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Der Clown MITTWOCH, 3. FEBRUAR 2016, 22:45 UHR

1 „ When you rule by fear, laughter is the most frightening sound in the world. „ aus dem Originaldrehbuch „The Day The Clown Cried“ Der Clown Deutschland 2016 Kurzinhalt

Der Film „The Day The Clown Cried“ unter der Regie von Hollywood-Ikone ist ein Film-Phantom. 1972 in Schweden und Frankreich gedreht, kam das Werk nie in die Kinos. Mythen und Legenden ranken Stab sich um seine Entstehung und die Gründe für sein Verschwinden. Gemeinsam mit sechs alten Schau- Regie Eric Friedler spielern, die damals an dem Projekt beteiligt waren, Buch Eric Friedler, Silke Schütze nähert sich Regisseur Eric Friedler einem der meist­ Regieassistenz Leonhard Koppelmann gesuchten Filme der Kinogeschichte. Kamera Thomas Schäfer, Frank Groth, James Stoltz, Georgij Pestov Ton Marten van de Voort, Christoph Klein Schnitt Andrea Schröder-Jahn, Sophie Kill Mischung Sascha Heiny Fachberater Wolfgang Jacobsen Produktionsleitung Katja Theile, Tim Carlberg, Angelika Brix Redaktion Patricia Schlesinger

Produktionsangaben

Länge 115 Minuten Format HD, 16mm Drehorte Berlin, Las Vegas, Paris,

„Der Clown“ ist eine Produktion des NDR. Der Clown

Inhalt

„The Day The Clown Cried“ ist einer der meistgesuchten­ Gaskammer bringen. Er entscheidet sich, sie in den War die Filmstory, 27 Jahre nach Kriegsende, am Ende zu Bildern von eigener Kraft, spannt einen Bogen Filme Hollywoods, ein Filmphantom: nie gesehen, viel Tod zu begleiten. Dieser Film hätte ein „Meilenstein in zu radikal? Einige dieser Schauspieler leben noch – zwischen Gegenwart und Vergangenheit und lässt diskutiert, weltweit seit mehr als 40 Jahren vergeb- der Filmgeschichte“ werden können, so die Experten­ und besitzen ihre Drehbücher. Diese hochbe­tagten die Schauspieler sich selbst im Gestern begegnen. lich gesucht. 1972 ist der amerikanische Komiker meinungen. Es war das erste Kinoprojekt, das die Schauspieler wagen im Frühling 2015, 43 Jahre nach Interviews mit den Schauspielern und Team-Mit­ Jerry ­Lewis („Der verrückte Professor“) ein Weltstar. In Worte „Clown“ und „Konzentrationslager“ zusammen den Dreharbeiten, in Stockholm gemeinsam mit Eric gliedern, u. a. mit dem im Februar 2015 verstorbe- Frankreich und Schweden inszeniert er seinen neuen dachte. Doch der Film wurde niemals gezeigt. Seitdem Friedler ein einma­liges Experiment: Sie spielen noch nen Rune Ericson in seinem letzten Interview, sowie Film „The Day The Clown Cried“. Für den geplanten ranken sich Mythen und Legenden um ihn. Und viele einmal Szenen des Films, spüren dem Erlebten, dem anderen Zeitzeugen lassen das befremdliche Bild Kassenerfolg engagiert er bekannte schwedische Fragen: Wo ist der Film? Warum wurde er nie öffent- Nie-Gezeigten nach, suchen Antworten, wollen vor einer Zeit vor der globalen, medialen Aufarbeitung Schauspieler wie Bergman-Actrice Harriet Andersson, lich gezeigt? Warum schweigt Jerry Lewis beharrlich langer Zeit Begonnenes für sich zu einem Ende füh- des Holocaust entstehen. Und dann spricht auch der den französischen Oscar-Preisträger Pierre Etaix sowie zu diesem Thema? ren. große alte Mann der Komik, der King of Comedy, Jerry ein exzellentes Team, darunter den schwedischen Lewis, endlich, exklusiv und zum ersten Mal offen Kameramann und Oscar-Preisträger Rune Ericson. Für die damals beteiligten schwedischen Schauspieler, Der Dokumentarfilm schildert eine aufregende Suche. und ausführlich über den Film, der der schwierigste die große Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Er folgt bisher verschwiegenen Hinweisen, spürt seiner Karriere war – und sein persönlichster. Mit dem „The Day The Clown Cried“ spielt in Deutschland dem Hollywoodstar Lewis geknüpft hatten, blieb weitere damals unmittelbar Beteiligte auf und fördert ­Dokumentarfilm „Der Clown“ wird einer der letzten während der Nazi-Diktatur. Der wegen Hitler-Belei­ „The Day The Clown Cried“ eine schmerzhafte, un- vergessene und nie gesehene Schätze zu Tage. großen Filmmythen gelüftet. digung inhaftierte Clown Helmut (gespielt von Lewis) erklärliche Fehlstelle in ihrem Berufsleben. Was war soll in einem Konzentrationslager jüdische Kinder zur nach dem Abschluss der Dreharbeiten geschehen? In einem filmisch einzigartigen Unterfangen ver- schmilzt der Film „Der Clown“ Historisches und Neues 6 7 Der Clown

Die Spielszenen

Vor mehr als 40 Jahren standen die schwedischen die Enttäuschung darüber, dass der Film niemals in Schauspieler Fredrik ­Ohlsson (83), Jonas Bergström die Kinos kam, weder in Amerika noch in Europa. „Wir (68), Nils Eklund (88), Lars Lind (80), Hans ­Klinga (66) haben uns immer gefragt, was damals geschehen und Thomas Bolme (70) gemeinsam vor der Kamera. ist“, wundert sich der noch heute aktive Bühnen- und Engagiert hatte sie der amerikanische Star Jerry Lewis, Fernsehstar Lars Lind. Er ist es auch, der gemeinsam der in Stockholm seinen Film „The Day The Clown mit Eric Friedler die Idee entwickelt, dem Gesche- Cried“ inszenierte. 116 Drehtage, eine intensive Arbeit hen­ filmisch noch einmal nachzuspüren. Nachdem und die Hoffnung auf eine Karriere in Hollywood – Eric Friedler mit ihm ein Interview zu „The Day The noch heute ist den Schauspielern diese Zeit im Jahr Clown Cried“ führt, kommt ihm der Gedanke. „Einige 1972 lebendig in Erinnerung. Kolle­gen von damals leben noch. Und wir haben die Drehbücher auf dem Dachboden in irgendeiner Kiste. „Es war ein viel größerer Set als bei schwedischen Warum drehen wir nicht einfach noch einmal?“ Filmen“, erzählt Thomas Bolme. „Und dass Jerry Lewis ausgerechnet in Schweden drehte und dazu noch Und so treffen sich im Frühjahr 2015 die letzten sechs schwedische Schauspieler brauchte – das war eine noch lebenden schwedischen Schauspieler aus dem Sensation!“, entsinnt sich Fredrik Ohlsson, der deut- Original-Cast des Jerry-Lewis-Films von 1972 mit schen Fernsehzuschauern als Vater von Tommy und dem Filmteam um Eric Friedler zu einem einmaligen Annika in den legendären „Pippi Langstrumpf“-Ver- Experiment. In einem Studio in Stockholm spielen die filmungen mit Inger Nilsson in der Titelrolle in Erin- Schauspieler noch einmal die Geschichte von „The Day nerung ist. Und Jonas Bergström, die unverkennbare The Clown Cried“ – mit Rollator, am Stock und mit deutsche Stimme der Ikea-Spots („Wohnst du noch…), Hörgeräten in den Ohren. Aber ungebrochen in ihrer schwärmt: „Jerry behandelte uns wie seine ältesten Spielfreude und ihrer Neugierde auf einen Film, den Freunde, wir waren eine Familie“. Aber auch die Ent- sie nie sehen konnten. täuschung hat die Schauspieler nie losgelassen – 9 Der Clown

Eric Friedler „Auf der Suche nach Regie einem Kino-Mythos“ Gespräch mit Eric Friedler

Der gebürtige Australier arbeitet seit 2002 beim Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Das Was hat Sie zu dem Film „Der Clown“ inspiriert? Sind Sie Jerry-Lewis-Fan? Norddeutschen Rundfunk und betreute als ­Redakteur­ ­Schweigen der Quandts“ (2009), „Aghet – Ein Völker­ Verlorene Filme, diese so genannten „lost films“, sind Ich kenne natürlich viele seine Filme, in meiner vielfach beachtete Dokumentar-, Fernseh- und Spiel­ mord“ (2010), „Ein deutscher Boxer“ und „Nichts ein Mysterium. Das Publikum kann oder darf sie Jugend wurden sie häufig im deutschen Fernsehen filme. als die Wahrheit – 30 Jahre Die Toten Hosen“ (2012) nicht sehen und das erzeugt einen unglaublichen ausgestrahlt. Aber mich hat dieser Film schon immer sowie „Das Mädchen – Was geschah mit Elisabeth K.?“ Reiz. Dieses Phänomen in der Kombination mit einem am meisten interessiert, weil er – Jahre vor Roberto Als Regisseur gewann Eric Friedler sowohl national als (2014). Der auch international sehr erfolgreiche Film ­Hollywoodstar wie Jerry Lewis hat schon lange mei- Benginis Oscar-Gewinner „Das Leben ist schön“ – zum auch international renommierte­ Preise, u. a. mehrfach „The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan“ ne Fantasie beschäftigt. „The Day The Clown Cried“ ersten Mal die Begriffe „Clown“ und „Konzentrations- den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis, (2014) erhielt zwei Grimme-Preise. gilt als einer der meistgesuchten Filme Hollywoods. lager“ für einen Spielfilm zusammen dachte. den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, den Humanita­ Er wurde 1972 in Paris und Stockholm gedreht, kam rian Award beim ARPA Filmfestival in Seit 2011 leitet Eric Friedler die Abteilung Sonder­ aber nie ins Kino und wird seit mehr als 40 Jahren auf Was erzählen Sie in „Der Clown“? sowie mehrmals die World Gold Medal beim New York projekte für Dokudrama und Dokumentarfilm beim der ganzen Welt gesucht. Was ist damals geschehen? „Der Clown“ erzählt viele Geschichten. Da ist einer- Film Festival. NDR. Wo ist der Film? Warum äußert sich Jerry Lewis nicht seits die tatsächliche Story des Films, in der Jerry Lewis dazu? Diesen Fragen wollte ich nachgehen. Denn es als der deutsche Clown Helmut in einem Lager landet handelt sich ja „nicht nur“ um irgendeine Jerry-­Lewis- und dort dazu gezwungen wird, jüdische Kinder in die Komödie, sondern um einen Film von filmhistorischer Gaskammer zu bringen. Dann gibt es die Geschichte Relevanz. der Filmproduktion „The Day The Clown Cried“. Wo

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wurde gedreht, wer war im Team? Weiterhin gibt es tun, sondern bildet eine ganz eigene filmische Form. die Geschichte der betagten schwedischen Schau- Zusätzlich haben wir auch den damaligen Masken- spieler, die sich Zeit ihres Lebens gefragt haben, was bilder Kjell Gustavson engagiert, der die Schauspieler mit dem Film geschehen ist, an dem sie vor mehr als auch damals geschminkt hat. Manche Zeitzeugen, mit 40 Jahren mit so vielen Hoffnungen gearbeitet haben. denen wir gesprochen haben, kommen im Film nur Dass sie noch einmal ihre Drehbücher hervorholen und kurz oder gar nicht vor: beispielsweise Lars Klettner, dem Film von damals nachspüren, ist ein besonderes der damalige Tonmann, schwärmt noch heute von den Erlebnis. Dreharbeiten mit Jerry Lewis als den besten seines Leben – und er hat bei mehr als 100 Filmen mitgear- Aber nicht nur für die Schauspieler bedeuten die beitet. Diese Menschen zu treffen und ihren Geschich- ­Dreharbeiten an „The Day the Clown Cried“ eine ten zuzu­hören hat uns das Zusammensetzen eines besondere Zeit in ihrem Leben. Auch Jerry Lewis kann Gesamtbildes ermöglicht. diesen Film nicht vergessen, wie er uns im Interview sagte. Diese Zeit lässt ihn bis heute nicht los. Wohin hat Sie Ihre Recherche geführt? „Der Clown“ erzählt auch von einem frühen Versuch, Wir haben weltweit in Filmarchiven gesucht, sind den Holocaust filmisch zu bewältigen. 1972 war der in Las Vegas gewesen, natürlich in Schweden, wo Zweite Weltkrieg ja noch nicht einmal 30 Jahre her. Es der Film gedreht wurde, aber auch in Paris, wo wir sollte noch sechs Jahre bis zur US-Serie „Holo­caust“ u. a. mit dem bekannten Regisseur und Produzenten dauern. Und nicht zu allerletzt erzählt der Film die Jean-Jacques Beineix (u. a. „Diva“, 1981) gesprochen Geschichte eines Künstlers, nämlich Jerry Lewis, der haben. Er hat kurioserweise 1972 bei den Drehar- an einem kritischen Moment in seiner Karriere einen beiten zu „The Day The Clown Cried“ in Paris als künstlerischen Neuanfang wagt. Mit hohem persön­ Regie­assistent gearbeitet. Weitere Gesprächspartner lichen und auch finanziellem Risiko. in Paris waren der Oscar-­Gewinner und gefeierte ­Komiker Pierre Ètaix, der in „The Day The Clown Cried“ Welche Bedeutung haben die Filmszenen, die sie eine wichtige Rolle übernommen hatte und ein enger mit den alten Schauspielern gedreht haben? Freund von Jerry Lewis ist, sowie der berühmte Doku- Wir erzählen die Geschichte des Films mit ihnen und mentarfilmer (u. a. „Shoah“, 1985), machen gleichzeitig die Produktion eines Films zum mit dem wir über die filmische Aufarbeitung des Thema. Und – ganz im Sinne von Jerry Lewis, der darin Holocausts sprachen. In Schweden schließlich durften ein subtiler Meister war: Wir durchbrechen mit ihnen wir großartige Schauspieler begleiten, die 1972 bei die vierte Wand und ermöglichen den Schauspielern, „The Day The Clown Cried“ engagiert waren und die aus ihren Rollen zu treten und die Zuschauer mit mit ihren Dreh­büchern von damals dem Film nach- hinein zu nehmen in ihre persönliche Geschichte, ihre spüren. Dass der Film niemals ins Kino kam, hat jeden Einschätzungen, Sehnsüchte und Haltungen. Gleich­ von ihnen Zeit seines Lebens beschäftigt. zeitig dokumentieren wir das Spielen als Erinnerung und das Filmset als Tatort erzählenswerter Hand- Haben Sie den Film gefunden? lungen. Das hat also mit Re-Enactment nichts zu Warten Sie es ab und gucken Sie sich „Der Clown“ an.

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„ Ich war in den Konzentrationslagern Bergen-Belsen, Dachau, Auschwitz … ich bin vor den Dreharbeiten fast elf Monate durch Europa gereist. “

Jerry Lewis über seine Vorbereitung zu „The Day The Clown Cried“

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Die Protagonisten

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Jerry Lewis (89)

Jerry Lewis wird am 16. März 1926 im amerika­ und Freund Pierre Ètaix betont im Interview zu „Der nischen Newark, New Jersey, in eine Bühnenfamilie Clown“ die kreative Eigenständigkeit von Jerry Lewis. hineingeboren. Sein Vater ist Sänger, seine Mutter „Ich habe nie wieder einen Menschen kennengelernt, Pianistin. Als Duo treten sie in Theatern und Varietés der so war wie Jerry Lewis. Weder vorher noch danach. auf. Bereits mit fünf Jahren debütiert der kleine Jerry Wenn man die Spitzenclowns verehrt, ist man immer auf der Bühne – mit 17 hat er sich sein erstes eigenes versucht, selber in eine Richtung zu gehen, die der Sketch-Programm erarbeitet. Bis in die Gegenwart dieser Vorbilder ähnelt. Und Jerry war tief, aus dem inspiriert er Komiker und Comedians – vom britischen Grunde seines Herzens, von Chaplin und Stan Laurel Rowan Atkinson über den amerikanischen Jimmy verführt worden, aber er hat nie versucht, sie nachzu- Fallon bis zum deutschen Michael Mittermayer. ahmen.“

Jerry Lewis war immer ein Entertainer, der Grenzen 1972 dreht Jerry Lewis in Schweden und Frankreich austestete. Gemeinsam mit Dean Martin erobert er den Film „The Day The Clown Cried“. Der Film kommt Ende der 1940er-Jahre als wüster Slapstick-Komiker nie in die Kinos und Jerry Lewis blockt in den folgen- die junge US-amerikanische Fernsehnation. Legendär den Jahren Fragen danach weitestgehend ab. sind die Auftritte der beiden in der Fernsehsendung „Colgate Comedy Hour“. Die Fans feiern die beiden 1982 brilliert er in Martin Scorseses Film „The King of damals mit einem ähnlich frenetischen Enthusias- Comedy” und ist seitdem immer wieder als Schau- mus wie später die Beatles. 1956 trennte sich das spieler im internationalen Kino zu sehen. Beispiels- Erfolgsduo und Jerry Lewis setzt seine Karriere als weise in Emir Kusturicas „Arizona Dream“ (1993) an Solist äußerst erfolgreich fort. 1958 schließt er mit der Seite von Johnny Depp oder in der Tragikomödie dem ­Hollywoodstudio Paramount einen Vertrag über „Funny Bones – Tödliche Scherze“ (1995) des britischen 14 Filme ab und erhält dafür die damals schwindel­ Regisseurs Peter Chelsom. Zu seinen aktuellen Filmen erregende Summe von 10 Millionen US-Dollar, plus gehören Daniel Noahs gefühlvolles Drama „Max Rose“ 60 Prozent des Gewinns. Seine von skurrilen Gags (2013) und die brasilianische Komödie „Till Luck Do Us überbordenden Film-Komödien wie „Aschenblödel“ Part“ (2013). (Cinderfella, 1959), sein Regiedebüt „Hallo Page“ Für das Buch „Wie ich Filme mache“ (The Total Film- („“, 1960) oder sein Meisterstück „Der Maker) wurden die Vorlesungen, die Jerry Lewis 1971 verrückte Professor“ („The Nutty Professor“, 1962) im Fachbereich Film an der University of Southern werden Welterfolge. Vor allem in Europa feiert man California hielt, transkribiert. Dort heißt es: „… die den Komiker als künstlerischen Erben Charlie Chap­ Grundidee aller Komik ist der Mensch, der in Schwie- lins, als amerikanisches Pendant zu französischen rigkeiten steckt, der Kleine gegen den Großen.“ Filmkünstlern wie Jacques Tati. Sein Pariser Kollege

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Pierre Étaix (87) Fredrik Ohlsson (84) Lars Lind (80) Jonas Bergström (68)

Pierre Étaix ist ein geheimer Weltstar: Die interna­ Dem Schauspieler Fredrik Ohlsson wird nicht nur Lars Lind studierte Schauspiel an der Königlichen Der Sohn der bekannten schwedischen Aktrice Anita tionale Presse feiert den Clown, Filmregisseur, Schau- von der schwedischen Presse eine große Bandbreite Schauspielschule in Stockholm, die vom traditions­ Björk (Grand Prix Cannes 1951) und des Schauspielers spieler, Zeichner und Autor zahlreicher Bücher als attestiert. Anfang der 1970er-Jahre wurde der in reichen Königlichen Dramatischen Theater (Drama- Olof Bergström gab sein Filmdebüt in Bo Widerbergs den „französischen Buster Keaton“. Bereits mit seinem Stockholm und an der Royal Academy of Dramatic Art ten) betrieben wurde. Seit 1956 steht Lars Lind vor der viel beachtetem Film „Adala 31“ (1969). Zu seinen zweiten Kurzfilm gewann er 1963 einen Oscar. Er war in London ausgebildete Mime interna­tional durch die Kamera, ist bis zu dem heutigen Tage in unzähligen Kinoarbeiten gehören u.a. „Lady Oscar“ (1979; Gagschreiber für die französische Filmlegende Jacques Darstellung des Vaters von Annika und Tommy in den schwedischen Kinofilmen, TV-Filmen und TV-Serien Regie: Jacques Demy) oder – an der Seite von Erland Tati und Mitarbeiter des berühmten Drehbuchau- Pippi-Langstrumpf-Filmen bekannt. Zu seinen aktuel- aufgetreten. Zu seinen aktuelleren Arbeiten gehören Josephson – „Bakom Jalusin“ (1984). tors Jean-Claude Carrière. Ètaix feiert bis heute als leren Arbeiten gehören u. a. der Thriller „Verblendung“ u. a. „Ingemansland: No Mans Land“ (2012) oder die Filmregisseur und Live-Künstler Erfolge und ist im (2009) mit und Noomi Rapace sowie TV-Serie „Arne Dahl: de största vatten“ (2012). Dem deutschen Fernsehpublikum ist der polyglotte internationalen Kino zu Hause, u. a. in „Die Clowns“ das in Schweden mehrfach ausgezeichnete Drama Im März 2015 feierte der renommierte Theaterschau- Bergström durch Auftritte in TV-Formaten wie „Der (1971) oder „Le Havre“ (2011) von Aki Kaurismäki. Die „Between 2 Fires“ von Agnieszka Lukasiak (2011). spieler Premiere in der aktuellen Inszenierung von Kommissar und das Meer“ (2009) bekannt – und Los Angeles Times nannte ihn „den witzigsten Filme- Samuel Becketts „Endspiel“ in der Rolle des Clov auf als deutsche Werbestimme von Ikea („Wohnst du macher, von dem sie niemals gehört haben“. In „The Day The Clown Cried“ spielte Fredrik Ohlsson der Bühne des Stockholmer Kulturhuset City Theater noch, …“). Hermann, einen Mitgefangenen von Helmut (Lewis) in Stockholm (Regie: Thommy Berggren). In „The Day The Clown Cried“ spielte Pièrre Étaix im Lager. In „The Day The Clown Cried“ spielte Bergström die die Rolle von Gustav The Great, dem Star-Clown in In „The Day The Clown Cried“ spielte Lars Lind einen Rolle des jungen Gefangenen Franz, der im Lager von „Schmidt’s Zirkus“. Als sein Kollege Helmut (Lewis) ihn der Lagerinsassen. einem deutschen Gefängniswärter erschossen wird. unabsichtlich in der Manege zu Fall bringt und ihn so zur Zielscheibe von Spott und Gelächter macht, sorgt Gustav dafür, dass Helmut gefeuert wird.

20 21 Nils Eklund (88) (70) Hans Klinga (66) Lars Amble (1939 – 2015)

In den 1950er-Jahren wurde der junge Nils Eklund Der bekannte Bühnenschauspieler war auf allen Der beliebte Schauspieler Hans Klinga arbeitet auch Lars Amble arbeitete als Schauspieler und Theater­ vom legendären Regisseur an das großen Stockholmer Bühnen zu sehen und ist in als Regisseur von Bühnenstücken und Filmen. Bereits regisseur und begann seine Laufbahn am renommier- Theater in Malmö engagiert. Neben seiner intensiven seiner Heimat als die schwedische Stimme der Figur 2009 erhielt er den Eugene O’Neill Award, für sein ten Staatstheater Dramaten in Stockholm. Er war in Bühnentätigkeit arbeitet er seit den 60er-Jahren auch „Tim“ in den „Tim und Struppi“-Verfilmungen bekannt. künstlerisches Gesamtwerk wurde er im Jahre 2011 zahllosen Theaterstücken, Musicals, Fernsehserien immer wieder vor der Kamera – darunter für Filme, Er ist ein beliebter Sprecher für Hörbücher. Für seine vom schwedischen König geehrt. und Spielfilmen zu sehen. Ab 1986 prägter er als die auch in Deutschland gezeigt wurden, wie „Zu Darstellung in dem Kinofilm „Creditors“ gewann künstlerischer Leiter das Maxim-Theater in Stockholm lieben“ (1964), „Pistolen“ (1973) oder „Wer gewinnt Tomas Bolme 1988 den Schwedischen Filmpreis In „The Day The Clown Cried“ spielte er einen jungen und war bis zu seinem Tod aktiv vor der Kamera. Das das Rennen?“ (1981). Noch heute wird der Schau- („Guldbagge“). deutschen Leutnant. deutsche Publikum kennt ihn u. a. aus der Krimiserie spieler überall in Schweden erkannt, denn er spielte „Mord im Mittsommer“, die 2014 im ZDF ausgestrahlt in der schwedischen Ausgabe der „Sesamstraße“ die In „The Day The Clown Cried“ spielte Tomas Bolme wurde. beliebte Figur Pompom, einen lustigen Hausmeister. den politischen Häftling Adolf. Ein weiteres Standbein des immer noch aktiven In „The Day The Clown Cried“ spielte Lars Amble einen Künstlers war seine Synchronarbeit. So war seine SS-Offizier, der verantwortlich für die Baracke der Stimme in ­vielen Disney-Klassikern wie „Bambi“, „Susi politischen Häftlinge war. und Strolch“ oder „Aladdin“ zu hören. Lars Amble starb im August 2015. In „The Day The Clown Cried“ spielte Nils Eklund 1972 den Kneipenwirt Claus. Er ist der älteste unter den Schauspielern, die in einem einzigartigen Experiment diesem verschwundenen Film nachfühlen. Natürlich übernahm er wieder seine alte Rolle.

22 23 Rune Ericson (1924 – 2015) Jean-Jacques Beineix (69) Jan Kotschack Rune Hjelm (73) Kamera Regieassistent Paris Sohn des schwedischen Unternehmers Jack Kotschack, Regieassistent Ko-Produzent bei „The Day The Clown Cried“

Als Rune Ericson im Februar 2015 mit 91 Jahren starb, Der französische Regisseur, Produzent und Drehbuch- Der schwedische Journalist Jan Kotschack hat ein Buch Rune Hjelm war wohl der engste Mitarbeiter von fasste ein Freund sein Leben wie folgt zusammen: autor war noch weit von seinen späteren Erfolgen über das bewegte Leben seines Vaters Jack Kotschack Jerry Lewis während der Dreharbeiten in Stockholm. „Rune war Pilot, Taucher, Gitarrist, Pianist, ein ziemlich entfernt, als er 1972 als Regieassistent für Drehar- (1915 – 1988) geschrieben. Unternehmungslustig, Er arbeitete zwischen 1968 und 1990 in unterschied- begabter Sänger und er malte sehr gute Ölbilder“. beiten von Jerry Lewis in Paris angefragt wurde. Er elegant, gesellig, war Jack Kotschack, ein gebürtiger lichen Funktionen in der schwedischen Kino- und Berühmt wurde dieser talentierte Mann jedoch durch fing 1964 als Regieassistent für Film und Fernsehen Finne und Tennis-Champion, seit den 1950er-Jahren Fernsehindustrie. Heute lebt er auf Sansibar. seine Begeisterung für den Film und die Kamera – an und arbeitete u. a. für Claude Zidi. Seinen ersten ein gern gesehener Gast an den Treffpunkten des mehr als 60 Filme hat er in seiner fast 50-jährigen eigenen Kurzfilm stellte er 1977 fertig („Le chien de internationalen Jetsets. Er trank mit Brigitte Bardot Karriere zwischen 1947 und 1991 gedreht und wie Monsieur Michel“), mit dem er nicht nur beim Festival Kaffee, feierte Feste mit Sophia Loren und Marilyn nebenbei auch noch 1969 das Super 16 mm-Format Trouville gewann, sondern auch für den französischen Monroe, spielte Tennis mit Kirk Douglas. 1961 stellte entwickelt. Für diese Erfindung wurde er mit einem Filmpreis César nominiert wurde. 1981 feierte er mit er die schwedische Radiolandschaft auf den Kopf: Oscar ausgezeichnet. Zu seinen international meist- seinem Kinodebüt einen rauschenden Erfolg: „Diva“ Er gründete und betrieb den Piratensender „Radio beachteten Filme gehört der gefeierte Kinderklassiker wurde aus dem Stand ein internationaler Kassen- Nord“, der aus internationalem Gewässer in der „Ronja Räubertochter“ (1984). schlager und gewann mehrere Césars. Sein Film Ostsee moderne Musik, Nachrichten – und erstmalig „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“ wurde 1987 als (!) Werbung sendete. Als die schwedische Regierung bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert. Werbung bei Radio Nord unter Strafe stellte, musste Kotschack aufgeben. Zum Filmproduzieren kam er wohl eher zufällig: Sein Nachbar in Cannes, der belgisch-französische Filmproduzent Nat Wachsber- ger, hatte Jerry Lewis das Projekt „The Day The Clown Cried“ angeboten und holte Kotschak als Ko-Produ- zenten an Bord.

Weitere Original-Teammitglieder im Interview sind ­Tonmann Lars Klettner und der Szenenbildner Rolf Larsson. 24 25 Der Clown

Weitere Zeitzeugen

27 Claude Lanzmann (89) (71) Hans Crispin (56) Andreas Kilb (54)

Die Vorbereitungen und Dreharbeiten zu „Shoah“ Er gehört zu den stillen Komikern. Einer, dessen Der Autor, Schauspieler und Betreiber einer Postpro- Nach einem Studium der Germanistik, Romanistik, (1985), Lanzmanns epochaler Dokumentation des Gesicht man aus unzähligen Filmen kennt und die duktionsfirma in Stockholm ist ein exzellenter Kenner Publizistik und Philosophie arbeitete der gebürtige Völkermordes an den europäischen Juden, dauerten dem Ganzen einen abrundenden Pfiff geben. Mit der der schwedischen Film-und Fernsehlandschaft. Frankfurter seit 1982 als Film- und Fernsehkritiker bei länger als zehn Jahre. Das neuneineinhalbstündige Kult-Mockumentary „This Is Spinal Tap“ hat er Filmge- der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 1987 wechselte Opus wurde zum cinematografischen Meilenstein in schichte geschrieben, als Synchronsprecher der Serie er als Filmredakteur zur Hamburger „Zeit“, für die der Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Lanz- „Die Simpsons“ hat jeder Amerikaner ein Ohr für ihn. er 1998/99 ein Jahr lang aus Los Angeles berichtete. mann, der für „Shoah“ sowohl mit Überlebenden Seine angriffslustige Komik findet auch Platz in seinen Seit 2000 arbeitet er als Feuilletonkorrespondent der wie auch mit Tätern Interviews führte, stellte sich Dokumentarfilmen. Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin. In den in seinem Film, wie er selbst sagt „der äußersten Sammelbänden „Was von den Bildern blieb“ (1997) ­Herausforderung“: „die nicht existierenden Bilder Harry Shearer behauptet, zu den wenigen Menschen und „Kinoblicke“ (2008) erschienen ausgewählte vom Tod in der Gaskammer zu ersetzen.“ Weitere zu gehören, die Teile von „The Day The Clown Cried“ Filmkritiken und Aufsätze zum Kino. Film von Claude Lanzmann sind u. a. „Warum Israel“ gesehen haben. (1973), „Tsahal“ (1994), „Ein Lebender geht vorbei“ (1997), „Sobibor, 14. Oktober, 16 Uhr“ (2001) und „Der Karski-Bericht“ (2010).

28 29 Daniel Kothenschulte (48)

Der Kölner Filmkritiker, Filmkurator und Filmwissen- schaftler Daniel Kothenschulte ist Verfasser zahlrei- cher Aufsätze zur Filmgeschichte und Pop-Kultur. Zu seinen Veröffentlichungen gehören auch Bücher wie „Nachbesserungen am amerikanischen Traum“, eine Auseinandersetzung mit den Regiearbeiten von Robert Redford, und insbesondere viele Arbeiten zu Leben, Werk und Wirkung von Walt Disney. Kothen- schulte ist Gründer des „Silent Movie Theater Cologne“.

30 31 Impressum Pressekontakt

Herausgegeben von NDR Presse und Information NDR Presse und Information

Redaktion: Iris Bents Iris Bents Bildnachweis: NDR | Rune Hjelm, Rune Ericson, Tel.: 040/41 56-23 04 Lars Lind, Eric Friedler Fax: 040/41 56-21 99 Fotos: www.ard-foto-de [email protected] Mitarbeit: Silke Schütze www.ndr.de/presse Gestaltung: nodesign Litho: Laudert GmbH & Co. KG Druck: Bartels Druck GmbH

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