Zum Rapport Philipp Lahm Hat Mit Seiner Autobiografie Einen Mordsaufruhr Ausgelöst
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Sport BÜCHER Zum Rapport Philipp Lahm hat mit seiner Autobiografie einen Mordsaufruhr ausgelöst. Dabei verbreitet der Kapitän der Nationalelf wenig Neues. Der Vorgang zeigt, wie Medien und PR-Leute die Entscheidungsträger des deutschen Fußballs steuern. DFB-Spielführer Lahm D P A D / N A L I B S N E M E L C ie Münchner Verlegerin Antje den sie führt, auch seriöse Sachbücher; frü - höchsten Repräsentanten des Deutschen Kunstmann war am vergangenen her hieß er Frauenbuchverlag. Anfang des Fußball-Bundes (DFB) an einen Tisch. Sie DDonnerstag schon bedient, vier Jahres offerierte die Münchner Marketing - beschlossen im Ton eines Sondertribunals, Tage bevor das neue Buch in den Handel agentur acta7, die den Fußballprofi Philipp Lahm in dieser Woche vor dem Länder - kam. Der wahrscheinlich verkaufsför - Lahm betreut, ein Projekt aus einem frem - spiel gegen Österreich zum Rapport zu dernde Wirbel um die 272 Seiten war ihr den Gebiet – so wurde „Der feine Unter - bestellen. „Für Missverständnisse“ muss - angeblich egal, sie sei entsetzt über den schied“ gedruckt, die Autobiografie des te der Spieler sich bereits „bei allen Be - „Mechanismus, der da losgetreten wur - Kapitäns der deutschen Nationalmann - teiligten“ entschuldigen, so hieß es in de“; von Fußball hat sie die Nase voll. schaft und des FC Bayern München. Lahms Erklärung. Der Klassensprecher Normalerweise erscheinen Romane, Eine Heidenaufregung hat das harmlo - des Nationalteams war ungezogen und Kurzgeschichten, Essays in dem Verlag, se Buch ausgelöst, am Ende führte sie die muss sich in die Ecke stellen. 116 # $" 35/2011 „Mir tut er so leid“, sagt Verlagschefin wie Toni Schumacher, der Doping thema - sierte, auch nicht Felix Magath. Dass der Kunstmann, „er war doch überhaupt tisierte, und Lothar Matthäus, der über autoritäre Zuchtmeister die Münchner nicht auf Kontroverse gebürstet.“ Kollegen herzog, ist absurd. Mannschaft irgendwann nicht mehr be - Was ist schiefgelaufen, als der kleine Das Buch enthält Allgemeinplätze über eindruckte, ist eine sporthistorische Binse. Verteidiger mit 27 Jahren seine Memoiren das Leben als Profi („Du musst deine ei - Nun aber lästert Magath, und Völler tobt schrieb? Alle zusammen, Lahm, der Ver - genen Stärken kennen“) und Einschät - („erbärmlich und schäbig“). lag, die Agentur, hatten die „losgetrete - zungen, die längst jeder teilt: Jürgen Es fällt auf, dass von allen Lahm-Kriti - nen Mechanismen“ unterschätzt, obwohl Klinsmann hat als Trainer von Bayern kern allein der Bremer Club-Geschäfts - es die bekannten Mechanismen des Fuß - München eine ziemlich unglückliche führer Klaus Allofs einräumt, vom Buch balls sind. Das Strafgespräch, zu dem der Figur abgegeben, das haben die Spieler „nur Auszüge“ zu kennen. Andere, die Kapitän nun vor den Spielerrat und das längst erzählt, und Clubchef Uli Hoeneß über einen vermeintlichen Tabubruch Trainerteam um Joachim Löw zitiert hat es verbreitet; dass der frühere Erneue - schwadronierten, kannten auch nur die wird, könnte genau diese Mechanismen rer der Nationalelf in der Bundesliga Passagen aus der „Bild“-Zeitung. Dem zum Thema haben: die Zusam - Boulevardblatt waren, während an - menhänge zwischen Öffentlichkeit, dere Medien eine Sperrfrist bis zu internen Vorgängen im Mann - diesem Montag achten sollten, un - schaftskreis – und den Empfind - entgeltlich die Rechte zum Vorab - lichkeiten von mediengesteuerten druck überlassen worden. „Viel - Funktionären wie DFB-Präsident leicht war das falsch“, sagt nun Theo Zwanziger, der plötzlich den selbstkritisch Antje Kunstmann „Respekt vor Persönlichkeiten des vom Buchverlag. Fußballs“ wie eine Monstranz „Bild“ klebte alle halbwegs kra - durch die Republik trägt, solange walltauglichen Bröckchen zusam - diese Persönlichkeiten auf dem men und nannte das Werk eine Boulevard Aufmerksamkeit be - „Abrechnung“. Den Begriff über - kommen. nahm der Sport-Informations- A Lahm hat zusammen mit dem P Dienst. So kam das Skandälchen D / F österreichischen Journalisten Chris - L in Fahrt. O W tian Seiler ein Buch geschrieben, „Wer den Tiger reitet, kann S N E das sich als Ratgeber verkleidet, als J schwer absteigen“, sagt Roman eine Anleitung – „wie Spitzenfuß - Grill, der Agenturchef von acta7, ball heute funktioniert“, so heißt zu der Vorab-Liaison mit dem Bou - es im Vorwort. Der vermeintliche levard. Grill war mal Lahms Ju - Wegweiser geriet aber eher zum gendtrainer und später Mitarbeiter Erlebnisbericht: Es sind Erinnerun - in Bayern Münchens Pressestelle. gen an den letzten Saisonverlauf Er kennt den Betrieb. bei Bayern München, an Spielsze - Wie in der Politik kommen im nen bei Europa- und Weltmeister - Vorstadium der allgemeinen Hys - schaften und an ein schmackhaftes terie stets die PR-Berater ins Spiel, Backhendl im Kanzleramt. die Spin-Doktoren zumindest der - Lahms Vorgänger, dem „Capi - jenigen, die im Buch vorkommen. tano“ Michael Ballack, hätte man Sie telefonieren mit Redaktionen. wohl eher ein Skandalbuch zuge - Einer stellte die abenteuerliche Fra - traut. Lahm gilt als Schwieger - ge, ob Lahm DFB-Kapitän bleiben sohntyp, natürlich, freundlich, dürfe. Jürgen Klinsmann etwa, der harmlos. So schreibt er auch. Er neue US-Nationaltrainer, hat in räsoniert über die sattsam be - Deutschland einen PR-Agenten, schriebene schlechte Kabinenstim - der auch Löw berät. Als Klinsmann- mung bei der EM 2008, nennt al - Berater muss dem Mann daran ge - lerdings weder Ross noch Reiter. legen sein, dass sein Klient in den Er kritisiert auch nicht den frühe - Staaten nicht als Niete gilt. Als ren Teamchef Rudi Völler, wie nun Löw-Berater kann er Einfluss auch viele glauben, sondern schildert, auf das Urteil haben, das man über A P D wie sich Nationalmannschaften Lahm fällt. Als der Bundestrainer / G R damals – es geht um 2004, als E von der aufgeschreckten DFB-Spit - B R Lahm dazustieß – präpariert ha - E ze nach Frankfurt einbestellt wur - V I L ben: wenig Videostudium, keine O de, war er mit „einigen Passagen“ Matchpläne, keine Analysen und Profi Lahm (u. r.), Kritiker*: „Erbärmlich und schäbig“ in Lahms Schrift nicht einverstan - kein statistischer Schnickschnack. den, so ließ er es verlautbaren. Lahm macht deutlich, dass er da „eine taktisch nichts zu bieten hatte, ist ein al - Hätte Löw den Inhalt des Buchs nicht andere Epoche“ beschreibt, kein anderes ter Hut. schon im Juli kennen müssen? Damals Nationalteam hätte sich seines Wissens Lahm verunglimpft keinen Trainer, hätte er zumindest Korrekturen veranlas - zu jener Zeit professioneller vorbereitet nicht den engstirnigen Niederländer sen können. Lahms Agentur sei extrem als das Völlers. Louis van Gaal, den er einst öffentlich sorgfältig und seriös vorgegangen, heißt Lahm schrieb kein Enthüllungsbuch, stützte und am Ende vereinsintern kriti- es im Verlag. So bekam Oliver Bierhoff, weil er nichts enthüllt. Die Behauptung, der Teammanager der Nationalmann - er plaudere bisher unbekannte Interna schaft, die Seiten zur Bewertung zuge - * Oben: Teammanager Oliver Bierhoff, DFB-Präsident aus dem engsten Zirkel aus, wäre falsch. Theo Zwanziger, Bundestrainer Joachim Löw; unten: schickt. Er gab grünes Licht. Nach der Der Vergleich mit Skandalbuchautoren DFB-Teamchef Rudi Völler 2004. Sitzung des Tribunals jedoch sagte Bier - # $" 35/2011 117 Sport hoff nun, Lahm habe bei der freien Mei - nungsäußerung „die Grenzen überschrit - ten“. Medialer Druck, sagt ein DFB-Mit - arbeiter, verändere im Hause manches. Auch bei Bayern München wurde Lahms Autobiografie geprüft. Vor knapp zwei Jahren hatte Lahm mal ein aufse - henerregendes Interview gegeben, in dem er dem FC Bayern eine Spielphilo - sophie überstülpen wollte, eine Art ganz - heitliche Denkordnung. Es gab eine Geld - strafe, weil er dabei Verfahrensregeln verletzt und die Medienabteilung des Clubs übergangen hatte. Jetzt fanden die Bayern alles okay. Im Buchverlag heißt es, auch Löw habe vorab Kenntnis vom Text gehabt. Harald Stenger, der Sprecher der Nationalmann - schaft, sagt, er habe das Buch vor dem Urlaub angefordert, um es für den Bun - destrainer zu lesen, es aber nicht be - kommen. Es blieb nicht die einzige Panne. Einige Medien verbreiteten Auszüge vor Ablauf der Sperrfrist; offenbar hat mindestens eine Buchhandlung einige Exemplare vor - zeitig verkauft. Unter den Kunden waren Journalisten. Nun liegen Lahms Gedanken auf dem Ladentisch. Gerade erst hatte der Tor - wart-Veteran Oliver Kahn eine Debatte über einen vermeintlichen Mangel an „echten Führungsspielern“ entfacht, die „auch mal unbequeme Wahrheiten aus - sprechen“. Jetzt gibt es offenbar zu viele Wahrheiten. Die Frage bleibt, warum Philipp Lahm, der Junge von der Freien Turnerschaft München-Gern, überhaupt ein Buch ge - schrieben hat. Um sich selbst einzuord - L E G nen, sagt sein Berater Grill, „das hilft E I P S auch, gesund zu bleiben“. Und es gab R E D noch einen anderen Grund. / N I L Irgendwann kommt das 15. Kapitel. S O R Tennistrainer Bollettieri in Florida C Der Spieler stellt darin klar, dass er nicht B O schwul sei. Lahm befasst sich mit dem B Ursprung dieser Legende, die ihn seit lan - gem verfolgt, und schildert die Begeg - nung mit einem Unbekannten: Ein Mann TENNIS steht eines Tages vor seiner Münchner Wohnungstür und gesteht ihm seine Lie - be. Der Mann hinterlässt einen Brief, und „Roboter“ man bekommt eine Ahnung, warum man das alles überhaupt lesen soll. Der Kon - sument soll wohl den unausgesprochenen US-Trainerlegende Nick Bollettieri, 80, über neue deutsche Verdacht teilen, dass das Gerücht von Talente wie Andrea Petkovic und überforderte Profis dem abgewiesenen Verehrer