Fall Anne Frank»
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Die Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel «The Hidden Life of Otto Frank» bei Viking / Penguin Books, London. Zum Andenken an meinen Vater Raymond Lee ISBN 3-492-04477-8 © Carol Ann Lee, 2002 All writings by Otto H. Frank © Anne Frank-Fonds, Basel, 2002 © Deutsche Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2005 Satz: seitenweise, Tübingen Druck und Bindung: G GP Media GmbH, Pössneck Printed in Germany www.piper.de Eingescannt mit ABBYY Fine Reader Inhalt VORWORT 9 EINLEITUNG Die Judenjäger von Amsterdam 13 TEIL EINS Tausenderlei alte Sachen 1889 - 1945 KAPITEL EINS Sehr deutsch 19 Kindheit und Jugend – Eine unglückliche Liebesgeschichte – Der Erste Weltkrieg – Die Hochzeit – Das Familienunternehmen – Zwei Töchter – Deutschlands Parias – Emigration nach Amsterdam KAPITEL ZWEI Die Augen unserer Verfolger 57 Die schwierige Gründung eines Heims und einer Firma – Die Saat des Verrats – Der Krieg und die Besetzung der Niederlande – Erste Massnah- men gegen die Juden – «Ein sehr gefährlicher junger Mann» KAPITEL DREI Fac et Spera (Arbeite und hoffe) 97 Vorbereitun- gen fürs Untertauchen – Ein Täuschungsmanöver, um die Firma vor den Nazis zu retten – Der Aufruf – Ins Versteck – Die loyalsten Freunde – Zwei Jahre Angst – «Arbeite und hoffe» – Die Jan van Eyckstraat – Die Verhaftung KAPITEL VIER Bleibende seelische Wunden 144 Westerbork – Die Trennung in Auschwitz – Der Verlust von Freunden und der Kampf ums geistige Überleben – Brutale Prügel – Das soge- nannte Hospital – Letzte Tage – Unsere Befreier TEIL ZWEI Unbedingt veröffentlichen 1945 - 1980 KAPITEL FÜNF Es ist alles wie ein seltsamer Traum 185 Die lange Heimreise – «Meine ganze Hoffnung sind die Kinder» – Wiedersehen mit den Freunden – Staatenlose – Kontaktaufnahme zu den Verwandten im Ausland – Die Suche – Die ganze Wahrheit – Eine unwillkommene Be- gegnung KAPITEL SECHS Das wenigstens ist noch geblieben 228 Annes Ta- gebuch – «Wie es für einen Mann meines Alters möglich war, diese Hölle zu überstehen?» – Het Achterhuis, die erste niederländische Ausgabe – Wer hat uns verraten? – Meyer Levin liest das Tagebuch – Sofort ein Bestseller – «Wir müssen weiterleben» KAPITEL SIEBEN Ein jüdischer oder ein nichtjüdisch er Autor? 289 Die weltweite Veröffentlichung des Tagebuchs – «Mach kein jüdisches Stück daraus» – Fritzi – Die Hacketts und der Broadway – Der zornige Levin – Absolution in Deutschland – «Amsterdam ruft zu viele Erinne- rungen wach» KAPITEL ACHT Es sind keine Narben geblieben 346 Ein Hollywood-Film – Das Anne-Frank-Haus – Leben in der Schweiz – Kampf gegen Neonazis – Otto Franks Mission – Silberbauer und die letzte Chance – Nicht verbittert – Otto Franks Tod EPILOG Ein getriebener Mensch 405 NACHWORT Das Rätsel um Tonny Ahlers 418 ANHANG I Die fehlenden Seiten des Tagebuchs der Anne Frank 431 ANHANG 2 Chronologie der Judenverfolgung in den Niederlanden 439 Dramatis Personae 446 Glossar 453 Danksagung 455 Anmerkungen 457 Quellen zu den Kapiteln 463 Bildnachweis 480 Bibliographie 481 Register 489 VORWORT Die Idee, dieses Buch zu schreiben, hatte der Schweizer Verleger Tho- mas Meyer. Er machte mir diesen Vorschlag nach einem Vortrag, den ich in Basel über meine Anne-Frank-Biographie gehalten hatte. Ich dachte lange darüber nach. Otto Franks Briefe von der Westfront, die ich nicht in mein Buch über seine Tochter aufnehmen konnte, und seine Entschlossenheit, ihr Tagebuch zu einer Zeit zu veröffentlichen, in der es über den Holocaust (der damals nicht als solcher bezeichnet wurde) noch kaum Literatur gab, hatten mich seinerzeit sehr beeindruckt. Mich faszinierte auch, wie Otto Frank, der im Ersten Weltkrieg für sein Land gekämpft hatte und im Zweiten Weltkrieg von dessen Machthabern ver- folgt wurde, diese schreckliche Schicksalswende bewältigte. Sein Le- ben war noch in anderer Hinsicht zweigeteilt: nach 1945 und dem Ver- lust seiner ersten Ehefrau und seiner Kinder durch den Holocaust machte er es sich zur Lebensaufgabe, Annes Tagebuch einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Von seinem Leben sind im Grunde nur die elementaren Fakten be- kannt. Otto Frank war in seinen letzten dreissig Lebensjahren zwar be- rühmt, aber nur wenige, die ihn in dieser Zeit interviewten, stellten ihm Fragen über ihn selbst. Er beantwortete viele Tausend Briefe von Lese- rinnen und Lesern des Tagebuchs seiner Tochter, wich dabei jedoch sel- ten von festen Formulierungen ab. Wenn er doch einmal eine persönli- che Bemerkung hinzufügte – «Ich wurde Ende Januar aus Auschwitz befreit, zwei Tage, nachdem ich einem Hinrichtungskommando gegen- 9 übergestanden hatte. Ich kehrte nach Amsterdam zurück ...» –, dann warf diese viele Fragen auf, von denen die meisten unbeantwortet blie- ben. Otto Frank starb 1980 im Alter von einundneunzig Jahren. Ein so langes Leben bietet viel Stoff für ein Buch. Im Winter 1999 nahm ich mir meine alten Notizen noch einmal vor, las erneut Otto Franks inte- ressante Briefe, sprach mit ein paar Verwandten und Freunden von ihm und lief durch die Strassen von Amsterdam, wo sein Leben zunächst eine positive Wende genommen hatte und dann zerstört worden war – ich wohne ganz in der Nähe. Mir wurde bewusst, wie sehr es mich reizte, über sein bewegtes, verborgenes Leben zu schreiben. Allerdings hatte ich damals noch keine Ahnung, wie bewegt sein ver- borgenes Leben tatsächlich war. Es war nie meine Absicht, das Thema des Verrats an Otto Frank und seiner Familie erneut aufzugreifen. Meiner Meinung nach war darüber bereits zu viel spekuliert worden, und obwohl ich in meiner Anne- Frank-Biographie ausführlich auf das Verfahren gegen Wilhelm van Maaren (den Hauptverdächtigen) einging, gelangte ich am Ende zu dem Schluss, dass keine stichhaltigen Beweise gegen ihn vorlagen. Ende letzten Jahres erhielt ich dann einen von Otto Frank verfassten Brief, der nie veröffentlicht wurde. Er erzählte eine unglaubliche Ge- schichte, die jahrzehntelang geheimgehalten worden war. Zufällig er- hielt ich zwei Monate später noch einen anderen Brief, den eine Person geschrieben hatte, die im ersten Brief genannt wurde und die ein Mit- glied der NSB (der Nationalsozialistischen Bewegung der Niederlande) war. Er enthielt Fakten über die Zeit im Versteck, die zu jener Zeit nie- mand ausser dem kleinen Kreis der acht Untergetauchten und ihrer Hel- fer kannte. Sein Ton war höchst unangenehm, und sein Inhalt stand in krassem Widerspruch zu einigen Aussagen des ersten Briefs. Ausser- dem wurden darin Anschuldigungen erhoben, an deren Wahrheitsgehalt ich zweifelte. Der Verfasser bezog sich auf andere Briefe, in denen er Silberbauer, den Mann, der die Familie Frank verhaftet hatte, zu entlas- ten versuchte – er hatte mit Silberbauer korrespondiert. In den Archiven 10 des Nederlandse Instituât voor Oorlogsdocumentatie (Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation, kurz NIOD) fand ich noch zwei Briefe von ihm, eine Zusammenfassung seiner Aktivitäten während des Krieges von einem Mitglied des Sicherheitsdienstes (SD) sowie einen Bericht der Behörden, die 1963/64 gegen Silberbauer ermittelten. Die Frage war, warum dieser Mann damals nicht zu dem Verrat vernommen worden war. Erst nach Monaten intensiver Recherchen nach relevanten Dokumenten und Informationen über bestimmte Personen fand ich die Antwort. In der Zwischenzeit stellte ich Nachforschungen über diesen Mann an. Er war nach dem Krieg inhaftiert worden, weil er Leute an den SD verraten hatte. Ich fand kleine Anhaltspunkte wie Daten und Adressen und ging ihnen nach. Oft kam ich nicht weiter, doch dann und wann stiess ich auf eine relevante Information. Es war ein Durchbruch, als ich die Kollaborateursakte dieses Mannes in Den Haag einsehen konnte. Darin fand ich eine Aussage von Otto Frank und weitere Hinweise auf eine Beziehung zwischen den beiden. Ich wusste inzwischen, dass der Mann nicht mehr lebte. Sechs Wochen, bevor ich zum ersten Mal von ihm gehört hatte, war er gestorben. Aber ich führte zwei kurze Gesprä- che mit seiner Frau, deren Ergebnisse in diesem Buch dokumentiert sind. Ich setzte meine Recherchen in Archiven fort, die nie im Zusammen- hang mit dem Verrat an der Prinsengracht 263 durchforstet wurden, aber Dokumente enthielten, die sich direkt auf ihn beziehen. Bei der Aus- wertung aller gesammelten Informationen wurde eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen erkennbar. Nun verstand ich zumindest, warum diese Geschichte geheimgehalten worden war, und vielleicht auch, wa- rum der Informant nie angeklagt wurde. Ich begriff auch, wie leicht ein ganz gewöhnlicher, nicht sonderlich intelligenter junger Mann mit anti- semitischen Neigungen in die kolossale Nazimaschinerie hineingezo- gen werden konnte, was ihn seiner Familie entfremdete und das Leben aller Menschen um ihn herum tiefgreifend veränderte. Diesbezüglich hatte die Veröffentlichung der holländischen Übersetzung von The Hid- 11 den Life of Otto Frank (der englischen Originalfassung dieses Buchs) überraschende Folgen, die im Nachwort erörtert werden. Ich hoffe, dass diese Erkenntnisse im Kontext gesehen werden. Sie sind nur ein Aspekt des aussergewöhnlichen Lebens von Otto Frank – einem Leben, das bewundernswert und inspirierend und letztendlich der Förderung des Weltfriedens und dem Abbau von Vorurteilen gewidmet war. Carol Ann Lee EINLEITUNG Die Judenjäger von Amsterdam Die Jan van Eyckstraat im Süden von Amsterdam ist kurz und schmal wie die meisten Strassen in diesem hübschen Viertel. In ihrer Nähe wurde dem holländischen Widerstand ein Denkmal gesetzt: zwei stei- nerne Hände, die sich umfassen, ragen dramatisch aus einem kleinen Teich. Heute leben junge