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Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Katedra germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Magisterská diplomová práce

2015 Bc. Magdaléna Jurczygová

Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Katedra germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Učitelství německého jazyka a literatury pro střední školy

Bc. Magdaléna Jurczygová

Stilmittel in Goethes Werken mit antiken Motiven

Magisterská diplomová práce

Vedoucí práce: Doz. PhDr. JiřinaMalá, CSc.

2015

Ich erkläre hiermit, dass ich meine Diplomarbeit selbstständig verfasst und nur die im Literaturverzeichnis angeführte Literatur verwendet habe.

.………………………………….. Magdaléna Jurczygová

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An dieser Stelle möchte ich mich bei der Betreuerin meiner Diplomarbeit, Frau Doz. PhDr. Jiřina Malá, CSc., für ihre wertvollen Ratschläge und Hilfe herzlich bedanken.

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Inhalt

1 Einleitung ...... 7

2 Zur Theorie der Stilistik ...... 9 2.1 Grundlagen der Stilistik ...... 9 2.1.1 Stil und Stilistik ...... 9 2.1.2 Textlinguistik ...... 9 2.2 Makro- und Mikrostilistik ...... 10 2.2.1 Makrostrukturelle Kategorien...... 10 2.2.2 Mikrostilistische Sprachmittel ...... 12 2.2.2.1 Lexikalische Stilmittel...... 12 2.2.2.2 Stilmittel unter dem Wortbildungsaspekt ...... 12 2.2.2.3 Stilmittel unter dem phraseologischen Aspekt ...... 13 2.2.2.4 Grammatische Stilmittel ...... 17 2.2.2.5 Phonetische Stilmittel ...... 18 2.2.3 Stilfiguren ...... 19 2.2.3.1 Tropen ...... 19 2.2.3.2 Stilfiguren ...... 19

3 Zu Leben und Werk von Johann Wolfgang Goethe ...... 21 3.1 und Weimarer Klassik ...... 21 3.1.1 Sturm und Drang ...... 21 3.1.2 Weimarer Klassik ...... 22 3.2 Lebenslauf ...... 22 3.3 Gedichte ...... 24 3.3.1 An Schwager Kronos ...... 24 3.3.2 ...... 26 3.3.3 Meine Göttin ...... 29 3.3.4 Grenzen der Menschheit ...... 29 3.3.5 Wanderers Sturmlied ...... 31 3.3.6 Hochbild ...... 33 3.3.7 Römische Elegien ...... 34 3.3.8 Zwiespalt ...... 36 3.3.9 ...... 37 3.3.10 Brautnacht ...... 38

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3.3.11 Kronos als Kunstrichter ...... 39 3.4 Schauspiele ...... 40 3.4.1 Iphigenie auf Tauris (Drama) ...... 40 3.4.1.1 Erster Aufzug ...... 42 3.4.1.2 Zweiter Aufzug ...... 45 3.4.1.3 Dritter Aufzug ...... 47 3.4.1.4 Vierter Aufzug...... 48 3.4.1.5 Fünfter Aufzug ...... 50 3.4.2 Prometheus (dramatisches Fragment) ...... 52 3.4.2.1 Erster Akt ...... 52 3.4.2.2 Zweiter Akt ...... 52 3.4.3 Pandora (Festspiel) ...... 53 3.4.4 Proserpina (Monodrama) ...... 56

4 Zusammenfassung ...... 58

5 Literaturverzeichnis ...... 59 5.1 Primärliteratur ...... 59 5.2 Sekundärliteratur ...... 59 5.3 Internetquellen ...... 61

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1 Einleitung

„Die Geisteswelt der griechischen Antike und des Roms der klassischen Epoche bildet die vielzitierte Wurzel unserer Kultur. Wer davon nie etwas hörte, ist ärmer dran.‟

Hoimar von Ditfurth1

Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Thema „Antike Motive in den Werken von Johann Wolfgang Goethe‟ und umfasst drei Schwerpunkte: Stilmittel, antike Mythologie und literarische Interpretation. Ich versuche, diese drei Ebenen zu erfassen. Das Ziel meiner Arbeit besteht darin, die Theorie der Stilistik kurz darzustellen, relevante Stilmittel in den Werken zu finden, Interpretationen durchzuführen und die richtige Deutung von römischen und griechischen Göttern und Helden zu bewerkstelligen. Dieses Thema ist sehr interessant, weil von Goethe innerhalb der Strömung des Sturm und Drang und der Epoche der Weimarer Klassik viele Werke erhalten sind, die sich mit antiker Mythologie beschäftigen und entsprechende Motive aufgreifen.

Stilmittel wie Metaphorik und Idiomatik spielen im Goethes Werke eine wichtige Rolle. Daraus folgt, dass man sie nicht nur in der gesprochenen Sprache, sondern auch in der geschriebenen Sprache (in Medien oder Belletristik) benutzt. In jeder Sprache können wir eine große Anzahl von Idiomen oder Metaphern finden. So ist es natürlich auch in der deutschen Sprache. Ich erachte die Stilistik als wichtige und interessante linguistische Disziplin. Das ist auch der Grund, warum ich diesen Bereich der Linguistik gewählt habe. Am Anfang versuche ich, Stilmittel (v.a. Idiomen und Metaphern) zu definieren und ihre wichtigsten Merkmale zu beschreiben.

Antike Mythologie sowie deutsche Literatur waren für mich immer interessant. Meiner Meinung nach ist es aufschlussreich, diese beiden Themen zu verbinden. Ich habe den Sturm und Drang als literarische Bewegung des 18. Jahrhunderts sowie die Epoche der Weimarer Klassik gewählt. Bis heute ist die antike Mythologie sehr beliebt und bei vielen Autoren aktuell, und ich möchte diesen Themenkreis im Hinblick auf die Werke von Johann Wolfgang Goethe behandeln.

Warum habe ich gerade den Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe gewählt? Ich finde, dass Johann Wolfgang Goethe der bekannteste Autor der literarischen Bewegung des Sturm und Drang wie auch der Weimarer Klassik ist. In den Werken dieses Autors erscheinen viele antike Motive. Anschließend werde ich den neuzeitlichen Kontext erfassen und die aktuelle Dimension des Themas berühren.

Johann Wolfgang Goethe ist viel durch Europa gereist, er hat viele Länder besucht. Im gegebenen Zusammenhang ist es sehr interessant, dass er sich in Italien aufgehalten hat. In diesem Land wurzelt die römische Mythologie, die aus der griechischen Mythologie entstanden ist, was für den Schriftsteller eine Quelle der Inspiration bildete. Die wichtigsten

1 SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 544. 7

Quellen waren die Epen Ilias und Odyssee des griechischen Autors Homer, sowie die Metamorphosen (Verwandlungsgeschichten) des römischen Dichters Publius Ovidius Naso. Von Goethes weitverbreiteten Werken habe ich einige ausgewählt, die antike Motive enthalten, und zwar Gedichte, Dramen und Fragmente.

Die Transkription mythologischer Namen gebe ich nach dem Lexikon der abendländischen Mythologie wieder. In den deutschen Werken werden die Originalnamen, bzw. die von den Autoren überlieferten Namen, belassen.

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2 Zur Theorie der Stilistik

2.1 Grundlagen der Stilistik

2.1.1 Stil und Stilistik

„Im Alltag wird das Wort Stil zur Kennzeichnung eines bestimmten Verhaltens verwendet: Lebensstil, Modestil, Kampfstil oder Sportstil.“2 Stil wird im Bereich der Künste und Architektur, als Individualstil, zur Charakterisierung der Epoche oder in der Literaturwissenschaft (der Stil des alten Goethe) gebraucht. „In jeder Hinsicht geht es bei dem Stil um die Frage des Gestaltens, um die Art und Weise der Gestaltung.“3 In der Linguostilistik ist Stil mit dem Text verbunden. Stilistik nennt man die Disziplin, die lange historische Entwicklung (von der römischen und griechischen Antike bis zum Gegenwart) hat. Die Tradition geht auch von der Prager Schule (Funktionalstilistik der Prager Schule- Bohuslav Havránek, Jan Mukařovský) aus.4

2.1.2 Textlinguistik

„Die sprachliche Kommunikation erfolgt mit Texten, nicht mit Sätzen oder einzelnen sprachlichen Mitteln: dies gilt seit der kommunikativ-pragmatischen Wende (Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts) als allgemeiner Konsens. Mit dem Textbegriff beschäftigt sich die Textlinguistik, die jedoch keine einheitliche linguistische Teildisziplin darstellt, sondern durch mehrere Richtungen geprägt ist und verschiedene Entwicklungsetappen aufweist: im Allgemeinen kann man von zwei übergreifenden Entwicklungsrichtungen sprechen: von der Textgrammatik und der Textpragmatik.“5

Kriterien der Textualität

• Kohäsion: grammatische Formen der Oberflächenstruktur (Pronomalisierung, Junktionen…) • Kohärenz: auf die Textstruktur bezogen, es geht um die Tiefenstruktur des Textes • Intentionalität: Absicht des Textproduzenten • Akzeptabilität: Text verstehen • Informativität: Verständlichkeit • Situationalität: kommunikative Situation (Kode, Kanal, Medium) • Intertextualität: Beziehungen zwischen Texten

2 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 8. 3 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 9. 4 Vgl. Malá 2009, S. 10-14. 5 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 18-19. 9

• Kulturalität: eng mit der Intertextualität verbunden (Todesanzeige, Filmrezenzionen…)6 „Die Stilistik im modernen Sinne ist als Textstilistik zu erfassen, der Stil ist auf der Textebene angesiedelt, manifestiert sich im Textganzen (Kommunikationsbereich, Textorte/Textmuster, Thema, Individualität des Verfassers, Epoche, Zeitgeschmack) sowie im Textdetail: einzelne sprachstilistische Mittel, die uns die seit der antiken Rhetorik gepflegte „traditionelle“ Stilistik systematisch überlieferte, werden aus allen Strukturebenen des Sprachsystems (Phonetik, Morphologie, Syntax, Lexikologie) ausgewählt und angeordnet: Neologismen, Archaismen, Fremdwörter, Phraseologismen, Wortbildungskonstruktionen auf der lexikalisch-semantischen Ebene […], syntaktische Stilfiguren […] und rhetorische Figuren wie Metapher, Metonymie oder Hyperbel.“7

2.2 Makro- und Mikrostilistik

„Die Differenzierung zwischen Makrostilistik und Mikrostilistik ist von vielen Stilforschern vertreten worden, denn der Stil als eine kommunikative und textbezogene Einheit kann sowohl in größeren Einheiten als auch auf der Satz- und Wortebene erkannt und erfasst werden. Es erscheint daher sinnvoll, die Stilistik in eine Makro- und Mikrostilistik einzuteilen.“8

2.2.1 Makrostrukturelle Kategorien

Die Texten, die zu verschiedenen kommunikativen Situationen gehören (Gespräche, Texte, Vorlesungen…), weißt Textmuster, Texttyp/Textsorte auf. Wir können fünf funktionale Stiltypen unterscheiden:

1. Stil des Alltagsverkehrs (private Gespräche, Briefe…) 2. Stil des offiziellen Verkehrs (Dokumente, Protokolle…) 3. Stil der Wissenschaft (Vorträge, Studien…) 4. Stil der Presse und Publizistik (Berichte, Kommentare…) 5. Stil der Belletristik (Romane, Gedichte, Dramen…) Die Kommunikationsbereiche sind allgemein geteilt:

1. Alltagskommunikation 2. offizielle Kommunikation 3. Fachkommunikation 4. Massenmedien 5. Belletristik

6 Vgl. Malá 2009, S. 19-20. 7 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 23. 8 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 23-24.

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Man muss drei Begriffe unterscheiden: Textmuster, Textsorte und Stilmuster.9 „Mit Textmuster wird der qualitative Aspekt einer Textgruppe bezeichnet. […] Mit dem Terminus Textsorte wird der quantitative Aspekt erfasst. […] Die stilistischen Operationen, die den Textsorten zugrunde liegen, werden als Stilmuster bezeichnet.“10

Man unterscheidet auch der äußere Aufbau (der Architektonik) und innere Aufbau (der Komposition). Der äußere Aufbau ist zum Beispiel Kapitel im Roman, Akte in Dramen oder Strophen in Gedichten. Der innere Aufbau wird durch die einzelnen Themen realisiert.11

„G. MICHEL führt zwei Ebenen der Textkompositionsstruktur an: die themenbedingte (topikale) und die verfahrensbedingte (operationale) Strukturebene. Beide Ebenen stehen im engen Zusammenhang mit der Kohäsion und Kohärenz des Textes. […] Auf der themenbedingten Ebene, die eng mit dem Textinhalt zusammenhängt, lassen sich thematische Ketten ermitteln, die die Textkohäsion (auf der Textoberfläche) und die Textkohärenz (Tiefenstruktur) gewährleisten. […] Das Wesen der verfahrensbedingten Ebene besteht im Einsatz bestimmter Verfahren, durch die die einzelnen Themen entfaltet werden. Im Sinne der „traditionellen“ Stilistik handelt es sich um Darstellungsverfahren:

• der Narration (Erzählen): Textorten: Alltagserzählung, Roman, Novelle • der Deskription (Berichten, Beschreiben, Schildern): Textorten: journalistischer Bericht, Gebrauchsanweisung, Naturschilderung im Roman • der Argumentation (Argumentieren): Textorten: politischer Kommentar, Glosse, Literaturkritik, Filmrezension • der Explikation (Erörtern, Erklären): Textorten: Lehrbuchtext, Fachstudie“12 Der Stilzug begegnet man vor allem in der Funktionalstilistik. In dem bestimmten Text sind die Stilzüge mit einzelner Stillmittel (Stilelemente) gebunden. Bei der Analyse eines Textes die Stilzüge bilden den Stil des Textes. Es ist schwer die Stilzüge systematisieren und klassifizieren.13

Die Stilfärbungen und Stilschichten (Synonym: Stilebenen) sind an konkrete lexikalische Stilelemente gebunden.

Stilebene:

• die normalsprachliche Stilebene: neutral, weist keine Expressivität auf • die gehobene Stilebene: dichterische Ausdrücke • die umgangssprachlich-saloppe Stilebene: typisch für die Alltagskommunikation, durch eine mehr oder weniger starke Expressivität geformt, die Redewendungen können bildhaft oder bildlich sein • die vulgären/derben Stilebene: grobe, abwertende, obszöne Ausdrücke und Schimpfwörter

9 Vgl. Malá 2009, S. 24-26. 10 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 26-27. 11 Vgl. Malá 2009, S. 27. 12 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 27-28. 13 Vgl. Malá 2009, S. 32-33. 11

Stilfärbungen:

• scherzhaft (im Adamkostüm) • vertraulich/familiär (mein Alterchen) • pejorativ/abwertend (der Köter) • verhüllend/euphemistisch (ableben/sterben) • übertrieben/hyperbolisch (sich totlachen) • spöttisch (Amtsmiene) • Schimpfwort (Schwein)14

2.2.2 Mikrostilistische Sprachmittel

Die Sprache bietet jedem Sprachbenutzer eine riesige Skala der sprachlichen Zeichen, die er auf verschiedene Art und Weise kombinieren und verwenden kann. Man spricht über den potentiellen Stillelementen, wenn man diese Kombinationen zur Formulierung einer Äußerung verwendet. Die lexikalischen, grammatischen und phonetischen Stilmittel bilden das stilistische Potential der Sprache, wobei die lexikalisch-phraseologische Stilelemente die inhaltliche und semantische Seite des Textes am stärksten beeinflussen.15

2.2.2.1 Lexikalische Stilmittel

Lexikalische Aspekte in der Stilistik sind geteilt:

1. diachronisch: die Lexik ist nach dem zeitlichen Aspekt (Archaismen, Historismen) und in Neologismen und Modewörter geteilt, z.B. der Troubadour, der Job 2. diatopisch: man unterscheidet die lexikalische Elemente nach räumlicher/territorialer/regionaler Beschränkungen: Dialektismen, Dubletten, Austriazismen, Helvetismen, z. B. Jänner, Velo 3. diastratisch: die Gruppen, die verschiedene und typische Wortschatz benutzt (Jugendsprache, Künstlersprache, Sportlersprache, Politikersprache, Jägersprache…), z.B. das ist Hammer=das ist gut 4. diatechnisch: Fachwörter, die in verschiedenen Sprachen benutzt werden, z. B. Phonem (Linguistik) 5. diaintergrativ: die Fremdwörter, Internationalismen oder Entlehnungen, die bestimmte stilistische Effekte haben, z. B. transpirieren statt schwitzen 6. diaevaluativ: wichtig ist die Emotionalität16

2.2.2.2 Stilmittel unter dem Wortbildungsaspekt

14 Vgl. Malá 2009, S. 34-35. 15 Vgl. Malá 2009, S. 37. 16 Vgl. Malá 2009, S. 37-38. 12

Die Wortbildung gibt viele Möglichkeiten für die Bildung den stilistischen Wörtern. Im Deutschen werden die neuen Wörter durch die Zusammensetzung (Komposition) oder Ableitungen gebildet. Z.B. die Komposita mit Bindestrich (Öko-Freak) oder mit Hilfe der Suffixe und Präfixe (Schreiberling, Gesinge).

2.2.2.3 Stilmittel unter dem phraseologischen Aspekt

Die wichtige Rolle bei der stilistischen Realisierung des Textes spielen die Phraseologismen. Was ist Phraseologie?

Nach Harald Burger ist phraseologisch: „eine Verbindung von zwei oder mehr Wörtern dann, wenn die Wörter eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit bilden, und wenn die Wortverbindung in der Sprachgemeinschaft, ähnlich wie ein Lexem, gebräuchlich ist. Die beiden Kriterien stehen in einem einseitigen Bedingungsverhältnis: wenn zutrifft, dann auch, aber nicht umgekehrt.“17 „Aus der allgemeinen Charakteristik ergeben sich die speziellen und nicht für alle Typen in gleicher Weise geltenden lexikalischen, semantischen, morphosyntaktischen und pragmatischen Eigenschaften der phraseologischen Wortverbindungen.“18

Oder: „Der Terminus Phraseologismus gilt als Oberbegriff für alle festen Wortgruppen, die eine syntaktische Einheit darstellen.“19

Zur Phraseologie gehören zwei Termini: Phrasem und Idiom. „Idiom ist der international gebräuchlichere Terminus. Er betont die Idiomatizität, allerdings werden meist neben idiomatischen auch nichtidiomatische Verbindungen unter diesem Terminus subsummiert.“20 „Phrasem (oder Phraseologismus) bildet den Oberbegriff für alle festen Wortfügungen.“21

Ich möchte andere Buch von Harald Burger erwähnen: wenn wir die Ausdrücke irgendwo hören oder lesen, wie zum Beispiel gang und gäbe, Öl ins Feuer gießen, jemandem einen Korb geben oder blinder Passagier, diese alle Ausdrücke haben etwas gemeinsam- sie bestehen aus mehr als einem Wort und es geht um die Kombinationen von Wörter. Diese Ausdrücke nennen wir Phraseologismen. Die lexikalischen Bestandteile sind Komponenten. Diese Disziplin der Linguistik, die sich mit Phraseologismen befasst, ist Phraseologie. Gleichwertige Begriffe sind feste Wortverbindung und phraseologische Wortverbindung. Der Gegenausdruck dazu ist freie Wortverbindung. Neben diesen Gemeinsamkeiten weisen die Ausdrücke die Reihe von Unterschieden auf:

17 BURGER, Harald; BUHOFER, Annelies; SIALM, Ambros: Handbuch der Phraseologie. Berlin; New York: Walter de Gruyter, 1982, S. 1. 18 BURGER, Harald; BUHOFER, Annelies; SIALM, Ambros: Handbuch der Phraseologie. Berlin; New York: Walter de Gruyter, 1982, S. 2. 19 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 39. 20 DONALIES, Elke: Basiswissen deutsche Phraseologie. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 2009, S. 31. 21 DOBROVOLʼSKIJ, Dmitrij; PIIRAINEN, Elisabeth: Zur Theorie der Phraseologie. Kognitive und kulturelle Aspekte. Tübingen: Stauffenberg Verlag, 2009, S. 11. 13

• Sie sind unterschiedlich lang: vom guten Appetit bis zu Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. • Sie haben unterschiedliche syntaktische Funktion (und innere Struktur): z.B. das Rote Kreuz ist eine Nominalphrase, Öl ins Feuer gießen enthält ein Akkusativobjekt und ein Richtungsadverbiale. • Einige verhalten sich morphosyntaktisch wie Verbindungen von Wörter (man kann das Verb konjugieren): z.B. er rauft sich die Haare. • Die meisten der Ausdrücke sind von ihrer Struktur und ihrer lexikalischen Besetzung her unauffällig, sie wirken wie beliebige Wortkombinationen der deutschen Sprache: z. B. gang und gäbe. • Nach Kontext und Fragestellung muss man die Bedeutung des ganzen Phraseologismus und die einzelnen Komponenten unterscheiden. • Mit den meisten der Ausdrücke bezeichnet man Personen, Gegenstände, Sachverhalte, Vorgänge der Welt. • Die Komponenten sind meist lexikalisch verbunden. • Bei einigen der Ausdrücke kommt es einem wahrscheinlich in den Sinn, dass sie von einem bestimmten Autor geformt sind: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage (aus Shakespeares „Hamlet“).22

Merkmale der Phraseologismen

„Zu den wichtigsten Merkmalen der Phraseologismen gehören die Polylexikalität (Mehrgliedrigkeit), (relative) Festigkeit (Stabilität), Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit.“23

• Polylexikalität: „Als das „augenfälligste Merkmal der Phraseme“ […] gilt deren Polylexikalität. […] Es geht um Wörter- lexis. Es sind viele –poly, das heißt wohl: mindestens zwei.“24 Also der Phraseologismus muss aus mehr als einer lexikalischen Einheit bestehen. „Einen Grenzfall bilden die sog. „Sagwörter“ (oder „Wellerismen“), bei denen Sprichwörter oder sprichwortartige Ausdrücke in dem Sinne erweitern werde. […] Doch besteht keine Einigkeit darüber, ob es sich dabei um „Autosemantika“ (wie Öl, geben) und/oder „Synsemantika“ (wie an, und) handeln soll.“25 • Stabilität/Festigkeit: „Für alle Phraseologismen gilt als Grundbedingung ihrer Festigkeit, dass sie in einem synchronen Sprachquerschnitt „gebräuchlich“ sind. Das Phraseologismus kennt man wie ein Wort und ist gebräuchlich wie ein Wort. Das heißt: Wenn jemand einen Phraseologismus hört oder liest,

22 Vgl. Burger 1998, S. 11-14. 23 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 40. 24 DONALIES, Elke: Basiswissen deutsche Phraseologie. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 2009, S. 7. 25 BURGER, Harald: Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1998, S. 15-16. 14

versteht er ihn – ohne auf die potentielle wörtliche Bedeutung zurückgreifen zu müssen – unmittelbar in der phraseologischen Bedeutung.“26 • Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit: „Wir reproduzieren Phraseme, wir produzieren sie nicht. Die Reproduzierbarkeit der fertigen Konstruktion bei ihrer Verwendung in der Kommunikation […] wird nicht selten als das entscheidende Kriterium […] überhaupt betrachtet (Fleischer 1997, 63). […] Wiederholt, reproduziert ist mehr oder weniger alles in der Sprache.“27 Unter Lexikalisierung versteht man die Phraseologismen, die im Lexikon sind.

Klassifikation der Phraseologismen

Klassifikation nach Harald Burger28

Die Basisklassifikation ist wichtig für das Kriterium der Zeichenfunktion. Man unterscheidet:

1. Referentielle Phraseologismen: sie beziehen sich auf Objekte, Vorgänge, Sachverhalte der Wirklichkeit (schwarzes Brett, Morgenstund hat Gold im Mund). 2. Strukturelle Phraseologismen: sie haben eine Funktion innerhalb der Sprache, nämlich die Funktion, Relationen herzustellen (in Bezug auf). 3. Kommunikative Phraseologismen: sie haben bestimmte Aufgaben bei der Herstellung, Definition, dem Vollzug und der Beendigung kommunikativer Handlungen (Guten Morgen, ich meine). Diese Gruppe nennt man auch als Routineformel. Die Routineformeln haben spezifische Funktionen innerhalb der Kommunikation. „Innerhalb der referentiellen Phraseologismen ergibt sich eine Zweiteilung nach dem semantischen Kriterium, ob sie Objekte und Vorgänge bezeichnen (das Schwarze Brett) oder ob sie als Aussagen über Objekte und Vorgänge fungieren (Morgenstund hat Gold im Mund).“29

Nach der Grad der Idiomatizität unterscheidet man drei Typen: Idiome (idiomatische Wortverbindungen), Teil-Idiome (teil-idiomatische Phraseologismen) und Kollokationen (nicht idiomatische Phraseologismen).

Innerhalb der propositionalen Phraseologismen unterscheidet man: feste Phrasen (jemandem fällt ein Stein vom Herzen), topische Formeln und Sprichwörter (die

26 BURGER, Harald: Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1998, S. 16. 27 DONALIES, Elke: Basiswissen deutsche Phraseologie. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 2009, S. 11-12. 28 Vgl. Burger 1998, S. 36-52. 29 BURGER, Harald: Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1998, S. 36-37. 15 geschlossene Sätze, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden muss).

Andere Klassifikation30

4. Idiome: (voll- und teilidiomatische Wendungen): auf die lange Bank schieben. Zu dieser Gruppe gehören auch Vergleiche (wie ein begossener Pudel dastehen) und Paarformeln (klipp und klar). Die Idiome spielen eine besondere Rolle im Text (sie tragen Emotionalität und Expressivität an). 5. Sprichwörter: (auch Parömien) sind zum Beispiel: geflügelte Worte, Zitate, Sentenzen, Aphorismen (Da liegt der Hund begraben). 6. Kollokationen (Nominationsstereotype): oft im Publizistik und Alltag verwendet (den Tisch decken). 7. Funktionsverbgefüge: durch ein Verb und Substantiv gebildet, das die Bedeutung trägt (Antwort geben). 8. Pragmatische Phraseologismen: zu diese Gruppe gehören kommunikative Formeln wie Gruß-, Wunsch- und Höflichkeitsformeln, Anrede- und Schlussformeln (Meine Damen und Herren, viel Erfolg!).

Spezielle Klassen:

• Modelbildungen: nach einem Strukturschema gebildet, dem eine konstante semantische Interpretation zugeordnet ist (Modell: X um X: Glas um Glas). Dann wurden die Modelle einbezogen, denen je nach lexikalischer Besetzung unterschiedliche semantische Interpretationen zuzuordnen sind (Model von X zu X: von Tag zu Tag). • Zwillingsformeln/Paarformeln: zwei Wörter der gleichen Wortart oder auch zweimal dasselbe Wort werden mit und, einer anderen Konjunktion oder einer Präposition zu einer paarigen Formel verbunden (klipp und klar, gang und gäbe). • Komparative Phraseologismen: sie enthalten einen festen Vergleich, der häufig der Verstärkung eines Verbs oder Adjektivs dient, die selbst in ihrer freien Bedeutung verwendet sind (dumm wie Bohnenstroh). • Kinegramme: konventionalisierte nonverbale Verhalten (die Achseln zucken). • Geflügelte Worte: es geht um die literarische Redensarten, die heute nicht mehr aktuell sind (Sein oder Nichtsein, das ist hier eine Frage). • Autorphraseologismen: innerhalb eines Textes kann ein polylexikalischer Ausdruck zu einer Art fester Wendung werden, die nur innerhalb dieses Textes ihren konkreten Sinn hat (auf den Steinen sitzen- T. Mann, Buddenbrooks). • Onymische Phraseologismen: Funktion von Eigennamen (das Weiße Haus). • Phraseologische Termini: wichtig bei den fachsprachlicher Terminologiebildung (in Konkurs gehen).

30 Vgl. Malá 2009, S. 40-41. 16

• Klischees: abgegriffene, unoriginelle, stereotype Verbindungen (Schritt in die richtige Richtung).

2.2.2.4 Grammatische Stilmittel

„Die grammatischen Stilelemente sind verschiedene Wortformen (Flexionsformen) oder syntaktische Konstruktionen, die dem Autor eines Textes zur Realisierung seiner kommunikativen Absicht zur Verfügung stehen. Das grammatische Teilsystem, geteilt in die morphologische und syntaktische Ebene, liefert zahlreiche fakultative Varianten für den Formulierungsprozess mit stilistischer Relevanz, aus denen man in einer bestimmten kommunikativen Situation auswählen kann und die erst beim Einsatz in der sprachlichen Äußerung ihren Stilwert erlangen.“31 Es geht um die Synonymie. Kurz werde ich die Aufmerksamkeit auf die morphologische Ebene und syntaktische Ebene zuwenden.

Morphologische Ebene

Unter morphologischer Synonymie versteht man formal verschiedene Wortformen der einzelnen Wortklassen (z.B. Substantive) mit ähnlicher grammatischer Bedeutung.

Verben:

• Temporalität: innerhalb der verbalen Kategorie kann man systemhafte und kontextgebundene Synonyme unterscheiden, wo die ähnliche Bedeutung im Redekontext kommt (z.B. Perfekt, Präsenz, Futur…) • Modalität: es geht um die Beziehung des Autors zum Inhalt, zu den Ausdrucksmitteln der Modalität gehören Modus, Modalverben und Modalwörter sowie Futur (häufig in der Alltagsrede, Publizistik, Belletristik). • Genus: man unterscheidet Aktiv und Passiv. Substantive:

• Nominalstil: der häufige Gebrauch von Substantiven, typisch für den Fachbereich und den offiziellen Kommunikationsbereich. • Singular- und Pluralform: z.B. in der Lyrik Singular statt Plural dient zur Hervorhebung des Einzelwesens und wirkt poetisch. Adjektiv:

• „In attributiver Verwendung spielt in der stilistischen Entscheidung eine wichtige Rolle: es dient zur Konkretisierung, Veranschaulichung, aber vor allem zur emotionalen Bewertung eines Sachverhaltens, als schmückendes Beiwort ist es aus der antiken Rhetorik bekannt.“32 Häufig benutzt als Komparativ und Superlativ.

31 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 47. 32 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 49. 17

Pronomina:

• Identifizierung, Distanzierung, Zugehörigkeit, Verbundenheit (z.B. „Mein Leipzig lobʼich mir…“ J. W. Goethe) Interjektionen:

• Starker Emotionalität: Au als Reaktion auf den Schmerz. Syntaktische Ebene

Zu den syntaktischen Synonymen gehören die Synonymie der Wortverbindungen und die Synonymie im Satzbau. Als syntaktische Stilmittel kann man die Satzlänge, die Satzarten, die Verbindung der Satzglieder und Sätze und die Stellung der Satzglieder ansehen.

• Satzlänge: kann in Abhängigkeit von dem Kommunikationsbereich, der Textsorte variieren (z. B. kurze Sätze in der Alltagsrede, lange Sätze in der Belletristik). • Satzarten: Aussage-, Aufforderungs-, Frage- und Ausrufesätze. • Die Stellung der Satzglieder: nach bestimmten Grundregeln. • Die Verbindung der Satzglieder und Sätze: können miteinander ohne Konjunktionen oder mit Konjunktionen verbunden werden. Abweichende Satzkonstruktionen

Zu den abweichenden Satzkonstruktionen gehören Ellipse, Aposiopese, Prolepse, Anakoluth, Apposition, Parenthese und Katachrese.

• Ellipse: bekannteste Gruppe, worunter man Auslassungen bestimmter erwartbarer Satzteile versteht, die inhaltlich redundant33 sind. • Aposiopese: der Satzabbruch (meistens bedingt durch die Emotionen des Sprechers). • Prolepse: (Vorwegnahme) ist das Wiederaufgreifen eines vorangehenden Substantivs, Adverbs, verkürzten Nebensatzes durch ein nachfolgendes pronominales Element. • Anakoluth: ist ein regelwidriger Übergang aus einer begonnen syntaktischen Konstruktion in eine andere. • Apposition: auch Epiphrase, ist eine nachgestellte Ergänzung z. B. im gleichen Kasus und Numerus. • Parenthese: (Einschub) hat eine erläuternde, beurteilende, weiterführende Funktion. • Katachrese: (Bildbruch) beruht auf Vernachlässigung des logischen oder semantischen Zusammenhangs.

2.2.2.5 Phonetische Stilmittel

33 Redundanz aufweisend, überreichlich (vorhandeln). In: DUDEN-REDAKTION: Der Duden in zwölf Banden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 5. Das Fremdwörterbuch. Mannheim; Zürich: Dudenverlag, 2010, S. 890. 18

Die phonetischen Stilmittel bilden keine zahlreiche Gruppe innerhalb der Stilelemente. Zu den phonetischen Stilelementen werden Klangmittel gerechnet. Sie sind oft in der Lileratur verwendet.

Klangmittel:

• Lautmalerei (Onomatopoïe): z.B. lautmalerische Verben piepsen, zwitschern, trillen. • Alliteration (der Stabreim): der Gleichklang der anlautenden Konsonanten.34

2.2.3 Stilfiguren

„Stilfiguren (rhetorische Figuren) sind besonders geartete Stilelemente. Sie bilden den Kern der traditionellen Stilistik, ihren Ursprung haben sie jedoch in der antiken Rhetorik. Ihre Hauptfunktionen sind Ausdrucksvariation und Ausdrucksverstärkung (Expressivität). In Texten dienen sie zur Hervorhebung, Pointierung, Kontrastierung, Veranschaulichung, Bewertung (Evaluation).“35

2.2.3.1 Tropen

• Vergleich: Der Vergleich beruht auf der Ähnlichkeit zweier verschiedener Sachverhalte der objektiven Realität, z.B. Er sieht aus wie sieben Tage Regenwetter. • Metapher: Bedeutungsübertragung von einem Gegenstand auf einen anderen auf Grund der äußeren Ähnlichkeit, z. B. blutiger Anfänger, den Nagel auf den Kopf treffen. • Personifikation: Übertragung von Eigenschaften eines Lebewesens auf etwas Unbelebtes, Abstraktes, z.B. schwarzes Loch. • Synästhesie: Metaphorische Übertragung, z. B. helle und dunkle Töne. • Metonymie: Es geht um eine Bezeichnungsverschiebung auf Grund von logischen Zusammenhängen, z. B. Der Wein steht im Keller. • Synekdoche: Sonderart der Metonymie, z. B. unter meinem Dach (in meinem Haus). • Periphrase: Umschreibung, z. B. König der Wüste (der Löwe). • Euphemismen: Umschreibungen zur Verhüllung des Schrecklichen (Tod, Sterben, Alkoholismus…), z. B. die Augen für immer schließen (sterben). • Litotes: Umschreibung durch Verneinung, z. B. Der Wein ist nicht von schlechten Eltern (ist von guter Qualität). • Hyperbel: expressive Übertreibung, z. B. Ich bin todmüde.

2.2.3.2 Stilfiguren

34 Vgl. Malá 2009, S. 55. 35 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 56. 19

Zu den Stilfiguren der Wiederholung gehören:

• Anapher: wörtliche Wiederholung am Anfang der Sätze. • Epipher: wörtliche Wiederholung am Ende der Sätze. • Symploke: Kombination von Anapher und Epipher. • Epizeuxis: ein- oder mehrfache Wiederholung. • Paronomasie: (Annominatio) ist ein Wortspiel mit Änderung des Wortkörpers in der Wiederholung. • Figura etymologica: ein Wortspiel, das durch die Kombination von Verb und Substantiv vom gleichen Stamm kommt. • Parallelismus: Wiederholung im Satzbau.

Zu den Stilfiguren der Gegensätze gehören:

• Oxymoron: die Verwendung von scheinbar widersinnigen Wörtern. • Antithese: Gegenüberstellung von Aussagen mit gegensätzlichem Inhalt. • Chiasmus: kreuzende figurierte Satzbau. • Antimetabole: Kombination von Parallelismus und Chiasmus.

Zu den Stilfiguren der Häufung gehören:

• Klimax (Stilfigur der Gradation) • Zeugma (Durchbrechung)36

36 MALÁ, Jiřina: Stilistische Textanalyse: Grundlagen und Methoden. Brno 2009, S. 56-61. 20

3 Zu Leben und Werk von Johann Wolfgang Goethe

Im zweiten Teil meiner Diplomarbeit werde ich mich dem Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe und seinen wichtigsten Werken (Gedichten, Dramen, Fragmenten), in denen antike Motiven erscheinen, widmen. Ich werde mich auch auf die Deutung von Göttern in der griechischen und römischen Mythologie beziehen. Am Anfang dieses Kapitels möchte ich die Epochen, in denen der Schriftsteller tätig war, und dessen Lebenslauf kurz darstellen, weil dies für das Verständnis von Goethes Werken wichtig ist.

3.1 Sturm und Drang und Weimarer Klassik

3.1.1 Sturm und Drang

Der Höhepunkt der literarischen Bewegung des 18. Jhs. Sturm und Drang ist zur Zeit der 2. Hälfte des 18. Jhs. datiert, wann J. G. Herder und J. W. Goethe einander begegneten. Die Beiden strebten nach einer Freiheit des Individuums, nach der Selbstentwicklung und Selbstverwirklichung. Diese Forderungen führten zu der Kritik zeitgenössischer gesellschaftlicher Zustände und zu den Gedanken über utopische Gesellschaften. Dazu noch kam es zu dem Konflikt mit der damals herrschenden Ästhetik und Poetik, und das Ideal des freien Individuums, das alle gesellschaftlichen Beschränkungen ablehnt, stellte das Genie dar. 37

Der Begriff „Sturm und Drang‟ tauchte zum ersten Mal im Jahre 1776 auf, und zwar im Schauspiel F.M. Klingers (ursprünglicher Titel: Wirrwarr) und wurde danach auf die ganze Epoche übertragen. Die Sammlung Von deutscher Art und Kunst wurde als Programmschrift der deutschen Sturm und Drang-Bewegung verstanden. Nach Herder verstehen wir unter „deutsch‟ sowohl germanisch, nordisch und volkstümlich. Es geht um eine typische deutsche Bewegung. Zur Zeit der französischen Revolution im Jahre 1789 war Deutschland völlig zersplittert: 300 kleine Höfe und zwei Konfessionen spalteten das Land in Teilstaaten, die ökonomisch, politisch und sozial voneinander getrennt waren. Die gesellschaftliche Lage führte zu Unzufriedenheit. In der Literatur kann man vielfach die Hoffnung auf Besserung und Überwindung finden. Meistens geht es um Themen aus niedrigen sozialen Schichten. Die Kennworte der Sturm und Drang-Dichter waren Genie, Natur, Gefühl, Kraft und Leidenschaft. Ein großes Vorbild für die Schriftsteller bildete der englische Autor William Shakespeare. Dramen des Sturm und Drang wurden in Prosa statt in Versen geschrieben: Beispiele stellen etwa Goethes Drama Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand oder Klingers Tragödie Die Zwillinge dar. Typisch für diese Epoche ist auch die frühe Lyrik Goethes mit dem Gedicht Prometheus. Ein Höhepunkt des Sturm und Drang schließlich war

37Vgl. Meid 2004, S. 230. 21

Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers. Goethe traf mit diesem Werk die Stimmung der Zeit.38

3.1.2 Weimarer Klassik

„Die Epoche der Weimarer Klassik umfasst, so die übliche Übereinkunft, den Zeitraum von Goethes Aufbruch nach Italien (1786) bis zum Tod Schillers (1805); als Kernphase gilt die Zeit der engen Zusammenarbeit von Goethe und Schiller (1794-1805). Die Weimarer Klassik ist, wie alle Klassiken, ein Rezeptionsphänomen, d. h. eine nachträgliche Konstruktion, die aus einem durchaus widersprüchlichen Komplex von Werken einen normbildenden Kanon heraushebt und auf Grund bestimmter ästhetischer und ideologischer Prämissen als Klassik definiert. Dieser wertende Auswahlprozess lässt gleichzeitige literarische Strömungen wie Spätaufklärung und Romantik in den Hintergrund treten und betrifft selbst das Werk der Autoren, die im Zentrum der Weimarer Klassik stehen.“39

Im 18. Jahrhundert verstand man unter „Klassik‟ die römische und griechische Antike. Es handelt sich um den Einfluss der italienischen Renaissance, die in Deutschland wiederentdeckt wurde. In dieser Zeit galt das apollinische Schönheitsideal des Altertums als Vorbild. Unter dem Apollinischen versteht man eine strenge Form, eine in der Vernunft begründete, ruhige und heitere Erhabenheit. Goethe verfolgte die Absicht, selbst nach Italien zu reisen und alles mit eigenen Augen zu sehen. Im September 1786 bereiste er Italien (Rom, Neapel, Sizilien). In Italien vollendete Goethe seine Dramen Iphigenie auf Tauris, und . Goethe hat einige seiner Dramen schon in der Zeit des Sturm und Drangs begonnen und in der Epoche der Klassik abgeschlossen. Goethes Lyrik entstand nach seiner Italienreise. Thema waren die Freiheit und die Freuden der sinnlichen Liebe. In der Literaturgeschichte findet die klassische Periode mit Schillers Tod 1805 ein Ende.40

3.2 Lebenslauf

„Johann Wolfgang von Goethe ist am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren und am 22. März 1832 in Weimar gestorben.“41 Johann Wolfgang Goethes literarische Produktion umfasst Lyrik, Dramen, Prosa sowie autobiographische und naturwissenschaftliche Werke. Sein Freund war der berühmte Schriftsteller Friedrich Schiller. Bedeutung kommt dem Briefwechsel zwischen beiden Autoren zu. Johann Wolfgang Goethe war ein wichtiger Vertreter der literarischen Bewegung des Sturm und Drang und der Epoche der Weimarer Klassik. Sturm und Drang bezeichnet die Strömung der deutschen Literatur zwischen den Jahren 1767-1785/1790. Diese Strömung stellt eine weiterführende Reaktion

38Vgl. Baumann, Oberle 1996, S. 89-100. 39MEID, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart 2004, S. 260. 40Vgl. Baumann, Oberle 1996, S. 101-116. 41 LANDFESTER, Ulrike: Johann Wolfgang von Goethe. In: ARNOLD, Heinz Ludwig Verlag: Kindlers Literatur Lexikon. Stuttgart 2009, S. 305. 22 auf die Epoche der Aufklärung dar. Das Hauptthema ist jetzt Individualität, und diese Jahre werden auch als Geniezeit bezeichnet. Die Epoche der Klassik (1786-1805) wird in der deutschen Literatur namentlich von zwei Dichtern repräsentiert: Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller. Unter Klassik verstand man die römische und griechische Antike.42

Das wichtigste Jahr in Goethes Leben war 1786. Goethe reiste in diesem Jahr nach Italien, weil er die Antike mit eigenen Augen erleben wollte. Diese Reise war die wohl folgenreichste. Er reiste über Verona, Padua und Venedig nach Rom, weiter nach Neapel (mit einer Vesuvbesteigung) und zurück über Florenz.43

„Jetzt darf ich es gestehen, zuletzt durft ich kein lateinisch Buch mehr ansehn, keine Zeichnung einer italienischen Gegend. Die Begierde, dieses Land zu sehn, war überreif, da sie befriedigt ist, werden mir Freunde und Vaterland erst wieder recht aus dem Grunde lieb, und die Rückkehr wünschenswert.‟ schreibt Goethe am 3. November 1786.44 Die ersten zwei Wochen war Goethe in Venedig. Dann reiste er nach Rom. In Rom lebte er bei seinem Freund, der als Maler arbeitete. Goethe hatte seine unvollendeten Dramenmanuskripte mitgenommen: Iphigenie, Tasso, Egmont und Faust. In Rom konnte er endlich seine Werke fertigstellen. Er besuchte auch einen Unterrichtskurs in Malerei. Die antike Welt war überall. Goethe arbeitete glücklich, und am Ende konnte er viele Zeichnungen und Aquarelle nach Hause mitbringen. Für ihn war alles wie ein kräftiges Atemholen. In den ersten Wochen ist er durch die Stadt gewandert. Zu Beginn des neuen Jahres reiste er nach Neapel. Er sammelte Italienischkenntnisse und beobachtete Natur, Landschaft und Menschen. Er hat dreimal den Vesuv bestiegen. Ein großes Abenteuer für ihn war der Besuch der Insel Sizilien. Er erinnerte sich an die Welt Homers, der Ilias und der Odyssee. „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele. Hier ist der Schlüssel zu allem.‟45 Diese ganze Reise gibt Goethe neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Die italienische Reise gab die antiken Motive in die Werke von Goethe.“46

Es ist auch sehr interessant, dass Goethe Naturwissenschaften liebte. Er hat auch Böhmen besucht und Steine gesammelt. Seine Vorliebe waren Geologie, Biologie, Optik, Botanik und Mineralogie. Viele naturwissenschaftliche Motive sind auch in Goethes Werken präsent. Berühmtheit erlangten seine Beiträge zur Optik und Farbenlehre. Wenn er Italien besuchte, interessierte er sich für Pflanzen. Dieses Thema können wir in der Naturlehre (Auszüge aus einem Reisejournal) sehen.47

Johann Wolfgang Goethe lebte ab 1775 in Weimar, wo er mit seinem Freund Friedrich Schiller verkehrte. Dies ist aus dem Briefwechsel der beiden Schriftsteller ersichtlich. Goethe

42 Vgl. Meid 2004, S. 262-265. 43 Vgl. Schlosser 2006, S. 167. 44 SEEHAFER, Klaus: Johann Wolfgang von Goethe. Dichter, Naturforscher, Staatsmann. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1982, S. 19. 45 SEEHAFER, Klaus: Johann Wolfgang von Goethe. Dichter, Naturforscher, Staatsmann. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1982, S. 20. 46 SEEHAFER, Klaus: Johann Wolfgang von Goethe. Dichter, Naturforscher, Staatsmann. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1982, S. 19-20. 47Vgl. LANDFESTER, Ulrike: Naturwissenschaftliche Schriften. In: ARNOLD, Heinz: Kindlers Literatur Lexikon. Stuttgart 2009, S. 345-349. 23 war auch durch seine Vita sehr berühmt, seine letzten Werke werden als Weimarer Klassik bezeichnet. Goethe starb im Jahre 1832.

3.3 Gedichte

Zuerst möchte ich mich mit den Dichtungen beschäftigen, in denen antike Motive auftreten. Diese Gedichte sind voll von menschlichen Eigenschaften, Liebe, Natur und Qual. Die entsprechenden Themen sind von Goethes Italienreisen beeinflusst.

„Lyrik ist eine poetische Gattung. Neben Epik und Dramatik gilt sie als eine der drei literarischen Grundgattungen. Zu den Gattungsformen der Lyrik gehören das Lied in seinen vielen Variationen, die Ode, die Elegie, die Hymne, kunstvolle, strenge Formen wie das Sonett, kurze, prägnante wie das Epigramm. Als konstante Elemente der Lyrik können im Wesentlichen Rhythmus, Vers und Metrum genannt werden, nur teilweise Reim und Strophe. Das Gedicht ist die Bezeichnung für meist kürzere, von Prosa unterschiedene Formen der Lyrik.“48

3.3.1 An Schwager Kronos

Vers:

„Spude dich, Kronos!

Fort den rasselnden Trott!

Bergab gleitet der Weg;

Ekles Schwindeln zögert

mir vor die Stirne dein Haudern.

Frisch, holpert es gleich,

über Stock und Steine den Trott

rasch ins Leben Hinein!‟49

Inhaltswidergabe:

„Kronos, den Gott hat seine Kinder verschlang. Als ordinären Kutscher auf den Bock und erteilt ihm, einem besseren Sklaven gleich, einen Befehl nach dem anderen: Beeil dich, sei nicht so faul, mach endlich weiter. Beschwichtigend haben die Kommentatoren behauptet, Goethe habe den Vater des Zeus mit Chronos, dem Gott der Zeit, verwechselt. Aber wenn es denn überhaupt eine Fehlleistung war, so ist sie höchst aufschlussreich: Mache dir die

48DER BROCKHAUS LITERATUR. Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. Mannheim: Brockhaus Verlag, 2004, S. 501. 49 GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Erster Band. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 183-184. 24

Gewaltigsten untertan, lautet wohl die Botschaft. In An Schwager Kronos verzichtet er nicht auf das lyrische Ich, hier ist die mythische Maske, er spricht von sich selbst. Zugleich spricht er von der reinen Hybris, vom Größenwahn des Verfassers. Er hat die feudale Schlussgebärde des Gedichts zum putzigen Idyll verkleinert: Daß der Orkus vernehme, heißt es nun, wir kommen. Den Orkus-Wirt nicht, viel lieber Hybris.“50 Kronos stellt die Zeit und das göttliche Wesen dar. In diesem Gedicht tritt in den einzelnen Strophen der Imperativ auf: Spude dich, Kronos! Fort den rasselnden Trott! Der Imperativ verleiht dem Gedicht seine anregende und spannende Atmosphäre, ebenso wie die Adjektive: den rasselnden Trott, den eratmenden Schritt, der ewige Geist, entzahnte Kiefer oder vom letzten Strahl. Goethe verwendet die antike Mythologie, indem er zwei Götter auftreten lässt: Kronos51 und Orkus52.

Stilmittel:

„Spude dich, Kronos!/ Fort den rasselnden Trott!“ Goethe, S. 183.

SYNONYMIE: Die Erläuterung ist ununterbrochen. „Der Partikel fort drückt häufig eine anhaltende, dauernde Bewegung bzw. einen kontinuierlichen Vorgang aus.“53

„Über Stock und Steine den Trott/ Rasch inʼs Leben hinein!“ Goethe, S. 184.

ALLITERATION: Der nächste Ausdruck in der ersten Strophe ist „über Stock und Steine: über alle Hindernisse des Erdbodens hinweg.54 Die Ergänzung: Diese Wendung geht von einem Stock im Sinne von Baumstumpf aus. Mit „Stock und Stein“ wurde früher auch ein noch nicht gerodetes Waldgebiet bezeichnet.“55„Wenn jemand über "Stock und Stein" lief, hatte er also eine Grenze überschritten.“56

„Über Stock und Steine den Trott/ Rasch inʼs Leben hinein!“ Goethe, S. 184.

50HIEBER, Jochen: Weit hoch herrlich oder die reine Hybris. In: REICH-RANICKI, Marcel: 1000 deutsche Gedichte und ihre Interpretationen. Frankfurt am Main; Leipzig: Insel Verlag, 1994, S. 76-77. 51 Kronos ist der jüngste und bedeutendste der griechischen Titanen. Er war Sohn des Uranos und der Gaia. Aus Zorn darüber, dass ihr Gemahl die Kyklopen und Hekatoncheires verbannt hatte, überredete Gaia ihn, seinen Vater mit einer Sichel zu entmannen und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Damit ihm selbst ein ähnliches Schicksal erspart bliebe, verschlang Kronos alle seine Kinder, die er mit seiner Schwester und Gemahlin Rheia hatte, mit Ausnahme des Zeus. Zeus zwang seinen Vater, die Geschwister wieder auszuspeien. Daraufhin begann der Kampf um die Weltherrschaft, den Zeus gewann. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 242. 52 Orkus ist in der griechische Mythologie das vom Hades und Persephone beherrschte Reich der Toten, mit vier Eingängen, mehreren Flüssen, über die der Fährmann Charon die Verstorbenen übersetzte, bis Kerberos sie in den ebenfalls Hades genannte Bereich einließ, von dem er keinem die Rückkehr erlaubte. In: Ebd. S. 426. 53DROSDOWSKI, Günther, SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 11. Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1992, S. 170. 54 DROSDOWSKI, Günther, SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 11. Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1992, S. 695. 55DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 738. 56[Zit. 5.3.2015] Zugänglich URL: http:// www.redensarten-index.de/ 25

PERIPHRASE: Im Gedicht erscheint das Wort Trott (den Trott rasch ins Leben hinein). „Im selben Trott weitermachen: nach alter Methode verfahren, unrentabel, unwirtschaftlich arbeiten, Tretmühle. Trott bedeutet eigentlich Trab.“57

MODELBILDUNGEN, ELLIPSEN: „Vom Gebirge zum Gebirge“ Goethe, S. 184.

PERSONIFIKATION: „Sieh, die Sonne sinkt!“ Goethe, S. 184.

3.3.2 Prometheus

Vers:

„Bedecke deinen Himmel, Zeus,

mit Wolkendunst

und übe, dem Knaben gleich,

der Disteln köpft,

an Eichen dich und Bergeshöhn-

Mußt mir meine Erde

doch lassen stehn

und meine Hütte, die du nicht gebaut,

und meinen Herd,

um dessen Glut

du mich beneidest.‟58

Inhaltswidergabe:

„Der Titel macht die Ode als Rollengedicht kenntlich. Es spricht weder ein unspezifiziertes lyrisches Ich noch der Autor selbst, sondern eine mythologische Figur. Ihre Charakterisierung muss sich in das überlieferte Bild einfügen, damit der Text überhaupt verständlich ist. Der Mythos von Prometheus59 bringt einen Ablauf von Ereignissen. Der Halbgott Prometheus bildet Menschen aus Ton und bringt ihnen gegen Zeusʼ Willen das Feuer. Zur Strafe wird er an den Kaukasus geschmiedet, später befreit und als Berater der

57 RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 3. Herder Verlag, 1994, S. 1646. 58 GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Erster Band. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 185. 59 Prometheus ist in der griechische Mythologie einer der Titanen, Sohn des Iapetos und der Bruder des Epimetheus. Er galt als Wohltäter, Kulturbringer und Helfer der Menschheit, der er auch das Feuer brachte, häufig betrachtete man ihn als Schöpfer des Menschengeschlechts. Zeus fürchtete den Übermut der Menschen und schickte Pandora auf die Erde. Prometheus wurde wegen Feuerraubs zur Strafe an den Kaukasus geschmiedet, wo täglich ein Adler an seiner Leber fraß, bis Herakles den Vogel tötete. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 352-353. 26

Götter aufgenommen. Die Ode greift einen markanten Augenblick aus dem Zusammenhang heraus. Die gegen die Götter gerichteten Handlungen (Auflehnung, Feuer, Erschaffung der Menschen) zeitigen Erfolg: die Situation des Triumphes also.“60 Eine bemerkenswerte Ansicht offenbart der Monolog des Prometheus. „Ich kenne nichts Ӓrmeres unter der Sonn als euch, Götter!‟61

Der Text gibt keinen Hinweis auf das spätere Schicksal des Prometheus. Es ist schwierig, die Zukunft der Hauptfigur zu sehen. Diese Antwort ist offen. Die Sprechsituation ist nicht nur monologisch. Die Rede wendet sich das ganze Gedicht hindurch an Zeus. Zeus kann Hörer oder als Prometheus imaginierte Gestalt sein. Im Gedicht gibt es offene Stellen, die im Unklaren lassen, auf welche Varianten des Mythos sich der Text bezieht. Es bleibt unentschieden, ob die von Prometheus geformten Menschen sofort lebendig werden oder ob sie erst noch der Beseelung durch Minerva bedürfen.62

Das Gebet von Prometheus ist erfolglos. Die Götter können oder wollen nicht helfen. Prometheus kann die Blitze des Zeus herausfordern, weil ihr Zerstörungspotential die feste Erde und die elementaren Kulturgüter nicht erreicht. Dann kommt es zur Auflehnung des Prometheus. Die Opposition gegen Zeus ist bereits mit der höhnenden Anrede der ersten Zeile gegeben, die folgenden Strophen entfalten sie nur immer weiter. Es gibt hier keine dramatische Entwicklung. Das Gedicht beginnt mit der aktuellen Situation, wendet sich der Vergangenheit zu und kehrt am Ende zur Gegenwart zurück. Der Inhalt führt zur Opposition von Erde und Himmel zurück.63

Im Gedicht können wir die Analogie zwischen der Situation des Prometheus und der Wirklichkeit im 18. Jahrhundert erkennen. Die Revolution (1789, Beginn der französischen Revolution), soziale Fragen, Terrorherrschaft und der Kampf für Freiheit- das waren die wichtigsten Motive dieser Epoche. Prometheus als Hauptfigur kämpft für seine Rechte.64 Prometheus galt als Symbol für Kampf und Mut. Dieser mythologische Held ist für die deutschen Schriftsteller in der Epoche des Sturm und Drang ein wichtiges, gegen das Regime gewandtes Symbol.

Der Haupttitel lautet Prometheus, gleich der bekannten Sage. Prometheus wollte die Menschen aus Ton bilden. Er hat auch Tiere gebildet und lehrte die Menschen alle wichtigen Sachen, damit diese überleben konnten. Zeus nahm den Leuten das Feuer ab. Prometheus stahl das Feuer. Der Diebstahl rief die Rache des Zeus auf Prometheus hervor. Hephaistos bildete aus feuchtem Ton eine Frau, Athena machte sie lebendig und begleitete sie, die Chariten und Peitho (der Geist der Überredung) schmückten sie mit Juwelen, die Horen bekränzten sie mit Blumen, Aphrodite gab ihr Schönheit und Anmut, Hermes schließlich lehrte sie alle Arten von List und Betrug. Sie wurde zu Prometheus’ Bruder geschickt. Man

60THOMÉ, Horst: Tätigkeit und Reflexion in Goethes Prometheus. Umrisse einer Interpretation. In: RICHTER, Karl: Gedichte und Interpretationen. Band 2. Aufklärung und Sturm und Drang. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 427. 61 GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Erster Band. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 185. 62Vgl. Thomé 1999, S. 428. In: RICHTER, Karl: Gedichte und Interpretationen. Band 2. Aufklärung und Sturm und Drang. Stuttgart: Reclam, 1999. 63Vgl. Thomé 1999, S. 427-435. In: RICHTER, Karl: Gedichte und Interpretationen. Band 2. Aufklärung und Sturm und Drang. Stuttgart: Reclam, 1999. 64 Vgl. Frenzel 1953, S. 200-206. 27 nannte sie Pandora, die Allbeschenkte. Das Weib brachte eine Büchse mit, die alle Arten von Übeln und Krankheiten enthielt, diese öffnete sie, alles Schlechte flog heraus, nur die Hoffnung blieb zurück. Nicht nur die Menschen sollten bestraft werden, sondern auch Prometheus selbst. Zeus ließ ihn fangen und in die schlimmste Einöde des Kaukasus schleppen. Dort wurde er an einen Felsen geschmiedet. Täglich suchte ihn ein Adler auf und zerriss seine Leber, bei Nacht aber wuchs die Leber neu und schuf nie endendes Pein. Schließlich wurde er von Herakles befreit.65

Stilmittel:

„Wähntest du etwa,/ Ich sollte das Leben hassen,/ In Wüsten fliehen,/ Weil nicht alle/ Blütenträume reiften?“ Goethe, S. 186.

METAPHER: „Die Zeile stammt aus Goethes Gedicht Prometheus (entstanden um 1774). Das Gedicht in freien Rhythmen hat die Form eines Monologs, in dem der zu den Titanen zählende Prometheus mit Jupiter rechtet. Er hält die Götter des Danks der Menschen für unwürdig. Denn die Menschen verdankten alles sich selbst, nicht den Göttern. Im Verlauf dieser „Abrechnung‟ stellt Prometheus die Frage.

Metapher ist in die Redewendung „nicht alle Blütenträume reifen‟ (= nicht alles, was man erstrebt, lässt sich verwirklichen), eingegangen.“66

„Bedecke deinen Himmel, Zeus/ Mit Wolkendunst,/ Und übe, dem Knaben gleich,/ Der Disteln köpft…“ Goethe, S. 185.

METAPHER: „Mit den Zeilen Bedecke deinen Himmel, Zeus/Mit Wolkendunst beginnt Goethes Gedicht Prometheus. Nach der griechischen Mythologie brachte Prometheus den Menschen gegen Zeusʼ Willen das Feuer und zog sich damit den Zorn des Herrn des Himmels zu. Das Gedicht ist ein stolzer Monolog des Prometheus, der darin unmißverständlich seine Verachtung für Zeus zum Ausdruck bringt. Man verwendet das Zitat meist scherzhaft-ironisch, wenn man eine mächtige Person oder Institution auffordern will, sich zurückzuhalten, sich nicht einzumischen. Ganz vordergründig kann die Verszeile auch als Stoßseufzer an einem strahlenden, sonnenheißen Tag dienen, wenn man sich nach schattenspendenden Wolken sehnt.“67

METAPHER: „Hast du nicht alles selbst vollendet,/ Heilig glühend Herz?“68 Goethe, S. 185.

FIGURA ETYMOLOGICA: „Heilig glühend Herz?/ Und glühest jung und gut,/ Betrogen, Rettungsdank/ Dem Schlafenden da droben?“ Goethe, S. 185.

PERSONIFIKATION: „Die allmächtige Zeit“ Goethe, S. 185.

65 Vgl. Rose, S. 52-55. 66 SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 481-482. 67SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 62. 68 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 394. 28

3.3.3 Meine Göttin

Vers:

„Welcher Unsterblichen

soll der höchste Preis sein?

Mit niemand streitʼ ich,

aber ich gebʼ ihn

der ewig beweglichen,

immer neuen,

seltsamsten Tochter Jovis,

seinem Schoßkinde,

der Phantasie.‟69

Inhaltswidergabe:

In diesem Gedicht spricht Goethe über die Tochter von Jovis70. Hier ist die Tochter Phantasie erwähnt. Der Gott liebt seine Tochter. Er spricht zu dem Leser und erklärt, warum er sie mag.

Stilmittel:

„In Freud und Elend,/ Als treue Gattin/ Nicht zu erweichen.“ Goethe, S. 209.

PAARFORMAL: Im Gedicht wird in Freud und Elend nicht zu entweichen benutzt. „Elend, vom althochdeutschen ali-lanti, eli-lenti, bedeutete ursprünglich anderes Land, Fremde. Elend kann auch Leiden bedeuten.“71

VERGLEICH: „wie Morgen und Abend,/ Immer wechselnd,/ Wie Mondesblicke,/ Den Sterblichen scheinen“ Goethe, S. 209.

3.3.4 Grenzen der Menschheit

69 GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Erster Band. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 209. 70Jovis ist der Genitiv von Jupiter. Der Name des Himmelsgottes, der dem griechischen Zeus entspricht. Er spielte im Leben der Römer eine außerordentlich große Rolle, und zwar sowohl als Wettergott als auch als Sitte und Ordnung bewahrende, den Staat schützende Gottheit. Als Wettergott sandte er Blitz, Donner und Regen. Zeus war der oberste Gott der Griechen und zugleich der einzige, dessen indogermanische Herkunft als bewiesen gelten darf. Zeus war der Sohn des Kronos und der Rheia, er hatte viele Geschwister. Er hatte mit Hilfe seiner Brüder die Titanen besiegt und teilte sich mit Poseidon und Hades die Weltherrschaft. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 449-450. 71 RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 1. Herder Verlag, 1994, S. 378-379. 29

Vers:

„Was unterscheidet

Götter von Menschen?

Daß viele Wellen

vor jenen wandeln,

ein ewiger Strom:

uns hebt die Welle,

verschlingt die Welle,

und wir versinken.‟72

Inhaltswidergabe:

Dieses Gedicht gehört zu den Gruppen von Hymnen, wie Prometheus und Ganymed. Den Texten dieser Gedichtgruppe ist gemeinsam, dass sie das Verhältnis des Sprechers zu Gott, den Göttern oder dem Göttlichen behandeln. In Grenzen der Menschheit spricht ein menschliches Ich, das das Menschsein im Verhältnis zu den Göttern zeigt. Die folgenden zwei Strophen führen den Beweis für die Richtigkeit des abstrakten Gebots. Der Text zeigt, was folgt, wenn der Mensch sich mit den Göttern misst, wenn er sich in einen konkurrierenden Vergleich mit ihnen begibt.73 Zeus besitzt die Blitze74.

Die Menschen sind in der zeitlichen Begrenztheit ihres Daseins, in ihrer Sterblichkeit gesehen, sie sind dem Schicksal in einer Art Welle ausgeliefert und existieren in unruhiger Bewegung. Die Götter besitzen Ruhe, Gelassenheit, Unberührtheit vom Schicksal der Menschen, Unsterblichkeit und Zeitlosigkeit. Die zeitliche Begrenztheit des Menschen ist im Bild der Welle wiedergegeben, es wird die Begrenzung von Lebenszeit und Lebenslauf des Menschen deutlich. Der Mensch erreicht die Autonomie des klassischen Menschenbildes, für das die Erkenntnis von Grenzen die Grundlage und Voraussetzung ist.75

Stilmittel:

„Wenn der uralte,/ Heilige Vater/ Mit gelassener Hand/ Aus rollenden Wolken/ Segnende Blitze/ Über die Erde sät“ Goethe, S. 227.

72 NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 228. 73Vgl. Segebrecht 1998, S. 25-26. In: SEGEBRECHT, Wulf: Gedichte und Interpretationen. Band 3. Klassik und Romantik. Stuttgart: Reclam, 1998. 74 Der Blitz ist das machtvolle und überaus schnelle Feuer des Himmels, Funke des Lebens und Spender der Fruchtbarkeit. Oft scheint der antike Typus des blitzeschleudernden Zeus durch. In: HEINZ-MOHR, Gerd: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst. München: Eugen Diederichs Verlag, 1971, S. 53-54. 75Vgl. Segebrecht 1998, S. 28-32. In: SEGEBRECHT, Wulf: Gedichte und Interpretationen. Band 3. Klassik und Romantik. Stuttgart: Reclam, 1998. 30

PERIPHRASE: „Das Wort uralt bedeutet alt, völlig veraltet.“76 Hier wird dieses Wort benutzt, das Wort heilige Vater bedeutet der Gott: „wenn der uralte heilige Vater“ Goethe, S. 227.

METAPHER: „Denn mit Göttern/ Soll sich nicht messen/ Irgend ein Mensch.“77 Goethe, S. 227.

METAPHER: „Was unterscheidet/ Götter von Menschen?/ Dass viele Wellen vor jenen wandeln,/ Ein ewiger Strom:/ Uns hebt die Welle,/ Verschlingt die Welle,/ Und wir versinken.“78 Goethe, S. 227.

METAPHER: Grenzen der Menschheit. Goethe, S. 227. „Das Zitat ist der Titel eines Gedichts von Goethe. Das Wort Menschheit ist wohl zugleich als Menschsein und die Menschen zu verstehen. Das berühmte Gedicht wurde von und Hugo Wolf vertont.“79

ALLITERATION: „Kindliche Schauer/ Treu in der Brust. […] Und mit ihm spielen Wolken und Winde. […] An ihres Daseins/ Unendliche Kette.“ Goethe, S. 228.

3.3.5 Wanderers Sturmlied

Vers:

„Den du nicht verlässest, Genius,

Wirst ihn heben übern Schlammpfad

Mit den Feuerflügeln.

Wandeln wird er

Wie mit Blumenfüßen

Über Deukalions Flutschlamm80,

Python81 tötend, leicht, groß,

76[Zit. 12.3.2015] Zugänglich URL: http:// www.redensarten-index.de/ 77 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 362. 78 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 362. 79SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 187. 80 Als Zeus das Menschengeschlecht wegen vieler Untaten durch eine große Flut auszurotten plante, baute Deukalion auf Rat seines Vaters einen hölzernen Kasten, den er mit allem Notwendigen versah, und mit dieser Arche (gleich der biblischen Noah) fuhr er zusammen mit seiner Frau neun Tage und Nächte über das Wasser. Dann landete er auf dem Parnassos, brachte Zeus ein Dankesopfer dar und bat den Gott, ein neues Menschengeschlecht schaffen zu dürfen. Zeus stimmte zu, und auf seine Anweisung warfen Deukalion und seine Frau Steine hinter sich, aus denen Männer bzw. Frauen entstanden. Die große Flut, die Deukalion und seine Gemahlin Pyrrha überlebten, wird auch Deukalionische Flut genannt. In: Vgl. S. 103. 81 Die Sage berichtet, Apollon habe schon bald nach seiner Geburt den Pythondrachen, der in Delphoi das Orakel bewachte, getötet, sich selbst zum Herrn des Orakels gemacht und die Pythischen Spiele eingerichtet. In: 31

Pythius Apollo.‟82

Inhaltswidergabe:

Offenbar an vergangene Stürme erinnert sich das lyrische Ich - Unruhe, Dasein und Empathie. Das Sturm-und-Drang-Genie will nun zur Ruhe kommen. Hier sind alle Empfindungen von Elend und Lust und die Erfahrungen von Täuschung und Enttäuschung verpackt. Hier hatte jemand genug, jemand suchte den Frieden. Jemand will nicht zum Ende kommen.83

Im Gedicht können wir über Deukalions Flutschlamm lesen. Zeus ließ vor Ӓrger die Erde überfluten. Nur zwei Leute überlebten. Deukalion und seine Frau baten die Götter um Hilfe und Rettung. Die Götter ließen die Wasser abfallen, und an vielen Stellen zeigte sich mooriges Land. Über dieses Moorland schritt Apollo84 leicht hinweg. Das waren die schrecklichen Auswirkungen der Sintflut.

Im Gedicht benutzt der Autor viele antike Namen. Hier ist die Wärme erwähnt, die die Musen85 und Charitinnen86 aufsuchen. Der Wanderer möchte mit diesen Gestalten gehen. Es sind Gottheiten mit positiven Eigenschaften. Der Wanderer redet auch mit dem Gott Bromius87 und Pindar88. In der nächsten Strophe werden die Namen Jupiter, Anakreon89 und Theokrit90 genannt. Sie werden allerdings nur kurz erwähnt. Am Ende äußert der Wanderer seine Sehnsucht nach der Heimat. Ich bemühe mich hier nicht um eine Interpretation des Gedichtes, sondern beschränke mich auf die Erwähnung der hier verwendeten mythologischen Namen.

Stilmittel:

HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 53-54. 82 NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 101-102. 83Vgl. Krolow 1994, S. 96-97. In: REICH-RANICKI, Marcel: 1000 deutsche Gedichte und ihre Interpretationen. Frankfurt am Main; Leipzig: Insel Verlag, 1994. 84 Apollon, Apollo, schon früh von den Griechen, dann auch von den Römern hochverehrter Gott, Sohn des Zeus und der Leto, Zwillingsschwester der Artemis. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 53. 85 Musen, in der griechische Mythologie weibliche Gottheiten der Küste und Wissen, Töchter des Zeus und der Mnemosyne oder auch des Uranos und der Gaia. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 279. 86 Chariten (griech.= die Holden) sind Göttinnen der Anmut, Töchter des Zeus und der Eurynome. In: Vgl. S. 89. 87Bromius, wahrscheinlich geht es um den Gott Bacchus. Bacchus war der römische Gott der Fruchtbarkeit, des Weins und der Ekstase. Er ist identisch mit Dionysos. In: [Zit. 6.3.2015] Zugänglich URL: http://www.mythentor.de/ 88 Pindar, griech. Pindaros war griech. Chorlyriker. Er wurde wahrscheinlich in Kynoskephalai 522 oder 518 v. Chr. geboren und starb wohl 444 v. Chr. Pindar galt in antiker Zeit als unerreichter Meister des erhabenen Stils. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Siebzehnter Band PERU-RAG. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1998, S. 172. 89Anakreon war ein griechischer Lyriker aus Teos (Ionien), der im 6. Jh. v. Chr. lebte. In seinen anmutigen Versen besang er die Liebe und den Wein. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Erster Band A-AP. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1996, S. 545. 90Theokrit, griech. Theokritos war griech. Dichter aus Syrakus, er lebte längere Zeit auf Kos und in Alexandria. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Zweiundzwanzigster Band THEM- VALK. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1999, S. 10. 32

PARALLELISMUS: „Wen du nicht verlässest, Genius,/ Nicht der Regen, nicht der Sturm/ Haucht ihm Schauer überʼs Herz./ Wen du nicht verlässest, Genius,/ Wird dem Regengewölk,/ Wird dem Schlossensturm/ Entgegen singen,/ Wie die Lerche,/ Du da droben./ […]Wenn du nicht verlässest, Genius […].” Goethe, S. 101-102.

VERGLEICH: „Wie die Lerche […]/ wie mit Blumenfüßen“ Goethe, S. 101.

METAPHER: „Wen du nicht verlässest, Genius/ Nicht der Regen, nicht der Sturm/ Haucht ihm Schauer übers Herz./ Wen du nicht verlässest, Genius,/ Wird dem Regengewölk,/ Wird dem Schloßensturm/ Entgegensingen,/ Wie die Lerche,/ Du da droben.“91 Goethe, S. 101.

ANAPHER: „Nach der Wärme ziehn sich Musen./ Nach der Wärme Charitinnen.“ Goethe, S. 102.

PARONOMASIE: „Ihr umschwebt mich und ich schwebe“ Goethe, S. 102.

HYPERBEL: „Und hellleuchtend umwärmend Feuer“ Goethe, S. 102.

ANAPHER: „Dich, von dem es begann,/ Dich, in dem es endet,/ Dich, aus dem es quillt,/ Jupiter Pluvius!/ Dich, dich strömt mein Lied“ Goethe, S. 103.

LAUTMALEREI: „Dich, in dem es endet,/ Dich, aus dem es quillt“ Goethe, S. 103.

METAPHER: „In dem zärtlichen Arm,/ Mit der freundlichen Rosʼ umkränzt“ Goethe, S. 104.

PERSONIFIKATION: „Sturmatmende Gottheit“ Goethe, S. 104.

MODELBILDUNGEN: „Rad an Rad rasch umʼs Ziel weg“ Goethe, S. 104.

LAUTMALEREI: „Jüngliche Peitschenknall,/ Und sich Staub wälzt“ Goethe, S. 104.

PERSONIFIKATION: „Armes Herz!“ Goethe, S. 104.

3.3.6 Hochbild

Vers:

„Die Sonne, Helios der Griechen,

Fährt prächtig auf der Himmelsbahn,

Gewiß, das Weltall zu besiegen,

91 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 263. 33

Blickt er umher, hinab, hinan.‟92

Inhaltswidergabe:

Die Hauptfigur dieses Gedichtes ist der Gott Helios93.

Stilmittel:

„Ihr scheint er nur allein zu scheinen,/ Für alle heitre Räume blind“ Goethe, S. 840.

METAPHER: „Für etwas blind sein = etwas nicht sehen wollen. Wichtiges oder Gefährliches nicht wahrnehmen; das, was alle anderen sehen, nicht erkennen können.“94 In diesem Gedicht ist diese Metapher auf verständliche Weise benutzt (für alle Räume blind).

LAUTMALEREI: „Blickt er umher, hinab, hinan.“ Goethe, S. 840.

LAUTMALEREI: „Versenkt er sich in Schmerz und Schauer,/ Und häufger quillt ihr Tränenguß“ Goethe, S. 840.

MODELBILDUNGEN: „Er sendet Lust in ihre Trauer/ Und jeder Perle Kuß auf Kuß“ Goethe, S. 840.

PERSONIFIKATION: „Versank zu Nacht des Himmels reinstes Blau,/ Vermagert bleich sind meine Wangen/ Und meine Herzenstränen grau.“ Goethe, S. 841.

3.3.7 Römische Elegien

Vers:

„Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige ritzen,

Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz,

Aber mächtig befriedert, mit frisch geschliffener Schärfe,

Dringen die andern inʼs Mark, zünden behende das Blut.‟95

Inhaltswidergabe:

„Mit seinen Römischen Elegien stellt Goethe sich nach der italienischen Reise bewußt in die Überlieferung dieser festen Form. Aber nicht nur in seiner Begeisterung für die Antike,

92NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 840. 93Helios, griech. Sonnengott, Sohn des Hyperion und der Theia, Bruder von Selene und Eos, Gatte der Perse, meist mit Sonnenscheibe oder Strahlenkranz dargestellt. Helios fuhr nach antiker Vorstellung am Tag von Osten her mit seiner Quadriga über den Himmel nach Westen und kehrte des Nachts in einem goldenen Becher, der ihm als Nachen diente, über den Okeanos an seinen Ausgangspunkt zurück. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 189-190. 94 RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 1. Herder Verlag, 1994, S. 215. 95 GOETHE, Johann Wolfgang: Römische Elegien. Berlin: Verlag der Nation, III. 34 sondern auch in der betrachtenden Haltung, die im Studium der klassischen Werke das Gesetzliche, das Allgemeine sucht, liegt die innere Begründung für die Verwendung des maßvollen antiken Langverses. […] Drei Motivkreise verschlingen sich und erschließen einander wechselseitig: das Thema der Liebe, das Erlebnis der Stadt Rom als Gegenwart und große Vergangenheit und die antike Mythologie.‟96

Die Römischen Elegien entspringen aus den Erkenntnissen und Erlebnissen der italienischen Reise. In den Elegien ist die zarte Liebe zu verarbeitet. Der Dichter beschreibt auch die von ihm geliebte Stadt Rom97. In den Elegien sowie in den Gedichten benutzt er antike Motive. Am häufigsten sind hier die Götter erwähnt, zum Beispiel der Gott Amor98.

Die Entstehung der Römischen Elegien wird in die Jahre 1788-90 datiert. Goethe stellt in diesem Gedicht seine Eindrücke aus dem Aufenthalt in Italien dar und verbindet sie mit zeitgenössischen Ereignissen in der Welt (Französische Revolution). Goethe bezieht sich auf die Tradition der antiken Elegie. Unter Elegie versteht man ein in Distichen verfasstes Gedicht. Dieser Zyklus war Goethes erster derartiger Zyklus. Der Zusammenhang besteht nicht in der Handlung, sondern in der Variation und im wechselseitigen Übergang von wiederkehrenden Motiven und Themen. Hauptthemen sind die Liebe und die Stadt Rom. Einerseits Rom, andererseits Amor, der Gott der Liebe. In Rom, wo man von Klassik umgeben ist, begegnet Goethe, der Mann aus dem kalten, grauen Norden, der Liebe - Christiane Vulpius. Die Mythologie spielt eine besondere Rolle. Die Vergegenwärtigung der Antike und ihrer Kunst ist eine Leistung der Sinnlichkeit.99

In den Römischen Elegien finden sich Gestalten und Themen aus der Mythologie, wie Hero und Leander100, die Sage über Rhea Silvia101 und der Kriegsgott Mars102. Mars war der Vater von Romulus und Remus, die die Stadt Rom gründeten. In der Stadt Rom weilt Goethe, der hier Inspirationen für sein Werk sammelt. Diese Inspirationen verleihen der Elegie die

96 BEST, F. Otto, SCHMITT, Hans-Jürgen, WIRSICH-IRWIN, Gabriele: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung Klassik. Stuttgart: Reclam, 1996, S. 124-125. 97Rom ist die Hauptstadt Italiens, am Unterlauf des bis hier schiffbaren Tiber, etwa 40 km vor dessen Mündung in das Tyrrhenische Meer. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Achtzehnter Band RAH-SAF. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1998, S. 474. 98 Amor ist der lateinische Name für den von den Römern übernommenen griechischen Liebesgott Eros (auch Cupido). Er gehört zu den ältesten Gottheiten. Er war der schönste der Götter, der im Denken der Griechen eine bedeutende Rolle spielte, aber dennoch nur geringe Kultverehrung genoss. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 45, 123. 99Vgl. Meid 2006, S. 289. 100Leander, Leandros, der in Abydos lebende Geliebte der Hero. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 253. 101Rheia Silvia, eine römische Vestalin, die auch Ilia genannt wurde. Durch Mars wurde sie Mutter von Romulus und Remus, obwohl einzelne Quellen auch andere Väter der Zwillinge nennen. Ihr Onkel oder Vater Amulius ließ sie in den Tiber werfen, um sie wegen ihrer Schwangerschaft zu bestrafen, doch nahm der Flußgott sie zu seiner Gemahlin. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 361. 102Mars, italienischer Bauerngott, der in Rom zum Kriegsgott und neben Jupiter und Quirinus zu einem der wichtigsten römischen Götter überhaupt wurde. Die Römer verehrten ihn als Vater von Romulus und Remus und damit als ihren Ahnherrn. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 264. 35 antiken Namen Proteus103 und Thetis104, die die Komposition des Gedichtes noch stärken. Vor allem wichtig ist neben der Erkenntnis der antiken Stadt Rom die Liebe (die Liebe von Proteus und Thetis).

„Geheimes und Intimes kann in den Elegien aufgehoben werden. Die Elegien selbst übernehmen die Funktion von Vertrauten und Freunden; ihre Form bewahrt das Bekenntnis als Fiktion. Es ist ein heiteres, lebenszugewandtes Bekenntnis, das die Römischen Elegien auszeichnet; ein elegischer Ton der Wehmut, der Traurigkeit und der Melancholie herrscht in ihnen nicht. Hier wird nicht Verlorenes beklagt, sondern Erobertes fröhlich und genußvoll begrüßt. Die Eroberung der Geliebten ist identisch mit der Eroberung Roms.“105

Stilmittel:

METAPHER: „Auch ihr Übrigen fahret mir wohl in großen und kleinen/ Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweiflung gebracht.“ Goethe, S. 304.

„Und so mußt ich bis jetzt auf allen Tritten und Schritten/ Schelten hören das Volk, schelten das Volk, schelten der Könige Rat.“ Goethe, S. 304.

PAARFORMELN: In gleichem Tritt und Schritt bedeutet „in völliger Übereinstimmung, in harmonischer Gemeinschaft“.106 Diese Wendung ist hier bei dem Autor als allen Tritten und Schritten benutzt.

METAPHER: „Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige ritzen,/ Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz.“ Goethe, S. 305.

3.3.8 Zwiespalt

Vers:

„Wenn links an Baches Rand

Cupido flötet,

Im Felde rechter Hand

Mavor drommetet,

103Proteus, griech. Mythos: weissagender Meergreis. Er konnte sich in verschiedene Gestalten verwandeln, nur wer ihn festhielt, konnte von ihm eine Wahrsagung erzwingen. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Siebzehnter Band PERU-RAG. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1998, S. 550. 104Thetis, Tochter des Nereus und der Doris. Sie wurde von Zeus und Poseidon geliebt, die beide um sie warben, sich aber von ihr zurückzogen, als sie von einer Weissagung erfuhren, nach der Thetis einen Sohn gebären werde, der stärker als sein Vater sein sollte. Daraufhin kam nur ein Sterblicher als Gemahl der Meeresgöttin in Frage. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 411. 105SEGEBRECHT, Wulf: Sinnliche Wahrnehmung Roms. Zu Goethes Römischen Elegien, unter besonderer Berücksichtigung der Fünften Elegie. In: SEGEBRECHT, Wulf: Gedichte und Interpretationen. Band 3. Klassik und Romantik. Stuttgart: Reclam, 1998, S. 57. 106RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 3. Herder Verlag, 1994, S. 1644. 36

Da wird dorthin das Ohr

Lieblich gezogen,

Doch um des Liedes Flor

Durch Lärm betrogen.‟107

Inhaltswidergabe:

In diesem Gedicht erscheinen zwei Götter, und zwar Cupido oder Amor, der Gott der Liebe und Mavor, der Gott des Krieges. Die Parallele zwischen Liebe und Krieg spiegelt die wichtigsten Motive des Gedichtes wider.

Stilmittel:

LAUTMALEREI: „ Mavor drommetet“ Goethe, S. 728.

„Fort wächst der Flötenton,/ Schall der Posaunen,/ Ich irre, rase schon-/ Ist das zu staunen?“ Goethe, S. 729.

VERGLEICH: „Die Posaune, deren Name um 1200 ins Deutsche gedrungen ist. In redensartlichen Vergleichen wirken diese Wendungen nach, zum Beispiel in Lärm machen wie die Posaunen von Jericho.“108 In diesem Gedicht möchte der Gott im Gegensatz zum Gott Cupido auch viel Lärm machen.

HYPERBEL: „Im Kriegesthunder,/ Ich werde rasend, toll“ Goethe, S. 729.

3.3.9 Ganymed

Vers:

„Wie im Morgenglanze

Du ringst mich anglühst,

Frühling, Geliebter!

Mit tausendfacher Liebeswonne

Sich an mein Herz drängt

Deiner ewigen Wärme

Heilig Gefühl,

107 NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 728-729. 108RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 2. Herder Verlag, 1994, S. 1192. 37

Unendliche Schöne!“109

Inhaltswidergabe:

„Der Titel unseres Gedichtes Ganymed110 nennt eine Figur des griechischen Mythos. Der Königssohn Ganymed war ein Jüngling von ungewöhnlicher Schönheit, den Jupiter durch einen Adler entführen ließ. Im Himmel wurde Ganymed, anstatt der Hebe, Jupiters und deren Götter Mundschenk.“111

Goethe gibt in diesem Gedicht seine Erkenntnisse aus dem Mythos. Als Leitmotiv kann der Übergang der Person aus der irdischen in die überirdische Sphäre gelten. Der Frühling, eine der Jahreszeiten, wird als Person gefeiert. 112

Ganymed entstand im Jahr 1774 und wurde als Hymnus in einer Zeitschrift vorgestellt. Die entsprechende Lyrik wird als Goethes Straßburger Lyrik bezeichnet. Diese Lyrik wurde in drei Hauptbereiche eingeteilt: Naturlyrik, Balladen und Hymnen. Ganymed gehört zu den Hymnen, zusammen mit dem Gedicht Prometheus. Goethe benutzt in diesen Gedichten Neologismen, Partizipialkonstruktionen, Metaphorik bzw. Abstrakta.113

Stilmittel:

VERGLEICH: „Wie im Morgenglanze/ Du rings mich anglühst,/ Frühling, Geliebter!“ Goethe, S. 147.

EPIPHER: „Es schweben die Wolken/ Abwärts, die Wolken“ Goethe, S. 148.

FIGURA ETYMOLOGICA: „Umfangend umfangen!“ Goethe, S. 148.

3.3.10 Brautnacht

Vers:

„Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,

Sitzt Amor dir getreu und bebt,

Daß nicht die List mutwillger Gäste

109BEST, F. Otto, SCHMITT, Hans-Jürgen, WIRSICH-IRWIN, Gabriele: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Klassik. Stuttgart: Reclam, 1996, S. 167. 110 Ganymedes ist der Sohn des Tros und seiner Gemahlin Kallirrhoë. Er galt als der Schönste aller Sterblichen und wurde deshalb von Zeus geraubt und zum Mundschenk an der Göttertafel auf dem Olymp gemacht. Sein Vater erhielt als Ersatz für den Verlust des Sohnes unsterblichen Rösser oder einen goldenen Weinstock. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 140. 111VON WIESE, Benno: Umfangend umfangen. In: REICH-RANICKI, Marcel: 1000 deutsche Gedichte und ihre Interpretationen. Frankfurt am Main; Leipzig: Insel Verlag, 1994, S. 69. 112Vgl. Wiese 1994, S. 69. 113Ebd. S. 156-157. 38

Des Brautbetts Frieden untergräbt.‟114

Inhaltswidergabe:

Der Titel des Gedichtes lautet Die Brautnacht. Aus der antiken Mythologie tritt der Gott Amor auf. Amor sitzt im Raum, welcher von Weihrauch115 erfüllt ist.

Stilmittel:

VERGLEICH: „Das Feuer in des Wächters Händen/ Wird wie ein Nachtlicht still und klein.“ Goethe, S. 57.

3.3.11 Kronos als Kunstrichter

Vers:

„Saturnus eigne Kinder frißt,

Hat irgend kein Gewissen;

Ohne Senf und Salz, und wie ihr wißt,

Verschlingt er euch den Bissen.‟116

Inhaltswidergabe:

Für die römischen Theoretiker war er mit Saturn (Saturnus) identisch. Kronos ist in der griechischen Mythologie der jüngste Sohn der Gaia und des Uranos. Es wurde ihm geweissagt, dass er durch eines seiner Kinder überwältigt werden würde, deshalb verschlang er sie, sobald sie geboren waren. Als Rheia aber Zeus gebar, verbarg sie ihn und reichte seinem Vater stattdessen einen in Windeln gewickelten Stein. Zeus wurde verschont und konnte ungestört heranwachsen. Später gelang es Zeus, seinen Vater mit List und Gewalt zu überwinden, worauf Kronos seine verschlungenen Kinder ausspuckte. Zeus befreite auch einige der Brüder seines Vaters, die ihn zum Dank für ihre Befreiung mit Donner und Blitz bewaffneten.117

Stilmittel:

114 NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 57. 115Der Weihrauch, aus Harz verschiedener subtropischer Bäume gewonnen, verbreitet, wenn man ihn verbrennt, einen balsamischen Duft. Bei allen antiken Völkern einer gewissen Zivilisationsstufe wurde er beim kultischen (öffentlichen oder privaten) Opfer oder auch im Hausgebrauch als Duftspender verwendet. In: HEINZ-MOHR, Gerd: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst. München: Eugen Diederichs Verlag, 1971, S. 302. 116 NICOLAI, Heinz: Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1982, S. 932. 117 ROSE, J. Herbert: Griechische Mythologie. Ein Handbuch. München: C. H. Beck Verlag, 1990, S. 38-40. 39

METAPHER: „Saturnus eigne Kinder frißt,/ Hat irgend kein Gewissen;/ Ohne Senf und Salz, und wie ihr wißt,/ Verschlingt er euch den Bissen.“118 Goethe, S. 932.

ALLITERATION: „Ohne Senf und Salz, und wie ihr wißt,/ Verschlingt er euch den Bissen.“ Goethe, S. 932.

3.4 Schauspiele

„Das Schauspiel ist ein Theaterstück, das vorwiegend auf dem gesprochenen Wort aufgebaut ist, im Unterschied zu Singspiel, Oper, Musical. Es ist ein Theaterstück, das sich von der Tragödie durch den glücklichen Ausgang, von der Komödie durch den Ernst von Thema und Stimmung unterscheidet.“119 „Drama ist literarische Großform, in der eine in sich abgeschlossene Handlung durch die daran unmittelbar beteiligten Personen in Rede und Gegenrede (Dialog) und als unmittelbar gegenwärtig auf der Bühne dargestellt wird.“120

Von den zahlreichen Dramen habe ich nur Iphigenie auf Tauris ausgewählt, weil dieses Werk die mythologische Motive aufweist. Dieses Schauspiel ist eines der berühmtesten Werke von Johann Wolfgang Goethe. Ein typisches Beispiel des Übergangs von der offenen zur klassischen Form ist mit dem Trauerspiel Egmont gegeben. Dagegen gelten die Schauspiele Iphigenie und Tasso als klassische Vorstellung „der vollendeten Verssprache und der Geschlossenheit und Symmetrie des Aufbaus“.121 Im Drama Iphigenie auf Tauris zeigen sich die Humanitätsideale der Weimarer Klassik.122

3.4.1 Iphigenie auf Tauris (Drama)

Die Hauptpersonen in diesem Schauspiel sind Iphigenie123, Thoas124 (König der Taurier), Orest125, Pylades126 und Arkas127. Das Schauspiel hat fünf Akte.

118 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 837. 119DER BROCKHAUS LITERATUR. Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. Mannheim: Brockhaus Verlag, 2004, S. 736. 120 SCHWEIKLE, Günther und Irmgard: Metzler Literatur Lexikon. Stuttgart 1990, S. 108. 121MEID, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam, 2004, S. 255. 122Vgl. Meid 2004, S. 254-255. 123Iphigenie ist in der griechischen Sage eine Tochter des Königs Agamemnon und der Klytaimnestra, Schwester von Orestes, Elektra und Chrysothemis. Vor der Ausfahrt der Griechen nach Troia in Aulis, wo die Flotte wegen absoluter Windstille zurückgehalten wurde, forderte die von Agamemnon gekränkte Göttin Artemis (er hatte entweder ein ihr heiliges Tier geschlachtet oder behauptet, ein ebenso vorzüglicher Jäger zu sein wie sie) als Sühne die Opferung der Iphigenie. Artemis entrückte sie aber im letzten Moment nach Tauris, wo sie als Priesterin die dort üblichen Menschenopfer zu vollziehen hatte. Als Orestes nach Tauris kam und geopfert werden sollte, erkannten sich die Geschwister wieder und flohen nach Attika, wobei sie das einst von dort entführte Kultbild der Artemis mit sich nahmen. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 216. 124Thoas war ein König der Taurier. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Zweiundzwanzigster Band THEM-VALK. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1999, S. 36. 125Orestes ist eine bedeutende Gestalt der griechischen Sage. Er ist der Sohn des Königs Agamemnon und der Klytaimnestra, Bruder von Elektra, Iphigeneia und Chrysothemis. Als sein Vater Agamemnon bei seiner Heimkehr aus Troia von seiner Gattin und Aigisthos umgebracht wurde, rettete seine Schwester Elektra ihn, indem sie ihn heimlich nach Phokis zu dem Onkel Strophios bringen ließ, wo Orestes zusammen mit seinem 40

„In diesem Werk verkündet sich das Humanitätsideal der deutschen Klassik. Das Schauspiel in fünf Akten durchlief vier Entwicklungsstadien, von denen die erste, feierlich rhythmisierte Prosafassung schon 1779 entstand und auf der Liebhaberbühne in Weimar mit Goethe als Orest aufgeführt wurde. Die zweite Version von 1780 ist eine Neuschrift in Versen, die dritte von 1781 im Wesentlichen eine Rückkehr zur ersten Fassung. Erst die Fassung von 1786 in Italien, im jambischen Vers, vollendet die Form des Dramas. Goethes Drama gilt bis heute als ein Höhepunkt des deutschen klassischen Dramas.“128 Das Vorbild für Goethe war der klassische Schriftsteller Euripides. Bis heute gilt Iphigenie auf Tauris als Gipfel des deutschen klassischen Dramas.

„Goethe zeigt an einem Geschehen aus der griechischen Mythologie, wie Selbstbestimmtheit und Offenheit in einer ausweglos erscheinenden Lage die Rettung bringen, während taktische Planung und blindes Befolgen fremder Anordnungen zum Untergang führen würden.“129

Iphigenie ist die einzige weibliche Figur in diesem Schauspiel. Sie steht im Zentrum und in Opposition zu den anderen Figuren, wie Orest, Thoas, Pylades und Arkas. Die dramatische Handlung trägen vor allem Thoas, Orest und Iphigenie. Iphigenie wird hier als idealistische Person vorgestellt. Ihre Haupteigenschaften sind Redlichkeit und Frömmigkeit. Iphigenie ist nach Goethe eine idealistische Vertreterin des klassischen Humanitätsideals. Iphigenie steht zwischen dem Mann, der in sie verliebt ist, und ihrem Bruder.

Dieses Drama zeigt den inneren Kampf zwischen Pflicht und Neigung der weiblichen Hauptfigur. Die Form des Dramas zeigt mit der Einheit von Ort und Zeit und der Symmetrie klassische Elemente. Es treten fünf Personen in fünf Aufzügen und fünf Monologen auf. Johann Wolfgang Goethe schuf das Werk unter Anlehnung an die antike Mythologie.

Dieses Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe knüpft an das originale Werk von Euripides, eines klassisches griechischen Dramatikers, namens Iphigenia in Tauris an. Orestes hat seinen Vater gerächt und reist mit seinem Freund Pylades durch die Welt. Die beiden Männer kommen nach Tauris, mit dem Vorsatz, das Bild von Diana zu stehlen. Orestes begegnet seiner Schwester Iphigenie, die der Göttin Diana dienen muss. Zuerst war Iphigenie als Opfer für die Göttin vorgesehen, dann musste sie gegen ihren Willen auf Tauris

Vetter Pylades aufwuchs. Später rächte er den Tod des Vaters an seiner Mutter und an Aigisthos und wurde danach als Muttermörder von den Erinyen so lange verfolgt, bis auf dem Areopag ein Gerichtsverfahren gegen ihn in Gang kam. Die Erynien traten als Ankläger auf, Apollon übernahm die Verteidigung und Athena, die ihre Stimme für ihn abgab, bewirkte schließlich seinen Freispruch. Damit war seine Entsühnung vollzogen. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 322-323. 126Pylades war ein Onkel des Orestes, der an seinem Hofe aufwuchs. Pylades war der engste Freund seines Vetters Orest und heiratete später dessen Schwester Elektra. In: Vgl. S. 355. 127Arkas war ein König von Arkadien und Sohn des Zeus und der Kallisto. Er wurde von seinem Großvater Lykaon getötet und Zeus als Mahlzeit vorgesetzt; dieser erweckte ihn jedoch wieder zum Leben. In: BROCKHAUS DIE ENZYKLOPӒDIE in vierundzwanzig Bänden. Zweiter Band AQ-BEC. Leipzig; Mannheim: Brockhaus Verlag, 1996, S. 120. 128BEST, F. Otto, SCHMITT, Hans-Jürgen, WIRSICH-IRWIN, Gabriele: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung Klassik. Stuttgart: Reclam, 1996, S. 266-268. 129 ORTMANN-KLEINDIEK, Angelika: Iphigenie auf Tauris. Inhalt, Hintergrund, Interpretation. München: Mentor Verlag, 1996, S. 4. 41 als Priesterin der Göttin leben. Als Iphigenie ihren Bruder erkannte, bemühte sie sich, ihm zu helfen. Zum Schluss fahren alle gemeinsam nach Hause zurück.130

3.4.1.1 Erster Aufzug

Im ersten Auftritt ist die Hauptfigur Iphigenie sehr traurig und unglücklich. Sie möchte in ihre Heimat nach Griechenland zurückkehren. Sie weilt allein im Hain. Sie spricht mit den Bäumen über ihr unglückliches Schicksal. Sie möchte nicht im fremden Land Tauris leben und will nach Hause. Seit Diana Iphigenie vor dem Tod gerettet hatte, war sie Priesterin von Diana und König Thoas. Obwohl von Dankbarkeit erfüllt, bittet sie Diana, sie von ihrem Leben auf Tauris zu befreien, denn Iphigenie möchte ihr Leben nach eigenen Vorstellungen führen. Sie sagt der Göttin, dass sie Agamemnon sowie ihre Schwester Elektra ins Vaterland zurückbegleiten wird.131

Im zweiten Auftritt spricht Iphigenie mit Arkas. Arkas ist ein Vertrauter von Thoas, des Königs von Tauris. Arkas erzählt der Priesterin über den neuen wunderbaren Sieg des Königs. Er möchte von Iphigenie die Heirat mit Thoas. Er sagt, dass das Land Tauris der Göttin Diana dankbar sein müsste. Arkas erkennt, dass Iphigenie unglücklich ist. Er fragt sie nach dem Grund. Sie sagt ihm, dass sie sich in Tauris nicht gut und fremd fühle und lieber in der Heimat leben würde. Sie sagte hingegen nicht, dass sie aus Griechenland kommt. Das blieb ihr Geheimnis. Arkas denkt, dass sie ihr Land vergessen müsste. Iphigenie sagt Arkas, dass Thoas ihre Sehnsucht nach Rückkehr in die Heimat zu verstehen hätte und sie gehen lassen müsste.132

Im dritten Auftritt kommt König Thoas zu Iphigenie und macht ihr einen Heiratsantrag. Sie hofft, dass er ihr die Freiheit geben würde, als sie ihm erzählt, wo ihre Heimat ist. Der König möchte die Wahrheit erfahren, weil die Göttin die Priesterin zu ihm geschickt hatte.133

Iphigenie: „Des Atreus ältster Sohn war Agamemnon:

er ist mein Vater. Doch, ich darf es sagen,

in ihm habʼ ich seit meiner ersten Zeit

ein Muster des vollkommnen Manns gesehn.

Ihm brachte Klytämnestra mich, den Erstling

der Liebe, dann Elektren. Ruhig herrschte

der König, und es war dem Hause Tantals

die lang entbehrte Rast gewährt. Allein

130EURIPIDES: Iphigenia in Tauris. Leipzig 1981, S. 1-55. 131Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 9-10. 132Vgl. Ibel, S. 17-18. 133Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 11. 42

es mangelte dem Glück der Eltern noch

ein Sohn, und kaum war dieser Wunsch erfüllt,

daß zwischen beiden Schwestern nun Orest,

der Liebling, wuchs, als neues Übel schon

dem sichern Hause zubereitet war.‟134

Als Thoas die Wahrheit über das Schicksal und die Familie der Priesterin erfuhr, möchte er Iphigenie dennoch heiraten. Sie sagt ihm, dass über eine Heirat nur Diana entscheiden könne. Ihr Schicksal läge in den Händen der Göttin. Sie hat nur einen einzigen Wunsch, und zwar in die Heimat zurückzukehren. Sie möchte nicht heiraten. Thoas ist wütend. Voll Wut ordnete er an, dass jeder Ausländer, der Tauris besuchen möchte, als Opfer Dianas enden sollte. Thoas erteilte Iphigenie den Befehl, die zwei Fremden, die sich in der Höhle versteckten, zu töten.135

Thoas: „Tu deine Pflicht, ich werde meine tun.

Zwei Fremde, die wir in des Ufers Höhlen

versteckt gefunden, und die meinem Lande

nichts Gutes bringen, sind in meiner Hand.

Mit diesen nehme deine Göttin wieder

ihr erstes, rechtes, lang entbehrtes Opfer!

Ich sende sie hierher;du weißt den Dienst.‟136

„Das Gebet an Diana, Rückzug und Hinwendung zur Gottheit, ist Ausfluß ihres guten Glaubens an die Güte und Huld der Unsterblichen, deren Glanz („ewiger Himmel“) auch von den Sterblichen fröhlich anschauend „mitgenossen“ werden könne. Die vierhebigen hymnischen Verse des Gebets, trochäisch fallend und daktylisch bewegt, sind in ihrer Verbindung von Gesetz und Freiheit, von Stauung und Lösung von höchstem rhythmischen Rang. Der erste Teil ist im Ablauf belastet und gehemmt, der zweite dringlich bittend, der Ausklang weich und fast heiter gelöst.“137

134GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 190. 135Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 11. 136GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 193. 137IBEL, Rudolf: Iphigenie auf Tauris. Frankfurt am Main, S. 22. 43

Stilmittel:

„Denn ach! Mich trennt das Meer von den Geliebten,/ und an dem Ufer stehʼ ich lange Tage,/ das Land der Griechen mit der Seele suchend,/ und gegen meine Seufzer bringt die Welle/ nur dumpfe Töne brausend mir herüber.“ Goethe, S. 180.

METAPHER: „Das Land der Griechen mit der Seele suchend. Im Anfangsmonolog des Schauspiels „Iphigenie auf Tauris‟ von Goethe beklagt die Titelheldin ihr Schicksal, fern ihrer Heimat Griechenland weilen zu müssen, festgehalten in einem Land, das ihr fremd geblieben ist. Von ihrer Klage „Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten,/ Und an dem Ufer stehʼ ich lange Tage,/ Das Land der Griechen mit der Seele suchend‟ wurde die letzte Zeile zum geflügelten Wort. Sie wurde zu einer Art Formel, die häufig zitiert wurde (besonders, als im 18. Jahrhundert das Interesse von der römischen auf die griechische Antike gelenkt wurde) und die auch heute noch zitiert wird, wenn es darum geht, das Interesse an der Kultur des griechischen Altertums zu benennen.“138

METAPHER: „Der Frauen Zustand ist beklagenswert.“139 Goethe, S. 180.

METAPHER: „Frei atmen macht das Leben nicht allein.“140 Goethe, S. 182.

„Das istʼs, warum mein blutend Herz nicht heilt.“ Goethe, S. 182.

PHRASEOLOGISMUS: Hier ist ein Phraseologismus blutend Herz, dieser entspricht jemandem blutet das Herz. Seine Bedeutung ist, dass „jemandem etwas sehr leid tut oder jemand über etwas sehr traurig ist. Die Wendung will übertreibend zum Ausdruck bringen, dass jemand starken seelischen Schmerz empfindet, sehr leidet“.141

„Wer hat den alten grausamen Gebrauch,/ dass am Altar Dianens jeder Fremde/ sein Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr/ mit sanfter Überredung aufgehalten/ und die Gefangnen vom gewissen Tod/ ins Vaterland so oft zurückgeschickt?“ Goethe, S. 183.

MODELBILDUNG: Das Redensart „von Jahr zu Jahr“ bedeutet jedes Jahr, stetig“.142

„Du ehrst ihn, und dich heißt dein eigen Herz,/ ihm freundlich und vertraulich zu begegnen. Ein edler Mann wird durch ein gutes Wort der Frauen weit geführt.“ Goethe, S. 185.

METAPHER: „Arkas, der Vertraute des Königs Thoas, gibt in Goethes „Iphigenie auf Tauris‟ der Titelheldin den lebensklugen Rat, dem König „freundlich und vertraulich zu begegnen‟, denn Ein edler Mann wird durch ein gutes Wort der Frauen weit geführt. Das

138SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 271. 139 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 211. 140 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 31. 141 DROSDOWSKI, Günther, SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 11. Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1992, S. 326. 142[Zit. 19. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 44 heute eher selten gebrauchte Zitat betont den besänftigenden und lenkenden Einfluss, den eine Frau durch Lob und Freundlichkeit auf einen Mann ausüben kann.“143

„Du sprichst ein großes Wort gelassen aus./ Nennst du den deinen Ahnherrn, den die Welt/ als einen ehmals Hochbegnadigten/ der Götter kennt?“ Goethe, S. 187.

METAPHER: „Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Mit diesen Worten reagiert König Thoas auf die Enthüllung der Heldin, sie stamme aus dem verfluchten Geschlecht des Tantalus. Heute wird in diesem Zitat oft „großes Wort‟ durch „wahres Wort‟ ersetzt.“144

„Trug es die Schuld des Ahnherrn oder eigne?“ Goethe, S. 188.

METAPHORISCHE KOLLOKATION: „Schuld an etwas tragen bezeichnet etwas Negatives, eine falsche Entwicklung, einen Unfall, ein Unglück verursacht haben.“145

„Das Zeichen ist, dass du noch hier verweilst./ Such Ausflucht solcher Art nicht ängstlich auf./ Man spricht vergebens viel, um zu versagen/ der andre hört von allem nur das Nein.“ Goethe, S. 191.

METAPHER: „Man spricht vergebens viel, um zu versagen; der andre hört von allem nur das Nein. Dies ist in Goethes „Iphigenie auf Tauris‟ die Entgegnung des Königs Thoas auf Iphigenies Worte, mit denen sie seinem Werben ausweicht. Das Zitat weist darauf hin, dass man oft viele Worte macht, um nur seine Ablehnung nicht offen auszusprechen, und dass auch die wortreiche Einkleidung mit vielen Erklärungen und Begründungen nichts daran ändert, dass der andere in erster Linie die Ablehnung wahrnimmt (und entsprechend gekränkt oder enttäuscht ist).“146

3.4.1.2 Zweiter Aufzug

Am Anfang des zweiten Aufzugs lernen wir die zwei Männer kennen. Sie heißen Orest, der Bruder Iphigenies und sein Freund und Cousin Pylades. Sie reden über ihre bedrohliche Lebenslage. Orest hat Schuldgefühle. „Er fühlt sich von den Rachegöttinnen, den Furien verfolgt, weil er seine Mutter und deren Liebhaber getötet hat“147. Jetzt sieht er sein Schicksal ausweglos. Deshalb fleht er Apoll an, ihn von deren Rache zu befreien. Apoll antwortete ihm durch sein delphisches Orakel. Die beiden Männer sollen das Bildnis Dianas aus dem Tempel in Tauris stehlen. Apoll ist der Bruder der Göttin Diana. Sie werden aber von Soldaten des Königs entdeckt und gefangen genommen. Jetzt sind die Männer verzweifelt.

143SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 128-129. 144 Ebd. S. 124. 145RÖHRICH, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 3. Herder Verlag, 1994, S. 1412. 146SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 295. 147 ORTMANN-KLEINDIEK, Angelika: Iphigenie auf Tauris. Inhalt, Hintergrund, Interpretation. München: Mentor Verlag, 1996, S. 12. 45

Orest weiß, dass in dem Land Barbaren leben, die den Göttern Menschenopfer darbringen. Pylades erzählt daraufhin Orest von der gütigen Priesterin, die Gefangene nicht tötet.148

Pylades: „Tu, was sie dir gebieten, und erwarte.

Bringst du die Schwester zu Apollen hin,

und wohnen beide dann vereint zu Delphi,

verehrt von einem Volk, das edel denkt,

so wird für diese Tat das hohe Paar

dir gnädig sein, sie werden aus der Hand

der Unterirdischen dich erretten. Schon

in diesen heilgen Hain wagt keine sich.‟149

„Im Dienst der äußeren Handlung ergänzt die Szene die Exposition: Pylades berichtet über das Schicksal des Agamemnon. Es ist für Pylades bezeichnend, wie sehr die drohende Gefahr der Opferung […] vor der Freude über die Begegnung mit der Griechin zurücktritt, wie er sich vor Iphigeniens „herrlicher“ Erscheinung und göttergleicher Art schmeichelhaft bewundernd verbeugt. Der halb wahre, halb erlogene Bericht über die Fahrt nach Tauris entspricht seiner Odysseus-Natur.“150 Iphigenie nimmt dem Gefangenen die Fesseln ab. Pylades möchte nicht die Wahrheit über seine Identität verraten. Er will von den Ereignissen in Griechenland erzählen. Er schildert die Nachrichten aus Mykenai und hofft, dass Iphigenie ihm und Orest hilft.151

Stilmittel:

METAPHER: „Der Erde schöner grüner Teppich soll/ kein Tummelplatz für Larven sein.“152 Goethe, S. 194.

„Der Nächste wärʼ ich, diesen Tod zu sterben,/ wenn je dein Hauch, Orest, vergiftete./ Bin ich nicht immer noch voll Mut und Lust?/ Und Lust und Liebe sind die Fittiche/ zu großen Taten.“ Goethe, S. 196.

PAARFORMAL, METAPHER: „Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten. Mit diesen Worten versucht Pylades im ersten Auftritt des zweiten Aufzugs von Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris‟ den Freund Orest aufzumuntern. Auf Orest lastet schwer der Fluch des Muttermordes, der ihm alle Unbeschwertheit und jeden Tatendrang genommen

148Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 12. 149GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 198. 150IBEL, Rudolf: Iphigenie auf Tauris. Frankfurt am Main, S. 24. 151Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 13. 152 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 493. 46 hatte. Mit diesem Zitat bringt man heute zum Ausdruck, dass nur dann ein Handeln mit Erfolg abgeschlossen werden kann, etwas zu einer wirklich „großen Tat‟ wird, wenn die entsprechende Motivation gegeben ist.“153

„Apoll gab uns das Wort: im Heiligtum der Schwester/ sei Trost und Hilfʼ und Rückkehr dir bereitet.“ Goethe, S. 195.

PHRASEOLOGISMUS: Im Gedicht sagt Pylades: „Apoll gab uns das Wort…“.154 „Jemandem das Wort geben bedeutet, jemandem die Erlaubnis zum Sprechen geben.“155

PAARFORMAL: „Du rechnest sicherer/ auf sie im Guten wie im Bösen.“ Goethe, S. 199.

METAPHER: „Ein jeglicher muss seinen Helden wählen,/ dem er die Wege zum Olymp hinauf/ sich nacharbeitet.“156 Goethe, S. 199.

3.4.1.3 Dritter Aufzug

Am Anfang des dritten Aufzugs kommt Iphigenie zu Orest. Sie hilft ihm, die Fesseln abzulegen. Sie möchte das traurige Schicksal der Gefangenen in die Hoffnung auf Besserung wenden. Die Identität der Gefangenen ist ihr bekannt. Orest sagt ihr jetzt nicht die Wahrheit. Iphigenie möchte verhindern, dass die Männer geopfert werden. Orest erzählt Iphigenie über das Schicksal des mykenischen Königshauses. Sie ist verzweifelt. Orest entdeckt die Wahrheit über seine Identität und bekannte, dass er selbst Orest sei. Iphigenie ist froh, dass sie ihren Bruder wiedersieht. Obwohl Orest froh ist, weiß er aber, dass diese neue Erkenntnis ihm in der schwierigen Situation nicht helfen kann.157

Im zweiten Auftritt geht es um Orests Monolog. „Der Monolog des aus seinem heilenden Schlaf erwachenden Orest bezeugt, dass die Krise überstanden ist und die Genesung einsetzt. Orest befindet sich immer noch im Bereich seiner inneren Bilderwelt (Wahnvorstellungen). Aber die Bilder des Fluches und der Rache sind im Bereich der Unterwelt und der Toten vergessen und abgelöst von denen der Versöhnung und der Liebe.“158

Im letzten Auftritt sieht Orest seine Schwester Iphigenie und seinen Cousin Pylades in der Unterwelt. Er denkt, dass die beiden gestorben sind. Mit Ende dieses Auftritts ist Orest geheilt. Sie müssen an die Rettung denken.159

Stilmittel:

153SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 289. 154GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 195. 155DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 883. 156 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 388. 157Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 13. 158IBEL, Rudolf: Iphigenie auf Tauris. Frankfurt am Main, S. 26. 159 Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 14. 47

VERGLEICH: „Die Freiheit, die das Heiligtum gewährt,/ ist, wie der letzte lichte Lebensblick/ des schwer Erkrankten, Todesbote.“ Goethe, S. 203.

„Soll die Glut denn ewig,/ vorsätzlich angefacht, mit Höllenschwefel/ genährt, mir auf der Seele marternd brennen?“ Goethe, S. 208.

PHRASEOLOGISMUS: Hier erscheint der Phraseologismus „jemanden auf der Seele brennen. Seine Bedeutung ist, für jemanden ein sehr dringendes Anliegen sein“.160

„Hat das Geleit der Schreckensgötter so/ das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?“ Goethe, S. 209.

PHRASEOLOGISMUS: Im Schauspiel sagt Iphigenie: „Hat das Geleit der Schreckensgötter so das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?“. Der Phraseologismus leitet „jemandem stockt/gefriert/gerinnt/erstarrt das Blut in den Adern. Die Bedeutung lautet, jemand ist starr vor Schreck, ist vor Entsetzen wie gelähmt“161. Im Schauspiel wird das Verb anders benutzt, aber die Bedeutung ist ähnlich.

„O sieh mich an, wie mir/ nach einer langen Zeit das Herz sich öffnet/ der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt/ noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen,/ mit meinen Armen, die den leeren Winden/ nur ausgebreitet waren, dich zu fassen!“ Goethe, S. 209.

METAPHORISCHES IDIOM: „Jemandem sein Herz öffnen ist, seine Gefühle oder Gedanken offen sagen oder sich aussprechen.“162

„Darf Klytämnestra die Hand dir reichen,/ so darf Orest auch zu ihr treten/ und darf ihr sagen: Sieh deinen Sohn!“ Goethe, S. 212.

PHRASEOLOGISMUS: Das Reichen der Hände ist ein altes Zeichen der Vertragsschließung, der Versöhnung und des Friedensschlusses“163.

„Seht euren Sohn! Heißt ihn willkommen.“ Goethe, S. 212.

PHRASEOLOGISMUS: „Jemanden willkommen heißen ist, jemanden feierlich begrüßen.“164

3.4.1.4 Vierter Aufzug

Im ersten Auftritt geht es um den Monolog Iphigenies über die Götter. Sie möchte ihrem Bruder helfen. Sie muss entscheiden, ob sie die Wahrheit sagen oder lügen soll. Sie hat ihren Bruder entlassen.165

160DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 698. 161DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 131. 162[Zit. 25. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 163[Zit. 25. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 164DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 872. 48

Im zweiten Auftritt kommt Arkas zu Iphigenie und will, dass Iphigenie ihre Pflichten erfüllt. Iphigenie soll Orest und Pylades opfern. Iphigenie soll den König heiraten, um das Leben des Opfers zu retten.166

Im vierten Auftritt teilt Iphigenie Pylades mit, dass sie auf die Nachricht von König Thoas warten muss. Iphigenie spricht mit Pylades, sie ist verzweifelt. Einerseits möchte sie ihrem Bruder helfen, andererseits möchte sie den König nicht betrügen.167

„Im letzten, fünften Auftritt spricht nur Iphigenie. Im entscheidenden Monolog bereitet sich die Gewissensentscheidung vor, die die früheren Verbrechen und die Blutschande ihres Hauses sühnen soll. Sie wird Thoas die Wahrheit offenbaren und damit die Feindschaft des sich betrogen geglaubten Barbaren überwinden.“168

„Ich muss ihm folgen: denn die Meinigen

Seh ich in dringender Gefahr. Doch ach!

Mein eigen Schicksal macht mir bang und bänger.

O soll ich nicht die stille Hoffnung retten,

Die in der Einsamkeit ich schön genährt?“169

Stilmittel:

„Denn seine Seelʼ ist stille; sie bewahrt/ der Ruhe heilges, unerschöpftes Gut,/ und den Umhergetriebnen reichet er/ aus ihren Tiefen Rat und Hilfe.“ Goethe, S. 214.

REDENSART: Im Schauspiel ist „sie bewahrt der Ruhe heilges“170. Die Redensart „Ruhe bewahren bedeutet besonnen oder ruhig bleiben“171.

„Ich sage dir, es liegt in deiner Hand./ Des Königs aufgebrachter Sinn allein/ bereitet diesen Fremden bittern Tod.“ Goethe, S. 216.

PHRASEOLOGISMUS: Im zweiten Auftritt des Schauspiels tritt der Phraseologismus „in jemandes Hand/Händen liegen/stehen auf. Die Bedeutung ist, in jemandes Macht, Ermessen, Verantwortung liegen“172.

165Vgl. Ibel, S. 28-29. 166Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 15. 167Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 15-16. 168BEST, F. Otto, SCHMITT, Hans-Jürgen, WIRSICH-IRWIN, Gabriele: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Klassik. Stuttgart: Reclam, 1996, S. 269. 169GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 222. 170 Ebd. S. 214. 171[Zit. 26. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 172DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 329. 49

„Ich habe, teurer Mann; doch wirst du schelten./ Ein schweigender Verweis war mir dein Anblick./ Des Königs Bote kam, und wie du es/ mir in den Mund gelegt, so sagtʼ ichʼs ihm.“ Goethe, S. 219.

PHRASEOLOGISMUS: „Jemandem etwas in den Mund legen. Das heißt, jemanden auf eine bestimmte Aussage hinlenken oder jemandem etwas zuschreiben, was er nicht gesagt hat.“173

„So schaff uns Luft,/ dass wir aufs eiligste, den heilgen Schatz/ dem rauh unwürdʼgen Volk entwendend, fliehn.“ Goethe, S. 220.

REDENSART: „Luft schaffen bedeutet, Zeit, Übersicht, Platz gewinnen.“174

METAPHER: „Betrüglich schloß die Furcht mit der Gefahr/ ein enges Bündnis: beide sind Gesellen.“175 Goethe, S. 221.

„Ich muss ihm folgen: denn die Meinigen/ sehʼ ich in dringender Gefahr. Doch ach!/ mein eignen Schicksal macht mir bang und bänger.“ Goethe, S. 222.

PAARFORMEL: „Jemandem wird bang und bänger bedeutet, jemand wird immer ängstlicher.“176

„Es fürchte die Götter/ das Menschengeschlecht!/ Sie halten die Herrschaft/ in ewigen Händen,/ und können sie brauchen,/ wieʼs ihnen gefällt.“ Goethe, S. 223.

METAPHER: „Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht. Das Zitat stammt aus Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris. In einem längeren Monolog über ihr wechselvolles Schicksal erinnert sich Iphigenie an das „Lied der Parzen“, das ihr ihre Amme vorsang. Die erste Strophe dieses Liedes lautet: „Es fürchte die Götter/Das Menschengeschlecht!/Sie halten die Herrschaft/In ewigen Händen,/Und können sie brauchen,/Wieʼs ihnen gefällt.“ Heute wird mit dem Zitat, besonders in Bezug auf jemandes allzu optimistische Weltsicht, mahnend in Erinnerung gerufen, dass niemand vor unerwarteten Schicksalsschlägen geschützt ist.“177

VERGLEICH: „Ach! Ich sehe wohl,/ ich muss mich leiten lassen wie ein Kind.“ Goethe, S. 215.

„Verzeih! Wie leichte Wolken vor der Sonne/ so zieht mir vor der Seele leichte Sorge/ und Bangigkeit vorüber.“ Goethe, S. 221.

3.4.1.5 Fünfter Aufzug

173Ebd. S. 532. 174[Zit. 26. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 175 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 230. 176[Zit. 26. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 177SCHOLZE-STUBENRECHT, Werner: Duden Band 12. Zitate und Aussprüche. Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverlag, 1993, S. 159. 50

Im ersten Auftritt spricht Thoas mit Arkas. „Zu den inneren Widerständen in Iphigenie gesellen sich nun die äußeren: Der Plan des Pylades ist entdeckt. Die Aussicht auf Rettung ist verdunkelt. Bezeichnend für die im Grunde vornehme, religiös gebundene Art des Königs ist der Befehl, den Hain der Göttin von der gewaltsamen Gegenaktion frei zu halten.“178

Im zweiten Auftritt ist Thoas aufgrund Iphigenies Haltung verzweifelt. Es geht um den Monolog des Königs. Der zweite Auftritt zeigt Thoas’ Verbitterung und Verfinsterung.179

Im dritten Auftritt spricht Iphigenie mit König Thoas. Sie sagt Thoas die Wahrheit. Thoas weiß nicht, wie er jetzt entscheiden soll. Zuerst scheint es, dass der Konflikt nur mit Waffengewalt zu lösen sei (vierter Auftritt), dann spricht Thoas mit den Griechen (fünfter Auftritt). Am Ende des sechsten Auftritts lässt Thoas die Griechen frei.180

Thoas: „Lebt wohl!“181

Stilmittel:

METAPHER: „Wir fassen ein Gesetz begierig an,/ das unsrer Leidenschaft zur Waffe dient.“182 Goethe, S. 226.

„Du hältst mir Wort!- Wenn zu den Meinen je/ mir Rückkehr zubereitet wäre, schwurst/ du, mich zu lassen; und sie ist es nun.“ Goethe, S. 229.

PHRASEOLOGISMUS: „Wort halten bedeutet, sein Versprechen halten.“183

METAPHER: „Der Zweifel istʼs, der Gutes böse macht./ Bedenke nicht; gewähre, wie duʼs fühlst.“184 Goethe, S. 230.

„Gleich/ ist die Verwegenheit bestraft: es weicht/ und fällt ihr Anfang, und ihr Schiff ist unser./ Ein Wort von dir, so stehtʼs in Flammen.“ Goethe, S. 231.

PHRASEOLOGISMUS: „In Flammen stehen bedeutet, heftig verliebt sein.“185

„Leb wohl! Und reiche mir/ zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.“ Goethe, S. 234.

METAPHER: „Leben/Leb sie wohl (am Ende des Schauspiels) ist eine Abschiedsformel, sagt man, wenn man sich voraussichtlich nicht mehr wiedersehen wird.“186

178IBEL, Rudolf: Iphigenie auf Tauris. Frankfurt am Main, S. 32. 179Vgl. Ibel, S. 32. 180Vgl. Ortmann-Kleindiek 1996, S. 17-18. 181GOETHE: Auswahl in drei Bänden. Band 2. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, S. 234. 182 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 274. 183DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 883. 184 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 1107. 185[Zit. 26. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 186[Zit. 26. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 51

3.4.2 Prometheus (dramatisches Fragment)

Prometheus ist ein dramatisches Fragment von Johann Wolfgang Goethe. Dieses dramatische Fragment ist im Sommer 1773 geschrieben und im 1830 erschienen. Die Prometheus-Geschichte gehörte zu den antiken Mythen, die im 18. Jahrhundert oft literarisch verwendet wurden. Prometheus galt als Genie des Sturm und Drang und als Person des sich emanzipierenden Bürgertums gegenüber den Feudalständen.187 „Das Fragment (aus lat. fragmentum = Bruchstück), Begriff für unvollendet vorliegendes Werk, im ästhetischen Bereich erst für die bildende Kunst, seit dem Humanismus auch für literarische Werke gebraucht. Zu unterscheiden sind hier: unvollständig (etwa ohne Anfang oder Schluss) oder unvollendet gebliebene, aufgegebene Werke (Unterscheidung nach äußeren Gründen, z. B. Tod des Autors).“188

3.4.2.1 Erster Akt

Im ersten Akt spricht die Hauptfigur mit drei Gestalten. Zuerst spricht er mit Merkur189, dann mit Epimetheus190 und am Ende mit Minerva. In der Szene mit Merkur ist er trotzig. Die ersten Worte von Prometheus sind „Ich will nicht!“. Prometheus formt die Menschen auf der Erde, sie sind seine Kinder. Dann kommt seiner Bruder Epimetheus. Prometheus soll im Himmel neben den Göttern leben. Er ist widerspenstig. Er möchte nicht hier leben. Keine Göttermacht kann seine Individualität umformen.191

Prometheus: „Hier meine Welt, mein All!

Hier fühl ich mich;

Hier alle meine Wünsche

In körperlichen Gestalten.

Meinen Geist so tausendfach

Geteilt und ganz in meinen teuern Kindern.“192

3.4.2.2 Zweiter Akt

Der zweite Akt zeigt Prometheus mit den Menschen. Er leitet die Menschen an, wie die Hütte zu bauen oder Krankheiten zu heilen. Er ist mit ihnen zufrieden. Prometheus spricht

187 Vgl. Kindlers neues Literatur Lexikon 1996, S. 497. 188 SCHWEIKLE, Günther und Irmgard: Metzler Literatur Lexikon. Stuttgart 1990, S. 161. 189 Merkur ist der Gott des Handels, Schutzherr der Kaufleute und der Astronomen. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 271. 190 Epimetheus (griech.=der zu spät Bedenkende) ist Sohn des Iapetos, Bruder des Prometheus, gegen dessen dringenden Rat er Pandora zur Gattin nahm, die ihm die Tochter Pyrrha gebar. In: Ebd. S. 120. 191 Vgl. Kayser 1990, S. 554-555. 192 KAYSER, Wolfgang: Goethes Werke. Band 4. München: C. H. Beck Verlag, 1990, S. 178. 52 mit Pandora193, seinem liebsten und schönsten Geschöpf. Pandora ist neugierig, sie möchte alles über Tod wissen. Prometheus sagt, dass nach dem Tod das neue Leben kommt. Es ist ähnlich wie ein Schlaf. Diese Endung des Fragments zeigt keinen dramatischen Konflikt.194

Stilmittel:

METAPHER: „Du stehst allein!/ Dein Eigensinn verkennt die Wonne,/ Wenn die Götter, du,/ Die Deinigen und Welt und Himmel, all/ Sich all ein innig Ganzes fühlten.“195 Goethe, S. 178.

METAPHER: „Zu enden hab ich keinen Beruf/ Und seh das Ende nicht./ So bin ich ewig, denn bin ich!“196 Goethe, S. 180.

FUNKTIONSVERBGEFÜGE: „Antrag geben“ Goethe, S. 181.

3.4.3 Pandora (Festspiel)

Im Festspiel treten folgende Personen auf: Prometheus, sein Sohn Phileros, Epimetheus und seine Töchter Elpore, Epimeleia und Eos197. Pandora ist die Gemahlin von Epimetheus. Dann sind hier Dämonen, der Gott Helios, Schmiede, Hirten, Feldbauende, Krieger, Gewerbsleute, Winzer und Fischer. „Festspiel ist periodisch wiederkehrende Folge von Veranstaltungen, bei der Bühnen- oder Musikstücke aufgeführt werden (Festival). […] Im 18. Jahrhundert war die Idee nationaler Festspiele in Deutschland verbunden mit den Plänen eines deutschen Nationaltheaters. […] Festspiel eigens zu einem bestimmten festlichen Anlass verfasstes Bühnenwerk. Das Festspiel als dramatische Gattung spielt eine größere Rolle.“198

Pandora ist ein Festspiel und zugleich ein Fragment. Dieses Schauspiel erschien im Jahre 1810. Es geht um die Reaktion auf die Lebensumstände, die sie verändert haben. Goethe hat nur den ersten Auftritt vollendet.199

193 Pandora (griech. = die Allbeschenkte), in der griechischen Mythologie die auf Befehl des Zeus von Hephaistos geschaffene erste Frau, die sich durch große Schönheit auszeichnete und von den Göttern mit vielen reizvollen Gaben ausgestattet war. Sie wurde von Hermes auf die Erde gebracht, versehen mit einer Büchse, die außer der Hoffnung alle Übel der Welt enthielt. Pandora sollte die Menschheit dafür strafen, dass Prometheus das Feuer geraubt hatte. Obwohl Prometheus seinen Bruder Epimetheus warnte, heiratete dieser Pandora, die sogleich die Büchse öffnete, worauf großes Unheil über die Menschen hereinbrach. Nur die Hoffnung blieb in dem Gefäß zurück. Möglicherweise verbarg sich hinter Pandora eine alte Erdgöttin, die dem Epimetheus die Tochter Pyrrha, Gemahlin des Deukalion gebar. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 330. 194 Vgl. Kindlers neues Literatur Lexikon 1996, S. 497-498. 195 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 148. 196 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 162. 197 Eos, lateinisch Aurora ist Göttin der Morgenröte, die meist als Tochter des Titans Hyperion und der Theia galt. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 119. 198 DER BROCKHAUS LITERATUR: Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. Mannheim: Brockhaus Verlag, 2004, S. 242. 199 Vgl. Kindlers neues Literatur Lexikon 1996, S. 495-496. 53

In dem vollendeten ersten Auftritt tritt Pandora nicht auf. Goethe hat das Festspiel nicht vollendet, die Handlung beschränkt sich nur auf den erhaltenen Teil. „Epimeleia, die Tochter des Epimetheus, die im Gegensatz zu ihrer Schwester Elpore bei ihrem Vater geblieben ist, liebt Phileros, den Sohn des Prometheus, der einen vermeintlichen Nebenbuhler getötet hat und auch sie töten will, weil er sich von ihr betrogen glaubt. Ihr Vater verurteilt ihn dazu, sich von einem Felsen ins Meer zu stürzen, und Epimeleia stürzt sich in ihrer Verzweiflung ins Feuer. Doch die aus dem Meer aufsteigende Göttin Eos rettet beide. In der unbedingten Liebe heben sich alle Gegensätze auf.“200

HIRTEN

„Ziehet den Berg hinauf,

Folget der Flüsse Lauf!

Wie sich der Fels beblüht,

Wie sich die Weide zieht,

Treibet gemach!“201

Stilmittel:

„So war auch mir! So freudig hüpfte mir das Herz,/ Als mir Pandora nieder vom Olympos kam.“ Goethe, S. 8.

PHRASEOLOGISMUS: „Das Herz hüpft jemandem von Freude bedeutet jemand freut sich, jemand ist glücklich.“202

„Ich seh Gestirne kommen, dicht gedrängt!/ Ein Stern für viele, herrlich glänzet er!“ Goethe, S. 17.

PHRASEOLOGISMUS: „Etwas kommen sehen bedeutet etwas voraussehen, erwarten. Umgangssprachlich.“203

PHRASEOLOGISMUS: „Die Büchse der Pandora bedeutet etwas Unheilbringendes. Nach der griechischen Sage, wie sie Hesiod überliefert, soll Zeus-Strafe für den Raub des Feuers durch Prometheus-der Menschheit Pandora mit einem Gefäß geschickt haben, das alle Übel dieser Welt enthielt.“204

200 JENS, Walter: Kindlers neues Literatur Lexikon. Band 6. München: Kindler Verlag, 1996, S. 496. 201 GOETHE: Pandora, ein Festspiel. Leipzig: Insel Verlag, S. 14. 202 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 203 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 204 DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 147. 54

„Was liegt hier am Boden […]?” Goethe, S. 24.

REDENSART: „Am Boden liegen bedeutet geschwächt/kampfunfähig sein oder sich in einem schlechten Zustand befinden.“205

„Die Hände, sie ringen, die Arme, sie bangen […]” Goethe, S. 24.

REDENSART: „Die Hände ringen bedeutet trauern, sich Sorgen machen, entsetzt/bestürzt sein.“206

„Doch der saitenreichen Leier Töne,/ Anders fassen sie das Herz, man horchet,/ Und wer draußen wandle schon so frühe?“ Goethe, S. 26.

PHRASEOLOGISMUS: „Sich ein Herz fassen ist seinen ganzen Mut zusammennehmen.“207

„Was in Herz und Sinn/ Sich eingeprägt, ich wiederhols im Stillen gern.“ Goethe, S. 30.

REDENSART: „Im Stillen bedeutet bei sich, insgeheim oder unbemerkt, heimlich.“208

VERGLEICH: „Wie süß, o Traumwelt, schöne!“ Goethe, S. 21.

„Wie starr Metall im Schlangenkreise sich dehnt und schließt.“ Goethe, S. 32.

„Wie Nebel zerstiebte trübsinniger Wahn,/ Sie zog mich zur Erd ab, zum Himmel hinan.“ Goethe, S. 33.

„Sah stät herüber, hielt mein Auge fest und fest/ In ihrem innig, ließ nicht los, gewann mein Herz.“ Goethe, S. 36.

PHRASEOLOGISMUS: „Jemandes Herz gewinnen bedeutet jemanden verliebt machen, jemandes Zuneigung erfahren.“209

„Ich stand versteinert, schaute hin; ich seh sie noch!“ Goethe, S. 36.

PHRASEOLOGISMUS: „Wie versteinert stehen bedeutet starr vor Schreck, Entsetzen, Erstaunen stehen.“210

„Ein grimmiger Schmerz/ Fasset im Krampf dich, du liegst ihr zu Füßen,/ Und die Verzweiflung zerreißt dir das Herz.“ Goethe, S. 38.

205 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 206 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 207 DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 356. 208 Ebd. S. 736. 209 [Zit. 29. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 210 DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 823. 55

PHRASEOLOGISMUS: „Jemandem zu Füßen liegen verkörpert jemanden sehr verehren.“211

PHRASEOLOGISMUS: „Jemandem das Herz zerreißen ist jemanden tief bekümmern.“212

METAPHER: „Erholung reichet Müden jede Nacht genug.“213 Goethe, S. 48.

3.4.4 Proserpina (Monodrama)

Proserpina214 ist ein Monodrama von Johann Wolfgang Goethe. „Monodrama, ein Personen Stück, eine der Sonderformen des Dramas. Der Begriff stammt aus der literarische Literaturtheorie des 18. Jahrhunderts und bezeichnet eine literarische Modeerscheinung: einen von Instrumentalmusik untermalten heroisch-sentimentalen oder lyrischen Monolog einer (meist weiblichen) Gestalt.“215 Es geht um die antike Mythologie über Persephone (lat. Proserpina). „Angst, Verzweiflung, der Huldigungsgruß der Parzen, alles steigert sie wieder in den Zustand der Königin, den sie abgelegt glaubte: sie ist die Königin der Schatten, unwiderruflich ist sie es; sie ist die Gattin des Verhaßten, nicht in Liebe, in ewigem Haß mit ihm verbunden. Und in dieser Gesinnung nimmt sie von seinem Throne den unwilligen Besitz“.216

PROSERPINA:

„O Pluto! Pluto!

Gib mir das Schicksal deiner Verdammten!

Nenn es nicht Liebe!-

Wirf mich mit diesen Armen

In die zerstörende Qual!“217

Stilmittel:

„Warum öffnetest du sein Herz/ Auf einen Augenblick?“ Goethe, S. 457.

211 DUDEN-REDAKTION. Der Duden in zwölf Bänden: das Standardwerk zur deutschen Sprache. 11. Duden- Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Wien: Dudenverlag, 2008, S. 255. 212 Ebd. S. 357. 213 DOBEL, Richard: Lexikon der Goethe-Zitate. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995, S. 179. 214 Proserpina, lat. Name der griech. Göttin Persephone. Die Göttin der Unterwelt, Tochter des Zeus und der Demeter, Gattin des Hades, den sie dazu bewegte, sie für einen Teil des Jahres als Wachstumsgöttin im Sinne des Vegetationszyklus an der Oberwelt leben zu lassen. In: HOLZAPFEL, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 1993, S. 337. 215 SCHWEIKLE, Günther und Irmgard: Metzler Literatur Lexikon. Stuttgart 1990, S. 309. 216 KAYSER, Wolfgang: Goethes Werke. Band 4. München: C. H. Beck Verlag, 1990, S. 662. 217 KAYSER, Wolfgang: Goethes Werke. Band 4. München: C. H. Beck Verlag, 1990, S. 462. 56

PHRASEOLOGISMUS: „Herz öffnen bedeutet seine Gefühle zuzulassen.“218

PARALLELISMUS: „Leer und immer leer!/ Wie sie schöpfen und füllen!/ Leer und immer leer!/ Nicht einen Tropfen Wassers zum Munde,/ Nicht einen Tropfen Wassers in ihre Wannen!/ Leer und immer leer!“ Goethe, S. 457.

„Der Hölle durch!“ - - Goethe, S. 460.

PHRASEOLOGISMUS: „Durch die Hölle gehen bedeutet schlimme Erfahrungen machen.“219

218 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 219 [Zit. 28. 3. 2015] Zugänglich URL: http://www.redensarten-index.de/ 57

4 Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit ging es um die Untersuchung der Stilmittel in Goethes Werken mit antiken Motiven. Die Arbeit besteht aus zwei Teilen, aus einem theoretischen und einem praktischen Teil.

Das erste Ziel meiner Diplomarbeit war die Darstellung der theoretischen Grundlagen anhand der Sekundärliteratur. Zunächst betrachtete ich die Stilistik als linguistische Disziplin. Weiter werden die stilistischen Grundbegriffe dargestellt. Die Kapitel über Mikro- und Makrostilistik und Stilfiguren waren eine Basis für die stilistische Analyse der ausgewählten Werke im praktischen Teil. Ich habe besonders Metaphorik und Idiomatik in den Werken gesucht.

Bis heute werden die antiken Namen von Göttern, Geschichten aus dem antiken Griechenland und verschiedene antike Motive oft gebraucht. Johann Wolfgang Goethe galt als wichtiger Vertreter zweier deutscher Epochen - des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik. Aus seinen weitreichenden Werken habe ich solche ausgewählt, die antike Motive, Götternamen und Bezüge zur antiken Welt enthalten. Es ist interessant, mit römischer Mythologie, die aus der griechischen entstanden ist, zu arbeiten. In meiner Diplomarbeit habe ich diese mythologischen Begriffe erklärt.

Im ersten Abschnitt meines praktischen Teils habe ich zuerst kurz die Epochen, in denen der Schriftsteller lebte, erklärt und seinen Lebenslauf erwähnt. Der zweite Teil konzentrierte sich auf ausgesuchte Werke (Gedichte und Dramen), ihre Interpretationen und den praktischen Versuch, entsprechende Stilmittel zu finden. Am häufigsten und in großer Zahl habe ich eine bestimmte Art des Zitats gefunden; früher konnte man diese Sätze allerdings nicht als Zitate bezeichnen. Es handelt sich um die Metapher, die heute als Zitat (Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht, aus dem Schauspiel Iphigenie auf Tauris) oft verwendet werden. Dann gibt es in den Werken einige Phraseologismen (Jemandem sein Herz öffnen, aus dem Schauspiel Iphigenie auf Tauris) und Stilmittel wie die Personifikation (Die Sonne sinkt, aus dem Gedicht An Schwager Kronos), Modellbildungen (Vom Gebirge zum Gebirge, aus dem Gedicht An Schwager Kronos), Lautmalerei (Mavor drommetet, aus dem Gedicht Zwiespalt), die Alliteration (Mit ihm spielen Wolken und Winde, aus dem Gedicht Grenzen der Menschheit), Parallelismen (Nach der Wärme ziehn sich Musen. Nach der Wärme Charitinnen, aus dem Gedicht Wanderers Sturmlied) oder die Figura etymologica (Umfangend umfangen, aus dem Gedicht Ganymed).

Weil ich mit literarischen Werken arbeite, habe ich mich kurz mit der Interpretation der Gedichte und Schauspiele befasst. Ziel meiner Arbeit ist nicht eine umfassende literarische Interpretation, sondern eine Kurzinterpretation einiger Werke, deren richtiges Verständnis wichtig ist. Das Ziel meiner Arbeit ist das Aufzeigen von Stilmitteln in Werken von Johann Wolfgang Goethe mit antiken Motiven. Am meisten habe ich große Zahl der Stilmittel wie Metaphorik und Idiomatik gefunden. Diese Metapher werden heute als Zitate verwenden.

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5 Literaturverzeichnis

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