www.boeckler.de – November 2008 Copyright Hans-Böckler-Stiftung

Boy Lüthje

Arbeitspolitik in der chinesischen IT-Industrie - neue Perspektiven in der Diskussion um internationale Arbeitsstandards

Abschlussbericht

Auf einen Blick…

Die Studie analysiert die Muster der Regulierung von Arbeitsstandards in wesent- lichen Segmenten der chinesischen IT-Industrie (multinationale und chinesische Markenfirmen, Kontraktfertiger, Chiphersteller, kleine und mittlere Zulieferer) und deren starke Segmentierung.

Das zentrale Ergebnis lautet, dass eine auf der Ebene einzelner Unternehmen oder deren Produktionsnetze ansetzende Überwachung internationaler Ar- beitsstandards der Komplexität der Produktions- und Arbeitsstrukturen in der IT-Industrie Chinas nicht gerecht wird.

Erforderlich scheint vielmehr eine umfassende Verankerung solcher Stan- dards in den real existierenden, in rascher Veränderung befindlichen arbeits- politischen Regulierungsprozessen, der Reform von Arbeitsgesetzen und Gewerkschaften sowie neuer Ansätze sozialer Organisierung der Lohnab- hängigen in China.

Zentral ist dabei die Schaffung sektoraler und regionaler Regulierungsmecha- nismen für Löhne, Arbeitszeiten und Beschäftigungsbedingungen und die Weiterentwicklung einschlägiger Ansätze in der Reform von Arbeitsrecht, Ge- werkschaften und Tarifbeziehungen in China.

Boy Lüthje

Arbeitspolitik in der chinesischen IT-Industrie – neue Perspektiven in der Diskussion um internationale Arbeitsstandards

Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Schwerpunkt Strukturwandel – Innovation und Beschäftigung

November 2008

Autorenanschrift: PD Dr. Boy Lüthje Institut für Sozialforschung an der Johann-Wolfgang Goethe Universität Senckenberganlage 26 60325 Frankfurt/Main Telefon 069/756183-30 Fax 069-749907 E-Mail: [email protected] Internet: www.ifs.uni-frankfurt.de

Forschungsassistenz Dipl. Pol. Peter Pawlicki

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Inhalt

Kurzfassung 4 0. Einleitung 7 1. Profil der chinesischen IT-Industrie: Branchenstrukturen, Standortregionen, Industriepolitik 11 1.1 Untersuchungsansatz und Abgrenzung des IT-Sektors 11 1.2 Branchenentwicklung 14 1.3 Branchenstrukturen 21 a) Eigentumsformen und Herkunft 22 b) Produktionsmodelle 28 1.4 Regionale Strukturen und Netzwerke 35 a) Pearl River Delta 36 b) Großräume Shanghai und Beijing 39 1.5 Industriepolitik und industrielles upgrading 42

2. Arbeitsmärkte, Arbeitsbedingungen, Arbeitspolitik 53 2.1 Beschäftigungsentwicklung und Löhne 54 2.2 Arbeitsmigration und Arbeitsmarktsegmentierung 61 2.3 Produktionsmodelle und Beschäftigungsregimes 64 2.4 Arbeitsbedingungen und Arbeitsstandards 69

3. Arbeitspolitik, Gewerkschaften und Arbeitsstandards 82 3.1 Arbeitspolitik im Zuge von Reform und Öffnung 83 3.2 Gewerkschaften und Arbeitspolitik in der IT-Industrie 87 3.3 Arbeitskonflikte 92 3.4 Arbeitsstandards in der IT-Industrie – gewerkschaftliche Perspektiven 99 3.5 Arbeitsstandards, „innovationsbasiertes Wachstum“ und 104 globale Regulierung

Anhang: Arbeitsbedingungen in einem deutschen Unternehmen der IT-Produktion in Südchina 111

Literatur 120 3

Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder

Tabellen

1 Eckdaten zur Entwicklung der IT-Industrie in China 15 2006-07

2 Produktionsnetzwerk von Flextronics in Asian (2006) 19

3 Die führenden chinesischen IT-Unternehmen (2006) 28

4 Führende Unternehmen der Elektronikkontraktfertigung (2007) 32 5 Produktionstypen in der Elektronikfertigung 36 6 FE-Ausgaben führender chinesischer IT-Unternehmen 50 7 Beschäftigte in der chinesischen IT-Industrie (2006) 56 8 Durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen in der IT-Industrie 57 Chinas 9 Gehaltsstandards bei Entwicklungsingenieuren Chips und 59 Elektroniksysteme 10 Katalog Strafmaßnahmen Flextronics Shenzhen 78 11 Bestehende und zukünftige Industrieparks von Foxconn in China 83

Schaubilder 1 Nachfrage nach intergrierten Schaltkreisen nach Weltmarkt- 20 regionen 2000-2005

2 Produktionskomplex „Foxconn City“ in Shenzhen 40 3 Chip Design Workforce in China 1999-2005 62

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Kurzfassung

Im Zuge der anhaltenden globalen Umstrukturierung der IT-Industrie hat sich die Volksrepublik China innerhalb nur eines Jahrzehnts zum international bedeutendsten Standort der Produktion informationstechnischer Erzeugnisse entwickelt. China stellt heute etwa ein Drittel der weltweit etwa 18 Millionen Beschäftigten in der IT-Produktion (ILO 2007). Der massiven Verlagerung der Produktion nach China seit Ende der 1990er Jahre folgten in den letzten Jahren auch wichtige Segmente der Produktentwicklung, etwa im Bereich der Software oder der Chipentwicklung. China wurde damit auch zu einem wichtigen Zielland des so genannten „innovation offshoring“, also der Verlagerung wesentlicher Bereiche der Produktentwicklung in Niedrigkostenstandorte.

China hat in besonderer Weise den Ruf eines „Billiglohnlandes“ erlangt, aller- dings ist über die konkreten Bedingungen der Beschäftigung, die Zusammenset- zung der Belegschaften und die Arbeitspolitik im IT-Sektor Chinas relativ wenig bekannt. Die inzwischen recht zahlreich gewordenen Berichte über die Knappheit von Arbeitskräften, starke Lohn- und Gehaltssteigerungen vor allem bei qualifizierten Kräften sowie Arbeitskonflikte in der chinesischen Elektronikindust- rie deuten aber darauf hin, dass nach dem Investitionsboom der letzten Jahre nunmehr nachhaltige Verbesserungen der Verteilungs- und Arbeitsbedingungen zugunsten der Lohnabhängigen auf der Tagesordnung stehen.

Ziel der Studie ist es, einen breiteren Überblick über Branchenstrukturen, Beschäftigungsbedingungen und Arbeitspolitik in der chinesischen IT-Industrie zu geben.

• Anknüpfend an langjährige Forschungsarbeiten zur Industrie- und Arbeits- organisation in der IT-Kontraktfertigung und in der Chipentwicklung in China werden die ökonomischen Entwicklungsbedingungen und die wachsenden Differenzierungen innerhalb des chinesischen IT-Sektors entlang unterschiedlicher Branchensegmente und Unternehmenstypen und zwischen den Standortregionen untersucht. 5

• Vor diesem Hintergrund werden die wesentlichen Mechanismen der Regulierung von Lohnverhältnis und Beschäftigungspolitik, deren regio- nale und sektorale Differenzierungen sowie die Widersprüche zwischen zentralstaatlichen Reformen der Arbeitspolitik und ihrer regionalen Umset- zung und Kontrolle dargestellt. Dabei wird insbesondere auch die prekäre Rechtsstellung von ArbeitsmigrantInnen in China ins Auge gefasst - ein Problem nicht nur in den Großbetrieben der Produktion, sondern auch für qualifizierte Arbeitskräfte im Forschungs- und Entwicklungsbereich.

• Ausgehend von einer solchen Bestandsaufnahme werden strategische Ansätze für die aktuelle Diskussion um internationale Arbeitsstandards und deren Kontrolle entwickelt.

Die zentrale These lautet, dass die Konzentration einschlägiger Debatten auf die Definition und Überwachung solcher Standards auf der Ebene einzelner Unternehmen oder deren Produktionsnetze der Komplexität der Produktions- und Arbeitsstrukturen in der IT-Industrie Chinas nicht gerecht wird. Erforderlich scheint vielmehr eine umfassende Verankerung von internationalen Arbeitsstan- dards in den real existierenden, in rascher Veränderung befindlichen arbeitspoliti- schen Regulierungsprozessen, der Reform von Arbeitsgesetzen und Gewerkschaften sowie neuer Ansätze sozialer Organisierung der Lohnabhängi- gen in China. Zentral ist dabei die Schaffung sektoraler und regionaler Regulierungsmechanismen für Löhne, Arbeitszeiten und Beschäftigungsbedingungen und die Weiterentwicklung einschlägiger Ansätze in der Reform von Arbeitsrecht, Gewerkschaften und Tarifbeziehungen in China.

Die Studie soll solche Ansatzpunkte aufzeigen. Dabei soll es nicht allein um arbeitspolitische Standards im engeren Sinne sowie die damit verbundenen migrationspolitischen Fragen gehen. Vielmehr ist nach den Verknüpfungen arbeitspolitischer Problematiken in der IT-Industrie zu den in China geführten politischen Diskursen zu Themen der Industrie-, Innovations- und Umweltpolitik sowie der Arbeitskräftequalifikation zu fragen und nach möglichen 6

Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Feldern auf nationaler und internationaler Ebene.

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0. Einleitung

Die massiven, seit dem Platzen der „Internet-Blase“ und dem Ende der so genannten New Economy in den Jahren 2000/2001 entstandenen Veränderun- gen in den globalen Produktionsnetzen der IT-Industrie haben China zum welt- weit bedeutendsten Produktionsstandort der Informationselektronik gemacht. Für die Exportökonomie Chinas wurde die IT-Industrie zur wichtigsten Branche, sie ist zugleich zentral für den von der Partei- und Staatsführung propagierten Über- gang des Landes zu einem innovationsorientierten, nachhaltigen Wachstums- modell. Diese Entwicklung fällt zusammen mit anhaltenden Strukturkrisen der IT- Industrie in den westlichen Industrieländern, die in Deutschland zuletzt etwa in der Schließung bedeutender Fertigungsbetriebe der Telekommunikation von Sie- mens-BenQ, Motorola und Nokia zum Ausdruck kamen. Die Verlagerung fortge- schrittener Industriestrukturen scheint inzwischen so weit vorangeschritten zu sein, dass auch die traditionellen Standortvorteile von Hochlohnländern, insbesondere hinsichtlich der Verbindung von technischer Innovation, Produktionsqualität und Qualifikation der Arbeitskräfte, immer stärker an Bedeu- tung verlieren (vgl.Voskamp/Wittke 2008).

Damit gewinnt das Thema der Arbeitsstandards in industriellen Entwicklungslän- dern auch für Hochtechnologiebranchen zentrale Bedeutung. Die Frage stellt sich, wie Ansätze einer globalen Regulierung der Branchenkonkurrenz verbun- den werden können mit den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen um Arbeitsstandards innerhalb sich entwickelnder neuer Industrieländer. Dieses Problem soll im Folgenden am Beispiel Chinas untersucht werden, insbesondere hinsichtlich der Verknüpfungen des Themas Arbeitsstandards mit breiteren industrie-, regulierungs- und umweltpolitischen Problemlagen im Kontext der zugespitzten sozialen Konflikte und Widersprüche innerhalb des Landes.

Die Analyse soll sich auf drei Punkte konzentrieren:

(i) Erstens soll ein fundiertes ökonomisches Profil des chinesischen IT-Sektors und seiner Branchen-, Unternehmens- und Standortstrukturen erstellt werden. 8

Dabei ist insbesondere auf die starke Segmentierung des Sektors durch die Prä- senz unterschiedlicher Produktionsmodelle und Unternehmenstypen einzugehen, die auch jeweils bestimmte Hierarchieebenen in den globalen Produktionssyste- men der Branche repräsentieren.

(ii) Zweitens sollen die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsstrukturen in der chinesischen IT-Industrie anhand grundlegender Daten zur Arbeitsplatz-, Lohn- und Einkommensentwicklung dargestellt und wesentliche Charakteristika der Be- schäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in den verschiedenen Branchensegmenten und -standorten aufgezeigt werden. Hiermit sollen insbesondere die enormen Differenzierungen herausgearbeitet werden, die von der Massenarbeit von MigrantInnen in den Großbetrieben der Kontraktfertigung, über die eher westli- chen Beschäftigungsmustern entsprechenden Verhältnisse in multinationalen Großunternehmen bis hin zu den hochflexiblen Arbeitsverhältnissen qualifizierter Ingenieure in chinesischen Gründungsunternehmen der Software- oder Chipentwicklung reichen. Dabei ist auch auf die in jüngster Zeit verstärkt aufgetretenen Arbeitskonflikte innerhalb und um maßgebliche multinationale und auslandschinesische IT-Unternehmen einzugehen.

(iii) Drittens sollen die zuvor angestellten Analysen hinsichtlich ihrer strategi- schen Konsequenzen für die Entwicklung und Institutionalisierung von internationalen Maßstäben entsprechenden Arbeitsstandards in China diskutiert werden. Dabei ist insbesondere nach der Verknüpfung aktueller Debatten um Arbeitsstandards mit dem Thema der industriellen Höherentwicklung und der von der chinesischen Führung propagierten verstärkten Nachhaltigkeit auf technologischem, sozialem und ökologischem Gebiet zu fragen. Deutlich zu ma- chen ist, dass die Perspektiven des heute in der Literatur so genannten industriellen „upgrading“ in wesentlicher Weise von der Entwicklung der Humanressourcen abhängig sind – sowohl im Bereich der industriellen als auch der technisch-wissenschaftlichen Arbeit. Dies ist zu diskutieren im breiteren Kon- text der gegenwärtigen arbeitspolitischen Veränderungen in China, insbesondere hinsichtlich der Bemühungen des staatsoffiziellen All-Chinesischen Gewerkschaftsbundes (ACGB) in bislang „gewerkschaftsfreien“ multinationalen 9

Unternehmen eine verstärkte Präsenz zu errichten sowie der auch aus innerchinesischer Perspektive vorgebrachten Forderung nach einer stärkeren Unabhängigkeit der Gewerkschaften vom Staat und deren Demokratisierung (Taylor u.a. 2003, Chan 2006a und b, Lee 2007a, Feng 2007, Chang/Lüthje/Luo 2008).

Dabei gehen wir davon aus, dass die marktwirtschaftliche Transformation in China inzwischen einen relativ eigenständigen Typus kapitalistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung hervorgebracht hat, der weder dem neo-klassi- schen Marktparadigma noch dem Modell einer staatlich geplanten Wirtschaft ent- spricht (vgl. Mc Millan/Naughton 1996, Walker 2006, Lüthje 2006b, Naughton 2007). Unter diesen Vorzeichen entwickeln sich kapitalismustypische Widersprü- che zwischen Lohnarbeit und Kapital, die aufgrund der mangelnden institutionel- len Regulierungskapazitäten des politischen Systems zu teilweise massiven, aber in der Regel auf einzelne Betriebe oder Regionen bezogenen Arbeitskonflik- ten führen. Als die für die chinesische Exportwirtschaft heute wichtigste Branche steht die IT-Industrie im Mittelpunkt der daraus entstehenden sozialen, ökonomi- schen und politischen Widersprüche.

Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale These des Projektes, dass die Über- nahme moderner westlicher und asiatischer Modelle der Produktions- und Branchenorganisation in China zunehmend auch mit entwickelten Industrielän- dern vergleichbare Probleme auf der Ebene der betrieblichen und sektoralen Arbeitspolitik produziert. Während die Entwicklungsbedingungen der letzten zwei Jahrzehnte vor allem von der massiven Transformation ländlicher Arbeitskraft in eine industrielle Massenarbeiterschaft in den Exportsektoren und -zonen der chinesischen Elektronikindustrie bestimmt war (Lüthje 2006a), entsteht mit der Stabilisierung fortgeschrittener Industriestrukturen ein arbeitspolitisches Terrain, das gekennzeichnet ist von „modernen“ Konfliktkonstellationen wie der Kontrolle von Arbeitszeiten und Arbeitsintensität, der Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes oder der Ausdehnung von Arbeitszeiten im Kontext individualisierter Leistungspolitik. Hinsichtlich der Sicherung von Arbeitsstandards lassen sich da- mit neue Ansatzpunkte in der wissenschaftlichen, politischen und gewerkschaftli- 10 chen Diskussion identifizieren, in denen die Akteure in China auch von einschlägigen Erfahrungen aus dem Westen profitieren können.

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1. Profil der chinesischen IT-Industrie: Branchenstrukturen, Standortregionen, Industrie- und Regulierungspolitik

1.1. Untersuchungsansatz und Abgrenzung des IT-Sektors

Unsere Untersuchung basiert auf erprobten theoretischen Ansätzen in der wissenschaftlichen Diskussion, insbesondere dem Konzept globaler Produktionsnetzwerke (Borrus/Ernst/Haggard 2000, Henderson u.a. 2002, Lüthje/Schumm/Sproll 2002, Lüthje 2007a) und globaler Designnetzwerke (Ernst/Lüthje 2003, Ernst 2003, Lüthje 2007b). Diese Konzepte bieten einen theoretischen Rahmen zur Analyse der Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung in fortgeschrittenen Industriebranchen wie der IT-Industrie, der insbesondere auf den engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung neuer, vom Leitgedanken der Verschlankung und Modularisierung („vertikale Spezialisierung“) angeleiteter Produktionsmodelle und der geographischen Verlagerung von Fertigung und Entwicklung abhebt.

Die Reorganisation der Produktion in komplexen Netzen und Wertschöpfungsketten ist dabei allerdings nicht mit dem Bild einer überwiegend von Klein- und Mittelbetrieben getragenen „Netzwerkbildung“ im Rahmen bestimmter Industrieregionen und –standorte zu beschreiben. Der Begriff des globalen Produktionsnetzwerkes hebt vielmehr auf transnationale Produktionsverbünde ab und versucht die oftmals sehr komplexen Hierarchien, aber auch die Herausbildung neuer Unternehmen und Industriesegmente in die- sem Kontext zu verstehen.

Die zentrale These ist, dass die voranschreitende vertikale Spezialisierung „an der Spitze“ globaler Produktionsnetze, also vor allem auf Seiten der Technologie- und Markenfirmen, zu einer weitreichenden, wenn auch systemisch begrenzten Neuzusammensetzung von Produktionsressourcen „am unteren Ende“ führt. Dabei kommt es zu einer umfassenden Zusammenfassung von Produktion, Technologie und Logistikressourcen auf Seiten von Zulieferern, Fertigungs- und 12

Entwicklungsdienstleistern, weshalb man auch von einer mehr oder weniger im Verborgenen vor sich gehenden, vertikalen Reintegration der Produktion spre- chen kann. Die Dynamik globaler Produktions- und Designnetze eröffnet neuen Industrieländern auch erhebliche Chancen zu einer industriellen Höherentwick- lung („upgrading“); allerdings üben transnationale Konzerne aus dem „Nor- den“ weiterhin eine weitreichende Kontrolle über die Markenrechte und Kerntechnologien aus. Problematisch ist zugleich der finanzgetriebene Charakter dieser Prozesse, der gerade auch für industrielle Newcomer-Länder zum Entwicklungshemmnis wird.

Die empirische Definition und Abgrenzung der IT-Industrie ist in der Wissen- schaft und einschlägigen Statistiken nicht immer klar und teilweise umstritten. Dies liegt im Wesentlichen an den dauernden Veränderungen der sektoralen Strukturen innerhalb der IT-Industrie, die durch die permanenten Umbrüche in den Produkttechnologien und -märkten bedingt sind.

In der IT-Industrie haben wir es seit Mitte der 1990er Jahre mit einer überwie- gend horizontalen Branchengliederung zu tun. Die Herstellung informationstechnischer Systemprodukte wie Computer, Netzwerkrechner oder Handys erfolgt immer weniger innerhalb einzelner Großunternehmen, sondern in tief gestaffelten Produktionsnetzen von Komponentenfertigern, Entwicklungsfir- men und Montagedienstleistern. Die vertikale Entflechtung von Fertigung und Design führt zur Zusammenfassung der Produktion wesentlicher Schlüsselkomponenten wie Chips und Chipsets, Motherboards, Speichersy- steme und Festplatten, Grafikkarten, Bildschirme, Funkübertragungs- oder Audiokomponenten in relativ eigenständigen Unterbranchen mit oftmals großen oder sehr großen Unternehmen. Modellcharakter hat hierfür die PC-Industrie, die von den Lieferanten der beiden wichtigsten Systemkomponenten – Mikroprozes- sor (Intel) und Betriebssystem (Microsoft) – mehr oder weniger monopolistisch beherrscht wird (Lüthje 2001).

Das „Wintel“-Modell hat sich zwar nicht in allen Bereichen der IT-Industrie als dominierendes durchgesetzt - so sind z.B. wettbewerbsstarke Unternehmen aus 13

Asien wie Samsung, Sony oder Matsushita nach wie vor hochgradig vertikal integriert; dennoch besteht ein anhaltender Druck zu weiterer vertikaler Aufgliederung der Produktionssysteme (ausführlich Hürtgen/Lüth- je/Schumm/Sproll 2009, zu den Grenzen des Wintel-Modells vgl. Jür- gens/Sablowski 2004, Voskamp/Wittke 2008, Lüthje 2007a).

Die unserer Studie zu Grunde gelegte Definition der IT-Industrie bezieht sich auf eine früher angewandte Methodik, die sich auf die Produktion und Entwicklung der wesentlichen Komponenten informationstechnischer Hardware einschließlich der strategisch wichtigen Produktion von Halbleitern („Chipindustrie“) bezieht. Sie umfasst im Wesentlichen die Subsegmente der Herstellung von Halbleitern, Computern, Datennetz- und Telekommunikationsausrüstungen, Telekommunikationsendgeräten einschließlich des Mobilfunks, die Konsumgüterelektronik und relevante Bereiche der Komponentenproduktion, insbesondere auch der Elektronikkontraktfertigung (vgl. Lüthje 2004b). Einbezo- gen ist darin auch die Entwicklung systembezogener Software. Nicht enthalten sind Telekommunikationsdienste jeder Art (insbesondere Telekommunikations- und Mobilfunknetzbetreiber), IT-Dienstleistungen im Bereich von Medien und Kundenberatungen („call center“ etc.), sowie die traditionell der „Elektroindust- rie“ zugerechneten Investitions- und Konsumgüter (z.B. Industrieelektronik, Elektromaschinenbau, Haushaltsgeräte). Diese Gliederung stimmt weitgehend auch mit der von OECD und ILO verwandten Methodik überein (vgl. ILO 2007).

Die chinesischen Statistiken lassen sich einer solchen Aufteilung zuordnen. Die amtliche vom Ministerium der Informationsindustrie (MII) geführte Branchenstatistik benutzt den Begriff „Informationselektronikindustrie“ ( dianzi xinxi chanye ) und ordnet dieser die Produktion von Computersystemen (Desk- tops), Notebooks und Mikrocomputern (PDA, Handhelds etc.), Computernetzwerkausrüstungen (Router, Netzwerkrechner, Netzwerkkarten, WLAN-Produkte etc.), Peripheriegeräten (Festplattenlaufwerke, Drucker, Mo- dems, Scanner, Monitore etc.), Telefonen und Handys, digitalen Vermittlungssystemen, Farbfernsehern und Bildschirmen, sowie integrierter Schaltungen (also Halbleiterchips) zu (MII 2008). Der offiziöse, vom Zentrum für 14

Industrieökonomik der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, vom Zentrum für Entwicklungsstudien des Staatsrates, sowie der Finanz- und Wirtschaftsuniversität Shanghai in verschiedenen Versionen herausgegebene China Industrial Development Report bezieht sich ebenfalls auf diese unter der industriestatistischen Code-Nr. GB/T4754 zusammengefassten Kategorien (vgl. CASS 2006, AMRC 2007).

1.2 Branchenentwicklung

Tabelle 1 fasst die Eckdaten der aktuellen Branchenstatistik für die Jahre 2006 und 2007 zusammen. Nach den Zahlen des MII betrug der Gesamtumsatz in der Produktion informationselektronischer Erzeugnisse im Jahre 2007 umgerechnet etwa 560 Mrd. Euro (entsprechend dem langjährigen Umrechnungskurs von 1:10), davon entfielen etwa 10 Prozent auf Softwareerzeugnisse. Die Wachstumsraten des Sektors sind hoch; so stiegen der Umsatz der Gesamtbran- che allein von 2006 auf 2007 um 17,9%, die Wertschöpfung um 18,2%, die Ge- winne um 12,4%, und das Volumen des Außenhandels (Importe und Exporte) um 23,5%. Die Produktionsvolumen sind beträchtlich: so wurden in China 2007 über 548 Mio. Handys, über 120 Mio. Notebooks und Kleincomputer, über 84 Mio. Farbfernseher sowie digitale Telekomvermittlungsstationen mit über 54 Mio. An- schlüssen produziert.

Der Anteil des Exports (45,95 Mrd. US-$) am gesamten Außenhandel (80,47 Mrd. US-$) mit Informationselektronik betrug im Jahre 2007 57,1%. Die IT-Industrie ist damit die bei weitem bedeutendste Exportbranche Chinas. Mit diesen Zahlen ist aber auch angezeigt, dass China im IT-Bereich nach wie vor sehr viel importiert, was vor allem auf die Zufuhr von Vormaterialien und technologisch hochwertigen Komponenten wie zum Beispiel Halbleiterchips oder Festplatten zurückzuführen ist (vgl. 1.3).

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Tabelle 1: Eckdaten zur Entwicklung der IT-Industrie in China 2006-07

Gesamt 2007 Wachstum

Umsatz (Mrd. EUR) 560 17.9%

Davon Software 58 20.8%

Gewinn 21 12.4%

Im- und Exporte (Mrd. USD) 804,7 23.5%

Darunter Exporte (Mrd. USD) 459,5 26.2%

Produktionsmengen Gesamt 2007

Mobilfunkgeräte (GSM CDMA) 548,58 Mio. Digitale Vermittlungssysteme (Teilnehmeranschlußleitungen) 53,87 Mio

Farbfernseher 84,33 Mio.

PC und Notebookcomputer 120,73 Mio.

Quelle: Ministry of Information Industry (MII). Eigene Berechnungen. EUR/RMB 1:10

Diese beeindruckenden Zahlen sind Ergebnis einer inzwischen recht langen, seit Mitte der 1990er Jahre anhaltenden expansiven Entwicklung. Insbesondere die jüngste Vergangenheit ist von einem regelrechten Wachstumsspurt gekennzeich- net, der besonders von der weltweiten Rezession in der IT-Industrie im Gefolge des Platzens der „Internetblase“ in den Jahren 2001/02 angetrieben wurde. Nach 16

Daten des China Industrial Development Report 2006 betrug die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate der Informationselektronikindustrie 28,8% und lag damit um etwa 18 Prozentpunkte höher als die ebenfalls sehr hohe Durchschnittswachstumsrate von 10,9% für das verarbeitende Gewerbe insgesamt. Die durchschnittliche Wachstumsrate des Exports lag bei 37,8% im Vergleich zu 25% für den nationalen Warenexport insgesamt. Der Anteil der Produktion von Informationselektronik am Bruttoinlandsprodukt stieg von 3% in 2002 auf 4,94% in 2005. Die IT-Industrie wurde damit zur umsatz- und exportstärksten Branche der chinesischen Industrie insgesamt, mit insgesamt 7,61 Mio. Beschäftigten im Jahre 2005 war sie auch einer der größten industriel- len Arbeitgeber Chinas (vgl. 2.1).

Neueste Daten des MII signalisieren allerdings eine deutliche Abkühlung dieser Entwicklung. So ging das Wachstum des IT-Sektors im ersten Quartal 2008 von 19,9% im Vergleichsquartal des Vorjahres auf 7,7% zurück, das Exportvolumen sank um 8% und das der ausländischen Investitionen um 2,6% – offenbar eine Auswirkung der im Gefolge der Finanzkrise in den USA entstandenen globalen Nachfragerückgänge (RR 23.4.2008). Zugleich häufen sich die Klagen aus- und inländischer Unternehmen über die Knappheit von Arbeitskräften, die durch die Abwertung des chinesischen Yuan gegenüber dem US-Dollar bedingte verschlechterte Kostenposition und zunehmende arbeitsrechtliche Regulierung und Kontrolle in China.

Hinsichtlich ihres Produktspektrums ist die IT-Industrie in China sehr stark auf die Montage von Geräten und Systemen sowie relativ arbeitsintensiver Komponen- ten wie zum Beispiel Computer-Motherboards ausgerichtet. Anders als in den älteren Montagestandorten Südostasiens (wie zum Beispiel Malaysia oder Thai- land) ist das Produktspektrum aber breiter, die einzelnen Bereiche weisen eine relativ hohe Fertigungstiefe und umfangreiche Zulieferstrukturen auf (vgl. Hürt- gen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). Größtes Branchensegment ist die Fertigung von Computern (PC, Server, Notebook), die 2005 42,8% der Umsätze der IT- Industrie ausmachte. Der zweitgrößte Sektor ist die Fertigung von Handys, ge- folgt von Computer- und TV-Bildschirmen (68,4% der weltweiten Produktion in 17

2004), Druckern und Vermittlungsanlagen der Telekommunikation (AMRC 2007, ebd.).

Die Konzentration der chinesischen IT-Industrie auf Montage und Komponentenherstellung wird in der Literatur immer wieder als Schwäche und als Ausdruck der fortdauernden Abhängigkeit Chinas von den führenden Industrieländern gedeutet. So bezeichnen Hart-Landsberg und Burkett (2007: 23 f.) China als die „Endproduktionsplattform“ der IT-Industrie in Südostasien, also als Verarbeitungsstandort für importierte, in anderen Ländern Asiens vorgefer- tigte Komponenten, der im Wesentlichen aufgrund seiner niedrigen Löhne international wettbewerbsfähig sei. Eine solche Argumentation ist zwar zutreffend für weite Bereiche der in den letzten 15 Jahren entstandenen Herstellung einfa- cher Massenprodukte, unterschätzt aber die in der globalen Restrukturierung der IT-Industrie angelegten Entwicklungsdynamiken und die massiven Anstrengun- gen Chinas zum Aufbau eigenständiger Technologiepotentiale. Wie auch die Erfolgsgeschichten kleinerer asiatischer Industrienationen wie Südkorea, Taiwan oder Singapur belegen, ist die Einbindung in transnationale Produktionsnetze und -systeme mit einer differenzierten großregionalen Arbeitsteilung keineswegs als ein Konkurrenznachteil anzusehen, sondern oft die Voraussetzung für ein schrittweises Emporklimmen innerhalb der globalen Arbeitsteilung (vgl. Ernst 2003).

Gerade die IT-Kontraktfertigung als das bedeutendste Segment der IT-Fertigung in China beruht auf hochgradig integrierten Produktionsnetzen, die verschiedene Standorte in Asien einbeziehen und die unterschiedlichen Bedingungen der Kapitalverwertung nutzen. Zugleich werden innerhalb dieser Produktionsver- bünde massiv fortgeschrittene Fertigungs- und Designressourcen transferiert, wodurch der Aufbau solcher Kapazitäten in China wesentlich erleichtert wird (vgl. Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). Die nebenstehend dargestellte Struktur des Produktionssystems von Flextronics, des zweitgrößten IT-Kontraktfertigers, verdeutlicht die Dimensionen dieser Entwicklungen. Deutlich werden allerdings auch die Potentiale eines massiven Standortwettbewerbes zwischen den Regio- nen Asiens. 18

Die starke Konzentration der weltweiten Produktion von IT-Systemen in China er- zeugt auch einen Sog zur Ansiedlung und Entwicklung von Produktionsinfrastrukturen technologieintensiver Schlüsselkomponenten. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Chip-Industrie festzustellen. Wie Schaubild 1 zeigt, ist China in relativ kurzer Zeit zum weltgrößten Konsumenten von integrierten Schaltungen herangewachsen. Auch die Produktion von Halbleitern in China ist stark gestiegen. Der Produktionsausstoß nahm zwischen 2000 und 2004 von ca. 5.4 Mrd. auf 21,1 Mrd. Stück und auf 41,1 Mrd. in 2007 zu (vgl. Tabelle 1). Diese Entwicklung war zunächst getrieben von der Verlagerung der Endmontage und des Testens von Chips nach China, also der arbeitsintensivsten und technolo- gisch am wenigsten anspruchsvollen Stufe der Chipproduktion. Diese machte zu Anfang des 21. Jahrhunderts noch etwa 70% des Branchenumsatzes aus, der Anteil der technologisch anspruchsvollen und kapitalintensiven Fertigung von Chip-Wafern (also der eigentlichen Herstellung integrierter Schaltungen) sowie der Chipentwicklung stiegen bis 2005 immerhin aber bereits auf 33% bzw. 18%. Im Bereich der Chipentwicklung stieg die Zahl selbständiger Entwicklungsfirmen von etwa 100 im Jahre 2000 auf fast 600 in den Jahren 2005/06, von denen allerdings längerfristiger nur ein relativ kleiner Teil überleben dürfte (Analysis 2005: 17 ff.).

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Tabelle 2: Produktionsnetzwerk von Flextronics in Asien (2006)

Malaysia China/Hong Andere Funktion Beschäftigte Unternehmen Singap. Kong/Taiwan Grundlegende Kompten- zen

Flextronics Singapur Globales und regionales HQ n.a. Präzisionsfertigung, Plastik Tampoi PCBA, SA, Plastik >3.000 Senai PCBA, SA, Plastik >3.000 Melaka PCBA >3.000 Shah Alam PCBA/SA >2.000 Penang SA <500 Beijing Software n.a. Hong Kong Regionalbüro n.a. Doumen Industriepark: PCBA, SA, >10.000 PCB Fertigung, Plastik Shenzhen Plastik >1.000 Gongming Shenzhen Xixiang PCBA, SA, Plastik >2.000 Shenzhen Shajing PCBA, SA >2.000 Shenzhen Entwicklung n.a. Dongguan Plastik <3.000 Guangzhou Entwicklung n.a. Shanghai Pudong PCBA, SA, Plastik >3.000 Shanghai Malu PCBA, SA >4.000 Changzhou Blechgehäuse <1.000 Nanjing <500 Qingdao Gehäuse >1.000 Taipei TW Regionalbüro, PIC n.a. India PCBA <1.000 Thailand Gehäuse >1.000 Japan Entwicklung, SA <1.000

(ehemals) Singapur Regionales HQ, Gehäuse, Solectron Entwicklung Penang PCBA, SA, PIC, Entwicklung, 9.000 Rep Suzhou PCBA, SA, Rep >6.000 Shenzhen PCBA, SA n.a. Shanghai Entwicklung, Rep, PCBA, n.a. Gehäuse Bantam Indonesien PCBA, SA 2.000 Japan Verkauf, NPI, Rep n.a. Taipei, TW Verkauf, NPI n.a.

PCBA = Leiterplattenmontage, SA = Systemmontage Quelle: Unternehmensinformation

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Schaubild 1: Nachfrage nach integrierten Schaltkreisen nach Weltmarkt- regionen 2000-2005 (in Mrd. USD)

Diese Entwicklung steht im Kontext eines sich rasch entwickelnden Binnenmark- tes für fortgeschrittene Erzeugnisse der Informationstechnik, der auch zuneh- mend zu einem eigenständigen Element der industriellen Entwicklung in der Informationstechnik wird. Auch hier beherrschen rasches Wachstum und hohe Volumen das Zahlenbild. So gab es in China im Jahre 2006 über 458 Millionen aktive Handynutzer, 137 Millionen Internetnutzer und 51 Millionen Breitband- anschlüsse. Im Jahre 2006 wurden 23 Millionen PC verkauft, der jährliche Absatz steigerte sich von 2000 bis 2006 um das Dreifache (BDA 2007). Bei Handys und PC ist China jeweils der größte Einzelmarkt der Welt, bei der Zahl der Internetnutzer zog China mit 221 Millionen zuletzt mit den USA gleich (SCMP 24.4.2008). Da bei allen diesen Produkten die Marktabdeckung jeweils noch wesentlich geringer ist als in den entwickelten Industrieländern, ist weiterhin von hohen Wachstumsraten auszugehen. China nimmt damit nicht nur eine Stellung als Leitmarkt für die Entwicklung neuer Angebotsstrategien für die rasch wachsenden Märkte großer industrieller Entwicklungsländer ein. Die hohen 21

Wachstumsraten sind vor allem auch ein Ventil für Überproduktionstendenzen in den übersättigten Märkten der entwickelten Industrieländer.

Gerade angesichts der durch die globale Rezession bedingten Abflachung der Nachfrage nach Elektronikprodukten kommt es zu einer zunehmenden Verschie- bung des Wachstums der chinesischen Elektronikproduktion auf Produkte für den Binnenmarkt. Der damit verbundene Trend zu billigeren und für die Herstel- ler einfach zu verarbeitenden Komponenten beflügelt nicht zuletzt die chinesi- sche Chipentwicklungsindustrie. Nach jüngsten Analysen der Marktforschungs- firma iSuppli beträgt das Volumen der in China entwickelten Chips an der IT- Produktion in China heute bereits knapp 26 Mrd. US-$ und soll bis 2012 auf etwa 42 Mrd. US-$, also um etwa 60 Prozent steigen (Digitimes 31.7.2008).

1.3 Branchenstrukturen

Die chinesische IT-Industrie ist von einem recht breiten Produktspektrum gekennzeichnet, das inzwischen weitgehend mit entwickelten Industrieländern vergleichbar ist. Der Sektor ist hochgradig internationalisiert und wird – im Unter- schied zu vielen traditionellen Industriebranchen in China – stark von ausländi- schem Kapital beherrscht. So wurden zwischen 1990 und 2002 insgesamt 22,5 Mrd. US-$ an heimischen Investitionen getätigt; die ausländischen Investitionen im gleichen Zeitraum beliefen sich auf rund 70,0 Mrd. US-$ (Liu/Lüthje/Pawlicki 2007). Diese Investitionen wurden vor allem getrieben von der enormen Verlage- rung von Produktionskapazitäten in den „Billigstandort“ China, nicht zuletzt durch transnationale Kontraktfertiger ohne eigene Markennamen, Auftragsfertiger in der Chipindustrie (genannt foundries ) sowie die unzähligen, meistens aus Tai- wan stammenden no name -Lieferanten von Komponenten der Informationselektronik. Eine zentrale Stellung nehmen überseechinesische Unternehmen aus Taiwan, Hongkong sowie Singapur ein – sowohl als Sublieferanten für multinationales Kapital als auch bei der Entwicklung neuer Produktionsmodelle und des Technologietransfers. Allerdings spielen auch 22 zunehmend chinesische Unternehmen – sowohl private als auch solche in staatlicher Eigentümerschaft – eine wichtige Rolle in Binnenmarkt und Export.

Die Branchenstrukturen sind vor diesem Hintergrund relativ stark segmentiert. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Bereiche hinsichtlich der Eigentümer- schaft, Eigentumsformen und Herkunft der Unternehmen, hinsichtlich der Produktionsformen und -modelle , sowie hinsichtlich ihrer regionalen Konzentra- tion und „Vernetzung“,die in China sehr stark ausgeprägt ist (vgl. 1.4).

a) Eigentumsformen und Herkunft

Mit Blick auf Eigentümerstruktur und Eigentumsformen lassen sich vier Gruppen von Unternehmen unterscheiden:

• Ausländische multinationale Unternehmen , teilweise in Gemein- schaftsunternehmen (Joint Ventures) mit chinesischen staatlichen Firmen. Zu diesem Bereich gehören die chinesischen Betriebe der meisten multinationalen Unternehmen, vor allem solche der ersten Generation (insbesondere im Bereich der Telekommunikation und der Chip-Produk- tion), also z.B. Siemens, Alcatel, Lucent, Ericsson Putian oder NEC-Hua- hong. Eine Reihe prominenter ausländischer Unternehmen haben in den letzten zehn Jahren auch bedeutende Betriebe und Niederlassungen ohne chinesische Beteiligung eröffnet, so zum Beispiel Nokia, Intel, AMD oder Samsung .

• Überseechinesische Unternehmen aus Taiwan, Hong Kong oder Südostasien. Diese werden angeführt von den Großkonzernen der Elektronikkontraktfertigung, namentlich dem Weltmarkführer Foxconn, so- wie den spezialisierten Großfertigern von Computer-Motherboards wie ECS, die alle Jahresumsätze in Größenordnungen von mehreren Milliar- den US-Dollar, teilweise sogar im zweistelligen Bereich erzielen. Zu den Führungsunternehmen dieser Gruppe zählen ferner die großen Auftragsfertiger ( foundries ) der Chip-Industrie aus Taiwan, die in China mit 23

Tochterunternehmen oder de facto-Tochterunternehmen vertreten sind, so unter anderem der Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. (TSMC) und United Microelectronics (UMC) mit seinem chinesi- schen Ableger Hejian sowie eine Reihe von mit den Foundries zusammenarbeitenden Unternehmen der Chipentwicklung wie Mediatek und der Chipmontage wie Advanced Semiconductor Engineering (ASE). Zur Gruppe der auslandschinesischen Unternehmen zählt schließlich noch der große Bereich von kleinen und mittleren no name -Firmen der Auftragsproduktion, die die Fertigung von Elektronikkomponenten aller Art versehen sowie als Auftragsfertiger im Billigsegment, nicht zuletzt auch für multinationale Einzelhandelskonzerne wie zum Beispiel WalMart oder Aldi (Medion) fungieren.

• Chinesische Unternehmen im Staatsbesitz (SOE) oder mit hybriden Eigentumsformen. Diese häufig mit dem irreführenden Begriff „Staatsunternehmen“ bezeichneten Unternehmen bilden den strategi- schen Kern der chinesischen High-Tech Industrie. Sie sind zumeist aus ehemaligen chinesischen Staatsmonopolen bzw. zentral kontrollierten Staatsunternehmen hervorgegangen oder es handelt sich um Ausgründungen von staatlichen Forschungseinrichtungen oder Universitä- ten. Die wichtigsten Unternehmen im Staatsbesitz im IT-Bereich sind die großen Telekommunikationsnetzbetreiber China Telecom, China Mobile, das größte Mobilfunkunternehmen der Welt, und China Unicom, die wir allerdings nicht in unsere Definition der IT-Branche einbezogen haben. Diese Unternehmen befinden sich im Besitz der zentralen staatlichen Industrieholding SASAC 1; der Staat ist Mehrheitsaktionär, zugleich sind Anteile dieser Unternehmen an den Börsen von Hong Kong, Shenzhen oder Shanghai notiert. Im Bereich der IT-Produktion und -Entwicklung befinden sich allerdings nur wenige größere Unternehmen im Besitz von

1 State-Owned Assets Supervision and Administration Commission – Guoyou Zichan Jiandu Guanli Weiyuanhui

24

SASAC (CETC, CEC, Putian – jeweils Rest-Holdings ehemaliger Ministe- rien aus dem Rüstungs- und Post-/Telekombereich) sowie das frühere Joint Venture Alcatel Shanghai Bell. Es überwiegen hingegen Unterneh- men mit hybriden Eigentumsstrukturen, also ursprünglich aus staatlichen Forschungseinrichtungen oder lokalen Regierungsapparaten hervorgegangene Gründerunternehmen mit heute überwiegend privatwirt- schaftlicher Eigentümerstruktur. Teilweise stehen diese Firmen in Kooperation mit ausländischem Kapital,darunter Private Equity Firmen wie Texas Pacific oder Newbridge. Zu dieser Kategorie gehören fast alle technologisch führenden Unternehmen der chinesischen IT-Industrie wie , ZTE, Datang, , Konka, TCL, SMIC oder (Ernst/Naughton 2008).

• Chinesische Privatunternehmen . Hierbei handelt es sich um einen relativ breiten Sektor von Klein- und Mittelfirmen chinesischer Unterneh- mer, teilweise in Gemeinschaft mit Kapital aus Hong Kong. Hierzu gehö- ren in erster Linie kleinere Zulieferer und Komponentenhersteller mit zu- meist geringen technologischen Potentialen und oftmals prekären Existenzbedingungen, einige chinesische, auf den nationalen Markt orien- tierte Markenhersteller von Computern oder anderen IT-Produkten, aber auch zahlreiche in China oder mit ausländischer und auslandschinesi- scher Unterstützung gegründete Entwicklungsfirmen im Software- oder Chip-Bereich, von denen einige wenige inzwischen auch beachtliche Er- folge erzielen konnten (z. B. Celestial und Techfaith). Die ökonomische Lage und die familienbetrieblichen „Firmenkulturen“ sind bei der Mehrheit dieser Unternehmen relativ ähnlich wie die der Hongkong Unternehmen.

Insgesamt gesehen herrschen im chinesischen IT-Sektor also privatwirtschaftli- che oder quasi-privatwirtschaftliche Eigentumsformen vor. Die Branche unterscheidet sich damit von anderen großindustriellen Produktionszweigen wie etwa der Automobil- oder der Stahlindustrie, in der Großunternehmen oder Joint Ventures mit maßgeblichen Besitzanteilen der nationalen Industrieholding SASAC oder lokaler Regierungen eine führende Rolle spielen. 25

Das Überwiegen privater Eigentumsformen im IT-Sektor ist einerseits bedingt durch die starke Rolle ausländischen und auslandschinesischen Kapitals. Während ausländisch investierte Unternehmen vor allem der älteren Generation (z. B. Telekomhersteller wie Siemens, Alcatel oder Ericsson oder NEC-Huahong im Chipbereich) zumeist im Rahmen von Joint Ventures aufgebaut wurden, ist auslandschinesischen Unternehmen (insbesondere solchen aus Taiwan) auf- grund ihres besonderen politischen Status die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischer Staatsbeteiligung nicht möglich. In jüngerer Zeit wurden private Eigentumsformen auch noch dadurch gestärkt, daß ausländische Finanzinvestoren chinesische Gründungsunternehmen in umfangreicher Weise mit Start- und Wagniskapital versorgen. Dieser Trend ent- stand vor dem Hintergrund, dass angesichts der fortdauernden strukturellen Kapitalverwertungsprobleme im IT-Sektor und zuletzt durch die um sich grei- fende Finanzkrise profitable Unternehmensgründungen auf Basis von Wagniskapital in den USA kaum noch möglich sind (NYT 7.10.2006 ).

Allerdings sollte man die Unterscheidung von „staatlichen“ und „priva- ten“ Eigentumsformen nicht überbewerten. Generell ist das in den letzten Jahrzehnten entstandene Modell des „chinesischen Kapitalismus“ von der Vorherrschaft „hybrider“ (Naughton 2007: 308 ff.) oder „rekombinierter“ (Stark 1994) Eigentumsverhältnisse gekennzeichnet. Dies ist Ergebnis der von der Kommunistischen Partei Chinas verfolgten Strategie marktwirtschaftlicher Transformation, die stets auf eine schrittweise, vorsichtige und oft experimentelle Privatisierung der Unternehmen setzte, anstatt der aus der ehemaligen Sowjet- union und Osteuropa bekannten marktwirtschaftlichen „Schocktherapien“.

Charakteristisch für diese Politik ist im Ergebnis, dass leitende Manager von Staatsbetrieben sowie Partei- und Staatsfunktionäre direkt zu „Unterneh- mern“ werden, also privatwirtschaftliche Eigentums- und Betriebsformen vorantreiben, dabei aber weiterhin umfangreiche politische „Netzwerkbeziehun- gen“ erhalten, die ein strategisches Agieren in politisch und wirtschaftlich oft unsicherem Umfeld ermöglichen (Nee/Su 1996, Hsing 1998). Im Staatsbesitz 26 befindliche Unternehmen (SOE) werden zwar nach „harten“ kapitalistischen Gewinnkriterien geführt, sie sind aber weiterhin in den durch die jeweiligen Institutionen von Staat und Partei bestimmten politischen Kontext einer Branche oder Region eingebunden; sie ähneln damit also in gewisser Weise Unterneh- men mit öffentlichen Eigentumsanteilen in Deutschland, wie zum Beispiel Tele- kom, Ex-Ruhrkohle oder Volkswagen (Lüthje 2006b).

Was die einheimischen Unternehmen anbelangt, so bildet der IT-Sektor Chinas ein besonderes Beispiel für eine aus relativ unorthodoxen Kombinationen staatli- cher und privater Unternehmertätigkeit entstandenen Sektor mit hybriden Eigentumsformen. Naughton (2007) fasst unter diesem Begriff Unternehmen zusammen, die nicht aus der Privatisierung klassischer Staatsunternehmen hervorgegangen sind oder aus neueren Versuchen der chinesischen Regierung, „nationale Champions“ im Bereich von Schlüsseltechnologien zu schaffen, etwa nach dem Vorbild der Industriekonzerne Südkoreas. Die chinesischen IT- Unternehmen sind oft Ausgründungen von Wissenschaftsinstitutionen oder Universitäten, die seit Anfang der 1980er Jahre von der chinesischen Regierung in wachsendem Masse gefördert wurden.

Das Flaggschiffunternehmen der chinesischen Computerindustrie, Lenovo (frü- her Legend), kann als Paradefall eines hybriden Unternehmens angesehen wer- den. Es wurde ursprünglich von Forschern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften gegründet, erhielt aber im Zuge seines raschen Wachstums zunehmend Investitionen aus privatwirtschaftlichen Quellen. Die spektakuläre Übernahme des PC-Geschäftes von IBM im Jahre 2004 war nicht nur Ausdruck der Wettbewerbsstärke eines solchen Unternehmensmodells, sondern eröffnete Lenovo auch den Zugang zu den ersten Adressen der internationalen Finanz- märkte (Ernst/Naughton 2008). Ein Beispiel aus der „zweiten Reihe“ ist etwa die Unternehmensgruppe Qinghua-Tongfang, ein diversifizierter Computer- und IT- Hersteller, der aus den Technologie- und Unternehmensgründerparks der Tsing- hua-Universität in Beijing hervorging (Interviews 2007). 27

Tabelle 3: Die führenden chinesischen IT-Unternehmen (2006)

Company Net revenue Gross margin Net income Net income (US$ (US$ (US$ as millions) millions) millions) % of revenue 1 Legend Holdings (Lenovo) 17,819.4 52.0 -122.2 -0.7% 2 Haier Group 13,852.6 192.7 -132.2 -1.0% 3 Huawei Technologies 8,448.9 530.4 -423.4 -5.0% 4 BOE Technology Group 8,095.1 -203.2 -226.4 -2.8% 5 6,646.1 175.7 64.3 1.0% 6 TCL Group 6,009.0 -457.7 -644.6 -10.7% 7 5,583.0 94.1 -80.3 -1.4% 8 Founder Group 3,960.7 152.3 87.8 2.2% 9 Panda Electronics 3,557.7 88.0 6.3 0.2% 10 SVA Group 3,424.2 -262.5 -303.6 -8.9% 11 ZTE 2,953.7 137.2 -218.2 -7.4% 12 Electronics 2,758.8 -81.2 -168.1 -6.1% Group 13 Great Wall Technology 2,567.5 69.4 49.7 1.9% 14 (Formerly 1,949.8 37.1 -17.1 -0.9% Langchao) 15 Alcatel Shanghai Bell 1,926.0 104.8 65.4 3.4% 16 1,896.7 28.3 -41.1 -2.2% 17 Group 1,880.4 81.9 44.0 2.3% 18 Shenzhen Huaqiang 1,791.0 81.9 10.7 0.6% Holdings 19 Desay Holdings 1,735.9 49.8 16.8 1.0% 20 BYD 1,707.8 178.1 74.9 4.4% 21 1,623.1 14.9 -85.3 -5.3% 22 Tongfang 1,567.3 48.3 4.5 0.3% 23 Xocec 1,508.7 7.0 -28.6 -1.9% 24 Wanbao Group 1,473.7 48.9 -11.7 -0.8% 25 Golden Dragon Group 1,326.0 23.9 -3.2 -0.2%

Quelle: Electronics Business Magazine

28 b) Produktionsmodelle

Eine zweite wesentliche Differenzierung innerhalb der Branchenstruktur der chinesischen IT-Industrie sind die unterschiedlichen Produktionsmodelle, die von den verschiedenen Unternehmen des Sektors verfolgt werden. Diese widerspie- geln in wesentlichem Maße die Einbindung der betreffenden Firmen und Branchensegmente in die Hierarchien globaler Produktionsnetze und beeinflus- sen die Bedingungen von Kapitalverwertung und Produktion in den einzelnen Fir- men oft wesentlich direkter als die formalrechtlichen Eigentumsformen. Bestimm- ten Produktionsmodelle lassen sich nicht immer bestimmten Eigentümerstruktu- ren und/oder der Nationalität der beteiligten Unternehmen zuordnen. Auch unter chinesischen IT-Unternehmen existieren recht unterschiedliche Produktionsfor- men, weitgehend unabhängig davon, ob es sich um staatseigene, hybride oder private Firmen handelt. Als der international größte und zugleich einer der jüngs- ten Standorte der IT-Industrie steht China im Mittelpunkt der tiefgreifenden globa- len Umstrukturierungen der Produktions- und Verwertungsmodelle in der Bran- che und ist gleichsam Testfeld für die unterschiedlichen neuen Formen kapitalistischer Industrieproduktion.

Hinsichtlich der Produktionsmodelle lassen sich grundsätzlich unterscheiden:

(1) Markenunternehmen mit vertikal integrierten Produktionsstrukturen, die sich ganz oder überwiegend auf Eigenfertigung verlassen,

(2) Markenunternehmen mit sehr geringer oder ohne eigene Fertigung („fabrik- lose Unternehmen“),

(3) Kontraktfertiger, Fertigungsdienstleister und Designdienstleister ohne eigenen Markennamen (aber oftmals mit starken Potentialen in der Produktentwicklung),

(4) Komponentenhersteller und Zulieferer einfacher elektronischer und nicht- elektronischer Bauelemente (zur systematischen Begründung dieser Typologie Lüthje/Schumm/Sproll 2002, Lüthje 2004b, Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

Ad 1: Die Gruppe der Markenfirmen mit integrierter Entwicklung und Fertigung wird angeführt von den in China präsenten traditionellen multinationalen 29

Elektronikkonzernen aus Europa, Nordamerika und Ostasien. Dazu gehören vertikal integrierte Unternehmen wie Siemens, Philips, IBM, Motorola, Matsushita, NEC oder Samsung sowie die großen internationalen Chiphersteller wie Intel, AMD, Infineon oder Elpida. Die meisten Unternehmen aus den USA und Europa haben in den letzten Jahren in massiver Weise Fertigung ausgelagert und sind heute mehr oder weniger als „fabriklose“ Unternehmen einzustufen. Beispiele dafür liefern etwa Hewlett-Packard oder Nokia, aber auch die frühere Handy- sparte von Siemens, die an den Kontraktfertiger BenQ überging. Japanische und koreanische Unternehmen verfolgen dabei weiter dezidiert Strategien der vertika- len Integration und unterhalten vor diesem Hintergrund teilweise sehr große integrierte Fertigungskomplexe in China (so z.B. Samsung in Tianjin). Zu den Herstellern mit starker integrierter Eigenproduktion gehören schließlich auch ei- nige der führenden Unternehmen der chinesischen Elektronikindustrie nament- lich aus der Konsumgüterelektronik, so z.B. Haier, TCL - nach Übernahme der TV-Sparte von Thomson heute einer der weltweit grössten TV-Hersteller- Konka oder Changhong, sowie einige Joint-Ventures im Telekommunikationsbereich, etwa von Putian und Ericsson.

Ad 2: Die Gruppe der „fabriklosen“ System- und Komponentenhersteller , die sich weitgehend auf das Design von Hardwareprodukten, Halbleitern und anderen Komponenten beschränken. Diese lässt sich generell unterteilen in Firmen mit eigenem Markennamen und Endprodukten und die der Entwicklungsdienstleister und Komponentenhersteller ohne eigenes Endprodukt , oft allerdings mit bedeutenden intellektuellen Eigentumsrechten.

Die erste Gruppe wird angeführt von den globalen Führungsunternehmen der Systemherstellung in der PC- und Datennetzwerktechnik wie Cisco oder Dell. Diese haben in China eine recht starke Marktpräsenz, auch sind sie als Auftraggeber großer Kontraktfertiger von Gewicht. Dem Vorbild dieser Firmen folgen auch eine Reihe von Führungsunternehmen der chinesischen IT-Industrie, namentlich Huawei und ZTE, die nur geringe Fertigungsressourcen besitzen und die Produktion überwiegend an Kontraktfertiger unterschiedlicher Nationalität vergeben. 30

Die zweite Untergruppe wird angeführt von den international im Chip-Bereich bedeutenden „fabriklosen“ Herstellern wie Qualcomm, Broadcom, Nvidia, die IP- Provider ARM oder Tensilica sowie Unternehmen der Designautomation wie Ca- dence oder Mentor. Diese Firmen sind in China jeweils mit teilweise recht bedeutenden Verkaufs- und Entwicklungsniederlassungen vertreten. Sie sind zugleich Modell für die rasch wachsenden „fabriklosen“ Chip-, System- und Komponentenentwickler aus Taiwan und China wie z.B. Mediatek im Bereich der Kommunikationschips oder Techfaith in der Entwicklung von Handys und Multimediaprodukten. Die etwa 500-600 in China existierenden Unternehmen der Chipentwicklung profitieren im besonderen Maße von dem in den letzten Jahren im globalen Maßstab stark vorangeschrittenen Outsourcing von Entwicklungsdienstleistungen. Im Unterschied zu Indien, dem weltweit wohl bekanntesten Standort für IT-Entwicklungsdienstleistungen, existieren in China kaum Unternehmen, die auf eine „Großproduktion“ standardisierter Entwicklungsdienstleistungen einschließlich der zugehörigen Kundendienste und call center ausgerichtet sind. Die in China tätigen fabriklosen Chip- und Komponentenproduzenten betätigen sich eher als spezialisierte Zulieferer modularisierter Massenproduktion, insbesondere der in China stark vertretenen IT-Kontraktfertiger (vgl. Lüthje 2007b).

Ad 3: Die Gruppe der Produktionsdienstleister lässt sich systematisch in zwei Untergruppen aufteilen, nämlich die großen Kontraktfertiger ( Contract Manufacturer ) der Elektroniksystemmontage und die Auftragsproduzenten der Chipproduktion (chip foundries ). Die Contract Manufacturer bilden das nach Umsätzen, Betriebsstätten und Beschäftigungszahlen bedeutendste Segment der IT-Produktion in China. Sie werden angeführt von Foxconn aus Taiwan, Flextronics aus den USA, den taiwanesischen Unternehmen Compal, Asustek und Quanta, gefolgt von Sanmina-SCI, Celestica und Jabil aus den USA (vgl. Ta- belle 3 2). Die wichtigsten chip foundries in China sind das chinesische Unterneh-

2 Flextronics, jahrelang die Nummer eins der Branche, übernahm im Jahre 2007 Solectron, das bis dato drittgrößte EMS-Unternehmen und ebenfalls eine Pionierfirma des Contract Manufacturing – die Fusion ist nicht zuletzt eine Reaktion auf das rasche Wachstum 31 men Semiconductor Manufacturing International Corp. (SMIC) und die Weltmarktführer TMSC und UMC aus Taiwan sowie NEC-Huahong und Grace, Hejian Technology, Elpida.

Tabelle 4: Führende Unternehmen der Elektronikkontraktfertigung (2007)

Rank Company Total 2006 Revenue Dominant type ($ mil) of production

1 Hon Hai Precision (Taiwan) 40,527.2 EMS

2 Flextronics (Singapore/US) 17,707.8 EMS

3 Asustek (Taiwan) 17,195.7 ODM

4 Quanta Computer (Taiwan) 16,503.4 ODM

5 Solectron (US) 11,200.0 EMS

6 Sanmina-SCI (US) 10,955.4 EMS

7 Jabil (US) 10,300.0 EMS

8 Celestica (Canada) 8,800.0 EMS

9 Inventec (Taiwan) 7,890.3 ODM

10 TPV Technology (Hong Kong) 7,176.3 NN

11 Wistron (Taiwan) 6,800.0 EMS

12 BenQ (Taiwan) 6,094.0 ODM

13 Elcoteq (Finland) 5,677.2 EMS

14 Benchmark Electronics (US) 2,907.3 EMS

15 Cal-Comp Electronics (Thailand) 2,050.0 NN Quelle: Electronic Business, www.edn.com

taiwanesischer Firmen. Nach der Fusion soll Flextronics nach Schätzungen von Analysten über 190.000 Beschäftigte haben. 32

Ad 4: Der Bereich der traditionellen Komponentenzulieferer und Lohnfertiger be- steht aus einer kaum zu überschauenden Zahl zumeist kleinerer und mittlerer Unternehmen, die überwiegend aus Taiwan, Hong Kong oder Festlandchina stammen. Dieser Sektor ist sehr groß und umfasst in manchen Bereichen, etwa bei Verbindern und Kabelsätzen fast 40% der Weltproduktion, er ist zugleich von familienbetrieblichen, patriarchalischen Strukturen und Netzwerken beherrscht, für die sich in der Literatur die Bezeichnung Asian Business Networks eingebür- gert hat. Daneben finden sich eine Reihe von multinationalen Herstellern von Passivbauteilen oder Hilfskomponenten der zweiten Reihe, wie zum Beispiel das bislang zur Quandt-Gruppe, nunmehr zu Flextronics gehörige deutsche Unter- nehmen Friwo, der weltgrößte Hersteller von Handy-Ladegeräten, oder UNIDEN, ein Hersteller von Billigtelefonen und -funkgeräten aus Japan, der auch als Zulieferer für WalMart fungiert. Zu Großunternehmen herangewachsen sind auch die aus Taiwan stammenden Hersteller von PC-Motherboards und Elektronik- karten, die diese unter eigenem Markennamen verkaufen (so z.B. die im Eigen- tum der taiwanesischen Pou Cheng Gruppe stehende Firma ECS oder auch Asustek).

In quantitativer und qualitativer Hinsicht fallen dabei vor allem die beiden letzte- ren Sektoren ins Gewicht. Die Kontraktfertiger und Zulieferer machen die größte Zahl der Unternehmen aus und haben auch die weitaus meisten Beschäftigten in der chinesischen IT-Industrie. In diesem Bereich existieren zugleich starke Potentiale der Produktentwicklung, sowohl auf Seiten von Unternehmen der Kon- traktfertigung als auch spezialisierter Entwicklungsdienstleister. Der Sektor der Kontraktfertigung kann damit als das Rückgrat der chinesischen IT-Industrie angesehen werden, welches zugleich den Ruf Chinas als workshop of the world begründet.

Innerhalb dieses Sektors ist zu unterscheiden zwischen den Produktionsmodel- len des Electronics Contract Manufacturing (EMS) und des Original Design Manufacturing (ODM). 33

Unter EMS-Fertigung versteht man die Auftragsproduktion von Elektronikproduk- ten wie Computer oder Handys oder wesentlicher Module solcher Produkte als „Komplettdienstleistung“, also einschließlich produktionsnaher Entwicklung, Ferti- gungs- und Vertriebslogistik. ODM-Fertigung umfasst das gleiche Leistungsspektrum, allerdings liefert der Auftragsfertiger auch ein vollständiges Design des Produktes, das nur noch den Vorgaben des Auftraggebers ange- passt wird. Beim EMS-Modell liegen also die geistigen Eigentumsrechte am Pro- dukt noch überwiegend bei der Auftrag gebenden Markenfirma.

Beim ODM-Modell hingegen erfolgt auch der überwiegende Teil der Produktentwicklung beim Kontraktfertiger, der auch über die wesentlichen IP- Rechte am Produkt verfügt. Infolgedessen wandert bei diesem Typ der Kontraktfertigung noch vergleichsweise mehr Entwicklungs-know how zum Auftragsfertiger. Das ODM-Modell ist dabei aber auf ein engeres Produktspekt- rum konzentriert, typische Bereiche sind Notebook-Computer und PCs, Handys der einfachen und mittleren Preislage, aber auch höherwertige Smartphones so- wie eine Reihe von Konsumgüterprodukten wie z.B. MP3-Player. Die EMS-Ferti- gung wird demgegenüber in einem breiteren Produktspektrum angewandt (z.B. auch in der Automobil- und Medizinelektronik) und in verschiedenen Formen mit Eigenfertigung und -entwicklung der Markenführer kombiniert (für eine Übersicht über die Terminologie vgl. Tabelle 5, ausführlich Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

Im Bereich der Chipindustrie spielen Auftragsproduktion und -entwicklung eben- falls eine zentrale Rolle. Die chip foundries aus Taiwan und Festlandchina fungieren als „Komplettdienstleister“ für fabriklose Chipfirmen oder multinationale Hersteller, die ihre Fertigung aufgrund der hohen Kapitalkosten an Dritte verge- ben (sog. „fab-lite“ Strategien). Die führenden chip foundries haben dabei hochwertiges Prozesswissen akkumuliert, durch welches sie zu zentralen Trä- gern technologischer Innovation in der Chip-Fertigung geworden sind. Die chip foundries aus Taiwan dürfen zwar aufgrund politischer Beschränkungen durch die taiwanesische Regierung nicht die neuesten Prozesstechnologien in Werken auf dem chinesischen Festland verwenden, allerdings ändern sich diese 34

Bedingungen im Zuge der fortschreitenden wirtschaftlichen Verzahnung Chinas und Taiwans rasch - nicht zuletzt auch durch die kürzliche Rückkehr der heute für enge Kooperation mit dem Mutterland eintretende Kuomintang zur Regierungsverantwortung in Taiwan. Die zur Zeit in China im Bau befindlichen Chipwerke für die Produktion von 300-mm Chipwafern, welche die neueste Technologiestufe darstellen, werden überwiegend von Unternehmen aus Taiwan gebaut 3.

Die foundries fördern zugleich die Entstehung von Dienstleistungsfirmen der Chipentwicklung, die eine Vielfalt von Aufgaben der Chipentwicklung als Unter- auftragnehmer oder Servicepartner der foundries versehen. Auch gibt es eine eingespielte Zusammenarbeit mit den großen EMS- und ODM-Unternehmen aus Taiwan, die einen Großteil der in verkauften Chips verarbeiten. In der Auswei- tung und Intensivierung dieser Verbindungen wird ein beachtliches Potential weiteren Wachstums und der industriellen Höherentwicklung gesehen (Digitimes 25.9.2008).

3 China is home to 47 fabs, according to the China Semiconductor Industry Association. The bulk of those produce four-, five-, six- and eight-inch wafers, (30 percent, 19 percent, 26 percent and 21 percent of total fab capacity, respectively) but new investment is flowing into 12-inch wafers, currently comprising four percent of fab capacity. Most of the newer fabs are financed by Taiwanese companies or investors. (EDN 07-03-2007).

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Tabelle 5: Produktionstypen in der Elektronikfertigung

Bezeichnung Abkürzung Hauptmerkmale

Original Brandname OBM “Klassische” Eigenproduktion; Kernfunktionen von Manufacturing Produktentwicklung, Komponentenbeschaffung, Fertigung und Logistik in der Hand der Markenfirma

Original Equipment OEM „Klassische” Auftragsfertigung: Fertigung eines Manufacturing Markenproduktes durch Auftragsfirma, Produkt und Fertigungsprozess entwickelt und kontrolliert durch Markenfirma, Beschaffung von Zuliefermaterialien und –komponenten durch Markenfirma

Electronics EMS Herstellung von Markenprodukten durch Manufacturing Kontraktfertiger, Produktentwicklung durch Marken- Services firma, Fertigungsprozesse und Logistikketten unter Kontrolle des Kontraktfertigers, einschliesslich produktionsnahem Engineering, Komponentenein- kauf und after-sales service (z.B. Installation, Reparatur), Kontraktfertiger als „Fertigungspart- ner“ mit umfangreichem, eigenständigem Produkti- ons-Know-How

Original Design ODM Wie EMS, aber auch technische Systementwicklung Manufacturing durch Kontraktfertiger; geistiges Eigentum (IP) der Markenfirma reduziert auf Schlüsselelemente der Markenentwicklung (insbes. Produktdesign, Logos, Benutzeroberfläche).

1.4 Regionale Strukturen und Netzwerke

Die starke vertikale Integration der Produktionsressourcen in der chinesischen IT-Industrie – vor allem auf Seiten der Kontraktfertiger – wird ergänzt durch eine ausgeprägte regionale Konzentration. Die drei wichtigsten Standortregionen sind das um die Städte Hong Kong, Shenzhen und Guangzhou gelegene Pearl River Delta (Provinz Guangdong), der Großraum Beijing-Tianjin in Nordchina und der Großraum Shanghai einschließlich der benachbarten Städte Suzhou, Kunshan, und Wuxi (Provinz Jiangsu) sowie Hangzhou (Provinz Zhejiang). Diese drei Regionen stellten 2005 fast 90% der Umsätze in der IT-Produktion Chinas 36

(AMRC 2007:16). Neuere High-Tech Standorte haben sich in den letzten Jahren in Innerchina entwickelt, namentlich um die Großstädte Chengdu (Provinz Si- chuan) und Xian (Provinz Shaanxi).

Zwischen den verschiedenen Standorten der IT-Industrie in China bestehen erhebliche Unterschiede bezüglich des Zuschnittes der jeweiligen regionalen Produktionsstrukturen und deren Einbindung in lokale, nationale und globale Industrienetze. Zugleich lassen sich deutliche Unterschiede in den politischen Strukturen der jeweiligen Regionen feststellen, sowohl hinsichtlich der Verbindungen von Industrie und lokalen Regierungs- und Parteiapparaten als auch der sozialen und ökologischen Regulierung, insbesondere bei der Über- wachung von Arbeitsstandards. Diese sind Ergebnis der sozialen und politischen Entwicklungsgeschichte der Standorte und zugleich Ausdruck der relativ starken Dezentralisierung der wirtschafts- und sozialpolitischen Regulierung in China.

a) Pearl River Delta

Das Pearl River Delta ist nach Zahl der Betriebe und der Beschäftigten der bedeutendste Standort der chinesischen IT-Industrie. Hier entstand die Weltmarktproduktion im Zuge der Schaffung von Wirtschaftssonderzonen seit den 1980er Jahren, vor allem durch die Verlagerung einfacher Montageoperatio- nen aus Nordamerika, Europa und Asien. Die via Hong Kong operierenden taiwanesischen Fertiger von PCs und PC-Komponenten bildeten die Vorhut die- ser Entwicklung; allein in der Stadt Dongguan existieren ca. 2500 Firmen aus Taiwan. Ihnen folgten ab etwa 1998 die amerikanischen Kontraktfertiger mit Übernahmen und Neueröffnungen von Betrieben.

Die sich rasch entwickelnde Produktionsinfrastruktur entstand im Umfeld einer zunehmend diversifizierten Exportindustrie, die vor allem von leichtindustriellen Gütern wie Bekleidung, Schuhen, Konsumgütern aller Art sowie Chemie- und Kunststoffprodukten beherrscht wird. Das Pearl River Delta ist seit Mitte der 1990er Jahre die am schnellsten wachsende Industrieregion Chinas und mit ca. 25 Millionen ProduktionsarbeiterInnen das wohl größte zusammenhängende 37

Industrierevier der Welt (Guangdong Province Statistical Office 2006). Hauptstandorte sind die Städte Shenzhen mit ca. 9 Millionen Einwohnern und 4- 5 Millionen Industriebeschäftigten, Dongguan mit etwa 5 Millionen und Guang- zhou, die Hauptstadt der Provinz Guangdong, mit etwa 3,5 Millionen Industrie- beschäftigten. Die Region liegt im Schnittpunkt globaler Verkehrs- Kommunikati- ons- und Transportnetze, die historisch vor allem auf Hong Kong zentriert waren, in den letzten Jahren aber auch auf festlandchinesischer Seite rasch ausgebaut wurden. Von strategischer Bedeutung war Hong Kong vor allem für Unterneh- men aus Taiwan, die aufgrund der offiziell nicht bestehenden Wirtschaftsbeziehungen in Festland-China nur über Firmen – oft nur Briefkasten- adressen – in der britischen Kronkolonie investieren konnten. Diese Investitionen wuchsen rasant im Gefolge der politischen Unruhen in China im Jahre 1989 und der darauf einsetzenden Investitionsboykotte westlicher Staaten, als die chinesi- sche Regierung Unternehmen aus Taiwan zur Entwicklung der neuen Weltmarkt- produktionszonen anzuziehen versuchte (Naughton 1997).

War das industrielle Wachstum von 1980 bis ca. 1995 von den Investitionen kleinerer Unternehmen aus Hong Kong geprägt – meistens Handelsfirmen auf der Suche nach billigen Zulieferern –, so entstanden in der Folge zunehmend kapitalintensivere Produktionsbetriebe. Seit etwa 2004 ist ein dritter Schub der industriellen Entwicklung zu verzeichnen, der von einer verstärkten Präsenz for- schungsintensiver Unternehmen in der Elektronik, aber auch in Bereichen wie der Chemie- und Stahlindustrie gekennzeichnet ist (Chan, T. 2005: 81f.). Als Mo- tor dieser Entwicklung können die in der Region beheimateten aufstrebenden, international tätigen Unternehmen der chinesischen Elektronikindustrie angese- hen werden, namentlich Huawei, ZTE und Konka in Shenzhen und TCL in Huizhou. In jüngster Zeit entwickelt sich in Shenzhen und Guangzhou auch ein rasch wachsender Cluster von Gründungsunternehmen der Chipentwicklung, die vor allem auf die Entwicklung und “Design-Ins“ kostengünstiger Anwendungen in Handys, TV- und Musicplayern ausgerichtet sind (Interviewdaten 2007).

Die jüngere Entwicklung ist von einer massiven vertikalen Integration von Produktionsressourcen gekennzeichnet. Wie an kaum einem Standort in der 38

Welt manifestiert sich im Pearl River Delta jene Tendenz zu einer vertikalen Re- Integration von Produktion „von unten“, die einleitend bereits als ein wesentliches Charakteristikum globaler Produktionsnetze in der IT-Industrie gekennzeichnet wurde. Diese Entwicklung wird namentlich von den Kontraktfertigern vorangetrie- ben. So unterhält Flextronics in Zhuhai am südlichen Ufer des Pearl-River Delta seinen international größten Industriepark mit über 12.000 Beschäftigten. Fünf weitere Betriebe in Shenzhen und Dongguan sowie seit 2007 ein größeres Entwicklungszentrum in Shenzhen ergänzen die regionale Produktionsinfrastruk- tur. Foxconn unterhält in Shenzhen Longhua einen Industriepark, der 2008 auf 300.000 Beschäftigte angewachsen war, sowie weitere Werke mit etwa 100.000 Beschäftigten. Der „Foxconn-City“ genannte Industriekomplex ist die größte Elektronikfabrik der Welt, gefertigt wird für fast alle namhaften Hersteller der Computer-, Netzwerk- und Handybranchen. Der Betrieb umfasst Arbeiterwohn- heime mit der Einwohnerzahl einer europäischen Mittelstadt und umfangreiche Freizeit- und Einkaufseinrichtungen für die Beschäftigten (vgl. Schaubild 2).

39

Schaubild 2: Produktionskomplex “Foxconn City” in Shenzhen

“The forbidden city of Terry Guo” (Source: The Wall Street Journal)

b) Großräume Shanghai und Beijing

Die Entwicklung in Guangdong steht in gewissem Kontrast zu den älteren, weiter nördlich gelegenen Industrieregionen Chinas, namentlich dem Korridor Beijing- Tianjin und der Region Shanghai. Hier gab es bereits seit den 1980er Jahren substantielle Auslandsinvestitionen in der Elektronikindustrie im Rahmen von Joint Ventures mit zumeist europäischen und japanischen Unternehmen, vor al- lem im Bereich der Konsumgüterelektronik und der Telekommunikation (vgl. Har- witt 2008). Das für Südchina prägende Element der zumeist klein- und mittelbetrieblichen Montageproduktion unter sweatshop-Bedingungen fehlt des- halb weitgehend, ebenso die Erblast einer raumplanerisch und sozial unregulier- ten Entwicklung, die in Südchina nicht zuletzt im Bereich des Umweltschutzes 40 schwerwiegende Folgen zeitigt. Die Betriebe der Kontraktfertigung sind in den Regionen Beijing und Shanghai fast durchweg in großen und zumeist sehr modernen Industrieparks angesiedelt, die durch eine Infrastruktur auf internationalem Niveau und eine stärkere Kontrolle durch die lokalen Regierun- gen gekennzeichnet sind, vor allem auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und beim Umweltschutz.

Hinzu kommt, daß sowohl Shanghai als auch Beijing und Tianjin ausgespro- chene Standorte für Unternehmenszentralen transnationaler Markenunterneh- men sind, die neben zahlreichen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen auch große Produktionskomplexe beheimaten, so etwa von Nokia in Beijing, Motorola und Samsung in Tianjin oder Siemens und zahlreichen japanischen Elektronikherstellern in Shanghai. Shanghai und Beijing haben sich zugleich zu Führungszentren der Chipindustrie in China entwickelt. Im Raum Shanghai sind die wichtigsten foundries angesiedelt, sowie Chipmontagewerke westlicher Kon- zerne und ein rasch wachsender Cluster von Entwicklungsunternehmen, vor al- lem Servicefirmen für foundries . In Beijing konzentriert sich die Chipentwicklung mit einer großen Zahl von spezialisierten Gründungsunternehmen aus dem oft auch als „chinesisches Silicon Valley“ bezeichneten Umfeld der Universitäten und Wissenschaftsinstitutionen im Stadtteil Zhongguancun.

Allerdings lassen sich auch zwischen den chinesischen Exportstandorten der „zweiten Generation“ zahlreiche Differenzierungen feststellen. So weisen Stand- orte, die besonders von Unternehmen aus Taiwan geprägt sind, deutlich bescheidenere Bedingungen auf als die auf die Bedürfnisse multinationaler Spitzenunternehmen ausgerichteten „Fünf-Sterne-Industrieparks“ in Beijing, Tianjin und Shanghai. Besonders augenfällig werden diese Differenzen im Um- land von Shanghai. Hier hat sich der von der Stadt Suzhou gemeinsam mit Investoren aus Singapur geführte Industriepark als ein für multinationale Unternehmen attraktiver Standort etabliert. Die etwa 70 Quadratkilometer große Anlage mit modernster Infrastruktur ist wohl eines der ehrgeizigsten Stadtentwicklungsprojekte Chinas, das auch zehntausende von Wohnungen, Forschungseinrichtungen und Universitäten mit etwa 80.000 Studienplätzen um- 41 fasst und Betriebe multinationaler Elektronikfirmen wie Nokia, Bosch, Infineon, AMD, National Semiconductor, Philips und Samsung sowie von EMS-Firmen wie Solectron oder Celestica beherbergt.

Demgegenüber ist das nahe gelegene Kunshan der bedeutendste festlandchinesische Standort von ODM-Unternehmen aus Taiwan, die hier allein etwa 70% der Weltproduktion an Notebook-Computern fertigen. In dem innerhalb eines Jahrzehnts von einer Landgemeinde mit etwa 50.000 zu einer Industrie- stadt mit ca. 2,3 Millionen Einwohnern herangewachsenen Kunshan sind kaum multinationale Markenfirmen vertreten, die Lebensumwelt ist hier ausschließlich auf die Bedürfnisse der mehrere zehntausend Personen starken Kolonie von Managern, Technikern und Ingenieuren aus Taiwan ausgerichtet. Die stärksten Kontraste bestehen freilich hinsichtlich der Produktionsbelegschaften: Während in Suzhou wie auch in den anderen zuvor genannten Standorten der Anteil an ländlichen Arbeitsmigranten kaum mehr als zehn Prozent beträgt, sind in Kun- shan fast ausschließlich WanderarbeiterInnen beschäftigt, und zwar zu deutlich schlechteren Bedingungen als in der Nachbarstadt (Hürt- gen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009)..

Diese vielfältigen Differenzierungen sind Ausdruck der starken Dezentralisierung der Industriepolitik im heutigen China – einem der wichtigsten, wohl aber am wenigsten verstandenen Charakteristika der kapitalistischen Transformation des Landes seit 1978 (vgl. Hsing 1998, Nee/Su 1996, Lüthje 2006b). Die informellen Koalitionen von lokalen Regierungen und Parteiführungen mit den jeweiligen Investoren sind die treibenden Kräfte dieses Modernisierungsprozesses, der sich in einem massiven Standortwettlauf zwischen den verschiedenen Städten und Regionen manifestiert. Die lokalen städtischen „Wachstumsmaschinen“ (Hsing 2006) operieren meist mit massiven Ansiedlungshilfen und Steuererleichterun- gen für Investoren, zum Repertoire der städtischen Industriepolitiken gehört häu- fig auch die faktische Nicht-Kontrolle bestehender Arbeitsgesetze sowie des Ar- beits- und Gesundheitsschutzes. 42

Eine neue Variante dieses innerchinesischen Standortwettlaufes ist allerdings, dass in ihn auch zunehmend bislang wenig entwickelte Regionen außerhalb der traditionellen Industriemetropolen im Inneren des Landes einbezogen sind. Vorangetrieben wird diese Entwicklung von der akuten Verknappung des Arbeitskräfteangebotes in den Boomregionen der Ostküste. Diese betrifft keines- wegs nur qualifizierte Arbeit, sondern auch die einfachen, vor allem von Arbeits- migranten ausgeführten Montagetätigkeiten in der Massenproduktion informationstechnischer Erzeugnisse. Wie wir im folgenden Abschnitt noch näher ausführen werden, dürfte die daraus erwachsende Tendenz zu einer sich rasch beschleunigenden Verlagerung von Produktion in noch wenig erschlossene neue Standorte auch eine der massivsten sozial- und arbeitspolitischen Herausforde- rung der nächsten Zeit markieren.

1.5 Industriepolitik und industrielles upgrading

Die Förderung ausländischer Direktinvestitionen in den Regionen der Weltmarkt- produktion durch lokale Regierungsapparate ist allerdings nicht die einzige Form der Industriepolitik im chinesischen IT-Sektor. Vielmehr ist diese Entwicklung eingebettet in ein breites Spektrum nationaler Industrie- und Technologiepolitiken, deren übergreifendes strategisches Ziel darin besteht, China zu einer internatio- nal führenden Wirtschaftsmacht mit eigenen Technologiepotentialen in modernen Schlüsselindustrien aufzubauen (im Überblick: Liu/Lüthje/Pawlicki 2007). Solche Zielsetzungen existierten bereits in den 1970er Jahren und gewannen im Zuge von Reform und Öffnung schrittweise Konturen. Die gegen Ende der 1970er Jahre formulierten, teilweise recht ehrgeizigen Programme zur Entwicklung eigenständiger Technologien in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, der Nukleartechnik oder der Elektronik wurden mit Beginn der Reformperiode durch eine zunächst schrittweise, später umfassend betriebene Orientierung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen auf kommerziellen Erfolg und Unternehmertum ergänzt (Liu Fudong u.a. 2001). Die bereits erwähnte Ausgrün- 43 dung von neuen Unternehmen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen im IT-Bereich und die Entstehung hybrider Eigentumsformen ist ein wesentliches Ergebnis dieser Entwicklungen.

Insgesamt ist das Innovationssystem Chinas von einer anhaltenden Verschie- bung wesentlicher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von staatlichen For- schungseinrichtungen hin zu privaten Unternehmen gekennzeichnet. Zugleich wurde in den letzten Jahren der Wettbewerb zwischen den staatlichen und halbstaatlichen Forschungseinrichtungen intensiviert mit einer zunehmenden Ausrichtung auf anwendungsorientierte Entwicklungen. Nur 5-6% der Forschungsausgaben Chinas dienen heute der Grundlagenforschung. Staatliche Forschungseinrichtungen wurden zunehmend gezwungen, Forschungsgelder aus der Industrie einzuwerben und in großem Umfang eigene Unternehmen zu gründen (Liu/Lüthje/Pawlicki 2007).

Die in China unter den Vorzeichen marktwirtschaftlicher Transformation betrie- bene Industriepolitik trug freilich von Anfang an ihre eigenen Merkmale. Sie sollte nicht verwechselt werden mit der Industriepolitik anderer asiatischer Industrielän- der, namentlich Japan und Südkorea, deren Aufstieg in der Weltmarktkonkurrenz immer wieder als Präzedenz- und Modellfall für China hingestellt wird. Die chinesische Industriepolitik ist nicht primär durch die strategische Unterstützung eines ausgewählten Kreises von Großunternehmen zum Aufbau international wettbewerbsfähiger Schlüsselindustrien und die damit verbundene Schaffung eines die nationale Ökonomie beherrschenden Machtgeflechtes zwischen gro- ßen Konzernkonglomeraten und zentralem Staat gekennzeichnet, sondern durch eine Vielzahl von Formen, Instrumenten und oftmals miteinander konkurrieren- den Politiken (Ernst/Naughton 2008).

Diese manchmal verwirrend anmutende Vielgestaltigkeit ist zunächst Ausdruck des spezifischen chinesischen Weges der Transformation, dessen zentraler Aus- gangspunkt in der Dezentralisierung des Staates als politischem und unternehmerischem Akteur und der Schaffung von Konkurrenzbeziehungen sei- ner verschiedenen Ebenen und Apparate untereinander bestand. Diese vor allem 44 in der Ära Deng Xiaoping vorangetriebene Politik findet darin ihren Niederschlag, dass seit den 1990er Jahren etwa 80% des Staatshaushaltes von Provinzen, Städten und Gemeinden kontrolliert werden, ein wesentlich höherer Anteil als in fast allen entwickelten Industrieländern (Hsing 1998). Städte und Provinzen sind unter diesen Vorzeichen selbst bedeutende Investoren, auch im IT-Bereich. So ist zum Beispiel die Stadt Shenzhen Miteigentümer von ZTE, Shanghai ist Teilhaber mehrerer Joint Ventures unter anderem mit Alcatel und früher Siemens Mobile, die Stadt Wuhan hat das Investitionskapital für ein größeres Werk von SMIC, der führenden chinesischen Chip-Foundry bereitgestellt (Digitimes 19.9.2008). Die daraus entstehenden Eigenheiten der staatlichen Industriepolitik - insbesondere ihre Verteilung auf sehr unterschiedliche Ebenen - werden heute unter den Vorzeichen einer weitgehend vollzogenen marktwirtschaftlichen Transformation zu einem wesentlichen Erkennungsmerkmal der spezifisch chinesischen Variante des Kapitalismus (vgl. Lüthje 2006b).

Die chinesische Industriepolitik im IT-Sektor besteht im Wesentlichen aus vier Elementen:

(1) Förderung von Grundlagentechnologien und Schlüsselprojekten , so zum Bei- spiel die Entwicklung einer chinesischen CPU für Personal Computer oder einer Architektur für Digitale Signalchips (DSP), also der zentralen Bausteine für Han- dys und andere mobile Kommunikationsgeräte. Auch das ehrgeizige Projekt ei- nes chinesischen Supercomputers, der unter dem Namen Shuguang 5000 kürz- lich in die Produktion ging (RR 17.9.2008), gehört in diese Reihe. Für den IT-Be- reich wird dies jeweils über die nationalen Forschungsprogramme 973 (Grundlagenforschung, seit 1998), 863 (Nationales FE-Programm Hochtechnolo- gien seit 1986) und das seit 1983 betriebene FE-Programm Schlüsseltechnolo- gien in Regie des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie organisiert (Liu u.a. 2007: 212).

(2) Entwicklung von Standards bei fortgeschrittenen Infrastrukturen : Das Flaggschiffprojekt dieser Art ist hier der chinesische Standard im Bereich des 3G-Mobilfunks, bezeichnet mit dem Industriekürzel TD-SCDMA. Vergleichbare 45

Standardisierungsprojekte gibt es im Bereich der WLAN-Verschlüsselung (WAPI), des mobilen multimedialen Fernsehens (CMMB), der Audio-/Videokodierung (AVS) oder der digitalen Transportdatenerfassung (RFID). Die Entwicklung sol- cher Standards wird über die nationalen Netzträger wie China Telecom und China Mobile und ausgewählte spezialisierte Unternehmen der Systementwick- lung im Mobilfunkbereich zum Beispiel Datang, Huawei und ZTE, betrieben. Zugleich wird versucht, über die Beteiligung von in- und ausländischen Chip-, Komponenten- und Softwarefirmen industrielle „Ökosysteme“ zu schaffen, die den Kern künftiger Produktions- und Entwicklungsinfrastrukturen für die betreffenden Produkte in China bilden sollen, so etwa die TD-SCDMA Industry Alliance oder das CMMB-Konsortium im Multimediabereich. Von strategischer Bedeutung in diesem Kontext sind auch die in China in den letzten Jahren entstandenen chip foundries SMIC, Grace, NEC-Huahong oder Hejian, die die Produktionsinfrastruktur für chinesische Chipentwicklungsfirmen stellen.

(3) Förderung von regionalen Clustern und Gründernetzwerken , auch durch nationale Unterstützung. Diese stark von Städten und Provinzen betriebene Poli- tik wird von der nationalen Ebene unterstützt durch das so genannte Fackel-Pro- gramm, in dessen Rahmen landesweit insgesamt 52 Hochtechnologiezonen gegründet wurden (Liu u.a. 2007: 213). Die erste und bis heute bedeutendste dieser Zonen wurde bereits 1988 im Pekinger Universitäts- und Wissenschaftsviertel Zhongguancun gegründet. In den letzten Jahren kamen eine Reihe sektorspezifischer Programme hinzu, wie zum Beispiel die Gründung von Technologiebasen im Bereich der Chipentwicklung und der Software, in de- ren Rahmen lokale Regierungen beim Aufbau von Inkubatoren der Innovations- und Technologieentwicklungen in ausgewählten High-Tech Zentren unterstützt werden. Von besonderer Bedeutung sind hier die so genannten National Chip Design Industrialization Bases , die lokale Chipentwicklungsfirmen bei der Entwicklung produktionsfähiger Designs und beim Zugang zu teuren foundry - Kapazitäten zur Test- und Pilotproduktion unterstützen.

(4) Entwicklung von Humanressourcen . Hierzu zählt nicht nur die in großem Maßstab betriebene universitäre Ausbildung von Ingenieursnachwuchs, die an 46 den großen Universitäten des Landes inzwischen internationalen Spitzenniveau erreicht hat. Strategisch wichtig sind vor allem die Maßnahmen zur Unterstüt- zung der Rückkehr hochqualifizierter chinesischer Spezialisten, die an ausländi- schen Universitäten studiert und in internationalen IT-Unternehmen gearbeitet haben. Solche Maßnahmen richten sich vor allem auf die communities chinesi- scher „High-Tech Migranten“ in Industriezentren wie dem kalifornischen Silicon Valley und beziehen auch auslandschinesische Spezialisten, namentlich aus Tai- wan, mit ein. Diesen Arbeitskräften werden oft nicht nur sehr gute Bedingungen in den betreffenden Unternehmen in China geboten. Ihre Re-Patriierung wird auch durch in- und ausländisches Wagniskapital sowie zahlreiche Vergünstigun- gen seitens lokaler Regierungen, etwa bei der Unternehmensgründung oder der Beschaffung einer lokalen Aufenthaltsgenehmigung (hukou , siehe 2.2) unter- stützt. Zwischen den führenden chinesischen IT-Standorten besteht ein starker Wettbewerb auf diesem Gebiet (vgl. Analysis 2005).

Während die ersten beiden Politiken vor allem auf zentraler Ebene entwickelt werden, sind die letzteren zum großen Teil lokaler Natur. Die Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten der Zentralregierung sind in diesem „Mehrebenensys- tem“ freilich relativ beschränkt. Das entscheidende Dilemma besteht darin, dass Partei und Staat zwar die Kommerzialisierung von Staatsunternehmen, Staatstätigkeit sowie Forschung und Entwicklung auf allen Ebenen fördern, die dadurch entstehende Konkurrenz der Staatsapparate untereinander und die finanziellen und kommerziellen Eigeninteressen der marktwirtschaftlich gewendeten Unternehmen den zentralen Technologiepolitiken aber teilweise zuwiderlaufen. Auf der zentralen Ebene schlägt sich dies vor allem in der Konkurrenz zwischen den Ministerien, Forschungseinrichtungen und der ihnen zugeordneten Unternehmen nieder, so etwa zwischen dem für die Telekommunikation zuständigen bisherigen Ministerium der Informationsindustrie (MII) mit seinen traditionellen Verbindungen zu den Monopolen im Fernmelde- und Mobilfunkbereich und den für die Förderung der Chip-, Computer- und Softwareindustrien zuständigen ausgerichteten Abteilungen des Wissenschafts- und Technologieministeriums. Die nachgeordneten Ebenen sind von der massi- 47 ven Konkurrenz der Städte und Regionen beziehungsweise der ihnen gehörigen IT-Unternehmen beherrscht, die in teilweise massiver Weise Überkapazitäten und Investitionsruinen hervorbringen, etwa in Gestalt überdimensionierter Industrieparks.

Den wohl wirksamsten Hebel zentralstaatlicher Intervention stellt die Industriehol- ding SASAC dar, die die wesentlichen Eigentumsanteile an den etwa 180 wichtigsten chinesischen Industrieunternehmen hält (vgl. 1.2). Im IT-Sektor aller- dings sind nur wenige SASAC-Unternehmen von Belang, im Wesentlichen die Telekom-Gesellschaften China Telecom, China Mobile, China Unicom und China Netcom, die kürzlich einer umfassenden Restrukturierung unterzogen wurden. Das Vorherrschen hybrider Eigentümerstrukturen erschwert eine auf nationale Champions ausgerichtete staatliche Industriepolitik im IT-Sektor. Ebenso be- grenzt es die Fähigkeiten des Staates, ehrgeizige Projekte nationaler Schlüsseltechnologien durch die strategische Konzentration staatlicher Förde- rung auf einzelne Unternehmen oder deren Konsolidierung zu protegieren. Des- halb ist die Industriepolitik in der IT-Branche im Vergleich zu anderen Branchen wie etwa der Stahl-, Luft-/Raumfahrt- oder Chemieindustrie sehr viel stärker auf indirekte Instrumente wie das Setzen von Standards und die Entwicklung von Infrastrukturtechnologien angewiesen.

Dabei stößt sich der Staat immer wieder an den ökonomischen Eigeninteressen der Unternehmen bzw. an den von SASAC gesetzten Rentabilitätskriterien. So wird zum Beispiel dem führenden Mobilfunknetzbetreiber des Landes, China Mo- bile, ein nur verhaltenes Interesse an der Entwicklung des chinesischen 3G- Standards nachgesagt, von dem vor allem die chinesischen Geräte- und Chiphersteller profitieren sollen. China Mobile schien bislang vielmehr auf die Durchsetzung des bewährten europäischen GSM-Standards zu setzen, wird aber von den zuständigen Ministerien und SASAC zur Unterstützung des nationalen Projektes TD-SCDMA angehalten, wobei die dadurch entstehenden betriebswirt- schaftlichen Kosten und Verluste offenbar von SASAC toleriert werden. 48

Angesichts der starken Markt- und Anwendungsorientierung der meisten chinesi- schen IT-Unternehmen stechen die einheimischen Spitzenunternehmen der Branche nicht durch eine massive Konzentration von FE-Ressourcen hervor. Wie das nebenstehende Schaubild 3 zeigt, wenden die meisten der größeren IT-Fir- men nicht mehr als 1-4% ihres jährlichen Umsatzes für Forschung und Entwick- lung auf, nur Huawei und ZTE, die beiden führenden Unternehmen der Daten- und Telekomnetzwerktechnik, erreichen hier ca. 10%, also eine Proportion, die bei internationalen Führungsunternehmen der Informationstechnik üblich ist. Die relativ „schlanken“ FE-Budgets widerspiegeln Innovationsstrategien, die sich auf die Adaption von international marktführenden Schlüsseltechnologien und Systemarchitekturen und deren kommerzielle Weiterentwicklung zu kosteneffizienten, den Bedürfnissen industrieller Entwicklungsländer in besonde- rer Weise entsprechenden Produkten und Systemen konzentrieren. Kennzeich- nend hierfür ist der Aufstieg des PC-Herstellers Legend (heute Lenovo), einem Gründungsunternehmen aus dem Bereich der chinesischen Akademie der Wissenschaften, das seit der Übernahme der PC-Sparte von IBM im Jahre 2005 zu den weltführenden PC- Herstellern gehört (Ernst/Naughton 2008).

49

Tabelle 6: FE-Ausgaben führender chinesischer IT-Unternehmen

Unternehmen Umsatz (Mrd. RMB) Gewinnmarge FE/Umsatz

Lenovo 108 2% 1%

Haier 104 1% 4%

BOE 55 0% 2%

TCL 52 -2% 4%

Huawei 47 11% 10%

Midea 42 2% 3%

Hisense 33 2% 4%

SVA 29 -2% 3%

Panda 28 2% 1%

Founder 26 3% 5%

ZTE 22 7% 9%

Quelle: BDA China 2006

Solche auf bestehende Systemarchitekturen und Technologieplattformen aufge- setzte Strategien inkrementeller Innovation vertragen sich allerdings nicht immer mit dem von der chinesischen Regierung verfolgten Ziel der Entwicklung „indige- ner“ Technologien (Liu u.a. 2007: 215). Es bestehen erhebliche, meistens ver- deckt geführte Interessenkonflikte mit ausländischen Konzernen, die Fronten verlaufen allerdings oft quer durch das chinesische Innovationssystem hindurch. So setzen gerade die erfolgreichsten Unternehmen der chinesischen IT-Industrie sehr stark auf die Verwendung internationaler Standardarchitekturen, wie zum Beispiel Lenovo auf Prozessoren von Intel und Betriebssysteme von Microsoft. Auch die chinesischen Hersteller von Handys benutzen in der Regel Chips und 50

Chipsets von internationalen Anbietern wie Texas Instruments, Infineon oder Mediatek, garantieren diese doch internationales technologisches Niveau und helfen, fehlendes Systemwissen auszugleichen. Auf der anderen Seite profitiert Chinas Innovationsmodell davon, dass die von den Finanzmärkten gesetzten kurzfristigen Verwertungsimperative sowie die derzeitigen Krisentendenzen im kapitalistischen Weltwirtschaftssystem die Entwicklung kosteneffizienter Systemkonzepte und Leistungsangebote begünstigen, wie etwa der in den letz- ten drei Jahren ausgetragene Wettlauf der internationalen Handyhersteller um die Entwicklung so genannter Ultra-Low-Cost Geräte für Entwicklungsländer be- zeugt. Auch das Konzept des chinesischen Handystandards TD-SCDMA ent- stand zunächst als eine „abgespeckte“ Variante der teuren und für die Masse der Konsumenten zu aufwendigen Standards der 3G-Kommunikation, wie das europäische UMTS.

China profitiert dabei von der Tatsache, dass unter den Vorzeichen massiver Preiskonkurrenz und extrem verkürzter Produktzyklen die Koordination von Produktions- und Innovationsprozessen im Kontext globaler Produktionsnetz- werke immer schwieriger wird. Während zum Beispiel die führenden Hersteller etwa der Handybranche kaum noch den Spagat von immer aufwendigeren Produkttechnologien und Entwicklungsprozessen auf der einen Seite und verkürzten Marktzyklen auf der anderen Seite bewältigen können (vgl. Voskamp/Wittke 2008), werden innerhalb des „China Circle“ relativ komplexe Netze von Innovation und Produktion aufgebaut, die auch einen Teil der Koordinationsprobleme der vertikal segmentierten Strukturen der heutigen IT- Industrie bewältigen helfen. Insofern wiederholt sich also auch hier wieder die vertikale Re-Integration globaler Produktionsnetze „von unten“ (vgl. 1.1), also die zumindest partielle Reintegration „modularer“ Entwicklungs- und Produktionspro- zesse durch unternehmensübergreifende Netzwerkstrukturen in Niedrigkostenstandorten (am Beispiel der Chipentwicklung: Lüthje 2007b). Ge- rade auf dem Feld der Anpassung und des „Verpackens“ existierender Basistechnologien ergeben sich dabei wichtige Lerneffekte bei der Herstellung flexibler, marktorientierter und produktionseffizienter Lösungen - ein 51

Entwicklungsweg, der bereits seit längerem von den wichtigen Technologieproduzenten Taiwans mit beachtlichem Erfolg beschritten wurde und nunmehr von zahlreichen chinesischen Unternehmen nachgeahmt wird (Naugh- ton/Ernst 2008).

Die chinesische Industriepolitik im IT-Bereich ist allerdings nicht nur hinsichtlich der Durchsetzung ihrer eigenen Zielsetzungen mit systembedingten, aus dem spezifisch chinesischen Pfad marktwirtschaftlicher Transformation entstandenen Problemen behaftet, sondern auch mit hohen sozialen und ökologischen Kosten. Das flagranteste Zeugnis der Folgen einer auf Wachstum um jeden Preis setzen- den Politik der industriellen Entwicklung liefert wohl die teilweise katastrophale Umweltverschmutzung in wichtigen Standorten der Weltmarktproduktion, namentlich im Pearl River Delta. Die Verseuchung von Flüssen und Boden in dieser Region ist offenbar zu einem nicht unerheblichen Maße bedingt durch die unregulierte Emission umweltproblematischer Stoffe aus der IT-Produktion, aller- dings liegen darüber bis heute öffentlich keine Zahlen vor. Noch drastischer ist das Beispiel der vor einigen Jahren durch Greenpeace sichtbar gemachte Entsorgung von Elektronikschrott in verarmten Landgemeinden in Südchina, wo Tausende von ländlichen Arbeitern mit dem „Ausbeinen“ der werthaltigen Stoffe und Teile aus weltweit importierten IT-Altgeräten beschäftigt sind (Puckett 2006).

Als Reaktion auf einige spektakuläre Enthüllungen zu diesen Themen hat die chinesische Regierung die ökologische Nachhaltigkeit der IT-Produktion zum politischen Ziel erklärt. Die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte und Verfah- ren wird inzwischen öffentlich propagiert und gefördert. Dazu gehört auch, dass China auf dem Gebiet der Entsorgungsrichtlinien für Elektronik-Altgeräte einen Normenkodex entwickelt hat, welcher der unter dem Kürzel WEEE bekannten Richtlinie der EU ähnelt. Die Standards sind wesentlich strenger als die in den USA geltende RoHS-Richtlinie, für ein industrielles Entwicklungsland wie China ist die Adaption solcher Maßstäbe sicherlich bemerkenswert.

Wie in den meisten westlichen Industrieländern, werden die Fragen der Entsorgungspolitik und der ökologischen Nachhaltigkeit der IT-Produktion aller- 52 dings nach wie vor weitgehend getrennt von anderen Feldern der Industriepolitik und vor allem von der Problematik der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes in der IT-Produktion behandelt. Zugleich erscheinen die zentralen Fragen einer wirksamen Kontrolle wesentlicher Vorgaben zur Siche- rung ökologisch nachhaltiger Produkte und Produktionsprozesse ungelöst. Dies betrifft zum einen die Rolle staatlicher Behörden auf lokaler Ebene und deren faktische Interessenbündnisse mit den Investoren in ihrem Bereich. Vor allem aber stellt sich die im globalen Maßstab kaum gelöste Frage der Transparenz und Kontrolle weitläufiger Netze von Kontraktfertigern und Sublieferanten, die in der IT-Industrie besonders ausgeprägt ist (vgl. Smith u.a. 2006). 53

2. Arbeitsmärkte, Arbeitsbedingungen, Arbeitspolitik

Auch hinsichtlich der Beschäftigung ist die IT-Industrie eine der bedeutendsten Industriebranchen der chinesischen Wirtschaft. Arbeitsmärkte, Beschäftigungsbedingungen und Arbeitspolitik sind aber in einzelnen Betrieben, Branchensegmenten und Regionen sehr unterschiedlich. Hinsichtlich der Ursa- chen für diese Differenzierungen wurde in der Literatur bislang hauptsächlich auf Herkunft und Nationalität der betreffenden Unternehmen verwiesen. Insbeson- dere auslandschinesische Investoren aus Taiwan und Hong Kong, chinesische Privatunternehmen und Firmen aus anderen neuen Industrieländern Asiens, namentlich Südkorea, wurden dabei zumeist als die bad boys mit ausbeuteri- schen Arbeitsbedingungen und autoritären Herrschaftsmethoden ausgemacht, während multinationale Unternehmen aus westlichen Ländern und Japan eher als Träger relativ fortschrittlicher Arbeitsbeziehungen mit akzeptablen Arbeitsstandards galten (vgl. Chiu/Frenkel 2000, Chan 2001 u.a.m.). Diese Beobachtung, die durchaus auch den in China zu hörenden (Vor-) Urteilen ent- spricht, kann vor dem Hintergrund der wachsenden Differenzierung der Produktionsstrukturen und Arbeitsmodelle nicht bestätigt werden – insbesondere im Zuge der raschen technologischen und organisatorischen Weiterentwicklung chinesischer und auslandschinesischer Unternehmen ebnen sich die Unter- schiede auch auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen und Arbeitspolitik rasch ein.

Wie im Folgenden näher auszuführen ist, finden sich in den einzelnen Unterneh- men und Standorten der chinesischen IT-Industrie sehr vielfältige Arbeitsregimes, in denen sich oftmals „moderne“ Managementpraktiken westlicher oder japani- scher Herkunft mit Niedriglohnarbeit, überlangen Arbeitszeiten und ähnlichen Formen extensiver Ausbeutung vermischen. Anknüpfend an unsere Analyse der Branchenstrukturen und Produktionsmodelle möchten wir die These vertreten, dass die Unterschiede in den Arbeitsverhältnissen vor allem die spezifischen Bedingungen der Kapitalverwertung und der Unternehmensentwicklung in den 54 jeweiligen Branchensegmenten und ihrer Einbindung in globale Produktionsnetze widerspiegeln. Diese Differenzierung geht einher mit der Konzentration einzelner Branchensegmente und Produktionstypen in bestimmten Regionen; sie wird wesentlich verstärkt durch die politisch-sozialen Statusunterschiede innerhalb der Belegschaften, insbesondere durch die rechtlich-soziale Diskriminierung von ArbeitsmigrantInnen. Die Zusammensetzung der Belegschaften ist wiederum auch ein entscheidendes Kriterium dafür, ob in den jeweiligen Bereichen Gewerkschaften vertreten sind oder nicht.

2.1 Beschäftigungsentwicklung und Löhne

Nach den Daten des nationalen Statistikamtes Chinas waren in der IT-Produktion des Landes im Jahre 2006 etwa 3,61 Mio. Arbeitskräfte beschäftigt (National Bu- reau of Statistics 2007, vgl. Tabelle 7). Diese Zahl umfasst die Beschäftigten in den Kategorien „Fertigung von Kommunikationsgeräten, Computern und anderen elektronischen Geräten“, „Fertigung von Messinstrumenten, und Geräten für kulturelle Aktivitäten und Büroarbeit“, „Computerdienstleistungen“ und „Software“. Dies entspricht in etwa der oben entwickelten Abgrenzung der Branchenstruktu- ren des IT-Sektors, zugleich sind nicht-fertigungsbezogene Software- und IT- Services einbezogen. Nicht enthalten sind Telekommunikationsdienstleistungen und die Fertigung von Elektromaschinen und –anlagen. Die Informationselektro- nik ist hinsichtlich der Beschäftigung damit die bedeutendste Fertigungsindustrie Chinas. Sie liegt deutlich vor der Automobil- (2,57 Mio.) und der Chemieindustrie (2,13), nur die Textil- und der Bekleidungsindustrie ist mit insgesamt 4,83 Mio. Beschäftigten größer, wenn man beide Bereiche zusammen nimmt 4.

4 Die Textilherstellung beschäftigt 2,84 Mio, die Bekleidungsfertigung 1,985 Mio. Arbeitnehmer. Aufgrund ihrer engen Integration können beide Bereiche als eine Industrie angesehen werden. Allerdings ist anzumerken, dass in der Textilherstellung nach wie vor relativ viele traditionelle Staats- und Kollektivunternehmen tätig sind, einschließlich ländlicher Township and Village Enterprises ( TVE) , die in der Regel nur ein sehr geringes Niveau von Technologie und Produktivität aufweisen. 55

Tabelle 7: Beschäftgte in der IT-Industrie Chinas (2006)

China IT-Industry Employment 2006 State- Urban Units of Total owned Collective- Other Item Units owned Types of Units Ownership

Manufacture of Communication Equipment, 266,1 13,1 3,7 249,3 Computer and Other Electronic Equipment Manufacture of Measuring Instrument and 64,2 7,6 2,9 53,7 Machinery for Cultural Activity & Office Work Computer Services 10,9 2,2 0,1 8,5 Software Industry 20,5 0,8 0,2 19,5 Total IT 361,6 23,6647 7,0 331,0 Source: National Bureau of Statistics of China

Das durchschnittliche jährliche Bruttoeinkommen eines Beschäftigten in der Fertigung von Computern und Kommunikationsgeräten betrug im Jahre 2006 23153 RMB ohne Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, also etwa 2300 EUR. Im internationalen Vergleich ist dies sehr niedrig, in China im Vergleich zu anderen Industriebranchen aber eher günstig. Die Einkommen in den rein entwicklungsbezogenen Branchensegmenten Computerdienstleistungen und Software lagen mit jeweils ca. 60.000 RMB (ca. 6000 EUR) erheblich höher – offenbar Ausdruck immenser Unterschiede in den Einkommen von ArbeiterInnen und technischen Angestellten (ebd., vgl. Tabelle 8). Im Vergleich zu anderen Industriebranchen liegen die Löhne und Gehälter im IT-Bereich relativ hoch – deutlich über der chemischen (18152 RMB), der Automobil- (RMB 22628) sowie der Textil- (11964 RMB) und Bekleidungsindustrie (14199 RMB). Allein in der Stahlindustrie lagen die Durchschnittseinkommen mit 27111 RMB erheblich hö- her als im IT-Bereich.

Die relativ hohen Durchschnittsverdienste in der IT-Fertigung erscheinen zu- nächst überraschend, ist doch die Produktionsarbeit – wie im folgenden noch nä- her auszuführen – weitgehend von sehr niedrigen Löhnen geprägt, die eher der 56

Textil- und Bekleidungsindustrie vergleichbar sind. Die Durchschnittseinkommen im IT-Sektor sind damit wohl Ausdruck eines starken Anteils relativ hoch bezahl- ter Ingenieursarbeit, die sowohl im Bereich der Systemfertigung und -entwicklung als auch im Bereich der Chipentwicklung und -fertigung angesiedelt ist.

Tabelle 8 : Durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen in der IT-Industrie Chi- nas (2006)

Average Wage of Staff and Workers China IT Industry (2006)

State- Urban Units of Total owned Collective- Other Item Units owned Types of Units Ownership

Manufacture of Communication Equipment, 23153 16901 12934 23665 Computer and Other Electronic Equipment Manufacture of Measuring Instrument and 20969 17520 11392 22015 Machinery for Cultural Activity & Office Work Computer Services 60749 41894 15474 66327 Software Industry 59385 43385 26258 60512

Source: National Bureau of Statistics of China

Die Lohn- und Einkommenshierarchien in der IT-Produktion sind hochgradig polarisiert. Diese Unterschiede reflektieren nicht nur die auch aus westlichen Industrieländern bekannten starken Einkommensunterschiede zwischen eher niedrig entlohnten ProduktionsarbeiterInnen und oft sehr hoch bezahlten techni- schen Spezialisten, Ingenieuren und Entwicklern, sondern auch die verschiede- nen Produktionsmodelle und die Hierarchien der Produktionsnetze sowie der ver- schiedenen Eigentumsformen innerhalb des IT-Sektors. Wie Tabelle 8 zeigt, bestehen deutliche Einkommensunterschiede zwischen den Staats- und Kollektivunternehmen einerseits und den privaten oder hybriden Unternehmen andererseits. Angesichts der relativ geringen Zahl von staatlichen und kollektiven 57

Unternehmen im IT-Sektor entsprechen allerdings die Durchschnittseinkommen für die Gesamtbranche in etwa denen in den privaten Unternehmen. Diese set- zen also die Lohn- und Gehaltsstandards. Massive Einkommensdifferenzen bestehen jedoch zwischen den verschiedenen Branchensegmenten bzw. ihren jeweiligen Standortregionen. Die branchenweite Ungleichverteilung der Einkom- men ist dabei in China noch wesentlich ausgeprägter als historisch aus entwickelten Industrieländern bekannt.

Diese Ungleichheiten sind einkommensstatistisch kaum erfasst, sie sind aber an betriebsspezifischen Lohn- und Gehaltsdaten deutlich abzulesen. Für das “obere Ende” der Einkommenspyramide in der IT-Industrie mag die Gehaltssituation für Chip- und Systementwicklungsingenieure beispielhaft sein (vgl. Tabelle 9). Die höchsten Gehälter mit umgerechnet monatlich etwa 800-1.500 EUR, einschließ- lich Bonuszahlungen, aber ohne Sozialleistungen, (Daten für 2006) bieten die Niederlassungen von multinationalen Spitzenunternehmen der Chip- und IT- Produktion, dabei herrschen allerdings erhebliche Differenzen zwischen den betreffenden Regionen. In einem neuen High-Tech Zentrum des „Hinterlan- des“ wie Xian liegen die Gehälter bei einem Spitzenbetrieb um 50% und mehr unter vergleichbaren Betrieben in Küstenstandorten. Westlichen Firmen vergleichbare Gehälter von 600-700 EUR p.M. zahlen die aus Taiwan stammen- den Chip-Foundries sowie die Führungsunternehmen der chinesischen High- Tech Branche wie Huawei oder Lenovo. Innerhalb dieser Sektoren bestehen aber ebenfalls deutliche Unterschiede, chinesische Chip- und IT-Unternehmen der zweiten Reihe, vor allem solche, die nicht in Beijing oder Shanghai angesie- delt sind, zahlen ebenfalls etwa die Hälfte der in chinesischen oder auslandschinesischen Führungsunternehmen üblichen Gehälter. Die größten Gehaltsunterschiede herrschen allerdings unter den start-up Unternehmen, die Spanne reicht hier von 350 bis 1000 EUR, also von ausgesprochenen Niedrig- bis zu Spitzengehältern.

58

Tabelle 9 : Gehaltsstandards bei Entwicklungsingenieuren Chips und Elektronik

Salary standards chip and electronic design engineers (RMB per month incl. bonuses ex pension and soc sec, 2007)

• TNC US/EUR (Beijing, SH) • Foundries (SH region) Cisco 15,000 TMC, UMC (TW) 6-7.000 Intel 10,000 SMIC 5-6.000 IBM 8,000 Huahong NEC 4.500 Siemens 8,000 Motorola 7,000

Xian (Infineon) 3,500 • Chinese SOE/TNC (BJ, SH) DatangMicroelectr 6.000 • Chinese start-ups (BJ, SH) Huawei BJ 7-8.000 ZTE BJ/SH 6.000 3,500-10,000 plus bonuses and Lenovo Institute 6.000 stock, depending on skills, experience, company situation etc. Non BJ/SH Guangzhou Soutec 3.000 Datang Mobile Xuhui 3.500

Source: Interview data and China hr.com

Die Löhne im Produktionsbereich, namentlich in der Systemmontage, fallen dem- gegenüber insgesamt wesentlich bescheidener aus. Die höchsten Löhne werden in den Betrieben westlicher und japanischer multinationaler Elektronikhersteller in den Regionen Beijing-Tianjin und Shanghai gezahlt. Hier betrugen nach unseren Ermittlungen im Herbst 2006 die monatlichen Löhne angelernter Montagekräfte 150-200 EUR im Monat, zumeist mit zusätzlichen betrieblichen Sozialleistungen im Bereich von Renten-, Kranken- und Unfallversicherung. In solchen Standorten schlägt zu Buche, dass die Betriebe nur wenige Arbeitsmigranten beschäftigen. Die ProduktionsarbeiterInnen werden zumeist örtlich rekrutiert und leben oftmals mit Familien in einem großstädtischen Wohnumfeld. Betriebliche Hilfestellungen bei Kinderbetreuung, Transport und Freizeiteinrichtungen sowie eine entspre- chende Arbeitszeitgestaltung sind deshalb bei den Arbeitskräften geschätzte Gratifikationsmerkmale.

Demgegenüber ist die Beschäftigungssituation bei der Mehrzahl der Kontraktfertiger in der Systemmontage von der großen Zahl von Wanderarbei- 59 tern in den Produktionsbelegschaften bestimmt. Am unteren Ende der nationalen Lohnhierarchien steht hier das südchinesische Pearl-River-Delta, wo die Monats- löhne für Montagekräfte in den Großbetrieben der Kontraktfertigung in den Jah- ren 2002 bis 2004 bei umgerechnet etwa 50-80 EUR lagen, einschließlich Überstunden. Die Monatslöhne angelernter MontagearbeiterInnen ohne Überstunden orientieren sich an den gesetzlichen Mindestlöhnen, die örtlich unterschiedlich sind und in der Regel etwa 50 EUR entsprachen. Diese gesetzli- chen Mindestlöhne wurden im Zuge einer wachsenden Arbeitskräfteknappheit in der Region in den Jahren 2005 und 2006 deutlich angehoben und betrugen nach den für diese Studie angestellten lokalen Recherchen zuletzt etwa 80 EUR. Aller- dings werden die gesetzlichen Mindestlöhne nicht in allen Betrieben ohne Einschränkungen gezahlt, die Überwachung war bis etwa 2004 sehr lax.

In Shanghai und Suzhou lagen die vergleichbaren Sätze um etwa 20-30% höher. Freilich bestehen hier sehr starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Standorten. Während in den international bekannten Industrieparks Shanghais die Löhne für MontagearbeiterInnen bei internationalen Elektronikunternehmen umgerechnet 120 bis 150 EUR betragen, gelten in Suzhou 100-120 EUR und im von taiwanesischen Unternehmen dominierten Kunshan 80-100 EUR als durchschnittlicher Satz. Die höchsten Löhne in der Kontraktfertigung werden in Beijing gezahlt, etwa 120-150 EUR (Lüthje 2006a).

Die Gehälter von Fachkräften und Ingenieuren in der Kontraktproduktion liegen erheblich höher, sind aber im internationalen Vergleich ebenfalls sehr niedrig. In Südchina wurden Ingenieure, auch von angesehenen chinesischen Hochschulen, bei Kontraktfertigern aus Taiwan in den Jahren 2003 und 2004 mit Anfangsgehältern von monatlich etwa 200 EUR eingestellt, Facharbeiter mit etwa 150-180 EUR. Bei nordamerikanischen Firmen lag dieser Wert um etwa ein Vier- tel höher – vor allem wegen der dort verlangten englischen Sprachkenntnisse. Allerdings sind bei Ingenieuren recht rasche Gehaltssteigerungen die Regel, das Anfangsgehalt kann in der Regel schon nach einer Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren verdoppelt werden. Ähnlich wie im Falle der einfachen Arbeit liegt die Bezahlung von qualifiziertem Personal im Raum Shanghai um etwa 20-30 60

Prozent, in Beijing um etwa 50 Prozent über der in Südchina. In der Region Shanghai fallen wiederum die starken Unterschiede zwischen einzelnen, einan- der benachbarten Standorten auf. Im von Kontraktfertigern aus Taiwan beherrschten Kunshan verdient ein erfahrener Ingenieur etwa 300-400 EUR monatlich, in Shanghai hingegen oft das Doppelte (ebd.).

Gewissermaßen das „Kontrastprogramm“ zu den von der Beschäftigung niedrig entlohnter Arbeitsmigranten gekennzeichneten Bereichen der IT-Kontraktproduk- tion sowie in der Komponentenfertigung bilden die Arbeitsmärkte für Hochqualifi- zierte in den von multinationalen und chinesischen Spitzenfirmen der Branche sowie einer inzwischen kaum noch überschaubaren Zahl von Gründungsunternehmen mit ausländischem oder auslandschinesischem Wagnis- kapital beherrschten High-Tech Zentren in Beijing, Shanghai sowie Shenzhen. Zwar werden hier die höchsten Gehälter gezahlt, aber es herrscht eine ähnliche Instabilität und Fluktuation in den Beschäftigungsbeziehungen wie in den großen Fertigungsbetrieben (Ross 2004 und 2007). Die Situation ist bestimmt von einem massiven Wettbewerb der Unternehmen um die Absolventen der führenden Hochschulen wie der Beijing- und Tsinghua-Universität in Beijing oder von Fu- dan- und Jiaotong-Universität in Shanghai. Dabei hat allerdings nur ein sehr klei- ner Teil der Hochschulabsolventen die Chance auf hohe Gehälter und eine ra- sche Karriere, die Mehrheit arbeitet bei kleineren, oftmals hochgradig prekären Unternehmen im Bereich nachgeordneter Dienstleistungen in der Software, Chip- oder Systementwicklung (Zhu 2005a). Chinesische HR-Experten sprechen inzwi- schen von einem deutlichen Überangebot an Hochschulabsolventen in diesem Bereich (Lüthje 2008). Die untenstehende Grafik zeigt das explosionsartige Wachstum der Anzahl der Ingenieure in einem der typischen Wachstumsberei- che der chinesischen IT-Industrie, der Entwicklung von Chips und Chipkomponenten, aber auch die ab 2005 eingetretene Abflachung der Wachstumsentwicklung in einem solchen Bereich.

61

Schaubild 3: Chip Design Workforce in China 1999-2005

25000 80% 70% 20000 60%

15000 50% 40%

10000 30%

20% 5000 10%

0 0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005E

Source: Analysis 2005

2.2 Arbeitsmigration und Arbeitsmarktsegmentierung

Das entscheidende Element zur Regulierung der Arbeitsmärkte und der sozialen Situation der Arbeitskräfte in der IT-Industrie, wie auch den meisten anderen Wirtschaftsbereichen bildet die innerchinesische Migrationspolitik.

Die städtische Arbeiterschaft war in ihren Lebensverhältnissen historisch deutlich besser gestellt als die Landbevölkerung. Allein das Leben in einem städtischen Umfeld mit zwar insgesamt vergleichsweise geringen, aber umfassenden und sicheren staatlichen Versorgungsleistungen über die Betriebe bildete ein relati- ves Privileg. Von 1955 bis etwa 1980 widerspiegelte dies die am sowjetischen Modell orientierte Industrialisierungspolitik, die auf einer Abschöpfung des landwirtschaftlichen Mehrproduktes zuungunsten der Bauernschaft beruhte. Die Spaltung zwischen Stadt und Landbevölkerung war in China seit den unmittelba- ren Nachkriegsjahren im System der Haushaltsregistrierung ( hukou ) verankert, 62 das unmittelbar nach Gründung der Volksrepublik zur Kontrolle der durch war- lord -Herrschaft und Bürgerkrieg entstandenen Wanderungsströme sozial entwurzelter Bevölkerungsschichten geschaffen wurde (Solinger 1999).

Das hukou -System basiert auf dem Prinzip, dass die einzelnen Bürger am Ort ihres Familienhaushaltes gemeldet sind und nur dort ihre staatsbürgerlichen und sozialen Rechte, einschließlich Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Schulbesuch, sowie ihre Parteimitgliedschaft wahrnehmen können. Eine Verlagerung der Haushaltsregistrierung an einen andern Ort – vor allem vom Land in die Stadt – ist nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich. Arbeitsmigranten haben folglich am Ort ihrer Beschäftigung keine sozialen und staatsbürgerlichen Rechte, faktisch also Gastarbeiterstatus. Diese Position ein- schließlich der z.T. massiven ethnischen und kulturellen Diskriminierung definiert die Existenzbedingungen der etwa 150 Millionen ArbeitsmigrantInnen – und ist auch ein Grund dafür, dass in den meisten Betrieben der Exportproduktion keine gewerkschaftlicher Vertretungen entstehen (ebd.).

Hinzu kommt, dass die hukou -Politik der einzelnen Städte in massiver Weise die soziale Differenzierung innerhalb der zugewanderten Arbeitsbevölkerung ver- stärkt. In den meisten Städten der Pearl-River-Delta-Region etwa können stark gesuchte qualifizierte Techniker, Manager und Ingenieure ohne Probleme einen permanenten Aufenthaltsstatus erhalten, während Beschäftigte in der Produktion auch nach langjährigem Aufenthalt ihren hukou nicht vom Land in die Städte transferieren dürfen. In anderen Regionen werden Fachkräfte in ähnlicher Weise bevorzugt, allerdings haben es hier auch die Produktionsarbeitskräfte leichter, nach einem längeren Aufenthalt einen gesicherten Status zu erwerben (Lüthje 2006a). Freilich werden auch im Bereich der qualifizierten Arbeit die Status- nachteile von zugewanderten Beschäftigten ausgenutzt. So sind zum Beispiel aus den High-Tech Parks von Zhongguancun in Beijing zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Unternehmen Beschäftigten, die nicht über die hukou -Registrierung in der Hauptstadt verfügten, die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und anderen betrieblichen Sozialleistungen verweigerte (Zhu 2005b, Lüthje 2008). 63

Hinsichtlich des Migrationsregimes gibt es erhebliche Differenzen zwischen den Regionen. Sind in den neuen Industriegebieten Südchinas die Belegschaften der Kontraktfertiger zu fast 100 Prozent aus Migranten zusammengesetzt, so ist de- ren Anteil in Shanghai, Suzhou und Beijing wesentlich geringer. In Suzhou zum Beispiel sind in den führenden EMS-Betrieben nur etwa 10 Prozent der Produktionsbeschäftigten Migranten, zumeist aus dem Umland der Provinz. In Suzhou wird auch die Unterbringung der Arbeitsmigranten nicht durch die Be- triebe geregelt, vielmehr baut die Stadt Wohnheime mit relativ hohem Standard als Teil des lokalen Industrieparks und vermietet diese an die Arbeitskräfte oder die Betriebe (Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

In allen Regionen zeichnet sich allerdings ab, dass die Migration eines wachsen- den Teils dieser Arbeiterinnen keineswegs vorübergehender Natur ist, sondern sich im Laufe ihrer Entwicklung trotz einer repressiven Migrationspolitik „verfes- tigt“. Immer mehr Arbeitsmigrantinnen leben inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt in ihren Arbeitsregionen – ein Trend der insbesondere durch die wachsenden Produktionskapazitäten und die dadurch erzeugte andauernde massive Nachfrage nach Arbeitskräften verstärkt wird. Dies führt unter anderem dazu, dass die Betriebe bei Einstellungen zunehmend auf die lokalen Arbeits- märkte zurückgreifen. So werden in vielen Betrieben in der Pearl-River-Delta-Re- gion insbesondere qualifizierte MontagearbeiterInnen lokal rekrutiert, zumeist durch Abwerbung von anderen Elektronikunternehmen. Die Betriebe nutzen da- bei großformatige Anschläge an den Werkstoren, Zeitungsanzeigen, von den lokalen Arbeitsbüros veranstaltete Job-Messen sowie Anzeigen im Internet. Offenbar scheinen sich trotz des unsicheren Migrationsstatus der meisten Arbeitskräfte zunehmend “reguläre” lokale Arbeitsmärkte zu entwickeln. Zeitar- beit spielt in diesem Kontext übrigens noch kaum eine Rolle – könnte sich aber mit der Einschränkung willkürlicher Entlassungen durch das 2008 in Kraft getre- tene Arbeitsvertragsgesetz bald ändern.

Dieser Trend steht allerdings unter den Vorzeichen einer hochgradigen Knapp- heit und einer sehr hohen Fluktuation der Arbeitskräfte. In den Betrieben der Kontraktfertigung in Südchina lag die niedrigste Rate bei etwa monatlich 2 Pro- 64 zent oder jährlich etwa 25% der Arbeitskräfte, in den meisten Betrieben waren 30 bis 40 Prozent die Norm. Im Raum Shanghai lagen diese Werte etwas niedriger, allerdings fielen auch hier die starken lokalen Differenzen ins Gewicht (Lüthje 2006a).

2.3 Produktionsmodelle und Beschäftigungsregimes

Die relativ starken Ungleichheiten von Löhnen, Gehältern und Arbeitsmarktbedingungen in den einzelnen Segmenten der chinesischen IT- Industrie widerspiegeln die unterschiedliche Einbindung der einzelnen Branchensegmente in Weltmarktkonkurrenz und globale Produktionsnetze. Ge- nauer ausgedrückt, verbinden sich die sektorspezifischen Produktions- und Verwertungsbedingungen in den einzelnen Bereichen mit bestimmten Formen der Arbeitsorganisation und der Arbeitskräfterekrutierung. Diese bauen jeweils auf den sozialen Bedingungen der einzelnen Standortregionen und den dort vorherrschenden Arbeitsmarktstrukturen auf, sind also stark durch die lokalen politischen Strukturen und Praktiken geformt. Die wesentlichen Differenzierungen der Arbeits- und Beschäftigungsregimes ergeben sich aus dem Typus von Arbeitskräften, um die die Unternehmen jeweils konkurrieren, insbesondere hinsichtlich des Anteils der Arbeitsmigranten, dem Grad der Formalisierung der betrieblichen HR-Praktiken und den Strategien, mit denen die Unternehmen den sektor- und regionenspezifischen Engpässen und Problemen der Arbeitskräfterekrutierung beizukommen versuchen.

Unter Rückgriff auf unsere obige Analyse der vorherrschenden Produktions- modelle in der chinesischen IT-Industrie, lassen sich die Arbeits- und Beschäftigungsregimes in etwa wie folgt charakterisieren.

(1) Bei den Markenunternehmen mit vertikal integrierten Produktionsstrukturen , also ausländischen multinationalen Unternehmen, Joint Ventures und einigen chinesischen SOE, die sich noch stark auf Eigenfertigung verlassen, sind zu- 65 meist internationalen Standards entsprechende Praktiken der Personalpolitik anzutreffen. Bei den Produktionsbetrieben in diesem Bereich handelt es sich überwiegend um kleinere und mittlere Fertigungen für relativ anspruchsvolle Komponenten oder –produkte (z.B. Displays, Chipmontage oder elektroakusti- sche Komponenten für die Handyproduktion) oder um Betriebe der Serienferti- gung, bei der große Volumen den Vorrang vor Flexibilität haben (typischerweise Unterhaltungselektronik). Betriebe dieses Typs sind überwiegend in den Regio- nen Beijing-Tianjin und Shanghai-Jiangsu-Zhejiang sowie in einigen Industriezentren des chinesischen Binnenlandes (namentlich Chengdu und Xian) vertreten, kaum aber in den „klassischen“ Weltmarktproduktionszonen im Süden. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bilden die aus der Provinz Guangdong stammenden Unterhaltungselektronikhersteller TCL und Konka, die an ihren Heimatstandorten Shenzhen und Huizhou auch große Produktionsbetriebe unterhalten, sowie der koreanische Samsung-Konzern mit umfangreichen Ferti- gungs- und Zulieferstrukturen in Dongguan und Shenzhen (Wong 2006: 94 f.).

Das Beschäftigungsprofil der meisten Betriebe in dieser Gruppe ist nicht in erster Linie von „Wanderarbeitern“ geprägt, auch wenn Arbeitsmigranten in allen Berei- chen anzutreffen sind. Bei spezialisierten Herstellern von Chips und Komponen- ten existieren bedeutende Potentiale von Fach- und qualifizierter Angelernten- arbeit in der Produktion, in den Bereichen der Serienfertigung ist die Arbeit in der Regel stark segmentiert und standardisiert. Es herrschen vergleichsweise stabile Beschäftigungsverhältnisse mit formalisierten Managementpraktiken vor, einschließlich mehr oder weniger gut ausgebauter Systeme der innerbetriebli- chen Aus- und Weiterbildung. Allerdings unterliegen die meisten Betriebe, namentlich in Beijing und Shanghai, einem massiven Konkurrenzdruck um qualifizierte Arbeitskräfte, welche häufig das Unternehmen wechseln. Der Verlust von teilweise aufwendig im Betrieb qualifiziertem Personal ist ein chronisches Problem für die meisten Betriebe. Unter den Markenherstellern finden sich aller- dings auch einige breiter bekannt gewordene Fälle von Arbeitsplatzabbau und Betriebsschließungen aufgrund globaler Restrukturierung, wie etwa im Falle Sie- mens-BenQ (zunächst Abbau des Siemens-Entwicklungsstandortes Beijing, spä- 66 ter Schließung von Produktionslinien in Shanghai und Suzhou), der Schließung ehemaliger Staatsbetriebe und deren Umwandlung in Niedrigkostenzulieferer ausländischer Konzerne, wie im Falle des Joint Ventures von Tianjin Electronics und Samsung in Tianjin, (Wong 2006:95 f.) sowie von Produktionsverlagerungen ins chinesische Inland (so zum Beispiel beim chinesischen Handyhersteller Sou- tec in Guangzhou).

(2) Die Beschäftigungssituation bei den „fabriklosen“ Markenunternehmen mit sehr geringer oder ohne eigene Fertigung (internationalen und chinesischen multinationalen Unternehmen, taiwanesische und chinesische Chipentwickler u.a.m.) ist vom Vorherrschen qualifizierter wissenschaftlich-technischer Arbeit geprägt. Sie sind ebenfalls zumeist in den High-Tech Zentren der Großregionen Beijing und Shanghai sowie Shenzhen vertreten und gehören hier wie auch national zu den Trendsettern bei Löhnen, Gehältern, Qualifikation usw. Die HR- Politiken ähneln denen der großen multinationalen Markenfirmen, wenn auch teil- weise mit weniger ausgeprägten innerbetrieblichen Sozialleistungen. Bei den kleineren Unternehmen, insbesondere aus dem Bereich der chinesischen Grün- dungsunternehmen in der Chip-, Komponenten- und Softwareentwicklung herr- schen zumeist wenig formalisierte HR-Praktiken vor (Zhu 2005a, Lüthje 2008). Auch in diesem Bereich besteht eine scharfe Konkurrenz um qualifizierte Arbeits- kräfte, oftmals durch aggressives Abwerben von anderen Firmen mit teilweise sehr hohen Gratifikationen. Firmen wie Huawei zahlen ihren Beschäftigten Prä- mien für die erfolgreiche Anwerbung von Arbeitskräften, bei ausländischen Unternehmen wie Siemens entsprechen solche Prämien mit etwa 3000 RMB dem Monatsgehalt eines durchschnittlichen Angestellten (SCMP 8.5.2008). Der Aufwärtstrend bei den Gehältern wird unterstützt durch die allgemein verbreiteten Bonuszahlungen, Gewinnbeteiligungen und Aktienoptionen.

Die Spitzenunternehmen konkurrieren hier zunehmend mit den start-up-Firmen ausländischer, auslandschinesischer und chinesischer Kapitalgeber. Diese gel- ten zwar als finanziell weniger stabil, indes erscheint die Arbeit bei diesen Unternehmen vielen chinesischen Hochschulabsolventen attraktiv, da sie eine größere Eigenständigkeit und damit auch bessere Möglichkeiten der 67

Qualifikationsentwicklung bietet als die Tätigkeit bei den oftmals relativ hierarchisierten und bürokratisierten multinationalen Unternehmen. Angesichts der relativ geringen Präsenz großbetrieblicher multinationaler Entwicklungs- und Softwaredienstleister in China ist auch das Segment der standardisierten, nach tayloristischen Mustern ausgerichteten Massenarbeit der Entwicklung und Systembetreuung nach indischem Muster (vgl. Huws-Flecker, Mayer-Ahuja 2006, Mayer-Ahuja/Feuerstein 2007, Mahadevan 2008) in China relativ gering entwi- ckelt. Allerdings sorgt die große Zahl prekärer High-Tech Firmen namentlich in den Spitzenstandorten wie Zhongguancun für einen hohen Anteil unsicherer Beschäftigungsverhältnisse. Diese bilden das untere Ende der Beschäftigungspyramide im Bereich der qualifizierten technischen Arbeit, ihr Um- fang ist quantitativ nur sehr schwer zu erfassen (Zhu 2005a, Lüthje 2008)

(3) Die Kontraktfertiger der Baugruppen- und Systemmontage (EMS und ODM) sind die mit Abstand größten Arbeitgeber in der chinesischen IT-Industrie. In den oft sehr großen Betrieben mit teilweise mehreren zehntausend Beschäftigten herrschen Montageprozesse mit typischer industrieller Massenarbeit vor. Die Arbeitsumwelt in den CM-Betrieben ist modern, das technologische und fertigungsorganisatorische Niveau gleicht dem in entwickelten Industrieländern. Bei den Fertigungsprozessen handelt es sich zumeist um standardisierte Großserienproduktion, die allerdings zunehmend durch spezialisierte Produkte mit kleineren Serien und Anlaufproduktionen sowie Formen flexibilisierter Massenproduktion ergänzt werden. Auch die umfangreiche Zulieferproduktion im Kunststoff-, Metall- und Kabelbereich sorgt für eine rasche Differenzierung betrieblicher Produktionsprozesse. Insbesondere in diesen Bereichen entstehen auch signifikante Sektoren industrieller Facharbeit, etwa in der Instandhaltung von Spritzgusswerkzeugen. Vorherrschend ist eine massiv tayloristisch ausgerichtete Arbeitsorganisation. Fliessbandproduktion mit starker Segmentie- rung der Arbeitsvollzüge prägt das Bild – insbesondere in Bereichen der Handbestückung und -montage wie z.B. bei Handyschalen oder der Endfertigung von PCs, Computerdruckern oder Spielekonsolen. Dies geht einher mit strikter, personalisierter Kontrolle am Arbeitsplatz durch VorarbeiterInnen und Aufsichten. 68

Obwohl die Unternehmen Teamwork und modernes Qualitätsmanagement propagieren, sind Ansätze gruppenorientierter Arbeitsorganisation kaum zu erkennen. Im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes herrschen zwar im lokalen Vergleich eher günstige Verhältnisse, allerdings sind die durch massiven Arbeitsstress und repetitive Teilarbeiten verursachten kurz- und langfristigen Belastungssymptome weit verbreitet (Lüthje 2006a)

Die Belegschaften dieser Betriebe sind überwiegend aus Wanderarbeitern zusammengesetzt, die im großen Stil durch staatliche und private Arbeitsagentu- ren aus weit entfernt liegenden armen Provinzen Innerchinas rekrutiert werden. Die Arbeitskräfte sind meistens in Fabrikwohnheimen untergebracht, die oftmals sehr groß sind. Die generell sehr niedrigen Löhne werden ergänzt durch Kantinenessen und Wohnheimplatz, die zumeist als Zugabe zum Lohn gewährt werden. Überstunden sind die Regel, die Wochenarbeitszeit beträgt zumeist 50- 60 Stunden. In Südchina werden auch in Grossbetrieben unter Verletzung bestehender gesetzlicher Vorschriften regelmäßige unbezahlte Überstunden ge- leistet. Es besteht eine sehr starke Spreizung der Lohnhierarchien; Fach- und Vorarbeiter verdienen oft das 3-5 fache von einfachen Montagekräften. Dies widerspiegelt den massiven Fachkräftemangel in diesem Bereich. In Südchina sind auch die Fachkräfte und Ingenieure überwiegend Arbeitsmigranten (ebd.).

(4) Bei den klein- und mittelbetrieblichen Zulieferern einfacher elektronischer und nicht-elektronischer Bauelemente sowie den einfachen Lohnfertigern herrschen ähnliche Löhne, Belegschaftsstrukturen und Beschäftigungsverhältnisse wie bei den großen Kontraktfertigern , allerdings fehlen weitgehend moderne Fertigungstechniken und Arbeitsprozesse. Das Fabrikmanagement ist familiär- despotisch geprägt, oftmals ohne formalisierte Personalpolitik. Charakteristisch sind extrem strenge Disziplinarregeln, die auch den Reproduktionsbereich (Wohnheime, Kantinen) umfassen, gesetzliche Vorschriften bezüglich der Gestaltung von Arbeitsverträgen, Lohnzahlungen, Arbeitszeiten und Arbeits- und Gesundheitsschutz werden vielfach nicht beachtet (Lee 1998). Dies gilt auch für größere Betriebe im Besitz ausländischer Unternehmen (vgl. Anhang). Gearbei- tet wird zum Teil mit sehr einfachen technischen Mitteln, die Arbeitsprozesse 69 sind in extremer Weise segmentiert. In Betrieben dieser Art, die das Bild der von sweatshops beherrschten Weltmarktproduktion in China geprägt haben, herr- schen oft hochgradig problematische Verhältnisse des Arbeits- und Gesundheits- schutzes (Chan 2001). Zahllose, inzwischen in China und im Ausland bekannte Fälle von schwerwiegenden Krankheiten und Arbeitsunfällen beleuchten diese Problematik (Wilde/de Haan 2006, SACOM 2008).

2.4 Arbeitsbedingungen und Arbeitsstandards

Arbeitsmärkte und -bedingungen in der chinesischen IT-Industrie sind stark segmentiert. Dabei prägt sich offenbar die hierarchische Struktur der transnationalen Produktionsnetze des IT-Sektors auch in die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in China ein. Trotz dieser Differenzierungen gibt es allerdings übergreifende, die chinesische IT-Branche insgesamt umfassende soziale und arbeitspolitische Problemlagen. Diese verweisen auf das Fehlen von gesellschaftlich sanktionierten, in rechtlichen oder kollektivvertraglichen Regulierungen verankerten Arbeitsstandards. Zugleich zeigen sich branchen- weite, in der Mehrheit der Betriebe vorhandene arbeitspolitische Konfliktpotenti- ale, die einer gesellschaftlichen Regulierung bedürfen und damit auch potentiell Gegenstand des im Aufbau befindlichen Systems „kollektiver Konsultatio- nen“ und tariflicher Verhandlungsmechanismen (vgl. Abschnitt 3) sein können.

Niedrige Löhne

Das Problem der niedrigen Löhne lässt sich genauer als ein Problem der fast überall sehr niedrigen Basislöhne beschreiben. Dies ist in fast allen Bereichen der Produktion der Fall, auch wenn es im Einzelnen starke Differenzierungen gibt. Zwar ist das Lohnniveau in den letzten Jahren im Durchschnitt gestiegen, auch müssen die Leistungen der Unternehmen für Wohnheimunterbringung, Verpfle- gung oder Werksbusse in die Bewertung des Lohnniveaus mit einbezogen wer- 70 den. Allerdings liegen die Basislöhne für die meisten ProduktionsarbeiterInnen auf einem Niveau, auf dem sich die Existenz eines Arbeitnehmerhaushaltes nicht bestreiten lässt. Dies gilt nicht nur für die Komponentenhersteller und Kontraktfertiger, sondern auch für viele Betriebe multinationaler Markenfirmen. So machten zum Beispiel bei Samsung in Tianjin, also einem Standort mit vergleichsweise hohem Lohnniveau, nach Ermittlungen von Wong (2006) die im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erzielten Verdienste nur etwa ein Drittel des üblichen Monatseinkommens einer Montage- arbeitskraft aus 5.

Im Bereich der angelernten Massenarbeit hat sich der seit 2004 auch in der internationalen Wirtschaftspresse gemeldete Arbeitskräftemangel nicht in spürbaren Verbesserungen niedergeschlagen. Die Erhöhungen der Löhne sind vor allem der Anhebung der gesetzlich vorgesehenen örtlichen Mindestlohnes oder der Ausdehnung von Überstunden und höheren Überstundenzuschlägen zuzuschreiben (Lüthje 2006a). So erhöhte zum Beispiel Foxconn in Shenzhen Anfang 2008 den monatlichen Lohn eines Montagearbeiters von 700 auf 750RMB (SCMP 24.8.2008), dies liegt aber nur knapp über dem für das betref- fende Gebiet geltenden Mindestlohn. Zugleich werben die Stellenanzeigen des Unternehmens damit, dass eine Montagearbeitskraft mit Überstunden und betrieblichen Sozialleistungen 1500-1600 RMB, also mehr als das Doppelte des regulären Monatslohnes verdienen könne. Das dahinter liegende Problem ist, dass „die Unterdrückung des Einkommens aus regulärer Arbeit den Anreiz zur dauernden Mehrarbeit jenseits der regelmäßigen Arbeitszeiten“ schafft, wie Wong (2006: 93) treffend feststellt; niedrige Basislöhne sind ein zentrales Ele- ment des auf extensiver Mehrarbeit aufbauenden Akkumulationsmechanismus in der IT-Produktion .

Solche Mechanismen werden – unter anderen Vorzeichen und bei zumeist weit- aus höheren Gehältern - auch im Bereich der Qualifizierten angewandt, insbesondere bei chinesischen Unternehmen und den durch Wagniskapital

5 Ein ähnliches Verhältnis lässt auch das im Rahmen dieser Studie untersuchte Beispiel Friwo in Shenzhen erkennen (s. Anhang). 71 finanzierten start-up-Firmen. So machen bei Huawei nach internen Angaben Bonuszahlungen etwa 50-70% der monatlichen Verdienstmöglichkeiten aus, und zwar ausschließlich auf Basis individualvertraglicher Festlegungen (Lüthje 2008).

Lange Arbeitszeiten

Die Kehrseite dieser Entwicklung sind die notorisch langen Arbeitszeiten, die in vielen Regionen auch kaum durch staatliche Stellen überwacht werden. Alle Beschäftigtengruppen – sowohl einfache Arbeiter wie Qualifizierte und wissenschaftlich-technische Angestellte - leisten in großem Ausmaß Überstun- den. In den Großbetrieben der Kontraktfertigung, vor allem in Südchina, wird dies durch den Umstand begünstigt, dass die Produktionsbeschäftigten und teilweise auch Techniker und Ingenieure in Betriebswohnheimen untergebracht sind und kein Familienleben oder andere Interessen oder Verpflichtungen im Privatbereich haben. Namentlich bei den ArbeitsmigrantInnen in der Montage müssen regel- mäßige Überstunden die geringen Basislöhne kompensieren – zumal erhebliche Teile des Lohneinkommens an die Familien in den ländlichen Heimatgebieten überwiesen werden. Die meisten Betriebe arbeiten in zwei oder drei Schichten an fünf bis sieben Tagen pro Woche. Die gesetzliche Wochenarbeitszeit in China beträgt 40 Stunden, pro Monat sind 36 Überstunden erlaubt. Diese Grenze wird in den meisten Großbetrieben der Kontrakt- und Komponentenfertigung in der Regel um das Doppelte oder mehr überschritten. In den für diese Studie exemplarisch untersuchten Betrieben betrugen die monatlichen Überstunden nach Aussagen der befragten Beschäftigten im Schnitt etwa 60-100 (Foxconn Shenzhen), 100 (Flextronics Shenzhen) bzw. 100-140 (Friwo Shenzhen). In fast allen Betrieben der Kontraktfertigung sind Überstunden Teil der regelmäßigen Schichtpläne. Öffentlich bekannt geworden und dokumentiert ist dies namentlich für Foxconn in Shenzhen, wo ein 14-Stunden Tag die Regel ist und Überstundenzuschläge teilweise nicht gezahlt werden (Diyi Zaijing Ribao, 22.6.2006, BBC NEWS, 18.8.2006, Lüthje 2006a). 72

Im Bereich der technischen Arbeit entstehen überlange Arbeitszeiten vor allem durch unregulierte Projektarbeit und den enormen Karrieredruck bzw. die Erwartungen der Arbeitskräfte in dieser Hinsicht (ausführlich: Zhu 2005a). Es kommen teilweise extreme Formen der Überarbeit vor. Die chinesischen Medien berichten verschiedentlich über Todesfälle junger High-Tech Angestellter auf- grund von Überarbeitung, so bei ZTE und Huawei, den beiden Vorzeigeunter- nehmen der chinesischen Telekommunikationsindustrie (BJ Youth Daily 7.6.2006). Mehrere breit angelegte Studien namhafter Forschungseinrichtungen, so zum Beispiel der Chinese Academy of Social Sciences, haben inzwischen festgestellt, dass Arbeitsstress unter jüngeren städtischen Angestellten ein Prob- lem von epidemischen Ausmaßen ist (CASS 2007). Allerdings werden die Ursa- chen zumeist nicht mit den in den Hochtechnologieunternehmen herrschenden Arbeits- und Anreizsystemen in Verbindung gebracht.

Starkes Lohngefälle

Im Produktionsbereich besteht fast überall eine sehr s tarke Spreizung der Lohnhierarchien . Bei den großen Kontraktfertigern verdienen Fach- und Vorarbeiter oft das 3-5 fache von Montagekräften. Für Fachkräfte und qualifi- zierte Angestellte gibt es einen deutlichen Aufwärtstrend in der Bezahlung, spe- ziell auch für solche Beschäftigte, die über englische Sprachkenntnisse verfügen. Dies widerspiegelt den massiven Fachkräftemangel in den wichtigen Standortregionen der IT-Industrie. Dies gilt ganz besonders für die Region des Pearl-River-Delta, deren Lebensbedingungen im Vergleich zu anderen Großstadtregionen Chinas als recht unattraktiv erscheinen. Demgegenüber ist industrielle Fertigungsarbeit, insbesondere im Bereich der angelernten Arbeit mittleren und höheren Qualifikationsniveaus massiv unterbezahlt, in großem Ausmaß verursacht durch die Statusdiskriminierungen gegenüber ArbeitsmigrantInnen, die den überwiegenden Teil der Produktionsbeschäftigten stellen.

Neo-Taylorismus 73

In fast allen Bereichen der Produktion herrscht eine sehr starke Segmentierung und Hierarchisierung der Arbeit, die auf die vorherrschenden neo-tayloristischen Arbeitsformen zurückzuführen ist (vgl. Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). Die hierdurch entstehende De-Qualifizierung der Produktionsarbeit erinnert an die in entwickelten Industrieländern zu Hochzeiten der fordistischen Massenproduktion herrschenden Verhältnisse in den Betrieben. Die Segmentierung der Arbeit wird mit dem Verweis auf das niedrige Qualifikationsniveau der Arbeitenden wie auch der in China und Asien herrschenden Orientierung an hierarchischen Organisationskulturen gerechtfertigt. Seriöse arbeitswissenschaftliche Untersuchungen belegen allerdings, dass neo-tayloristische Arbeitssysteme von westlichen, asiatischen und auslandschinesischen Unternehmen nach China importiert werden, die einschlägigen Modelle einer high-performance Arbeitsorganisation waren in China bislang zumeist unbekannt (vgl. Tong Xin 2006). Die Verhältnisse bei den Kontraktfertigern unterscheiden sich dabei nach unseren Beobachtungen nur unwesentlich von den zumeist kleineren und stärker spezialisierten Betrieben multinationaler Markenfirmen.

Eine wesentliche Ausdrucksform dieses neo-tayloristischen Regimes ist die personalisierte Kontrolle der Arbeitskräfte durch die Vorarbeiter, abgesichert durch ein System von Strafen durch verschiedene Formen von Lohnabzug und andere Sanktionen. In kleineren Betrieben sind auch körperliche Züchtigungen noch durchaus an der Tagesordnung. Die Klagen der Beschäftigten gegen diese Art der Kontrolle sind weit verbreitet, wie auch die für diese Studie angestellten exemplarischen Untersuchungen belegen. Die meisten Streiks und ein großer Teil der vor den Gerichten ausgetragenen Arbeitskonflikte gehen von Protesten gegen die Willkürmaßnahmen von VorarbeiterInnen aus, ein auch aus anderen Ländern durchaus vertrautes soziales Konfliktpotential des neo-tayloristischen Modells (Lee 2007). Die starke Segmentierung der Arbeit bewirkt überdies eine permanente Unterbewertung und Nicht-Anerkennung von Qualifikation und Erfahrung im Produktionsbereich. Weniger restriktive Arbeitsformen werden nur dort zugelassen, wo sie aufgrund des betrieblichen Interesses unumgänglich sind. In den Großbetrieben der Kontraktfertigung lässt sich feststellen , dass in 74 der Montage auch für relativ vielseitige, besser qualifizierte Tätigkeiten kaum hö- here Löhne gezahlt werden . Dies ist umso gravierender, als unter den Arbeitskräften der großen Produktionsbetriebe ein relativ hohes Niveau der schulischen und außerschulischen Qualifikation besteht, auch multinationale Unternehmen in Südchina bestätigen, dass sich die Qualität der Arbeitskräfte in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert habe (Hürt- gen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

Arbeits- und Gesundheitsschutz

In engem Zusammenhang mit dem neo-tayloristischen Arbeitsregimes stehen die Probleme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der IT-Fertigung. Hierüber liegen kaum gesicherte Daten vor. In den Großbetrieben sowohl von Marken- als auch von Kontraktfertigern sind in der Regel relativ gute Arbeitsbedingungen zu beobachten. In der Baugruppen- und Endmontage entsprechen die Sicherheitsvorkehrungen an den Arbeitsplätzen weitgehend internationalen Stan- dards, was offenbar durch die globale Vereinheitlichung von Fertigungsprozes- sen befördert wird. Dies gilt auch für arbeitsgesundheitlich problematische Berei- che der Komponentenproduktion, wie zum Beispiel die Herstellung von Rohleiterplatten. Die Großserienfertigung von hochwertigen Kunststoffteilen ist meistens automatisiert. Als Beispiel seien Förder- und Bestückungsanlagen für Metall- und Kunststoffteile bei einer Reihe von Kontraktfertigern genannt, die die mit starker Lärmbelästigung verbundenen Einlegearbeiten an diesen Anlagen weitgehend überflüssig machen. Als gesundheitlich belastend erscheinen aller- dings die Produktion einfacher Kunststoffteile (zum Beispiel Schalen für Computermäuse) sowie Lackier- und Farbspritzanlagen, an denen das Tragen von Atemmasken und anderem Schutzgerät oftmals nur in sehr laxer Weise gehandhabt wird (Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). Außerdem sind in vielen Großbetrieben der Kontrakt- und Komponentenfertigung Klagen über das 75

Kantinenessen und seine hygienische Qualität zu hören, so auch im Falle der für diese Studie exemplarisch untersuchten Betriebe.

Die Verhältnisse in den Klein- und Mittelbetriebe der einfachen Komponenten- und Lohnfertigung unterscheiden sich allerdings erheblich von Großbetrieben. In den auf niedrigem technologischen und organisatorischen Niveau arbeitenden Betrieben sind Verletzungen simpelster Arbeitsschutzvorschriften, wie das Tra- gen angemessener Arbeitskleidung und –schuhe, Atemschutzgeräten etc., an der Tagesordnung. Es gibt in diesen Betrieben meistens nicht die in der großbetrieblichen Fertigung üblichen Klimaanlagen, was vor allem im subtropi- schen Klimas Südchinas ein Problem ist. Auch ereignen sich auch häufig Arbeitsunfälle größeren Ausmaßes, die allerdings nur in Einzelfällen dokumen- tierte sind (so etwas im Falle des Batterieherstellers Goldpeak in Südchina, vgl. Pun 2005) .

Ein Groß- und Kleinbetrieben in den verschiedenen Fertigungsbereichen gemeinsames Problem sind allerdings die aus der neo-tayloristischen Arbeitsorganisation entstehenden Belastungen. Gefahren für die Gesundheit der Arbeitskräfte durch Stress, einseitige Anstrengungen und überlange Arbeits- zeiten sind epidemisch und hinsichtlich ihrer längerfristigen Auswirkungen auf die Arbeitskräfte kaum untersucht (vgl. Brown 2003, Brown/O’Rourke 2007). Die hohe Nachfrage nach außerbetrieblichen Beratungsangeboten von Ärzten, Krankenhäusern und NGOs sowie die Vielzahl arbeitsgerichtlicher Klagefälle in diesem Bereich belegen eindringlich den großen Bedarf an gesundheitlicher Aufklärung und Betreuung – gerade auch unter den vom Land stammenden sehr jungen Arbeiterinnen (Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

Fluktuation

Ein in fast allen Bereichen der IT-Industrie anzutreffendes Problem ist die extrem hohe Fluktuation von Arbeitskräften – sowohl im Fertigungsbereich als auch un- ter Angestellten. In der Produktion ist die boombedingte Instabilität der Arbeits- märkte besonders ausgeprägt in Südchina. Sie schlägt sich in teilweise extremen 76

Fluktuationsraten in Betrieben der Kontraktfertigung nieder. In den von uns zwi- schen 2002 und 2007 untersuchten Betrieben der Region lag die niedrigste Rate bei etwa monatlich 2 Prozent oder jährlich etwa 25 Prozent der Arbeitskräfte, in den meisten Betrieben waren 30 bis 40 Prozent die Norm. Im Raum Shanghai lagen diese Werte etwas niedriger, allerdings fielen auch hier die starken lokalen Differenzen ins Gewicht (Hürtgen 2009). Wird die Fluktuation im Produktions- bereich besonders durch die niedrigen Löhne angetrieben, so sind bei qualifizier- ten Angestellten vor allem Karrieregesichtspunkte das Motiv zum häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes. Dieses Phänomen ist besonders ausgeprägt in den führenden High-Tech Zentren des Landes in Beijing und Shanghai. Ähnlich wie in den westlichen High-Tech Industrien zu früheren Boomzeiten gilt auch in China ein zu langes Verweilen im Betrieb eher als ein Makel in der Berufsbiogra- phie (Kessler 2007). Für den Bereich der Chipentwicklung lässt sich zum Beispiel feststellen, dass die Beschäftigten häufig weniger als ein Jahr, selten aber länger als drei Jahre in den Unternehmen verbleiben (Lüthje 2008).

Vor allem im Bereich der qualifizierten Arbeitskräfte ist der ständige Verlust teil- weise aufwendig im Betrieb ausgebildeten Personals ein notorisches Problem. Multinationale Großunternehmen versuchen solche Kräfte mit erhöhten betriebli- chen Sozialleistungen, rascheren Beförderungen und finanziellen Hilfen etwa beim Eigenheimerwerb im Unternehmen zu halten. Bei kleineren start-up Firmen werden die auch im Westen bekannten Bonuszahlungen und Beteiligungen am Firmenkapital eingesetzt. Im Produktionsbereich allerdings gibt es kaum finan- zielle Anreize zur Stabilisierung der Produktionsbelegschaften. In einigen EMS- Betrieben in Südchina werden Anwesenheitsprämien gezahlt, die meisten operieren aber mit rigiden Lohnabzügen, wie exemplarisch nebenstehend auf- geführt (vgl. auch Anhang). Es gibt auch kaum senioritätsbezogene Lohnerhöhungen, die einen Anreiz für ein längerfristiges Verbleiben in einem Be- trieb bieten könnten. In taiwanesischen Unternehmen wird die Anwesenheit am Arbeitsplatz auch durch die verbreitete Praxis des Gruppenappells und damit verbundener gemeinsamer Gymnastik zu Schichtbeginn abgesichert (Hürtgen u.a. 2009). 77

Tabelle 10: Katalog Strafmaßnahmen Flextronics Shenzhen

Zeiterfassung : Bei mehr als dreimaligem Nichtbetätigen der Stechuhr Lohnabzug 5 RMB pro Mal

Verspätung: Von 1 Sekunde bis 2 Minuten jeweils 2 RMB Lohnabzug

Freistellung: Bei Krankheit Abzug des Tageslohnes mal Anzahl der Tage

Unangemeldetes Fernbleiben vom Arbeitsplatz : Abzug 1 Monatslohn (750 RMB)

Verlust der Werksausweiskarte : Lohnabzug 30 RMB für Magnetkarten, 10 RMB für Papierkarten

Quelle: Eigene Recherchen

Fehlende Lohn- und Gehaltsstandards

In allen Bereichen der chinesischen IT-Industrie fehlen Lohn- und Gehaltsstan- dards. Im Bereich der qualifizierten Arbeit ist dies durch das vorherrschende individualisierte bargaining von technischen Spezialisten und Facharbeitern mit gesuchten Qualifikationen bedingt. Aufgrund des besonders in den Metropolen der Ostküste bestehenden Fachkräftemangels können Angestellte in den betreffenden Bereichen teilweise recht hohe Lohn- und Gehaltsforderungen durchsetzen. Da die Regulierung der Löhne und Gehälter fast ausschließlich auf der betrieblichen Ebene erfolgt, werden gleichartige Tätigkeiten von Unterneh- men zu Unternehmen oft sehr unterschiedlich bewertet 6 . Die Lohn- und Gehaltsfindung ist in der Regel wenig durchsichtig, regionale oder branchenweite Normsetzungen in Form von Tarifverträgen oder Lohnrichtlinien von Regierun- gen, Handelskammern o.ä. existieren nicht (Lüthje 2008). Im Bereich der einfa- chen Arbeit in der Produktion bilden die örtlichen Mindestlöhne einen Standard, der zumindest eine öffentlich sanktionierte Untergrenze für Produktionslöhne festlegt, vor allem in Bereichen mit hohem Anteil von Arbeitsmigranten

6 Über die Vergleichbarkeit von Löhnen und Gehältern in China liegen bislang kaum empirische Daten vor. Einzelne Untersuchungen internationaler Organisationen zu bestimmten Industriestandorten an der chinesischen Ostküste liefern recht genaue Daten, die unsere Beobachtungen aus der IT-Industrie bestätigen, so etwa eine Studie der deutschen Außenhandelskammer in Shanghai (GIC 2006) 78

(Chang/Lüthje/Luo 2008). Wie bereits gesagt, werden die staatlichen Mindes- tlöhne aber in vielfältiger Weise umgangen, laxe Kontrollen der staatlichen Arbeitsbüros in den jeweiligen Kommunen tragen dazu bei (Hürt- gen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009).

Die Unübersichtlichkeit wird noch dadurch verstärkt, dass die Qualifikation der Arbeitskräfte zum wesentlichen Teil innerhalb der Betriebe erfolgt und in sehr starkem Maße auf die Produkte und Systeme der jeweiligen Firmen ausgerichtet ist. Das für die IT-Industrie im Bereich der qualifizierten technischen Arbeit notori- sche Problem der „Verbetrieblichung“ von Qualifikation und technischem Wissen (Lüthje 2001: 295 ff.) und die damit gegebene Bindung der „employability“ der Arbeitskräfte in der an produkt- oder herstellerspezifisches Know-How (zu dieser Problematik Boes/Trinks 2006) scheint in China ganz besonders ausgeprägt .

Fabrikwohnheime

Die Lebensbedingungen in den Fabrikwohnheimen bilden das vielleicht mas- sivste Sozialproblem in der Elektronikproduktion in China. Die inzwischen recht vielfältigen Berichte über die teilweise menschenunwürdigen Bedingungen in die- sen Wohnheimen (vgl. Chan 2001) können in vielen Fällen auch für die IT- Produktion bestätigt werden, insbesondere für den Bereich der Komponentenproduktion und Lohnfertigung (vgl. auch Anhang). Die großbetrieblichen Kontraktfertiger bieten in diesem Bereich eher günstige Bedingungen. In den von uns untersuchten Betrieben in Südchina waren die Räume in den Wohnheimen zumeist mit acht bis zwölf MontagearbeiterInnen be- legt, höher qualifizierte Arbeitskräfte teilten sich in der Regel mit zwei bis vier Personen einen Schlafraum. In taiwanesischen Firmen leben auch zahlreiche mittlere und höhere Manager in Wohnheimen, allerdings zumeist gehobener Qualität. Die besser ausgestatteten Betriebswohnheime verfügen über Freizeit- einrichtungen wie Fitnessräume, Gruppenräume oder Cafes.

Unterkunft und das damit verbundene Kantinenessen werden in der Regel auf Betriebskosten zur Verfügung gestellt und bilden einen wesentlichen Teil der 79

Entlohnung. In den untersuchten Betrieben wurden diese Kosten mit etwa einem Drittel bis die Hälfte der für eine Montagekraft gezahlten Löhne angesetzt, für hö- her bezahlte Beschäftigte mit einem geringeren Anteil. Unterkunft, Verpflegung und Freizeiteinrichtungen decken in der Regel die Basiskosten für die Lebens- haltung einer Montagearbeitskraft ab. Die Qualität der Unterkunft und der Verpflegung sind damit ein entscheidender Faktor für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes, oft bedeutender als die Arbeit selbst. Angesichts des Fehlens senioritätsbezogener Lohnanreize sind überdurchschnittliche Angebote zu die- sen indirekten Vergütungen ein wesentlicher Anreiz für ein Verbleiben längerfri- stig im Betrieb. Dabei bestehen auch regional erhebliche Unterschiede in den Standards wie auch in den Organisationsformen der Wohnheimunterbringung. Im China-Singapore Industrial Park in Suzhou zum Beispiel werden Wohnheime ausschließlich von der Industrieparkverwaltung betrieben und bieten relativ hohe Standards. Aufgrund der engen Einbindung der Wohnheime in das System der betrieblichen Arbeitsorganisation, Kontrolle und Entlohnung ist dieser Bereich als ein zentrales Element in der gesellschaftlichen Regulierung von Arbeitsstandards anzusehen. (vgl. Lüthje 2006).

Betriebsverlagerungen

Ein relativ neues, aber wohl rasch an Bedeutung gewinnendes Problem ist schließlich die beginnende massiven Relokalisierung von Arbeit aus den Großstandorten der IT-Produktion in den Küstenprovinzen ins Inland. Die von chinesischen Wirtschaftsmedien angestoßene und den lokalen Partei- und Wirt- schaftseliten intensiv geführte Diskussion um die Notwendigkeit eines Umbaus wichtiger von Montage und Lohnveredlung geprägter Weltmarktproduktionszo- nen, namentlich des Pearl River Delta, hat sich zwar bislang noch nicht in Arbeitsplatzverlusten größeren Ausmaßes niedergeschlagen (NR 17.4.2008). Unter dem Eindruck andauernder Arbeitskräfteknappheit, wachsender sozialer Spannungen und den Folgen der Abwertung des US-Dollar und zurückgehender Konsumnachfrage in den USA und Europa haben inzwischen aber die größeren 80 aus Taiwan stammenden IT-Produzenten in der Region Betriebsverlagerungen angekündigt. Foxconn veröffentlichte im Frühjahr 2008 Pläne, wonach der zent- rale Fertigungskomplex in Shenzhen Longhua von derzeit etwa 300.000 Beschäftigten in den nächsten Jahren auf etwa 120.000 verkleinert werden soll; dafür sollen 10 neue Großstandorte in bislang noch weniger erschlossenen Regionen Ost- und Zentralchinas sowie der Inneren Mongolei aufgebaut werden, für die jeweils ein Investitionsvolumen von etwa 1 Mrd. US-$ und Beschäftigungszahlen von jeweils mehreren zehntausend Arbeitskräften vorgesehen sind (Zhongguo Qiyejia 12/2008, vgl. Tabelle 10).

Auch wenn solche gigantisch anmutenden Planungen vielleicht nur teilweise umgesetzt werden können, so erscheinen die zu erwartenden sozialen Folgen solcher Umstrukturierungen für die Arbeitskräfte und die betroffenen Kommunen massiv. Foxconn hat nach unseren Recherchen bereits begonnen, Arbeitskräfte in größerem Umfang in den im Aufbau befindlichen Großbetrieb in Yantai (Pro- vinz Shandong) zu transferieren, die dort offensichtlich als Kernbelegschaft beim Einrichten der neuen Fertigungen fungieren sollen. Unter diesen Arbeitskräften gibt es nach den vorliegenden Berichten massive Klagen über die unbefriedigen- den Bedingungen dieses Transfers und die Arbeits- und Lebensbedingungen in dem neuen Werk. Das abzusehende downsizing der Weltmarktproduktionsstand- orte der ersten Generation in der chinesischen IT-Industrie und ihrer durch die massiven Investitionszuflüsse der letzten Jahre entstandenen hypertrophen Strukturen kündigt sich als ein weiteres arbeitspolitisches Regulierungsproblem mit branchenweiten Dimensionen an.

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Tabelle 11: Bestehende und zukünftige Industrieparks von Foxconn in China (Stgand 06-2008)

No. City/Province Products/Function Workforce Projected Investment US-$ 1 Shenzhen Longhua IT products and parts of all kinds 300.000 (Guangdong) China headquarters 120.000 projected

2 Shenzhen Cellphones, consumer 70.000 electronics (Guangdong)

3 Kunshan Connectors, computer, power 100.000 (Jiangsu) supply

4 Taiyuan Magnesium and aluminum 50.000 1 bn (Shanxi) products, cellphones 65.000 projected

5 Yantai Computer 50.000 1,2 bn (Shandong) 100.000 proj. Consumer electroncis

6 Zhunan Connectors, computer 120.000 proj. N.A. (Jiangsu)

7 Wuhan Digital cameras, computer 150.000 proj. 1,2 bn (Hubei)

8 N.N. Cellphones and spare parts 60.000 proj. 1 bn (Hebei)

9 Qinhuangdao Printed circuit boards 35.000 proj. 1 bn (Hebei)

10 Yingkou Printed circuit boards, mother- 30.000 1 bn (Liaoning) boards, power supply

11 Shenyang NC precision tools NA 1 bn (Liaoning) Automotive electronics

12 Nanjing Software 30.000 1 bn (Jiangsu)

13 Hohot Computer products NA 1 bn (Inner Mongolia)

14 Nanning Various NA 3bn (Guanxi) Source: China Entrepreneur (Zhongguo Qiyejia) 12/2008

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3. Arbeitspolitik, Gewerkschaften und Arbeitsstandards

Wie stellt sich im Kontext der enormen Entwicklungsdynamik der chinesischen IT-Industrie und der starken Differenzierung der Produktions- und Verwertungs- modelle nunmehr die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen dar und welche Perspektiven hat gewerkschaftliche Vertretung in diesem Szenario? Wie manifestieren sich die aus dem Zusammenspiel von marktwirtschaftlicher Transformation und Globalisierung entstehenden sozialen Widersprüche und in welchen Formen werden diese verarbeitet? Wie stellen sich die politischen Voraussetzungen einer sozial und ökologisch nachhaltigen Regulierung von Arbeitsstandards in der chinesischen IT-Industrie dar und welche Ansatzpunkte ergeben sich im Kontext aktueller sozial- und industriepolitischer Debatten in China und im internationalen Kontext?

Zur genaueren Diskussion dieser Fragen wollen wir unsere bisherige Analyse der industriellen Strukturen und der Arbeitsbedingungen mit Blick auf ihre arbeitspolitischen Konsequenzen zusammenfassen. Dabei gehen wir von der in der sozialwissenschaftlichen Diskussion entwickelten These aus, dass der chinesische Staat zur Sicherung eines marktwirtschaftlichen Entwicklungsweges Institutionen schaffen muss, die eine arbeitspolitische Regulierung der sich entwickelnden kapitalismustypischen Sozialbeziehungen und -konflikte ermögli- chen (Lüthje 2006b, Grassi 2007). Wie in allen anderen Bereichen geht es darum, die für das Funktionieren kapitalistischer Marktbeziehungen notwendige Tren- nung von Politik und Ökonomie, also von staatlichen Apparaten und Rechtsnor- men einerseits und der Handlungspraxis gesellschaftlicher Interessengruppen herzustellen (McNally 2008). Ein solcher Regulierungsrahmen ist heute auf arbeitspolitischem Gebiet weitgehend geschaffen, es kommt aber entscheidend darauf an, welche kollektiven Regulierungsformen im Verhältnis Kapi- tal/Lohnarbeit gefunden werden und wie die chinesischen Gewerkschaften als soziale Organisationen diesen Rahmen ausfüllen (Chang/Lüthje/Luo 2008). Die Organisations- und Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften, bleibt einstwei- 83 len dadurch begrenzt, dass die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in China auf den Rahmen eines „von oben gesteuerten“ technokratischen Wachstumsregimes beschränkt werden, welches zwar gewisse Spielräume zur Austragung unterschiedlicher sozialer Interessenlagen zulässt, die einschlägigen Diskussionen aber strikt auf Fragen ökonomischer Modernisierung beschränkt und damit „entpolitisiert“ (Wang 2008).

Zur Darstellung dieser Zusammenhänge wollen wir zunächst den Rahmen arbeitspolitischer Reformen der letzten Jahre skizzieren und daran anschließend die Rolle der Gewerkschaften, die Entwicklung von Arbeitskonflikten und die Problematik der Arbeitsstandards in der chinesischen IT-Industrie näher unter- suchen. Abschließend soll diese Problematik in den breiteren Kontext aktueller Debatten um eine sozial, finanzielle und ökologisch nachhaltigere Branchenpoli- tik und Ansätze einer global ausgelegten Regulierung des IT-Sektors gestellt werden.

3.1 Arbeitspolitik im Zuge von Reform und Öffnung

Der politische Regulierungsrahmen der Arbeitsbeziehungen in der chinesischen IT-Industrie ist bestimmt durch die im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik entwickelten Politiken und Gesetzgebungen. Die mit der Weltmarktöffnung entstandenen sozialen Widersprüche versucht der chinesische Staat zu kontrollieren durch eine soziale Abfederung des Beschäftigungsabbaus, den Auf- bau eines (wenn auch bescheidenen) staatlichen Sozialsystems nach westli- chem Muster sowie Reformen der Arbeitsgesetze, die die vertraglichen Rechte der Arbeitnehmer schützen und Ansätze für eine kollektive Interessenvertretung schaffen.

Mit diesen Maßnahmen reagiert der Staat auf die Auflösung der in der Epoche der Planwirtschaft gegebenen sicheren, zumeist lebenslangen Beschäftigungsverhältnisse für die große Mehrheit der ArbeiterInnen, die massi- 84 ven Entlassungen in den Staatsbetrieben im Zuge der marktwirtschaftlichen Transformation und auf die Aufhebung der Rolle der Betriebe als zentrale Träger des Sozialversicherungssystems und der sozialen Versorgung (einschließlich Kinderbetreuung und Wohnungsbau). Inzwischen wurden die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen für ein System geschaffen, das ähnlich wie bis- lang in Deutschland auf obligatorischen Beiträgen von Betrieben und Beschäftig- ten in staatlich kontrollierte Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen beruht. Bei der Umsetzung dieser Reformvorhaben stellen sich indes gewaltige Probleme, so die Überführung und Absicherung betrieblicher Versorgungs- systeme an den Staat (bei einer großen Zahl bankrotter Betriebe), die man- gelnde staatliche Kontrolle über die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Privatbetrieben, die fehlende Finanzbasis armer ländlicher Provinzen und die Benachteiligung von Migranten (Lüthje 2006b).

In diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis von Arbeitern und Manage- ment im Betrieb grundlegenden Veränderungen unterworfen. Im Zuge des Aus- baus „marktwirtschaftlicher“, durch Arbeitsverträge geregelter Arbeitsbeziehun- gen wurde auch in diesem Bereich die Schaffung bürgerlicher Rechtsverhält- nisse vorangetrieben. Durch eine Reihe von Gesetzen wurden im Laufe der 1990er Jahre recht umfassende Garantien von Arbeitnehmerrechten im Betrieb geschaffen, welche die grundlegenden Aspekte des Arbeitsvertrages wie z.B. Rechtsgültigkeit, Kündigungen, Abmahnungen, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Arbeitssicherheit und Sozialversicherungsbeiträge regeln. Die darin festgelegten Standards entsprechen weitgehend denen entwickelter Industrieländer. Das Problem liegt allerdings bei der Überwachung. Die Gesetze regeln überwiegend die individuellen Ansprüche des Lohnabhängigen, sind aber oft nur unbestimmt und vage hinsichtlich der kollektiven Institutionen zu deren Durchsetzung, wie z.B. Tarifverträge und betriebliche Aktionsmöglichkeiten der Belegschaften (für eine ausführliche Darstellung in deutscher Sprache vgl. Geffken 2005).

Mit dem Umbau der Rechtsbeziehungen am Arbeitsplatz ist auch ein grundlegender Umbruch in der Rolle der Gewerkschaften angesagt. Grundsätz- lich sollen Gewerkschaften nicht mehr als Teil der Betriebsorganisation agieren, 85 wie allgemein aus staatsbürokratischen Planwirtschaften bekannt, sondern als Interessenvertretung der Beschäftigten mit einer gewissen Eigenständigkeit gegenüber dem Management. Die Meilensteine auf diesem Weg waren die Arbeitsgesetze der Jahre 1992 und 2001, mit denen betriebliche Gewerkschafts- vertretungen Mitsprache bei der Überwachung gesetzlicher Bestimmungen im Betrieb erhielten und ein Schlichtungssystem für betriebliche Beschwerdefälle geschaffen wurden. Seit 2001 können auch Tarifverträge auf betrieblicher Ebene abgeschlossen werden. Überbetriebliche Tarifverhandlungen existieren indes nicht, ebenso wenig ein formal festgeschriebenes Streikrecht (dieses war 1982 in der Anfangsphase der Reformen aus der Verfassung beseitigt worden). Streiks sind durch das Gesetz weder verboten noch erlaubt, werden aber in der Praxis durch die zuständigen lokalen Regierungen meistens toleriert (Taylor e.a. 2003).

Innerhalb von Gewerkschaften und Partei ist umstritten, ob die Gewerkschaften weiterhin „gesellschaftliche Organisationen“ oder „Interessenverbände“ sein sol- len. Das Gewerkschaftsgesetz von 2001 sieht z.B. eine starke, an die deutsche Betriebsverfassung erinnernde rechtliche Absicherung der betrieblichen Arbeit- nehmervertretung vor, die auch durch Freistellungen, Beitragszahlungen der Unternehmer und ein geregeltes innerbetriebliches Beschwerdeverfahren ge- stützt wird. Das Gesetz verpflichtet die Gewerkschaften indes ausdrücklich auf das Wohl des Unternehmens. Die ehemaligen staatssozialistischen Einheitsgewerkschaften bekommen damit den Status einer organisatorisch geschlossenen, aber berufsständisch und am Betriebsinteresse ausgerichteten Arbeitnehmervertretung - vielleicht vergleichbar mit anderen asiatischen Industrieländern, namentlich Singapur, aber auch Taiwan oder Japan.

Die Gewerkschaften stehen allerdings vor massiven Problemen. Eine praktische Schwierigkeit bei der „von oben“ vorangetriebenen Schaffung „norma- ler“ Gewerkschaften liegt zunächst in der Gewinnung betrieblicher Kader und Aktivisten, wozu in vielen Bereichen seit etwa 2001 umfangreiche Schulungs- und Bildungsmaßnahmen abgehalten werden. Auch haben die betrieblichen Vertretungen keinerlei Erfahrungen mit der Aushandlung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Darüber hinaus stellt sich das Problem, wie die 86 betrieblichen Arbeitsbedingungen in der Konkurrenz mit anderen Firmen und Standorten gesichert werden können - also die Frage nach betriebsübergreifen- den Tarifverträgen und ihrer Durchsetzung auch mit den Mitteln des Arbeitskampfes. Ein nicht unerhebliches, aus neuerer deutscher Sicht durchaus vertrautes Problem ist dabei auch das fehlende Interesse der Unternehmerseite an der Schaffung von Verbänden und Organisationen, die als Tarifpartner der Gewerkschaften auftreten könnten (Chang/Lüthje/Luo 2008).

Der politische Druck auf die Gewerkschaften zu einer stärkeren Eigenständigkeit in der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen ist in jüngerer Zeit deutlich ver- stärkt worden. So wurden mit dem Arbeitsvertragsgesetz von 2007 wesentliche Rechtsnormen geschaffen, mit denen die Ansprüche der Lohnabhängigen auf die Einhaltung arbeitsvertraglicher Abmachungen, Kündigungsschutz und die Zahlung von Abfindungen im Entlassungsfall gestärkt und zugleich die Rolle der Gewerkschaften bei der Überwachung dieser Rechtsnormen hervorgehoben wurde. Während die Gewerkschaften nach wie vor Probleme haben, einen sol- chen Rechtsrahmen auszufüllen, ist zugleich der Widerstand organisierter Unter- nehmerinteressen gegen solche Stärkungen der Rechtspositionen der Arbeitneh- mer spürbar geworden. So traten während des Gesetzgebungsprozesses auch ausländische Unternehmen, etwa vertreten durch die US-Handelskammer in Shanghai, gegen eine gesetzliche Verbesserung des Kündigungsschutzes auf. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes haben sich insbesondere chinesische Unternehmen – auch aus der IT-Industrie – damit hervorgetan, die Bestimmun- gen des Gesetzes zu umgehen oder in Debatten des Volkskongresses die Aushöhlung der Umsetzungsvorschriften zu fordern (Chang/Lüthje/Luo 2008; White 2008).

Die chinesischen Gewerkschaften haben dies zwar öffentlich kritisiert. Allerdings sind sie nur wenig in der Lage, die Umsetzung der Bestimmungen des Arbeits- vertragsgesetzes in den Betrieben wirklich zu kontrollieren. Dahinter steht das Problem, dass die gegenwärtigen sozialen Widersprüche kapitalistischer Modernisierung und die damit verbundenen Unruhepotentiale unter den Lohnabhängigen Partei und Staat zunehmend zwingen, neue Institutionen des 87 sozialen Dialogs und Ausgleichs zu schaffen, die Proteste der Lohnabhängigen sich aber im Konfliktfall unmittelbar an den Staat richten (vgl. Taylor e.a. 2003, Lee 2002 und 2007a, Chen 2008, u.a.m.). Die Schaffung „zivilgesellschaftli- cher“ Institutionen wie betrieblicher Mitbestimmung oder autonomer gewerkschaftlicher Vertretungen leidet freilich gerade darunter, dass die entstehenden Konflikte möglichst „entpolitisiert“, d.h. ohne offene Diskussionen über die im Prozess der wirtschaftlichen Modernisierung entstehenden sozialen Antagonismen und politischen Widersprüche, verarbeitet werden sollen (Wang 2008). Die Arbeitspolitik des chinesischen Staates orientiert sich zwar an westli- chen Mustern einer korporatistischen Interessenregulierung im Dreieck organisierter Interessen von Kapital, Arbeit und Regierung (Chan 2006a und b) 7; aufgrund der mangelnden Integrationskraft der Gewerkschaften bleiben Arbeit- nehmerinteressen aber zumeist „außen vor“. Die Arbeiter und Angestellten sind damit so etwas wie eine unsichtbare und oftmals unberechenbare vierte Partei im chinesischen Modell des Tripartismus (Chang/Lüthje/Luo 2008).

3.2 Gewerkschaften und Arbeitsregimes in der IT-Industrie

Diese Problematik stellt sich in der IT-Industrie in zugespitzter Form. Angesichts des großen Anteils ausländischer, auslandschinesischer oder nicht-staatlicher chinesischer Unternehmen ist der traditionelle Vertretungsbereich der Gewerkschaften, nämlich die größeren Staatsbetriebe, in der Branche nur schwach repräsentiert. Zugleich erschweren die stark segmentierte Struktur des Sektors und die von der Weltmarktkonkurrenz erzwungene extreme Zeitökono- mie und Kostenkonkurrenz sowie die hohe Flexibilität der Beschäftigung den Auf- bau gewerkschaftlicher Strukturen. Gewerkschaften sind in der IT-Industrie vor diesem Hintergrund nur relativ schwach vertreten; auch spielen sie bislang ins-

7 Diese Zielvorstellung ist etwa in Artikel 5 des Arbeitsvertragsgesetzes niedergelegt: “The labor administrative departments of people’s governments at or above county level shall, together with trade unions and enterprise representatives, establish a sound tripartite mechanism for coordinating labor relationships and jointly study and address major issues related to labor disputes” (engl. Übersetzung zitiert nach White 2008, S. 25). 88 gesamt nur eine relativ geringe Rolle bei der Ausformung der Produktions- regimes, da sie auch auf betrieblicher Ebene wenig präsent sind. Diese Feststel- lung gilt auch bezüglich der meisten in der Branche vertretenen chinesischen Unternehmen, einschließlich nationaler Modellkonzerne wie Lenovo oder Huawei. Diese entstammen, wie in Kapitel 3.1. dargestellt – überwiegend nicht den Traditionen „klassischer“ Staatsunternehmen – sondern sind typischerweise hy- bride Unternehmen mit hochgradig marktorientierten Organisationsformen.

Auch mit Blick auf die Rolle der Gewerkschaften innerhalb der betrieblichen Produktionsregimes zeigen sich erhebliche Differenzierungen entlang der Produktionsmodelle der verschiedenen Segmente der IT-Branche.

• Bei den Markenunternehmen mit vertikal integrierten Produktions- strukturen finden sich Gewerkschaften in einzelnen Betrieben europäi- scher Unternehmen, so zum Beispiel bei Siemens, Philips oder Nokia. Da es sich bei vielen dieser Unternehmen um Joint Ventures mit chinesischen, zumeist im Besitz lokaler Regierungen befindlicher Holdingunternehmen handelt, entspricht dies auch den für solche Unternehmen in China übli- chen politischen Normen. Zum Teil wurden gewerkschaftliche Vertretun- gen in ausländischen Unternehmen auch durch die Übernahme chinesi- scher Elektronikunternehmen „ererbt“, so etwa im Falle Samsungs in Tian- jin (Wong 2006). Die Gewerkschaften in diesen Betrieben sind zumeist relativ schwach, teilweise sogar vom Management eingesetzt und domi- niert (z.B. Nokia Dongguan, vgl. AMRC 2007). Die Unternehmen orientie- ren sich dabei auch an Traditionen ihrer Heimatländer, d.h. europäische Firmen sind eher bereit, Gewerkschaften zu akzeptieren, während US- und teilweise auch koreanische Firmen durch ihre harte anti- gewerkschaftliche Haltung geprägt sind. Chinesische Staatsbetriebe, wie zum Beispiel Sichuan Changhong oder Guangzhou Wireless haben zu- meist Gewerkschaften, allerdings verstehen diese sich in hergebrachter Weise als Teil des Managements. 89

• Die fabriklosen Markenunternehmen haben als typische „Angestell- tenbetriebe“ kaum Gewerkschaften. In einigen chinesischen Unternehmen dieser Art mit hybriden Eigentumsstrukturen sind Gewerkschaften noch aufgrund des Erbes staatlicher Forschungseinrichtungen oder Universitä- ten vertreten (so z. B. bei Lenovo). Die seit 2006 zu hörenden Ankündigungen der ACFTU, auch ausländische Elektronikunternehmen zu organisieren (genannt wird namentlich Dell), sind bislang folgenlos geblieben. Fabriklose Markenunternehmen nehmen neuerdings für sich in Anspruch, dass Gewerkschaften für Unternehmen, die zum überwiegen- den Teil white collar -Angestellte beschäftigen, nicht zur Firmenkultur pas- sen würden. Die Firmen reagieren damit offenbar auf erneute Ankündigungen der ACFTU, in den 500 führenden transnationalen Unter- nehmen in China nunmehr gewerkschaftliche Vertretungen zu errichten (NYT 12.9.2008). Eine besondere Situation besteht bei Huawei: hier war eine so genannte „Huawei-Technologiegewerkschaft“ bis 2003 der wesentliche Anteilseigner des Unternehmens (de facto als Rechtsperson einer Managementholding), im Zuge der Börsenplatzierung wichtiger Teile des Unternehmens wurden diese Anteile in die Huawei Holding genannte Dachgesellschaft überführt. Trotz dieser Rolle scheint die Gewerkschaft allerdings keinen Einfluss auf Managemententscheidungen zu haben (CEO 26.7.2004, www.biz163.cn ).

• Die großen EMS- und ODM-Kontraktfertiger haben ebenfalls kaum Gewerkschaften. Dies folgt zunächst aus der regionalen Konzentration der Kontraktfertigungsindustrie in Exportproduktionszonen, in denen über- wiegend oder ausschließlich ArbeitsmigrantInnen beschäftigt werden, für die bis etwa 2006 auch keine gewerkschaftliche Vertretung vorgesehen war. Bei US-Unternehmen wie Flextronics oder Jabil erklärt sich dies auch aufgrund ihrer anti-gewerkschaftlichen Haltung, bei den Unternehmen aus Taiwan vor allem aus ihren familienunternehmerischen Traditionen, aber auch dem Einfluss von US-Kunden und der Sozialisation wesentlicher Teile des Managements in den USA. Eine gewerkschaftliche Vertretung 90

gibt es seit 2007 bei Foxconn in Shenzhen sowie bei LiteOn, einem ande- ren großen taiwanesischen Kontraktfertiger in Dongguan, worauf im folgenden noch genauer einzugehen ist.

• Die Komponentenhersteller und Zulieferer schließlich sind ebenfalls zumeist „gewerkschaftsfrei“. Auch diese sind typischerweise in den Exportzonen mit hohem Anteil von ArbeitsmigrantInnen angesiedelt, das Fehlen von Gewerkschaften entspricht auch dem zumeist wenig formalisierten Charakter des Personalmanagements in diesen Betrieben und den Traditionen kleinbetrieblicher business networks aus Hong Kong oder Taiwan. Einige wenige Ausnahmen finden sich unter taiwanesischen Unternehmen in den Provinzen Fujian und Zhejiang.

Eine institutionalisierte Existenz hat die ACFTU in vielen Industrieparks, die von großen Städten zur Ansiedlung von High-Tech Unternehmen errichtet wurden, so etwa in Beijing, Tianjin, Shanghai, Suzhou oder Guangzhou. In der Regel exi- stiert hier eine für den jeweiligen Industriepark zuständige Distriktgewerkschaft, die Teil der städtischen Verwaltung der Industrieparks ist und auch über Organisationen in einzelnen Betrieben verfügt. In Beijing zum Beispiel gibt es im Technologiepark Haidian eine Distriktgewerkschaft, die die etwa 40.000 Gewerk- schaftsmitglieder oder etwa 10 Prozent der Gesamtbeschäftigtenzahl des Technologieparks Haidian repräsentiert. Bei diesen Unternehmen handelt es sich überwiegend um kleine oder sehr kleine Firmen der Software- und Chipentwick- lung, für die oft keine eigene betriebliche Vertretung besteht, die Mitglieder wer- den direkt durch die Distriktgewerkschaft betreut. Die im Industriedistrikt vertrete- nen größeren Unternehmen haben zumeist ihre eigenen Gewerkschaften, die in der Regel aus den Gründungsinstitutionen dieser Firmen hervorgegangen sind (im Falle Lenovo zum Beispiel der Chinesischen Akademie der Wissenschaften; Lüthje 2008). Die Existenz der Gewerkschaften in den meisten Betrieben ist mehr oder weniger prekär, was dem oftmals ebenfalls prekären Status der Fir- men entspricht (Zhu 2005a). 91

Sind die High-Tech Zonen Beijings ein besonderes Beispiel für das fast völlige Fehlen institutionalisierter Arbeitsstandards, so ist die Situation in anderen, von modernen Produktionsunternehmen dominierten Industrieparks von einer stärke- ren Kooperation zwischen Industrieparkgewerkschaften und Unternehmen gekennzeichnet. So ist in Suzhou zum Beispiel die ACFTU längst nicht in allen Unternehmen vertreten, allerdings herrscht ein relativ starker gewerkschaftlicher Einfluss auf die Arbeitsstandards, die von recht stabilen Bedingungen für die Beschäftigten gekennzeichnet sind. Vergleichbare Verhältnisse herrschen etwa auch in der Technologie- und Wirtschaftsentwicklungszone in Guangzhou: in die- sem in unmittelbarer Nachbarschaft der Zentren der südchinesischen Niedriglohnproduktion gelegenen Industriepark mit einer breiten Produktions- und Branchenstruktur haben auch dort vertretene chinesische High-Tech Unternehmen in privatem Besitz eine im Betrieb fest etablierte Gewerkschaft. Ein Beispiel dafür ist der Computerhersteller Hedy – ein auf den nationalen Markt ausgerichteter Niedrigkostenproduzent, der in vielen Belangen eher den no- name Komponentenherstellern und Fertigungsdienstleistern ähnelt, aber in einem politisch relativ stark regulierten Kontext offenbar auch mit einer gewerkschaftlichen Vertretung existieren kann (Lüthje 2008 forthcoming).

Die Schwäche der Gewerkschaften in der IT-Industrie wurde zuletzt auch auf dem Gebiet arbeitspolitischer Gesetzgebung und Regulierung sichtbar, wo die ACFTU in der Regel über relativ starken Einfluss verfügt. Kurz vor dem Inkrafttre- ten des vielfach umstrittenen Arbeitsvertragsgesetzes erklärte Huawei seinen länger als sieben Jahren im Betrieb befindlichen Beschäftigten, etwa 7.000 an der Zahl, die Kündigung und legte diesen nahe, sich erneut beim Unternehmen zu bewerben. Damit sollte die automatische Umwandlung von befristeten Arbeitsverträgen in unbefristete umgangen werden, die durch das AVG für alle Arbeitnehmer mit mehr als zehn Beschäftigungsjahren im gleichen Betrieb obligatorisch wurde. Dieser in China weithin wahrgenommenen politischen Kampfansage an die von der Regierung gewünschte Politik „harmonischer Arbeitsbeziehungen“ wurde von einigen anderen namhaften IT-Unternehmen mit ähnlichen Maßnahmen nachvollzogen, so etwa vom südkoreanischen LG-Kon- 92 zern oder dem chinesischen Chip-Design Unternehmen Spreadtrum; andere Unternehmen gründeten Tochtergesellschaften, in die die Arbeitsverträge langjährig Beschäftigter überführt wurden ( www.tech.163.com ).

Huawei hat sich allerdings in dieser Auseinandersetzung nicht durchsetzen kön- nen. Das Verhalten des Unternehmens entfachte kontroverse Diskussionen in chinesischen Medien und Internetforen mit zumeist negativen Reaktionen (vgl. Chang 2007). Auch Umfragen von bedeutenden Tageszeitungen belegten, dass gerade unter qualifizierten High-Tech Beschäftigten die amtliche Rhetorik der „harmonischen Arbeitsbeziehungen“ ernst genommen wird und soziale Gerechtigkeit in der Beschäftigungspolitik auch in IT-Betrieben ein Thema ist (vgl. Luo 2007). Die Position Huaweis wurde vor diesem Hintergrund von der Mehrheit der chinesischen IT-Firmen nicht übernommen. In Medien oder Internetforen erklärten zahlreiche Unternehmen ihre Bereitschaft, das AVG anzuwenden - darunter staatseigene Unternehmen wie z.B. Datang Mobile oder der Konsumgüterhersteller Changhong, „hybride“ (Founder, Neusoft oder Unisplen- dor) sowie ausländische Unternehmen wie Dell Etwas überraschend war in die- sem Zusammenhang, dass sich auch Foxconn in einer breit publizierten Stellungnahme des Konzernchefs Guo Taiming für die Einhaltung des Arbeits- vertragsgesetzes aussprach und sogar eine Delegation von Arbeitsrechtsexper- ten und politischen Entscheidungsträgern zur Konsultation in das Unternehmen einlud ( www.chinanews.com ., 13.12.2007).

3.3 Arbeitskonflikte

Die Situation in der chinesischen IT-Industrie ist in den letzten Jahren von einer deutlichen Zunahme von Arbeitskonflikten geprägt. Darunter verstehen wir nach chinesischer Lesart innerbetriebliche Arbeitskonflikte zwischen Management und einzelnen oder Gruppen von Beschäftigten, Auseinandersetzungen vor Arbeits- 93 gerichten im Rahmen von Einzel- und Kollektivklagen sowie inoffizielle Streik- und Protestbewegungen einzelner Belegschaften, die vom chinesischen Staat als „spontane Massenaktionen“ bezeichnet werden. Arbeitskonflikte im Zusam- menhang mit Tarifverhandlungen fallen nicht darunter, da betriebliche Tarif- auseinandersetzungen in China - wenn überhaupt – ohne Mobilisierung durch die Gewerkschaften geführt werden. Zwar gibt es kein gesetzliches Streikrecht allerdings werden Streiks je nach Situation von den lokalen Behörden geduldet (Chang/Lüthje/Luo 2008).

Die Arbeitskonflikte in der IT-Industrie verlaufen allerdings sehr differenziert und widerspiegeln die unterschiedlichen Bedingungen in den jeweiligen Branchen- segmenten und Standorten. Arbeitskonflikte finden keineswegs nur in den dafür bekannten Niedriglohnbereichen statt, sondern auch in Sektoren mit relativ qualifizierter und hoch bezahlter Arbeit. Statistiken liegen hierzu generell nicht vor, die Arbeitskonflikte sind aber in China in begrenzter Weise öffentlich wahrnehmbar, insbesondere über lokale Medien und Internet. Charakteristisch für den IT-Sektor ist, dass Großkonflikte infolge der Restrukturierung von Staats- betrieben – wie in den letzten Jahren vor allem für die traditionellen Industrie- gebiete Chinas typisch (vgl. Lee 2007a) - nicht der zentrale Gegenstand sozialer Auseinandersetzungen sind. Eine Ausnahme bildet der Fall Samsung in Tianjin, wo das Unternehmen in einigen Joint Ventures mit chinesischen Staatsbetrieben deren traditionelle Belegschaften „abwickelte“ und durch ArbeitsmigrantInnen er- setzte (allerdings ohne Proteste und offenbar mit Unterstützung der örtlichen Gewerkschaft; Wong 2006: 86 f.). Insgesamt entstehen die Konfliktpotentiale in der IT-Industrie weniger aus dem Prozess des „unmaking of Mao’s working class“ (Lee 2007a), sondern werden von den in den verschiedenen Branchen- segmenten präsenten neueren Arbeiterschichten getragen.

Innerbetriebliche Arbeitskonflikte sind in chinesischen IT-Betrieben an der Tagesordnung, bleiben allerdings weithin anonym. Für die Exportbetriebe Südchinas ist diese Art von Arbeitskonflikten durch sozialwissenschaftliche For- schung und NGOs inzwischen recht gut dokumentiert und analysiert (Chan 2001, Lee 1998 und 2007a, Pun 2005, Chan, C. 2008). Sie werden in der Regel durch 94

Nicht-Zahlung von Löhnen und Überstundenzuschlägen, überharte Disziplinarmassnahmen (einschließlich körperlicher Züchtigungen) oder Arbeits- unfälle bzw. deren fehlende Kompensation ausgelöst. Damit in Zusammenhang steht oftmals die hohe Arbeitskräftefluktuation, also das Wechseln des Arbeitsplatzes in Reaktion auf schwer erträgliche Verhältnisse in einem Betrieb. Zugleich manifestiert sich darin der Protest gegen die statusrechtliche, geschlechtliche und kulturell-ethnische Diskriminierung von ArbeitsmigrantInnen. Interessanterweise entstehen solche Konfliktszenarien auch am „oberen Ende“ der Produktionsnetze, also in den innovativen Technologiefirmen an Standorten wie Beijing Zhongguancun. Dort geht es zumeist auch um Nicht-Zah- lung von Gehältern, zu lange Arbeitszeiten sowie die Auseinandersetzungen um die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen (einschließlich damit berührter Qualifikationschancen und geistiger Eigentumsrechte; Zhu 2005a und b).

Nur eine relativ kleine Zahl solcher Konflikte wird in formalisierter Weise über die Arbeitsgerichte ausgetragen. Generell ist die IT-Industrie ein Brennpunkt für den in den letzten Jahren zu verzeichnenden sprunghaften Anstieg von arbeitsrechtli- chen Auseinandersetzungen in China, die auf ein gesteigertes individuelles Rechtsbewusstsein der Beschäftigten hinweisen und im Falle von Gemeinschaftsklagen durchaus auch den Charakter kollektiver Arbeitskonflikte annehmen (Lee 2002: 17). Auch solche Arbeitskonflikte konzentrieren sich in besonderer Weise in Südchina. So hat die Provinz Guangdong bereits seit den 1990er Jahren die bei weitem höchste Anzahl offiziell registrierter und durch Ge- richte oder lokale Behörden geschlichteter Arbeitskonflikte im Land (Sun 2000:168 ff.). Die individuelle Widerstandsbereitschaft wird unterstützt durch eine wenn auch begrenzte, aber wachsende Publizität von Rechtsverletzungen im Be- trieb, vor allem durch lokale Medien (ausführlich Chan 2001) und sich rasch entwickelnde, als NGOs fungierende Netzwerke der Beratung und Unterstützung. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist auch die zunehmende Rolle von Unterstützungsvereinen von Wanderarbeiten, NGOs und so genannter „Barfuss- anwälte“, also Arbeiter mit selbsterlerntem juristischem Wissen, die anderen Arbeitsmigranten bei Gerichtsklagen gegen geringe Gebühren behilflich sind 95

(Zhang 2007). Im Bereich der qualifizierten Angestelltenarbeit gibt es ebenfalls zahlreiche arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen um die bereits zuvor genannten Probleme. Hinzu kommen Gerichtsklagen gesundheitlich beeinträchti- ger Beschäftigter gegen diskriminierende Behandlung oder Entlassungen - so in zwei weithin beachteten Fällen bei Nokia und IBM, wo Angestellte mit chroni- schen Krankheiten relativ hohe Kompensationsforderungen durchsetzen konnten (RR 24.6.2008)

„Inoffizielle Massenaktionen“ sind in der IT-Industrie ebenfalls recht zahlreich. Brennpunkt ist der Bereich der industriellen Massenarbeit in der Kontraktferti- gung und bei den kleinen und mittleren Zulieferern, geographisch also wiederum Südchina. Hier gibt es seit einigen Jahren – in zugespitzter Form seit dem Einsetzen der so genannten Arbeitskräfteknappheit im Pearl River Delta 2004 - zahlreiche Streiks, deren Zahl niemand genau kennt. Größere und auch in den chinesischen Medien dargestellte Arbeitskämpfe gab es unter anderem bei dem japanischen Telefon- und Funkgerätehersteller UNIDEN im Sommer 2005, bei dem Unternehmen Computime aus Hong Kong (ein Hersteller von Zeiterfassungssystemen) und dem bislang im Besitz der deutschen Quandt- Gruppe befindlichen Unternehmen Friwo. Auch bei bekannten internationalen Markenfirmen in großstädtischen Standorten ist es zu kollektiven Arbeitskonflik- ten gekommen. Ein besonderes Beispiel dafür lieferte der Fall der Handyproduk- tion von BenQ-Siemens: hier gab es im Zuge der Krise dieses Unternehmens in den Jahren 2006/07 öffentlich weithin beachtete Protestkundgebungen der Angestellten in der Entwicklung am Standort Beijing gegen den Transfer von Sie- mens zu BenQ, später folgte im Werk Shanghai eine mehrtägige Arbeitsniederle- gung von Produktionsbeschäftigten zur Durchsetzung von Kompensationszahlungen für den bevorstehenden Arbeitsplatzabbau (www.sina.com , 8.11.2008). Auch bei anderen bekannten multinationalen Elektronikunternehmen hat es vergleichbare Protestaktionen gegeben, so etwa bei Philips in Suzhou im Falle des Verkaufs der Bildschirmfertigung im Jahre 2004 sowie im Jahre 2006 der Mobilfunkfertigung an Firmen aus Taiwan, wobei es ebenfalls um Abfindungen und Ausgleichszahlungen ging (vgl. RR 23.6.2006). 96

Die Streiks im Bereich der Produktionsarbeit entstehen zumeist spontan, haben eine große Dynamik, sind aber nur von relativ kurzer Dauer. Im Falle Computime in Shenzhen konnten die etwa 3.000 Beschäftigten im Jahre 2004 mit einer zweitägigen Protestaktion, die in einer Straßenbesetzung kulminierte, eine Lohnerhöhung von 170 Prozent durchsetzen Die Proteste waren dadurch entstanden, dass der in der Firma gezahlte Basislohn mit etwa 230 RMB pro Mo- nat um etwa die Hälfte unter der zu dieser Zeit gültigen örtlichen Mindestlohn von 574 RMB lag (SCMP 8.10.2004). Im Falle UNIDEN nutzten die Beschäftigten die im Zusammenhang mit den Besuchen des früheren japanischen Premierminis- ters Koizumi an nationalistischen Kriegerdenkmälern im Sommer 2005 entstan- dene Welle anti-japanischer Proteste in China, um mit einem Streik gegen ihren japanischen Arbeitgeber auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Hier wurden nach einem mehrtägigen, ebenfalls mit Straßenaktionen geführten Arbeitskampf wiederum erhebliche Lohnerhöhungen gewonnen, anschließend wurde von der Stadt Shenzhen zur Stabilisierung der Situation im Betrieb die Einsetzung einer Gewerkschaft angeordnet (NGO Interviews 2005-06).

Im Falle des deutschen Unternehmens Friwo führten die (im Anhang dokumentierten) miserablen Verhältnisse in den beiden Betrieben des Unterneh- mens im August 2007 zu einem viertägigen Streik, der zumindest lokal große Aufmerksamkeit fand. Auslöser war eine von der Firma verlangte Erhöhung der Arbeitsnormen bei den Produktionskräften und eine Kürzung der Überstunden der VorarbeiterInnen und TechnikerInnen. Darüber hinaus war zur Reduzierung der Personalfluktuation eine Regelung eingeführt worden, wonach Arbeitskräften, die ohne „Erlaubnis“ kündigen, der letzte Monatslohn einbehalten wird. Auch ging es um ein breites Spektrum von unmittelbaren Verbesserungen der Essensversorgung, der Wohngeldzahlungen für außerhalb untergebrachte, des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz, der Regelung und Bezahlung von Überstunden sowie des Zustandes der Wohnheime. Die Arbeitsniederlegung ging zunächst von den VorarbeiterInnen und TechnikerInnen des Betriebes aus, die Produktionskräfte schlossen sich später mit eigenen Forderungen an, die sich besonders auf die Erhöhung der Basislöhne richteten. Diese wurde vor al- 97 lem dadurch verstärkt, dass die für den betreffenden Monat angekündigte Erhö- hung der Mindestlöhne durch die Stadt Shenzhen überraschenderweise nicht ge- währt wurde, wodurch die „Sparmassnahmen“ der Unternehmensleitung auf den Lohnzetteln direkt sichtbar wurden. Der Streik führte zu Protestaktionen und ei- ner Straßenbesetzung, die von der Polizei geduldet wurde. Die Auseinanderset- zung konnte schließlich mit Hilfe der städtischen Arbeitsbehörden beendet wer- den, die eine rasche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1.10.2007 versprachen 8.

Die hohe Konfliktivität der Arbeitsbeziehungen in den Großbetrieben der Kon- trakt- und Komponentenfertigung aber auch im Bereich besser gestellter Beschäftigter bei multinationalen Markenfirmen verweist auf das weitgehende Fehlen kollektiver Formen der Festlegung von Arbeitsnormen und der Regulie- rung von Interessengegensätzen. Die vorstehend geschilderten Fälle sind inso- fern symptomatisch für die in China herrschenden Verhältnisse, als Arbeitsauseinandersetzungen recht schnell eskalieren können und dabei mei- stens zu direkten Forderungen an den Staat führen (vgl. Taylor e.a. 2003, Lee 2007a, Chang/Lüthje/Luo 2008). Es beleuchtet zugleich die problematische Rolle der chinesischen Gewerkschaften. Diese reagieren sozusagen im Nachhinein und oft „von außen“ auf solche Entwicklungen und sind im Zweifel weder in der Lage als betriebliche „Gegenmacht“, noch als „Ordnungsfaktor“ zu agieren.

Diese Problematik wird aber offenbar auch innerhalb der chinesischen Gewerk- schaften zunehmend gesehen. In bemerkenswerter Deutlichkeit wird dies seit Anfang 2008 von den Gewerkschaften in Shenzhen zum Ausdruck gebracht, offenbar unter dem Eindruck der zahlreichen „inoffiziellen Massenaktionen“ in den Exportbetrieben während der letzten Zeit. In Zeitungsartikeln hochrangiger Vertreter der Stadtgewerkschaft Shenzhen wird gesagt, dass Streiks in einer

8 Das Unternehmen erklärte später in einer in Deutschland veröffentlichten Presseerklärung, der Streik sei durch die verspätete Erhöhung des Mindestlohns zustande gekommen. Die Forderungen der Streikenden bezogen sich aber auf ein sehr viel weiteres Spektrum unmittelbarer sozialer Verbesserungen am Arbeitsplatz, die mit der Erhöhung des Mindestlohnes kaum etwas zu tun haben.

98 entwickelten Marktwirtschaft eine normale Erscheinung seien – vergleichbar mit periodischen Konflikten zwischen Ehepartnern (NR 12.4.2008). Die Stadt Shenz- hen veröffentlichte im Juli 2008 einen in China viel beachteten „Richtlinienentwurf zur Entwicklung harmonischer Arbeitsbeziehungen“ (Shenzhen 2008). Darin wird erstmals in einem solchen Dokument von einem politischen Beschlussorgan in China die Verpflichtung von Unternehmern, Arbeitnehmern und Staatsorganen zur wechselseitigen Konsultation bei der Regelung innerbetrieblicher Konflikte hervorgehoben und eine Reihe dreiseitiger Konsultationsmechanismen vorgeschrieben. Vor allem wird gefordert, dass die Unternehmen den Aufbau gewerkschaftlicher Vertretungen der Beschäftigten respektieren und unterstützen sollten und die Arbeitnehmer das Recht zu einer aktiven Teilnahme an den gewerkschaftlichen Aktivitäten haben.

Mit solchen nach bisherigen Maßstäben sehr weit gehenden arbeitspolitischen Reformen wird versucht, den zunehmenden sozialen Spannungen in den Betrie- ben mit der Schaffung eines Regulierungsrahmens zu begegnen, der sich an der Zielvorstellung dreiseitiger Konsultation orientiert. Angesichts der geschilderten Erfahrungen gerade auch aus der IT-Industrie bleibt allerdings abzuwarten, ob die im Rahmen solcher Politiken lokaler Regierungen geschaffenen Arbeitnehmervertretungen jenes Minimum an Legitimation und Repräsentativität erlangen können, welches eine auch nur begrenzte Vertretung von Arbeitnehmerinteressen erfordert. Die bisherigen Erfahrungen stimmen in dieser Hinsicht eher skeptisch – auch die zur Zeit in der Diskussion befindliche Einfüh- rung eines betrieblichen Beschwerde- und Schlichtungsverfahrens kann letztlich nicht das Problem beseitigen, dass die Gewerkschaften aufgrund ihrer weitgehenden Absenz in den „Brot-und-Butter“-Fragen betrieblicher und tarifli- cher Interessenvertretung kaum als legitimierter Akteur innerhalb des von der chinesischen Politik angezielten tripartistischen Vertretungsmodells agieren kön- nen (Chang/Lüthje/Luo 2008).

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3.4 Arbeitsstandards in der IT-Industrie – gewerkschaftliche Perspektiven

Auch wenn über die vorstehend geschilderten Arbeitskonflikte in der IT-Industrie in China nur wenig und im Ausland fast überhaupt nicht berichtet wird, haben die zunehmenden Spannungen unter den Vorzeichen einer anhaltenden boomarti- gen Nachfrage nach Arbeitskraft dem Thema Arbeitsstandards einen wichtigen Stellenwert verschafft. Dabei wurde von internationalen Finanzanalysten schon seit längerer Zeit die These vertreten, dass die in den chinesischen Exportindust- rien entstandenen Regimes sozial weitgehend entregulierter Massenproduktion zu Niedriglohnbedingungen insbesondere in Bereichen wie der Kontraktfertigung und der Komponentenproduktion früher oder später zu unbeherrschbaren sozia- len Konflikten führen müssen. Diese Einsichten erwuchsen insbesondere vor dem Hintergrund der Debatten um die Arbeitskräfteknappheit im Pearl-River Delta und anderen Regionen der chinesischen Exportproduktion 9.

Vor diesem Hintergrund kam es unter den in China vertretenen Wirtschaftseliten, besonders auch aus der Elektronikindustrie, zu einer verstärkten Propagierung von Verhaltenskodizes und Konzepten unternehmerischer Sozialverantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR, vgl. z.B. FIAS/BSR 2007 ). Dies wurde zunächst durch Konflikte in anderen global bedeutenden Niedrigkostenstandor- ten der IT-Industrie vorangetrieben, namentlich Mexiko, allerdings hatten auch NGOs aus Hong Kong oder China bereits seit Jahren über miserable Arbeitsbedingungen insbesondere bei kleineren Komponentenherstellern und Auftragsfertigern in China berichtet (Leong/Pandita 2006). Besondere Aufmerksamkeit erhielt im Jahre 2004 ein Report der britischen Organisation CAFOD über die repressiven Arbeits- und Beschäftigungspraktiken bei US-

9 So zitierte das Asian Wall Street Journal am 23.8.2004 den Greater China Economist der Citigroup in Hong Kong, Huan Yiping, mit einer prägnanten Analyse der Folgen der Arbeitskräfteknappheit im Pearl River Delta : “ Rising labor costs would inevitably hurt corporate profits. Rising labor costs would force companies to upgrade technologies and improve efficiency. Increasing incomes for migrant workers would boost consumption. Rising incomes may translate into higher inflationary pressures. The current situation cannot be sustained”.

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Kontraktfertigern in Mexiko, Thailand und China, der insbesondere durch die britische Wirtschaftszeitung Financial Times verbreitet wurde. Die Veröffentli- chung des CAFOD-Berichtes führte zur Bildung eines von Hewlett-Packard geführten Konsortiums führender US-Computerhersteller mit den großen internationalen Kontraktfertigern wie Flextronics, Solectron oder Foxconn, wel- ches einen so genannten Electronics Industry Code of Conduct (EICC) entwi- ckelte. Dabei handelt es sich um einen insgesamt eher schwachen Verhaltens- kodex, der deutlich hinter denen anderer Branchen wie etwa der Bekleidungs- oder der Schuhindustrie zurückbleibt. Hinsichtlich der entscheidenden Frage der gewerkschaftlichen Vertretungsrechte und tarifvertraglicher Repräsentation wer- den nicht einmal die international anerkannten Kernarbeitsnormen der Weltarbeitsorganisation ILO erfüllt (Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). Die EICC-Initiative wurde inzwischen um einen Konsultationsmechanismus mit internationalen NGOs ergänzt und in Electronics Industry Citizenship Coalition umbenannt (SACOM/Bread for All 2008).

Die Einführung eines solchen Verhaltenskodex, der auf Seiten einiger europäi- scher Unternehmen wie z. B. Siemens durch mit den Betriebsräten abgeschlos- sene International Framework Agreements (IFA) ergänzt wird (vgl. Steiert 2006), hat allerdings unseres Wissens kaum zu konkreten Verbesserungen in chinesi- schen IT-Betrieben geführt. Unabhängige Inspektionen der Kontraktfertigungs- betriebe wurden von Firmen wie HP oder Apple regelmäßig mit Verweis auf den Schutz des geistigen Eigentums an den in den betreffenden Betrieben gefertig- ten Produkten und die Gefahr des „Abkupferns“ von Systemdesigns verwehrt. Konzepte der Corporate Social Responsibility (CSR), die in der chinesischen Elektronikindustrie und vergleichbaren Branchen fast schon inflationäre Verbrei- tung gefunden haben, unterliegen ähnlichen Beschränkungen. Von den beteilig- ten multinationalen Unternehmen wurde freiwillige Sozialverantwortlichkeit der Unternehmen offenbar auch als „Alternativangebot“ zu schärferen Arbeitsgeset- zen, insbesondere dem neuen Arbeitsvertragsgesetz propagiert (Chang/Luo/Lüthje 2008). 101

Zu einem Konfliktfall, der auch aus nationaler Perspektive das arbeitspolitische Regime in den Montagebetrieben Südchinas zum Thema machte, wurde im Sommer 2006 eine Auseinandersetzung um die Arbeitspraktiken des Kontraktfertigers Foxconn. Ausgehend von einem Bericht in einer Boulevardzei- tung in Großbritannien über die Arbeitsbedingungen in der Produktion des iPod- Musicplayers von Apple im Foxconn-Werk Shenzhen erschienen in chinesischen Medien zahlreiche Berichte über Niedrigstlöhne und überlange Arbeitszeiten in diesem Betrieb. Auch die gut ausgebauten sozialen Kontrollmethoden des Unternehmens konnten nicht verhindern, dass ArbeiterInnen über zahlreiche Verletzungen bestehender Gesetzesvorschriften als gängige Praxis berichteten. Der Versuch des Unternehmens, durch eine gerichtliche Schadensersatzforde- rung von 3 Millionen EUR gegen die Journalisten eines bekannten chinesischen Wirtschaftsmagazins die Veröffentlichung solcher Berichte zu verhindern, führte zu heftigen Protesten in chinesischen Medien, einschließlich des Zentralorgans der KP Chinas. Das Gerichtsurteil wurde daraufhin mit Zustimmung des Unternehmens zurückgenommen, anschließend wurde die Einsetzung einer offiziellen Gewerkschaft angekündigt (Xinhua 1.9.2006). An dem betreffenden Gericht in Shenzhen wurden kurze Zeit später mehrere Richter wegen Verwick- lung in Korruptionsfälle verhaftet (RR, 13.11.2006). Das Unternehmen hat seit- dem sein arbeitspolitisches Auftreten deutlich verändert. Die bereits zitierte öffentliche Selbstverpflichtung auf das Arbeitsvertragsgesetz ist der offenkun- digste Ausdruck dieser Entwicklung. Auch beteiligt sich Foxconn aktiv an von chinesischen Experten entwickelten Aktivitäten zu einer verbesserten Umsetzung von Bestimmungen des Arbeitsvertragsgesetzes und anderer in Gesetzen kodifizierter Arbeitsstandards.

Solche Beispiele bezeugen die hohe Veränderungsdynamik in den industriellen Beziehungen Chinas, die offenbar auch die Grundlagen des despotischen Produktionsregimes in Branchen wie der Elektronik-Kontraktfertigung untergräbt. Allerdings ist auch festzustellen, dass die unter dem Stichwort Corporate Social Responsibility entwickelten Aktivitäten bislang nur wenig zur Verbesserung der Situation in den Betrieben beigetragen haben. So bemängeln neuere, auf hohem 102 professionellen Niveau angefertigte Berichte von NGOs, dass in Zulieferbetrie- ben für Unternehmen wie HP, Apple oder Nokia die notorischen Probleme niedri- ger Löhne, überlanger Arbeitszeiten, hoher Arbeitsintensität und problematischer Bedingungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes weiter bestehen. Zudem haben die Arbeiter nach wie vor kaum Möglichkeiten, ihre Beschwerden und Forderung innerhalb des Betriebes in geregelter Form zur Geltung zu bringen, der EICC -Verhaltenskodex ist den meisten Arbeitskräften nicht bekannt. Dies gilt auch für größere Komponentenhersteller und Kontraktfertiger, auch solche, die über eine Gewerkschaft verfügen (SACOM 2007; SACOM/Bread for All 2008; Chan e.a. 2008).

Diese Erfahrungen verweisen erneut auf das Problem der fehlenden institutionel- len Absicherung von Arbeitnehmerrechten in den betreffenden Bereichen des IT- Sektors und die mangelnde Vertretungsfähigkeit der Gewerkschaften. Die im vorigen Abschnitt angesprochenen Fälle Foxconn, UNIDEN und Friwo sowie die im Rahmen der vorliegenden Studie getätigten Recherchen zeigen, dass selbst nach der Einsetzung einer Gewerkschaft die „systemischen“ Verletzungen des Arbeitsrechtes fortdauern. Die Aktivitäten von NGOs vermögen hier die öffentli- che Aufmerksamkeit in den Industrieländern und teilweise auch in China zu mobilisieren. Allerdings reicht ein solcher Einfluss „von außen“ kaum aus, um re- ale Verbesserungen der betrieblichen Verhältnisse durchzusetzen. Zugleich fin- det eine Einflussnahme auf die Produktionssysteme einzelner Markenfirmen und deren Kontraktfertiger ihre Grenzen im Fehlen unternehmensübergreifender Arbeitsstandards innerhalb des IT-Sektors bzw. der wesentlichen Standortregio- nen der Branche in China. Gerade angesichts der starken Differenzierung der chinesischen IT-Industrie mit stark unterschiedlichen Produktionsregimes in den einzelnen Branchensegmenten erscheint die Verankerung von Arbeitsstandards in kollektivvertraglichen oder anderen demokratisch kontrollierten Formen als ein recht komplexer Prozess der „Wiederaufforstung“ sozialer Regulierungen.

Unter den herrschenden Verhältnissen in China scheint dies bis auf weiteres nur beschränkt im Rahmen tarifvertraglicher Verhandlungsprozesse vorstellbar, viel- 103 mehr ist von einem policy mix aus staatlichen Regulierungen, Ansätzen einer verbesserten gewerkschaftlichen Vertretungspolitik und sozialen Mobilisierungen der Lohnabhängigen auszugehen. Für die betriebliche Ebene wurden hier mit dem AVG wesentliche Grundlagen geschaffen. Paragraph 4 dieses Gesetzes sieht ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber für alle relevanten Aspekte der betrieblichen Arbeitsbedingungen und -abläufe in Verhandlungen mit Gewerkschaften oder Beschäftigtenvertretern Regeln festzulegen hat (White 2008: 7). Hier besteht ein Ansatzpunkt zur Regulierung betrieblicher Arbeitsstan- dards, die nicht nur Löhne und Arbeitszeiten sondern auch qualitative Elemente des Arbeitsprozesses wie Arbeitsorganisation, Aus- und Weiterbildung, Beförde- rung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz umfassen können. Durch entspre- chende Koordination – etwa durch best practice -Modelle, lokale Rahmenvereinbarungen oder Verordnungen der Arbeitsbüros ist hier auch eine Standardisierung von Arbeitspraktiken über den Rahmen der einzelnen Betriebe hinaus denkbar. Solchermassen definierte Arbeitsstandards können auch im internationalen Kontext von NGOs, Gewerkschaften oder Betriebsräten eingefor- dert werden, auch im Rahmen von IFA-Vereinbarungen.

Die in Abschnitt 2.4 beschriebenen branchenweiten Sozialprobleme in der chinesischen IT-Industrie verweisen auf die inhaltlichen Ansatzpunkte einer sol- chen Institutionalisierung von Arbeitsstandards und die Kriterien ihrer Weiterentwicklung. Kernproblem ist sicherlich die Anhebung der Basislöhne auf existenzsicherndes Niveau für städtische Arbeiter mit dem Ziel einer Reduzie- rung des Zwanges zu überlangen Arbeitszeiten und der extremen Lohnunter- schiede zwischen Produktions- und Fachkräften. Ein zweiter Ansatzpunkt ist die qualitative Verbesserung der Arbeitsprozesse durch einen Abbau der oft extre- men Segmentierung der Arbeitsvollzüge, integrative Arbeitsformen und die Verbesserung von Qualifizierung und deren Anerkennung in den betrieblichen Lohnsystemen. Damit verbunden ist die Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes , insbesondere die Überführung der in einzelnen Bereichen relativ weit gehenden staatlichen Vorschriften in betriebsbezogene Vereinbarun- gen und Regulierungen. Ein viertes Kernproblem besteht in der Herstellung von 104 minimalen Formen der Beschäftigungssicherheit , d. h. des Schutzes der Beschäftigten vor den Folgen von Entlassungen und Betriebsschließungen, so- wie die Stärkung von Senioritätsregeln, d.h. die Anbindung von beruflichen Entwicklungschancen, Lohneinstufung und Kündigungsschutz an die Dauer der Betriebszugehörigkeit, wie ansatzweise nunmehr durch das AVG vorgeschrieben. Der letzte wesentliche Problembereich, der perspektivisch kollektivvertraglichen Regelungsformen zugänglich sein sollte, bilden schließlich die betrieblichen Sozialeinrichtungen , d.h. insbesondere Kantinenessen, Freizeiteinrichtungen und Wohnheimunterbringung, die ja einen wesentlichen Teil des Sozialraumes Be- trieb wie auch des Instrumentariums der Managementkontrolle ausmachen.

3.5 Arbeitsstandards, „innovationsbasiertes Wachstum“ und globale Regulierung

Die in dieser Studie vorgenommene Analyse der Branchenstrukturen, der Arbeitsregimes und der Sozialprobleme in der chinesischen IT-Industrie soll auch eine veränderte Betrachtung der Problematik der Arbeitsstandards anregen. Die hier vorgeschlagene Perspektive bezieht sich auf branchenweite soziale Mindestnormen von Arbeit und ihrer Entlohnung. Sie geht über das in der internationalen Debatte gebräuchliche Konzept der „Kernarbeitsstan- dards“ hinaus, weil sie nicht nur auf allgemeine Grundbedingungen menschenwürdiger Arbeitsverhältnisse und gewerkschaftlich-sozialer Vertretungsrechte abhebt. Vielmehr ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die IT-Industrie in China zum überwiegenden Teil auf sehr modernem, zumeist den entwickelten Industrieländern vergleichbarem technologischen und organisatorischen Niveau arbeitet, Arbeitsbedingungen und Entlohnung für die verschiedenen Beschäftigtengruppen aber sehr ungleich sind und eine extensive Ausbeutung der Arbeitskraft vorherrscht. Maßstab sind dabei die im Land vorherrschenden, sich in rascher Veränderungen befindlichen gesellschaftlichen Standards von Arbeit und Entlohnung. Die gesellschaftliche Verankerung 105 branchenweiter Arbeitsstandards verweist zugleich auf die Notwendigkeit einer umfassenden industriegewerkschaftlichen Organisierung und eines grundlegen- den Umbaus der Gewerkschaften zu von Staat und Unternehmen unabhängigen, demokratisch kontrollierten Arbeitnehmerorganisationen, wie er heute vielfach auch von chinesischen Experten gefordert wird (Chang u.a. 2008).

Eine stärkere Berücksichtigung sozialer Belange von Arbeitnehmern – und hier insbesondere von ArbeitsmigrantInnen – in der IT-Produktion findet heute vielfäl- tige Anknüpfungspunkte im offiziellen politischen Diskurs in China und dem von Partei- und Staatsführung propagierten Konzepten der „harmonischen Gesell- schaft“ und des „wissenschaftlichen Wachstums“. Auch die gerade im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertragsgesetz von chinesischen Experten vertretene Forderung, das „Sweatshop-Image“ der Industrieproduktion des Lan- des zu überwinden (RR 30.12.2007), liegt auf dieser Linie. Die starke Polarisie- rung der Einkommensverhältnisse in der IT-Industrie bietet eine geradezu beispielhafte Illustration der zunehmenden sozialen Ungleichheiten in China, die sich beispielsweise in dem auch offiziell beklagten beispiellos hohen „Gini- Koeffizienten“ der ungleichen Einkommensverteilung niederschlägt (RR 9.1.2008). Darüber hinaus sind aber auch die qualitativen Dimensionen des wirt- schaftlichen Wachstums angesprochen, sowohl hinsichtlich der technologisch- organisatorischen Innovationsfähigkeit der chinesischen IT-Industrie als auch der ökologischen Nachhaltigkeit des Wachstums. Wie bereits im ersten Abschnitt dieser Studie diskutiert, verfolgt China zwar eine ambitionierte Industriepolitik mit einem insgesamt relativ hohen Niveau staatlicher Regulierung, zugleich aber führt die Übernahme westlicher Marktmodelle und Innovationsformen zu einer zunehmenden Zersplitterung der indigenen Kapazitäten und zu ökonomischer und sozialer Polarisierung.

Die Frage der Arbeitsstandards hat offensichtlich viele Berührungspunkte mit der Problematik des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in der IT-Produktion und der damit verbundenen Entsorgungsproblematik. Wie in Abschnitt 1.5 dargestellt, ha- ben die Untersuchungen der Umweltorganisation Greenpeace über die Entsor- gung von Computern in China und anderen industriellen Entwicklungsländern 106 einige signifikante Veränderungen in der chinesischen Politik angestoßen (Pu- ckett 2006). Neben der Verabschiedung der an europäischen Standards ausgerichteten chinesischen Entsorgungsrichtlinie für Elektronikmüll und generell verschärfter Kontrollen für die Einfuhr von Altgeräten sind eine Reihe weiterer bemerkenswerter Maßnahmen in Gang gesetzt worden. So erließ das Ministe- rium der Informationsindustrie (MII) mit Wirkung vom 1.3.2007 eine Richtlinie, die den Import von Elektronikgeräten verbietet, die nicht dem Standard der nationa- len Entsorgungsrichtlinie entsprechen (RR 3.3.2006). In August 2008 verabschie- dete der Staatsrat, das chinesische Kabinett, einen Gesetzentwurf zur Verwer- tung von Elektronikaltgeräten, das den Aufbau eines umfassenden Systems von Recyclinganlagen und eine Rücknahmepflicht durch die Gerätehersteller vorsieht. Dadurch soll dem vor allem in Dorfgemeinden betriebenen „wilden“ Recycling mit seinen gefährlichen ökologischen und arbeitsgesundheitlichen Folgen ein Riegel vorgeschoben werden (RR 21.8.2008).

Die Politikveränderungen in diesem Bereich können als Beispiel für die relativ hohe Anpassungsfähigkeit des chinesischen politischen Systems auf die von einer raschen wirtschaftlichen „Modernisierung“ ausgelösten ökologischen und sozialen Probleme gewertet werden. Dazu gehört auch der Umstand, dass chinesische und ausländische NGOs und Umweltexperten seit etwa 2006 in den einschlägigen Diskussionen in der chinesischen Expertenöffentlichkeit Gehör fin- den. Wie in allen anderen Politikbereichen sagt dies allerdings noch wenig dar- über aus, wie und ob diese Politiken im lokalen Bereich umgesetzt werden. Auch ist festzustellen, dass die verschiedenen Diskussionen und Expertendiskurse zu den einzelnen Themenfeldern der Umwelt-, der Arbeits- und der Innovationspoli- tik weitgehend getrennt verhandelt werden (vgl. 1.5). So sind zum Beispiel Fra- gen einer ökologischen und energiesparenden Produktgestaltung noch kaum in die Agenda nationaler Programme der Industriepolitik eingegangen, obwohl die ehrgeizigen Projekte zur Entwicklung „indigener Technologien“ etwa im Bereich der Chipentwicklung auch mit ökologischen Zielproklamationen versehen sind. Auch könnte eine veränderte Regulierung des Wettbewerbes, der Preise und der Zulassungsbestimmungen für Kommunikationsgeräte wie Handys die 107

Entsorgungsproblematik erheblich entschärfen (vgl. Lüthje 2006 in Smith e.a.). Angesichts der nach wie vor relativ weitgehenden Befugnisse staatlicher Behör- den bei der Marktzulassung und bei der Vergabe von Produktionslizenzen für IT- Produkte wäre es durchaus auch denkbar, arbeitspolitische und –ökologische Minimalstandards für die Zulassung von Produkten und Produzenten zur Bedin- gung für Marktzugang und Errichtung von Produktionsbetrieben zu machen.

Der politische Diskurs widerspiegelt in dieser Hinsicht einerseits die bürokrati- schen und technokratischen Beschränkungen der einschlägigen Debatten in China, andererseits aber auch die Defizite der politischen Auseinandersetzungen über die Industrie- und Regulierungspolitik im IT-Sektor in westlichen Industrieländern und auf internationaler Ebene (vgl. Lüthje 2001, Lüthje/Sproll 2002, Smith e.a. 2006). Hinzu kommt, dass die fortgeschrittene Verlagerung der Innovationspotentiale Chinas auf private Unternehmen die Steuerungsfähigkeit des Staates bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien, aber auch hinsicht- lich der Durchsetzung sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zunehmend ein- schränkt (Liu/Lüthje/Pawlicki 2007). Auf der anderen Seite haben die offiziellen Interessenrepräsentanzen der lohnabhängigen Bevölkerung in China die ökologi- sche und soziale Problematik der IT-Produktion bislang kaum zum Thema ge- macht. Besonders gilt dies auch für die Gewerkschaften. Diese begreifen zwar organisatorische und strukturpolitische Verbesserungsvorschläge für die von ih- nen vertretenen Industriebranchen durchaus als ihr Aufgabengebiet. Allerdings wurden etwa von der einschlägigen Industriegewerkschaft des ACGB die Fragen der Arbeitsbedingungen in der IT-Produktion nicht öffentlich aufgegriffen, auch nicht im Zusammenhang mit der immer wieder angekündigten gewerkschaftli- chen Organisierung namhafter ausländischer IT-Unternehmen.

Anknüpfungspunkte für die industriepolitische Diskussion eröffnen sich in letzter Zeit allerdings auch auf regionaler Ebene. Im Zuge des fortgesetzten Standortwettbewerbes zwischen führenden Industrieregionen Chinas wird von den beteiligten Städten und Provinzen immer stärker die Zielvorstellung eines technologie- und wissensorientierten Wachstums mit der Schaffung neuer Industriecluster in den verschiedenen Bereichen der „Hochtechnologie“ vertreten. 108

Dies gilt besonders für jene Provinzen, die in besonderer Weise von der Vorherr- schaft großflächiger Strukturen der einfachen Massenproduktion für den Welt- markt gekennzeichnet sind, namentlich Guangdong in Südchina. Von den einschlägigen Behörden und Planungsgremien der Provinz wird seit einigen Jah- ren die Forderung erhoben, im Sinne eines beschleunigten industrielles „upgra- ding“ arbeitsintensive Montageindustrien zurückzudrängen. In diesem Sinne wird zum Beispiel die von zahlreichen Elektronikfirmen betriebene Verlagerung von Produktionen in andere Niedrigkostenländer wie Vietnam oder nach Innerchina als industriepolitisch durchaus erwünscht eingeschätzt (NR 17.4.2008). Zuge- spitzt hat sich diese Entwicklung in jüngster Zeit mit dem Rückgang der Exportnachfrage seit dem Auftreten der Finanzkrise in den USA im Jahre 2007, allerdings treten seit dem Spätsommer 2008 die massiven Folgen des Zusammenbruches zahlreicher kleiner und mittlerer Zulieferindustrien und der abzusehenden Massenarbeitslosigkeit von Arbeitsmigranten in den Vordergrund (RR 27.9.2008).

Insofern erscheint ein „Rückbau“ der über viele Jahre zur Beschäftigung und Ausbeutung schlecht bezahlter ländlicher Arbeitskräfte entwickelten klein- und mittelbetrieblichen Leichtindustrien keineswegs ausreichend zur Verbesserung von Industriestrukturen, Arbeitsbedingungen und Ökologie. Das Problem scheint unseres Erachtens vielmehr darin zu liegen, dass auch innerhalb der großbetrieblichen Elektronikfertigung, insbesondere in den Fabriken und Industrieparks der Kontraktfertiger, eine durchgreifende Verbesserung der Arbeitsbedingungen, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Qualifikationsentwicklung der Mehrheit der Lohnabhängigen angesagt ist. Die Schließung oder Verlagerung von Betrieben würde keineswegs das Problem lö- sen, dass gerade in den „modernen Kernen“ der großbetrieblichen IT- Massenproduktion in China die herrschenden neo-tayloristischen Arbeitsregimes ein langfristiges upgrading von Arbeitsorganisation und Arbeitskräften systema- tisch verhindern.

Natürlich wirft dies die Frage nach der Funktionsweise der globalen Produktions- netze der IT-Industrie auf, insbesondere hinsichtlich der Abhängigkeit von 109

Zulieferern und Kontraktfertigern von den Markenfirmen. Das Grundproblem da- bei ist, dass die eingangs dargestellte vertikale Spezialisierung einerseits zu einer durchgreifenden Re-Integration von Fertigungs- und Technologiepotentia- len in industriellen Entwicklungsländern wie China geführt hat, andererseits aber die starke Segmentierung und Polarisierung der Produktionsnetze der IT-Indust- rie in die nationale Branchenstruktur „importiert“ wird. Dabei liegt die Kontrolle der Markenrechte, der Technologieentwicklung und der Marktzyklen nach wie vor weitgehend bei den global brands . Diese bestimmen nicht nur die Ökonomie der zentralen Märkte für High-Tech Produkte, sondern auch die damit verbundenen Konsumformen. Wie wir an anderer Stelle ausführlich dargestellt haben, bedür- fen beide Elemente offenbar einer grundlegenden Veränderung.

Mit Blick auf die große Mehrzahl der IT-Fertigungsbetriebe in China erscheint insbesondere eine wirksame, international ausgelegte Regulierung des Kontraktfertigungssektors von erstrangiger Bedeutung. Hierzu haben wir bereits an anderer Stelle ausführliche Überlegungen entwickelt (vgl. Lüthje/Schumm/Sproll 2002, Hürtgen/Lüthje/Schumm/Sproll 2009). An dieser Stelle sei nur auf zwei Punkte von besonderer Dringlichkeit verwiesen. Erstens nämlich die Offenlegung und Kontrolle der Fertigungskontrakte zwischen Markenfirmen und der darin vereinbarten Preise, Lieferbedingungen etc. als Voraussetzung verbesserter wirtschaftlicher Entwicklungsbedingungen für Zulieferer und Kontraktfertiger in Niedrigkostenstandorten. Dies beinhaltet auch eine durchgreifende wettbewerbsrechtliche Überwachung dieses Bereiches, insbesondere bezüglich monopolistischer Konzentrationen von Nachfragemacht auf Seiten großer IT-Markenfirmen sowie der finanziellen und bilanziellen Bewer- tung von Lagerbeständen bei Großlieferanten und Kontraktfertigern. Zweitens eine Einschränkung der Tragweite intellektueller Eigentumsrechte. Diese dürfen nicht zur „Informationssperre“ über Fertigungsprozesse, Produktmaterialien und die von den Markenfirmen geforderten Arbeitsabläufe und Logistikketten werden - auch im Zusammenhang mit der Problematik der Umweltverträglichkeit von Produkten und des Recycling (vgl. Öko-Institut 2007: 23). In jedem Fall sollte das ökonomische Risiko des umfassenden Outsourcing von Produktions- und 110

Entwicklungsprozessen beim Markeneigentümer liegen, und nicht bei den betroffenen Arbeitnehmern und Konsumenten. 111

Anhang

Arbeitsbedingungen bei einem deutschen Unternehmen der IT-Fertigung in Südchina

Aus einem Recherchebericht des Workers Mutual Aids Network, Shenzhen Dezember 2007 (Übersetzung aus dem Chinesischen: Boy Lüthje) ______

Profil des Betriebes

Friwo Electrical (Shenzhen) Co. Ltd. wurde 1994 in Shenzhen, Provinz Guang- dong, Stadtbezirk Baoan, Stadtteil Xili, gegründet. Es handelt sich um ein Auslandsunternehmen im vollständigen Besitz der Muttergesellschaft in Deutsch- land. General Manager ist Barry Slaugh. Das registrierte Kapital beträgt 97,5 Mio. Hongkong-Dollar (ca. 8,46 Mio. EUR nach aktuellem Umrechnungskurs), das Sachanlagekapital in China etwas über 100 Mio. Hongkong-Dollar. Die Betriebsfläche beträgt 27.000 qm, die monatliche Produktionskapazität 2 Mio. Einheiten. Umsatz und Exportvolumen pro Jahr liegen bei über 100 Mio chinesi- sche Renminbi (über 10,35 Mio. EUR). Es handelt sich um ein integriertes For- schungs-, Entwicklungs- und Produktionsunternehmen in Auslandsbesitz. Das Leistungsspektrum umfasst die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Batterieladegeräten für Mobiltelefone, Stromversorgungseinrichtungen verschiedener Anwendungsbereiche, Stromversorgungsgeräten der Medizinelektronik, sowie verschiedener Kleingeräte der Stromversorgung.

Das Unternehmen verfügt in diesen Marktbereichen über eine führende Stellung. Im Jahre 2004 war das Unternehmen der weltgrößte Lieferanten von Ladegerä- ten für Mobiltelefone. Zum Kundenkreis zählen international führende Hersteller von Mobiltelefonen wie Nokia, Motorola, Sanyo, LG, Siemens, Bird , Lenovo und andere. Der Vertrieb dieser Produkte erfolgt weltweit, wesentliche Absatzgebiete 112 sind die Volksrepublik China, der Raum Hongkong-Macao-Taiwan, Nord- und Südamerika, West- und Osteuropa, Ost- und Südostasien, der Mittlere Osten, Afrika und Ozeanien.

Friwo Electrical Shenzhen Ltd. hat zur Zeit etwa 20.000 Beschäftigte in zwei Betrieben – nämlich im Stadtbezirk Bao’an, Stadtteil Shajing Bogang und im Stadbezirk Bao’an, Stadtteil Xixiang, Industriezone Hang Cheng. Der letztere (auf den sich die folgenden Untersuchungen hauptsächlich beziehen, Anm. d. Übers.) hat etwa 8.000 Beschäftigte. Die anliegende Skizze, die von den interviewten Beschäftigten erstellt wurde, zeigt die Umrisse und die Lage der wesentlichen Betriebsteile des Betriebes in Xixiang.

┭⏻㰋 䞮ℶ懵梃 Werkshalle Büros

Werkshalle Werkshalle 生 生 产 䞮ℶ懵梃 Werkshalle 产 车 车 间

Busstation Busstation ⹎ 咜 㰋 Wohnheim

⹎咜 ⹎咜㰋 㰋 Wohmheim Wohn heim Wohnheim

Arbeitskräfterekrutierung

Von den etwa 8.000 Beschäftigten sind etwa 90% Frauen und 10% Männer. Die Beschäftigten stammen aus verschiedenen Regionen des ganzen Landes, mit einem besonders starken Anteil aus der Provinz Henan, der nach Aussagen der interviewten Beschäftigten etwa 15-20% beträgt. Das Alter der Beschäftigten liegt zwischen 16 und 35 Jahren. 113

Das Unternehmen verfügt über ein System der externen Arbeitskräfterekrutie- rung, Bewerber können sich drei Mal wöchentlich in Bewerberlisten eintragen. Gesucht werden in der Regel weibliche Arbeitskräfte im Alter von 18-28 Jahren, männliche Arbeitskräfte werden nur in sehr geringer Zahl eingestellt. Nach Aussagen von Beschäftigten werden nur in zwei Abteilungen männliche Arbeits- kräfte beschäftigt, und zwar zumeist für gefährliche und mit toxischer Belastung verbundene Tätigkeiten.

Nach Aussagen von einigen Beschäftigten werden in der Realität wahrscheinlich auch minderjährige Arbeitskräfte im Alter von etwa 16 Jahren beschäftigt. Diese minderjährigen Beschäftigten werden zumeist aufgrund falscher Angaben im Bewerbungsverfahren eingestellt. Zwar besagen die einschlägigen Regeln des Unternehmens, dass das Beschäftigungsverhältnis sofort beendet wird, falls eine Einstellung aufgrund Vorlage falscher persönlicher Dokumente festgestellt wird. Nach Aussagen von Beschäftigten sind Entlassungen aus solchen Gründen je- doch sehr selten vorgekommen.

Von Neueingestellten wird der Personalausweis für eine Woche einbehalten (die Befragten waren über die Gründe nicht sicher). Die Firma bietet Neueingestell- ten ein Einführungstraining an, welches im wesentliches zwei Bereiche umfasst: 1) Brandschutzmassnahmen und Gebrauch von Feuerhydranten. 2.) Unterneh- mens- und Betriebsvorschriften und –regeln. Die nach dem chinesischen Arbeits- gesetz vorgesehene Information (über Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer, d. Ü.) wird aber nicht durchgeführt.

Die Arbeitskräfte unterschreiben beim Eintritt in das Unternehmen einen Arbeitsvertrag, ihnen wird allerdings keine Kopie dieses Vertrages ausgehändigt.

114

Arbeitszeiten

Schichtplan für Arbeiter in Tagschichten (auf Basis 24-Stunden Betrieb)

Arbeits- Schicht- Mittags- Pausen- Wiederbeginn Schicht- Allgemeine Über- beginn gruppe pause zeit ende Schichtdauer stunden 7:00 1 11:00 1 12:00 19 ᧶00 11 3 7:00 2 11:30 1 12:30 19 ᧶00 11 3 7:00 3 12:00 1 13:00 19 ᧶00 11 3 Schichtplan für Arbeiter in Nachtschichten Arbeits- Schicht- Nacht- Pausen- Wiederbeginn Schichten Allgemeine Über- beginn gruppe imbiss zeit de Schichtdauer stunden 19:00 24 ᧶00 45 Min. 00:45 7᧶00 11 3 19:00 24 ᧶00 45 Min. 00:45 7᧶00 11 3 19:00 24 ᧶00 45 Min. 00:45 7᧶00 11 3

Die tägliche reguläre Arbeitszeit beträgt acht Stunden, darüber hinausgehende Arbeitsstunden werden als Überstunden gerechnet. Der Betrieb arbeitet im Zwei- schichtsystem im kontinuierlichen Betrieb. Arbeitsbeginn für die Beschäftigten der Tagschicht ist 7:00 Uhr. Gearbeitet wird in drei Schichtgruppen mit unterschiedlichen Pausenzeiten. Dies ist dadurch bedingt, dass die Kantine rela- tiv klein ist und die Beschäftigten der drei Schichtgruppen nicht alle zur gleichen Zeit essen können.

Die Beschäftigten der Nachtschicht arbeiten ebenfalls 8 reguläre und 3 Überstunden, sowie zusätzlich 15 Minuten aufgrund der kürzeren Pause in der Nachtschicht (laut der betreffenden Regelungen im chinesischen Arbeitsgesetz muß die Arbeitszeit der Nachtschicht eine einstündige Pause beinhalten und ist somit eine Stunde geringer als die der Tagschicht. Die über eine Arbeitszeit von 7 Stunden hinausgehenden Arbeitszeiten sind als Überstunden zu rechnen.). Die befragten Beschäftigten berichteten, dass ihre monatliche Arbeitszeit etwa 260 Stunden betrage, unter bestimmten Bedingungen auch über 300 Stunden pro Monat. 115

Gemäß den Regeln der Firma gibt es einen Ruhetag pro Woche. Die befragten Beschäftigten erklärten, dass dieser im Rahmen eines rotierenden Systems ge- währt würde. In der Regel würden jeweils 4 Beschäftigte einer 33 Personen umfassenden Schichtgruppe auf einmal einen Ruhetag haben.

Löhne Das Unternehmen zahlt Zeitlöhne. Die Löhne werden jeweils zum 15. eines Mo- nats per Banküberweisung gezahlt und sind meistens bis zum 19. eines Monats auf den Konten der Beschäftigten gut geschrieben. Nach Aussagen der Beschäftigten wird in der Regel ein Monatslohn von ca. 1.100 Yuan RMB erreicht, dies gilt allerdings nicht für Neueingestellte am Anfang ihrer Beschäftigungszeit.

Im Verlauf der Recherchen erhielten wir die Lohnabrechnung eines Arbeiters, die wie folgt aussieht:

Lohn pro Tag Arbeitstage Monatslohn Überstunden Überstundenvergütung

RMB 26.67 20 ᧪0 RMB 533.4 48.5/72.0/0.0 RMB 722.6

Abzug AN-Beitrag Abzug Mahl- Abzug Abzug Auszahlungsbetrag Sozialversichung zeiten Wohnheim Lohnsteuer RMB 9.0 RMB 0.0 RMB 30.0 0.0 RMB 1217

(10 RMB entsprechen in etwa 1 Euro)

Aus dieser Lohnabrechung ist nicht ersichtlich, ob das Unternehmen zusätzlich eine Altersversicherung bezahlt. Von den interviewten Beschäftigten erfuhren wir jedoch, dass dies der Fall ist.

Alle interviewten Beschäftigten erklärten, dass das Kantinenessen schlecht und hygienisch unzureichend sei. In der Mittagspause würden deshalb viele Beschäftigte in einem nahe gelegenen Schnellimbiss essen, was pro Mahl- zeit etwa 5 RMB koste (in der Regel gekochtes Gemüse mit ein wenig Hack- fleisch und einer Schüssel Reis). Nach unserem Eindruck waren Qualität und Hygiene dieses Essens auch nicht sehr gut, dennoch bevorzugen die 116

Arbeiterinnen diese gegenüber dem Kantinenessen etwa doppelt so teuren Mahlzeiten.

Unterkünfte Im Verlauf der Interviews konnten wir ein Firmenwohnheim für weibliche Arbeiterinnen betreten. Der besichtigte Großschlafsaal hatte nach Auskunft der Beschäftigten 24 Betten, 22 davon sind normalerweise belegt. Die hygienischen Verhältnisse in diesem Wohnquartier erschienen miserabel, überall lag Abfall herum. Es gibt auch Schlafsäle mit 12 Betten, die in der Regel mit 10 Personen belegt sind. In diesen Schlafsälen stehen auf jeder Seite 3 doppelstöckige Stahlrohrbetten, der Mittelgang ist etwa so breit, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen können. Jeder Schlafsaal hat einen Waschraum, in den Waschräumen befindet sich jeweils ein Warmwasserboi- ler. Jeder Schlafsaal hat außerdem einen kleinen Balkon zum Wäschetrock- nen. Schließlich gibt es auch noch eine Anzahl von Schlafsälen mit 8 Betten, die ähnlich ausgestattet sind.

Nach unseren Beobachtungen verfügt der Betrieb über 9 Wohngebäude, da- von 5 auf dem Betriebsgelände und 4 innerhalb der Industriezone. Jedes dieser Gebäude hat sechs Stockwerke mit jeweils etwa 10 Schlafräumen. Nimmt man eine durchschnittliche Belegung der Räume mit 12 Personen an, so kann man die Zahl der in den 9 Gebäuden untergebrachten Personen mit etwa 6480 veranschlagen. Zusätzlich leben Beschäftigte in Mietwohnungen, die nicht zum Betrieb gehören.

Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen

Nach Aussagen der befragten Beschäftigten hat der Betrieb drei Großabteilungen und eine größere Anzahl von kleineren Arbeitsbereichen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Produktionsabteilung. Nach Aussa- gen von Beschäftigten gibt es in jeder Abteilung Bereiche, in denen wegen belastender Arbeitsstoffe Atemschutzmasken getragen werden müssen. In 117 diesen Abteilungen sind die meisten männlichen Beschäftigten anzutreffen. Die Bezeichnungen der betreffenden Chemikalien sind für die Beschäftigten nicht auszusprechen. Der Einsatz dieser Chemikalien verursacht jedes Mal einen unangenehmen Geruch in den Werkshallen, das Leitungspersonal ordnet dann jeweils das Tragen von Atemschutzgeräten an.

Die Firma hat vier Produktionsgebäude mit jeweils fünf Stockwerken. Die Gebäude sind etwa 30m lang und 15m breit, die Grundfläche beträgt etwa 450qm. Jede Produktionsetage hat fünf Montagelinien, an jeder arbeiten je- weils 33 ArbeiterInnen, insgesamt pro Etage etwa 165 (zusammen als etwa 7750 Beschäftigte, Anm. d. Ü.)

Für jede Montagelinie gibt es nur eine Passiererlaubnis zum Verlassen des Arbeitsplatzes. Nach Schilderung der interviewten Beschäftigten können die Toilette und die dort installierten Trinkwasserhähne nicht ohne diese Erlaub- nis aufgesucht werden. Die Temperatur in den Werkshallen sei sehr hoch, sie liege einige Grade über der Außentemperatur (in einem subtropischen, zumeist feuchtheißen Klima, d. Ü.). Obwohl die Werkshallen über Klimaanla- gen verfügen, werden diese zur Kostenersparnis oft nicht angeschaltet. Eine der befragten Beschäftigten sagt, dass in den Werkshallen eine sehr hohe Lautstärke herrsche. Die Werkshallen seien mit Abluftanlagen ausgestattet, die jeweils zu Schichtbeginn gestartet würden. Der Geräuschpegel sei dann so hoch, dass man sich nur mit sehr lauter Stimme verständigen könne. We- gen der hohen Temperaturen und der langen Arbeitszeiten könnten sich die Beschäftigten während der Pausen kaum ausreichend erholen. Die Beschäftigten würden deshalb häufig um Freistellung bitten, was aber nur selten gewährt würde.

Berichtet wird von einer Arbeiterin, die vor vier Monaten um Freistellung we- gen einer Krankheit gebeten hatte, was Ihr aber vom Vorgesetzten mit dem Argument verwehrt worden sei, sie hätte ihre Anfrage nicht frühzeitig einge- reicht. Die Arbeiterin sei anschließend während der Schicht ohnmächtig geworden. Eine Arbeiterin sagt, während der letzten vier Monate hätte es in 118 den zwei Werkshallen, in denen sie während dieser Zeit gearbeitet hatte, sieben oder acht Fälle von hitzebedingten Schwächeanfällen gegeben.

Freizeit

Nach Aussagen der befragten Arbeiterinnen sehen die Unternehmensregeln einen freien Tag pro Woche vor. Dieser wird gewährt auf Basis eines Rotationssystems, in der Regel sind vier Arbeiterinnen pro Arbeitsgruppe freigestellt. In Zeiten starker Auslastung, besonders vor nationalen Feierta- gen und Ferien, würde die Firma die freien Tage nicht gewähren, im letzten Jahr sei dies fünf Mal vorgekommen. Zum Tag der Arbeit am 1. Mai sei nur ein bezahlter freier Tag gewährt worden, in einigen Abteilungen zwei Tage. Die betreffenden nationalen Bestimmungen sähen drei Tage vor.

Strafbestimmungen

Auf die Frage nach firmeninternen Strafmaßnahmen antworteten die befrag- ten Beschäftigten, dass bei einer Verspätung von einer halben Stunde ein Tageslohn abgezogen würde. Verspätungen von fünf Minuten und mehr würden jeweils mit einem Lohnabzug von 5 RMB bestraft. Mehrmalige Verspätungen innerhalb eines Monats hätten die Entlassung zur Folge, um den Gehorsam der Arbeitskräfte an den Montagelinien sicherzustellen.

119

Zusammenfassung/Bewertung

Im Rahmen dieser Befragung konnten natürlich eine Reihe wichtiger Fragen nicht ausführlich besprochen werden, so zum Beispiel nach Arbeitsunfällen und Arbeitskonflikten. Obwohl also wesentliche Problembereiche beim diesmaligen Besuch nicht untersucht werden konnten, ergeben bereits die vorhandenen Fakten das Bild eines schlecht geführten Betriebes mit unzureichenden Arbeitsbedingungen.

Insbesondere ist zu bemängeln:

- Überlange Arbeitszeiten

- Die Freizeitregelungen entsprechen nicht den gesetzlichen Bestimmungen; da die Freizeittage einer Rotation unterliegen, kommen einzelne Beschäftigte oft auf nur einen freien Tag pro Monat.

- Freistellungen im Krankheitsfall werden nicht gewährt.

- Toilettenbenutzung während der Arbeit ist nur mit Erlaubnisschein möglich, faktisch also abhängig von der Zustimmung des Vorgesetzten. Dieser Zustand erscheint dringend verbesserungs- bedürftig.

- Unzureichende Gestaltung der Lohnabrechnung: die Höhe der Überstundenvergütung erscheint nicht auf der Lohnabrechnung;

- Die Verpflegung muß verbessert werden.

- Ein Lohnabzug von einem Tageslohn bei einer Verspätung von 30 Minuten erscheint als eine übertriebene Strafmaßnahme

……

120

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Tageszeitungen und Periodika

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Digitimes Taipei

NR Nanfang Ribao – Southern Daily Guangzhou

ZQ Zhongguo Qieyejia – China Entrepreneur Shanghai

SCMP South China Morning Post Hong Kong

RR Renmin Ribao – People’s Daily Beijing

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