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SWR2 Wissen Lieblingsfeinde: Trump und die Times Von Simone Hamm

Fast täglich bringt die New York Times Enthüllungen über Trump. Und der ist jedes Mal erbost darüber. Die einflussreichste Zeitung der Welt und der US-Präsident sind Lieblingsfeinde.

Sendung: Dienstag, 28. November 2017, 8.30 Uhr Redaktion: Udo Zindel Regie: Günter Maurer Produktion: SWR 2017

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

MANUSKRIPT

Atmo: Straße in New York

Autorin: Der New York Times Tower im Herzen von , 52 Stockwerke, 319 Meter hoch. Viel Glas und Stahl, entworfen von Renzo Piano. Tausende horizontal montierte weiße Keramikröhren wirken, als ob ein Schleier das ganze Gebäude umhüllt. Sie reduzieren die Sonneneinstrahlung und damit den Energieverbrauch der Klimaanlage.

Atmo: Redaktionskonferenz

Autorin: Um halb zehn beginnt im 7. Stock die morgendliche Redaktionskonferenz. Chefredakteur Dean Baquet und seine Ressortleiter sitzen an einem ovalen Tisch. Jeder trägt vor, was in seinem Bereich am folgenden Tag berichtet werden soll. 1

Atmo: Redaktionskonferenz

Autorin: Wie fast jeden Tag wird die New York Times über Präsident Donald Trump berichten. Und wie fast jeden Tag wird Trump erbost darüber sein.

Ansage: Lieblingsfeinde: Donald Trump und die New York Times. Ein Feature von Simone Hamm

Autorin: In seinen Tweets nennt Trump die große, liberale Zeitung „the failing“ New York Times, die schwächelnde, die fehlerhafte Times. Das Blatt hat sich an der Russlandconnection festgebissen und liefert Enthüllungen am laufenden Band. Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort, derzeit unter Anklage, soll von Kreml-freundlichen Kreisen fast 13 Millionen Dollar Schwarzgeld erhalten haben. Trump twittert unaufhörlich dagegen:

Zitator Trump: Die Berichterstattung über mich in der New York Times ist so falsch und ärgerlich, dass die Times sich bei ihren Lesern entschuldigt hat.

Autorin: „Falsch“ ist eigentlich alles an diesem Tweet – die New York Times hat weder falsch berichtet noch hat sie sich entschuldigt.

O-Ton Donald Trump: And I mean truly dishonest people in the media, and the fake up media, they make up stories. They have no sources in many cases, they say a source says, there is no such thing, but they don’t report the facts.

Zitator Trump: Ich meine es gibt wirklich unehrenhafte Leute in den Medien, und die Lügenpresse erfindet Geschichten. Und in vielen Fällen haben sie keine Quellen. Sie behaupten das zwar, aber es gibt sie nicht. Sie berichten nicht über Tatsachen.

Autorin: Paradoxerweise aber ist es genau derselbe Donald Trump, der der New York Times steigende Auflagenzahlen beschert. Trump fördert die Konjunktur seriöser Medien in den USA. Berichterstattung über ihn steigert den Gewinn: CNN wird derzeit so häufig eingeschaltet wie sonst nur bei Naturkatastrophen und Flugzeugen, die vom Radarschirm verschwinden. Der öffentliche, nichtkommerzielle Rundfunk NPR, der auf Spenden angewiesen ist, hat mehr Unterstützer denn je. Die Aktie der New York Times – die Zeitung ist seit 1969 börsennotiert – ist seit Trumps Wahlsieg um 30 Prozent gestiegen. Die Qualitätspresse mag ihn verachten, aber dieser Präsident ist gut für ihre Finanzen, sagt Michael Shear von der New York Times.

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O-Ton Michael Shear: As you can see, Donald Trump is a really good for the journalism in terms of business.

Autorin: Seit Trumps Amtsantritt stieg die Zahl der Online-Abonnenten der New York Times um mehr als 60 Prozent. Sie liegt jetzt bei 2,5 Millionen, und damit doppelt so hoch wie die Zahl derer, die die Zeitung noch auf Papier lesen. Und dann gibt es noch die, die die Times nur immer wieder mal anklicken und nichts dafür bezahlen. Das sind 132 Millionen Menschen.

O-Ton Donald Trump: Garbage. Real garbage. It’s a garbage newspaper. The newspaper is going to hell. They’ve got a couple of reporters in that newspaper who are so bad, which I mean lack of talent, but it’s going to hell.

Zitator Trump: Müll. Diese Zeitung ist Müll. Sie wird zur Hölle fahren. Die haben ein paar Reporter da, die so schlecht sind und so untalentiert – das Blatt wird untergehen.

Autorin: So äußerte sich der 45. US-Präsident über die New York Times. Übrigens dieselbe Zeitung, der er, kaum gewählt, ein langes Interview gegeben hatte. Dabei hatte er die Times noch als Juwel bezeichnet.

Atmo: Redaktionsräume New York Times

Autorin: 3000 Beschäftigte arbeiten in den Großraumbüros des New York Times Tower, darunter 1350 Redakteure, Reporter und Videojournalisten. Allein im Newsroom sitzen Hunderte von Redakteuren vor ihren Computern. Die Mitarbeiter sind nicht nur stolz darauf, in der Berichterstattung schnell zu sein, sondern vor allem auf ihre Recherchen, ihre hintergründige Aufklärung, ihre exakte Trennung von Meinung und Berichterstattung. Gerade diese Akribie ist es, die die New York Times – oft als graue Tante belächelt – so groß gemacht hat. Am Donnerstag, den 18. September 1851 erschien die erste Ausgabe der „New York Times“, da hieß sie noch „The New York Daily Times“. Ihren Gründern Henry J. Raymond und George Jones schwebte eine seriöse Zeitung vor. Adolph Ochs, dessen Eltern Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem fränkischen Fürth und dem pfälzischen Landau in die USA ausgewandert waren, übernahm die Zeitung 1896. Er taufte sie um in „New York Times“. Zu dieser Zeit gab es in der Stadt ansonsten nur Revolverblätter. Ochs hob den Unterschied zwischen seinem Blatt und der Boulevardpresse hervor:

Zitat: Wenn die „Daily News“ über ein Sittlichkeitsverbrechen berichtet, ist das Sex. Wenn die New York Times darüber schreibt, ist es Soziologie.

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Autorin: Ochs machte aus der New Yorker Lokalzeitung ein anerkanntes überregionales Blatt und erfand auch den berühmten Slogan: „ All The News That’s Fit To Print – alle Nachrichten, die es wert sind, gedruckt zu werden“. Und alle, die in den USA von gesellschaftlicher Bedeutung sind, Politiker, Wirtschaftler, Künstler, Wissenschaftler lasen und lesen die New York Times. 122 Pulitzerpreise, die höchste Auszeichnung für Journalisten in den USA, hat die New York Times erhalten – mehr als jede andere Zeitung. 1971 zum Beispiel dafür, dass sie die Pentagon-Papiere veröffentlichte: geheime Dokumente des Verteidigungsministeriums, aus denen hervorging, dass die Regierung Unwahrheiten über den Vietnamkrieg verbreitet hatte.

Atmo: New York Times Redaktion

Autorin: Doch die New York Times wurde und wird auch heftig kritisiert. Im Zweiten Weltkrieg berichtet sie viel zu spät über den Holocaust. Fürchteten die Verantwortlichen, dass die Politik der USA nach Bekanntwerden der Vernichtungslager geändert worden wäre? Dass zu viele Menschen aus Deutschland in die USA geflohen wären? Fürchtete man die Antisemiten in den Vereinigten Staaten? Belegen kann man das nicht. Allerdings hat der Times-Journalist William L. Laurence vom damaligen Kriegsministerium Gelder für seine Berichterstattung erhalten. Skandal genug.

2003 sprachen sich Kommentatoren der New York Times für den Irakkrieg aus. Ein Jahr später entschuldigten sie sich dafür, der Regierung von George W. Bush geglaubt zu haben, dass der Irak chemische Waffen besitze. Auch seien sie falschen Informanten aufgesessen. Reporterin Judith Miller übernahm die Verantwortung und verließ die Zeitung.

Gründlich daneben lag die New York Times auch bei der Wahlberichterstattung in den USA 2016. Sie sagte Hillary Clinton einen glatten Sieg voraus. Verleger Arthur Ochs Sulzberger Jr. und Chefredakteur Dean Baquet schrieben einen offenen Brief an die Leser.

Zitator: Nach einer solch unberechenbaren und unvorhersehbaren Wahl stellen sich unausweichliche Fragen. Hat Donald Trumps schiere Unkonventionalität dazu geführt, dass wir und andere Medien unterschätzt haben, wie viele Wähler ihn unterstützt haben? Welche Kräfte, welche Spannungen haben zu diesem Ergebnis geführt? Und, am wichtigsten, wie wird ein Präsident, der eine so schillernde Person ist, regieren?

Autorin: Selbstkritik sieht anders aus. Auch Michael Shear aus dem Washingtoner Büro der Times versucht eine Erklärung zu finden:

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O-Ton Michael Shear: We all missed it. You know, you covered enough elections. Seen if a particular kind of story comes out. What happened with this race is, that expectations we had about how things normally work just didn't turn out that way. You had all those scandals that Donald Trump has, you had this scandal in the bus. And under normal circumstances candidate would be gone the next day - that person would be never heard of again. And in the end it didn't go that way. You're inundated by all of these people who just couldn't imagine that he would win. It's hard for you to get to that point, when you say yes it's Donald Trump and he is going to win, nobody that you know thinks that.

Übersetzer: Da lagen wir alle falsch. Wir glaubten, wir hätten genügend Wahlen erlebt und Geschichten darüber geschrieben. Aber diesmal war es anders. Was wir erwartet haben ist nicht eingetroffen. All die Skandale, die Trump hatte, die Geschichte im Bus, als er sagte, er könne einer Frau unbehelligt in den Schritt fassen. Unter normalen Umständen wäre so ein Kandidat am nächsten Tag erledigt gewesen. Aber so kam es nicht. Wir alle konnten nicht glauben, dass Trump gewinnen würde. Wir sind umgeben von Leuten, die das auch nicht glauben konnten. Wer immer das gesagt hätte, er hätte ziemlich allein dagestanden.

Atmo: vor dem Weißen Haus

Autorin: Vor dem Weißen Haus, dem Amtssitz des Präsidenten in Washington D.C., spazieren Besucher. Ein Mann spielt auf einem Akkordeon eine deutsche Polka. Fotoapparate klicken, Handys werden gezückt, Selfies vorm Weißen Haus geschossen. Kinder trinken aus riesigen Colabechern, kauen Hot Dogs. Junge Männer und Frauen sitzen auf ihren Skateboards. Und doch sind überall Polizisten, die alles genau beobachten. Der Garten des Weißen Hauses ist von der Straße, auf der alle flanieren, nur durch einen Zaun getrennt.

Atmo: vor dem Weißen Haus / Sirenen

Autorin: Dann sperren Polizisten die Straße mit gelben Band ab. Streifenwagen schießen aus der Zufahrt vom Weißen Haus. Dazwischen eine schwarze Limousine. Der Präsident verlässt seinen Amtssitz.

Atmo: Washington vor dem Weißen Haus / I street

Autorin: In der I Street, wenige hundert Meter vom Weißen Haus, liegt die Washingtoner Redaktion der New York Times, das wichtigste ihrer 14 Regionalbüros. Eine Etage im 7. Stock, weniger mondän als in New York. Kleinere Großraumbüros, in denen einhundert Leute arbeiten.

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Es ist 20.00 Uhr. Seit die New York Times auch im Internet präsent ist, arbeiten Redakteure rund um die Uhr. Jeder soll die Times jederzeit und überall lesen können, auf Papier, am PC, auf dem Smartphone. Zu Hause, auf dem Weg zur Arbeit, in der U-Bahn, im Taxi, im Urlaub. Der neue Präsident hat sein übriges dazu getan, Journalisten den Schlaf zu rauben. Auch Michael Shear ist übernächtigt. Er ist seit 24 Jahren politischer Berichterstatter hier, trägt einen dunklen Anzug, Brille, sein graumelierter Bart ist kurzgeschnitten.

O-Ton Michael Shear: I cover the White house. That controls my life. We wake up a lot earlier as we used to to be ready for the tweets, those tend to come shortly before or at six am and they sometimes go for several minutes. The editors want something within minutes of the time he’s filed, assuming it’s an interesting tweet or controvertial tweet or surprising, which they often are. The days usually start there.

Übersetzer: Ich berichte über das Weiße Haus. Das bestimmt mein Leben. Wir stehen jetzt sehr früh auf, um Trumps Tweets zu lesen, die so gegen sechs Uhr morgens kommen. Manchmal einige Minuten lang. Die Blattmacher wollen die Tweets möglichst sofort, wenn sie interessant oder kontrovers sind, was oft der Fall ist. Damit beginnt der Tag.

Zitator Trump: Die schwächelnde New York Times behauptet, ich hätte meinen Beratern gesagt, dass ich mich ändern würde. Falsch. Ich bleibe der, der ich bin.

Autorin: Nicht immer hat Donald Trump die Medien beschimpft. Ganz im Gegenteil. Vor seiner Präsidentschaft suchte er die Nähe von Journalisten. arbeitet im Washingtoner Büro der New York Times. Auch sie, Mutter dreier kleiner Kinder, schläft zu wenig. An einem Tag ruft Trump sie an oder bittet sie in sein Luxus-Domizil Mar-a-Lago. Am nächsten verteufelt er sie und ihre Zeitung. Bevor Maggie Haberman zur Times kam, hat sie für die Boulevardzeitung New York Post geschrieben, war dort für die Trump-Berichterstattung verantwortlich.

O-Ton Maggie Haberman: I have a context of seeing him which is, the person who loves the media, who subsists on the media. It’s the fuel that generates him. The same referential mirror that he needs to look in - living and creating your own reality. He realized that he could do this in with the tabloids in the eighties and nineties. When I was at the Daily Post he was very frequently the person on the other end of the phone as a source close to Trump.

Übersetzerin: Er liebt die Medien, er ernährt sich geradezu von ihnen. Sie sind das Benzin, das ihn zum Laufen bringt. Sie sind der Spiegel, in den er einfach gucken muss. Er hat verstanden, dass er sich mit Hilfe von New Yorks Boulevardpresse eine ganz eigene Realität schaffen kann. Und sehr häufig war er die Person, die mich anrief und vorgab, ein Vertrauter Trumps zu sein.

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Autorin: Viele Jahre hatte nur die yellow press über Trump berichtet, über seine Ausflüge in berühmt-berüchtigte Clubs, über die schönen Frauen, die ihn begleiteten.

Wenn die seriöse Presse berichtete, klang das anders. 1973 warf die New York Times dem Management der Trump’schen Immobilienfirma Rassismus vor. Schwarze und Latinos würden bei der Wohnungssuche abgelehnt, Weiße bevorzugt. Trump aber buhlte unermüdlich um die Zuneigung von Reportern und Herausgebern der New York Times:

O-Ton Michael Shear: It's very much of a love-hate relationship. He grew up in a city where was the kind of New York establishment he craved to be part of. The barons of New York all had this relationship to the New York Times. The New York Times should write about him. This is the king of real estate.

Übersetzer: Das ist eine heftige Hassliebe. Trump ist in New York aufgewachsen, wo die Times das Establishment repräsentierte, zu dem er unbedingt gehören wollte. Er wollte, dass über ihn geschrieben wird. Er hielt sich ja für den König der Immobilienbranche.

Autorin: Trump umgarnte Journalisten. Hatte Hintergedanken. Immer wieder rief er Maggie Haberman an.

O-Ton Maggie Haberman: He is always selling you. When he is talking to you, he wants something from you. Whether that is approval or whether that he’s hoping you write a good story about him. But there is always some sales strategy. It’s just who he is.

Übersetzerin: Er will immer etwas verkaufen. Wenn er mit Dir spricht, dann nur, weil er etwas von Dir will: Anerkennung. Dass Du eine gute Geschichte über ihn schreibst. Er hat die Mentalität eines Verkäufers. So ist er.

Autorin: 1979 kam endlich der Ritterschlag. Ein Artikel, erschienen in der New York Times – nicht im Wirtschaftsteil, sondern auf der Seite „für die Frau“. Trump war damals gerade 30 Jahre alt. Lifestyle-Reporterin Judy Klemesrud schrieb:

Zitatorin: Er ist groß, dünn und blond, hat blendend weiße Zähne und sieht Robert Redford zum Verwechseln ähnlich. Er geht mit verführerischen Models aus, ist Mitglied der elegantesten Clubs. Sein Vermögen wird auf 200 Millionen Dollar geschätzt.

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Autorin: Nichts davon stimmte. Aber mit diesem Artikel begann Donald Trumps unaufhörlicher Aufstieg. Denn, ob sie es heute wahrhaben wollen oder nicht, es waren die Medien, die ihn groß gemacht haben.

Michael d’Antonio ist einer der wenigen kritischen Journalisten, die Trump nahe gekommen sind. Er hat lange Gespräche mit ihm geführt und eine viel beachtete Biografie geschrieben. Er wirkt, ruhig und besonnen, unaufgeregt. Vielleicht hat sich Trump dem kleinen, rundlichen Mann mit dem weißen Bart und den leuchtenden Augen deshalb geöffnet.

O-Ton Michael d’Antonio: Even today, if something is published in the nyt, it becomes real and it becomes fact, even it it’s not. Today it’s called a paper record. An article maybe published today and 50 years from now an historian will go to the record and look up what was said about in the nyt and it will be believed and accepted and it will become true and DT understood that.

Übersetzer: Bis heute ist das so: Was in der New York Times publiziert wird, wird zur Wahrheit, wird eine Tatsache. Auch dann, wenn es gar nicht stimmt. Heute nennen wir das: paper record. Wenn in 50 Jahren ein Historiker ins Archiv gehen und dort lesen wird, was heute in der New York Times steht, wird er das glauben. Und es wird zur Wahrheit. Diesen Zusammenhang hat Donald Trump verstanden.

Autorin: Trumps Rechnung ging auf. Nur wenige Tage nachdem Judy Klemesruds Story vom reichen, schönen Donald veröffentlicht worden war, wurde er in eine Fernsehshow eingeladen und dort als „Immobilienmogul“ vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er selbst noch kein einziges Gebäude errichten lassen.

2004 stieg er als Produzent und Moderator bei der Realityshow „The Apprentice“ ein. NBC brauchte Quote, Trump brachte Quote. Bis 2015 moderierte er „The Apprentice“. In dieser Show wählte Donald Trump aus vielen Kandidaten einen aus, der einen mit 250.000 US-Dollar dotierten Jahresvertrag in einem seiner Unternehmen erhielt. Alle anderen wurden gefeuert. „You’re fired“ wurde zum geflügelten Wort. Und Trump wurde populär.

O-Ton Michael d’Antonio: There is often a saying here that if something is not on television, it didn’t really happen. And I think he very much believes that. That if a person is not portrayed in the media, he may not matter at all. And Trump wanted most of all to matter.

Übersetzer: Man sagt hier gerne, was nicht im Fernsehen gezeigt wird, ist nicht geschehen. Das hat Trump verinnerlicht. Wenn die Medien nicht über eine Person berichten, ist sie nicht wichtig. Und Trump wollte wichtig sein.

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Autorin: Heute bekämpft Donald Trump dieselben Medien, um deren Aufmerksamkeit er einst buhlte. Allen voran die Washington Post, CNN und die New York Times – in beinahe täglichen Tweets:

Zitator Trump: Sie schreiben Lügen und checken niemals die Fakten. Wirklich böse Leute!

Autorin: Er greift die Medien an, weil sie ihm gefährlich werden können, weil sie nachweisen können, dass er bisher keines seiner Wahlversprechen gehalten hat. Er wollte Steuern senken. Er wollte Obamacare abschaffen und durch ein effizienteres System ersetzen. Er wollte Reisende aus sechs islamischen Ländern mit einem Einreisestopp belegen. Er wollte den Atomvertrag mit Iran kündigen. Er wollte eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Und die Mexikaner sollten dafür bezahlen. Nichts davon hat er bisher durchgesetzt. Seine Steuererklärung hat er immer noch nicht veröffentlich, wie wiederholt gefordert – anders als seine Vorgänger. Mit martialischen Worten greift er Nordkorea an. Ins von einem Hurrican zerstörte Puerto Rico fährt er spät, kennt die Zahl der Opfer nicht, wirft generös Reinigungstücher in die Menge.

Atmo: vor dem Weißen Haus / Pressekonferenz im Weißen Haus

Autorin: Die Journalisten, die zur Pressekonferenz im Weißen Haus wollen, müssen sich an einem Seitengang melden und werden dann zum Presseraum geführt.

Atmo: Pressekonferenz

Autorin: Der kleine Raum ist brechend voll. Die meisten Journalisten stehen. Denn der Presseraum des Weißen Hauses bietet nur wenigen Journalisten Platz. Reporter bedeutender Zeitungen haben seit Jahrzehnten angestammte Plätze. Unter Trump wurden einige von ihnen kurzerhand ausgeladen und durften nicht mehr teilnehmen. Dafür wurden zum Beispiel Vertreter von der rechtsextremen Website Breitbart zugelassen. Steve Bannon war verantwortlich für Breitbart, bevor er Trumps engster Berater wurde. Dann warf Trump ihn hinaus und Bannon ging zurück zu Breitbart. Und auch ein Vertreter der Website „Gateway Pundit“ kündigt an, dass er in Zukunft dabei sein dürfe. Diese Website setzt bewusst Falschmeldungen in die Welt, etwa die uralte, von Donald Trump angeheizte Story, Barack Obama sei nicht in den USA geboren. Journalisten ernsthafter Medien werden bei „Gateway Pundit“ regelmäßig diskreditiert. Die Autoren der Website sind stolz darauf, keine Journalisten zu sein.

Immer häufiger wurden bei offiziellen Pressekonferenzen Trumps im Weißen Haus Kameras, manchmal sogar Tonmitschnitte verboten. Um die Absurdität dieser Anweisungen zu verdeutlichen, schickte CNN schließlich einen Gerichtszeichner in den Presseraum. Derzeit sind Kameras und Aufnahmegeräte dort wieder zugelassen.

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Atmo: Pressekonferenz

Autorin: Trumps Berater Stephen Miller beantwortet heute die Fragen der Journalisten. Er gilt als strammer Rechtsaußen, der letzte verbliebene, nachdem Steve Bannon und Sebastian Gorka ihren Hut nehmen mussten.

Atmo: Wortgefecht Stephen Miller / Glenn Trush

Autorin: Miller lieferte sich ein Wortgefecht mit Glenn Thrush, dem New-York-Times- Korrespondenten für das Weiße Haus. Thrush wollte Statistiken, Zahlen, Beweise dafür, dass illegale Einwanderer Amerikanern die Jobs wegnehmen, wie Trump behauptet. Miller argumentierte mit common sense, dem „gesunden Menschenverstand“:

O-Töne Stephen Miller / Glenn Thrush

Autorin: Vielleicht, sagt Miller, solle man die Gesetzesvorlage dahingehend verändern, dass die New York Times all diese ungebildeten und schlecht bezahlten Arbeiter aus anderen Ländern anstellen darf.

Trump hat Journalisten schon früh in seiner Amtszeit zu Feinden des Volkes erklärt. Und seine Presseleute behandeln sie dementsprechend. Wenn die Sprecher des Präsidenten in seinen Augen eine schlechte Figur machen, entlässt er sie kurzerhand.

O-Ton Maggie Haberman: He is tempestuous. That’s how he was when he was at his company. He is now. He is a 71 year old man. I don’t expect him to do things differently.

Übersetzerin: Er ist ungestüm. So war er in seinem Unternehmen. So ist er geblieben. Er ist 71 Jahre alt. Ich erwarte nicht mehr, dass er sich ändert.

Autorin: Trump sagt, seine Regierung befände sich im Krieg mit den Medien, er bezeichnet Journalisten als Abschaum. Er findet Videos witzig, in denen er auf einen Reporter einprügelt. Das Opfer hat statt eines Gesichtes ein CNN Logo einmontiert. Und doch bringt er CNN Quote – und der New York Times immer mehr Leser.

2011 hatte die Times beschlossen, dass Internet-User nur zehn Artikel pro Monat gratis lesen dürfen, alle folgenden müssen sie bezahlen. Mehr als eine Million User in 195 Ländern kauften daraufhin ein digitales Abonnement. Das brachte dem Unternehmen 200 Millionen Dollar. Und die Geschäftsführung konnte aufatmen. Digitale Medien und gründliche Recherche schlossen sich nicht aus, sie rechneten sich.

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Seit 2014 ist Dean Baquet Chefredakteur der New York Times, der erste Schwarze auf diesem Posten. Er hat die Digitalisierung vorangetrieben. Große Veränderungen verlangten nach großen Opfern. Die Times hat die Zahl der Redakteure, die die Inhalte planen und Texte der Reporter redigieren, verkleinert. Dafür will sie die Zahl der Reporter vergrößern. 2017 verließen 100 Redakteure die New York Times – und waren damit, trotz einer Abfindung, alles andere als glücklich:

Atmo: demonstrierende Times Mitarbeiter „No editors, no peace”

Autorin: Sie demonstrierten vor dem New York Times Tower und schrieben einen offenen Brief an die Geschäftsleitung, in dem sie betonten, wie wichtig Redakteure seien, wie oft sie beim Redigieren Fehler bemerkt und ausgemerzt hätten. Man bot den entlassenen Redakteuren an, sich doch auf die 60 neu zu schaffenden Reporterstellen zu bewerben. Ohne Garantie, eine solche Stelle auch zu bekommen. Offiziell äußert man sich bei der Times nicht zu diesen Entlassungen. Die Zeit habe sich eben weitergedreht, das Digitale nehme größeren Raum ein. Und darin sieht Chefredakteur Dean Baquet nur Vorteile:

O-Ton Dean Baquet: The greatest economic transformation of american journalism that I’m not sure people have wrapped their minds around is that journalism is now dependent on readers and it used to be dependent on advertisers. 80 of the revenues came from advertisers. Now more than a half of the revenues comes from readers, subscribers. I would much prefer being behold in to subscribers to advertisers.

Übersetzer: Die größte wirtschaftliche Veränderung im amerikanischen Journalismus ist, dass wir jetzt von den Lesern abhängig sind und nicht – wie noch in den 90er-Jahren – von Anzeigenkunden. 80 Prozent der Einnahmen stammten damals aus der Werbung. Heute kommen die Hälfte der Einnahmen von Lesern, von Abonnenten. Und das ist mir viel lieber.

Autorin: Die gebeutelten Zeitungsverleger atmen auf – und stecken die Gewinne gleich wieder in neue Berichte und Reportagen über Donald Trump. Nachrichtenwebseiten wie „The Daily Beast“ werden so häufig aufgerufen, dass sie endlich genug Geld haben, ihre Politikressorts besser auszustatten. Die Washington Post hat ihr Rechercheteam aufgestockt. Die New York Times will in diesem Jahr 5 Millionen Dollar allein für Recherchen in Washington ausgeben. Und natürlichen will jeder Reporter der Times und der Post die nächste große Enthüllung als erster veröffentlichen. Michael Shear, heute bei der New York Times, hat früher bei der Washington Post gearbeitet:

O-Ton Michael Shear: We are fierce competitors and there are days when they get a big scoop and then the days when we get a big scoops. That was crazy days when we each have a scoop within an hour. We have both chasing each other. We both cheer each other on. The basic idea is, if we don't get it, we want the Washington Post to uncover it. And we 11 make each other better. This is the extra special motivation. When you beat the other guy. When you have a story on the front page and everybody else has to say: Well the New York Times said yesterday, that’s great.

Übersetzer: Wir sind leidenschaftliche Konkurrenten. An manchen Tagen haben sie den großen Scoop, an anderen wir. Und es gab verrückte Tage, an denen wir beide innerhalb weniger Stunden einen Scoop hatten. Wir feuern uns gegenseitig an. Wenn wir den Scoop nicht haben, soll die Washington Post ihn eben haben. Aber es ist besonders motivierend, wenn Du die andere Zeitung schlägst. Wenn Du eine Geschichte auf der Titelseite hast und alle sagen: „Die New York Times meinte gestern“ – das ist großartig.

Autorin: Gründliche Recherche, Enthüllungen über politische Verstrickungen sind nötiger denn je. Denn Präsident Trump stellt die Meinungsfreiheit, die in den USA von der Verfassung garantiert wird, wenn es um die Medien geht in Frage.

O-Ton Donald Trump: It’s frankly disgusting the way the press is able to write what ever they want to write.

Zitator Trump: Es ist offen gesagt abstoßend, dass die Presse schreiben kann, was immer sie schreiben will.

Autorin: In einem Tweet zieht Donald Trump sogar in Erwägung, bestimmten Sendern ihre Existenzgrundlage zu entziehen:

Zitat Donald Trump Tweet: With all of the Fake News coming out of NBC and the Networks, at what point is it appropriate to challenge their license?

Zitator Trump: Bei all den Fake News, die NBC und andere Sender verbreiten, ab wann wäre es angebracht, die Rechtmäßigkeit ihrer Lizenz anzuzweifeln?

Autorin: Den Chefredakteur der New York Times, Dean Baquet, machen solche Tweets nervös:

O-Ton Dean Baquet: I have never been involved with covering a president, a governor or a mayor who truly loved the press, but I’m not sure having seen someone who is so vocally challenging the press’s right to cover him in the world. That’s a disturbing quotation.

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Übersetzer: Ich habe niemals mit einem Präsidenten, einem Gouverneur oder Bürgermeister zu tun gehabt, der die Presse liebt. Aber ich bin nicht sicher, ob ich je erlebt habe, dass jemand das Recht der Presse, über ihn zu berichten, so in Frage stellt. Das ist eine verstörende Botschaft.

Autorin: Und Michael Shear, der politische Journalist in Washington D.C. mit jahrzehntelanger Erfahrung, sieht die Zukunft düster, trotz aller Gewinne an Lesern und Umsatz:

O-Ton Michael Shear: I had a very contentious relationship with the Obamas administration. I was fighting with them all the time. But it was always on a story by story, fact by fact basis. They didn’t attack the idea of a free press. They didn’t demonize the entire industry.

Übersetzer: Ich habe mich oft mit der Obama Administration angelegt. Ich habe immer Kämpfe mit ihnen ausgefochten. Aber das war immer eine Auseinandersetzung, die auf Fakten beruhte. Niemals haben sie die Idee von einer freien Presse angegriffen. Sie haben nicht die Presse als solche dämonisiert.

Autorin: Der pöbelnde, täglich tweetende Präsident ist zur Gefahr für die Pressefreiheit in den USA geworden. Eine Gefahr, die ernst zu nehmen ist.

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