosak sein dürfe. Doch bereits im Mai 1992 distanzierte sich Fetisov von diesen Aussagen. Dieser Sinneswandel spiegelte die Vorgänge im Innenministerium wider. Denn am 14. Februar 1992 hatte der Stellvertreter des Innenministers, Generalleutnant Kulikov, in der Weisung Nr. 1/351 Angehörigen der Organe des Innenministeriums untersagt, Mitglieder kosakischer Vereinigungen zu sein. Gegen diese Weisung legten die Kosaken beim Innenminister und beim Staatsanwalt Rußlands Widerspruch ein, da die Anordnung das Gesetz vom 26. April 1991 "Über die Rehabilitierung der repres- sierten Völker" verletze. Der Erste Stellvertreter des Innenministers, Generalleutnant Abramov, sah sich am 1. Juni 1992 veranlaßt, Kulikovs Weisung außer Kraft zu setzen.88 Damit schien der Weg für die schrittweise Übernahme regionaler Polizeifunktionen geebnet. Im September 1992 begannen Kosaken der Vereinigung "Kazačij Krug Dona" mit dem Patrouillen- dienst. Am 5. Dezember 1992 tagte in Novočerkassk in Anwesenheit des Gebietschefs für Inneres, Michail Fetisov, der Militärrat des Donkosakenbundes. Der Rat empfahl, Kosakendru- žinen zu bilden und Kosaken an den Verkehrskontrollen sowie an der Zollkontrolle entlang der Grenze mit der Ukraine zu beteiligen. Nach Angaben des Donheeres unterstützten während der Neujahrsfeiertage 1992/93 mehr als 900 Donkosaken den Streifendienst der Miliz. Im Januar 1993 beschloß Pogrebščikov, Chef der Stadtverwaltung von Rostov, dem Beispiel von No- vočerkassk zu folgen und alle Märkte der Stadt unter die Kontrolle der Kosaken zu stellen. Durch den Machtkampf zwischen dem Obersten Sowjet und dem Präsidenten Rußlands wurde 1993 nicht nur der Aufbau kosakischer Polizeidienste zeitweilig unterbrochen. Vielmehr streng- ten die russischen Machtinstanzen Untersuchungsverfahren gegen Kosaken an, die sich zur Erfüllung von Polizeidienstpflichten selbständig bevollmächtigt hatten. Ungeachtet dessen be-

86 Zu diesen Fragen unterschrieb der Verteidigungsminister der Rußländischen Föderation am 22. Oktober 1993 den Befehl Nr. 488. Obwohl auch der Regierungsbeschluß vom 22. April 1994 auf die Lösung dieser Fragen abzielte, beklagten die Kosaken noch Ende 1994, daß es weder ein Reglement für die Ableistung des Mi- litärdienstes noch besondere Erlasse zur Festlegung der Kosakendienstränge und Auszeichnungen sowie der Kosakenparadeuniform gab. - Vgl. Kazačij vestnik, Nr. 7 (22), November 1994, S. 7. 87 Vgl. DVV, Nr. 15/59, März 1993, S. 3. Der Ukaz Nr. 341 sanktionierte die bereits entfalteten Aktivitäten der Kosaken. Das betraf auch die Reaktivierung der Kadettenschulen. Im Herbst 1992 erfolgte die Aufnahme des Lehrbetriebes der Zweiten Donkadettenschule Seiner Majestät Nikolajs II. in den Räumen des Paramonov- Hauses in Rostov am Don. Die Anfänge beschränkten sich auf eine Art Sonntagsschule, d.h. die Ausbildung erfolgte an den Wochenenden. Der Lehrplan umfaßte 10 Unterrichtsfächer (Kosakengeschichte, Religion, Militärtheorie, Medizin, Reiten etc.). Die Märzereignisse 1993 führten jedoch zu einer Unterbrechung der Ausbildung. Die Stadtverwaltung entzog den Kadetten die Räume im Paramonov-Haus. Vater Sergij stellte den Kadetten Räume auf dem Gelände des Gotteshauses Serafim Sarovskij in Rostov am Don zur Verfügung. Dennoch konnte die Ausbildung erst im Oktober 1993 mit ca. 100 Kadetten fortgesetzt werden. - Vgl. DVV, Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 11. 88 Vgl. DVV, Nr. 28-29/72-73, Oktober 1993, S. 4. schloß der Rat der Atamane im Januar 1994 die Einrichtung von Kosakenkommandanturen für die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im gesamten Gebiet des Donheeres.89 Die regionale Intention prägte auch die Haltung der Kosaken zur Militärreform. Als gegen Ende 1992 die entsprechenden Gesetzesvorlagen beraten wurden, forderte der Donataman, die Kosa- keneinheiten sowohl der Heeresleitung der Donkosaken als auch dem Verteidigungsministerium Rußlands zu unterstellen. Im Unterschied zu den regulären Streitkräften sollten die Mili- tärstrukturen am Don nach dem traditionellen Territorialprinzip reorganisiert werden. So waren die Stabsabteilungen und Militäreinheiten des Donheeres entsprechend den kosakischen Ver- waltungseinheiten der einstigen Kreise gegliedert. Das waren die Kreise Rostov, Taganrog, Čer- kassk, Donezk, der Erste und Zweite Donkreis, Ust'-Medvedinsk, Chopersk, Sal'sk, Verchne- Don- und der Wolga-Don-Kreis. Obwohl diese Territorien zum Teil zur Ukraine oder zu Nach- bargebieten des Rostover Gebietes gehörten, unterstanden die Militärverwaltungen der Donkreise dem Stab der kosakischen Militärleitung in Rostov am Don.90 Ungeachtet dieser Vorbehalte bekannten sich die Kosaken zu dem Ukas El'cins, der im Gegen- satz zum Obersten Sowjet die Unterstützung der zentralen Exekutivinstanzen erhielt. So äußerte sich der Minister für Innere Angelegenheiten der Rußländischen Föderation, Generaloberst Erin, positiv über die durch den Ukas geschaffenen Möglichkeiten einer staatlichen Unterstützung der Kosaken. Dennoch blieben auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes vom 16. September 1993 über die Rechtmäßigkeit des Präsidentenerlasses vom 15. März 1993 noch zahlreiche Fragen offen. Denn der Ukas räumte "den Kosaken keinerlei Vergünstigungen und Privilegien für den zu leistenden Militärdienst ein". Insofern sei das Urteil, wie das Mitglied des Ver- fassungsgerichtes, Boris Ebzeev, betonte, auch nicht als Freibrief für "die Bildung irgendwelcher territorialer Heeres- oder Militärformationen der Kosaken" zu verstehen. Denn "das exterritoriale Prinzip der Rekrutierung in den Streitkräften" habe das Verfassungsgericht nicht in Frage gestellt. So "dürfen die Stanizen sich keinesfalls in Militärsiedlungen verwandeln" und der Militärdienst der Kosaken habe entsprechend den gültigen Gesetzen zu erfolgen.91 Nur wenige Tage nach dem Richterspruch unterzeichnete Verteidigungsminister Gračev am 22. Oktober den Befehl "Über Maßnahmen zur Umsetzung des Präsidentenerlasses vom 15. März 1993" in der Armee und der Flotte Rußlands. Die Beweggründe für diese schnelle Entscheidung dürften in dem Tschetschenien-Konflikt und in der Haltung der Kosaken gegenüber der Serbienpolitik Rußlands zu suchen sein.92 So hatte die offizielle Heereszeitung "Donskie vojskovye vedomosti" im Januar 1993 auf der Titelseite eine politische Erklärung der Don- kosaken zu den Ereignissen in Serbien veröffentlicht, in der die offizielle Serbienpolitik Rußlands scharf kritisiert worden war. Als Dank für historische Hilfeleistungen des serbischen Volkes gegenüber den aus der rußländischen Heimat vertriebenen Kosaken sicherten die Donkosaken den Serben als einem zur slavischen Familie gehörenden Volk für den gerechten Be- freiungskampf ihre Unterstützung zu. Die in Serbien bereits gefallenen Donkosaken galten als Märtyrer der gesamten slavischen Welt.93 Die Blutsverbundenheit mit den slavischen Brüdern verwickelte die Donkosaken frühzeitig in den sich anbahnenden Tschetschenien-Konflikt. Zu Beginn des Jahres 1993 wandten sich Ein- wohner der Ortschaft Tjul'pany des Zavetinsker Rayons mit einem Hilfeersuchen an den Donko-

89 Vgl. DVV, Nr. 35/42, Dezember 1992, S. 1; Nr. 3/47, Januar 1993, S. 2; Nr. 2/46, Januar 1993, S. 1; Nr. 5/ 49, Januar 1993, S. 1; Nr. 1/76, Januar 1994, S. 1. 90 Vgl. DVV, Nr. 36/42, Dezember 1992, S. 1; Nr. 7/51, Februar 1993, S. 2. 91 Rossijskaja gazeta, Nr. 180, 17.9.1993; Vgl. DVV, Nr. 19/63, Mai 1993, S. 3. 92 Vgl. Tatjana Tabolina, Vozroždenie kazačestva, a.a.O., S. 637. 93 Vgl. DVV, Nr. 2/46, Januar 1993, S. 1; Nr. 18/62, April 1993, S.1. sakenbund. In Tjul'pany hätten tschetschenische Banden zahlreiche Ordnungswidrigkeiten ver- übt. Der Donkosakenbund beschloß, 1.000 Kosaken nach Tjul'pany zu entsenden. Doch der Ge- bietschef für Inneres am Don lehnte diesen Vorschlag ab. OMON-Spezialeinheiten verhinderten, daß der Donataman im Februar 1993 nach Zavetinsk zur gemeinsamen Lagebesprechung mit den dortigen Kosakenatamanen und Ältesten der Tschetschenen fahren konnte. Der Vorsitzende des Rostover Gebietssowjets, Popov, rechtfertigte dieses von den Kosaken kritisierte Vorgehen mit den Worten, daß die Gebietsverwaltung dadurch einen bewaffneten Zusammenstoß zwischen Kosaken und Tschetschenen verhindert habe.94 Eine Wende in der donkosakischen Tschetschenien- und Kaukasuspolitik bahnte sich unter dem Ataman Kozicyn an. Ausdruck dessen war der am 24. August 1994 in Groznyj unterzeichnete Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit.95 Doch erwies sich dieser Vertrag zugleich als Katalysator der politischen Differenzierung sowie letztendlich der organisatorischen Spaltung der Donkosaken. Während sich die Kosaken über die Prioritäten einer donisch regionalen oder einer rußländisch imperialen Politik entzweiten, floß im Dezember 1994 beim Sturm auf den Präsidentenpalast und den Bahnhof in Groznyj das Blut junger Kosaken des 81. Wolga-Kosaken- Garderegiments.96 Unter dem zunehmenden Druck sowohl der "patriotischen" Gosudarstvenniki als auch der Ku- ban- und besonders der Terekkosaken, die Groznyj als ihren angestammten Siedlungsraum be- trachteten, sahen sich die Donkosaken unter Kozicyn zu Zugeständnissen bereit. So erklärte Ko- zicyn im Januar 1995 die Bereitschaft, ein "friedensschaffendes Donkosakenregiment" zur Ent- flechtung der kriegsführenden Parteien nach Tschetschenien zu entsenden.97 Diese Idee fand sowohl bei den Kosaken als auch in den Ämtern der Moskauer Zentralmacht eine weite Ver- breitung. So betonte Sergej Ivankov vom Kosakenbund Rußlands, daß die Wiederherstellung einer geopolitischen Balance im Kaukasus in Gestalt von Kosaken-Gürteln entlang des Terek notwendig sei. Analoge Konzepte eines Einsatzes von Kosaken bei der "Befriedung" Tsche- tscheniens nach dem Abzug der regulären Truppen entwickelten auch Mitarbeiter des Mini- steriums für Nationalitätenfragen und Regionalpolitik. Im März 1995 erreichte Ratiev als Oberster Ataman des Bundes der Kosakenheere Rußlands so- gar, daß Vizepremier Oleg Soskovec den Beschluß Nr. 17 der Staatskommission für die Wie- derherstellung der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Strukturen in der Tschetschenischen Republik unterschrieb. Mit diesem Beschluß wurde dem Vorschlag Ratievs entsprochen, etwa 2.000 Kosaken beim Schutz von Objekten der Volkswirtschaft auf dem Territorium der Tsche- tschenischen Republik einzusetzen. Dieses Vorhaben wurde jedoch kurze Zeit später aus recht- lichen und politischen Bedenken verworfen. Dennoch vertrat nicht nur der Abteilungsleiter für Kosakenangelegenheiten im Nationalitätenministerium Rußlands, Vladimir Gluchovskij, öf- fentlich die Meinung, daß von den mehr als 150 nationalen Bewegungen in Rußland allein die 94 Vgl. DVV, Nr. 13/57, März 1993, S. 1. 95 Vgl. DVV, Nr. 1/88, Januar 1995, S. 1. 96 Bei diesem Regiment handelte es sich um das 81. Motschützenregiment, das erst im Herbst 1994 auf Regie- rungsbeschluß die Ehrenbezeichnung "Wolga-Kosaken-Garderegiment" verliehen bekam. Seit Frühjahr 1994 dienten in diesem Regiment vorzugsweise Rekruten des Wolga-Kosakenheeres. Dieses Regiment erfüllte in Tschetschenien jene Kamikazefunktionen, vor denen der Ataman Kaledin bereits gewarnt hatte. So soll dieses Regiment in der Nacht vom 31.12.1994 zum 1. Januar 1995 den Befehl zum Sturm des Präsidentenpalastes und des Bahnhofes erhalten haben. Doch erfolgte diese Operation ohne Unterstützung anderer Einheiten und ohne Sicherung des Nachschubs an Munition und Treibstoff. Angesichts des verantwortungslosen Handelns der zuständigen Generäle forderte die Führung des Wolga-Kosakenheeres den Rücktritt des Ver- teidigungsministers Gračev und des Generalstabschefs Kolešnikov. - Vgl. Lazorevaja step', Nr. 7 (61), Februar 1995, S. 1; Kazačij vestnik, Nr. 7 (22), November 1994, S. 1, 3. 97 Vgl. DVV, Nr. 1/88, Januar 1995, S. 1. Kosaken stets für die Einheit des unteilbaren Rußlands eingetreten seien. Insofern dürfe auch nicht vergessen werden, daß "ein Teil des Territoriums der Tschetschenischen Republik zwei- fellos als angestammter Siedlungsraum der Terekkosaken zu betrachten sei".98

10. Ausblick: Vom kosakischen Folkloreverein zum rußländischen Staatsdienst

Der Tschetschenien-Konflikt verlieh der Kosakenfrage in Moskau eine neue politische Dimen- sion. In nur kurzer Zeit hatten sich die als Folklorevereine gegründeten Kosakenorganisationen in eine wichtige Komponente der rußländischen Erneuerung verwandelt. Der Sicherheitsrat der Rußländischen Föderation wies die zuständigen Ämter der Armee, Miliz und des Grenzschutzes an, einen Präsidentenerlaß über den Staatsdienst der Kosaken vorzubereiten. Ausgehend von den "Grundzügen der Konzeption der Staatspolitik bezüglich der Kosaken", die durch den Regie- rungsbeschluß der Rußländischen Föderation vom 22. April 1994 bestätigt wurden, ging es nun- mehr um die konkreten Formen und Methoden der "Verstaatlichung" der Kosaken. Diese waren unter der Bezeichnung "Modellstrukturen des Zusammenwirkens des Staates mit den territorialen Gebilden der Kosaken" in der Anlage zur Konzeption der staatlichen Kosakenpolitik bereits weitgehend festgelegt.99 Demnach wäre bei der Regierung der Rußländischen Föderation eine Hauptverwaltung (Komitee) für Kosakenangelegenheiten (Glavnoe upravlenie - komitet - po delam kazačestva) zu bilden, die den Status eines föderalen Staatsamtes besitzen und von einem Obersten Ataman der Kosaken Rußlands geleitet werden sollte. Der Oberste Ataman wäre auf Vorschlag des Regierungschefs durch Erlaß des Oberkommandierenden aller Kosakenheere, d.h. durch den Präsidenten Rußlands, zu ernennen. Der Gesamtrussische Krug der Kosaken hätte aber lediglich das Recht, einen Kandidaten für das Amt des Obersten Atamans zu empfehlen. Beim Präsidenten Rußlands sollte ein Rat der Atamane als beratendes Gremium gebildet werden. Der Präsident Rußlands behielt sich das Recht vor, die Heeresatamane sowie die Atamane der Kreise und territorialen Abteilungen entsprechend der Empfehlung des jeweiligen Krug und auf Vorschlag des Obersten Ataman zu ernennen. Die Wählbarkeit der Atamane wäre lediglich in den Kosakengemeinschaften der Stanizen und Chutors erhalten geblieben. Dieser weitreichende Versuch des rußländischen Staates, die Kosaken als Militärstand analog den Strukturen im Zarenreich zu reorganisieren, implizierte auch die Neuauflage eines Staatsre- gisters der Kosakenheere und -gemeinschaften. Wichtigstes Aufnahmekriterium für dieses Re- gister wäre die Zahl der waffentragenden Kosaken (pro Chutor mindestens 50 diensttaugliche Kosaken, pro Staniza - 200, pro Kreis oder Territorialabteilung - 2.000, pro Heer mindestens 10.000. Als Gegenleistung für die Eintragung in das Kosakenregister hätte der Staat eine Reihe Verpflichtungen für die materielle und finanzielle Unterstützung der Kosakengemeinschaften zu übernehmen.100 Lediglich die Ernennung des Obersten Atamans schien im Vergleich zu den einstigen Kosakenstrukturen im Zarenreich ein Problem des postsowjetischen Rußlands zu sein, da kein Großfürst zu finden war, der als geborener Thronfolger zugleich auch der Oberste Ataman hätte sein können. Doch gab es dafür zahlreiche hochrangige Politiker, die sich gern als reinblütige Kosaken herausstellten und potentielle Anwärter auf das Amt des Obersten Atamans sein könnten.101

98 Zit. nach Obščaja gazeta, Nr. 23 (99), 8-14. Juni 1995, S. 8. 99 Vgl. Kazačij vestnik, Nr. 7 (22), November 1994, S. 2. 100 Vgl. Obščaja gazeta, Nr. 23 (99), 8-14. Juni 1995, S. 8. 101 Hier wären u.a. zu nennen der Vorsitzende des Föderationsrates, Vladimir Šumejko, der Orenburger Kosak Viktor Černomyrdin, der Vizepremier Nikolaj Egorov, der Vizepremier Sergej Šachraj und nicht zuletzt auch der populäre General Lebed'. Ungeachtet aller Bemühungen dürfte eine totale "Verstaatlichung" der Kosaken dennoch fraglich sein. Denn nicht nur bei den Donkosaken und anderen territorialen Kosakenvereinigungen gab es gegenüber diesen Plänen ernsthafte Bedenken. Vielmehr verliehen auch die Verfassungshüter und sogar die Vertreter zentraler Dachverbände der Kosaken ihren Vorbehalten Ausdruck. So bemerkte Vladimir Naumov, der Beigeordnete des Atamans des Kosakenbundes Rußlands, daß wohl kaum alle Kosaken sich zu Staatsdienern machen ließen. Vielmehr offenbare dieses Vorhaben das völlige Unverständnis des kosakischen Wesens. Selbstverständlich wird ein großer Teil der diensttauglichen Kosaken seinen Militärpflichten nachkommen. "Doch wie könne man zehn Millionen Kosaken, einschließlich Frauen, Kinder, Alte und Kranke, zum Staatsdienst heranziehen?!"102 Die von der Zentralmacht verfolgte militärische Einbindung der Kosaken in das rußländische Machtgefüge böte die Grundlage für die Ernennung eines militärischen Oberbefehlshabers der Donkosaken. Damit aber wäre auch jede weitere demokratische Entwicklung sowohl am Don wie auch insgesamt in Rußland abgeschnitten. Denn die Traditionen der Ernennung von Kosa- kenatamanen haben ihre Wurzeln in der Zeit der rußländischen Selbstherrschaft. Sie waren ver- bunden mit der schrittweisen Einschränkung und schließlich vollständigen Beseitigung regio- naler Selbstverwaltungen, mit der Russifizierung zahlreicher Ethnien und Kulturen, mit der ge- waltsamen Ausdehnung und Stärkung der Zentralmacht. Angesichts der Großmachtpolitik Ruß- lands gegenüber Tschetschenien und anderen Nationen und Völkerschaften müssen auch die Donkosaken sich entscheiden zwischen der Rückbesinnung auf eigenständige Traditionen der Donregion oder der "Wiederbelebung des für Rußland traditionellen Staatsdienstes der Kosaken als Komponente der Herausbildung einer neuen rußländischen Staatlichkeit"103.

102 Zit. nach: Obščaja gazeta, Nr. 23 (99), 8-14. Juni 1995, S. 8. 103 Osnovnye položenija koncepcii gosudarstvennoj politiki po otnošeniju k kazačestvu, Beilage zum Beschluß der rußländischen Regierung vom 22. April 1994, in: Kazačij vestnik, Nr. 6 (21), September 1994, S. 6. Udo Gehrmann

The Don Regionalism as a Component of Russian Renewal Bericht des BIOst Nr. 11/1996

Summary

Introductory Remarks The collapse of the has lent retroflection both on structures of rule handed down from the days of the polyethnic empire and on national and regional traditions and separate ways a contemporary political and perhaps also a futuristic relevance. The renaissance of the Cossacks occupies a prominent position in this context. Apart from reviving traditional duties of service to the state, especially in the military field of protecting the integrity of the Empire, the reconstitution of the Cossack communities harbours for the Russian central authorities the danger of a return to separate national courses and trends towards regional autonomy. The official rehabilitation of the Cossacks as "historically evolved ethno-cultural community", their own self- image as the "fourth East Slav people", and recent attempts to proclaim a Don Cossack republic as a "national state entity" are clear expressions of these intentions. The regional aspect of Cossack renaissance in Russia is the motive for a study which does not only trace the essential contours of the Cossack movement that set in along the Don as of the early nineties. Rather, it pursues the aim of examining the rebirth of the in terms of its regional traditions and visions and of placing these in the broader context of Russian renewal. Against the background of the respective power constellations at the centre and in the Don province, the study addresses especially the questions of the rehabilitation, the regional identity and the territorial integrity of Don Cossack country and, last but not least, the military option of the Cossack hosts. For its material and source base, the study draws upon documents (programmes, statutes, and resolutions) and press releases by the Don Cossacks and by other central and territorial Cossack brotherhoods.

Findings 1. 1990 went down in the regional history of the Don region as the year in which the Cossack movement was re-born. As in numerous other parts of the Soviet Union, the Cossack ren- aissance along the River Don was a "bottom-up" process. In November 1990 delegates of the Cossack brotherhoods formed at the khutor, stanitsa and okrug levels, meeting at the "1st Great Krug" (the Cossacks' highest legislative organ) founded the "Union of Cossacks of the Don Host Region" (Soyuz Kazakov Oblasty Voyska Donskogo). The "Krug" adopted a constitution and a programme and passed 11 resolutions that set strategic orientation points for the revival of Don regional traditions. For the first time in over 70 years, the "Krug" elected a hetman and the requisite leadership bodies to administer the former Don host region. A characteristic of the Cossack brotherhoods was that on the basis of Soviet law they enjoyed only the formal legal status of civic associations. 2. The major demands they wrote into their political programmes were the rehabilitation of the Cossacks, the restoration of the territorial integrity of the Don region, and the restitution of land rights as the pre-requisite for the complete ethno-cultural re-birth of a regionally self-administering Cossack community. Notwithstanding their claim to legal succession to the Don host region of 1918/19, a prominent place in their programme was given, in line with the at that time vain hopes of the "red" Cossacks, to the conviction that a new Cossack order could be set up along the Don on the basis of the state law "On regional self-administration in the RSFSR". Further focal points were the cultivation of Don Cos- sack culture, the re-introduction of traditional forms of land use, and cooperation with the army. 3. Unlike Moscow, the Soviet power bodies on the Don came out in support of the Cossacks' demands as early as in 1990. In this respect, the situation on the Don in the final phase of the Soviet Union exhibits a number of regional peculiarities closely linked with the Cossack renaissance. For even the RSFSR law "On the rehabilitation of the oppressed peoples" passed in April 1991, while holding out the prospect of rehabilitation for the Cossacks, too, did not give them any legal claim to the restoration of their political autonomy nor to the restitution of their land rights. On the other hand, this option was already reflected in the first programme for the re-birth of the Don Cossacks that was the subject of a congress of the Rostov regional soviet in the summer of 1991. Just a few weeks after the events of August 1991 in Moscow, the "2nd Great Krug" of the Union of Don Cossacks decided on restoring the Don Republic within the framework of the RSFSR. An analogous resolution passed by the Rostov regional soviet was annulled, however, because Moscow was of the opinion that the Cossacks should be active as socio-political and not as territorial-administrative organisations. 4. Presidential Decree No. 632 signed in June 1992 and a resolution passed by the Supreme Soviet in July 1992 rehabilitated the Cossacks as "historically evolved ethno-cultural community". Subject to the proviso that they renounce their erstwhile privileges as a separate estate, the central powers afforded the Cossacks the prospect of state support. But neither the central nor the territorial Cossack brotherhoods (hosts) were given any authorities above and beyond the formal legal status of civic associations. This ambivalent policy towards the Cossacks on the part of the central powers reflected the ongoing differentiation of the forces within the Cossack movement itself. The "3rd Great Krug" of the Union of Don Cossacks was marked by the contention between the advocates of regional independence and the champions of Great-Russian ambitions. 5. Towards the end of 1992 there were signs of a change in Yeltsin's "Cossack policy". The central powers began to regard the Cossacks as a component of their planned military re- form. In March 1993, against the opposition of the Supreme Soviet, Yeltsin signed a de- cree granting state support to the Cossacks. The power struggles between the President and the Supreme Soviet in Moscow left their mark along the Don, too. While the Cossacks declared the Don region the "compact settlement area of the Cossacks" and proclaimed the restoration of the Don region as a "national state entity", the Rostov regional soviet dedicated all the legal means at its disposal to carrying on a broad-scale campaign against the Don Cossacks. 6. The regional freedom of action depended, as the turbulent days of March on the Don showed, directly on the power constellation in Moscow. In September 1993 the Russian Constitutional Court ruled that the presidential decree granting state support for the Cos- sacks was in line with the constitution. This ruling documented Yeltsin's strengthened position in his altercation with the Supreme Soviet which, just days later, was to lose its historical legitimation in the fighting around the "White House" in Moscow. The Rostov regional soviet found itself compelled to change its tune. At its 15th congress it gave the first reading to the second programme for the re-birth of the Don Cossacks. The deputies, however, having been elected during the Soviet period, were not willing to endorse this programme. The issues in dispute concerned above all the territorial integrity of the Don region and the privatization of the land. 7. In connection with the elections to the State Duma and the local representations, the Cossack movement became more and more polarized, culminating in an organisational split on the Don in late 1994. The central powers attempted to exploit the occasion to pilot the re- gionalist tendencies into Great Russian channels. To this end, the Russian government in April 1994 passed a resolution "On the conception of a state policy with regard to the Cossacks". And to accelerate work on the state programme for the re-birth of the Cossacks, Yeltsin arranged for the institution of a Council for Cossack Affairs with the President of Russia, which was to organise the holding of an "All-Russian (Unification) Krug". However, heated criticism especially on the part of territorial Cossack associations against this state policy towards the Cossacks meant that the constituent session of the Council for Cossack Affairs could not be held until January 1995. 8. The controversy over the policy towards the Cossacks essentially reflected the various standpoints of the so-called "Gosudarstvenniki" (étatists), the "Avtonomisty" (autonomists) and the "Samostiiniki" (separatists). The Gosudarstvenniki and the "Edinonedelimtsy" (unitarists) took the stage as champions of state Cossack policy in favour of preserving a . According to these, the "Cossack issue" was a question of societal estates and not an ethnic problem. The Cossack estate should hold privileges, form the backbone of the Russian army, and be in charge of maintaining order and discipline within the country. The advocates of Cossack autonomy warned against these conceptions. This group saw the Cossack identity as being strictly within the meaning of the presidential decree of June 1992, as an "ethno-cultural community" which enjoyed the same rights of self-determination as other peoples. The "Samostiiniki" went beyond this autonomous regional understanding of ethnic identity and called for the creation of a Cossack state (Kosakia) independent from Russia. 9. There was an underlying consensus between all champions of Cossack renaissance in their intention to re-vitalize the military traditions, famous and feared at the same time, which had once shaped nearly all the characteristic features of the Don regional identity. Following the presidential decree of March 1993, the resumption of Cossack military and police functions began to take concrete shape: the institution of Cossack formations and special bodies for Cossack affairs in the Defence, Security and Interior Ministries, conveyance of militia duties, etc. Unlike the central powers and the all-Russian Cossack brotherhoods, the Don Cossacks based their re-building of military structures on the territorial principle. However, the Russian Constitutional Court did not question the "ex- territorial principle of recruitment". The stanitsas were on no account to be converted into military settlements. 10. The background to the state's attempts to regulate the Cossack military and state service was in particular the uncontrollable operations by the Cossacks in Transdniestria, in the Caucasus and in Serbia. But the Don Cossacks' regionalist option also manifested itself in the conflict in Chechnya in the form of a friendship agreement concluded between the Don hetman and Dudayev in August 1994 or in plans drawn up in 1995 for a "peacemaking mission" by the Don Cossacks in Chechnya. In the light of these Cossack ambitions, the Security Council of the Russian Federation initiated the drafting of a presidential decree to govern state service by the Cossacks. To date, this marked the central powers' most far-reaching attempt to re-organise the Cossacks as a military estate in line with their traditional structures. In this respect, it is now up to the Don Cossacks, too, to decide between retroflection on the independent traditions of the Don region and the "revival of the Cossacks' traditional state service for Russia as a component in the emergence of a new Russian statehood".