p CCOMICSOMICS Zur Wertungsgeschichte einer literarischen Gattung

+ + + Peter Wolter + + + Seite 1

Comics - Zur Wertungsgeschichte einer Literarischen GAttung

Hausarbeit zur ERlangung des MAgistergrades AN DER Ludwig-Maximilian-UNIVERSITÄT München

BEI PROf. Dr . Konrad Feilchenfeldt IM FAchgebiet: Neuere Deutsche Literatur

Von Peter Wolter Hans-Leipelt-Str .8 | 80805 München

MÜNCHEN, DEN 17. JULI 2007

Abb. 2

Umschlag: Abb. 1 Seite 2 Inhaltsverzeichnis

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+++ 1. Einleitung 6

+++ 2. Der Comic im Spiegel seiner 15 Stoffgeschichte

2.1. Klärung der Betrachtungsweise 15 2.2. Von der Antike bis zur Moderne 16 2.3. Die Entwicklung des modernen Comics 22

2.3.1. Zeitungs-Strips und Humor – 1895 bis 1928 22 2.3.1.1. Der Slapstick 22 2.3.1.2. Die frühen Außenseiter 29 2.3.1.3. Der Family-Strip 31 2.3.1.4. Der Girl-Strip 34 2.3.1.5. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 36 2.3.1.6. Zusammenfassung 38

2.3.2. Die Abenteuergeschichten und das Comic-Heft 39 2.3.2.1. Die Dschungel-Saga 39 2.3.2.2. Die Science Fiction 41 2.3.2.3. Das Comic-Heft 44 2.3.2.4. Die Kriminalgeschichten 46 2.3.2.5. Der Western 47 2.3.2.6. Die Ersten Schritte in Europa 48 2.3.2.7. Die Rittergeschichte 53 Inhaltsverzeichnis Seite 3

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2.3.2.8. Die Superhelden 56 2.3.2.9. Die Auswirkungen des zweite Weltkrieges 59 2.3.2.10. Der Horror-Comic und die Folgen 60 2.3.2.11. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 62 2.3.2.12. Zusammenfassung 68

2.3.3. Von den Revolutionen der 60er Jahre bis heute 69 2.3.3.1. Die neue Welle der Superhelden 69 2.3.3.2. Comics für Erwachsene - Asterix und Erotik 72 2.3.3.3. Der Underground 74 2.3.3.4. Die Avantgarde in Frankreich 80 2.3.3.5. Die Avantgarde in Amerika und neue Vertriebsstrukturen 82 2.3.3.6. Die Mangas 87 2.3.3.7. Die Akademische und journalistische Nutzung 90 2.3.3.8. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 91 2.3.3.9. Zusammenfassung 94 Seite 4 Inhaltsverzeichnis

SEITE +++ 3. Ein Bezugsrahmen: die Kunst-Kitsch Theorie 96

3.1. Problemstellung 96 3.2. Unterscheidungsfaktoren zwischen Kunst und Kitsch 98

3.2.1. Geisteshaltung und Funktion: distanzierter Genuss gegenüber distanzloser Stimulans 98 3.2.2. Inhalt: Bildung- und Forschungsauftrag Gegenüber starrem Geisteshorizont 99 3.2.3. Durchführung: konventionslose Wirklichkeitserfahrung gegenüber klischeehaftem Ausdruck 100 3.2.4. Struktur : architektonische Komposition gegenüber Kumulation 101 3.2.5. Verbreitung: Elitärer Gegenstand gegenüber Massenware 101 3.2.6. Zusammenfassung 102

+++ 4. Die Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung 103

4.1. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung bis Ende der 60er 103 Inhaltsverzeichnis Seite 5

SEITE 4.1.1. Die Klassifikation als literarische Gattung 103 4.1.2. Überlegungen zu den Ursachen für diese Klassifizierung 105 4.1.3. Dr . Werthams Schule 108 4.1.4. Werthams Einfluss 112 4.1.5. Relativierung 116 4.1.6. Überprüfung und Herleitung der dargelegten Reputation 119

4.1.6.1. Comics als Konsumgut für Kinder 119 4.1.6.2. Die Funktion der Comics und die entsprechende Arbeitssituation 121 4.1.6.3. Untersuchung der Inhalte auf künstlerische oder kitschige Qualität 125

4.1.6.3.1. Originalität und Klischeehaftigkeit 125 4.1.6.3.2. Die Geisteshaltung beim Comic-Konsum 132 4.1.6.3.3. Das kompositorische Moment am Beispiel von Superman 134 4.1.6.3.4. Ergebnisse 138 Seite 6 Inhaltsverzeichnis

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4.2. Die Neuorientierung bezüglich des Comics 139

4.2.1. Die Bildende Kunst entdeckt den Comic 139 4.2.2. Die Wissenschaft entdeckt den Comic neu 142 4.2.3. Eine neue Klassifikation 148 4.2.4. Kunstgeschichtliche Begründung für das Umdenken 150 4.2.5. Zur aktuellen Definition 154

4.3. Zusammenfassung 158

+++ 5. Resümee 160

Glossar 164

Abbildungsverzeichnis 169

Literaturverzeichnis 172

Primärquellen 172 Sekundärquellen 175 Internetquellen 185

Lebenslauf 188 Seite 7

«Wenn ein Kritiker einen Film niedermachen will, muss er nur schreiben, er habe den Plot eines Comic-Strips» Charles M. Schulz

«Hitler was a beginner compared to the comic book industry.» dr . Fredric Wertham

«Oh, der argentinische Comic ist ein weites Feld!»

Comic-Experte Reinhold Reitberger bei einem Gespräch am 9. Juli 2007, das Vorhaben belächelnd, einen Überblick über die Geschich- te des Comics zu verfassen. Seite 8

Abb. 3

+++ 1. Einleitung

Die Definition eines Schweizer Konversationslexikons von 1953 beschreibt den Comic wie folgt:

«Comics = amerikanische Bezeichnung einer weitverbreiteten Buch- und Maga- zinliteratur für die Jugend. Drastisch gezeichnet, auf Situationsspannung berech- nete Bildergeschichte, in denen das Wort zu rudimentärem Begleittext degradiert ist. Nur anfänglich humorvoll (Name), dann auch belehrenden Inhalts, aber meist Kriminal- oder Abenteuergeschichten» (Zitiert nach Glietenberg,1956, S. 27).

In Duden – Das Fremdwörterbuch von 1960 heißt es:

«Comics: Kurzw. für: Comic strips. […]: urspr. die von wenig Text begleiteten Bildreihen karikaturistischer Art, die in Fortsetzungen in den amerikan. Zeitun- gen erschienen, dann selbstständige primitive Bildserien meist abenteuerlichen Inhalts.»1

+++++++++++++++++++++++++ 1 Originaler Wortlaut laut freundlicher Auskunft des Verlages. Einleitung Seite 9

Betrachtet man diese Definitionen vom heutigen Standpunkt aus, sind sie verschiedentlich leicht zu widerlegen, beziehungsweise als ungenau zu kenn- zeichnen. Beispielsweise ist Text keine konstitutive Komponente zur Klassi- fikation des Comics. Die einzelnen Bilder reichen als Bedeutungsträger aus, um den Inhalt zu vermitteln, wie der folgende Comicstrip belegt:

Abb. 4 – Für Comics ohne Text hat sich die Bezeichnung «Phantomime-Strip» eingebürgert.

Des Weiteren sind generelle Vorwürfe der «Primitivität» oder der «Berech- nung auf Situationsspannung» zurückzuweisen, bedenkt man zum Beispiel ein Werk wie KEIJI NAKAZAWAS Barfuß durch Hiroshima, das eine historisch-au- tobiographische Aufarbeitung der Geschehnisse in Hiroshima vor und nach dem Abwurf der Atombombe 1945 darstellt. Auch eine generelle Aussage über den Zeichenstil ist nicht zu treffen, angesichts der schier unbegrenzten Vielfalt von Stilen, die die heutige Comic-Landschaft prägen. Dies sollen einige unsystematisch zusammengestellte Beispiele illustrieren: Seite 10 Einleitung

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7 Einleitung Seite 11

Abb.8

Abb. 9 Seite 12 Einleitung

Wie kommt es also zu derartigen Definitionen, zumal in anerkannten Stan- dardwerken wie dem Duden? Die Antwort liegt in der Zeit ihrer Entstehung: Die Begrifflichkeit des Phänomens «Comic» hat sich, wie seine Reputation und das Spektrum der Inhalte, einer Evolution unterzogen. Es erscheint da- bei logisch, dass alle drei in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Genannte Entwicklungen und Zusammenhänge darzustellen, ist Aufgabe der vorliegenden Arbeit. Interessant ist diese Wertungsgeschichte in Hinblick auf den heutigen ge- sellschaftlichen Anklang, den der Comic erfährt. Dieser ist höchst different: Zum einen gibt es Comic-Kongresse, Comic-Museen und in Belgien ist es gar möglich, den Comic als Studiengang zu belegen. Originalzeichnungen erzielen horrende Sammlerpreise und einzelne Werke erfahren höchste Aner- kennung von Seiten des Bildungsbürgertums: ART SPIEGELMANNS Maus wurde 1992 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Auf der anderen Seite ist außerhalb speziell interessierter Kreise von einer sehr abwertenden Meinung gegenüber dem Comic zu sprechen. Das Metier wird in der breiten Öffentlichkeit «normalerweise als Kinderei belächelt»2

(einen satirischen Kommentar dazu gibt MATHIAS EMDE, siehe Abb. 3). Die Motivation, die Geschichte des Comics und die Geschichte seiner Re- putation zu beleuchten, liegt also in der Frage, wie es zu der heutigen Situa- tion kam. In Kapitel Zwei soll zunächst ein historischer Abriss von der Entstehungs- geschichte des Comics bis heute geliefert werden. Für einen möglichen spä- teren Bezug hinsichtlich seiner Aufarbeitung in der Forschung wird dabei neben einschneidenden Ereignissen für den Markt speziell auf die stoffliche Entfaltung eingegangen. Um das auszuführende Image des Comics in ein Verhältnis mit dem zeit- lich entsprechenden, inhaltlichen Spektrum zu stellen, ist neben der Aus-

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2 Artikel: Denken funktioniert ikonisch - ART SPIEGELMAN im STANDARD-Interview. In: Der Standard. URL: http://derstandard.at/?id=1428438 (Abgerufen 16. Juli 2007). Einleitung Seite 13 breitung des selbigen aber auch ein wertender Kommentar nötig. Hierfür bedarf es eines Instrumentariums, das in Kapitel Drei festgelegt werden soll. Es werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst, die die moderne Kunst- Kitsch Theorie zur Bestimmung von künstlerischer oder kitschiger Klassifika- tion vorgibt. Zur Anwendung kommen diese in Kapitel Vier. Dort soll die Geschichte der Diskussion um den Comic dargestellt werden, bezüglich seiner Klassifikation und seiner qualitativen Bewertung. Daraufhin wird anhand der Kunst-Kitsch Theorie der Zusammenhang zwischen der Kritik an der Erzählform als sol- cher und dem zeitlich entsprechenden Spektrum von Inhalten untersucht. Der Grund, warum in dieser germanistischen Arbeit dabei fast ausschließ- lich ausländische Werke behandelt werden, ist die realistische Betrachtung des Marktes. Comics werden in Deutschland seit über sechzig Jahren millionenfach konsumiert, jedoch ist der Anteil inländischer Erzeugnisse bis auf wenige Ausnahmen bedeutungslos, die «Gestalt des Comic-Import-Wesens» ist dage- gen «bis in die Gegenwart von konstitutiver Bedeutung» (DOLLE-WEINKAUFF, S. 15)3. Sie sind eine amerikanische Schöpfung, die ihren Weg nach Europa gefunden, und sich in übersetzter Form, zu einem breiten Markt etabliert hat. Dabei wurden vor allem in Frankreich und Belgien im Laufe der Zeit ei- gene Stile entwickelt, die weltweiten Einfluss genommen haben. «Das Verbot des internationalen ausgerichteten ‹Spirou› [während des zweiten Weltkrie- ges a.d.V.] ist leider der bedeutendste deutsche Beitrag zur Geschichte des

[...] Comics geblieben» (PLATTHAUS, S. 158)4. Als Grund für die immer schon unterentwickelte nationale Produktion wurden einige Vermutungen ange- stellt. BURKHARD IHME, Vorsitzender des Interessenverband Comic, Cartoon,

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3 KRAFFT nennt 1978 die Zahl von 90 % für den Anteil ausländischer Lizenzausgaben auf dem Markt der BRD und Westberlin (vgl. 1978, S. 10 f.). In den 80er Jahren hat sich die Popularität deutscher Produkti- onen etwas erhöht (siehe Kapitel 2.3.3.8.).

4 Spirou ist der Name eines franko-belgischen Comic-Magazins (siehe Kapitel 3.3.2.) Seite 14 Einleitung

Illustration und Trickfilm e.V. (ICOM)5, verwies in einem Gespräch am 9. Juli 2007 während des Comicfestival München auf die seiner Meinung nach au- toritäre Kontrolle des Bildungsbürgertums bezüglich der Kinderliteratur zu Anfang des vorhergehenden Jahrhunderts. Abgesehen von der darauffolgen- den rigorosen Ächtung durch das nationalsozialistische Regim zu der Zeit, als der Comic in Amerika seinen historisch größten Boom erlebte (siehe Kapitel

2.3.2.8. und 2.3.2.9.), sieht DOLLE-WEINKAUFF in der starken Tradition der Bil- dergeschichte ein Hindernis, das der Verbreitung des Comics in seinen An- fangsjahren in Deutschland im Weg stand. Des Weiteren seien ausländische Lizenzen für die Verlage damals wie heute weitaus billiger zu erwerben, als nationale Künstler zu fördern und bieten immerhin die kleine ökonomische Sicherheit, Rückschlüsse aus dem Erfolg der Serie in ihrem Heimatland zie- hen zu können (vgl. 1990, S. 15).

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5 Der ICOM ist ein deutscher Berufsfachverband für Comicschaffende. Seine Tätigkeit umfasst die Organisation und Beratung Professioneller, regionale Interessengruppen, den Vertrieb von Fanzines und unpopulärer Publika- tionen, sowie die jährliche Herausgabe des Comic!-Jahrbuch, in dem die Entwicklung des internationalen Mark- tes beleuchtet und Forschung zu spezifischen Problemstellungen betrieben wird (vgl. Comic!-Jahrbuch 2003, S. 230 ff.). Seite 15

+++ 2. Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

2.1. Klärung der Betrachtungsweise

Die Aufgabestellung, die Geschichte des Comics zu umreißen, sieht sich mit der Frage konfrontiert, den Gegenstand aus einer phänomenologischen oder einer begrifflich historischen Betrachtungsweise zu beschreiben, oder, wie KÜNNEMANN es ausdrückt, vom «künstlerisch-ästhetischen, motivge- schichtlichen oder vom zeitungswissenschaftlichen Standpunkt aus» (1974, S. 129). Soweit sich aus der einschlägigen Literatur zum Thema recherchieren lässt, gehen die Meinungen zur genauen Datierung des Ursprungs moderner Co- mics leicht auseinander6. Es scheint jedoch weitgehend einen Konsens über den Zeitraum Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts zu bestehen. Fest steht, dass sich zu dieser Zeit das bewusste Selbstverständnis des Phänomens «Co- mic» im Kontext des Konkurrenzkampfes zweier führender amerikanischer Tageszeitungen formte (siehe Kapitel 2.3.1.1.).

«Der Begriff Comic entstand in New York, als 1889 in der Sonntagsausgabe der JOSEPH PULITZER gehörenden New York World eine Unterhaltungsbeilage (Comic Supplement) mit Cartoons eingeführt wurde.»7

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6 SCOTT MCCLOUD bezeichnet RODOLPHE TÖPFFER als «Vater des modernen Comics» (1993, S. 25). GERALD MUNIER jedoch zählt TÖPFFERS ab 1833 erschienene Werke zu der «Vorläufertradition» des Mediums und verweist auf die «inzwischen am meisten eingebürgerte» Meinung, die Geburtsstunde des mo- dernen Comics sei mit der Veröffentlichung des Yellow Kid von RICHARD OUTCAULT auf das Jahr 1985 zu datieren. Den Übergang von der Karikatur zur «comic-typische Verknüpfung mehrerer Einzelbilder zu einer Sequenz», und damit die Entstehung des ersten «echten» Comics, schreibt er selbst allerdings erst RUDOLPH DIRKS The Katzenjammer Kids von 1897 zu (vgl. MUNIER, 2000, S. 21 ff.). (Diese Annahme ist falsch, wie ein Strip des Yellow Kid vom 14. Februar 1897 belegt, den ANDREAS KNIGGE in seinem Buch 50 Klassiker – Comics abdruckt. Außerdem berichtet er von einer sequentiellen Version der Serie ab 1896 [vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 20]. The Katzenjammer Kids debütierte im Dezember 1897.) HORST SCHRÖ- DER wiederum hält die Werke von CHARLES HENRY ROSS 1867 und HEINRICH HOFFMANNS Struwwelpeter von 1847 für die international wichtigsten Ansätze des modernen Comics (vgl. SCHRÖDER, 1982, S. 8).

7 Artikel: Comic in Nordamerika; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 15. Juli 2007, 00:00 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Comic_in_Nordamerika&oldid=34395407 (Abgerufen: 15. Juli 2007). Seite 16 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Geht die Untersuchung jedoch von einer modernen Definition des Medi- ums8 aus und nicht vom frühesten Zeitpunkt seiner massenhaften, gattungs- spezifisch etikettierten Verbreitung, können je nach Einschätzung der grund- legenden Charakteristika in der gesamten Kunstgeschichte der Menschheit Comics (oder zumindest comichafte Züge) gefunden werden. Die Argumen- tation zur Existenz von Comics vor dem Ende des 19. Jahrhunderts wird im folgenden Kapitel 2.2. kurz illustriert, für die weitere Bearbeitung des Themas dieser Arbeit ist es jedoch sinnvoll, das eigentliche Augenmerk auf die stoffli- che Entwicklung des modernen Comics nach 1886 zu werfen. Grund dafür ist, dass von einer eigenen Wertungsgeschichte einer gestal- terischen Disziplin erst ab dem Moment gesprochen werden kann, ab dem Selbige, sich bewusst als solche, von anderen abgrenzt. Sämtliche Werke, die historische Künstler erschufen, müssen – auch wenn sie comichafte Züge aufweisen – in erster Linie unter anderen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden. Nämlich unter denen des Faches, zu denen sich der Künst- ler zählte.

Abb. 10 2.2 Von der Antike bis zur Moderne

«Denn gleich den Anhängern der SF litten auch die Comic-Freunde an einem Minderwertigkeitskomplex. Sie leiden noch immer daran und versuchen deshalb, ihre Gegner dadurch zu widerlegen, dass sie den Comics eine respektable Ahnen- tafel andichten» (Schröder, 1982, S. 8)9.

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8 Ein Beispiel ist die Definition MCCLOUDS (siehe Kapitel 4.2.5.). 9 Gemeint mit «SF» ist hier «Science Fiktion»-Literatur Von der Antike bis zur Moderne Seite 17

Beispiele von Kunstwerken, die Merkmale des Comics aufweisen10, finden sich in der Geschichte auf mannigfaltige Weise. Einige Stimmen sehen den Comic gar als ein Phänomen an, das die Menschheit seit ihrem Anbeginn begleitet.

MARNEY zum Beispiel fragt 1968 rhetorisch: «Was anderes machten die Höh- lenmenschen, als sie galoppierende Auerochsen und Rentiere in die Wände kratzten?» (zitiert nach Holtz, 1980, S.28). Ein Argument für diese Sichtwei- se wären rudimentär vorhandene Bewegungslinien oder andere, Bewegung verdeutlichende grafische Elemente, wie zum Beispiel die mehrfache Umran- dung eines Tieres in der Chauvet-Höhle an der Ardèche in Frankreich11. Die Darstellung von Bewegung und damit einer Geschichte, die dem Zeit- rahmen des Panels zu Grunde liegt, ist ein Comic-spezifisches Merkmal (vgl. Anmerkung 9). Es wird auch die Ansicht vertreten, man könne in Werken der altägyptischen Kunst die ersten Comics sehen: MCCLOUD zum Beispiel weist

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10 Es folgt eine Sammlung von Merkmalen, die typisch für den modernen Comic sind. Welche davon obligato- rischen und welche fakultativen Charakter haben, ist Teil der Diskussion um den Gegenstand, die an späteren Stellen aufgegriffen werden soll (siehe Kapitel 4.2.5.). Typische Merkmale des Comics sind (vgl. hierzu KAGELMANN, 1976, S. 9, RIEDMANN, 1988, S. 5 ff., MCCLOUD, 1993, S. 102, HAVLIK, 1981, S.8): 1. Statische Bilder in einer Sequenz 2. Panelrahmen, die die Bildränder definieren 3. Integration von Text in die Bilder durch Sprechblasen und frei im Bild stehende Onomatopoetika 4. Das Erzählen einer Geschichte 5. Druck auf Papier, als Hefte, Bücher oder als Bestandteil einer Zeitungen 6. Massenhafte Verbreitung 7. Die Bestimmung zum Verbrauch 8. Serielles, periodisches Erscheinen mit feststehendem Figurenkanon 9. Ikonischer, karikaturistischer Zeichenstil 10. Von links oben nach rechts unten gelesen 11. Die Darstellung von Bewegungen durch Speedlines oder mehrfachdarstellung des Gegenstandes 12. Graphische Metaphern (nicht in den realen Kontext der dargestellten Situation gehörige Elemente, die Gefühlszustände oder ähnliches Darstellen, zum Beispiel Sternchen, die um eine Figur schwirren, was Benommenheit oder Schmerz ausdrückt) 13. Graphische Gestaltung von Panelrahmen, Sprechblasen oder jeglicher Schrift tragen konnotativen Charakter 14. Darstellungsweise nahe verwandt mit dem Film (Perspektive)

11 Vgl. Artikel Entwicklung des Comics; IN: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 22. Juni 2007, 13:49 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Entwicklung_des_Comics&oldid=33487483 (Abgeru- fen: 10. Juli 2007). Seite 18 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte auf eine Malerei mit textlosen, rahmenlosen, sequenziellen Bildern hin, die für das Grab eines ägyptischen Schreibers von circa 1400 vor Christus ange- fertigt wurde (vgl. 2001, S. 22). In der altgriechischen Epoche ab 600 vor Christus finden sich bereits Bei- spiele, die Bildsequenz mit Schrift koppeln. KARL CLAUSBERG zeigt in seinem Aufsatz Metamorphosen am laufenden Band die Abbildung einer Szene auf ei- ner attisch-schwarzfigurigen Amphora: zwei sequenzielle Abbildungen zeigen den Verlauf eines Ölhandels mit einem «Muster an präziser monologischer und dialogischer Bildrede» (2002, S. 20). Diese wird verwirklicht, indem den handelnden Personen Buchstabenketten aus den Mündern strömen. Dieses Muster – Sprache in die Handlung der Bilder einzubinden – wird allerdings, wie er referiert, von der späteren römischen und christlichen Kunst nicht übernommen (vgl. 2002, S. 20). Der römische Herrscher Trajan lässt 113 nach Christus eine Steinsäule er- richten, auf der ein Relief sequenzhaft zwei Feldzüge gegen die Daker textlos darstellt12. Ebenso finden sich im christlichen Mittelalter sequentielle Bild-Erzählun- gen, zum Beispiel auf dem Wandteppich von Bayeux oder in der Buchmalerei

(vgl. METKEN S. 7 f.). Zu dieser Zeit begnügt man sich allgemein damit, «unter den Bildern erläuternde Tituli anzubringen. Erst als mit dem gotischen Stil [um 1140 a.d.V.] das Bedürfnis aufkam, Bildbewohner zum Sprechen zu brin- gen, sei ein bereits vorhandenes ikonographisches Motiv zum so genannten

Spruchband umfunktioniert worden» (CLAUSBERG, 2002, S.20). Die Personen tragen dabei Buchrollen oder ähnliches, auf denen zu lesen steht, was sie in der Situation der Szene zu sagen hatten. Dies könne als ein Vorläufer der Sprechblase gesehen werden, da die Spruchrollen die gleiche, dialogische

Funktion realisieren (vgl. CLAUSBERG, 2002 S.20).

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12 Vgl. Artikel: Trajanssäule; Auf: ROMA ANTIQUA; URL: www.roma-antiqua.de/antikes_rom/kaiserforen/trajanssaeu- le (Aufgerufen: 15. Juli 2007). Von der Antike bis zur Moderne Seite 19

Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Erfindung des Holztafeldruckes nach Europa gelangt, kommen die so genannten Bilderbogen auf. Es handelte sich um einseitig auf Papier gedruckte Bilder, deren Erzählweise additiv ist. Sie dienten zur Nachrichtenvermittlung und auch zur Erbauung der des Lesens unkundigen Bevölkerung. Ab 1858 werden sie per dampfgetriebener Schnell- druckpresse hergestellt und damit massenhaft verbreitet, leiden aber ab 1870 unter der Konkurrenz zunehmend aufkommender illustrierter Zeitungen und verlieren an Bedeutung (vgl. Reallexikon zur Kunstgeschichte, 1948, S.550 ff.).

MCCLOUD sieht in dem Bilderzyklus von WILLIAM HOGARTH A Harlot´s Pro- gress von 1731-1732 wegen der bildlich dargestellten Geschichte eine Vor- form der Comic-Erzählung (vgl. 2001, S. 24). Zu dieser Zeit entstehen aber auch die eigentlichen Wurzeln der Comics nach KARL RIHAS Beschreibung von 1969:

«[...]die Vorläufer [...] liegen in der politischen Karikatur, wie sie sich Ende des achtzehnten, Anfang des neunzehnten Jahrhunderts vor allem in England und Frankreich entwickelt hat, in der Tradition der satirisch-humoristischen Zeitschrif- ten, in der Mode der Bilderbogen und in den Bildergeschichten» (1969, S. 7).

Die Bildergeschichte ist vom später aufkommenden Comic abzugrenzen: sie konstituiert sich als eine Erzählung, die zwar von Bildern illustriert, je- doch vom Text getragen wird. Text und Bild sind strickt getrennt, man könn- te die Bilder auch weglassen (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 10). Von daher ist für den

Comic vor allem der Schweizer RODOLPHE TÖPFFER von Bedeutung (vgl. FUCHS, 1985, S.12), denn er durchbricht mit seiner Geschichte Monsieur Vieux Bois von 1837 diese Trennung13. Die Handlung wird zum Teil vom Text, der aber noch nicht in das Bild integriert ist, und zum Teil von den Zeichnungen getra- gen. Beide addieren sich zum vermittelten Inhalt (vgl. METKEN, 1970, S. 16).

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13 Angemerkt sei, dass TÖPFFER von GOETHE, der ganz angetan von dessen Werken war, ermutigt wurde, diese zu veröffentlichen (vgl. KÜNNEMANN, 1974, S.130). Seite 20 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Abb. 11

Neben TÖPFFER gilt WILHELM BUSCH als einer der Vorväter des Comics (vgl.

HAVAS/HABARTA, 1993, S. 27). BUSCH nimmt einige der Elemente, die später spezifisch für den Comic werden sollen, voraus. Hier ist zum einen die Visu- alisierung von Bewegung in Bildern durch das graphische Mittel der Mehr- fachdarstellung zu nennen (siehe Abb. 11). Des Weiteren benutzt er bereits Onomatopoetika, um das Geschehen auf den Bildern zu untermalen, wenn auch noch nicht direkt ins Bild integriert: «Knacks! Da –bricht der Stuhl ent- zwei/Schwapp! Da liegen sie im Brei» (aus Max und Moritz, zitiert nach HA-

VAS/HABARTA, 1993, S. 27). Wie BERNSTEIN14 in einem Interview von 2001 for- dert, dürfe man aber weder für TÖPFFERS noch BUSCHS Werke die Bezeichnung Comic verwenden, denn sie seien trotz gewisser Sequenzen immer noch Bil- dererzählungen (vgl. BRUNS, 2001, S. 85). WOLFGANG HÖHNE bemerkt dazu richtig, dass man «Busch auch ohne die Bilder zitieren» (2003, S. 23) kann.

Der von RIHA erwähnten Karikatur (s.o.) fehlt im Regelfall die bildliche

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14 F.W. BERNSTEIN ist einer der führenden Karikaturisten im deutschsprachigen Raum, er war in den 60er Jahren Chefredakteur der Satirezeitschrift Pardon und gilt als Mitbegründer der Satirikerströmung Neue Frankfurter Schule (vgl. BRUNS, 2001, S. 82). Von der Antike bis zur Moderne Seite 21

Sequenz, die dem Comic eigen ist15. Dafür wird in ihr die direkte Integration des Wortes ins Bild vollzogen. Zum Beispiel sind aus der deutschen Satirezeit- schrift Kladderadatsch Cartoons aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, die Sprechblasen verwendeten (vgl. MUNIER, 2000, S.23 f.). RIHA folgert, dass die Verschmelzung beider Gattungen, der Bildergeschichte und der Karikatur, zur Geburt des Comics geführt hat:

«Der Schritt in die Bildergeschichte bedeutet gegenüber der Karikatur das Ab- gehen von der Statik des Einzelbildes; dagegen bedeutet für die Bildergeschichte die Übernahme der Sprechblasentechnik aus der Karikatur eine durchaus neue Möglichkeit der Integration von Text und Bild» (1974, S. 155).

Die Sprechblasen als fester Bestandteil im bildlichen Repertoire der Kari- katur (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 25) weist auf die Bedeutung der europäi- schen Karikaturisten für die Entstehung des Comics hin. Sie entwickeln – wie

METKEN schreibt – zu Anfang des 19. Jahrhunderts einen großen Fundus an graphischen Abkürzungen und auch komischen Wirkungsmomenten.

«Sie setzten die soziale und urbane Welt wie die Typen und Schichten der Ge- sellschaft sicher in ihre elliptisch springende Bildkomposition ein. Für den sich in Amerika bildenden Comic-Strip, dessen Zeichner ja in der ersten oder zweiten Generation aus Europa kamen, stand auf diese Weise ein Kompendium der Bilder- sprache bereit» (1970, S. 21).

Damit sind also die künstlerischen, kulturellen und technischen Vorausset- zungen für die Entwicklungen gegeben, die im letzten Jahrzehnt des neun- zehnten Jahrhunderts in New York einsetzten.

+++++++++++++++++++++++++ 15 Damit konstituiert sie die Begrifflichkeit des «Cartoons» als Einzelbild im Gegensatz zum Comic, das aus einer Bildsequenz besteht. «A cartoon is final and complete, standing on its own penwork» (WAUGH, 1947, S.221). Seite 22 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

2.3. Die Entwicklung des modernen Comics 16

2.3.1. Zeitungs-Strips und Humor - 1895 bis 1928

2.3.1.1. Der Slapstick Die Anfänge des modernen Comics sind in erster Linie durch kommerziel- le Interessen amerikanischer Zeitungsmogule geprägt.

«Wer in den Wochenendbeilagen […] die lustigsten Karikaturen und besten Witzseiten zu bieten hatte, entschied über die Gunst der Zeitungsleser» (MUNIER, 2000, S. 22).

Mit diesem Hintergrund erscheint 1895 in der New York Times RICHARD

OUTCAULTS Cartoon Hogans´s Ally, der kurze Zeit später in Yellow Kid um- benannt wird und «für amerikanische Historiker […] die Geburtsstunde des modernen Comics» (KNIGGE, 2004 a, S.7) markiert. Yellow Kid besteht zunächst nur aus einem einzigen Bild größeren For- mats. Dieses kann aber wegen seiner inhaltlichen Komplexität kaum noch als karikativer Cartoon bezeichnet werden, der normalerweise eine pointierte Begebenheit erzählt. Unterschiedliche Stellen des Bildes zeigen unterschied- liche szenische Zeiträume: eine Yellow Kid Seite besteht aus mehreren gleich- zeitig ablaufenden Geschichten (siehe Abb. 12). Zeitliche Vorgänge werden durch den frühen Einsatz von Bewegungslini- en verdeutlicht17, wie auch durch die Schrift, die sich in mannigfaltiger Form ins Bild drängt. Zwar gibt es noch keine comictypische Lautmalerei, doch

+++++++++++++++++++++++++ 16 Da es im Umfang dieser Arbeit nicht möglich ist, sämtliche Werke und Ereignisse von Bedeutung detailiert darzulegen, befindet sich am Ende der folgenden drei Unterkapitel, die jeweils eine bedeutende Phase der Co- micgeschichte beschreiben, eine knappe Erwähnung sonstiger überaus populärer Titel oder einflussreicher Be- gebenheiten. Neben den angegebenen Quellen liegt den Beschreibungen von Kapitel 2.3. die Lektüre der Primärquellen zu Grunde.

17 Siehe den fallenden Jungen in der oberen Hälfte rechts von Abb. 12. Seite 23

Abb. 12 Seite 24 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

verwendete OUTCAULT die Sprechblase. Schauplatz der Geschichten sind die sich zur damaligen Zeit ausbreiten- den Slums in den amerikanischen Großstädten. Als Leitmotiv taucht in den Milieustudien immer wieder ein etwa zehnjähriger, etwas mongoloid wirken- der und stets fröhlicher Junge auf (siehe Abb. 12; mitte-links, unten), der ein langes gelbes Nachthemd trägt. Dieser wird Protagonist und Namenspatron der kurz darauf neu entstehenden Version der Serie: Aufgrund der in einem einzigen Bild eingeschränkten narrativen Möglichkeiten ist die Entwicklung zu sequentiellen Panels, durch die die einzelnen Geschichtsfragmente in eine chronologische Abfolge gerückt und ausgebreitet werden können, ein logischer Schritt, der Ende 1896 vollzogen wird. Der erste Comic im eigentlichen Sinne ist geboren.

Die weißen Stege, mit denen OUTCAULT die Bilder voneinander trennt, und die zum ersten Mal in sequentieller Bildfolge verwendeten, dialogisch einge- setzten Sprechblasen18 sind Merkmale, die auf das Yellow Kid zurück gehen. Wichtig ist auch das Prinzip des Serienhelden, das zu einem primären Stilmit- tel der in den folgenden Jahren entstehenden Strips wird (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 18 ff.). Bei dem Konkurrenzblatt New York Journal erscheint, angespornt durch die grosse Popularität des Yellow Kid, 1897 die Serie The Katzenjamer Kids von RUDOLPH DIRKS. Der Verleger der Zeitung, WILLIAM RANDOLPH HEARST, will die Zielgruppe der deutschen Einwanderer erschließen, die damals die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe der Metropole darstellte. Daher verlangt er von seinem Humorredakteur «something like Max and Moritz» von WIL-

+++++++++++++++++++++++++ 18 Nach einer aktuellen Entdeckung von ECKART SACKMANN gab es im deutschsprachigen Raum die Verwendung der Sprechblase schon früher in sequentieller Bildfolge! Die Zeitschrift Nürnberger Lustige Blätter veröffent- lichte 1894 den Strip Ein Bubenstreich oder Die schlafende Schildwache, von dem heute unbekannten Künstler W. SCHUH. Es handelt sich um ein echtes Comic, in der das Gesprochene des Protagonisten nicht mit dem der Bildergeschichte üblichen Untertitel, sondern in Form einer Sprechblase verwirklicht wird (Artikel: Früher deut- scher Sprechblasencomic entdeckt. Auf: Comicforschung.de. URL: www.comicforschung.de/fundstuecke/fund- bubenstreich.html Aufgerufen: 15. Juli 2007). Dieses in der Fachliteratur bisher nicht beachtete Ereignis scheint allerdings einmalig geblieben zu sein, der Einfluss des Künstlers blieb offensichtlich gering. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 25

HELM BUSCH (vgl. MUNIER, 2000, S.22 ff.). Diesen Einfluss merkt man der Serie stark an: Protagonisten sind zwei minderjährigen Jungen, die ihrer Umwelt grobe, anarchistische Streiche spielen und sich gegen erwachsene Autoritä- ten auflehnen. Ein raubeiniger Capitän, Mama Katzenjammer und ein Po- lizeiinspektor sind weitere, häufig auftauchende Figuren, die den Lausbu- ben regelmäßig ihre körperliche Züchtigung zukommen lassen. Zwar spielen die Geschichten der Serie in alltäglicheren Situationen als die häufig unre- alistischen bis phantastischen Abenteuer des Yellow Kid, doch geht es auch hier ausschließlich um Slapstick und nicht um realistische Geschichten (vgl.

SCHRÖDER, 1982, S. 21 ff.).

DIRKS übernimmt das sequentielle Konzept OUTCAULTS und wendet es kon- sequent an. Pionier wird er 1900 mit der systematischen Einführung der ins Bild integrierten Lautmalerei, die bis heute ein typisches Merkmal des Comics ist: Herunterfallenden Gegenständen wird an der Stelle ihres Auftreffens ein schriftliches «BONK» zugefügt, um das verursachte akustische Geräusch zu verdeutlichen und so weiter. Außerdem entwickelt er eine neue Form von Bildsprache mit ähnlicher Funktion: Figuren sehen Sternchen vor sich, wenn sie einen Schlag auf den

Abb. 13. Sternchen visualisieren Schmerz . Seite 26 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Kopf bekommen. Dies soll ihren betäubten Gemütszustand versinnbildli- chen. Ein Licht, das einer Comicfigur in Form einer über ihr erscheinenden Glühbirne aufgeht, ist eine visuelle Metaphorik für innere Vorgänge, deren

Prinzip auf die Katzenjammer-Kids zurückgeht (vgl. ZIMMERMANN, 1974, S. 253.). Von dem Erfolg dieser Serien ausgelöst, entwickelt sich ein regelrechter Comic-Boom, der bald das ganze Land ergreift. Jede Zeitung, die im Kon- kurrenzkampf überleben will, muss die bunten Bilder aufweisen, die für den Amerikaner der damalige Zeit ein phänomenales mediales Ereignis darstellen

(vgl. MCCLOUD, 2001, S. 195). Immerhin gibt es noch kein Fernsehen, das Kino ist gerade erst im Begriff, erfunden zu werden und man kennt die alltäg- liche Bilderflut noch nicht, der man heutzutage überall ausgesetzt ist. Es ist davon auszugehen, dass sich die gesamte Umwelt damaliger Großstädte weit weniger farbenprächtig präsentiert als sie es heute tut. Trotz der ab jetzt massenhaften Entstehung neuer Comic-Serien bleibt die Intention der Comic-Schaffenden lange Zeit überwiegend die gleiche. «Die ersten 30 Jahre des modernen Comics bis zur Zäsur 1929 waren fast aus- schließlich von komischen Inhalten geprägt» (MUNIER, 2000, S. 25). «Funnie strips» oder einfach nur «Funnies» sind die damaligen populären Bezeich- nungen für das Phänomen, das seinen Weg aus der Zeitungsbeilage noch nicht gefunden hat. Die inhaltlichen Szenarien bleiben sehr überschaubar. Comics handeln überwiegend von Lausbuben, die ihrer Umwelt Streiche spielen oder von To- ren, die durch ihre Tollpatschigkeit amüsieren sollen. Da fallen Blumenvasen auf Köpfe, Menschen werden von Eseln durch die Luft getreten und Katzen in Teig versenkt. Prügeleien sind an der Tagesordnung. Der überwiegende Teil der Gags zielt auf die Schadenfreude des Lesers ab. Schauplatz ist norma- lerweise die amerikanische Großstadt.

FREDERICK BURR OPPER bricht 1900 als Erster mit dieser Tradition. Seine schnell sehr erfolgreich werdenden Serie Happy Hooligan (vgl. Abb. 14) han- Die Entwicklung des Modernen comics Seite 27 delt von einem Landstreicher, der immer vom Pech verfolgt ist und trotz edler Gesinnung mit Unverständnis und Schlägen von Seiten der Gesetzes- hüter zu kämpfen hat. Als Landstreicher ist er aber nicht an einen festen Ort gebunden, Happy erlebt seine Unfälle in feinen, großstädtischen Restaurants oder auf zugefrorenen Seen, irgendwo auf dem Land. 1905 geht er mit seinen zwei Brüdern sogar auf Reisen, besucht andere Länder und Kontinente. Dabei steht der abenteuerliche Aspekt den man hier vermuten könnte aber nicht im Vordergrund. Ferne Länder werden sehr klischeehaft dargestellt19 und das

Abb. 14 Seite 28 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Ende jeder Episode zielt auf einen Gag. Die Geschichten in Übersee laufen allgemein nach demselben Slapstick-Schema ab wie der Rest der Serie, jedoch bietet der Ortswechsel immerhin eine Variation zu den sehr an die Stadt gebundenen übrigen Werken der zeitgenössischen Comic-Landschaft. Dies zieht zahlreiche Nachahmer nach sich (vgl. SCHRÖDER, 1982, s. 32 ff.). Bei der Betrachtung der Happy Hooligan-Strips zeigt sich die Darstellung von Gewalt als zentrales Thema, wenn auch in einer sehr unrealistischen Darstellungs- weise. Im Strip des 21. Januars 1906 wird Happy zum Beispiel von einer Her- de Elefanten niedergetrampelt, ohne erkennbaren Schaden davonzutragen. Diese Art von brutalem Slapstick, wie auch Satire und Karikatur sind ein weit verbreitetes Charakteristikum des Comics der ersten Jahre.

Laut SCHRÖDER sei dies ein brisantes Thema, wenn man die Strips als Spie- gelbild einer durch Einwanderer aller Länder rasant wachsenden Gesellschaft betrachtet, die neben den kulturellen und ethischen Gegensätzen auch gra- vierende Klassenunterschiede zu bewältigen hat. In vielen Serien fungieren Einwanderer, in oft sehr klischeehafter Darstellung ihrer Eigenarten, als Hin- tergrundfiguren oder sogar Protagonisten. SCHRÖDER verweist diesbezüglich auf FREUDS Ausführungen zum Humor als Abwehrreaktion auf bedrohlich empfundene Situationen. Die ethnischen Karikaturen könne man hier als einen Versuch deuten, das Fremde scheinbar verständlich und damit we- niger bedrohlich zu machen. Ebenso mag das anarchistische Aufbegehren gegen jegliche Autoritäten in den Lausbubencomics dem eigentlichen Zweck gedient haben, dem zumeist ausgebeuteten Arbeiter von damals einen gewis- sen befreienden Moment gegenüber der verklemmten Sittlichkeit und den harten Klassenunterschieden seiner Zeit zu gewähren (vgl. 1982, S.38ff.).

+++++++++++++++++++++++++ 19 Zum Beispiel scheint Afrika ausschließlich von Kannibalen bewohnt zu sein. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 29

2.3.1.2. Die Frühen Außenseiter So überschaubar die inhaltliche Ausgestaltung der ersten Comics auch bleibt, lassen sich auf einer anderen Ebene größere Entwicklungen beobach- ten: neben den übrigen, meist recht schlicht gezeichneten Strips gibt «es auch und vor allem in den Gründerjahren schon bald graphische Meister- leistungen» (FUCHS/REITBERGER, 1971, S.14). Zu erwähnen sind hier vor allem der 1905 erstmals gedruckte Strip Little Nemo von WINSOR MCCAY und Kin- der-Kids von 1906, ein Frühwerk des später international berühmten Malers

LYONEL FEININGERS. Beide Serien sind stark von den damaligen Strömungen der Bildenden Kunst beeinflusst.

«Little Nemo in Slumberland […] war WINSOR MCCAYS größter Erfolg und sein Vermächtnis an das Comic-Medium, noch heute einzigartig mit seinen schwin- delnden Perspektiven, erlesenen Farbabstufungen, modernen Layout-Experimen- ten und surrealistisch angehauchten Jugendstil-Zeichnungen» (SCHRÖDER, 1982, S.53).

Abb. 15.: Die Metaebene erinnert etwas an BRECHTS gut zwanzig Jahre später formulierten Verfremdungseffekt. Seite 30 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Das expressionistische Kin-der-Kids ist graphisch vergleichbar kunstvoll.

Jedoch ist die Intention FEINIGERS – konform zu den anderen Serien der da- maligen Zeit – nicht viel mehr als die der humorvollen Unterhaltung, auch wenn die kindlich-phantastischen Abenteuer mit etwas moderaterem Witz funktionieren als die übrigen, grobkörnigeren Strips. Der Serie Kin-der-Kids ist nicht viel Erfolg beschienen, sie wird wegen mangelnder Publikumsre- sonanz nach wenigen Episoden von den Zeitungen wieder eingestellt (vgl.

SABIN, 1996, S. 21 ff.). Little Nemo ist auch inhaltlich eine herausragende Ausnahme im Kanon der frühen Comics und emanzipierte sich deutlich von den etablierten Witz- seitenbeilagen. Dies wird unter anderem durch das damals innovative Kon- zept der Fortsetzungsgeschichte realisiert. Damit wird dem Comic ein bisher ungeahnter Tiefgang ermöglicht (vgl. PLATTHAUS, 1998, S.105).

Bei der Lektüre des gesammelten Werkes MCCAYS präsentierten sich keine pointierten, abgeschlossenen Gags, keine Karikatur und kein vordergründiger Humor. Er erzählt die phantastischen Abenteuer des kleinen Nemo, der sich allabendlich in die surreale Welt des Schlummerlandes - die Szenarien seiner Träume - begibt und sich am Ende jeder Episode verwirrt im Bett wiederfin- det. Ästhetisch weist die Serie Little Nemo damit starke Parallelen zu CAR-

ROLLS Alice im Wunderland auf. Wie im Traum kann in jedem Moment alles passieren - vertraute Gegenstände entwickeln ein Eigenleben, schrumpfen oder wachsen ins Gigantische. Auf Schritt und Tritt begegnet Nemo Fabelwe- sen. Die Naturgesetze gelten nur die Hälfte der Zeit. Hierin kann man auch eine Allegorie auf die psychologischen Probleme einer von Wirtschaftskrisen und immer schneller fortschreitenden Technisierung gebeutelten, multikul- turellen Gesellschaft erkennen. «An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat die Welt ihre Verlässlichkeit verloren» (Autor unbekannt, Little Nemo 1905 – 1914, 2000, Einband). Erwähnenswert ist auch, dass sich die Serie in einigen Momenten auf eine Metaebene begibt. Das bedeutet, dass sie sich als erste Serie der Geschich- te stellenweise selbst zum Inhalt hat, die formale Ebene des Comics in den Die Entwicklung des Modernen comics Seite 31

Inhalt mit einbezogen wird und die Figuren über ihre Existenz als Comi-Fi- guren reflektieren können. Zum Beispiel haben Nemo und seine Freunde einmal nichts zu Essen und lösen diese Situation, indem sie kurzerhand die Buchstaben der Serienüberschrift mit herausgerissenen Stücken der Panel- Rahmen herunterschlagen und verspeisen - unter dem Hinweis des Helden, dies würde sicher den Zeichner wütend machen (siehe Abb. 15).

2.3.1.3. Der Family-Strip Pressedienste übernehmen ab Ende der 1910er Jahre den Vertrieb der Strips. Dies markiert einen entscheidenden Schritt zur späteren Comic-Industrie. Die Agenturen werden meist Inhaber sämtlicher Rechte an den Serien und sorgen für ihre nationale und internationale Verbreitung. Diese ermöglichen erst, dass Comics auch in kleineren Zeitungen erscheinen, die nicht das nö- tige Budget haben, eigene Zeichner zu unterhalten. In den 20er Jahren wer- den diese Syndikate zur wichtigsten Institution im Geschäft mit den Comics.

Eine noch stärker werdende Kommerzialisierung setzt ein (vgl. KAGELMANN, 1976, S. 24 ff.). Das hat Folgen für ihre Ausgestaltung:

«Die Inhalte der Comics mussten einem breiten Publikumsgeschmack ange- passt werden, und sich auch zur internationalen Verbreitung eignen. Der Einfluß der Pressedienste wird auch in der Wertstruktur […] sichtbar: gerade in dieser Zeit, als der Vertrieb durch Agenturen einsetzt, erscheinen Strips, die in besonderer Weise Normen und Werte der amerikanischen Gesellschaft, vor allem der Mittel- schicht, betonen» (HOLTZ, 1980, S.42).

Demzufolge weicht der etwas rüde Humor (siehe Kapitel 2.3.1.1.) einer aus den Einwandererkulturen destillierten, volkstümlichen Version. Die so ge- nannten Family-Strips werden geboren. Ziel dieser Serien ist es, humorvolle Strips zu erschaffen, in denen sich alle Mitglieder der amerikanischen Famili- en wieder finden können. JOSEPH PATTERSON, Herausgeber der Chicago Herald

Tribune, hat als Erster diese Idee, die 1917 von seinem Zeichner SIDNEY SMITH in der Serie The Gumps umgesetzt wird. Seite 32 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

«He envisioned a domestic comedy strip about ordiary people – not too bright, not too rich, not too good-looking – and their ordinary adventures»20.

SMITHS Figuren, das in bescheidenen Verhältnissen lebende Ehepaar Mi- nerva und Andy Gump, Sohn Chester und Andys Onkel Bim, erleben ihre Abenteuer in etwas übertriebenen bis grotesken Situationen. Sie unterschei- det sich aber von den reinen Slapstick-Figuren durch ihr realistischeres Ge- fühlsleben und die Alltäglichkeit ihrer Geschichten. Es geht um Banalitäten wie familiäre Zwistigkeiten, Getratsche oder den Stress, der durch Ferien ent- stehen kann (vgl. MARKSTEIN a.a.O.). Das Erscheinen der Serie kann damit inhaltlich als Vorläufer, wenn nicht gar als eigentliche Geburtsstunde der offiziell erst 193221 erfundenen Seifenopern gesehen werden. Neben den In- trigen, die sich oft um Onkel Bims Verhältnis zu den Frauen drehen, nehmen die Ereignisse nicht selten melodramatische Wendungen. So kann es hier zum Beispiel vorkommen, dass eine weibliche Figur kurz vor der Hochzeit, für die ihr Bräutigam so lange gekämpft hat, stirbt. Ein bis dato undenkbares Ereignis in den ursprünglich so heiteren Comic-Geschichten. Dabei ist The Gumps trotz aller Melodramatik aber immer auch für einen ironischen La- cher gut (vgl. KNIGGE, 2004 b, S. 31 ff.). Auch Formal erinnert die Serie an die Seifenoper. Sie konstituiert die «epi- sche Handlung als dramaturgisches Konzept»22 für die Family-Strips, ein Ent- wurf, der sich bereits bei Zeitungsromanen bewährt hat. Der Leser bekommt selten das Ende einer Geschichte in derselben Sonntagsausgabe präsentiert,

+++++++++++++++++++++++++

20 MARKSTEIN, DONALD D.; Artikel: The Gumps; In: Toonpedia; URL: www.toonopedia.com/thegumps.htm (Abge- rufen: 10. Juli 2007).

21 «Als erste wirkliche Seifenoper gilt Betty and Bob (erste Sendung am 10. Oktober 1932)» Artikel: Seifenoper; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 9. Juli 2007, 19:39 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index. php?title=Seifenoper&oldid=34196949 (Abgerufen: 10. Juli 2007). Bei dieser Serie handelt es sich um ein Hör- spiel, das im Radio gesendet wird.

22 Artikel: Comic in Nordamerika; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 12. Juni 2007, 13:18 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Comic_in_Nordamerika&oldid=33066800 (Abgerufen: 10. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 33

in der sie angefangen hat und

die Nation fiebert mit: SMITH bekommt tausende von Leser- briefen geschickt (siehe Abb. 16), die Gerechtigkeit fordern, wenn einer der handelnden Personen ein Unrecht gesche- hen ist oder dem Autor gegen- über ihre Betrübnis ausdrücken, wenn das Schicksal die Gumps einmal besonders hart getrof- Abb. 16 fen hat. Zum ersten Mal nimmt der Leser aktiv Einfluss auf den Verlauf der Geschichten. Dies zeigt, dass es in diesem Zusammenhang noch etwas verfrüht ist, von «epischer» Tiefe (s.o.) – also einem ausgedehnt entworfenen Handlungsbogen – zu sprechen. Si- cherlich leisten die Fortsetzungsgeschichten, die sich über mehrere Sonn- tagsbeilagen erstrecken, einen komplexeren Geschichtsaufbau als einseitige Gag-Strips. Nimmt man aber die zusammengehörigen Seiten abgeschlosse- ner Geschichten zusammen, präsentieren sich bestenfalls Kurzgeschichten, für die der Hintergrund zu bedenken gilt, dass der Autor sie wöchentlich entwerfen und produzieren muss. Der zeitliche Druck und die dramaturgi- schen Notwendigkeiten23, die diese Erzählform mit sich bringt, ergeben eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für ausgedehnte, ausgereifte Geschichten mit epischem Tiefgang. Das erfolgreiche Konzept zieht viele Nachahmer nach sich, die zwar über- wiegend humorvoll und übertrieben bleiben, aber zum Teil auch weitere Schritte zu realistischen Geschichten machen.

1919 erscheint Gasoline Alley von FRANK KING, eine Serie, die den stillen

+++++++++++++++++++++++++ 23 Zum Beispiel beinhalten die einzelnen Episoden jeweils eine Pointe und den Cliffhanger, der für die nächste Interesse wecken soll. Seite 34 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Gang kleinbürgerlicher amerikanischer Lebensweise zum Thema hat. Hier finden sich keine überspitzten Situationen, die Zeichnungen bleiben zwar noch im bis dahin typischen, karikaturistischen Stil und sind graphisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber für die damalige Zeit vergleichsweise realis- tisch. (vgl. SCHRÖDER, 1982, S. 87). Einen noch realistischeren Einfluss erfährt die Serie durch die Idee KINGS, seinen Protagonisten samt der Figuren um ihn herum mit der Zeit altern zu lassen. Der Leser verfolgt im Laufe der Jahre die verschiedenen Stationen des Lebens von Skeezix, angefangen beim zarten Knabenalter über Pubertätsprobleme, College-Besuch, Teilnahme am zweiten Weltkrieg 1942, bis hin zu seiner Verblassung zur Hintergrundfigur, wenn allmählich seine körperlichen Nachfahren die eigentliche Handlung der Se- rie übernehmen. Die Geschichten sind zwar heiter, aber nicht blödelnd. So gesehen ist Gasoline Ally eine verhältnismäßig realistische Geschichte, man kann der Serie aber vorwerfen, eine weltfremde Kolorierung der realen Um- stände zu betreiben. Die so genannten amerikanischen Tugenden scheinen in jeder Beziehung gesiegt zu haben, die USA werden als eine utopisch mo- ralische Mustergesellschaft dargestellt. Diese steckt zwar voller Alltagsproble- me, mit denen sich der Leser identifizieren kann, die eigentlichen Missstände der Zeit aber werden einfach ausgeblendet. Klassenkämpfe scheinen nicht zu existieren, genauso wenig wie ernsthafte Sünden im christlichen Sinne (vgl.

SCHRÖDER, 1982, S. 87 ff.).

2.3.1.4. Der Girl-Strip Aus den Familienstrips geht der speziellere Girl-Strip als Angebot für eine vornehmlich weibliche Zielgruppe hervor. Die wichtigsten Themen sind Lie- be, Hausarbeit und Erwerbstätigkeit, das Fortsetzungsprinzip wird besonders intensiv angewandt (vgl. MUNIER, 2000 S. 26). Parallelen zur so genannten «Backfischliteratur», den trivialen Romanen für junge Mädchen, dir zu dieser Zeit in Deutschland und damit wohl auch bei der großen Bevölkerungsschicht deutscher Einwanderer in den USA po- pulär sind, kann man eher nicht oder nur teilweise ziehen. Wo die Back- Die Entwicklung des Modernen comics Seite 35

fischromane ein traditionelles Frauenbild vermitteln, in denen die eheliche, unmündige Hausfrau als das ideale Lebensziel eines Mädchens propagiert wird (vgl. GLASENAPP, 2003, S.7), sind die Girl-Strips Spiegel gesellschaftlicher Umbrüche im Bereich der Geschlechterrollen. 1920 wird das Frauenwahl- recht in Amerika eingeführt und ein großer Teil der weiblichen Bevölkerung ist sehr wohl erwerbstätig, auch wenn dies zumeist ausgebeutete Arbeit in den Fabriken bedeutet (vgl. KNIGGE, 2004 b, S. 58 ff.). Prinzipiell unterscheiden sich die Mädchencomics nur durch ihre Fokus- sierung auf die weiblichen Familienmitglieder von den Family-Strips. Eine

Serie muss aber besonders erwähnt werden: Little Orphan Annie von HAROLD

GRAY, die 1924 debütiert.

GRAY führt die melodramatische, realistische Entwicklung der Family- Strips weiter und gibt ihr einen primären Stellwert in seinen Geschichten. Er erschafft damit die erste erfolg- und damit einflussreiche Comic-Serie, die bis auf die allerersten Strips24, nicht dem Bereich Comedy zuzuordnen ist25. Annie ist ein selbstbewusstes, charakterstarkes Waisenmädchen, das sich von prügelnden Jungs nichts gefallen lässt und allgemein gegen das Schlech- te in der Welt ankämpft.

«She had no time to sing or hang out with the other orphans. She was too busy ducking bullets, dodging hit-and-run vehicles, and blowing up Nazi subma- rines!»26.

Die Serie könnte man als ersten reinen Abenteuer-Comic überhaupt be- zeichnen, würde sich die Handlung nicht neben den spannenden Abenteu- ern, die es gegen Kriminelle und sonstigen Schurken zu bestehen gilt, auf melodramatische Momente fokussieren. Annie stürzt mit ihrem Adoptivva-

+++++++++++++++++++++++++ 24 Vgl. die Strips vom 2.-23. November 1924. URL: www.barnaclepress.com/comics/archives/adventure/little_or- phan_annie/index.html

25 Vgl. Artikel: Comic in Nordamerika; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 12. Juni 2007, 13:18 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Comic_in_Nordamerika&oldid=33066800 (Abgerufen: 10. Juli 2007).

26 Vgl. The Official Little Orphan Ally Homepage; URL: www.liss.olm.net/loahp (Abgerufen 2. März 2007). Seite 36 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

ter Mr. «Daddy» Warbucks immer wieder von einem guten Leben in bittere Armut, kämpft sich mit ihrem Hund Sandy auf der Straße durch, während der Vater verschwunden bleibt, um später durch harte Arbeit wieder ein Leben in Wohlstand zu erreichen, bis die nächste Katastrophe ansteht. Dabei nutzt

GRAY die Serie zum offenen Politisieren. Die Serie ist moralisch zumeist hart am rechten Ende des politischen Spektrums anzusiedeln. Sie strotzt vor ame-

rikanisch-reaktionären Moralpredigten (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S.32).

2.3.1.5. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 27

^ 1897: In Little Tiger von JAMES SWINNERTON treten zum ersten mal anthropomorphisierte Tiere als Protagonisten auf. Damit wird der Strip zum Vorläufer der Tiercomics, einer Idee mit der

später vor allem WALT DISNEY zu Weltruhm gelangt.

^ 1902: RICHARD OUTCAULT erschafft mit Buster Brown einen Strip über einen Schlingel aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht. Die Serie ist derart erfolgreich, dass die Werbung den Comic entdeckt und die Figur für zahllose Merchandising-Artikel verwendet.

^ 1904: Dreams of a Rarebit Fiend von MCCAY ist der unbekannte Vorläufer zu Little Nemo. Die Serie stellt die Alpträume ständig wechselnder Protagonisten dar und besitzt damit zwanzig Jahre vor Little Orphan Annie eine ernsthafte, nicht auf Gags abzielende Ästhetik.

+++++++++++++++++++++++++

27 Die folgende Zusammenstellung beruht auf Zeittafeln aus folgenden Quellen: KNIGGE 2004 a, Einband; FUCHS/ REITBERGER 1971, S. 253 ff.; Website: Kunstwissen.de URL: www.kunstwissen.de/fach/f-kuns/comix/history0/c_ 01.htm (Abgerufen 10. Juli 2007); Webzine Collector Times, URL: www.collectortimes.com/~comichistory/Plati- num.html (Abgerufen 10. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 37

^ 1904: Der erste Tagesstrip erscheint mit A. Piker Clerk von CLAIRE

BRIGGS, die Serie wird nach wenigen Wochen wegen mangelndem Anklang wieder eingestellt.

^ 1907: Mutt and Jeff von BUD FISHER konstituiert den täglich erscheinenden Comic-Strip. Er handelt von zwei Verlierertypen, deren Tollpatschigkeit die Leser amüsieren soll. Die Serie ist die erste, die von einem Stab anonym beschäftigter Zeichner produziert wird.

^ 1912: Die Geschichten über ein Mädchen und ihrem lustigen

Grossvater, Polly and her Pals von CLIFF STERRET, startet. Die Serie beginnt ab den 20er Jahren ihre Spannung nicht mit inhaltlichen Innovationen zu erhalten, sondern mit visuellen Experimenten aus den Bereichen des Expressionismus und Kubismus. Ein charakteristisches graphisches Merkmal des Strips ist der Gebrauch von Phantomlinien.

^ 1913: Aus The Dingbat Family (1910) von GEORG HERRIMAN entsteht der eigenständige Strip Krazy Kat. Die Geschichten, die in einer surrealistischen Landschaft spielen, handeln von der anthropomorphisierten Dreiecksbeziehung zwischen einem

Hund, einer Maus und einer Katze. HERRIMAN experimentiert mit dem in den meisten anderen Serien sehr gleichförmigen Layout und verfolgt nicht das Ziel einer «vernünftigen» Handlung, sondern setzt auf dadaistischen Nonsens. Die Serie mit poetischem Anspruch wird von Intellektuellen gerne gelesen und in den Kulturseiten der meisten Zeitungen positiv abgehandelt, ist jedoch zu anspruchsvoll für das breite Publikum. Seite 38 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

^ 1913: GEORGE MCMANUS erschafft mit Bringing up Father einen äußerst populären Strip über einen irischen Neureichen, der im Gegensatz zu seiner Frau keineswegs begeistert von seinem neuen sozialen Status ist und sich in sein altes Leben als einfacher Bauarbeiter zurücksehnt. Vor allem eheliche Zwänge und gesellschaftliche Klassenunterschiede werden hier slapstickhaft thematisiert.

^ 1923: FRANK WILLARD gestaltet mit Moon Mullins einen sehr populären Family-Strip über eine Familie kleiner Gauner und Hochstapler.

^ 1924: Neben Little Orphan Annie wird die abenteuerliche Geschichte

im Comic auch mit ROY CRANES fast gleichzeitig erscheinenden Wash Tubbs konstituiert. Der junge Held des Strips ist keine Slapstik-Figur, sondern ein verwegener Abenteurer, der ferne und exotische Plätze besucht. Dennoch ist die Serie eher humoristisch. Crane ist der erste der Fettschrift und andere lautmalerische Markierungen zur Betonung einzelner Wörter im Satz benutzt.

^ 1928: Mit Tailspinn Tommy von GLEN CHAFFIN und HAL FORREST erscheint die erste naturalistisch gezeichnete Abenteuerserie.

2.3.1.6. Zusammenfassung Der Comic dient abgesehen von wenigen Ausnahmen bis Anfang der 30er Jahre als rein humoristische Beilage der damaligen Zeitungen und wird als Tages- oder Wochen-Strip verbreitet. Inhaltlich ergibt sich ein Wandel von den groben Lausbuben-Geschichten zu familienfreundlicheren Family-Strips und Girl-Strips für Mädchen. Mit ih- nen etablieren sich das Stilmittel der Fortsetzungsgeschichte und das melo- Die Entwicklung des Modernen comics Seite 39 dramatische, lebensnahe Moment. Slapstick und unrealistisch überzogene Situationen bleiben aber dominant. Als Spiegel ihres Zeitgeschehens verar- beiten die Comics oft tagespolitische Ereignisse und gesellschaftliche Ver- hältnisse. Der karikaturhafte Zeichenstil und gleichförmige Panelaufteilung überwiegen, graphische Experimente oder gar künstlerische Zeichnungen (Kin-der-Kids, Little Nemo, Krazy Kat) sind die Ausnahme. Doch in den 30er Jahren entsteht eine neue Generation des Comics.

2.3.2. Die Abenteuergeschichten und das Comic-Heft

2.3.2.1. Die Dschungel-Saga Das Jahr 1929 bringt zwei gewaltige Schritte für die Entwicklung des Co- mics. Einer davon ist die Entstehung des so genannten Abenteuer-Comics, das eine enorme Erweiterung des inhaltlichen Spektrums bedeutet. Für das Verständnis der Etablierung dieser neuartigen Gattung ist ein Blick auf die damalige gesellschaftliche Situation notwendig. Die «Goldenen 20er Jahre» gelten als Synonym für wirtschaftlichen Aufschwung in Amerika. Die USA werden zur wohlhabendsten Nation der Welt, Vollbeschäftigung, umfas- sende Elektrifizierung und ein allgemein hoher Lebensstandard breiten sich aus. Der daraus entstandene Optimismus lässt den große Börsencrash vom 29.Oktober 1929 und die darauf folgende Wirtschaftskrise umso härter auf die Psyche der Nation niederschlagen: die so genannte «große Depression» beginnt. Massenhafte Entlassungen führen in Zusammenhang mit der noch nicht eingeführten Arbeitslosenversicherung zu Armut und sogar Obdach- losigkeit. Neue Slum-Viertel entstehen, aufgrund furchtbarer Misswirtschaft hungern viele Menschen und der Lebensstandard der meisten Bevölkerungs- schichten fällt rapide ab28. +++++++++++++++++++++++++ 28 Vgl. Die zwanziger Jahre; Artikel in: Das Jahrhundertbuch, S. 258 ff. oder auch HÜTTER, DANIEL; The Great Depres- sion – Der Amerikanische Traum und die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1941; Seminararbeit an der Universi- tät Konstanz bei Prof. Dr. Lothar Burchardt, WS 98/99. URL: www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/kursss99/ huetter/indexanfang.htm (Aufgerufen 11. Juli 2007). Seite 40 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Es erscheint also naheliegend, dass viele Menschen den Wunsch verspürten, dieser Wirklichkeit zu entfliehen. Laut populärer Ansicht in der Forschung liegt darin der Ursprung des Erfolgs der abenteuerlichen Comic-Geschichten, deren Motivik in der Trivialliteratur und im Kino schon länger populär ist (vgl. Fuchs, 1989, S. 136). Am 7. Januar 1929 starten zeitgleich zwei Serien, die derart erfolgreich sind, dass sie das Abenteuer-Comic als neues Genre des Comics etablieren: Tarzan und Buck Rogers in the Twenty Fifth Century (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 34). Die Figur des Tarzan ist ur-

sprünglich 1912 von EDGAR

RICE BURROUGHS erdacht und erscheint als Romanreihe in Pulp Magazinen, avanciert im gesammelten Nachdruck so- gar zum Bestseller. 1918 gibt es eine erfolgreiche erste Ver- filmung und 1929 schließlich die Comic-Adaption, gezeich-

net von HAROLD R. FOSTER, der eigentlich kein Comic-Schaf- Abb. 17 fender, sondern ein Werbe- zeichner ist. Er teilt sich die Serie kurz darauf mit REX MAXON, welcher un- abhängige Tagesstrips anfertigt, während FOSTER die Sonntagsseiten zeichnet

(vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 86 ff.). Inhaltlich wird der Leser in eine exotische Dschungelwelt entführt, in der der englischstämmige Waisenjunge Tarzan von Affen groß gezogen wurde, ein sehr ähnliches Motiv wie in KIPLINGS Dschungelbuch. Tarzan ist aber nicht, wie man annehmen sollte, ein verwahrloster Wilder, sondern ein gut gebauter Held, der trotz seiner animalischen Natur nicht nur gegen wilde Tiere, sondern auch gegen menschliche Schurken im Dienste ihrer hilfsbe- dürftigen Opfer kämpft. Orte und Personen der dargestellten Welt sind fiktiv: Die Entwicklung des Modernen comics Seite 41

Immer wieder entdeckt der erstaunlicherweise höchst sprachbegabte Held versunkene Kulturen und sagenhafte Orte, wie zum Beispiel eine «Goldene Stadt», und das in einer Umgebung, die für den Durchschnittsmenschen auch ohne diese Mystik schon eine extreme Erfahrung darstellen würde (vgl. DOL-

LE-WEINKAUF, 1990, S. 74 ff.). Damit bietet BURROUGHS einen Stoff, der bestens zur Realitätsflucht geeignet ist. Wenigstens für den Moment kann sich der von der weltwirtschaftskriselnden Zivilisation geplagte Mensch in eine ferne, geheimnisvolle und unentfremdete Welt träumen, kann sich mit einer sou- veränen, unabhängigen und fast schon übermenschlich starken Heldenfigur identifizieren, für die es kein Problem zu sein scheint, den natürlichen Über- lebenskampf in der Wildnis mit den amerikanischen Moralvorstellungen in Einklang zu bringen. Problemen wird mit brachialer Gewalt begegnet, ein Trieb, den der zivilisierte Mensch nicht ausleben kann ohne in die Asozialität zu rutschen. Dabei steht die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen immer außer Frage, ist sogar moralisch notwendig, da Gut und Böse in Tarzans Welt ein- deutig umrissen sind (vgl. DRECHSEL/FUNHOFF/HOFFMANN, 1975, S. 68 ff.). Dieses Schema von einer allezeit einfach zu unterscheidenden, morali- schen Rechtmäßigkeit oder Verderbtheit wird ein ausschlaggebendes Cha- rakteristikum der ab diesem Zeitpunkt massenhaft entstehenden Abenteuer- comics (vgl. BAUMGÄRTNER, 1965, S. 105).

2.3.2.2. Die Science Fiction Auch die Serie Buck Rogers bietet dem Leser eine nicht minder ferne und unerforschte Welt: das Amerika des 25. Jahrhundert. Das Genre der Science Fiction, das damit Einzug in den Comic-Strip hält, geht zum Einen auf lite- rarische Vorlagen wie die Bücher von JULES VERNE oder H. G. WELLS zurück, zum Andern wurde es vorbereitet durch die Veröffentlichung neuartiger wis- senschaftlicher Erkenntnisse in den Zeitungen und dem Interesse der Leser daran. Seite 42 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

«PULITZER and HEARST, specialists in thrills, moved into the new field first; filled their big color sections with elaborations on scientific facts. To connect this kind of thing with the new medium of the strip, which had already absorbed the continu- ed suspense story, was an invitable step, and JOHN F. DILLE, president of the National Newspaper Service of Chicago, was the man who took it» (WAUGH, 1947, S. 249).

Neben DILLE arbeiten noch vier weitere Männer an der Serie, unter ihnen ein Meteorologe, der für das reißerische pseudo-wissenschaftliche Flair der Zukunftsvision sorgt. Die technologischen Errungenschaften und Weltbilder des fiktiven 25. Jahrhunderts sind zwar waghalsig, aber aus Sicht der dama- ligen Erkenntnisse nicht prinzipiell unmöglich. Man verfügt über Roboter, Strahlenpistolen, Anti-Gravitations-Gürtel und Raumschiffe, mit denen man sogar außerirdischen intelligenten Lebensformen begegnen kann. Es taucht bemerkenswerterweise schon 1938 der Begriff der Atombombe auf, noch be- vor die Weltöffentlichkeit sie kennenlernt. (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 68 f.). Wie Tarzan basiert die Serie auf einer Vorlage aus den Pulps, der Erzählung

Armageddon 2419 A. D. von PHILIP NOLAN. Dies macht Amazing Storys, das Science Fiction-Magazin in dem es erschien, zu einem der wichtigsten Vor- läufer des Genres29. Der Protagonist, Buck Rogers, ist zur besseren Identifikationsmöglichkeit der Leser verhältnismässig eine Figur aus der damaligen Gegenwart, ein Flie- gerpilot des 1. Weltkrieges. Er wird bei einer Forschungsmission in einem Stol- len verschüttet und durch ein unbekanntes Gas in Tiefschlaf versetzt. Dass er 2430 von seiner zukünftigen Geliebten Wilma ausgegraben wird, fügt der Serie das Element der Romanze hinzu, das neben den heldenhaften Aben- teuern gegen galaktische Widersacher thematischer Bestandteil dieser und fast aller folgenden Serien ähnlicher Kategorie wird (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, 68 ff.). Dabei bleiben die Geschichten aber in einem «jugendfreien» Rahmen bei der Darstellung von Erotik und Gewalt. Actionszenen sind wie

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29 Vgl. Artikel: Amazing Stories; AUF: Buck Rogers Hompage; URL: www.buck-rogers.com (Aufgerufen 11. Juli 2007) Die Entwicklung des Modernen comics Seite 43 bei allen Abenteuer-Comics das zentrale narrative Moment von Buck Rogers

(vgl. FUCHS, 1989, S. 134), jedoch bekommt man trotz aller wilden Kämpfe niemals Tote oder die originalgetreue Abbildung von Verletzungen zu sehen. Das Amerika des 25. Jahrhunderts wird von asiatischen Mächten be- herrscht und Buck findet schnell seinen Weg zur Widerstandsbewegung, die gegen das unterdrückerische Regime kämpft. Diese Zukunftsvision ist symp- tomanisch für das gesamte Genre. Gesellschaftliche Utopien findet man sel- ten, normalerweise herrscht Krieg in der fiktiven Welt der Zukunft oder der fernen Galaxie. Das stereotype Gut/Böse-Schema der Abenteuer-Comics wird in der Science Fiction amplifiziert. Fast immer geht es um einen Erzschurken, dessen Ziel selten weniger als die Zerstörung oder die Unterjochung der ge- samten Erde ist. Dies wird natürlich regelmäßig von dem Helden der Serie unterbunden. Das Gute gewinnt letzten Endes immer (vgl. COUPERIE/HORN, 1968, S. 57 ff.). Die moralische Ideologie ist stets die der Gegenwart um dem Leser mühelose Identifikation zu ermöglichen, weitergesponnen wird ledig- lich die Technik, die meistens eine zentrale Rolle in den Gesellschaften der

Science Fiction spielt (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 68 f.). Mit diesem Sche- ma geht auch eine Stereotypisierung der Charaktere einher. Kaum eine Figur benötigt mehr als zwei Sätze, um ihre Attribute zu beschreiben, wie es auch für die übrigen Abenteuer-Comics gilt. Wirklich realistisch umrissene Perso- nen, die eine enorme Vielschichtigkeit und geringeren Pathos voraussetzen würden, findet man in den Comics dieser Zeit nicht (siehe Kapitel 4.1.6.3.1.). Alltäglichkeit ist nicht gefragt, die eigentliche Intention der Abenteuerge- schichten ist die heldenhafte, kämpferische Action und die fingierte Sensa- tion, mystischer oder technologischer Art. Diese Variablen werden fast infla- tionär eingesetzt, um den Leser zum regelmäßigen Kauf des täglichen Strips zu animieren. Da die Abenteuer-Comics auf wirklichkeitsnahen Nervenkitzel statt auf Gags setzen, etabliert sich mit ihnen ein naturalistischer Zeichenstil, der sie von den karikaturhaften humoristischen Strips abgrenzt. Abenteuerfiguren sind anatomisch realistisch gezeichnet, ihre Umwelt ist geometrisch korrekt. Seite 44 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Dies gilt auch für die allgemeine Darstellung der Realität. Im Gegensatz zu den Slapstick-Strips sind Abenteuer-Comics zwar oft phantastisch, dabei aber immer möglichst realistisch. Wenn in einer Abenteuerserie ein unlogisches oder den Naturgesetzen widersprechendes Ereignis eintritt, bedarf es im Ge- gensatz zum Gag-Strip einer Erklärung, die allerdings übernatürlicher Natur sein kann. Ein Happy Hooligan kann des reißerischen Witzes wegen von einer hohen Brücke mit dem Kopf voran in ein Boot springen (siehe Abb. 14) und danach relativ unbeschadet weiterlaufen. Ein Buck Rogers wäre nach einem solchen Sturz tot oder schwer verletzt, es sei denn ein elektrisches Kraftfeld oder ähnliches, möglichst noch gespeist aus seiner Gürtelbatterie, würde ihn schützen.

2.3.2.3. Das Comic-Heft 1929 ist nicht nur das Jahr stofflicher Erweiterungen. Auch auf publizisti- scher Ebene beginnt eine folgenschwere Entwicklung, die enormen Einfluss auf Gestaltung und Inhalt der Comics nehmen wird: mit The Funnies er- scheint das erste eigenständige Druckerzeugnis, das originale Comic-Strips präsentiert (vgl. GORDON,1998, S. 129). Die Idee, Comics abseits der Zeitungsbeilage zu veröffentlichen, gab es schon früher, zum Beispiel 1897 mit dem Erscheinen der Yellow Kid-Episo- den als Album30. Doch hier handelt es sich ausschließlich um Nachdrucke von Originalen aus den Zeitungen. Erst das Jahr 1929 markiert den Beginn der Emanzipation des Comics von seiner ursprünglichen Funktion. Das Co- mic-Book ist geboren – wiewohl es noch eine Weile dauern wird, bis sich das Konzept wirklich durchsetzt und seine neuen gestalterischen Möglichkeiten voll ausgenutzt werden: Die enthaltenen Comics verwenden das Format und die strukturelle Gestaltung der Sonntags-Strips. Ausserdem bleibt es bei ei-

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30 Angeblich hat dieses Buch mit dem Namen The Yellow Kid in McFadden‘s Flats den Begriff «Comic-Book» eta- bliert, der auf der Rückseite des Buches abgedruckt war. Vgl. WEBZINE COLLECTOR TIMES, URL: www.collectortimes. com/~comichistory/Platinum.html (Abgerufen 10. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 45 nigen wenigen Ausgaben. 1934 wird die Idee mit Famous Funnies und New Fun Comics wieder erfolgreich aufgegriffen, dies sind die ersten Hefte, die das typische Format etablieren, das auch heute noch für Comic-Books üblich ist (vgl. SABIN, 1996, S. 35). Die Verbreitung von Strips außerhalb der Zeitung wird populär, zum Beispiel als Werbebeilage, und verschiedene monatlich erscheinende Alben kommen auf den Markt. Bis 1937 handelt es sich aber um Sammlungen thematisch unterschiedlichster Strips, erst in diesem Jahr erscheinen Detective Picture Stories, Western Picture Stories, und Funny Pic- ture Stories, die ersten Magazine mit thematischer Kontinuität (vgl. FUCHS/

REITBERGER, 1971, S. 18). Die Hefte bieten gegenüber den Zeitungsstrips die Möglichkeit, abge- schlossene Geschichten zu präsentieren. Dies bedeutet eine Veränderung in der Dramaturgie: Der Comic beginnt sich zu einer Erzählform von Kurzge- schichten zu entwickeln. Cliffhanger sind nach wie vor ein wichtiges Prin- zip der episodischen Strips, jedoch nicht mehr in einer täglichen Quantität. Wo früher schon nach wenigen Bildern das Ende einer Seite und damit die Notwendigkeit einer Klimax erreicht war, um den Leser zum Weiterlesen der kommenden Strips zu animieren, können die mehrseitigen Geschichten jetzt komplexer und vom Spannungsbogen her anspruchsvoller ausgeführt wer- den (vgl. MUNIER, 2000, S. 27). Außerdem bieten sich neue Möglichkeiten der bildlichen Dynamisierung, da die Seitenaufteilung nicht mehr abhängig vom standardisierten Zeitungsformat ist. Weiteren Einfluss nimmt die Erwei- terung der Zielgruppe auf Kinder und Jugendliche durch die Loslösung vom Zeitungsmarkt. Nach den beiden ersten Sub-Genres des Abenteuer-Comics – der Science Fiction und der Dschungel-Saga – entwickeln sich wenig später weitere Spiel- arten, die im Folgenden dargestellt werden. Seite 46 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

2.3.2.4. Die Kriminalgeschichten Das 1920 eingeführte Prohibitionsgesetz lässt das organisierte Verbrechen in den USA explodieren. Blutige Bandenkriege und Gangsterbosse wie AL CA-

PONE bestimmen die Schlagzeilen (vgl. DAS JAHRHUNDERTBUCH, 1999, S. 258, ff.). Zusammen mit dem aufkommenden Tonfilm führt dies zu einer wahren Flut von Gangsterfilmen, sowie Kriminalgeschichten in der Trivialliteratur. Dieser Trend hält 1931 auch Einzug in die Comics mit der Serie Dick Tracy von CHESTER GOULD (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 58 ff.). Die Geschichten handeln von einem Privatdetektiv, dessen Freundin nach der Ermordung ihres Vaters entführt wird. Dies veranlasst ihn, der Polizei beizutreten und fortan das Verbrechen zu bekämpfen. Sein Ziel verfolgt er mit einer für den Comic neu- artigen Brutalität. Zwar gibt es Grobheiten und Kämpfe schon lange in den Strips, doch wird erst in Dick Tracy realistische, oft tödliche Gewalt darge- stellt. Von Prügeleien in Slapsticks oder Strahlenpistolen, die Science Fiction- Helden gegen groteske Wesen aus fremden Welten einsetzen, ist der Leser we- gen ihrer klamaukhaften oder surrealen Qualität emotional distanziert. Was dagegen in GOULDS Geschichten gezeigt wird, ist eine Reflexion der Gewalt im realen Umfeld des damaligen Konsumenten, die bewaffnete Auseinan- dersetzung von echten Menschen. Schießereien sind bei Dick Tracy an der Tagesordnung. Die Verbrecher finden ihre Exekution entweder direkt durch den Serienhelden oder werden in einen gewaltsamen Tod durch Säure, Feuer oder dem Fallen von Hochhäusern getrieben. Damit meint GOULD den Puls der Zeit zu treffen: «Die Geschworenen waren bestochen, die Richter waren bestochen, und die anständigen Bürger wollten sehen, dass endlich jemand durchgreift» (CHESTER GOULD, zitiert nach KNIGGE, 2004 a, S. 60). Die hohe

Popularität seiner Serie (vgl. COUPERIE/HORN, 1968, S. 61) gibt ihm Recht. Das stereotype Gut/Böse-Schema der Abenteuer-Comics zeigt sich in die- sem ersten Comic-Krimi damit einmal mehr in seiner reinsten Form (vgl.

METKEN, 1970, S. 161 f.), unterstützt wird der Eindruck durch die graphische

Umsetzung. GOULD verwendet einen sehr klaren Ton mit ausschließlich wei- ßen und schwarzen Flächen, auf Schraffuren und Grautöne verzichtet er fast Die Entwicklung des Modernen comics Seite 47 ganz. Die Gangster werden grundsätzlich als hässlich dargestellt, während der moralische Held als gut aussehend bezeichnet werden kann. Ähnlich viel geschossen wird in dem Genre, das sich als nächstes etab- liert.

2.3.2.5. Western Inspiriert von Kinofilmen und Groschenromanen, ergänzt Mitte der 30er Jahre das Genre des Westerns die Abenteuer-Comics. Erste Serien sind Way out of West von VIC FORSYTHE von 1934 und 1935 King of the Royal Moun- ted von STEVEN SLESINGER. Wesentliche Merkmale der Gattung sind Ort und Zeit: die ländlichen Weiten des amerikanischen Kontinents, die in der zwei- ten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich durch die Zivilisation erschlossen werden.

«Der […] Western […] behandelt realhistorische Themen wie den Bau der trans- kontinentalen Eisenbahnlinien, den amerikanischen Bürgerkrieg, den Grenzkrieg in Mexiko, die Indianerkriege und den Goldrausch – wobei diese vielfach jedoch als Hintergrundnarration mitlaufen. Den eigentlichen Inhalt bilden die Genre bestimmenden Mythen der endlosen Siedlertrecks auf dem Weg gen Westen, der gierigen Prospektoren in den Goldgräbersiedlungen, des ruhmreichen Kampfes der Kavallerie gegen die Indianer, des gnadenlosen Kampfes der ‹outlaws› gegen das Gesetz in Gestalt von Marshals, Sheriffs und manchmal auch Kopfgeldjägern, sowie das unendlich variantenreiche Cowboy-Thema: Kampf gegen Siedler/Far- mer, gegen Schafhirten, gegen Indianer, gegen Viehdiebe, Kampf untereinander und schließlich die Konkurrenz um das beste Weideland oder den erfolgreichsten Viehtrieb» (MUNIER, 2000, S.169).

Für die Amerikaner sind die Geschichten über die Pionierzeit ihr histo- risch-folkloristisches Erbe. Vor allem dem Berufsstand des Cowboys wird oft eine stark romantisch verklärte Sichtweise beigemessen.

«In einer Zeit, die schon die Urbanisierung kommen spürte, waren sie dieje- nigen, die noch ‹frei› und ungebunden waren, die sich mit den von der Natur heraufbeschworenen und nicht primär von Menschen provozierten Gefahren

auseinandersetzen mussten» (FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 94).

Demzufolge sind die Protagonisten der Western-Comics aus ihren Rei- hen oder wenigstens von ähnlicher Natur. Die folkloristische Glorifizierung Seite 48 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte schlägt sich inhaltlich in den Comics nieder. Oberste Gesetze der sehr gleich- förmigen Westernhelden sind Ehre und Ritterlichkeit. Sie werden meist als einsame, ernsthafte Reiter umrissen, die immer wieder scheinbar aus dem Nichts auftauchen, für das Gute kämpfen und ebenso schnell wieder in den Weiten des Landes verschwinden. Konflikte lösen sie mit dem Colt oder der blanken Faust und nicht selten besteht der Protagonist nur mit Moral und Gesetz auf seiner Seite spielend gegen eine ganze Bande von Gegnern. Was ihn seinen Widersachern überlegen macht, ist eine fast schon übermensch- liche Schnelligkeit und Zielgenauigkeit im Umgang mit Schusswaffen (vgl.

HAVAS/HABARTA, 1993, S. 122 ff.). Erwähnenswert ist, dass in den frühen Se- rien trotz aller Feuergefechte selten jemand verletzt wird. Der Westernheld schießt, um zu entwaffnen oder die Banditen, zum Beispiel mit herunterge- schossenen Kronleuchtern, außer Gefecht zu setzten. Dies bewahrt seine völ- lige moralische Integrität, auch im christlich-amerikanischen Sinne. Die Mis- setäter dagegen treffen nicht. Dies suggeriert, dass einem verbrecherischen Charakter niemals Erfolg beschienen sein soll. Zur Zeit der Entstehung der ersten Cowboyserien beginnt der Comic aber auch, außerhalb des nicht mehr ganz so Wilden Westens Verbreitung zu fin- den.

2.3.2.6. Die Ersten Schritte in Europa Nach einer sehr spärlichen Eigenproduktion und dem Import amerikani- scher Titel fasst der Comic Mitte der 30er Jahre verstärkt Fuß in Europa. In Frankreich erscheint 1934 Le Journal de Mickey, das amerikanische Vorla- gen – vornehmlich Mickey Mouse von WALT DISNEY – veröffentlicht. Das Heft hat spektakulären Erfolg. Dies führt im frankophonen Sprachraum zu einer Popularisierung der amerikanischen Comics und einer verstärkten Ei- genproduktion in ihrem Stil (vgl. Holtz, 1980, S. 89). Comics erscheinen in Frankreich und Belgien anders als in Amerika hauptsächlich in Zeitschriften für Kinder, sie werden von Anfang an als Jugendlektüre betrachtet und kon- zipiert. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 49

Der Autor GEORGES REMI, besser bekannt unter dem Pseudonym HERGÉ, profitiert von diesem Boom. Seine Serie Tintin, die 1929 zum ersten Mal als Strip in einer Kinderzeitung, ab 1930 auch als Nachdrucke in Albumform erscheint, wird ungemein populär und neben den Erzeugnissen aus den USA zu einem prägenden Werk für die Entwicklung des europäischen Comics. Tintin ist ein junger Reporter, der mit seinem Hund Milou abenteuerliche Detektivgeschichten besteht. Er bereist ferne Länder, die anfänglich gemäß naiver europäischer Klischees dargestellt werden. Eine politische Verklärung wird zum Beispiel bei der durch Vorurteile belasteten Darstellung des Bol- schewismus oder der Rechtfertigung belgischer Kolonialpolitik im scheinbar hilfsbedürftigen Afrika sichtbar. Jedoch ändert HERGÉ seine Methodik nach dem Protest chinesischer Austauschstudenten in Hinblick auf den angekün- digten fünften Band, Le lotus bleu, der in China spielen soll. Akribische Re- cherche wird ab 1934 ein wichtiges Kriterium für die Darstellung anderer Länder und kultureller Eigenheiten.

Abb. 18 Seite 50 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

«Dem Autor wurde zum ersten Mal seine Verantwortung gegenüber seinen zahllosen Lesern bewusst, diese nicht weiterhin mit Stereotypen abzuspeisen, sondern über die tatsächliche Welt und deren Probleme aufzuklären. Das Album ist streckenweise zu einem regelrechten Dokumentarwerk geworden […], das die gängigen Klischees nicht bedient, sondern bekämpft» (HÖHNE, S. 95).

Tintin entwickelt die bis zu diesem Zeitpunkt realistischste Ästhetik im Comic. Der Ton ist wesentlich gemäßigter als in den pathetischen und oft sensationslustig übertriebenen Geschichten der amerikanischen Abenteuer- helden und anders als bei diesen steht weniger der Mythos des Protagonisten im Vordergrund, als die Geschichten. Seine Serie konstituiert die so genann- te ligne claire, die seit dem einflussreichste, ästhetische Schule der europäi- schen Comicwelt. Der Stil (siehe Abb. 18) verzichtet auf Schattierungen und Schraffuren, er verwendet präzise, mit schwarzem, durchgängigem Strich ab- gegrenzte Konturen. Flächen werden ohne farbliche Abstufungen koloriert. Die Hauptakteure sind stark stilisiert gezeichnet, die Hintergründe dagegen relativ realistisch (vgl. MCCLOUD, 2001, S. 44 ff.)31. Die ligne claire bezieht sich aber nicht nur auf die graphische Gestaltung. Sie beschreibt auch eine Erzähltechnik von entsprechend klarem Stil. Die Geschichten sind geradlinig konstruiert, ohne von der Haupthandlung los- gelöste Erzählstränge oder sonstigem Beiwerk. Auf verschiedene zeitliche Ebenen, oder gar Metaebenen, wird bewusst verzichtet32. Jede Szene hat ihre definitive, sofort nachvollziehbare Funktion in der Haupthandlung. Obwohl nun die Verbreitung des Comics in Europa beginnt, behält Deutschland eine sehr isolierte Position.

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31 Laut MCCLOUD ist es umso leichter, sich mit einer gezeichneten Figur zu identifizieren, je undefinierter ihr Erscheinungsbild ist. In ein Strichmännchen kann sich jeder Mensch hineininterpretieren, in eine detailliert ge- zeichnete Figur nur sehr Wenige. Jede Nuance, die nicht auch auf das Erscheinungsbild des Rezipienten zutrifft, distanziert ihn von der dargestellten Figur. In der naturalistischsten Bild, dem Foto, kann sich nur eine einzige Person auf der Welt wieder finden. Die ligne claire ermöglicht nach MCCLOUDS Theorie eine leichte Identifikation mit der handelnden Figur bei gleichzeitigem Eintreten in eine Welt voller Detailreichtum, voller starker sinnlicher Reize (vgl. a.a.O.). 32 Artikel: L wie Linie Claire; In: DAS BREMER COMIC MAFIA LEXIKON; URL: www.comicmafia.de/lexikon/l.html (Abgerufen: 11. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 51

«Obgleich die erzählende Bildfolge in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhun- derts eine respektable Tradition besitzt, beginnt die Geschichte der Comics erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs» (DOLLE-WEINKAUFF, S.21).

Zeitschriften wie Kladderadatsch (1848), Simplicissimus (1896) oder Der heitere Fridolin (1921) veröffentlichen schon lange Bildergeschichten und Karikaturen in und aus Deutschland. An Comics im Sinne einer primär durch Bildsequenzen konstituierten Erzählform (siehe Kapitel 2.2.) ist vor 1945 aber nur einer erwähnenswert: der Pantomime-Strip Vater und Sohn von ERICH

OHSER, einem persönlichen Freund ERICH KÄSTNERS, für den er einige Bücher illustriert. OHSER ist Zeichner für die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts

Abb. 19. Ein Kommentar zum Ordnungsbild der Nazis. Seite 52 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte und wird wegen seiner antinationalistischen Satire 1934 mit Berufsverbot belegt. Dem ULLSTEIN-VERLAG gelingt es jedoch, eine Erlaubnis zur Veröffent- lichung OHSERS beim Propagandaministerium zu erwirken, unter der Auflage, nur unpolitische Inhalte zu publizieren und ein Pseudonym zu verwenden, das fortan in Anlehnung an seine Heimatstadt E. O. PLAUEN lautet. So erscheint Vater und Sohn Ende 1934 zum ersten Mal in der Wochenzeitschrift Berliner Illustrierte33. Die Serie erzählt heitere, alltägliche Erlebnisse von einem Vater und sei- nem Sohn mit einer bis auf wenige Ausnahmen realistischen Ästhetik. Beide sind lebensfrohe, jung gebliebene Charaktere, sie spielen sich und ihrer Um- welt sanfte Streiche, erziehen sich gegenseitig oder lösen Bedrohungen von Außerhalb mit pfiffigen Ideen. Zum Beispiel ist da dieser Rüpel, der Sohns Schneemann immer wieder umwirft, bis sich Vater als diesen verkleidet und zurückschlägt (vgl. E.O.PLAUEN, 2004, S. 70). Manchmal setzt es auch eine Tracht Prügel von Seiten des Vaters für seinen Nachkommen, letzten Endes halten beide aber immer zusammen. Vater und Sohn ist ein Werk innerer Emigration. Zum Beispiel gewinnt der Sohn einen Sprintwettbewerb bei der Olympiade 1936, einem Höhepunkt nationalsozialistischer Propagandaaktivität. Allerdings geschieht dies nicht, weil er etwa als Deutscher körperlich überlegen wäre, sondern weil die Flucht vor dem erzürnten Vater ihn beflügelt (vgl. E.O.PLAUEN, 2004, S. 102). In ei- nem anderen Strip zeigt OHSER, dass dunkelhäutige Menschen ebenso gut über das Erscheinungsbild der Weißen lachen können, nachdem sich Va- ter und Sohn über deren Aussehen amüsiert haben (vgl. E.O.PLAUEN, 2004, S. 280). Das humanistische Gesellschafts- und Menschenbild steht in starkem Kontrast zu dem der Zeit. Nicht «Härte, Zucht und Ordnung»34 fungieren als moralische Leitbegriffe der Geschichten, sondern Mitgefühl, kreative Schel-

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33 Vgl. Artikel: Über Erich Ohser den Vater der Bildergeschichten; Auf: VATER UND SOHN; URL: www.vaterundsohn. de/erichOhser.asp?WKorbUID=182421148&be=eo (Abgerufen 11. Juli 2007) 34 Als sich die Nazis die enorme Popularität der Serie zu Nutze machen wollen, beendet sie OHSER Ende 1937. 1944 wird er von einem Nachbar wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen denunziert, von der Gestapo verhaf- tet und nimmt sich in Gewissheit seiner Exekution das Leben (vgl. KNIGGE, 2004 a, S.81). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 53

merei und Liebe . Während der ersten Erfolge in Eur- opa wird das inhaltliche Spektrum im Mutterland des Comics weiter ausge- baut.

2.3.2.7. Rittergeschichten Die Western haben damit begonnen, eine historisierende Thematik in die Comics einzuführen. Der Amerikaner

und Vater der Serie Tarzan, HAL FOSTER, schöpft Anfang 1937 noch tiefer aus dem stofflichen Angebot der Geschich- Abb. 20 te. Mit seiner Serie Prince Valiant35 be- ginnt er das Genre der Mittelalter- und Ritter-Comics36 (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 108). Seine Serie ist eine Fortführung der Artus Sage in ihrer neu- zeitlich-phantastischen Auslegung nach Art von ESCHENBACHS Parzival. An- spruch auf historische Authentizität wird also nicht erhoben, wiewohl der Autor unablässig Recherche betreibt und sich bemüht, geschichtliche Fakten des Mittelalters zu verarbeiten. Die Details dieser tausendjährigen Zeitspan- ne mischt und verschweigt er aber ungeachtet chronologischer Korrektheit, je nachdem, wie es ihm für die Entwicklung seiner Geschichte als passend erscheint (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 82 ff.). Prince Valiant ist ein heldenhafter Jüngling, der seinen Vater, den König des sagenhaften Landes Thule, verlässt, um ein Ritter der Tafelrunde zu werden. Nach einigen Abenteuern, unter anderem Kämpfe gegen Fabelwesen, gelangt er nach Camelot, wo er auf alle bekannten Gestalten der Artussage trifft und nach einigen Entbehrungen

+++++++++++++++++++++++++ 35 Die deutsche Übersetzung trägt den Titel Prinz Eisenherz. 36 Bei Okay Doaks von BILL MCCLEERY und R.B. FULLER von 1935 handelt es sich zwei Jahre früher bereits um eine Strip der in der Ritterzeit spielt, jedoch ist er weniger ein Abenteuer-Comic, sondern den humoristischen Serien zuzuordnen. Seite 54 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte selbst zum Ritter geschlagen wird. Der Protagonist ist weniger ikonisch als die bisherigen Abenteuerhelden, seine Charakterzüge werden vielschichti- ger ausgeführt, Schwächen und Selbstzweifel werden thematisiert, insgesamt stellt aber auch er eine stilisierte, fast vollkommene Persönlichkeit dar.

Das Zeitalter der fahrenden Ritter wird stark romantisch verklärt. WAUGH berichtet über das erste Zusammentreffen des jungen Prinzen mit Sir Laun- celot:

«He was looking up at a mounted figure of noble bearing, of flowing red hair and strong haughty face, panoplied in the full splendor of a Knight of the Round Table» (1947, S. 242).

Diese Beschreibung trifft auch auf die übrigen Ritter der Erzählungen zu. Sie sind nobel, prachtvoll und ehrenhaft. Die Welt steht ihnen offen und steckt voller Abenteuer, Romanzen und siegreicher Kämpfe. Valiant bereist als fahrender Ritter die ganze Welt, er sieht neben dem mittelalterlichen Eu- ropa auch Afrika, das eigentlich noch unentdeckte Amerika, das Morgenland und China, womit sich der Autor erneut die Gelegenheit schafft, die stoffli- chen Ressourcen der Geschichte zu verarbeiten. Die ideologisch moralischen Grundsätze sind - ähnlich wie bei der Science Fiction - moderne Vorstel- lungen, die in eine weit entfernte Zeit transponiert werden. Prince Valiant streitet mit seinen ritterlichen Kollegen für soziale Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Vernunft, Fortschritt und gegen die ausbeuterische Oberklasse, der er eigentlich selbst angehört. Charakteristisch für die Serie ist trotz phantastischer Elemente ein realis- tischer Anstrich. Der Leser erfährt viele Details aus dem Alltagsleben der Rit- ter, wenn auch dem historischen Rahmen nicht immer richtig zugeordnet. Kämpfe werden, im Gegensatz zu bisherigen Abenteuer-Comics, nicht als für den Helden mühelosen, spielerischen Wettkampf dargestellt, sondern als kräftezehrende, schmerzhafte und tödliche Tortur.

FOSTER führt einen illustrativen, komplexen Zeichenstil in den Comic ein. Seine Zeichnungen sind naturalistisch und von einem für diese Zeit unge- Die Entwicklung des Modernen comics Seite 55 heueren Detailreichtum. Die bislang eher sekundär gehandhabte grafische Komponente erhält dadurch einen höheren Stellwert, als es bisher im Comic der Fall war37. Der Einfluss der Serie ist diesbezüglich enorm:

«FOSTER hat dem Comic neue Bewunderer gewinnen können, weil er seine Zeichnungen mit ebensoviel Sorgfalt wie Virtuosität ausführte» (PLATTHAUS, 1998, S. 66).

Ungewöhnlich ist, dass Prinz Eisenherz den Alterungsprozess des Helden, seiner Frau und ihrer Kinder beschreibt, wodurch über die Jahre eine epische Familiensaga entsteht. Die gängige Form der Erzählung in Abenteuerserien besteht in der Aneinanderreihung zeitlich parallel verlaufender Episoden.

ECO sieht in diesem Schema eine Funktion: die Möglichkeit zur Mythenbil- dung. Die Entstehung eines Mythos sieht er als

«unbewusste Symbolisierung, als Identifikation des Objekts mit einer Gesamt- heit von nicht immer bewussten Zielen, als bildliche Projektion von Neigun- gen, Hoffnungen und Ängsten, die wir sowohl bei Individuen als auch bei Ge- meinschaften und ganzen Geschichtsepochen beobachten können» (Eco, 1964, S.187).

Diese Projektion bezieht sich auf eindeutige Charakteristika der adressier- ten Figur, wodurch ein chronologisches Kontinuum problematisch wird: Durchlebt eine literarische Figur eine persönliche Entwicklung, sind ihre Ei- genschaften nicht eindeutig festlegbar. Tarzan zum Beispiel kann seine ex- emplarische Funktion als Verkörperung von Kraft und Freiheit nur als junger Mann erfüllen, die Darstellung des altersbedingten Verfalls des Helden käme einer Dekonstruktion seines Mythos gleich.

FOSTERS epische Erzählweise macht keine Schule. Im Gegenteil wird mit der Erzähltechnik der zeitlich parallel laufenden Episoden das Moment des Mythos in den kommenden Jahren erst wirklich auf die Spitze getrieben.

+++++++++++++++++++++++++ 37 Ausnahmen sind die Comic-geschichtlich separiert stehenden Kin-der-Kids und Little Nemo (siehe Kapitel 2.3.1.2.). Seite 56 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

2.3.2.8. Die Superhelden 1938 ist ein folgenschweres Jahr für die Entwicklung des Comics. In Ame- rika erscheint eine Geschichte, die den Comic-Markt revolutioniert. Es ist das Jahr des ersten Auftrittes von Superman in Action Comics #1. Dies markiert die Geburtsstunde des von nun an dominierenden Genres: dem Superhelden-

Comic (vgl. SABIN, 1996, S. 57 f.). Superman verhilft als einer der größten Erfolge der amerikanischen Ver- lagsgeschichte der Publikationsform des Comic-Books und damit den ausge- dehnten, abgeschlossenen Geschichten gegenüber den Zeitungs-Strips zum endgültigen Durchbruch. Alle bisher gekannten Auflagenhöhen werden ver- vielfacht. Das 1939 erstveröffentlichte Heft Superman – das erste erfolgrei- che Comic-Book, das einer einzigen Serie gewidmet ist – erreicht im Monat durchschnittliche Verkaufszahlen von 1,3 Millionen, 1943 werden monat- lich in den USA 25 Millionen Comic-Hefte verkauft (vgl. WRIGHT, 2001, S. 9 ff.). Das Comic-Heft wird zu einer Industrie.

JERRY SIEGEL und JOE SHUSTERS Figur weist bereits beide Charakteristika auf, die zu den zentralen Leitmotiven der Superheldengeschichten werden: über- natürliche Fähigkeiten und eine Doppelidentität. Superman ist so stark, dass er mühelos Autos durch die Luft werfen kann, er kann schneller laufen als eine Gewehrkugel fiegt und an seiner unverwundbaren Haut prallen selbi- ge einfach ab. Diese Fähigkeiten zeigt er aber nur in Notfällen, wenn er in sein hautenges, buntes Kostüm mit Umhang schlüpft, um als Superheld das Verbrechen zu bekämpfen. Im bürgerlichen Leben ist er Clark Kent, ein eher durchschnittlicher, etwas verklemmter und kurzsichtiger Zeitungsreporter

(vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 52 f.). Die Figur mag dem erwachsenen Leser den amerikanischen Traum von un- begrenzten Aufstiegsmöglichkeiten aus dem leidigen Mittelmaß suggerieren, dem Soldaten an der Front wird er Symbol für Hoffnung und Vaterland wer- den. Besonders zur Identifikation geeignet ist das Konzept aber für ein junges Publikum. Mit dem etwas hilflosen und von der Frauenwelt überforderten Clark Kent können sich wohl die meisten pubertären Jugendlichen identi- Die Entwicklung des Modernen comics Seite 57

fizieren. Das Erlebnis, in ihm einen allen überlegenen, edlen und blenden aussehenden Superman zu finden – die Verkörperung aller nur denkbaren Wunschträume – befriedigt eskapistische, narzisstische Bedürfnisse:

«The truth may be that Kent existed not fort he purposes of the story but for the reader. [...] His fake identity was our real one. That´s why we loved him so. For if that wasn´t really us, if there were no Clark Kents, only lots of glasses and cheap suits which, when removed, revealed all of us in our true identities – what a hell of an improved world it would have been» (FEIFFER, S. 13).

Dieser Ansatz gilt auch für alle weiteren Kreationen des Genres, die in der folgenden Zeit aufgrund des gigantischen kommerziellen Erfolges als mas- senhafte Plagiate entstehen. Sie dienen als Projektionsfläche für infantile Machtfantasien. Die Geschichten zeigen eine neue Generation von Helden innerhalb der Abenteuer-Comics, eine Art moderne Mythologie. Natürlich sind auch die herkömmlichen Comic-Helden dem normalen Menschen überlegen, doch hier wird der Kampf zwischen Gut und Böse auf die Spitze, auf eine über- menschliche Ebene getrieben. Superhelden wie Superschurken, die kurz nach dem Entstehen ihrer moralischen Widersacher entwickelt werden, haben gottgleiche Züge, vergleichbar mit den Titanen alter Sagen. Tatsächlich fun- gieren einige Helden sogar als Plagiat oder direkte Verkörperungen solcher Gottheiten. Captain Marvel zum Beispiel trägt in sich vereint die Fähigkeiten griechischer Götter und Helden38 oder Thor entspricht dem Donnergott des germanischen Kanons (vgl. WRIGHT, 2001, S. 18 f.). Die Übermenschlichkeit zeigt sich auch an den Äußerlichkeiten: Superhelden sehen nicht aus wie normale Menschen, außer wenn sie gerade ihr bürgerliches alter Ego verkör- pern, sie tragen bunte Kostüme, Masken und Capes. Ihre Verkleidung ist zu- mindest stellenweise hauteng, um ihre durchweg athletische Physiognomie zu betonen.

+++++++++++++++++++++++++ 38 Laut ihrer Entstehungsgeschichte besitzt die Figur die «Stärke des Herkules», die «Macht des Zeus», Blitze zu kontrollieren etc. Seite 58 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Ort der Handlung ist prinzipiell das Hier und Jetzt, wiewohl gerade den Superhelden kosmischer Natur auch Ausflüge zu entfernten Welten offen ste- hen. Im Vordergrund der Geschichten steht weniger ein komplexer Plot oder eine mehrschichtige Charakterisierung der Heldenfigur, als vielmehr die Dar- stellung ihrer Superkräfte in immer wiederkehrenden Verlaufsmustern (siehe

Kapitel 2.3.2.8.)39. KARL RIHA äußert sich dazu metaphorisch:

«Zwar wecken die verschiedenen Helden den Anschein von Spezialreinigern, doch wie auf dem Waschmittelsektor, haben wir´s im wesentlichen nur mit Ume- tikettierung, Unterschieden der Benennung und der graphischen Präsentation zu tun» (1970, S. 38).

Die Superhelden sind also stilistische und inhaltliche Massenware, sehr gleichförmige Mythen, die quasi am Fließband produziert werden, um den hohen Bedarf zu decken. Andere Medien beginnen verstärkten Einfluss auf die Gestaltung der Co- mics zu nehmen. Zum Beispiel wird das grüne Kryptonit, ein Gestein von Supermans zerstörtem Heimatplaneten, das ihn verletzen kann und somit seine Achillesferse darstellt, in dem 1940 zum ersten Mal ausgestrahlten Ra- diohörspiel erfunden und übernommen. 1941 entsteht eine Zeichentrickse- rie in der Superman fliegen kann, auch diese Eigenschaft bleibt dem Protago- nisten fortan erhalten (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 93). Eine Fähigkeit, die er gut gebrauchen kann im Kampf gegen das Böse, denn die Gefahr droht schon bald aus Übersee…

+++++++++++++++++++++++++ 39 Im Bereich der Rollenspiele, einer Form von Gesellschaftsspiel bei dem man erzählerisch oder schauspiele- risch eine heldenhafte, phantastische Figur verkörpert, gibt es ein verbreitetes Phänomen, das «Powergaming» genannt wird. Gemeint ist damit die regeltechnisch möglichst optimale Ausnützung und Kombination der Eigen- schaften und übermenschlichen Fähigkeiten der eigenen Figur, um diese möglichst mächtig zu gestallten (vgl. Artikel: Powergaming; In: ENGLISCHE WIKIPEDIA; URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Powergaming Abgerufen 11. Juli 2007). Dieses strategische Kombinationsspiel ist für Rollenspiele eigentlich unerwünscht, übertragen auf die Co- mics aber könnte man darin ein zentrales Motiv sehen, das den Reiz der Superhelden ausmacht. Die immer neue Kombination von Superkräften verschiedener Helden und Wiedersacher, die im Team kämpfen, oder die Überle- gung, auf welche neue Art man eine Kraft einsetzen könnte, ist bei gleichförmiger Handlungsstruktur Quelle für den Inhalt der Geschichten und eine kreative Disziplin für ihre Rezipienten. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 59

2.3.2.9. Die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges Der kulturhistorische Einfluss des zweiten Weltkrieges betrifft auch die Geschichte des Comics. Die Protago- nisten der amerikanischen Abenteu- er-Comics sind aufgrund ihrer klaren moralischen Mentalität und helden- hafter Stärke bestens zu Propaganda- zwecken geeignet und werden dement- sprechend eingesetzt. Fast sämtliche bekannten Helden und Superhelden ziehen in ihren Geschichten gegen die Achsenmächte in den Krieg. Flash Gor- Abb. 21 don fliegt zurück zur Erde, um gegen die Bedrohung zu kämpfen, Tarzan verhindert die Einrichtung einer deut- schen Geheimstation im afrikanischen Dschungel und Superman verprügelt eigenhändig HITLER und MUSSOLINI (vgl. Abb. 21). «Sie wirken wie charisma- tische Leitbilder, deren politisches Engagement die Vernichtung der Faschis- ten ist» (ATZER, 1982, S. 26.). Kriegsserien entstehen als neues Sub-Genre, in dem die kämpfenden Sol- daten zu unbesiegbaren Heldenfiguren stilisiert werden und der Krieg mora- lisch gerechtfertigt wird (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 180 ff.). Das hat in Deutschland und in den besetzten Gebieten die Ächtung der Er- zählform und das Verbot amerikanischer Comics durch die Nazis zur Folge40, selbst die wenigen nicht der Zensur zum Opfer fallenden Produktionen in Frankreich, Italien und Belgien müssen bald wegen Papiermangel und kriegs- bedingter Vertriebsprobleme eingestellt werden (vgl. COUPERIE/HORN, 1968, S. 87 ff.).

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40 JOSEPH GOEBBLES verkündete im Deutschen Reichstag, Superman sei ein Jude (vgl. METKEN, 1970, S. 77). Seite 60 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Während das übrige Europa nach Kriegsende die nationale Produktion wieder aufnimmt, wird der amerikanische Comic auch in Deutschland zum ersten mal populär, importiert durch die Soldaten der Besatzungsmacht. Die Sprachbarriere wird durch den graphischen Aspekt geschwächt und die Hefte regen erste deutsche Produktionen in Kindermagazinen oder Humorseiten von Zeitungen an, die sich aber nicht lange halten.

«Das nach der Währungsreform zu beobachtende, sich zu Beginn der fünfziger Jahre rasch beschleunigende Vordringen ausländischer Lizenz-Comics in deutscher Übertragung machte dem ungesicherten Experimentieren bald ein Ende und ließ die eigenständigen Produktionen in der Flut des in Jahrzehnten angesammelten, relativ billig zu erwerbenden Bilderserienmaterials amerikanischer, italienischer und französischer Herkunft untergehen» (DOLLE-WEINKAUFF, 1990, S.30).

Für Deutschland bedeutet das Ende des Krieges also das Aufkeimen eines Comic-Marktes, in Amerika dagegen beginnt eine schwere Krise auf diesem

Sektor. (vgl. METKEN, 1970, S. 82). Die Popularität der Superhelden-Comics, dem bis dato mit Abstand wich- tigsten Zweig des Marktes, geht ab Ende der 40er Jahren stark zurück. Dafür wird zum Einen das Fehlen der Feindbilder in Form der Achsenmächte, zum

Anderen das aufkommende Fernsehen verantwortlich gemacht (vgl. BENTON, 1991, S.17). Die Verlage reagieren darauf, indem sie ihre Programmschwer- punkte auf Wildwest-, Romanzen- und Kriminalgeschichten verlegen. Au- ßerdem versuchen sie sich an einem neuen Mittel, um Aufmerksamkeit und damit gewinnträchtigen Absatz zu erzielen: dem Tabubruch.

2.3.2.10. Der Horror und die Folgen Das Genre der Horror- und Crime-Comics treibt die zu dieser Zeit fort- schreitende, wohl auch durch die Schrecken des durchlebten Krieges aufge- kommene inhaltliche Tendenz zur Brutalisierung auf die Spitze.

BILL GAINES und AL FELDSTEIN starten mit ihrem Verlag EC COMICS 1950 die neue Stilrichtung in den Magazinen The Crypt of Terror, The Vault of Hor- ror und The Haunt of Fear. In diesen erscheinen Geschichten verschiedener Zeichner – als wichtigster ist Johnny Craig zu nennen – die in der Tradition Die Entwicklung des Modernen comics Seite 61 der Schauerromane stehen. Jedoch ist im Gegensatz zu diesen die exzessive Darstellung von Gewalt ein zentrales Thema. Schon auf den Cover-Seiten der Hefte prangen blutige Darstel- lungen abgehackter Körperteile, von Folter und halbverwesten Menschen. Vampire, Wehrwölfe, Zombies und wahnsinnige Mörder geben sich ein millionenfach verkauftes Stelldichein, das nicht unwesentlich dazu beiträgt, die Industrie über Wasser zu halten. Die Darstellung von Gewalt über- schreitet eine Grenze, die bisher im Abb. 22

Comic noch nie erreicht wurde (vgl. SABIN, 1996, S. 67)41. Obwohl als Lektüre für Erwachsene konzipiert, führen solche Inhalte und Darstellungen zu wachsenden Protesten seitens Pädagogen, Psychologen und selbsternannter Moralhüter42, die dem Comic in Amerika schon seit Mitte der 40er Jahre skeptisch gegenüber stehen. Die Kampagnen gipfeln in den USA 1954 in der Einführung des Comic Codes, einer Liste von Konventio- nen, der sich die Verlage in Gewissheit bevorstehender staatlicher Sanktio- nen oberflächlich freiwillig unterwerfen. Die Inhalte der Hefte werden dra- konisch zensiert. Sexualität und Gewalt, wie auch Kritik an religiösen oder gesellschaftlichen Motiven werden verboten, polarisierende Darstellung zum Beispiel von Kriminalität angeordnet. Neuveröffentlichungen müssen sich zuerst einer Prüfung unterziehen lassen, ob sie gemäß des Comic Codes un-

+++++++++++++++++++++++++ 41 Crime-Comics, nicht zu verwechseln mit Kriminalgeschichten wie Dick Tracy (siehe Kapitel 2.3.2.4.). Sie unterscheiden sich nur in sofern von den Horror-Comics, dass sie keine fantastischen Elemente enthalten. Ihr Inhalt zielt auf die Darstellung menschlicher Verbrechen, mit der gleichen Intensität an Gewaltdarstellungen wie die Horror-Comics.

42 Dies wird in Kapitel 4.1.3. und 4.1.4. ausführlich besprochen. Seite 62 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

bedenklich sind. Erst dann bekommen sie ein entsprechendes Siegel und können auf dem Markt verkauft werden. Hefte ohne Zulassung der Prüfstelle werden von den Händlern nicht angenommen. Dies führt in Amerika zu einem schlagartigen, enormen Rückgang in der Comic-Produktion, da ein großer Teil der laufenden Serien nicht mehr veröffentlicht werden kann und neben den Horror-Comics auch die meisten Serien der Abenteuer-Genres be-

troffen sind (vgl. WRIGHT, 2001, S. 172 ff.). Die europäischen Länder entwickeln ähnliche, gesetzlich festgelegte Sank- tionen. In Frankreich wird der Import von US-Serien schon 1949 weitgehend ge- stoppt, hier jedoch vor allem aufgrund des Wirkens der Kommunisten gegen die «amerikanischen Triebe». Dies bedeutet einen Aufschwung der nationa- len Produktion, deren Ästhetik weniger auf die reißerische Darstellung von Action und Gewalt ausgelegt ist und somit in ihrer narrativen Funktionswei- se nicht all zu hart von den Restriktionen betroffen ist. Dadurch entsteht

ein breiter Markt an national produzierten Comic-Zeitschriften. (vgl. FUCHS/

REITBERGER, 1971, S. 186 f.).

2.3.2.11. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 43

^ 20er Jahre: Genau genommen ist The Funnies nicht die erste Publikation mit erstveröffentlichtem Material. Etwas Vergleichbares gibt es schon gegen Ende der 20er Jahren mit den so genannten Tijuana Bibles oder auch Eight Pagers genannt. Die achtseitigen Heftchen sind jedoch kein Bestandteil des offiziellen Comic-

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43 Die folgende Zusammenstellung beruht auf Zeittafeln aus folgenden Quellen: KNIGGE 2004 a, Einband; FUCHS/REITBERGER 1971, S. 253 ff.; Website: Kunstwissen.de URL: www.kunstwissen.de/fach/f-kuns/comix/ history0/c_01.htm (Abgerufen 10. Juli 2007); Webzine Collector Times, URL: www.collectortimes.com/ ~comichistory/Platinum.html (Abgerufen 10. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 63

Marktes und vom Copyright her sogar illegal. Es handelt sich um pornographische Erzeugnisse, die meistens bekannte Serienhelden in promisken sexuellen Situationen zeigen. Ihre Erschaffer bleiben bewusst anonym. Die unter der Hand verkauften Tijuana Bibles avancieren zu einem heimlichen Massenartikel in Millionenauflage.

^ 1929: Zum erstenMal taucht die Figur Popey in ELZIE

CRYSLER SEGARS 1919 gestarteten, humorvollen Tagesstrip Thimble Theatre auf. Der raubauzige Seemann macht die Serie ungemein populär und kann dank seiner riesigen körperlichen Kraft, die ab seinem Auftreten in Trickfilmen durch Spinat geweckt wird, als einer der Vorläufer der Superhelden gesehen werden.

^ 1930: CHIC YOUNG erschafft mit Blondie einen der erfolgreichsten Strips der Comic-Geschichte. Die humoristische Serie handelt von den Romanzen einer jungen Dame.

^ 1930: WALT DISNEYS Mickey Mouse, ursprünglich eine Zeichentrickfilmfigur44, erscheint zum ersten mal als Abenteuer-Strip. Die auf zwei Beinen gehende, Hosen tragende Maus eröffnet einen ganzen Reigen anthropomorphisierter

Tiere bei DISNEY und bringt wenig später das Comic-Fieber nach Europa. In Deutschland wird sie 1951 zum ersten erfolgreich produzierten Comic-Heft.

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44 DISNEYS Film Steamboat Willie, der Mickey Mouse als Protagonisten hat, ist 1928 der erste Trickfilm der Welt mit Ton. Seite 64 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

^ 1930: HAM FISHER etabliert mit der gleichnamigen Serie über den

Preisboxer JOE PALOOKA Geschichten über Sportler als eine Art Sub-Genre der Abenteuer-Comics.

^ 1933: Mit Detective Dan, Secret Op. 48 von NORMAN MARSH erscheint das erste Comic-Book mit einer originalen, durchgängigen Geschichte. Es bleibt erfolglos und wird nach einer Ausgabe wieder eingestellt.

^ 1934: Für den Strip Secret Agent X – 9 schreibt zum ersten Mal ein

populärer Schriftsteller die Texte: DASHIELL HAMMETT.

^ 1934: In Terry and the Pirates verwendete MILTON CANIFF erstmals Pinsel statt Feder und führt eine besonders authentische graphische Ästhetik in den Abenteuer-Comic ein. Die Abenteuer des Jungen Terry im fernen Osten sind auch inhaltlich glaubhafter und plausibler als in bisherigen Strips.

^ 1934: Mit Flash Gordon von ALEX RAYMOND beginnt eine erfolgreiche Science FictionSerie, deren Welt mit anachronistischen Elementen durchzogenen ist, eine Mischung aus Zukunftsvision und traditionellem Märchen. Die leicht bekleidet dargestellten Figuren bringen das Element der Erotik in die Comics. Die Serie nutzt als erste glänzende statt matte Farben.

^ 1936: Der im afrikanischen Dschungel agierende, mysteriöse Held

The Phantom von LEE FALK und RAY MOORE besitzt eine doppelte Identität und Kostüm. Damit wird er zum Vorläufer der maskierten Superhelden. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 65

^ 1938: ED KRESSY bringt mit der Adaption des Radiohörspiels Lone Ranger höchst erfolgreich den Prototypen des stereotypen Western-Helden in die Comics.

^ 1938: Das franko-belgische Comig-Magazin Spirou startet.

^ 1939: BILL FINGER und BOB KANE knüpfen an den Erfolg von Superman an und entwerfen mit Batman einen der bekanntesten Superhelden aller Zeiten.

^ 1940: WILL EISNERS wendet in seiner Serie The Spirit als erster komplexe literarische Erzähltechniken an und experimentiert mit der graphischen Gestaltung, kontrovers zu der noch von der Zeitungsseite stammenden, gleichförmigen Bilderaufteilung anderer Comics. Er versteht den Comic als Erzählkunst, wird aber selbst von seinen Kollegen verspottet, als er diese Meinung öffentlich vertritt.

^ 1940: Wie EISENER beginnen JACK KIRBY und JOE SIMON fast zeitgleich, das visuelle Potential der Comichefte stärker zu nutzen. In Captain Amerika, einem in Hinblick auf den Weltkrieg erfundenen Superhelden mit patriotischem Habitus, nutzen sie die Seiten als Gesamtkomposition und erfinden ein dynamisches Layout mit überlappenden Bildern und sehr freien Panel-Formaten, das die Ästhetik der Comics nachhaltig prägt.

^ 1941: Es kommt zum ersten Mal eine Serie auf, die nicht auf Unterhaltung ausgelegt ist, sondern auf Bildung und Erziehung. True Comics heißt das Magazin, das keine Fiktion enthält, sondern von verschiedenen Zeichnern thematisierte, historische Ereignisse, wissenschaftliche Erkenntnisse und Seite 66 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

aktuelle Begebenheiten. Ein Jahr später werden von

EC COMICS in Picture Storys from the Bible auch religiöse Motive aufgearbeitet, demselben Verlag, der später die ersten berüchtigten Horror-Comics veröffentlicht.

^ 1943: CARL BARKS beginnt Donald Duck populär zu machen. Im Laufe der Zeit entsteht um die Figur ein Kanon anthropomor- phisierter Tiere, die ein ironischer Spiegel der amerikanischen

Gesellschaft sind und BARKS zu einem der international bekanntesten Comic-Zeichner der Geschichte machen.

^ 1946: Von seinem Berufsverbot durch die Nazis befreit, gründet

HERGÉ in Belgien das gleichnamige Magazin zu seiner Figur Tintin, das weitere bekannte Serien diverser Zeichner initiiert und ganz den von ihm erfundenen Stil der ligne claire vertritt.

^ 1947: Lucky Luke erscheint zum ersten mal als Tages-Strip in Spirou,

der wichtigsten Konkurrenz von Tintin. Zeichner ist MAURICE

DE BÉVÈR unter dem Pseudonym MORRIS. Die slapstickhaften Episoden über den Cowboy, der «schneller zieht als sein Schatten» weichen bald humorvollen Abenteuern, die das Western-Genre parodieren und historische Personen und Ereignisse aufarbeiten. Lucky Luke wird zu einer der populärsten Figuren des europäischen Comics.

^ 1948: WALT KELLY beginnt mit Pogo eine Allegorie auf die amerikanische Gesellschaft in Form eines von antropomorphisierten Tieren bevölkerten Sumpfes. Er macht tagespolitische Ereignisse zum Thema seiner Strips, in denen zum ersten Mal real existierende Politiker karikiert werden. Er prägt das Stilmittel, durch die spezifische Verwendung Die Entwicklung des Modernen comics Seite 67

verschiedener Schriftarten die Charaktereigenschaften einer Figur auszudrücken.

^ 1949: EDGAR P. JACOBS prägt mit seinem Abenteuer-Comic Blake und Mortimer einen, im Sinne der ligne claire stehenden, hyperrealistischen Stil.

^ 50er Jahre: Im Koreakrieg werfen die USA Comics zu Propagandazwecken über feindlichen Stellungen ab. Mit Hilfe der Bildsprache fordern sie die mutmaßlich kein Englisch beherrschenden gegnerischen Soldaten auf, sich ihrer politischen Führer zu entledigen.

^ 1950: In Deutschland versucht MANFRED SCHMIDT mit dem Strip Nick Knatterton in der Illustrierten Quick die amerikanischen Comic-Hefte zu parodieren. Sein Vorhaben misslingt, die slapstickhaften Kriminalgeschichten werden zum Hit und der Meisterdetektiv Knatterton zum ersten deutschen Comic-Helden.

^ 1950: Die Funny-Strips sind seit den 30er Jahren von den Abenteuer-Strips weitgehend verdrängt worden. 1950 erscheint

Peanuts von CHARLES M. SCHULZ, das dem Genre wieder neuen Aufwind gibt. Er verzichtet auf das Fortsetzungsprinzip und erzählt die Erlebnisse von Charley Brown, einem introvertierten, einzelgängerischen Jungen. Die Serie trägt psychologische und philosophische Züge und wird zum erfolgreichsten Strip der Comic-Geschichte.

^ 1950: Ein weiterer Funny-Strip, der das humorvolle Genre wieder

belebt, ist Beetle Bailey von MORT WALKER, eine Satire auf Militär und Autorität. Seite 68 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

^ 1951: Im französischen Magazin Spirou übernimmt ANDRÉ FRANQUIN den Comic Spirou und Fantasio, dessen Hauptfigur bereits 1938 erfunden wurde. Das Magazin etabliert durch den Erfolg der Serie den Stil der école marcinelle, eine Gegenströmung zur

ligne claire von HERGÉS Zeitschrift Tintin, in der nicht auf puristische Wiedergabe der Realität, sondern ironische Übertreibung und gestalterische Freiheit gesetzt wird. Beiden Magazine produzieren nun eigene, zum Teil sehr erfolgreiche Serien und werden zu den maßgebenden Indikatoren der französischsprachigen Comic-Geschichte.

^ 1952: Das Satiremagazin MAD startet. Es enthält Persiflagen bekannter Serienhelden und stärkt damit ein kritisches Bewusstsein gegenüber schlechten Produkten des Comicmarktes. Die schwarze, respektlose Satire auf relativ hohem Niveau prägt den Humor in den USA.

^ 1953 In Deutschland starten einige national produzierte Heftreihen. Halten kann sich aber nur das Magazin Fix und Foxi aus dem

KAUKA VERLAG. Die gleichnamigen Titelfiguren, zwei

antropomorphisierte Füchse, werden von ROLF KAUKA erschaffen. Das Heft wird zum bis heute erfolgreichsten nationalen Comic-Magazin und der neben anderen enthaltene Titelstrip zu einem der wenigen populären Comics deutscher Herkunft überhaupt.

2.3.2.11. Zusammenfassung Der Überblick über die Zeitspanne der 30er bis zu den 60er Jahren zeigt die inhaltliche Erweiterung des Comics durch abenteuerliche Geschichten in verschiedenen Genres: die Dschungel-Saga, die Science Fiction, die Kri- minalgeschichten, der Western und die Rittergeschichten. Das Aufkommen Die Entwicklung des Modernen comics Seite 69 des sechsten Genres, den Superhelden, verhilft einer neuen Form der Pu- blizierung zum Durchbruch. Comics werden von nun an vor allem in ei- genständigen Heften und in millionenfachen monatlichen Auflagen veröf- fentlicht. Die Comic-Books erweitern die Strips zu längeren, abgeschlossenen Geschichten. Inspiriert von Amerika beginnt auch in Europa der Comic-Konsum, am aktivsten in Frankreich und Belgien, die nach dem zweiten Weltkrieg eigene Stielarten entwickeln. Am wichtigsten ist davon die ligne claire zu nennen, eine Schule geradliniger Erzählform und klarem Zeichenstils. Das Aufkommen immer brutalerer Inhalte, speziell des Genes der Horror- Comics, löst Ende der 40er in allen Ländern die Debatte um den schädlichen Einfluss der Hefte auf die Jugend aus. Mitte der Fünfziger Jahre kommt es in Amerika und Europa zu tiefgreifenden inhaltlichen Reglementierungen. In Folge dessen wird die gesamte Produktion vor allem in Amerika stark gedros- selt. Damit steht der Comic vor einem Wendepunkt.

2.3.3. Von den Revolutionen der 60er Jahre bis heute

2.3.3.1. Die neue Welle der Superhelden Die Situation der späten 50er Jahre zeigt einen historischen Tiefpunkt auf dem amerikanischen Markt, maßgeblich bedingt durch die Jugendschützer, deren Eifer den Verkauf der meisten Serien verhindert (siehe Kapitel 2.3.2.10) und öffentlichen Unmut gegen den Comic als solchen schürt (siehe Kapitel 4.1.4.). «Over a dozen comic book companies dissapeared in 1955, and sales had plunged» (Benton,1991, S.9). Dieser Trend setzt sich in den kommenden Jahren weiter fort. Demzufolge begeben sich die wenigen noch verbliebenen Publizisten auf die Suche nach neuen Inhalten um ihre Produkte wieder at- traktiv zu machen. Seite 70 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Der Verlag DC COMICS beginnt Ende der 50er Jahre einige seiner alten Su- perhelden in graphisch modernisiertem Outfit und angepasst an den Comic Code zu reanimieren. Der eigentliche Weg aus der Krise und eine Moder-

nisierung des Genres ist aber vor allem MARVEL COMICS zu verdanken, der bis heute stärksten Konkurrenz von DC

COMICS45: Kurz vor dem Bankrott startet

MARVEL inspiriert von deren anschei- nend neu aufkommenden Popularität eine neue Generation von Superhelden

(vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 106 ff.). Den Anfang macht 1961 die Serie The

Fantastic Four von Verlagschef STAN LEE

und JACK KIRBY, dem Erfinder von Cap- tain Amerika (siehe Kapitel 2.3.2.12.). Inspiriert vom damaligen Science Fic- tion-Boom in anderen Medien, handeln die Geschichten von einem Team As- tronauten, dessen Mitglieder sich nach

Abb. 23 Kontakt mit mysteriösen kosmischen Strahlen bei einem Weltraumausflug in Superhelden verwandeln.

LEE bricht mit vielen alten Mustern des Genres und bemüht sich, die Ge- schichten abgesehen von Superkräften und Science Fiction-Elementen realis- tischer als bisher zu gestalten. Die persönliche Beziehung zwischen den Per- sonen wird zu einem zentralen Leitmotiv und die Protagonisten sind keine oberflächlichen Übercharaktere mehr, sie besitzen Gefühle und menschliche Schwächen. Besonders deutlich zeigt sich diese neue Form von Superheld an der Figur des Ben Grimm, der nach seiner Verwandlung nur noch The Thing genannt wird (siehe Abb. 23). Zwar schenkt ihm die kosmische Strahlung

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45 MARVEL UND DC COMICS SIND DIE DAMALS BIS HEUTE WELTWEIT GRÖSSTENUNDMARKTFÜHRENDEN VERLEGERVON SUPERHELDEN- COMICS (VGL. KNIGGE, 2004 A, S. 173). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 71 unglaubliche körperliche Kräfte, doch sie bringt auch die Mutation zu einem orangefarbenen, steinern wirkenden Koloss mit sich. Sein Aussehen macht ihm ein normales Leben in menschlicher Gesellschaft unmöglich. Damit wird The Thing zum ersten tragischen Superhelden, der unter seiner Gabe leidet und nicht als unreflektierte Galionsfigur für Stärke, Schönheit und den

«American Way of Life» fungiert (vgl. WRIGHT, 2001, S. 204 ff.). Ähnlich ergeht es dem 1962 vom selben Team entwickelten Charakter The Hulk. Es handelt sich bei dieser Figur um einen Wissenschaftler, der sich nach einem Unfall mit Gamma-Strahlen immer wenn er wütend wird in ei- nen grünen, monströsen Riesen verwandelt. Auch er ist kein Superheld im klassischen Sinne - sein Charakter erinnert eher an STEVENSONS Dr. Jekyll und Mr. Hyde: eine tragische Figur, die unter ihrem unkontrollierbaren Alter Ego zu leiden hat.

1963 entwickeln LEE und STEVE DITKO MARVELS ihren wohl populärsten Helden mit dem Namen Spider-Man, der sich dem begonnenen Reifungspro- zess anschließt. Der Protagonist ist diesmal kein erwachsener Mann, sondern hat neben den Superschurken der Heldenwelt in seinem zivilen Leben mit den alltäglichen Problemen des Teenageralters zu kämpfen.

«Spider-Man […] became the epitome of the radical innovations that charac- terized The Marvel Age. LEE used him to challenge the very concept of the super heroe. Spider-Man was neurotic, compulsive and profoundly skeptical about the whole idea of becomig a costumed savior. [...] Spider-Man had to struggle with himself» (DANIELS, 1991, S.95).46

Heranwachsende und junge Erwachsene können sich mit dieser Figur vor- stellen, wie es wirklich wäre, ein Superheld zu sein. Die weniger vorhersehbaren, vermenschlichten Geschichten mit psycho- logische Ambitionen finden Aufmerksamkeit bei einer erwachsenen Ziel-

+++++++++++++++++++++++++ 46 Der neue Entwurf der Superheldengeschichten wird derart einflussreich und erfolgreich, dass die 60er Jahre von Fans und Verlagen heute oft «The Marvel Age» genannt werden. Seite 72 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte gruppe, verstärkt auch bei Professoren und Studenten. Besonders für Letztere avancieren die Figuren zu Kultikonen (vgl. METKEN, 1970, S. 96). STAN LEE fasst die neue Erzähltechnik folgendermaßen zusammen:

«By telling our tales on two levels – color, costumes, and exaggerated action fort he kids; science fiction, satire, and sophisticated philosophy for the adults and near-adults – we´ve managed to expand the perimeters of our audience» (zi- tiert aus Benton, 1991, S.28).

Die Substanz dieser Figuren ist von ihrem Anspruch her nicht zu über- schätzen, jedoch hat die Entwicklung begonnen, das Comic-Heft inhaltlich auch als Lektüre für Erwachsene zu erschließen. Dies gilt aber nicht nur für amerikanische Produktionen.

2.3.3.2. Comics für Erwachsene - Asterix und Erotik

Zu Anfang der 60er Jahre gewinnt Asterix von RENÉ GOSCINNY und AL-

BERT UDERZO zunehmend an Popularität. Gestartet 1959, als Strip in der im selben Jahr gegründeten Zeitschrift , verkauft sich der erste Sammel- band 1961 noch recht bescheiden, die dritte Heftausgabe von 1964 avan- ciert aber bereits zum Bestseller47. Ähnlich wie die neue Welle der ameri- kanischen Comics sind auch die Abenteuer des gewitzten, kleinwüchsigen Galliers doppeltadressiert48. Kinder und Jugendliche werden von der Action49 und dem Klamauk der Geschichten angesprochen. Erwachsene finden in der Geschichtstravestie über das gallische Dorf um 50 vor Christus, das der römi-

+++++++++++++++++++++++++ 47 Vgl. Artikel: Daten & Fakten; Auf: Die offizielle Asterix-Seite. URL: http://www.asterix.de/e8/index_ger.html (Abgerufen 12. Juli 2007).

48 Der Begriff der «Doppeltadressiertheit von Kinder und Jugendliteratur» ist HANS-HEINO EWERS Buch Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung… entnommen (S.103). Gemeint ist Literatur mit verschiedenen Kom- munikationsprozessen, die zum Einen die erste, minderjährige Zielgruppe anspricht, zum Andern auf einer zwei- ten Ebene Inhalte vermittelt, die sich vor allem einer erwachsenen Leserschaft erschließen. Damit wird das Werk für beide Zielgruppen interessant und inhaltlich je nach Rezeptionsweise unterschiedlich wahrnehmbar.

49 Ein Grund für den Erfolg der Serie könnte auch die Marktlücke dieser Zeit sein, in die GOSCINNY und UDERZO mit den übermenschlichen Kräften der Protagonisten stoßen. Das Konzept der titanenhaften Helden ist in Frank- reich aufgrund des Importverbotes amerikanischer Superhelden-Comics bisher nicht verbreitet (siehe Kapitel 2.3.2.10.). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 73 schen Besatzungsmacht unüberwindbaren Widerstand leistet, den oft auch ironisierenden Ausdruck des neuen französischen Nationalbewusstseins nach dem Zusammenbruch der vierten Republik. Politische Satire, die Parodie nati- onaler Klischees europäischer Länder, Humanismus, Kritik und Aufarbeitung zeitgeistlicher Themen der 60er Jahre wie auch die akribischen Details histo- rischer Szenarien und immer wieder eingestreute Zitate lateinischer Klassiker tragen zur Beliebtheit im Bildungsbürgertum bei. Asterix avanciert zu einem französischen Nationalepos und die Protagonisten in Studentenkreisen zu

Symbolfiguren für antiautoritären Widerstand (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 158 ff.). Die Serie wird bald als Kulturgut betrachtet und erreicht somit viel für die Emanzipation des Comics von seiner gesellschaftlichen «Ächtung» als anspruchslose Kinderliteratur. Einige Jahre später erfüllt die Serie eine ähn- liche Funktion in Deutschland, wo sie zum ersten Mal 1968 in Übersetzung erscheint (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 156 f.).

JEAN-CLAUDE FOREST trägt 1962 ebenfalls zur Aufmerksamkeit eines erwach- senen Publikums gegenüber dem Comic bei. Er veröffentlicht Barbarella als Strip in einem Magazin. Die Neuauflage von 200.000 Stück in Albumform ist 1964 in kürzester Zeit vergriffen. Barbarella ist die erste weibliche Protagonis- tin in einem französischen Comic und die erste national produzierte Science

Fiction Serie. Wichtiger noch ist aber der Umstand, dass FOREST seiner Figur einen äußerst freizügigen Charakter gibt. Man muss in ihren Weltraumaben- teuern nie lange warten, bis die attraktive Blondine ihre Hüllen fallen lässt und sich mit Männern, Frauen oder Robotern sexuell vergnügt. Erotik ist als kommerzielles Comic-Genre geboren (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 208 f). «From the beginning, the strip aimed at an adult audience»50. Jedoch wird diese Idee in einer Kultur, die das Medium traditionell als Kinderliteratur sieht, zunächst nicht erkannt. Das Heft provoziert einen Skandal, die Zensur-

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50 JEAN-MARC/LOFFICIER, RANDY; Artikel: Crusing the Galaxy with Barbarella; Aus dem Magazin Starlog #92; Auf: Hol- lywood Comics; URL: www.hollywoodcomics.com/forestint.html (Abgerufen 30. April 2007). Seite 74 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte behörde bewirkt eine Indizierung der begonnenen Reihe. Dieses eilige Verbot stärkt aber die Popularität von Barbarella und schließlich kommt es zu einem juristischen Konflikt, der mit der Klassifizierung der Serie als Konsumgut für ausschließlich Erwachsene endet. Barbarella gilt damit in Frankreich auch von offizieller Seite als der erste Comic, der nicht für Kinder bestimmt ist und erweitert den europäischen Comic-Markt um altersbeschränkte Produk- tionen, die sich in Inhalt und Darstellung entsprechend gekennzeichnet an

Erwachsene richten (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 165). Obwohl hierdurch weitge- hend von der Zensur dispensiert, gelten trotz aller Freizügigkeit noch viele Tabus. Zum Beispiel werden nirgends primäre Geschlechtsmerkmale darge- stellt, zufällig herumstehende Büsche oder entsprechende Posen der Figuren bewahren den Leser vor zu intimen Einblicken51. Anders wird das im Verlauf der sexuellen und künstlerischen Revolution, die gegen Ende des Jahrzehnts in den USA eskaliert.

2.3.3.3. Der Underground

«Mitte der 60er Jahre werden zum ersten mal Versuche bekannt, das Massen- medium Comics als Instrument im Kampf gegen etablierte Herrschaftsformen

einzusetzen» (KAGELMANN, 1976, S.15).

Das hier gemeinte Phänomen ist die Welle der Underground-Comix, oder kurz U-Comix, die sich um Abgrenzung vom Mainstream bemüht mit einem «x» statt einem «c» am Ende schreiben. Erste Vorläufer werden in studenti- schen Magazinen veröffentlicht, die in Eigenproduktion und geringer Aufla- ge an einigen amerikanischen Universitäten kursieren, wie auch in diversen Underground-Zeitschriften, die sporadisch Comics unbekannter Zeichner veröffentlichen. Das Datum aber, an dem eine ernsthafte Bewegung ins Le- ben gerufen wird, die den Begriff konstituiert, fällt in das Jahr 1968, als RO-

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51 Vgl. auch Artikel Jean-Claude Forest; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 21. Juni 2007, 07:23 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Jean-Claude_Forest&oldid=33429537 (Abgerufen: 12. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 75

BERT CRUMB in San Francisco auf der Straße die erste Ausgabe von ZAP Comix verkauft (vgl. HATFIELD, 2005, S. 8).

Dieses Comic-Magazin, das mehrere Kurzgeschichten enthält, hat CRUMB selbst gezeichnet, zusammengeklammert und von einem Freund auf dessen

Druckpresse vervielfältigen lassen (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S. 206). Eigenständige Produktionsweise ist zwar ungleich mühevoller für einen Zeichner, birgt aber zwei wichtige Freiheiten, die dem vertraglich gebunde- nen Angestellten der etablierten Syndikate (siehe Kapitel 2.3.1.3.) nicht ge- geben sind: Erstens die künstlerische Unabhängigkeit, erzählen zu können was man will. Das kommerzielle Interesse steht zum ersten mal in der Geschichte des Comics nicht im Vordergrund und man muss sich folglich nach keinem brei- ten Publikumsgeschmack richten (vgl. ROSENKRANZ, 2002, S. 87). Gerade RO-

BERT CRUMB, der als einen der wichtigsten Einflüsse seines Schaffens das Ma- gazin MAD nennt (siehe Kapitel 2.3.2.11.), erfindet den Comic als Medium individuellen Ausdrucks neu, indem er als erster Zeichner autobiographische Geschichten veröffentlicht und in ihnen seine Psychosen und sexuellen Ob- sessionen ausbreitet (vgl. HATFIELD, 2005, S. 119 ff.). Zweitens bringt die unabhängige Publizierung die Freiheit, alles darstellen zu können, wie man es will. Die Zensur wird umgangen. Letzteres lässt sich aber nur durch das Distributions-Netzwerk realisieren, das kurz darauf in der florierenden Hippie-Szene entsteht. Zap Comix wird schlagartig zu einer Sen- sation und zieht unzählige Nachahmer nach sich. Alternative Kleinverlage werden gegründet, die Hefte werden in Szeneläden52, linken Buchläden und auf Konzerten angeboten (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 193). Erklärtes Ziel der Hefte ist es, sich vom bürgerlichen Kulturbetrieb abzuset- zen und Sprachrohr der Gegenkultur zum damaligen Establishment zu sein. Sie lehnen sich gegen jede Form vorhandener Konvention auf:

+++++++++++++++++++++++++ 52 Gemeint sind hier vor allem so genannte Headshops in denen vor allem psychedelische Poster und Zubehör zum Drogenkonsum verkauft wird. Sie sind wichtiger Treffpunkt der Hippie-Bewegung. Seite 76 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

«[...] where the Code hat stipulated ‹no violence›, ‹no sex›, ‹no drugs› and ‹no social relevance›, the underground comix would indulge themselves to the maxi- mum in every category. If the Code meant, essentially, that a comic was prevented from saying anything meaningful about the real world, then by defying it this possibility was reawakened» (SABIN, S.92).53

Zap Comix wird eine wichtige Institution, da in diesem Magazin bald auch andere einflussreich werdende Zeichner des Undergrounds veröffentlichen. Neben sozialkritisch politischen Inhalten im Sinne der Hippie Bewegung und die durch ihre Intensität oft bewusst schockierende Darstellung von Sex und Gewalt, nehmen die damals populären bewusstseinserweiternden Drogen

Einfluss auf die Ästhetik: RICK GRIFFIN und VICTOR MOSCOSO veröffentlichen

1968 in der zweiten Ausgabe von CRUMBS Magazin abstrakte Bildmetamor- phosen, die sowohl an Visionen unter Drogeneinfluss angelehnt, wie auch zum Konsum währenddessen gedacht sind (siehe Abb.24). Damit entstehen erste avantgardistische Experimente, die sowohl mit der üblichen Gestal- tungsform, als auch der bisher im Comic intendierten narrativen Funktion brechen. Diese Comics erzählen keine Geschichten, sie sind auf psychedeli- sches Wirken ausgelegt (vgl. ROSENKRANZ, 2002, S. 67 ff.). Weitere Sub-Genre entstehen im Zuge der Bewegung. Zum Beispiel beginnt

TRINA ROBBINS 1970 mit dem Magazin It Ain´t Me Babe feministische Agitati- onsarbeit im Comic, im selben Jahr engagiert sich Slow Death von RON TUR-

NER in Bezug auf ökologischen Themen (vgl. SKINN, 2004, S. 141 f.). Die revolutionäre Energie und bloße Existenz der U-Comix hat starke Aus- wirkungen auf den breiten Comic-Markt. Die Respektlosigkeit der millionen- fach verkauften Hefte führt zu einer Lockerung der Zensur.

«I think that we [...] expanded the boundaries of what you can do […]. The stuff we were doing was so outrageous that now young foolish people that want to go into the medium can do anything they want» (Zeichner JACK JACKSON, 1999, zitiert nach ROSENKRANZ, 2002, S.265).

+++++++++++++++++++++++++ 53 Mit «Code» ist der Comic Code gemeint, die amerikanischen Zensur-Bestimmungen (siehe Kapitel 2.3.2.10). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 77

Im Einfluss der Underground-Comix ist es MARVEL, der als erster konventi- oneller Großverlag den Comic Code ignoriert und 1971 drei Spiderman Titel mit einer offiziell verpönten Drogenthematik veröffentlicht – ohne Autori- sierung durch die Prüfstellen. Später folgen Weitere. Die Selbstkontrolle der

Verlage liberalisiert sich in den kommenden Jahren immer mehr (vgl. FUCHS/

REITBERGER, 1971, S. 243 f.). Außerdem zeigt die Hippie-Bewegung, dass es auch unabhängigen Verla- gen und Künstlern möglich ist auf dem Markt zu bestehen, wenn sie eine spezielle Zielgruppe ansprechen. Und es sind ihre Künstler, die zum ersten mal den Comic inhaltlich vielfältiger nutzen als zur oberflächlichen Unter- haltung. 1972 wird der exzessive Stil der amerikanischen Underground-Co- mix auch in Frankreich populär. Der Zeichner NIKITA MANDRYKA gilt als sein erster europäischer Interpret und gründet – nachdem er wegen zu satirischer

Inhalte seine Arbeit bei GOSCINNYS Pilote beenden muss – ein entsprechendes Magazin, L’Echo des Savanes, für Erwachsene54. Die Welle findet ihr Ende Mitte der 70er Jahre mit dem Ausklang der Hip- pie-Bewegung (vgl. HATFIELD, 2005, S. 19 f.), deren alte Feindbilder mit dem

Abtreten von Präsident NIXON und dem überstandenen Vietnamkrieg verlo- ren sind. Außerdem beginnt die Punk-Ära zum Ende des Jahrzehnts und führt unter den jungen Menschen zu einem Bruch mit der jüngsten subkulturellen Vergangenheit. Einige wenige Titel entstehen bis heute, die inhaltlich und ästhetisch die Tradition der U-Comix weiterführen, jedoch haben sie ihre subversive Kraft verloren und sind zum Mainstream geworden. Schon 1974 wird eine erste Sammlung von MARVEL veröffentlicht (vgl. SKINN, 2004, S. 150). Zeitlich parallel beginnen nun in Amerika und Europa avantgardistische Strömungen in Folge des Undergrounds.

+++++++++++++++++++++++++ 54 Vgl. Artikel: Nikita Mandryka; Auf: Comiclopedia; URL: http://lambiek.net/artists/m/mandryka.htm (Ab- gerufen 12. Juli 2007). Seite 78 Seite 79

Abb. 24 Seite 80 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

2.3.3.4. Die Avantgarde in Frankreich In Frankreich werden Mitte der 70er Jahre zahlreiche experimentelle Ma- gazine gegründet. Das einflussreichste ist 1975 Métal hurlant von der Grup- pierung Humanoides associés, die sich aus vier ehemaligen Zeichnern von

Pilote (siehe Kapitel 2.3.3.2.) zusammensetzt. Diese haben GOSCINNYS Maga- zin aus Unzufriedenheit über dessen einschränkenden künstlerischen Richt- linien verlassen und machen Metal hurlant zu einer Institution für die Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucks- möglichkeiten und Erzähltechniken.

Einer der Herausgeber ist ,

der unter seinem Synonym MOEBIUS die phantastische Geschichte Arzach beisteuert. Darin bricht er mit der bis- herigen in Europa gekannten, narrati- ven Ausdrucksform des Comics. Sein Erzählstil untergräbt jede Logik und die textlose Schilderung der Science Fic- Abb. 25 tion-Welt ähnelt eher einem Traum als einer durchdachten, zusammenhängenden Geschichte. Die Serie ist surrea- listisch und stark psychedelisch. Ähnlich verhält es sich mit seiner nächsten Veröffentlichung 1976, La Garage hermétique. Auch hier wird auf Kontinu- ität verzichtet. Verschachtelungen, Widersprüche und spontane Verände- rungen der Szenarien sind GIRAUDS erzählerische Mittel. Seine Intention ist sinnliches und introspektives Wirken, er überträgt das Prinzip der «écriture automatique»55, auf den Comic. Mit diesem neuen Ausdrucksstil übt MOEBIUS starken innovativen Einfluß auf die europäische Szene aus (vgl. KNIGGE, 2004

+++++++++++++++++++++++++ 55 «Der Ausdruck Automatischer Text oder Automatisches Schreiben (franz.: écriture automatique) bezeichnet eine Methode des Schreibens, bei der Bilder, Gefühle und Ausdrücke durch Introspektion in die Psyche unreflek- tiert wiedergegeben werden» Artikel: Automatischer Text; In: Wikipedia, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 25. Juni 2007, 12:40 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Automatischer_Text&oldid=33605337 (Abgerufen: 13. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 81 a, S. 226 ff.). 1979 setzt der Erfolg von Les Passagers du Vent – der deutsche Titel lautet

Reisende im Wind - neue Maßstäbe für die Comic-Erzählung. FRANÇOIS BOUR-

GEONS Werk erscheint in dem 1975 von JAQUES GLÉNAT gegründeten Maga- zin 6 für gehobene, graphisch anspruchsvolle Abenteuer-Comics. Es handelt von der Odyssee eines Mädchens im 18. Jahrhundert: Die adlige Agnes de Roselande wächst nach dem Tod ihrer Eltern auf einem Landsitz der Familie auf. Durch eine Verwechslung mit ihrer Spielgefährtin Isabeau gelangt sie ins Kloster, während die Freundin das ihr zustehende, adlige Leben führt. Als sie fünf Jahre später von Isabeau befreit wird, geraten beide in eine abhängige Beziehung zueinander. Agnes kann den Schwindel nicht ans Licht bringen, macht sich aber ihre ehemalige Spielgefährtin sexuell hörig, um eine erneute Verstoßung zu verhindern. Bald darauf soll die für adlig Gehaltene verheira- tet werden, die beiden Mädchen flüchten zusammen auf ein Kanonenboot, wo Isabeau bei einem Gefecht ums Leben kommt. Agnes gerät an Bord ei- nes Sklavenschiffes das sie nach Afrika bringt, wo sie die Grausamkeiten des Menschenhandels miterlebt.

Mit diesem vielschichtigen Szenario etabliert BOURGEON das Konzept des so genannten Comic-Romans. Er legt seine fortlaufend im Magazin erscheinen- de Erzählung als eine im Voraus komponierte, abgeschlossene Geschichte an, die nach insgesamt fünf Sammelbänden beendet ist. Bisherige Comics sind auf endlose Fortsetzung oder kurze, abgeschlossene Episoden ohne Entwick- lung der Charaktere ausgelegt (siehe Kapitel 2.3.2.7.). Les Passagers du Vent dagegen entspricht dramaturgisch und vom Umfang her einem epischen Ro- man. Auch inhaltlich ist die Erzählung von höherem Anspruch als die meis- ten bisherigen Comics. Der Erzählstil ist realistisch und hintergründig, Figu- ren werden tiefgreifend charakterisiert und es gelingt dem Autor mit seinen penibel recherchierten Schilderungen, eine hohe atmosphärische Dichte mit verschiedenen Erzählebenen aufzubauen. Die naturalistischen Zeichnungen sind von hervorragender Qualität (vgl. DOLLE-WEINKAUf, 1990, S. 311 f.). Seite 82 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Zeitgleich zu den französischen Innovationen entstehen in Amerika avantgardistische Strömungen, deren Entwicklung ganz ähnliche Resultate hervorbringt.

2.3.3.5. Die Avantgarde in Amerika und neue Vertriebsstrukturen Die Entwicklung in den USA Mitte der 70er Jahre ist vor allem ein Ver- mächtnis des Undergrounds. Aus dessen direktem Umfeld entsteht eine

Avantgarde des amerikanischen Comics. Vor allen ART SPIEGELMAN wird zu einem zentralen Initiator dieser Bewegung. Er gründet 1975 das Magazin Arcarde – The Comics Revue, in dem er mit anderen ehemaligen U-Comix- Zeichnern seine Arbeiten veröffentlicht. Dieser erste Versuch scheitert und wird wegen mangelndem Erfolg nach einem Jahr wieder eingestellt, kann aber als Vorläufer für SPIEGELMANS nächstes Projekt gesehen werden: Raw, das er ab 1980 mit seiner Frau FRANÇOISE MOULY veröffentlicht. Die Idee die- ses überformatigen Magazins ist es, die nach dem Underground wieder vom Markt verschwindenden Inhalte für Erwachsene dem Comic zu erhalten und dabei mit MOULYS selbstgegründeten Kleinverlag RAW BOOKS & GRAPHICS Ma- terial zu veröffentlichen, das sonst nirgends auf dem Markt publiziert werden würde. «In this way, the company would become a mecca for quirky and visi- onary illustrators, artists and comic creators» (SABIN, 1996, S. 178). Raw wird zur Plattform für avantgardistisch formale und inhaltliche Experimente und übt damit starken Einfluss auf die Entwicklung des Comics aus. Sein interna- tionaler Kanon an Künstlern bringt stilistische Einflüsse anderer Länder nach Amerika, die Themen reichen von poetischer Satire bis zu tief greifendem, literarischem Anspruch. Vor allem letzteres wird mit SPIEGELMANS Erzählung Maus verwirklicht, die fortlaufend in Raw56 erscheint .

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56 Vgl. Artikel RAW (Magazin). In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 13. Dezember 2005, 23:39 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=RAW_%28Magazin%29&oldid=11616420 (Abgerufen: 13. Juli 2007). Seite 83

Abb. 26 Seite 84 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

SPIEGELMAN verarbeitet darin die Erinnerungen seines Vaters, der als deut- scher Jude das Konzentrationslager Auschwitz überlebt hat. Er zeigt mit scho- nungsloser Direktheit die Schrecken und Unmenschlichkeiten, denen Juden im nationalsozialistischen Deutschland ausgesetzt waren. Hierbei greift der

Autor auf das von CRUMB eingeführte autobiographische Motiv zurück (siehe Kapitel 2.3.3.3.), entfremdet die ansonsten sehr realistische Ästhetik der Ge- schichte aber mit der grafischen Stilisierung der Personen zu antropomorphi- sierten Tieren nach dem Beispiel WALT DISNEYS (siehe Kapitel 2.3.2.11.). Juden stellt er als Mäuse dar, Deutsche bedeutungsschwanger als Katzen, Amerika- ner als Hunde, usw. Dabei sehen die Köpfe einer Tierart durchgehend gleich aus. Diese Vorgehensweise verwendet er als visuelle Metapher für Gleich- schaltung und Identitätsverlust, die Länder- bzw. Gruppenzugehörigkeit wird zu einer Maske, hinter der der Mensch im dritten Reich verblasst.

«Daß sich der Zeichner dabei in seinem New Yorker Umfeld selbst ebenfalls als Maus, ohne sichtbare individuelle Merkmale darstellt, macht die Erzählung über das historische Geschehen hinaus überaus aktuell. Die zusätzliche Reflexionsebe- ne stellt den Dialog zwischen der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration her und macht Maus [...] zu einer der bedeutendsten Comic-Erzählungen des 20. Jahrhun- derts» (KNIGGE, 2004 a, S. 381).

Künstlerische Themen beginnen nun auch langsam im Mainstream der Comics Verbreitung zu finden, die erwachsene Leserschaft wird als neue, ver- meintlich finanzkräftigere Zielgruppe entdeckt. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die sich wandelnde Vertriebsstruk- turen des Marktes. Für den Mainstream hat in den 70er Jahren erneut eine Krise begonnen. Den schwindenden Verkaufszahlen an den Zeitungsständen versucht man ab 1980 mit einer veränderten Verkaufsstrategie zu begegnen: dem «direct sales market». Die Verlage beginnen, ihre Comics nicht mehr über Gesellschaften an Zeitschriftenstände zu vertreiben, sondern liefern ihre Ware direkt an spezialisierte Comic-Shops, die in den kommenden Jahren immens zunehmen und bald zur mit Abstand wichtigsten Verkaufsstelle werden. Für die Läden bedeutet die Möglichkeit der direkten Abnahme geringere Kosten Die Entwicklung des Modernen comics Seite 85 als über den Umweg der Vertriebsgesellschaften. Der Vorteil für die Verlage ist, dass die Händler ihre Erzeugnisse ohne Remmissionsrecht aufkaufen, die Druckauflagen also risikofrei berechnet werden können, ein Umstand, der die Neugründung unabhängiger Kleinverlage ermöglicht. Mit dieser Entwicklung ändert sich zunehmend auch die ökonomische Situation der Künstler nach dem Modell der frühen alternativen Verlage des Hippie-Netzwerkes:

«Die Erzeuger von Comics werden nicht mehr wie Angestellte behandelt, son- dern wie literarische Autoren. Sie behalten die Rechte an ihren Kreationen und werden an Gewinnen beteiligt. Periodisches Veröffentlichen verliert sich als zwin- gender Bestandteil ihres Schaffens und man hört auf, das Konzept der Serie als konstitutionellen Bestandteil des Marktes zu betrachten» (vgl. WRIGHT, 2001, S. 260 ff.).

Der Comic wandelt sich in Folge der Comic-Shops und dem enormen Ver- kaufsrückgang auf dem Zeitungsmarkt tendenziell von einem Massenmedium zu einem spezialisierteren Kulturgut. Er richtet sich an eine aktive Subkultur, eine Fan-Szene, deren Sammlerleidenschaft die wichtigste Einnahmequelle des Marktes wird. In Anbetracht dieser neuen Situation muss man sich nicht mehr ausschliesslich nach einem vulgären Publikumsgeschmack richten und ist auch ökonomisch in der Lage, zu experimentieren und ein Spektrum spe- zifischer Erzählformen zu entwickeln. «The direct market, beause of ist low-risk terms, prompted the develop- ment of increasingly ambitious comics narratives» (HATFIELD, 2005, S. 30). Eine neue, dritte Publikationsform des Comics neben den Zeitungs-Strips und den Comic-Heften entsteht in Amerika, die so genannte .

Erfinder des Begriffes ist der 1978 damit als Bezeichnung für sein Projekt A Contract with God eine neue Art von Aufmerksamkeit gewinnen will, als sie bisher dem gemeinen Comic gewährt wurde. Seite 86 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

«I reasoned that the thirteen year old kids that I‘d been writing to back in the 1940s were no longer thirteen year old kids, they were now thirty, forty years old. They would want something more than two heroes, two supermen, crashing against each other.»57

Der Terminus steht für abgeschlossene Erzählungen, die als gebundene Ausgabe den Umfang eines Buches erreichen und inhaltlich anspruchsvolle, künstlerisch ambitionierte Geschichten für Erwachsene enthalten. Damit ist die Graphic Novel das Äquivalent zu dem europäischen Comic-Roman, der sich etwa zeitgleich in Frankreich etabliert (siehe Kapitel 2.3.3.5.). EISENERS Ziel ist es, den Comic zu einem Bestandteil des konventionellen literarischen Marktes zu machen, jedoch dauert es noch etwa acht Jahre, bis es zu den ers- ten echten Durchbrüchen der Graphic Novel auf dem Büchermarkt kommt. Diese werden durch drei Werke konstituiert, deren enormer kommerzieller

Erfolg mit einer entsprechenden Medienaufmerksamkeit einhergeht. ART

SPIEGEMANS Maus erscheint 1986 in einer gebundenen Ausgabe und wird zum

Bestseller, im selben Jahr veröffentlicht FRANK MILLER The Dark Knight Re- turns und ALAN MOORE 1987 Watchmen. Die beiden letztgenannten Werke erfahren auch deswegen große Aufmerk- samkeit, weil sie Ableger des Superhelden-Genres sind und selbiges revoluti- onieren. Beide Erzählungen demontieren das traditionellen Gut/Böse-Sche- ma der Helden-Comics und wenden weitaus komplexere Erzähltechniken an als bisher üblich. Zum Beispiel erscheint Watchmen in zwölf Episoden, bei denen jede einzelne den Inhalt der jeweils vorhergegangenen neu definiert. Das kommerziell nach wie vor mit Abstand wichtigste Genre der Comic-Ge- schichte öffnet sich damit einer weitaus anspruchsvolleren Qualität von In- halten. Die Graphic Novel wird zu einer wichtigen Plattform für alternative

Comics (vgl. SABIN, 1996, S. 162 ff.).

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57 Eisner, Will; Artikel: The 2002 University of Florida Conference on Comics and Graphic Novels; Auf: WILL EISNER Symposium; URL: www.english.ufl.edu/imagetext/archives/v1_1/eisner/ (Aufgerufen 11. Mai 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 87

Gegen Ende des Jahrzehnts eröffnen sich dem abendländischen Comic-Leser aber auch Alternativen kultureller Art.

2.3.3.6. die Mangas 1988 ist ein wichtiges Datum für die voranschreitende Globalisierung des Comic-Marktes. Es ist der Beginn des Manga-Booms in den USA, der kurze Zeit später auch nach Europa kommt. Das Werk, das den japanischen Comic in die westliche Kultur bringt, ist der 1982 begonnene Science Fiction-Epos

Abb. 27: narutaru Ein niedlicher zeichenstil Akira von KATSUHIRO OTOMO (vgl. KNIG-

GE, 2004 a, S. 238). Die Geschichte handelt von einer mi- litärischen Organisation, die in einem ehemals zerstörten Tokio des Jahres 2030 durch wissenschaftliche Experi- mente übermenschliche Kräfte in Kin- dern freisetzt und sie als lebende Waffen einsetzt. Verschiedene Gruppen kämp- fen um das gefährlichste dieser Kinder, das im Tiefschlaf liegt, bis die Serie in einem apokalyptischen Desaster endet. Der Missbrauch der Kinder zu Regie- rungszwecken enthält eine stark gesell- schaftskritische Metaphorik gegenüber Abb. 28: ... und seine inhalte dem japanischen Leistungssystem. Seite 88 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Akira zeichnet sich durch eine hyperrealistische Darstellungsweise aus, an- ders verhält es sich beim generellen Stil der Mangas, der von pathetischer Übertreibung und karikaturhafter Verzerrung geprägt ist. Der Manga arbei- tet in der Regel, auch aufgrund seiner extrem massenhaften Produktions- weise, mit zeichnerischer Reduzierung, die Figuren sind meist stark stilisiert. Kampfgeist und Beharrlichkeit sind die überwiegenden Leitmotive der meis- ten Manga-Genres, sowohl bei kämpferischen Fantasy-Serien als auch bei Soap-Operas im Schulmilieu. Ein formales Detail ist die Leserichtung von hinten nach vorne und von rechts nach links (vgl. SABIN, 1996, S.227 ff.). Die graphischen und inhaltlichen Traditionen der Mangas, die sich als eigenständiges Gut einer extrem andersartigen Kultur separiert von der west- lichen Welt entwickelt haben, nehmen mit ihrer Verbreitung auch Einfluss auf die Ästhetik hiesiger Comics.

«Obgleich […] im Manga traditionelle Genres existieren, unterscheiden sich diese teilweise vehement von ihren westlichen Gegenstücken (falls solche existie- ren), insbesondere durch die Überschreitung von Genre-Grenzen und (aus west- licher Sicht) einen Mix von Elementen, der längst auch amerikanische und fran- ko-belgische Comics beeinflusst und dringend benötigten frischen Wind in so manche alteingefahrene Bahn gebracht hat» (HOLZER/ERBSTÖSSER, 2001, S. 117).58

Diese Genre-Verschmelzung zeigt sich im Manga nicht nur auf inhaltli- cher Ebene, auch graphische Darstellungsweise und Inhalt weisen aus der Sicht abendländischer Gepflogenheiten oft eine große Diskrepanz auf (siehe Abb. 27 + 28). Neben diesem stilistischen Merkmal der Grenzüberschreitung ist es auch ein anderer Umgang mit geschlechtsspezifischen Inhalten, der die japanische Comickultur von der westlichen unterscheidet und sie damit in- spiriert. verschiedene Genres, die in Europa und Amerika traditionell für eine männliche Zielgruppe bestimmt sind, werden in Mangas selbstverständlich auch für weibliche Leser produziert. Beispielsweise erscheint die 1992 gestar- tete Serie Sailor Moon von NAOKO TAKEUCHI 1997 im englischen Sprachraum und 1998 überaus erfolgreich in Deutschland. Diese Reihe handelt von min-

+++++++++++++++++++++++++ 58 Rechtschreibefehler aus dem Original übernommen. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 89 derjährigen Mädchen, die mit Superkräften ausgestattet sind, aber ähnlich wie MARVELS Spiderman neben Monstern auch die Alltags- und Liebesproble- me des Teenagerlebens zu bewältigen haben. Damit gewinnt die Serie eine große weibliche Leserschaft, wie es den westlichen Superhelden-Comics bis- her nicht gelungen ist (vgl. HOLZER/ERBSTÖSSER, 2001, S. 117). Ein weiteres Beispiel für kulturell unterschiedliche Lesegewohnheiten sind die ausschließlich von Frauen gezeichneten Geschichten über homosexuelle, meist sehr androgyne Männer. Diese so genannten shonen-ai oder redikomi stellen ein pornographisches Sub-Genre speziell für Frauen dar, dass in Japan Millionenauflagen erreicht und nun beginnt, die entsprechende Marktlücke auf dem westlichen Markt zu füllen59. Eine Eigenschaft des Manga-Mainstreams ist, dass die Titel zum überwie- genden Teil zur multimedialen Verwertung konzipiert sind. Mit einem er- folgreichen Comic wird fast immer die dazugehörige Anime-Serie veröffent- licht, sowie Spielzeuge, Romane und Computerspiele. In den letzten Jahren rückt der Manga dabei vor allem in Hinblick auf den florierenden Markt an Videospielen immer mehr in den Hintergrund als Initiator und degeneriert zum Werbeträger für das multimediale, kommerzielle Ereignis. Ein Beispiel für die starke Tendenz zur zweckgebundenen Produktion und damit zur in- haltlich sterilen Gleichförmigkeit der meisten Titel ist die Comicadaption zu dem erfolgreichen Konsolenspiel60 Pokémon von SATOSHI TAJIRI61. Neben diesem größten Anteil existiert aber auch eine rege Subkultur mit künstle- risch hochwertigen Produktionen. Als Beispiel sei Botchan no Jidai von JIRO

TANIGUCHI genannt, eine Serie über die intellektuelle und literarische Welt

+++++++++++++++++++++++++ 59 Vgl. Artikel: Shounen-Ai- und Yaoi-Manga; Auf: mangaka.de. URL: www.mangaka.de/mangakultdetail. php?action=15 (Aufgerufen 13. Juli 2007).

60 Konsolenspiele werden per Spielkonsole, einem technischen Gerät, auf dem Fernsehern ausgeführt. Vgl. Ar- tikel: Spielkonsole; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 13. Juli 2007, 12:48 UTC. URL: http:// de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spielkonsole&oldid=34340525 (Abgerufen: 16. Juli 2007).

61 Vgl. Artikel: Pokémon; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 13. Juli 2007, 11:14 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pok%C3%A9mon&oldid=34336976 (Abgerufen: 13. Juli 2007). Seite 90 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte der Meiji Periode in Japan. Dem Titel wird 1998 der angesehene und bis zu zwei Millionen Yen (cirka 15000 Dollar) dotierte Osamu-Tezuka-Kulturpreis verliehen62.

2.3.3.7. die Akademische und journalistische Nutzung Anfang der 90er Jahre werden neuartige Versuche unternommen, den Comic als methodisches Instrument zu nutzen. Es gibt schon seit den 40er Jahren Ansätze, sequenzielle Bilder als didaktisches Mittel einzusetzen (sie- he True Comics, Kapitel 2.3.2.11.). Diese funktionalisierte Verwendung reift

1993 mit SCOTT MCCLOUDS Understanding Comics zu einem akademischen Level heran. In seiner vielbeachteten, wissenschaftlichen Arbeit doziert er über das semiologische System des Comics.

Die Überlegungen, die der Comic Künstler […] in seinem neuen Werk Under- standing Comics anstellt, dürfen als neuer Meilenstein der Comic-Sekundärlitera- tur angesehen werden […]. Entscheidend ist dabei nicht, was MCCLOUD zu sagen hat, sonder wie: das Werk ist selbst ein Comic (SCHWARZ, 1995, S. 298).

Im Unterschied zu bisherigen didaktischen Werken geht MCCLOUD dabei nicht den Umweg über kleine Geschichten, um die Informationen zu vermit- teln. Er nutzt die Form des Comics zur direkten Darstellung seiner Theorien.

Auch der Journalist JOE SACCO führt den Comic einem neuartigen, pragma- tischen Verwendungszweck zu. Er veröffentlicht ab 1993 Palestine im ame- rikanischen Magazin , das 1995 in gesammelter Form als Buch erscheint. Darin dokumentiert er die Beobachtungen, die er auf seiner Reise 1991/92 nach Israel und durch den Gazastreifen gemacht hat. Er schildert anhand eigener Erfahrungen und hunderter Interviews die politischen Wir- ren des Landes und den Alltag der Bevölkerung, die gezwungen ist mit den kriegerischen Eskalationen dieser Zeit zu leben. Die Perspektive der normalen palästinensischen Bevölkerung ist dabei bewusst gewählt, um eine Gegenpo-

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62 Vgl. SCHODT, FREDERIK L.; Artikel: The Asahi Shimbun‘s Osamu Tezuka Culture Awards; URL: www.jai2.com/teza- ward.htm#1998 (Aufgerufen 12. Juli 2007). Die Entwicklung des Modernen comics Seite 91 sition zur durchschnittlichen westlichen Berichterstattung zu schaffen, deren

Augenmerk vor allem terroristischen Aktivitäten gilt (vgl. SABIN, S. 213 f.).

2.3.3.8. Weitere erwähnenswerte Comics und Ereignisse dieser Zeit 63

^ 60er: Deutsche Verlage beginnen französische Comics zu drucken.

^ 1962: Die Serie Diabolik von ANGELA und LUCIANA GIUSSANI eröffnet das Genre der fumetti neri in Italien, das zwei Jahre später zu florieren beginnt. Die Reihe hat als erste in der Geschichte des Comics einen verbrecherischen Antihelden als Protagonist. Fumetti neri Comics behandeln auf trivialem Niveau sehr düstere Themen und sind inoffiziell für Erwachsene konzipiert, trotzdem machen Jugendschützer gegen sie mobil. Durch die europaweite Wirkung des französischen Comics Barbarella beginnen sie, auch erotische Themen zu verarbeiten.

^ 1963: JEAN-MICHEL CHARLIER und JEAN GIRAUD erschaffen mit Blueberry eine komplexe und äußerst erfolgreiche Westernserie, die sich dramaturgischer und visueller Mittel des Kinos bedient.

^ 1963: Mit X-Men starten CHRIS CLAREMONT und DAVE COCKRUM eines der erfolgreichsten Superhelden-Teams der Comic-Geschichte. Zum ersten mal kommt es auch vor, dass Charaktere in diesem Genre sterben.

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63 Die folgende Zusammenstellung beruht auf Zeittafeln aus folgenden Quellen: KNIGGE 2004 a, Einband; FUCHS/ REITBERGER 1971, S. 253 ff.; Website: Kunstwissen.de URL: www.kunstwissen.de/fach/f-kuns/comix/history0/c_ 01.htm (Abgerufen 10. Juli 2007); Webzine Collector Times, URL: www.collectortimes.com/~comichistory/Plati- num.html (Abgerufen 10. Juli 2007). Seite 92 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

^ 1966: Unter den Vorläufern der U-Comix entsteht mit Trojan Books

von HARRY CHESS der erste «Schwulencomic», das sich thematisch mit gleichgeschlechtlicher Sexualität und Lebensweise unter Männern beschäftigt. 1976 erscheint als später U-Comix Gay Hearthrobs von diversen schwulen

Zeichnern. In Deutschland wird RALF KÖNIg als Vertreter dieses Genres ab Mitte der 80er äußerst populär.

^ 1967: Die italienische Serie Ballata del Mare Salato von HUGO PRATT ist der erste epische Comic-Roman der Geschichte. Allerdings dauert es noch über ein Jahrzehnt bis die Erzählform wieder aufgegriffen wird und zum Durchbruch kommt.

^ 1967: Die Ende diesen Jahres begonnene Science Fiction Serie Valerian

von und JEAN-CLAUDE MÉZIÈRES spiegelt die politischen Unruhen in Frankreich zu dieser Zeit wider. ^ 70er: Die Technik der Direktkolorierung revolutioniert die graphische Ästhetik des frankophonen Comics. Die einzelnen Panel werden dabei nicht mit schwarzen Konturlinien vorgezeichnet und anschließend koloriert, sondern die Farbe wird direkt auf das Papier aufgetragen. Dieser Stil ist aufwendiger als die bisherigen und entsprechend für schnelllebige Massenware nicht geeignet . Er wird daher vor allem für substanzvolle Werke benutzt.

Wichtige Künstler die diesen Stil prägen sind ENKI BILAL,

JACQUES DE LOUSTAL alias LOUSTAL, FRANÇOIS SCHUITEN und MOEBIUS.

^ 1970: DENNIS O´NEIL und NEAL ADAMS übernehmen die Superhelden- serie Green Lantern von 1940 und thematisieren 1971 im Ein- fluss der Underground-Bewegung zum ersten Mal sozialkritische Fragen wie Rassismus, Armut oder religiöse Sekten in einem Mainstream-Comic. Die Entwicklung des Modernen comics Seite 93

^ 1972: KEIJI NAKAZAWA verarbeitet als Überlebender seine Erinnerungen an den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima in Comic-Form. Hadashi no Gen wird 1976 von japanischen Friedensaktivisten übersetzt und erscheint als erster Manga überhaupt – lange vor dem internationalen Boom dieser Gattung – in Europa, Russland und den USA.

^ 1974: Mit Come out Comix erscheint im Zuge der amerikanischen U-Comix das erste rein lesbische Magazin.

^ 1975: SERGE LE TENDRE und RÉGIS LOISEL beginnen Quête de l‘oiseau du temps, eine phantastische Geschichte nach Art J.R.R.

TOLKIENS. Nach einer Pause führen sie die Serie 1982 weiter fort, sie wird zum Klassiker und löst einen Fantasy-Boom im Comic aus. ^ 1976: Für sein Werk Les Aventures extraordinaires d‘Adèle Blanc-Sec

verwendet JACQUES TARDI das dramaturgische Konzept der zu dieser Zeit populären Kolportageromane. Er erschafft in Abgrenzung zu der in Frankreich etablierten ligne claire ein undurchsichtiges Gewirr aus verschiedenen Handlungssträngen.

^ 1977: Das französische Magazin métal hurlant bringt unter dem Namen Heavy Metal zum ersten mal europäische Comics nach Amerika.

^ 1978: Der belgische Verlag CASTERMAN beginnt (A Suivre)64. Erklärte Idee dieses Magazins ist es, den Comic als «literarisches Medium» zu etablieren. Die Autoren werden dabei in ihrem

+++++++++++++++++++++++++ 64 Die Klammer gehört zum Titel. Seite 94 Der Comic im Spiegel seiner Stoffgeschichte

Schaffen nicht durch produktionstechnische Anforderungen beschränkt wie bisher in Europa üblich.

^ 80er: Durch die Underground-Bewegung und die französische Erotik weitgehend liberalisiert kommt, entsteht im Comic die Gattung der Pornographie.

^ 80er: In Deutschland gelingt es einigen nationalen Zeichnern, sich als erfolgreiche Comic-Autoren zu etablieren. Namentlich sind

dies vor allem WALTER MOERS, RALPH KÖNIG, GERHARD SEYFRIED

und RÖTGER FELDMANN alias BRÖSEL, dessen Comic Werner – Eis- kalt als erstes deutsches Comic-Heft Verkaufszahlen im Bestsel- ler Bereich erreicht. Ihre Comics sind durchwegs humoristi-

sche Betrachtungen des Alltags. Das Duo MICHAEL APITZ und

PATRICK KUNKEL beginnt zum Ende des Jahrzehnts seine humor volle Abenteuerserie Karl, die im Rheingau des 18. Jahrhun- derts spielt und stilistisch starke Ähnlichkeit mit Asterix hat.

^ 1986: BILL SIENKIEWICZ gelingt mit den Bänden Daredevil: Love and

War und Elektra: Assasine, beide geschrieben von FRANK

MILLER, eine ästhetische Sensation. Seine extravaganten Direktkolorierungen mischen verschiedenste Stile und Techni- ken zu revolutionären visuellen Effekten.

^ 90er: Es erscheint eine Welle von Erfolgsserien, deren Handlungen neben der opulenten graphischen Gestaltung nebensächlich

sind. Ein Beispiel ist Spawn von TODD MCFARLANE.

^ 1995: Zum ersten Mal erscheint eine Comic-Serie im Internet.

SCOTT ADAMS wird mit seinem Strip Dilbert zum Pionier dieser Publikationsweise. Seite 95

2.3.3.9. Zusammenfassung Seit den 60er Jahren hat eine Entwicklung Begonnen, den Comic für an- spruchsvolle und experimentelle Inhalte zu nutzen. Man emanzipiert sich von der verhängten Zensur und nutzt den Comic als Möglichkeit zum indi- viduellen Ausdruck. Das Superhelden-Genre bleibt der Mainstream, entwickelt sich jedoch als Chronist seiner Zeit graphisch und dramaturgisch immer weiter. Umfangreiche und anspruchsvolle Comics – die Comic-Romane in Europa und die Graphik Novel in Amerika – haben sich als dritte Publikationsform neben den Comic-Heften und den Strips etabliert. Auch im Zuge der Globalisierung hat sich ein differenzierter Markt für jede Altersklasse entwickelt, mit einer scheinbar unbegrenzten Quantität formaler und thematischer Inhalte. Seite 96 zur herleitung eines bestimmungsrahmens: die Kunst-kitsch Theorie

+++ 3. Zur Herleitung eines Bestimmungs- rahmens: Die Kunst-Kitsch Theorie

3.1. Problemstellung

Eine künstlerischen Wertung sieht sich prinzipiell vor zwei Aufgaben ge- stellt: Zum einen geht es um die qualitative Einordnung eines vorliegenden künstlerischen Werkes in Hinblick auf dessen Wert im kulturellen Kontext, um den Grad der Inspiration und die Qualität der handwerklichen Durchfüh- rung. Problematisch an der Bewertung künstlerischer Aussagen und Ausfüh- rungen ist die zwangsläufig subjektive Einschätzung. Daher gilt als Maßstab bezüglich der Qualität eines Kunstwerkes für gewöhnlich das Wort etablierter Kritiker, die in ihrem Fachgebiet als kompetent gelten. Die andere Aufgabe der Wertung, die der zuvor genannten generell voraus- geht, ist die Bestimmung, ob das Vorliegende überhaupt als Kunst zu klassi- fizieren ist, oder als Gegenstand des kurzfristigen, oberflächlichen Konsums: des «Kitsches». Natürlich können kommunikative Medien65 – wie die Kommunikation an und für sich – auch für pragmatische Zwecke verwendet werden. Die Grenzen

+++++++++++++++++++++++++

65 MIKE SANDBOTHE, der als Mitbegründer der neuen wissenschaftlichen Disziplin der Medienphilosophie/Medio- logie und als einer der Hauptvertreter des philosophischen Pragmatismus gilt (vgl. SANDBOTHES Homepage. URL: www.sandbothe.net 8. Juli 2007), umreißt für den Begriff «Medium» zwei Bedeutungsfelder: «Innerhalb des ers- ten, eher pragmatisch auszubuchstabierenden Bedeutungsfelds fungiert ‹Medium› als Wort zur Bezeichnung für das, was zur Erreichung eines Zweckes dient, d.h. ‹Medium› wird hier (ausgehend von naturwissenschaftlichen Verwendungsweisen) im Sinn von ‹Mittel›, ‹Hilfsmittel› und ‹Werkzeug› gebraucht. Innerhalb des zweiten, eher theoretisch auszubuchstabierenden Bedeutungsfelds […], bezeichnet ‹Medium‹‚das zwischen zwei Dingen Ver- mittelnde›, d.h. ‹Medium› wird im Sinn von ‹Mitte›‚ ‹Mittler›‚ ‹Mittelglied›, und ‹vermittelndes Element› verwendet (Wahrnehmungstheorie, Spiritismus, Mesmerismus)» (Artikel: Medien - Kommunikation – Kultur. Grundlagen ei- ner pragmatischen Kulturwissenschaft; Auf: SANDBOTHES Homepage; URL: www.sandbothe.net/258.html Aufge- rufen 8. Juli 2007). Man kann für die Begrifflichkeit also zwischen dem physikalischen Träger (zum Beispiel Pa- pier oder Schall) oder einer Form der Codierung von Aussagen (zum Beispiel Schrift oder Musik) unterscheiden. Passend für den Comic ist Letzteres. Dabei ist wichtig, dass die Definition des «Mediums» im diesem Sinne einer vermittelnden Kommunikationscodierung keinerlei Festlegung über die realisierten Inhalte vorgibt. geisteshaltung und funktion Seite 97 mögen manchmal fließend sein, jedoch ist es normalerweise nicht schwie- rig, die instrumentalisierende Nutzung aus dem Korpus der durch ein Me- dium verwirklichten Kunst – oder Kitschwerke zu separieren. Das Medium der Schrift zum Beispiel kann für rein informative Zwecke genutzt werden, ebenso verhält es sich mit dem Medium des Bildes. Als Exempel für den prag- matischen Verwendungszweck beider nehme man beschriftete Piktogramme in Form gewöhnlicher Verkehrsschilder. Wird über ein Medium aber eine ästhetisch gestalterische Funktion reali- siert, bedarf die Frage nach der Klassifizierung genauerer Untersuchung. An dieser Stelle steht die Diskussion um die Kunst- und Kitschtheorie, die me- dienübergreifend versucht, mit möglichst objektiven Mitteln künstlerische von unkünstlerisch kitschigen Werken zu trennen. Dabei steht der Begriff des «Kitsches», der die Wertung der Trivialität impliziert66, als definierende Kontraposition zum allgemeinen Kunstbegriff:

«Ganz in diesem Sinne sind die Kriterien, die die vorherrschenden Kitschtheo- rien zur Bestimmung des Kitsches anbieten, nicht autonom, sondern das polemi- sche Negativ grundlegender Überzeugungen der […] dominierenden Kunsttheo- rie» (SCHULTE-SASSE, 1971 a, S.2).

Eine verbindliche Definition aus dem Diskurs über das Wesen des Kitsches abzuleiten ist kaum möglich. Im Folgenden sollen die fundamentalen Punkte der Theorie zusammengefasst werden. Ziel hiervon ist es, in der Kunst-Kitsch Theorie ein Instrument zu finden, das an gegebener Stelle eine weiterführen- de Betrachtung zur abzuhandelnden Reputation des Comics in Gesellschaft und Forschung erlaubt.

+++++++++++++++++++++++++

66 Vgl. WOLFGANG BRAUNGART; Artikel: Aus denen Kehlen der ältsten Müttergens. – Über Kitsch und Trivialität, popu- läre Kultur und Elitekultur, Mündlichkeit und Schriftlichkeit der Volksballade, besonders bei Herder und Goethe; S. 1 ff.; In: Goethezeitportal; URL: www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/braungart_volksballade.pdf (Aufge- rufen 12. Juli 2007). Seite 98 zur herleitung eines bestimmungsrahmens: die Kunst-kitsch Theorie

3.2. Unterscheidungsfaktoren zwischen Kunst und Kitsch

3.2.1. Geisteshaltung und Funktion: distanzierter Genuss gegenüber distanzloser Stimulanz

Die Trennung von Kitsch und Kunst wird vor allem durch die Unterschied- lichkeit des intendierte Konsumverhaltens und der damit verbundenen Mo- tivation und Haltung des Schaffenden begriffen.

ECO beschreibt das maßgeblichste Moment des Kitsches als Vorfertigung und Durchsetzung eines emotionalen Effektes:

«Der Kitsch gibt sich für eine künstlerische Mitteilung aus. Doch da seine Grundabsicht nicht ist, den Leser in ein Abenteuer der tätigen Entdeckung zu ver- wickeln, sondern ihn zu ‹bezwingen›, ihn einen vorgesehenen Effekt empfinden zu machen – wobei der Leser glauben soll, der ästhetische Genuß bestehe einzig in dieser Gefühlsregung –, entpuppt er sich als ästhetische Täuschung» (1964, S. 62).

Der Zweck von Kitsch liegt also nicht im Werk selbst und einer übergeord- neten Aussage oder Frage, lediglich die angestrebte sentimentale Empfindung des Konsumenten ist entscheidend. Der Kitschgegenstand will Stimulans für einen unreflektiert gefühlsschwangeren Zustand sein und auch dementspre- chend hingebungsvoll, unkritisch konsumiert werden. Künstlerische Rezeption dagegen verlangt das Erkennen und Erforschen der künstlerischen Leistung. Der Leser soll im Idealfall distanziert und analy- tisch besonnen sein, wodurch sentimentale Lustgefühle gedämpft oder sogar unmöglich gemacht werden (vgl. GIESZ, 1971, S. 30 ff.)67. Das künstlerische Erleben meint demnach eine objektbezogene Haltung, das kitschige Eine, auf das Ich bezogene. Hierzu sei angemerkt, dass der Rezi- pient auch hochwertige Kunstwerke ignorant kitschig erleben kann, wenn er

+++++++++++++++++++++++++ 67 Dies ist nicht zu verwechseln mit einer eventuellen Euphorie über die Qualität eines rezipierten Kunstwerkes oder der Empörung über dessen Aussage. geisteshaltung und funktion Seite 99 die reflektierende Distanz aufgibt und sich den bloßen emotionalen Reizen des Stoffes – falls vorhanden – hingibt. Die emotionale Stimulans kann ein wesentliches handwerkliches Mittel eines Kunstwerkes sein, dient dabei aber immer einem höheren Zweck (vgl. KILLY, 1962, S.15).

3.2.2. Inhalt: Bildungs- und Forschungsauftrag gegenüber starrem Geisteshorizont

Kitschige Werke bedienen sich starrer ethischer und metaphysischer Kon- ventionen, die lediglich zur Bestätigung der geistigen Verfassung des Lesers dienen können (vgl. SCHULTE-SASSE, 1971, S.18). Der Kitschgegenstand stellt bereits allgemein bekannte emotionale und philosophische Aussagen dar, ab- gesicherte Welten, in denen man keine Überraschungen zu erwarten hat, um den beschriebenen sentimental-einlullenden Effekt (siehe Kapitel 3.2.1.) zu ermöglichen. Damit entlarvt sich der Kitsch als eine Art mentaler Gebrauchs- gegenstand, als bloßes Konsumgut ohne fortbildende Relevanz. Kunst dagegen dient zur Erprobung neuer Erkenntnisse und Denkmodelle (vgl.

BROCH, 1955, S. 304). Sie bemüht sich, den Horizont des Lesers zu erweitern:

«Die Kunst habe, weil Progressivität und ein begrenzter Avantgardismus zu ih- rem Wesen gehören, schwer um den Erfolg zu ringen; der Aufnehmende müsse sich um ihr Verständnis bemühen und erschließe dadurch auch für sich selbst neue Wirklichkeiten» (SCHULTE-SASSE, 1971 a, S.18).

Daraus ist zu folgern, dass ein ehemals höchst künstlerischer, bewusst- seinserweiternder Gegenstand durch übermäßige Reproduktion und damit Abnutzung der ursprünglichen Aussage seine künstlerische Kraft verliert.68

+++++++++++++++++++++++++ 68 Ein gutes Beispiel sind nahezu alle bis heute aufgetauchten jugendkulturellen Musikstile. Anfänglich meist von revolutionärer Kraft in Bezug auf Denknormen und individuellen Ausdruck, werden sie schon nach kurzer Zeit von der Gesellschaft assimiliert und verlieren dadurch ihren progressiven Charakter, auch wenn sie noch Jahrzehnte weiter existieren. Seite 100 zur herleitung eines bestimmungsrahmens: die Kunst-kitsch Theorie

3.2.3. Durchführung: konventionslose Wirklichkeitserfahrung gegenüber klischeehaftem Ausdruck

Der geistig träge Moment des Kitsches führt zur häufigen Verwendung schablonenhafter inhaltlicher Wendungen mit einfach interpretierbarem Wiedererkennungswert, sprich Klischees69. Diese altbekannten Motive wer- den als bewährte Stimulanzien eingesetzt, die ein jede Reflexion unnötig ma- chendes Verständnis des gewünschten Effektes garantieren. In der Kontrapo- sition der Kunst ist diese mangelnde Originalität ein unerwünschter Effekt, ein Kunstwerk gilt für SCHULTE-SASSE sogar als missglückt, wenn sich «allzu vertraute und damit an Aussagekraft ärmere Wendungen in seine Gestaltung einschleichen» (1971 a, S.43). Stilistische Klischees können laut der Kunst- Kitsch Theorie in der Kunst, die per Definition ein kreativer Prozess ist (siehe Kapitel 3.2.2.), als Stilbrüche angesehen werden. Kunst muss eine ursprüng- liche – also konventionslose, aus eigener Erfahrung des Autors entstandene – unmittelbare Wirklichkeitserfassung leisten, um wertvolle, neue Inhalte zu vermitteln.

«Verlogen ist ein Werk dann, wenn es sich vorgefertigter Schablonen bedient, die zum ungezählten Male eine Welt des Einverständnisses produzieren, ohne eine unmittelbare Wirklichkeitserfassung überhaupt anzustreben» (SCHULTE-SASSE, 1971 a, S.45).

Echtheit aber ist eine Vorraussetzung für poetische Mitteilung, wie sie in der Kunst angestrebt wird (vgl. GIESZ, 1971, S.38 ff.). Der Kitsch intendiert diese nicht und kann sich daher klischeehafter Mittel bedienen.

+++++++++++++++++++++++++

69 Vgl. WOLFGANG BRAUNGART, a.a.O., S. 21 ff. geisteshaltung und funktion Seite 101

3.2.4. Struktur : architektonische Komposition gegenüber Kumulation

Reflektierbare Komposition ist ein entscheidendes Kriterium künstleri- scher Schöpfungen. Jedes Fragment des Werkes steht in einem bedeutungs- tragenden Zusammenhang zu den anderen. Sie können nicht ausgewechselt werden, ohne dass Sinnveränderung entsteht. In der Kunst verschmelzen die einzelnen Teile eines Werkes zu einem harmonischen Ganzen. Für die Kitsch- bestimmung ergibt sich daraus der Oppositionswert des formalen Zerfalls in einzelne, aneinandergereihte Teile. Die Fragmente des Werkes

«sind nicht mit Notwendigkeit gebraucht und nicht unersetzlich, sondern er- setzbar und auszutauschen, solange sie den Stimmungsreiz gemein haben, wel- cher die Kompilation ermöglicht hat» (KILLY, 1961, S. 11).

3.2.5. Verbreitung: der elitäre Gegenstand gegenüber der Massenware

HELMUT MELZER führt den Begriff des «Trivialen» etymologisch auf die Be- grifflichkeit dessen zurück, «was auf öffentlicher Straße besprochen wird und dort im Umlauf ist, im weiteren Sinne das Gewöhnliche und Platte» (1975, S. 9). Dies setzt das Verständnis von Trivialität fast mit dem Begriff der Popu- larität gleich. Begründet durch die Eigentümlichkeit von Kitsch und Kunst, die ersteres leicht zugänglich, das zweite nur mit ernsthafter Bemühung, an- gemessenen Kenntnissen und geistiger Fähigkeit erschließbar werden lässt (siehe Kapitel 3.2.1. und 3.2.2.), sieht auch die moderne Kitschtheorie die breite Masse der Bevölkerung als grundsätzlich zum Kitsch neigend an (vgl.

SCHULTE-SASSE, 1971 b, S. 49 oder auch BOURDIEU, 1982, S.761). Eine weite Verbreitung in der Gesellschaft ist demzufolge bis auf Ausnahmen ein Argu- ment, einem Werk künstlerische Qualität abzusprechen, da es zwangsläufig auf die Erwartungen und Bedürfnisse der breiten Masse und deren mangeln- Seite 102 des künstlerisches Verständnis zugeschnitten sein muss, sonst könne es nicht populär werden. Außerdem liegt, wie angesprochen, in der massenhaften Verbreitung an sich ein Akt der Trivialisierung, verlieren etwaige künstleri- sche Gedanken doch durch den übermäßigen Gebrauch an Originalität und Aussage (siehe Kapitel 3.2.2.).

3.2.6. Zusammenfassung

Mit dieser Darstellung sind also fünf Dimensionen beschrieben, die zur Be- stimmung eines kitschigen oder künstlerischen Wesens herangezogen wer- den können. Die Geisteshaltung dem Objekt gegenüber, die Beweglichkeit gegenüber ethischen und metaphysischen Konventionen, die Originalität der Ausdrucksmittel, die Komposition und die Verbreitung. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 103

4. Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

4.1. Bis zu den 60ern: Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung

4.1.1. Die Klassifikation als literarische Gattung

Der Comic beginnt erst Ende der 40er Jahre – zunächst in Amerika – zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen zu werden70. Vorher

«galten viele Strips und besonders Comic-Books als niedrige Form der Unter- haltung, aber ernsthafte Bedenken gegen die ‹funny papers› und patriotischen Superhelden brachte kaum jemand vor» (HAVAS, 2001, S.22).

Dies ändert sich mit dem verstärkten Auftauchen von brutaleren Wild- west- und Kriminalgeschichten, vor allen Dingen ist es aber das 1950 gestar- tete Genre der Horror-Comics, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt (siehe Kapitel 2.3.2.10.). Ausgehend von den USA entbrannte auch in Deutschland und Österreich eine leidenschaftliche, wenn auch recht einseitig geführte pädagogische und psychologische Diskussion über den vermeidlich jugendgefährdenden Charakter des Comics an und für sich (vgl. SCHWENDER, 1989, S. 75 ff.). Bei der Lektüre dieser ersten Schriften ist demzufolge signifi- kant, dass sie wenig um die Semiotik der Comics bemüht sind, als vielmehr um ihre potentiellen Auswirkungen auf die angeblich überwiegend minder- jährige Leserschaft. Über die Klassifizierung des noch recht jungen Kulturgu- tes werden dabei keine ernsthaften Überlegungen angestellt, vielmehr wird der Comic in den 50er Jahren unreflektiert der Literatur zugeordnet.

+++++++++++++++++++++++++

70 Als das erste Sekundärwerk über Comics gilt Comics and Their Creators von MARTIN SHERIDANS, 1942 (vgl. KNIGGE, 1989, S.194). Es handelt sich um eine Sammlung von Porträts von Comic-Zeichnern mit anekdotischem Charak- ter. Seite 104 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

ILSE GLIETENBERG umreißt in ihrer Dissertation von 1956 den damals popu- lären Standpunkt:

«Aus den Überschriften, unter denen man sich bisher mit den comics ausein- andergesetzt hat, wie: […] ‹comics – eine literarische Untergrundbewegung?›, […] ‹Das jüngste Kind der Literatur›, – und ein ‹neues Zeitungsressort›, ‹Die comics, - eine neue Art des Lesens›, – läßt sich […] ersehen, daß […] man sie […] in die be- stehenden Aussageformen von Literatur und Publizistik einreiht» (GLIETENBER,1956, S. 26).71

Ihr eigenes Werk ist im Kontext der Zeit aber als Ausnahme zu betrachten, denn sie widerspricht im Folgenden dieser Auffassung unter Berufung auf die Etymologie des Begriffes «Literatur» anhand seines lateinischen Wort- stammes «litera», dem «Buchstaben». Sie beschreibt das Bild im Comic als primären Bedeutungsträger und sieht damit das Schrifttum als wichtigstes Kriterium der Literatur nicht erfüllt. Abgesehen von diesem angeschnittenen – aus heutiger Sicht sehr fortschrittlichen (siehe Kapitel 4.2.2. und 4.3.3.) – Ansatz argumentiert sie vor allen Dingen auf inhaltlicher, qualitativer Ebe- ne. Sie ist wenig bemüht, dem Comic eine eigenständige, neuartige Semiotik zuzusprechen, als ihn vielmehr als unwillkommenes Element von der hohen Kunstform der Literatur zu separieren.

«In diesem speziellen Falle bedeutet der Begriff ‹Literatur› ein positives Wertur- teil, er umfasst ein schriftstellerisches Erzeugnis von einem gewissen Wert. Comics aber sind nicht wertvoll, wie ihnen auch jede ‹besonders gemüthafte oder ästhe- tische Gestaltung› fehlt. Sie sind im besten Falle lustig, spannend oder auch inte- ressant und aufschlußreich, alle Anforderungen aber, die man darüber hinaus an sie stellen mag, bleiben unerfüllt. Literatur will das Wesen der Gegenstände und Geschehnisse der Welt und des Lebens suchen, sie will hinter die Dinge schauen, – comics werden nie über eine oft banale Realität hinausgelangen» (GLIETENBERG, 1956, S. 192).72

Ihre Versuche, den Comic aus dem Korpus der Literatur zu lösen finden wenig Beachtung. RICHARD BAMBERGER bezeichnete Comics 1955 als «Schund- literatur» (1955, S. 186) und HELMUT REINHARDT führt diesen Ansatz 1957 in

+++++++++++++++++++++++++ 71+72 Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler aus Original übernommen. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 105 seiner Untersuchung über «Schmutz- und Schundliteratur» fort. Ähnlich ver- hält es sich bei DOETSCH und WELKE 1958. BETTINA HÜRLIMANN räumt 1959 durchaus neuartige künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten ein und wirft – eine Affinität zum Film andeutend – erneut die Frage auf, ob der Comic überhaupt als Literatur zu bezeichnen sei (vgl.1959, S.123 f.), behält abgese- hen von diesen sehr knappen Überlegungen den kategorisierenden Terminus aber konstant bei. Noch 1965 gibt BAUMGÄRTNER seinem Buch Die Welt der Comics den bezeichnenden Untertitel Probleme einer primitiven Literatur- form.

4.1.2. Überlegung über die Ursache dieser Klassifizierung

Öffnet man ein Comic-Heft, präsentiert sich dem Betrachter eine Anzahl von Bildern. Es stellt sich also vor der Untersuchung der vorherrschenden Reputaion dieser Zeit die Frage, wieso man Comics als ein literarisches Phä- nomen betrachtete, sie also zu einer Ausdrucksform gezählt hat, die sich tra- ditionell durch das Medium der Schrift definiert. Es gibt einige phänomenologische Merkmale und entstehungshistorische Begebenheiten, die diese Einschätzung begründen könnten. Zunächst einmal hat in dieser Hinsicht die Verwandtschaft zur klassischen Bildergeschichte suggestive Qualität. Die Tatsache, dass diese als direkte Vorläufertradition gesehen wird (siehe Kapitel 2.2.), wie auch die visuelle Ähnlichkeit kann bei oberflächlicher Betrachtung dazu führen, den Comic als Sub-Genre der Bil- dergeschichte einzuordnen. Dass Bilderbücher – die publizistische Entspre- chung der Comic-Hefte – als literarisches Phänomen zu werten sind, ist typo- logisch kaum in Frage zu stellen, basieren sie doch primär auf dem Medium der Schrift (siehe Kapitel 2.2.). Dies könnte als Argument betrachtet werden, die übergeordnete Klassifizierung zu übertragen. Weiterhin ist der Comic im Rahmen der literarischen Sphäre erfunden worden. Die ersten Strips erschienen in Tageszeitungen, als unterhaltsamer Seite 106 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Teil innerhalb dieser Sparte der Sachliteratur (siehe Kapitel 2.3.1). Auch die Anfang der 30er Jahre aufgekommene, losgelöste Publikationsform des Co- mic-Heftes (siehe Kapitel 2.3.2.3.) zeigen starke Parallelen zu der des Buches, jenem Gegenstand, der seit Jahrhunderten ikonisch für den Begriff der Lite- ratur steht. JÖRN AHRENS und ARNO METELING schreiben: «Der Comic gehört in jedem Fall noch der Gutenberg-Galaxis des Buches (McLuhan) an. Er wird geblättert, gelesen»73. Der Terminus «Gutenberg-Galaxis» deutet vor allem auf das Transportmedium des Drucks auf Papier hin, der sowohl für den Comic, wie fast jede Form der Literatur kennzeichnend ist.74 Comic-Hefte tragen wie Bücher oft bebilderte Cover, sie verfügen über Seitenzahlen und werden in gebundener Form, als einzelne Bände verkauft. Die Produktionssituation der Druckereien ist nahezu die Gleiche. Dies bezieht sich – oberflächlich besehen – auch auf die Rezeptionsweise. Man betrachtet Comics wie übriges Druckwerk im abendländischen Kultur- raum normalerweise von oben nach unten und von links nach rechts, um die enthaltenen Zeichen zu dechiffrieren. Gemeint sind hiermit bei her- kömmlich literarischen Texten: die reinen Buchstabenketten, beim Comic: die Bildsequenzen. Schrift, also das Literatur definierende Medium, ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil vieler Titel, besonders vor den ersten avant- gardistischen Strömungen in den 60er Jahren (siehe Kapitel 2.3.3.3.). Einen

+++++++++++++++++++++++++ 73 Vgl. Artikel: Exposé; Auf: Comics and the City – urban Space in Print Pictures and Sequence; URL: www.comi- cundstadt.de/wordpress/?page_id=7 (Aufgerufen 14. Juli 2007).

74 Diese Eigenart hat sich im jüngsten Zeitalter der Multimedialität vor allem in Hinblick auf den Computer und der Internet-Veröffentlichung erweitert. Es gilt dabei aber zu bedenken, dass die Transformation in das virtuelle Format sowohl den Comic als auch die meisten Verwendungsformen der Schrift betrifft. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 107

Teil der Zeit verbringt man also auch beim Comic-Konsum mit der geläufigen Form des Lesens, je nach Quantität an Text. Wie Bücher werden internatio- nal vertriebene Comics in die jeweilige Landessprache übersetzt. Dass der Comic Geschichten vermittelt, er also narrative Funktion hat, ist eine Parallele zum literarischen Teilbereich der Prosa. Diesbezüglich ist es auch nicht unwesentlich für die in den 50er Jahren empfundene Affinität des Comics zur Literatur, dass die Comic-Erzählungen, die mit dem Aben- teuer-Genre 1929 begannen, anfänglich direkte Umsetzungen vorhandener literarischer Stoffe darstellten. Die konstituierenden Serien Tarzan und Buck Rogers sind als Romanadaptionen die besten Beispiele hierfür (siehe Kapitel 2.3.2.1. und 2.3.2.2.). Im Weiteren fand das Comic-Heft die gleiche Verwendung, die bis dato literarische Erzeugnisse zu leisten hatten, verdrängte diese sogar teilweise aus ihrer Position. Es löste in Amerika in den 40ern, ab den 50ern auch in Deutschland, die Trivialliteratur und die Abenteuerromane immer mehr als

Unterhaltung für Jugendliche ab (vgl. HÜRLIMANN, 1959, S. 124 ff.). Und das bei fast gleichen Inhalten (siehe Kapitel 2.3.2.). Parallel dazu begann man auch mit den Versuchen, durch Comics Bildung zu vermitteln (siehe True Comics, Kapitel 2.3.2.11.).

Es sind also einige Merkmale vorhanden, die zu der Annahme führen kön- nen, bei dem Comic handele es sich um eine literarische Gattung. Die Ver- mutung liegt nahe, dass Comics auch in den Jahrzehnten vor den ersten akademischen Schriften bezüglich des Gegenstandes in der Gesellschaft all- gemein als eine solche verstanden wurden, spätestens seit der gigantischen Flut der eigenständig veröffentlichten Comic-Books ab 1938 (siehe Kapitel 2.3.2.8.). Seite 108 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

4.1.3. Dr . Werthams Schule

Auffällig an den in Kapitel 4.1.1. genannten Schriften von GLIETENBERG,

BAMBERGER, REINHARDT, DOETSCH, WELKE, HÜRLIMANN und BAUMGÄRTNER ist, dass sie durchweg ein sehr negatives Bild der Comics vermitteln. Sie be- zeichnen sie meist schon in ihren Überschriften als eine primitive, triviale «Schmutz- und Schundliteratur». Was verursachte diese kritische Stimmung gegen Comics in der Wissen- schaft? In der Literatur wird in Zusammenhang mit dieser Zeit immer wieder auf die Bedeutung eines Mannes hingewiesen, dem es gelang, die wachsende Besorgnis der Jugendschützer in Amerika zu einer nationalen Hetzkampagne eskalieren zu lassen: FREDERIC WERTHAM75. Der angesehene Psychologe, der als Vorstand der Lafargue-Klinik in New York tätig war, veröffentlichte 1954 als Höhepunkt seines Ende der 40er begonnenen Kampfes gegen Comics Se- duction of the Innocent, ein Buch, das als «eine entscheidende Ursache für das Negativ-Image» (SEIM, 2000, S.4), das dem Comic auch heute noch an- hängt, gesehen wird.

WERTHAM wirft dem Phänomen zahlreiche jugendgefährdende Charakte- ristika vor, bezieht sich dabei größtenteils auf die Crime- und Horrorcomics, zu denen er aber sogut wie alle Serien zählt. Er pauschalisiert jede Geschich- te, die in irgendeiner Form eine kriminelle Handlung darstellt als zu dieser

Gruppe gehörig, ungeachtet ihrer Ästhetik und Aussage (vgl. WERTHAM, 1954, S. 20 ff.)76. Die in den Heften gezeigte Gewalt stumpfe die Kinder ab und animiere sie dazu, dass dargestellte Verhalten nachzuahmen (vgl. a.a.O., S. 84 ff.). Beson- ders den Superhelden-Comics wie auch den oft in Comic-Books enthaltenen

+++++++++++++++++++++++++

75 Vgl. GUBERN ,1978, S. 95; KNIGGE,2004 a, S. 138 ff., etc.

76 Beispielsweise trifft seine Kategorisierung auch zahlreiche Comics aus dem DISNEY Kanon. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 109

Werbeanzeigen für Spielzeugwaffen wirft er vor, Gewalt als Mittel zum Errei- chen seiner Ziele zu glorifizieren.

«A gun advertisement with four pictures of guns completes the impression that even if you can´t become Superman, at least you can rise above the average by using force» (a.a.O., S. 33).

Hemmschwellen und Schuldgefühle würden durch die Flut der Darstel- lungen gesenkt, Gefühle wie Gnade oder Mitgefühl als verweichlicht propa- giert. Rezipierte kriminelle Handlungen würden von Kindern auf ihr Umfeld übertragen, womit er den Comic für die Jugendkriminalität verantwortlich macht. Als Beispiel gibt er unter anderem den Fall eines Jungen an, der das in einem Comic kennen gelernte Verbrechen der Schutzgelderpressung an Schuhputzern aus seinem Alter begangen habe (vgl. a.a.O., S. 158). Auf diese Art und Weise gäben viele Comics die detaillierte Anleitung zu Verbrechen, wie auch zu Folter, Sadismus oder Selbstmord. Ähnliches wirft er der Darstel- lung von Drogenkonsum in Comics vor:

«The comic-book stories about drug addiction are in instructive angle. […] Traf- fic in narcotics is described and the high profits alluringly pointed out. Another crime comic describes the wonderful effects of morphine» (a.a.O., S. 25).

Neben den angeblich rauschgiftverherrlichenden Inhalten der Comics sti- lisiert er diese im Weiteren selbst als eine Art Einstiegsdroge. Er umreißt das Bild von «süchtigen» Kindern, die sich von der Welt abgekehrt einem krank- haft exzessiven Comic-Konsum hingeben (vgl. a.a.O., S. 50 ff.) und beschreibt diese Tendenz schon im Voraus als eben diejenige, die auch dem intensiven Drogenkonsum eigen ist. So führe das Eine zum Anderen (vgl. a.a.O., S. 26). Die Weltflucht bringe natürlich auch gesellschaftliche Probleme. Die durch hohen Comic-Konsum entstandene Introvertiertheit könne zu Isolation füh- ren, Kinder würden durch die Hefte in Antriebslosigkeit gestürzt, ohne Inte- resse an sozialen Kontakten (vgl. a.a.O., S. 63). Er beschreibt diverse weitere emotionale Störungen wie permanente Feindseeligkeit oder Zerstörungswut und findet den Comickonsum als ihre Ursache. Seite 110 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

«When we studied this boy carefully, we found […] the imagery of his destruc- tiveness came mainly from the fact that he was an inveterate reader of ‹murder comics› (a.a.O., S. 54).

Ebenso macht er das Lesen der Hefte für zwangsneurotisches Verhalten und Nervenzerrüttung verantwortlich. (vgl. a.a.O., S. 54). Ein weiterer Teilbereich seiner Untersuchungen ist die vermeidlich schäd- liche Auswirkung der Comics auf die sexuelle Entwicklung der Kinder.77

«Comic books stimulate children sexually. […] In comic books over and over again, in pictures and text, and in the advertisements as well, attention is drawn to sexual characteristics and to sexual actions» (a.a.O., S. 175).

Dabei würde Kindern Sexualität losgelöst von Liebe und Beziehung prä- sentiert, entgegen schulischer und gesellschaftlicher Erziehung. Er prangert die aufreizende Darstellung von Frauen an, denn sie würden entsprechend bekleidet und vornehmlich auf ihre Geschlechtsmerkmale reduziert zum Ob- jekt degradiert. Dem offenen Sexismus stellt er andere Werke gegenüber, die seiner Auffassung nach falsche sittliche und moralische Vorstellungen von Liebe und Leben vermitteln. So genannte Romanzen- oder Liebescomics, die sich um 1950 besonders bei weiblichen Lesern großer Beliebtheit erfreuen, stellten sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen unmoralischerweise als gewöhnlich dar (vgl. a.a.O., S. 37 ff.). Außerdem wäre in ihnen Treu- losigkeit, Betrug, Lügen und diverse Arten des Tricksens als unbedenklich und pragmatischer Weg, seine sexuellen Ziele zu erreichen demonstriert (vgl. a.a.O., S. 40 ff.). WERTHAM behauptet außerdem, viele dieser Comics wür- den die psychologische Basis für Kinderprostitution legen und versucht diese These durch das Vorhandensein von Comics im Umfeld bekannt gewordener Fälle zu belegen (vgl. a.a.O., S. 186 ff.). Auch die Verleitung zu so genannter sexueller Perversion legt er nahe. Zum Beispiel sieht er sado-masochistische Fantasien durch das in Comics häufig dargestellte Motiv von Fesselungen und Sadismus an aufreizenden Frauen angefacht (vgl. a.a.O., S. 177 ff.). Den

+++++++++++++++++++++++++ 77 Dies ist natürlich auch im Kontext der rigiden Sexualmoral der 50er Jahre zu betrachten. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 111 bekannten Superheldenfiguren Batman und Robin, wirft er vor, in einer päd- erastischen homosexuellen Beziehung zu leben, ebenso trage die Darstellung vieler männlicher Figuren homoerotische Attitüden und entsprechende Sti- mulans für Kinder. In dem Comic Wonder Woman sieht er anti-maskuline, lesbische Tendenzen stimuliert (vgl. a.a.O., S. 188 ff.). Auch rassistische Stereotype bezeichnet er als alltäglichen Bestandteil der Comickultur. Er verweist auf die polarisierende Darstellung in den Dschun- gelgeschichten, auf deren einen Seite die meistens heldenhafte, athletischen und blonden «Arier» stehen, auf der anderen Eingeborene, die eher dem Af- fen als dem Menschen nahe zu sein scheinen. Superhelden-Comics würden mit ihrer eindeutigen Gut/Böse-Moral und der dominierenden Stellung der starken Übermenschen ebenfalls das Bild einer faschistoiden Gesellschaft propagieren (vgl. a.a.O., S. 31 ff.). Abgesehen von dem durch die unhumanistischen Inhalte erzeugten man- gelnden ethischen Urteilsvermögen und dem falschen Bild, das immer wie- der von der Physik und der Geschichte vermittelt wird (vgl. a.a.O., S. 34 ff.), haben Comics nach Ansicht WERTHAMS aber noch einen weiteren «ka- tastrophalen» Effekt auf die Bildung der Kinder. «Comic books are death on reading» (a.a.O., S. 121). Obwohl auch er die Comics als eine literarische Gattung begreift (vgl. a.a.O., S. 47), führen sie seiner Meinung nach zum An- alphabetismus und stünden in Konkurrenz zu den Schulen. Kinder nähmen lieber den angeblich einfacheren Weg über die Bilder, das Interesse, echtes Lesen zu erlernen sei so durch die Comics gemindert. Darüber würde ihr Wortschatz verkümmern, da sie auch dem vergleichsweise wenigen in den Heften enthaltenen Text kaum Aufmerksamkeit schenken würden. Dieser sei aber ohnehin minderwertig:

«Spelling in comic books is often faulty. […] Comic-book writing is also extre- mely poor in style and language. It is no help to the child to learn such barbaric neologisms as suspenstories» (a.a.O., S. 144).78

+++++++++++++++++++++++++ 78 «Suspenstories» frei übersetzt: «Erhängungsgeschichten». Seite 112 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Hierbei klagt er auch die im Comic oft vertretenen Onomatopoetika als «keine echten Wörter» an, sowie den umgangssprachlich verkürzten Ge- brauch von Ausdrücken, der das Erlernen der Lesefähigkeit beeinträchtige (vgl. a.a.O., S. 144 f.). Besonders Kinder, die in Begriff sind, sich das Lesen ausformulierter Texte anzueigenen würden erheblich behindert, da die Re- zeptionsweise der Comics der Lesegewohnheit von Text gegenläufig sei. Zum Beispiel trainiere ein Kind nicht die gleichförmige horizontale Bewegung des Auges, die zum erschließen längerer Texte zwingend nötig sei. Bei dem Be- trachten der Bilder sprängen sie zwischen der Grafik und den einzelnen – laut

WERTHAM chaotisch auftauchenden – Sprechblasen hin und her (vgl. a.a.O., S. 127). Überhaupt sei die Aufnahmefähigkeit des Kindes beeinträchtigt: die sensationslüsternen und ständig stimulierenden Comics stumpften für fein- sinnige Literatur ab. Das Kind verlerne, Geduld für längere Zusammenhänge aufzubringen. Das Auslösen von Konzentrationsschwäche ist somit ein wei- terer Vorwurf (vgl. a.a.O., S. 61 ff.). Kurzum, er machte den Comic für die meisten sozialen Probleme mit Ju- gendlichen verantwortlich, wie auch für psychische Erkrankungen und geis- tige Armut. Damit erschuf er das wohl einflussreichste Sekundärwerk, das bis heute über Comics geschrieben wurde.

4.1.4. Dr . Werthams Einfluß

WERTHAM erfuhr mit seinem Bestseller und diversen öffentlichen Auftrit- ten eine breite Resonanz in Amerika. Jugendschützer und besorgte Eltern sahen durch Seduction of the Innocent ihre Befürchtungen wissenschaftlich bestätigt. Die Folgen waren neben einem Aufruhr in den Medien lokaleVer- bote der Comic-Books, Boykotte gegen Händler, Bürgerinitiativen die mit

WERTHAM Prohibitionsgesetze gegen die «Bilderdroge» und Strafen für Comic-

Produzenten forderten, sowie zelebrierte Comic-Verbrennungen (vgl. FUCHS/ Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 113

REITBERGER, 1971, S. 137). Konfrontiert mit diesem Protest und der öffentli- chen Anhörung einiger Comic-Verleger durch das neu gegründete US Senate subcommittee on juvenile delinquency taten sich die amerikanischen Verla- ge zusammen um die Comics Magazin Association of America ins Leben zu rufen, die mit der Verabschiedung des Comic Codes (siehe Kapitel 2.3.2.10..) einer Zensur durch außenstehende Stellen zuvorkommen wollte. Kurze Zeit später gelangte diese «Hysterie» auch nach Deutschland. 1951, nicht lange nach dem Erscheinen erster aus Amerika importierter Comics

(siehe Kapitel 2.3.2.9.), wurde der Diskurs hierzulande eingeleitet: Laut JOSEF

SPIEGEL erschien in der Zeitschrift Spiegel ein erster polemischer Artikel von

RUDOLF AUGSTEIN mit dem Titel Opium der Kinderstube. 1953 trat das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in Kraft und der Comic geriet in den Focus der damaligen Diskussion über Schmutz- und Schundli- teratur79, die namentlich auf den 1926 erlassenen Paragraphen der Weima- rer Republik zurück geht (vgl. Spiegel, 1996, S. 33 ff.). Das Wirken FREDE-

RIC WERTHAMS verschärfte die Situation 1954: Frau HILDE MOSSE, eine seiner Assistentinnen, hielt vor der Deutschen Psychologischen Gesellschaft einen Vortrag über die Seduction of the Innocent Studien. Obwohl die am meisten kritisierten Horror- und Crime-Comics gar nicht in Deutschland veröffent- licht wurden, pauschalisierte man den Comic nach amerikanischen Vorbild: «Auch die deutschen Kinder werden von den Groschenheften zu perfekten

Kriminellen gemacht» (MOSSE, zitiert nach CORDT, 1954, S.161). Der Kampf der Kulturhüter und Sittenwächter bekam hiernach eine neue Qualität (vgl.

HAVAS, 2001, S. 24 f.). Pädagogische, christliche und zeitkritische Zeitschriften der 50er Jahre veröf- fentlichten eine unüberschaubare Zahl von Artikeln mit reißerischen Titeln

+++++++++++++++++++++++++ 79 Die Kampagne um Schmutz- und Schundliteratur hat es sich zur Aufgabe gemacht, jugendgefährdende, also Sittlichkeit und Schamgefühl verletzende Lektüre zu bekämpfen (vgl. BAMBERGER,1955, S. 165 f.). Seite 114 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung wie Comics, die bunte Jugendpest80, Der Giftstrom81 der Comic-Books82, Der Rückfall ins Primitive83 oder Geschäft mit dem Schrecken. Man muß den Comics zu Leibe gehen. Wir alle sind angeklagt.84 Die Bundesprüfstelle für Ju- gendgefährdende Schriften, die 1954 zur institutionellen Durchsetzung des Gesetzes vom Vorjahr gegründet wurde, indizierte neben diversen Büchern auch Comichefte. Dies veranlasste die Verleger neben der Einstellung zahl- reicher Serien zu Retuschen an als obszön oder gewaltverherrlichend einge- stuften Bildern (vgl. HAVAS, 2001, S. 27). Die öffentliche Empörung führte noch weiter: es wurden so genannte, groß angelegte «Schmöckergrabaktionen» von Seiten christlicher Verbände und Lehrer veranstaltet. Man bot als wertvoll angesehene Kinder- und Ju- gendbücher zum Tausch gegen die verurteilten Schundhefte an, die darauf- hin vernichtet wurden (vgl. SCHWENDER, 1989, S.79). Damit aber nicht genug, auch in Deutschland schreckte man vor altbekannten Formen fundamenta- listischer Öffentlichkeitsarbeit nicht zurück.

«So etwa 1957, als der ‹Bund katholischer Jugend› mit großem Hofstaat sei- ne ‹Aktion Scheiterhaufen› startete. In einer würtembergischen Stadt wurde das ganze Spektakel sogar ganz stilvoll im römisch-katholischen Gewand zelebriert: schwarzberockte Soutanenträger und andere um die allgemeine Sittlichkeit be- sorgte Glaubenseiferer begleiteten die Verbrennung [von Comicheften a.d.V.] mit ‹Kanonenschlägen und Trompetengeschmetter› Später sollen ganz in diesem Un- geist (Solingen lässt noch später grüßen!) sogar einige Kioske, in denen Comics verkauft wurden, das Ziel von Brandanschlägen gewesen sein» (SPIEGEL, 1996, S. 39.).

+++++++++++++++++++++++++

80 JÜRGEN WICKMANN in Echo der Zeit, 1954. (Titel zitiert nach DOETSCH, 1958, S. 144)

81 BRICKMANN, B. in Der katholische Erzieher, 1955. (Titel zitiert nach SCHWENDER, 1989, S. 76)

82 WILLY K. CORDT in Westermanns Pädagogische Beiträge, 1954 (Titel zitiert nach BAUMGÄRTNER, 1965, S. 118)

83 GISELHER WIRSING in Christ und Welt, 1955. (Titel zitiert nach BAUMGÄRTNER, 1965, S. 122)

84 Von dieser Institution wurden unter anderen auch HENRY MILLERS Opus Pistorum und KLAUS MANNS Mephisto zeitweise verboten (vgl. Artikel: Verbotenes oder indiziertes Medium; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbei- tungsstand: 11. Juli 2007, 09:38 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Verbotenes_oder_indizier- tes_Medium&oldid=34257618 (Abgerufen: 14. Juli 2007). Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 115

Neben dem öffentlichen Pogrom gegen Comics entstanden nun auch im deutschsprachigen Raum diverse akademische Abhandlungen über deren jugendgefährdenden Charakter. Der Österreicher RICHARD BAMBERGER wirft ihnen 1955 vor, an die primitiven Triebe der Leser zu appellieren und Frus- tration über die gesellschaftlichen Verhältnissen zu schüren, denn «die Ver- herrlichung des unmöglichen Heldentums führt zu Unzufriedenheit mit den Aufgaben des Alltags» (1955, S. 167). Er deutet in den heldenhaften Aben- teuergeschichten eine unterschwellige Erziehung zu nationalsozialistischen Werten an, die im Gegensatz zu der ersten Hälfte des vorhergehenden Jahr- zehnts im deutschsprachigen Raum als neuer Gegenstand des Kampfes gegen amoralische Inhalte in den Medien gesehen werden müssen (vgl. a.a.O., S. 167). Des Weiteren postuliert er konform zu der amerikanischen Kritik die entstehende Stumpfsinnigkeit, die Verführung zu Müßiggang, Sprachverfla- chung, Sittenlosigkeit und Verbrechen, sowie die Störung von Geschmack und Wissenstrieb (vgl. S. 170 ff.). HELMUT REINHARDT argumentiert auf der Ba- sis philosophischer Anthropologie, der Comic-Konsum würde den Leser vom Wesen des Menschen als verstandbestimmtes Individuum entfremden. Er de-

finiert mit MAX SCHELER85 die Fähigkeit, seine instinktiven Triebe zu überwin- den, als geistig «weltoffen» machenden, wichtigsten Unterscheidungsfaktor zwischen Mensch und Tier und sagt im Folgenden in Bezug auf Comics:

«Blicken wir nun auf die Aufgabe des ‹Neinsagers› [damit meint er den Men- schen, der die Fähigkeit besitzt, «nein» zu seinen Trieben zu sagen a.d.V.] zum Leben (für M. Scheler bedeutet ‹Leben› die Einheit von Körper und Seele), so kön- nen wir schon am Anfang der Betrachtungen über den Leser feststellen, daß der Geist des Schundlesers, für den das Lesen in immer weiterem Maße keine geistige Arbeit und erst recht keine Sinnerfassung ist, sondern nur noch die bloße Tech- nik des ‹Aufnehmens›, die mögliche Freiheit der ‹Weltoffenheit› des Menschen aufgibt, ohne dafür aber die Trieb-Umweltgeborgenheit des Tieres einzutauschen» (1957, S. 31 f.).

+++++++++++++++++++++++++

85 Er bezieht sich auf: SCHELER, MAX.; Die Stellung des Menschen im Kosmos; Darmstadt: 1928. S. 46 f. Seite 116 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

In Deutschland wird besonders die Diskussion um die Sprache der Comic zu einem wichtigen Schwerpunkt. HÜRLIMAN schreibt:

«Jene kurzen stenogrammähnlichen Sätze aber, die sprachlich verwildert ein schwebendes Dasein in länglichen Kaugummiballons führen und den Mündern fragwürdiger Figuren entsteigen, stellen eine Verballhornung der Sprache und eine Simplifizierung menschlicher Umgangsformen dar, wie sie die Kinderlitera- tur bisher noch nicht kannte, ganz gleich, welcher Art sie war» (1959, S. 129).

MANFRED WELKE formuliert seinen Ansatz 1958 in Die Sprache der Comics folgendermaßen: «Wir wollen mit unseren Ausführungen dazu beitragen, daß die gröbsten Verstöße gegen gutes Deutsch aus den Comics verschwin- den» (1958, S.5). Seine Ausführungen beziehen sich unter anderem auf die Komplexität von Sätzen, die Wortwahl und die Häufigkeit von Wortgruppen in den von ihm untersuchten Comics. REINHARDT führt ebenfalls «Schimpf- wörter, Gaunerjargon, Entstellung, Verstümmelungen und englische Sprach- brocken» (1957, S.31) als negativen Einfluss auf die sprachliche Bildung des Kindes an. Bezeichnend an der Kritik um die Sprache ist, dass man die Möglichkei- ten ihrer Gestaltung und damit die der «literarischen Gattung Comic» gene- rell als minderwertig einstuft, ihr also pauschal die Fähigkeit abspricht, an- spruchsvolle Inhalte transportieren zu können. (vgl. BAMBERGER,1965, S. 186 f., HÜRLIMANN, 1959, S. 124 f. oder zusammenfassend HAVAS, 2001, S. 25).

4.1.5. Relativierung

Der allergrößte Teil der Publikationen dieses Zeitraums ist wie die ange- führten solidarisch zu WERTHAMS Schule und führt Argumente aus, Comics als jugendgefährdenden Schmutz- und Schund zu definieren. SCHWENDER schreibt diesbezüglich: Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 117

«Greift man andere Artikel aus Fach- oder aus Publikumszeitschriften heraus, unterscheiden sie sich in Ton und Tendenz kaum. Die Beschäftigung mit Comics blieb auf warnende Kritik vor moralischer Verwerflichkeit beschränkt» (1989, S. 78).

Trotz der etablierten, sehr einseitigen und oft unsachlich begründeten Hal- tung86 in Gesellschaft und Forschung gibt es in diesem Zeitraum aber auch wissenschaftliche Abhandlungen, die zwar generell den Standpunkt der Min- derwertigkeit von Comics vertreten, einige der postulierte Effekte aber revi- dierten.

MARIETHERES DOETSCH hält in ihrer Arbeit von 1958 die Comics für eine Gefahr aufgrund der von ihnen vermittelten, ihrer Meinung nach oft sehr zweifelhaften und zweitrangigen Wertvorstellungen, die durchaus von den lesenden Kindern aufgenommen werden könnten (vgl. 131 f.). Jedoch wider- legt ihre empirische Studie die Behauptung, der Comickonsum würde Kinder aggressiv und kriminell machen. Unter der von ihr untersuchten Schülerschaft befinde «sich eine relativ große Anzahl Kinder, die durch häufiges und intensives Le- sen von Comics auffällt. Keines dieser Kinder ist bisher kriminell geworden» (DO- ETSCH, S. 131).

Tendenzen zur viel beschworenen Analphabetisierung sind anhand der Studie nicht nachweisbar, ebenso konnte kein Zusammenhang zwischen In- telligenz und Comic-Konsum festgestellt werden (vgl. S. 131).

+++++++++++++++++++++++++ 86 PFORTE zum Beispiel bezeichnet die «Comic-Hatz» als «weitgehend unreflektiert» (1974, S. 59). Besonders WERTHAMS Buch ist vielerorts als unwissenschaftlich und reißerisch betitelt worden (vgl. HAVAS, 2001, S. 23). «Se- duction of the Innocent , is still remembered in American comics fandom as a wildly exaggerated and overw- rought polemic» (DWIGHT DECKER; Artikel: Fredric Wertham – Anti-Comics Crusader Who Turned Advocate; Auf Art Bin; URL: http://art-bin.com/art/awertham.html Aufgerufen 29. Juni 2007). Ebenso schreibt HESSE-QUACK, der das Buch als «unwissenschaftlich, widersprüchlich und irreführend» bezeichnet:

«Zwar führt Wertham immer wieder Zahlen von Tausenden untersuchter, normaler und deliquenter Kinder aus allen Schichten an, vermeidet aber die statistische Zusammenfassung und Aufbereitung seiner Untersuchungsdaten. Er macht nicht einmal die Andeutung, daß seine Illustrationsfälle typisch oder repräsentativ für alle Deliquenten mit hohem Comic-Konsum sind. Auch gibt er keine Hinweise, ob nicht die Deliquenten, die keine Comics lesen, ähnliche Schandtaten begehen wie die Leser. Sol- che Übungen indizieren unwissenschaftliches Vorgehen; sie dienen der Maskierung kulturkritischen Denkens, das die konvenierenden Argumente heranzieht, die Gegenargumente aber wohlwissentlich unterschlägt» (1973, S. 87 f.). Seite 118 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

ALFRED BAUMGÄRTNER umreißt 1965 die wichtigsten Vorwürfe und relati- viert sie im Folgenden. Er räumt den Comics prinzipiell die Fähigkeit ein, schädliche Auswirkungen auf das Seelenleben von Kindern zu haben, wie es

WERTHAMS Assistentin in Deutschland vielzitiert doziert hat (vgl. BAUMGÄRT-

NER, 1965, 102 ff.). Allerdings differenziert er die tatsächliche amerikanische Situation von der hiesigen: die durchaus von sadistischer Gewalt und Sexis- mus strotzenden Horror- und Crime-Comics (siehe Kapitel 2.3.2.10.) wer- den zu dieser Zeit in Deutschland nicht veröffentlicht87 und «im Vergleich dazu geht es in den in Deutschland publizierten Abenteuer-Comics […] noch recht harmlos zu» (a.a.O., S.100). Ebenso befindet er die angeblich konstitu- tionelle, sexuell korrumpierende Wirkung als nicht nachweisbar, verweisend auf Studien, die die charakteristische Darstellung der Beziehung zwischen den Geschlechtern in Comics als eine ganz andere beschreiben, als sie von den Amerikanern mit dem Hintergrund jener speziellen Genres umrissen wurde (vgl. a.a.O., S. 101). BAUMGÄRTNER erklärt im Weiteren auch die Schä- digungen an der Lesefähigkeit für situationsbedingt, in Deutschland seien die Comics im Gegensatz zur USA nur eine altersbedingte Übergangsphase zur «anspruchsvolleren Literatur», das hiesige gesellschaftliche Bild des Lite- raturkonsums sei ein ausgeprägteres und intellektuelleres. Damit sei auch die angebliche Gefährdung der Existenz des Buches schlechthin nicht gegeben, ein oft thematisierter hypothetischer Fall, der als Niedergang der geistigen Kontinuität der Bevölkerung stilisiert wurde (vgl. a.a.O. S. 97 f.). Damit ist er einer der ersten Wissenschaftler, der die Erzählform von ihren spezifischen Inhalten trennt und nicht anhand eines einzelnen Genres pau- schalisiert, wie es nach MOSSES Wirken in Deutschland allgemein üblich war

(vgl. PFORTE, 1974, S. 55).

+++++++++++++++++++++++++ 87 Diese Geschichten kamen erst Jahre später als nostalgische Sammlungen in Deutschland heraus, zum Beispiel die übersetzte Reihe Phantastische Geschichten im NORBERT HETHKE VERLAG von 1986 bis 1990 (vgl. Artikel: Phantas- tische Geschichten; Auf: Deutscher Comic Guid;. URL: www.comicguide.de/php/detail.php?id=3117&file=r&displa y=short Aufgerufen: 29. Juni 2007. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 119

Gegen das Genre der Abenteuer-Comics jedoch formuliert er starke Vorbe- halte. In diesen sieht er vor allem eine soziologische und politische Gefahr.

«Da ist zunächst die in den Abenteuer-Comics fassbare Vorstellung von der Welt als einem historisch-geographischen Chaos […]. Die Comics zeigen den Men- schen nicht an einem jeweils unverwechselbaren Ort in Raum und Zeit und damit in sinnvollen Zusammenhängen; sie lassen ihn vielmehr in einem […] Dschun- gel beziehungsloser Einzelsituationen, einer zeit- und geschichtslosen und damit letztlich unveränderbaren Welt umherirren, in der immer wieder dasselbe getan, nämlich gegen eine Unzahl von Feinden um die Erhaltung der eigenen Existenz gekämpft werden muß» (a.a.O., S. 103).

Diese Eigenart verstelle den Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge, das primitive Weltbild – mit dem sich das Kind mindestens für die Dauer der Lektüre identifizieren – ziele ausschließlich auf die eigenen, unmittelbaren Existenzbedürfnisse ab. Tendenziell führe das zu einer politischen unmoti- vierten, nihilistischen Lebenseinstellung. Das soziale Verhalten sei außerdem durch die dem Abenteuer-Comic eigene polarisierende Einteilung der Welt in Gut und Schlecht, der Vereinfachung der menschlichen Natur, angegrif- fen (vgl. S. 104 ff.). Bezüglich dieser Einschätzungen macht er aber klar, dass er die Comics an sich nicht als die prinzipielle Ursache, sondern als Symptom sozialer Miss- stände sehe. Die Lektüre sei, wie er meint, auf das Aufnahmevermögen und die Leseneigung der Konsumenten zugeschnitten. Sein Fazit lautet: «Uns scheint die Primitivität des Comic-Lesers nicht Folge, sondern Grund seiner Lektüre» (a.a.O., S. 113).

4.1.6. Überprüfung und Herleitung der dargelegten Reputation

4.1.6.1. Comics als Konsumgut für Kinder Viele der postulierten jugendgefährdenden Einflüsse der Comics wurden aus empirischer Hinsicht wiederlegt (siehe Kapitel 4.1.5.), über ihren trivia- len, nicht künstlerischen Charakter blieb man sich bis Ende der 60er Jahre in Wissenschaft und öffentlicher Meinung aber einig (siehe Kapitel 4.1.4.). Es Seite 120 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung stellt sich die Frage, in wieweit diese diskriminierende Haltung gerechtfertigt war und welche Verhältnisse zu ihr führten. Sie resultiert zum einen sicherlich aus der klischeehaften allgemeinen Überzeugung, Comics seien prinzipiell als Produkt für Kinder gedacht (vgl.

HÜRLIMANN, 1959, S.117 ff.) und dementsprechend anspruchslos. Diese Mei- nung entstand unter anderem durch die Tradition des Bilderbuches, aus dem sich der Comic ableiten lässt (siehe Kapitel 2.2.) und die traditionell vom

«Gegenstand [der Kinderliteratur a.d.V.] nicht zu trennen ist» (EWERS, 1994, S. 79). Des Weiteren könnte man die anscheinend leichte Rezipierbarkeit von Comics anführen, für die kein gehobenes, erwachsenes Sprachverständnis nötig ist: OSWALD WATZKE berichtet, viele Heranwachsende hätten auf die Frage, warum sie Comics mögen, geantwortet, sie seien «leicht lesbar» und «leicht zugänglich» (vgl. 1981, S. 13). Auch die ersten Jahrzehnte der Funny- Strips, deren überwiegender Teil aus Lausbuben-, also quasi Kindergeschich- ten besteht (siehe Kapitel 2.3.1.1.), mögen eine gedankliche Affinität zur ju- gendlichen Zielgruppe etabliert haben, am entscheidendsten diesbezüglich mag aber die hohe Beliebtheit bei jungen Lesern gewesen sein (siehe Kapitel 2.3.2.8.). Comics prinzipiell als reine Kinderlektüre zu bezeichnen ist aus heutiger Sicht eine zurück zu weisende Einschätzung (vgl. Kapitel 2.3.3.), die aber ei- nen Beitrag zur Beurteilung des Comics als anspruchsloses Kulturgut geleistet haben mag. Aufschlussreicher noch ist eine wertende Untersuchung bezüglich der tat- sächlichen künstlerischen Qualität der Comics dieser Zeit. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 121

4.1.6.2. Die Funktion der Comics und die entsprechende Situation der Comic-Zeichner Für eine wertende Aussage bezüglich des künstlerischen oder trivialen We- sens sind zunächst einmal die Motivation, mit der Comics hergestellt wur- den, sowie die allgemeine Produktionssituation zu betrachten Wie bereits ausgeführt entstanden die ersten Comic-Strips als Werbemit- tel zum Absatz führender Tageszeitungen (siehe Kapitel 2.3.1.1.). Wenn es dem Erschaffer einer neuen Serie nicht gelang, schlagartigen Erfolg bei einem breiten Publikum zu erringen, wurde das Projekt von der Zeitung sehr schnell wieder eingestellt, ungeachtet seiner künstlerischen Qualität. Ein gutes Bei- spiel in dieser Beziehung ist FEININGERS Kin-der-Kids, einer Serie, der man für die damalige Zeit außergewöhnlichen Anspruch attestieren kann, die aber schon nach wenigen Ausgaben aufgrund mäßiger Publikumsresonanz wieder beendet wurde (siehe Kapitel 2.3.2.1.). Hier zeigt sich bereits, dass die pro- fessionellen Zeichner nicht frei in ihrer Gestaltung waren, sondern sich dem Geschmacksedikt der breiten Masse anzupassen hatten. Doch auch in ihrem zwangsläufigen Streben nach möglichst hoher Popularität waren sie nicht autark. Die Zeichner der Zeitungs-Strips hatten sich immer den Direktiven ihrer Redaktion unterzuordnen (vgl. KAGELMANN, 1976, S. 25 f.). Diese wenig autonome Schaffenssituation nahm im Zuge der Syndikatisierung (siehe Ka- pitel 2.3.2.1.) noch extremere Formen an. Comics wurden strukturelle Kon- ventionen gegeben als Basis für landesweiten und internationalen Vertrieb. Die Comiczeichner waren Angestellte ohne Rechte an ihren Kreationen. In- haltliche Wertstrukturen, Themen und ästhetische Intensität wurden von den Syndikaten vorgeschrieben, wofür man sorgfältige Sondierungen des bestehenden Marktes durchführte. Nach Fertigstellung eines Strips wurde dieser einer Prüfung durch die Editoren unterworfen, die ihn in Hinblick auf das breite Publikum zensierten und beschnitten (vgl. HOFMANN, 1973, S. 79 und Kapitel 2.3.2.1.). Auch die technischen Gegebenheiten setzten der Ge- staltungsfreiheit gewisse Grenzen: der gängige, kostengünstige Vierfarbdruck Seite 122 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung beschränkte die Farbgestaltung in den USA bis in die 70er Jahre auf flächige

Primärfarben (vgl. MCCLOUD, 2001, S. 193 ff.). Hinzu kommt der zeitliche Produktionszwang der täglich oder wöchentlich erscheinenden Strips, der eine anspruchsvolle graphische und inhaltliche Ausarbeitung kaum möglich machte. Im Zuge dessen war es auch üblich, dass mehrere Personen an einer Serie arbeiteten.

«Dann entwirft der Autor nur die Personen und überläßt Texte, Hintergrün- de und Kolorierung einem oder mehreren Assistenten. Es gibt Landschaftsspe- zialisten, die sehr verschiedene Streifen mit «Natur» hinterlegen, so wie es auch Gagmen gibt, bei denen man Ideen, und Szenarien, bei denen man ganze Hand- lungsabläufe kaufen kann» (METKEN, 1970, S. 165).

Bis auf wenige Ausnahmen wurden erfolgreiche Strips auch nach dem Tod ihres Erfinders weitergeführt (vgl. SCHRÖDER, 1982, S. 69). Als die Zeitungs-Strips in Deutschland Fuß fassten, waren die wenigen hie- sigen Zeichner in einer ähnlich unsouveränen Position. Dies verdeutlicht ein

Zitat von MANFRED SCHMIDT, das sich auf die Bitte bezieht, seinen Strip Nick Knatterton – die erfolgreichste deutsche Produktion der 50er Jahre – beenden zu dürfen:

«Als die 500. Fortsetzung gezeichnet werden musste, war ich in völliger Um- kehrung der Verhältnisse von Knatterton gezeichnet: Auf weichen Knien flehte ich die Redaktion an, den Meisterdetektiv sterben zu lassen. Die Antwort war höhnisches Gelächter» (Zitiert nach KNIGGE, 2004 a, S. 150).

Von einer persönlichen, konventionslosen und unmittelbaren Wirklich- keitserfassung des Erschaffers, wie sie die Theorie für den künstlerischen

Gegenstand fordert (siehe Kapitel 3.2.3), ist also kaum zu sprechen. ACHIM

SCHNURRER fasst die Funktion des Phänomens zusammen:

«Comics sind […] Gebrauchsgrafik und somit den rigiden Gesetzen des Marke- ting, Zeitgeist und gerade herrschender Moral unterworfen» (1996, S. 21).

Die dargelegte Situation zeigt die ausschließliche Arbeitsweise professio- neller Comic-Schaffender bis zum Ende der 60er Jahre. Sie wurde durch die Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 123 neue Publikationsform der 30er, den Comic-Heften, nur in Hinblick auf for- male Konventionen etwas gelockert (siehe Kapitel 2.3.2.3.), jedoch nicht in Bezug auf die publizistische Absicht oder den Status der Kreativen, die ihre Arbeitgeber mit gut zu verkaufenden Gütern zu beliefern hatten. Auch den Comic-Heften liegt ursprünglich keine ästhetisch gestalterische Idee zu Grun- de, sondern finanzielles Interesse. Als Indiz kann man die Tatsache sehen, dass sie in den ersten Jahren, sofern sie überhaupt originale Strips und nicht bloße Nachdrucke enthielten, Sammlungen thematisch völlig unzusammen- hängender, direkt aus den Zeitungen übernommenen Serien darstellten (sie- he Kapitel 2.3.2.3.). Außerdem wurden die Hefte anfangs vornehmlich von diversen Firmen als Werbebeilagen verwendet. JOACHIM ATZERT schreibt in Bezug auf die Publikationsform der Comic-Books:

«Der Comic ist letztlich deshalb entstanden, weil man sich brachliegende Druckkapazitäten aus rein marktwirtschaftlichen Überlegungen einfach nicht leisten konnte und wolle. Grund für die Schaffung des Comic war nicht der, daß man eine künstlerische Idee hatte und nach Möglichkeiten der Veröffentlichung suchte, sondern genau umgekehrt: man hatte bereits die Tageszeitung und suchte nach Möglichkeiten der besseren kommerziellen Verwendung» (1982, S.31 f.).

Da für die Klassifizierung zur Kunst die Intention als ein maßgeblicher Fak- tor genannt wurde, einen künstlerisch-disanziert zu rezipierenden Gegen- stand zu erschaffen in Abgrenzung von dem Vorsatz, einen bloßen Konsum- gegenstand herzustellen (siehe Kapitel 3.2.1.), ist auch das Selbstverständnis der Comic-Zeichner von Interesse. Dies ist natürlich kaum zu verallgemei- nern, jedoch ist in Anbetracht ihrer Arbeitssituation davon auszugehen, dass sie sich gezwungenermaßen eher als Handwerker denn als Kunstschaffende betrachteten. Als Indiz mögen Zitate einiger der erfolg- und einflussreichsten Comic-Zeichner der ersten 70 Jahre des Phänomens (siehe Kapitel 2.3.1. und 2.3.2.) gelten, wie sie ihr eigenes Arbeitsfeld und den damit verbundenen Status im Kulturbetrieb zumindest streckenweise beurteilt haben. Seite 124 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

MANFRED SCHMIDT bezeichnet Comics als «primitivste aller Erzählformen»und «Stumpfsinnsliteratur» (zitiert nach KNIGGE, 2004 a, S. 149).

«Als wir anfingen, haben wir uns nicht für Kunst interessiert. Comics waren für uns die unterste Sprosse der Leiter. Wir wollten Geld verdienen. Wir wollten unser Zeug so schnell wie möglich fertig kriegen» (Joe Simon zitiert nach Knigge, 2004 a, S. 111).

«Ich betrachte meine Arbeit nicht als große Kunst» (Charles M. Schulz zitiert nach Knigge, 2004 a, S. 146).

«Eines Tages hörte ich, Bud Fisher würde mit seinem Comic-Strip Mutt and Jeff dreitausend Dollar in der Woche verdienen und ständig französische Gräfinnen (oder die Sängerinnen aus den Zigfeld-Follies) heiraten. Ich fand, das war genau das richtige für mich» (Al Capp zitiert nach KNIGGE, 2004 a, S. 69).

Vor allem letzteres Zitat beschreibt die Herstellung von Comic-Strips als Mittel für Profit. Künstlerische Ambitionen werden ausgeklammert oder so- gar offen negiert.

Die Betrachtung der marktorientierten Situation der Comic-Väter, wie auch ihr Selbstverständnis spricht gegen künstlerische Gestaltung der Inhal- te, weil die Motivation mit der Comics hergestellt wurden nicht im Gegen- stand selbst lag (siehe Kapitel 3.2.1.), sondern im Profit. Außerdem konnte aufgrund der unautonomen Schaffensweise keine konventionslose Wirklich- keitserfahrung (siehe Kapitel 3.2.3.) geleistet werden. Der Comic entwickelte sich zudem Ende der 30er rein quantitativ unbestreitbar zu einer Massenwa- re, einer Industrie (siehe Kapitel 2.3.2.8.), weswegen laut der Kunst-Kitsch Theorie ebenfalls von wenig künstlerischen, trivialen Inhalten auszugehen ist (siehe Kapitel 3.2.5.).

Es folgt eine genauere inhaltliche Untersuchung anhand der real existie- renden Comic-Variationen bis zu den 60er Jahren. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 125

4.1.6.3. Untersuchung der Inhalte auf künstlerische oder kitschige Qualität

4.1.6.3.1. Originalität und Klischeehaftigkeit der Comics Zum Grad der inhaltlichen Originalität der Comic-Landschaft in den 50er Jahren – der Hochzeit der Comic-Diskriminierung – ist das Spektrum an In- halten interessant. Im Wesentlichen kannte man in Amerika folgende Co- mic-Genres (siehe Kapitel 2.3.1 und 2.3.):

^ Die Funny-Strips der Tageszeitungen, anfänglich vornehmlich Slapstick, später auch komische Seifenoper. ^ Die Abenteuer-Comics, die den Großteil der Comic-Books ausmachten und zu denen auch das wichtige Sub-Genre der Superhelden gezählt werden kann. ^ Horror- und Crime-Comics, die zwar wie die Abenteuer-Comics auf Action und noch extremere Gewalt setzen, sich von ihrem Wesen her aber unterscheiden, da sie keine Heldenfiguren als Protagonisten und keine Serienstruktur haben. ^ Edjucational-Comics, die Adaption literarischer Klassiker und historischer Begebenheiten, sowie die Vorstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse. ^ Romanzen-Comics für Teenager.

Dies ist als ein sehr überschaubares inhaltliches Angebot zu werten. In Deutschland war es zu dieser Zeit sogar noch deutlich reduzierter:

«Comic-Geschichten, die das Gattungsspektrum differenzieren und die jenseits der Grundmodelle, entweder der Funny- oder der Adventure-Streifen angesiedelt sind, spielen im Angebot der fünfziger Jahre keine Rolle» (DOLLE-WEINKAUFF, 1990, S. 88). Seite 126 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Im frankophonen Raum entwickelten sich bereits neuartige Comic-Typen (siehe Kapitel 2.3.2.6.), jedoch drangen diese Innovationen noch nicht über die Sprachgrenzen hinaus und bleiben daher vorerst als für den deutschen und englischsprachigen Raum unbedeutend ausgeklammert. Zu Reklame- zwecken eingesetzte Strips fallen aufgrund ihres pragmatischen Charakters ebenfalls aus dem Wertungsraster über die triviale oder künstlerische Quali- tät. Als quantitativ wichtigstes und damit hauptsächlich zu untersuchendes Genre seit der Etablierung der Comic-Hefte kann mit Sicherheit der Abenteu- er-Comic gesehen werden, vor allem aufgrund des Sub-Genres der Superhel- dengeschichten (vgl. WIENER, 1973, S.126). Zum Grad der inhaltlichen Originalität ist im Weiteren die angesprochene Übernahme von Erzählungen aus den Pulps, aus der Trivialliteratur anzufüh- ren. Die ersten wichtigen Abenteuer-Serien, die die Science Fiction und die Dschungel-Saga für den Comic erschlossen, erfanden keine neue Erzählstruk- tur, nicht einmal neue Themen oder Figuren, sondern adaptierten bereits vorhandene und wenig anspruchsvolle. Die übrigen kurz darauf entstehen- den Sub-Genres der Ritter-, Wildwest- und Kriminalgeschichten waren eben- falls stilistische Adaptionen aus Film und populärer Literatur (vgl. Kapitel

2.3.2.). BAUMGÄRTNER schreibt:

«Eine Analyse der Comic-Books zeigt, daß ihre Produzenten die üblichen The- men und Motive der Abenteuerliteratur einfach übernommen haben […]» (1965, S. 22).

Auch bei der Flut von Titeln, die nach der Etablierung des besagten Kom- plexes innerhalb der Genres entstand, ist wenig thematische Innovation festzustellen, man reproduzierte die Vorlagen. Besonders zeigt sich dies an der Masse der Superhelden, die im Prinzip nichts anderes ist, als die immer wieder vollzogene Neuauflage von Superman, einer Figur, die selbst eine ins Extreme getriebene Kopie der vorrausgehenden Heldenfiguren darstellt. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 127

«‹Superman› zitiert ‹Tarzan› und ‹Phantom›; ‹Batman› zitiert ‹Superman›; ‹Captain America› zitiert ‹Batman› und ‹Superman›; ‹The Fantastic Four› zitieren ‹Captain America›, ‹Batman›, ‹Superman›; Science Fiction und Horror Strips. Die verdeckte Nachahmung schon populärer Vorlagen macht den Erfolg der kommer- ziellen Comics aus» (Riha, 1970, S. 38).

Der in Abenteuer-Comics wie in Funny-Strips verwendeten Idee, anthro- pomorphisierte Tiere als Protagonisten zu verwenden, kann man in Hinblick auf die Jahrhunderte alte Tradition der Fabel keine echte Originalität zuspre- chen, zumal die mit Abstand bekanntesten Werke – die des DISNEY Konti- nuums – keine Erfindung eines Comic-Autors, sondern Umsetzung von Zei- chentrickfilmen waren (siehe Kapitel 2.3.2.11.). Als ebenso wichtig wie die Herleitung direkter Vorlagen ist in Bezug auf die Originalität aber die Klischeehaftigkeit der Comics in Ort, Person und Handlung auszuführen. Die Variationen von Ort und Zeit sind sehr überschaubar und bestimmen die Kategorisierung der Abenteuer-Comics bis auf die Superhelden. Im We- sentlichen beschränken sich die Sub-Genres auf den Dschungel, den «Wil- den Westen», fremde Planeten, das Mittelalter, Kriegsschauplätze und die kri- minelle Großstadt (vgl. Kapitel 2..2.). Dabei liegen diesen Orten aber kaum individuelle, realistische Beschreibungen zu Grunde, sie sind auf ihren aben- teuerlichen Reiz reduziert. «Die bildliche Darstellung des Schauplatzes bleibt […] im Allgemeinen, nur vage Angedeuteten stecken» (Doetsch, 1958, S. 23). Ein Comic-Dschungel dieser Zeit zum Beispiel scheint aus gefährlichen Tie- ren, primitiven Eingeborenen und versunkenen mystischen Kulturen zu be- stehen, egal ob man die Abenteuer eines Tarzans, eines Akims88 oder eines Phantoms in selbigen verfolgt. Eine individuelle, ambitionierte Darstellung von Fauna und Flora sucht man vergeblich. Dass Ort und Zeit immer wieder als die eigentlichen Unterscheidungs- merkmale der abenteuerlichen Sub-Genres genannt werden (vgl. DOETSCH,

1958, S. 20 f. oder BAUMGÄRTNER, 1965, S. 21 f.), findet seine Begründung

+++++++++++++++++++++++++ 88 Akim, der Sohn des Dschungels ist eine Dschungel-Saga, erschaffen in den 40er Jahren von den Italienern AUGUS- TO PEDRAZZA und ROBERTO RENZi, ab 1953 in Deutschland von HANSRUDI WÄSCHER gezeichnet. Seite 128 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung darin, dass die Charakteristiken von Figuren, Handlungsschemata und mo- ralisch-philosophischer Standpunkt durchgehend stereotyp sind. KAGELMANN macht klar, dass man die Protagonisten der Abenteuer-Genres dramaturgisch nicht differenzieren kann:

«Je nach der Umgebung, in der sie auftreten, lassen sich verschiedene Helden- Typen unterscheiden, die sich aber in ihrer Grundaussage völlig gleichen. Wich- tig bei der Diskussion des «Helden» ist zunächst die Tatsache, daß diesem eine Symbolfunktion zukommt. Der Held ist als ein spezielles Zeichen aufzufassen, das in seiner – durchwegs gleichen – Ausgestaltung darauf angelegt ist, ein schnelles Erkennen durch den Leser zu ermöglichen. Der Held als Held muß vom Leser schnell identifiziert werden, um die Grundaussage einer jeden Geschichte (den Kampf und den Sieg des Guten über das Böse) vorzubereiten; darum erhält er die unverwechselbaren, immer gleichen Kennzeichen» (1976, S. 39).

Diese «Kennzeichen» beziehen sich sowohl auf die körperliche, wie auch die charakterliche Darstellung. BAUMGÄRTNER fasst anhand seiner empiri- schen Studie folgende Eigenschaften zusammen: Ein Held eines Abenteuer-Comics ist immer von athletischer Statur, ist schön, gesund und voller Tatkraft. Wie angesprochen besteht seine Funkti- on in der Verkörperung des «Guten» an und für sich, demzufolge scheinen alle Helden die selben ethischen Grundsätze verinnerlicht zu haben, bedingt durch die Moral der Zeit ihrer Erschaffung. Für jene kämpfen sie mit über alle Maßen vorhandener Kraft und Fertigkeit. Außerdem spricht er von einer «eigentümlichen Bruchlosigkeit dieser Gestalten»: sie kennen keine Gewis- sensbisse und Zweifel an sich selbst oder ihrem Tun, ebenso wenig Angst oder Ratlosigkeit. Sie haben keinerlei menschliche Schwächen und Konflikte (vgl.1965, S. 37 ff.).

Demzufolge betont DOETSCH:

«Sie könnten getrost Plätze und Wirkungsstätte tauschen, ein jeder würde die Aufgaben des andern mit gleichem Erfolg bewältigen. […] Diese Helden sind un- persönliche, unwirkliche, leblose Gestalten, starre, farblose Typen ohne jede indi- viduelle Ausprägung» (1958, S. 26 f.).

Andere Figurenrollen sind von gleicher stereotyper, oberflächlicher Aus- führung. Die Antagonisten der Helden zum Beispiel sind von Grund auf ver- Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 129 dorben, radikal und hässlich. Frauen werden entweder als Freunde der Hel- den dargestellt, wobei sie durchaus selbstbewusst eine kameradschaftliche Helferfunktion erfüllen, als grausame, meist vom Helden zurückgewiesene Widersacherinnen oder als charakterlose, hilfsbedürftige und oft hysterische

Opfer der Übeltäter (vgl. GLIETENBERG, 1956, S. 26 ff.). Die Superhelden unterscheiden sich in ihrem Wesen lediglich durch die übermenschliche Qualität ihrer Fähigkeiten und Konflikte von anderen Pro- tagonisten der Abenteuer-Comics. Bis zu den Innovationen des MARVEL Ver- lages in den 60er Jahren89 sind Superhelden Ikone für Heldentum und Patrio- tismus, unterscheidbar nur durch die Art ihrer Superkräfte und das Aussehen ihres Kostüms (siehe Kapitel 2.3.3.1.). Dass die Protagonisten der Abenteuer-Comics als oberflächliche Ikone fun- gieren, bringt entsprechend ikonische Geschichten mit sich:

«Superman, Batman, Prinz Namor, der Submariner`, […], Wonder Woman […] sind bildliche Kurzformeln für eine bestimmte Handlungsstruktur, für bestimm- te Konflikte mit spezifischen Sanktionen und Gratifikationen» (DRECHSEL/FUNHOFF/ HOFFMANN, 1975, S. 84).

In der ursprünglich heilen Welt geschieht ein Verbrechen, oder eine Be- drohung in Form schurkischer Menschen und Monstrosität zeichnet sich ab. Der Held greift ein, bestraft die Missetäter und vereitelt jede Bedrohung, der Status Quo wird wiederhergestellt. Lösungen auftretender Problemsituatio- nen werden meist durch heldenhafte Fähigkeiten oder Superkräfte herbei- geführt, die Darstellung von Actionszenen, Gewalt und Kämpfen sind ein konstitutives Element. Dabei ist der errungene Sieg immer nur vorläufig im endlos währenden Kampf (vgl. ATZERT, 1982, S. 27 oder auch HOFMANN, 1973, S.70 ff.).

+++++++++++++++++++++++++ 89 BAUMGÄRTNERS Studie über die Helden Charaktere (siehe oben) wurde 1965 anhand von Material aus einer der Umtauschaktionen «Gute Jugendliteratur gegen Schund» veröffentlicht. Die neue Form der Superhelden-Comics gelangte erst später nach Deutschland und fand daher in seinen Ausführungen noch keine Beachtung: Die Spin- ne (Spiderman) wurde erstmals 1966 vom Bildschriftenverlag publiziert (vgl. Deutscher Comic Guide; Artikel: Hit Comics; Auf: Deutscher Comic Guide; URL: www.comicguide.de/php/detail.php?id=3117&file=r&display=short Aufgerufen: 13. Juli 2007.). Seite 130 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

«Die Helden beziehen auf jeden Fall ihre Legitimation aus einer konstruierten Dichotomie zwischen Gut und Böse, die – und das ist das Entscheidende – eine ra- dikale Vereinfachung gesellschaftlicher Strukturen, Entwicklungen und Konflikte darstellt» (KAGELMANN, 1976, S. 40).

Geschichten, die sich außerhalb dieser thematischen Schablone, außer- halb jenes universellen Konfliktes mit dem zwangsläufigen Triumpf des Hel- den bewegen, gibt es zu dieser Zeit in Abenteuer-Comics nicht. Der Käufer weiß im Voraus, auf was er sich einlässt, wie WIENER zusammenfasst:

«die comics der super-helden beruhen auf einem grundmuster, das in geradezu unglaublichem maß zum klischee geworden ist, und welches wieder und wieder untersucht zu werden verdient, da es trotz vollkommener vorhersagbarkeit in al- len erscheinungsformen die aufmerksamkeit auch des erwachsenen publikums stets aufs neue zu fesseln vermag» (1973, S. 126)90.

In Bezug auf die Horror- und Crime-Comics ist zu sagen, dass die ersten Ausgaben dieser Genres durch ihre Tabubrüche im Bereich dargestellter Ge- walt zumindest in Bezug auf die Klischeehaftigkeit als unkitschig bezeichnet werden können. In ihnen wurden Geschichten mit einer bisher unbekann- ten Intensität erzählt (siehe Kapitel 2.3.1.10.), sie besaßen anfänglich also eine zu dieser Zeit nicht der Norm entsprechenden und damit eine originelle Ästhetik. Auch das in den Abenteuer-Comics unerlässliche Gut/Böse-Schema wurde nicht gewahrt. In Crime-Comics wurden die Verbrecher zwar am Ende immer von der Obrigkeit gestellt, doch in ihrer Darstellungsweise waren sie oft die Sympathieträger der Geschichten (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 136). Die Innovation lässt sich in diesem Hinblick jedoch nur für die ersten Hefte des Genres verbuchen, der Tabubruch wurde durch die darauf folgende mas- senhafte Reproduktion wieder zum Klischee. Vor allem setzte man ihn um seiner Aufmerksamkeit erregenden – und damit verkaufsfördernden – Wir- kung willen ein, wie auch für die kitschig-affektierte, subjektive Stimulans (siehe Kapitel 3.2.1.), jedoch nicht als eine dramaturgische Notwendigkeit, wie es in einem künstlerischen Werk der Fall wäre.

+++++++++++++++++++++++++ 90 Kleinschreibung aus Original übernommen. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 131

«Dort [in der Kunst a.d.V.] ist [..] die Gewalt […] in ein Bezugssystem gestellt, in dem die einzelnen Ingredienzien ihre spezifische Begrenztheit durchbrechen. In den damaligen Crime-Comic speziell ist die Gewalt treibendes Element einer line- ar additiven Handlung, die keine Reflexion erforderlich macht» (FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 134).

In Hinblick auf die Originalität der Inhalte ist auch der 1954 eingeführte Comic Code (siehe Kapitel 4.1.4.) von Bedeutung. «Es liegt auf der Hand, daß diese einer Zensur vorbeugenden Vorschriften den Comic künstlerisch stark einengten“ (MUNIER, 2000, S. 29). Die Richtlinien bedeuten Eingriffe in die inhaltlichen Möglichkeiten der Comics, wie die folgenden Paragraphen aus dem Comic Code von 1954 (abgedruckt in FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 258) belegen:

«Policemen, judges, Government officials and respected institutions shall ne- ver be presented in such a way as to create disrespect for established authority» (Teil A, §3).

«Respect for parents, the moral code, and for honorable behavior shall be fos- tered. A sympathetic understanding of the problems of love is not a license for morbid distortion» (Teil C: Marriage and sex, §3).

«Ridicule or attack on any religious or racial group is never permissible» (Teil C: Religion, §1).

«The treatment of live-romance stories shall emphasize the value of the home and the sanctity of marriage» (Teil C: Marriage and sex, §4).

Mit dem Verbot einer respektlosen Attitüde gegenüber etablierter Autorität (Teil A, §3), Moral und Sitte (Teil C: Marriage and sex, §3) oder der Ächtung von Angriffen auf religiöse Überzeugungen (Teil C: Religion, § 1), wie auch der Festlegung zur Darstellung von Liebe und Beziehung (Teil C: Marriage and sex, §4), wird eine erstarrte, konservativ-unkritische Geisteshaltung für weite Felder menschlicher Thematik vorgeschrieben. Damit wird ein progres- siver Ansatz, das Erproben neuer Denkmodelle wie es die Kunst ausmacht (siehe Kapite 3.2.2.) unterbunden. Das Klischee wird zum Gebot: «In every instance good shall triumph over evil and the criminal punished for his misdeeds» (Teil A, §6). Seite 132 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

HOFMANN fasst diese Situation zusammen:

«Was die [zur Hochkunst a.d.V.] vergleichsweise bündigen, eindeutigen Inhalte der Comics anbelangt, sei […] gesagt, daß ihre «Authenzität» von einem strengen, konformistischen Tabukodex beschnitten wird, der die kritische oder kommentie- rende Stellungnahme gerade zu den heißesten Eisen der Zeitgeschichte verbietet. Die Stoffe sind auf Problemferne verpflichtet» (1973, S. 67).

Aus der vorangegangenen Beschreibung wird ersichtlich, dass die Comics sowohl in ihrer Thematik, wie auch der Durchführung klischeehaft waren. Die Geschichten wollen – und dürfen nach Einführung des Comic Codes weitgehend – keine wahrhaftige, künstlerische Wahrnehmung ausdrücken, sondern nach bewährten und damit risikolosen Schemata dem Geschmack der Masse entsprechen. Dies zeigt sich auch bei der Untersuchung der intendierten Geisteshaltung.

4.1.6.3.2. Die Geisteshaltung beim Comic-Konsum

SEGEBRECHT schreibt über die mentale Funktion, die den Comics zu Grun- de liegt,

«daß die Bildergeschichten ein vorhandenes Bedürfnis nach unkomplizierter Unterhaltung zufriedenstellen sowie die Kompensation von Anpassungsdruck durch Identifikation mit den stets überlegenen Helden ermöglichen» (1971, S. 262).

In Kapitel 2.3.2.1. und 2.3.2.8. dieser Arbeit wurde die eskapistische, sug- gestive Aufgabe der Abenteuer-Comics bereits ausgeführt. Aus ihr ist eine dis- tanzlose Hingabe gegenüber dem Objekt zu folgern, eine Haltung, die dem kitschigen Rezeptionsverhalten entspricht (siehe Kapitel 3.2.1.): Analytische Distanz würde alleine schon deshalb eine Identifikation mit den übermensch- lichen Comic-Helden verhindern, weil man ihre Unglaubwürdigkeit anhand der unrealistischen Handlung und der kaum ausgearbeiteten Charakterpro- file der handelnden Figuren (siehe Kapitel 4.1.6.3.1.) eingestehen müsste. In die polarisierenden, ethisch allzeit klar umrissenen Welten kann man sich nur hinein empfinden, wenn man selbst eine unreflektierende Geisteshal- tung annimmt, oder ihre totalitäre Klarheit wäre durch den Pluralismus der Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 133

Realität schnell gestört. Die eigentliche massenhafte Verbreitung der Abenteuer-Comics geschah in Amerika zur Zeit des zweiten Weltkrieges (siehe Kapitel 2.3.2.8.). Hinsicht- lich des intendierten Konsumverhaltens ist die Verwendung des Comics zu Propagandazwecken interessant, für die die Hefte und zu einem guten Teil auch die Zeitungs-Strips dieser Zeit vorrangig verwendet wurden (siehe Kapi- tel 2.3.2.9.). CHRISTIAN SCHWENDINGER subsummiert diverse Definitionen und Betrachtungsweisen des Begriffes von Propaganda und folgert:

«Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass alle genannten Definitionen eine Art der Beeinflussung beinhalten […]. Somit beinhaltet der Begriff Propagan- da das Formen von Auffassungen, das Manipulieren der Wahrnehmung und des Verhaltens des Zielpublikums, um eine Reaktion bei diesem auszulösen, welche der Intention des Propagandisten entspricht»91.

Es liegt also in ihrem Wesen, für den von ihr vertretenen Gegenstand auf möglichst totalitäre Weise überzeugen zu wollen. Der Begriff der Manipula- tion intendiert, dass Propaganda nicht auf ausdifferenzierter Reflexion über ihren Gegenstand beruht, vielmehr von solcher ablenken will. Sie versucht mit affektiven Mechanismen, über das Mittel der sentimentalen Lustempfin- dung, Einverständnis zu erzeugen. Damit steht sie einer kitschigen Geistes- haltung sehr nahe und widerspricht dem Verständnis von Kunst, das distan- ziert-analytische Betrachtung fordert (siehe Kapitel 3.2.1.). Hiermit ist ein Argument gefunden, dass gegen eine künstlerische Qualität der Comics kurz vor und während des Zweiten Weltkrieges spricht, jener Spanne, in der sie ihre historisch höchste Auflage erreichten. Die Geisteshaltung, die dem Comic-Konsum und in Anbetracht der kom- merziellen Intention auch der Herstellung zu Grunde liegt, ist folglich eine kitschige, ähnlich sentimental wie bei den literarischen Vorlagen der Trivial- literatur.

+++++++++++++++++++++++++ 91 SCHWENDINGER, CHRISTIAN; Artikel: Was ist Propaganda? Begriffsgeschichte, Definition und das «Wesen» der Pro- paganda; Auf: RHETON – Online-Zeitschrift für Rhetorik und Wissenstransfer; URL: www.rheton.sbg.ac.at/ rhetonneu/index.php?option=com_content&task=view&id=81&Itemid=26 (Aufgerufen 24.6.07). Seite 134 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Es folgt eine kurze Untersuchung zum kompositorischen Moment, wie esr in den Abenteuer-Comics vorherrschte.

4.1.6.3.3. Das kompositorische Moment anhand von Superman

Wie in Kapitel 2.3.2.7 nach UMBERTO ECO ausgeführt, fungieren die Prota- gonisten der Abenteuergeschichten als fest stehende Mythen. Sie vollziehen keine charakterliche Entwicklung, vorhergehende Erlebnisse der literarischen Figuren haben im Normalfall keine Bedeutung für deren spätere Abenteuer, da die Fortsetzung der Serie keine Fortführung der Handlung bedeuten, son- dern eine chronologisch parallel laufende Episode, eine Variation der gege- benen Verhältnisse.92 Damit ist das reflektierbar kompositorische Moment, wie es dem Kunstwerk laut Theorie eigen ist (siehe Kapitel 3.2.4.), bei der Be- trachtung der gesamten Serien nicht erfüllt. Auch innerhalb einzelner Ausga- ben der gängigen Abenteuerserien dieser Zeit sind die einzelnen Passagen der Erzählungen oft austauschbar. Immer wieder tauchen Action- und Kampfs- zenen auf, die für die übergeordnete Geschichte – so eine solche existiert – ohne Bedeutung sind. Die Stimulans ist der Komposition vorrangig. Als Beispiel diene die Erzählung, die das Genre der Superhelden konstituiert hat, die erste Geschichte von Superman in Action Comics #1 von 1938.

Die Erzählung beginnt mit einer Einleitung. Es wird vorgestellt wie Super- man auf die Erde gelangt, begleitet von einer kurzen Demonstration seiner übermenschlichen Kräfte (Panel 1 - 7). Dann startet die eigentliche Geschich- te. Superman springt aus luftiger Höhe mit einer gefesselten Frau unter dem Arm ins Bild. Diese hat er anscheinend aus einer misslichen Lage befreit, er setzt sie ab mit dem Kommentar, sie solle sich selbst entfesseln, er habe keine Zeit und müsse den Bürgermeister sehen (Panel 8 - 9). Er wird an der Tür von dessen Butler aufgehalten. Superman schafft sich gewaltsam Zugang. Als sich der Butler weigert ihn zu führen, trägt Superman ihn mit einer Hand zum

+++++++++++++++++++++++++ 92 Eine Ausnahme ist HAL FOSTERS Prince Valiant (siehe Kapitel 2.3.2.7.). Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 135

Schlafzimmer des Bürgermeisters. Dieses ist mit einer Stahltür verschlossen, nach kurzem Dialog bricht er die Tür mit bloßer Hand auf (Panel 10 - 19). Er steht vor dem Bürgermeister und erklärt diesem, dass er Beweise für die Unschuld einer Frau habe, die in 15 Minuten wegen Mordes hingerichtet werden soll (Panel 20). Da erscheint der Butler erneut und bedroht Superman mit einer Pistole, schießt auch kurz darauf, doch die Kugel prallt an dessen Haut ab. Superman wendet sich nach kurzen siegreichen Handgreiflichkei- ten (Panel 21 – 24) wieder dem Bürgermeister zu und überzeugt diesen, die Hinrichtung zu stoppen, was auch gelingt (Panel 25 – 28). Die nächsten zwei Bilder zeigen Supermans alter Ego, Clark Kent, wie er am nächsten Tag die Schlagzeile über den Abbruch des Vollzugs der Todesstrafe liest (Panel 29 – 30). Das folgende Bild zeigt den Bürgermeister, der sich vor einigen Leuten über den unnatürlichen Mann wundert (Panel 31). Die Handlung springt wieder zu Clark Kent, der als Redakteur einer Zeitung den Auftrag bekommt, mehr über diesen Superman herrauszufinden (Panel 32 – 34). Er erfährt danach von einem Kollegen, dass in der Stadt ein Mann seine Frau schlägt (Panel 35). Im Folgenden wird gezeigt, wie Superman am Tatort erscheint und den Übeltäter mit Einsatz seiner titanischen Kräfte verprügelt (Panel 36 – 41). Be- vor die Polizei eintrifft verkleidet er sich wieder als Clark (Panel 42 – 44). Die Handlung springt an einen späteren Zeitpunkt, an dem sich Kent mit seiner Kollegin Loise Lane zum Dinner verabredet (Panel 45). Während diesem wird er von einem Mann provoziert, der mit Loise tanzen will. Er mimt Feigheit und seine Begleitung verlässt beleidigt das Lokal (Panel 46 – 53). Kurz darauf wird sie von dem zurückgewiesenen und dadurch erzürnten Mann mit Hilfe seiner Freunde entführt, doch Kent verfolgt sie als Superman, stoppt und zerstört den Wagen mit bloßen Händen und hängt seinen Widersacher an einem Strommast auf (Panel 54 – 70). Dann trägt er Loise mit Supersprüngen nach Hause (Panel 71 – 73). Dieser glaubt am nächsten Tag niemand ihre Erlebnisse und sie ignoriert Kent (Panel 74 - 75). Im Weiteren bekommt die- ser den Auftrag, nach San Monte zu reisen, um Fotos vom dortigen Krieg zu schießen (Panel 76). Er fährt aber nicht nach San Monte sondern nach Was- Seite 136 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung hington D.C. (Panel 77). Dort belauscht er mit Hilfe seiner Superkräfte (Panel 81) einen Senator, der von einem zwielichtigen Mann bestochen wird (Panel 78 – 85). Daraufhin ergreift er den Mann und springt mit ihm über Häuser- dächer, um ihn einzuschüchtern und zum Reden zu bringen (Panel 86 – 96). Hier bricht die Geschichte ab um im nächsten Heft fortgesetzt zu werden.

Es lässt sich eine starke Beliebigkeit in der chronologischen Abfolge der Handlungsstränge feststellen. Auch wenn der Comic mit schriftlichen Über- leitungen («the next day», etc.) suggeriert, es handele sich um eine zusam- menhängende Geschichte, sind es doch eher sehr kurze, abgeschlossene Epi- soden, die keinen Zusammenhang haben und daher beliebig ausgetauscht werden könnten. Beispielsweise würde es keinen Unterschied machen, wenn die Verhinderung der Hinrichtung (Panel 10 – 28) nach den Erlebnissen mit Loise Lane (Panel 45 – 75) stattfände. Ebenso gut könnte die vorrausgehende Bestrafung des aggressiven Ehemannes (Panel 35 – 44) später oder ganz am Anfang stattfinden, ohne dass an irgendeiner Stelle des Heftes eine sinnent- fremdende Störung der Kontinuität vorläge. Ein weiteres Argument gegen eine künstlerische Komposition dieser Ge- schichte ist die Existenz diverse Einwürfe, die keine erkennbare Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung haben: das Mädchen, welches Super- man am Anfang trägt (Panel 8 – 9), der Kampf gegen den erneut auftauchen- den, eigentlich schon im Vorfeld gründlich besiegten Butler (Panel 21 – 24) oder der von Superman verstörte Bürgermeisters (Panel 31). Diese Zwischen- sequenzen dienen lediglich der Darstellung der sensationellen Eigenschaf- ten des Protagonisten oder zur Einstreuung von Actionszenen.93 Im Übrigen überwiegen diese gegenüber den Handlungstragenden Sequenzen bei wei- tem. Von den 96 Panels sind es alleine 66, in denen Superkräfte demonstriert werden, in denen gekämpft und gestritten wird (Panel 1 - 7, 8 - 9, 10 – 19, 21

+++++++++++++++++++++++++ 93 Ob das scheinbar völlig willkürliche Panel 76 noch einen sinnvollen Zusammenhang erhält kann aufgrund der nicht vorliegenden Fortsetzung des letzten Teiles der Geschichte nicht beantwortet werden. Die Reputation des Comics als triviale literarische Gattung Seite 137

– 24, 36 – 41, 46 – 53, 54 – 70, 81, 86 – 96). Die Handlung wird während dieser Szenen kaum vorangebracht, man könnte sie auf wenige Bilder reduzieren ohne die Geschichte zu verändern. Von durchdachter Komposition, in der alle Elemente ihre sinntragende Funktion erfüllen (siehe Kapitel 3.2.4.), ist also kaum zu sprechen, was schon durch den direkten, überfallartigen Ein- stieg, die sofortige Aktion konstituiert wird. Der damit unkünstlerische, willkürliche Aufbau ist natürlich je nach Serie unterschiedlich stark ausgeprägt, ebenso gibt es einige wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel WILL EISNERS Spirit von 1940 (siehe Kapitel 2.3.2.11.). Ins- gesamt kann dies jedoch als charakteristisch für das Genre der Abenteuer-Co- mics dieser Zeit gesehen werden (vgl. RIHA, 1970, S.8). Ebenso haben die kur- zen Gag-Strips in den Zeitungen, die in den 40er Jahren im Vergleich zu den Comic-Books recht unbedeutend wurden, keine übergeordnete Komposition. Auch die in Fortsetzung erscheinenden Strips sind so ausgelegt, dass sie mit jeder Episode eine in sich abgeschlossene Pointe enthalten. Die weitergeführ- te Handlung ist somit eher hintergründig. Dabei spricht auch die Einfluss- nahme auf den Verlauf vieler populärer Fortsetzungsserien durch Leserbriefe (siehe Kapitel 2.3.1.3.) gegen eine im Voraus durch den Autor durchdachte Geschichte. Die Anfang der 40er Jahre aufkommenden edjucational comics (siehe Kapitel 2.3.2.11.) könnten in dieser Hinsicht eine Ausnahme darstellen, da sich unter ihnen auch zahlreiche Übernahmen weltliterarischer Klassiker befinden. Hierzu ist allerdings zu sagen, dass diese Comic-Adaptionen dem damals standardisierten Heft-Format von 32 oder 64 Seiten unterlagen (vgl.

FUCHS/REITBERGER, 1971, S.24). Eine Übertragung war somit kaum möglich, ohne die Handlung stark zu verkürzen94 und damit die Struktur zu zerstören.

+++++++++++++++++++++++++ 94 Besonders stark auf wörtliche Rede basierende Werke wie SHAKESPEARS Dramen benötigen für eine originalge- treue Umsetzung als Comic tendenziell mehr Umfang als die reine Textversion, da zu der Schrift, die möglichst nicht verkürzt werden darf, noch die Bilder hinzukommen. FALK NORDMANNS buchstäbliche Realisierung von GOE- THES Faust als Comic ist ein Beispiel, dass eine solches Unternehmen prinzipiell durchaus möglich ist, ohne die Vorlage zu beschneiden. Im Gegensatz zu den Adaptionen der 40er, 50er und 60er liegt diesem Werk aber die nötige formale Freiheit der 90er Jahre zu Grunde, es fasst 180 großformatige Seiten. Seite 138 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Im Übrigen erfordert eine wertvolle Adaption ein hohes Maß an Kongeniali- tät, die sicherlich nicht immer gegeben ist.

4.1.6.3.4. Ergebnis Die Betrachtung des gängigen Comics vor den 60er Jahren bietet nach der Kunst-Kitsch Theorie ein Bild sehr trivialer Inhalte. Natürlich gibt es in dem

Zeitraum seit 1895 Ausnahmen, wie zum Beispiel MCCAYS Little Nemo, HER-

RIMANS Krazy Kat, KELLYS Pogo oder EISNERS Spirit, die durchaus künstlerische Ambitionen oder wenigstens intellektuelle, vielschichtige Aussage verfolgten. Von künstlerischen Strömungen und einem breiten Markt an anspruchsvol- len Inhalten kann aber nicht die Rede sein (vgl. Kapitel 2.3.1. und 2.3.2.), vor allem nicht, wenn man die enorme Flut trivialer Titel bedenkt. In Anbetracht dessen ist die schlechte Reputation wie auch ein Teil der geübten Kritik in den 50er Jahre durchaus nachvollziehbar.

Der damaligen Sichtweise des Comics als einem trivialen Gegenstand liegt aber ein tiefgreifender Fehler zu Grunde:

«In den fünfziger Jahren [..] suchte man zu einem großen Teil alles in Comics augenfällig Dumme, Schlechte und Triviale dem Grundmuster des Mediums selbst – auch dem psychischen Grundmuster seiner Leser – zuzuschreiben» (KNILLI/ZIELIN- SKI, 1989, S.7).

Oder, wie es KAGELMANN 1987 formuliert:

«Damals hat man nicht verstanden, daß ein neues Medium entstanden war, das sich mit all seinen Schwächen und Nachteilen den traditionellen Kommuni- kationsgewohnheiten entzog und den Anspruch erhob, differenziert […] betrach- tet zu werden» (1987, S. 17).

Man trennte die Inhalte also nicht von der speziellen Kommunikations- form als übergeordnetem Medium, pauschalisierte die bisher realisierten spe- zifischen Themen als weitgehende Ausschöpfung der generellen Möglichkei- ten des Comics. Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 139

Die zuletzt zitierten, in der Retrospektive geschriebenen Äußerungen, im- plizieren ein neues Bild, das sich von dem Phänomen des Comics in der Forschung etabliert hat. Der Prozess der Umorientierung begann in den 60er Jahren.

4.2. Die Neuorientierung bezüglich des Comics

4.2.1. Die Bildende Kunst entdeckt den Comic

In den 60er Jahren flaute die Hetze gegen die Comics langsam ab, wofür

HAVAS die verstärkte Verbreitung des Fernsehens verantwortlich macht, das zum neuen Gegenstand pädagogischer und psychologischer Besorgnis wur- de (vgl. 2001, S. 25). Jedoch begann Ende dieses Jahrzehnts auch eine neue Haltung gegenüber dem Phänomen bezüglich seiner Klassifikation, wie ein verändertes gesellschaftliches Ansehens: In den 60er Jahren

«treten die Comics aus ihrem kulturellen Ghetto, in das sie verbannt waren [...] und werden zum Forschungsthema für Psychologen, Soziologen, Pädagogen und Literaturwissenschaftler» (BECCIU, S.158 nach Holz, 1980, S. 140).

Die ersten Strömungen, die dem Comic zu neuer Aufmerksamkeit verhal- fen, kamen aus der Bildenden Kunst. Die Bewegung der Pop-Art griff Anfang der 60er Jahre die Welt des Massenkonsums auf und begann, sich in diesem

Zusammenhang für den Comic zu interessieren (vgl. KNIGGE, 2004 a, S. 258.).

Neben ANDY WARHOL war es vor allem der Pop-Art Künstler ROY LICHTENSTEIN, dessen Ausstellungen eine breite Resonanz erfuhren.

«Lichtenstein löste einzelne, besonders typische Comics-Zeichnungen aus ih- rem Zusammenhang, erhob sie, indem er sie zum Gemälde vergrößerte, ins Inter- essenfeld der Kunst und offerierte sie als bisher unterschlagenen Gegenstand dem kritischen Bewußtsein» (RIHA, 1970, S. 31).

Das Ziel der Pop-Art war es, eine unmittelbare Wirklichkeitserfassung, eine Dokumentation der tatsächlichen Gesellschaftsrealität zu leisten, um die Seite 140 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Wahrnehmung des Betrachters für selbige zu sensibilisieren. Daher wurde die Hinwendung zur Massenkultur vollzogen, als Gegenbewegung zum abstrak- ten, als übermäßig intellektuell und subjektiv empfundenen Expressionismus der 40er und 50er Jahre95. Auch wenn die Pop-Art versuchte, den Kunstbe- griff hinsichtlich des Massenkonsums zu erweitern, bestätigte sie den Comic durch ihre Zitate also in seiner Begrifflichkeit als trivialen Massenartikel (vgl.

PALANDT, 2006, S. 38), bescherte ihm gleichzeitig aber eine neue Form von Aufmerksamkeit auf internationaler Ebene: In Frankreich begann etwa zur Entstehung der amerikanischen Pop-Art ebenfalls eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Comic. 1962 wurde – unter anderem durch Mitwirkung des Chefredakteurs von Pilote und Aste- rix-Erfinders RENÉ GOSCINNY (siehe Kapitel 2.3.3.2.) – die Gruppierung Center d‘Etude des litèratures d’Expression Graphique gegründet, die die erste euro- päische Zeitschrift über Comics mit dem Namen Giff-Wiff publizierte. Von diesem Klub spaltete sich 1964 die Société civil dÉtudes et de Recherches des

Litératures Dessiées (SOCERLID) ab (vgl. KNIGGE, 1989, S. 194 ff.). COUPERIE und MOLITERNI, zwei Gründungsmitglieder der SOCERLID, schreiben über die Motive dieser Forschungsgesellschaft:

« Wir gehen von dem Grundgedanken aus, daß der Comic Strip trotz seines Welterfolges verkannt wird; die Leute lesen ihn, ohne ihn wirklich anzusehen, sie gehen mit Vorurteilen an ihn heran, und sie sehen nicht das Gute und das Schlechte in ihm. Wir wollten den Comic Strip bekannt machen; wir wollten das Publikum dazu bringen, ihn genauer zu betrachten, indem wir photographische Vergrößerungen von sorgfältig ausgewählten Comics in Ausstellungen zeigten. Unser erstes Ziel war es, das Interesse der Kunstkritiker zu erwecken und über die- se das Publikum zu erreichen. Ein Nebenziel war es, die übliche Pop-Art lächerlich zu machen, die ja den Comic kopierte.» (COUPERIE/MOLITERNI, 1973, S. 32).

Ziel dieser Gesellschaft war es also, «eine ernste Erforschung des immensen

Gebietes der Bildergeschichte» (COUPERIE/MOLITERNI, 1973, S. 32) einzuleiten und dem Comic einen neuen, kulturfähigen Stellwert in der Gesellschaft zu

+++++++++++++++++++++++++ 95 Vgl. JAENSCH, DANIEL; Artikel: Pop Art; Auf: Daniel´s Artpage; URL: http://ddragon.interratec.de (Aufgerufen 1. Juli 2007) oder auch RIHA, 1970, S. 31. Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 141 ermöglichen. Zu diesem Zweck organisierte sie in bewusster Opposition zur Pop-Art, die den Comic wie beschrieben als Sinnbild für Trivialität und Mas- senkonsum zitierte, 1965 die Ausstellung 10 000 000 d’Images in der Galerie de la Sociéte Francaise de Photographie in Paris. Nach einem außerordentli- chen Erfolg bei Kritikern und Publikum folgten 1966 zwei Weitere (vgl. COU-

PERIE/MOLITERNI, 1973, S. 32). Von 1966 bis 1977 veröffentlichte SOCERLID das Comic-Fachmagazin Phénix, dessen fundierter Journalismus und exakte Recherche sowie Sach- kenntnis laut KNIGGE bis heute kaum übertroffen wurden (vgl. 1989, S. 196). 1967 gelang es der Gesellschaft, den Comic in die Sphäre der altehrwürdigen, hohen Kunst zu bringen: Im Musée des Arts Décorativs auf dem Palais du Louvre in Paris organisierte man die großangelegte Ausstellung Bandes Des- sinée et Figuration Narrative (vgl. KNIGGE, 1989, S. 195). Diverse französische Künstlergemeinschaften entdeckten in den 60ern die Comics. So zum Beispiel die Nouvelle Vague, eine Strömung des Kinofilms, die Ende der 50er Jahre entstand und unter anderem ästhetische Bezüge wie auch Beispiele für Adaptionen in ihren Werken verwirklichte. (vgl. RIHA,

1970, S. 33). PALANDT schreibt weiterhin:

«In den Pariser Studentenunruhen von 1968 trat besonders die Künstlergrup- pe der Situationisten hervor, die ihren Protest gegen Gesellschaft und Staat u.a. durch Comic-Plakate und – Flugblätter äußerten» (2006, S. 38).

Die Bildende Kunst nahm sich dem Comic auch in Deutschland an. 1969 wurde die Ausstellung Comic Strips in Berlin, Mannheim und Nürnberg ge- zeigt, ein Jahr später folgte eine Ausstellung des Kunsthauses Hamburg (vgl.

SEGEBRECHT, 1971, S. 258). Dies blieb nicht ohne Folgen für die Reputation des Comics. 4.2.2. Die Wissenschaft entdeckt den Comic neu Seite 142 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Im Zuge des neu entstandenen Interesses an den Comics begann eine völ- lig neue wissenschaftliche Diskussion um den Gegenstand. Die Rezeptionen der Bildenden Kunst waren der

«Anlaß, daß man sich allenthalben - intensiver als bisher - mit der Comic-Li- teratur selbst zu beschäftigen begann; auch in Europa. […] Soziologen, Psycho- logen, Kunst- und Literaturhistoriker meldeten sich zu Wort und belegten mit wissenschaftlichem Anspruch, was bis dahin – als Schmutz-und-Schund-Literatur attackiert – allzu ausschließlich im Zeichen einer hektischen und selbst nicht un- gefährlichen Polemik gestanden hatte. Mit differenzierter Methode differenzierte sich auch der Gegenstand» (RIHA, 1970, S. 7).

Diese Differenzierung des Gegenstandes ist der eigentliche Bruch, durch den eine Neuorientierung in Bezug auf die Comics vollzogen wurde. Es ent- stand international diverse Sekundärliteratur, die über eine spezielle Semio- tik des Comics, seinen eigentümlichen Kommunikationscode nachdachte:

Eine der ersten bedeutenden Untersuchungen über die Eigenart des Co- mics veröffentlicht der Italiener UMBERTO ECO 1964. In seinem Aufsatz Lek- türe von «Steve Canyon» in Apokalyptiker und Integrierte beschreibt er an- hand der Analyse eines Comic-Strips eine spezifische «Semantik des Comic«

(ECO, 1964, S. 127). Zu den Grundelementen dieser Semantik zählt er den ikonologischen Ka- non der graphischen Elemente96, die Verwendung der Sprechblasen mit ihrer graphischen Gestaltung97 und die Onomatopoetika, die als «visuelle Pedan- ten des Geräuschs» verwendet werden (vgl. a.a.O., S. 126). Des Weiteren er- kennt er eine «Grammatik» der dem Comic zu Grunde liegenden Darstellung (vgl. a.a.O., S. 127 f.): Zunächst verweist er diesbezüglich auf die verwende- ten bildlichen Perspektiven, die mit der Technik des Filmes verwand seien, und erklärt im Folgenden die Funktionen der Wort-Bild-Relation: «Innerhalb des Einzelbildes gliedern sich die semantischen Faktoren [..] in einer Reihe von Beziehungen zwischen Wort und Bild: So gibt es, beispielsweise, eine Komplementarität aus Mangel (das Wort drückt eine Haltung aus, die das Bild nicht in allen ihren Folgen wiederzugeben vermag); den pleonastischen Über- Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 143

schuss des Gesprochenen, das dazwischenfährt, um ständig etwas zu erklären, das in Wirklichkeit längst klargeworden ist […]; eine Art ironische Unabhängigkeit von Wort und Bild, die bestimmte Comics bevorzugen, in denen die vordergrün- digen Ereignisse von hintergründigen […] Einfällen begleitet oder konterkariert werden […]; in anderen Fällen ist diese Unabhängigkeit nicht an Ironie gekoppelt, sondern an die Dynamik des Visuellen, die uns aus bis in die letzte Einzelheit ausgearbeiteten Bildausschnitte entgegentritt, in denen eine ungezügelte Lust an der Ausschmückung die kommunikativen Gehalte der Botschaft zwar überwäl- tigt, aber die Szene mit Anekdoten bereichert, die für sich selbst genossen werden sollen […]; sodann gibt es Fälle, bei denen der Überfluß an visuellen Einzelheiten und das Gewicht des Gesprochenen sich verbinden zu einer Darstellungsform mit kinematographischer Wirkung» (a.a.O., S. 128).

ECO sieht außerdem in dem Verhältnis der aufeinanderfolgenden Bilder des Comics eine spezifische, originale Syntax. Der Comic erschaffe im Ge- gensatz zum Film ein Kontinuum, indem er wenige wesentliche Elemente der Geschichte zeige. Durch diese «faktische Diskontinuität» erschaffe der Comic eine Art «ideelle Kontinuität», die der Betrachter in der Phantasie ver- binde und als Zusammenhang wahrnehme (vgl. a.a.O., S. 128 f.). Er folgert aus seinen Untersuchungen eine «originale kommunikative Technik» mit «eigentümlichen Strukturelementen», die «nach bisher unbe- kannten Gestaltungsgesetzen eine Botschaft artikulieren» (a.a.O., S. 130 f.).

+++++++++++++++++++++++++ 96 Zu diesem Kanon zählt er die «verschiedenen Verfahren der Visualisierung von Metaphern oder Gleichnissen» (S. 126), also graphische Elemente wie die Glühbirne, die die Idee einer Figur verdeutlichen oder Sternchen, die Schmerz visualisieren (siehe Kapitel 2.3.1.1.).

97 Die Gestaltung der Sprechblasen kann je nach graphischer Ausführung diverse Konnotationen tragen. So bedeutet zum Beispiel gezackte Umrisse eine erhöhte Lautstärke oder Wut, eine Wolkenhafte Sprechblase, die nur mit Bläschen auf die Figur verweist verdeutlicht, dass der getragene Text nicht gesprochen, sondern gedacht oder geträumt ist etc.

Abb. 29, 30, 31 Seite 144 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Für Deutschland bezeichnet

SCHWENDER die Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste 1969 (siehe Kapitel 4.2.1.) als den initiie- renden Anlass für einen weiterfüh- renden wissenschaftlichen Diskurs (vgl. 1989, S. 81). In dem zu die- sem Ereignis veröffentlichen Kata- log befinden sich einige Aufsätze,

unter anderem der von WOLFANG

FAUST, in dem er die Eigentümlich- keit der durch den Comic verwirk- lichten Kommunikation zwischen Leser und Autor untersucht. Seine These lautet, wer Comics Abb. 32 rezipieren wolle, müsse «ein neues ‹Lesen› entwickeln, das weit über den Bereich der Erfassung verbaler Aussagen hinausgeht» (FAUST, 1969, S. 28). Er stellt klar, dass die Aufschlüsselung von Comics nicht durch die Betrachtung von Wort und Bild geschieht, sondern durch das Verständnis des Zusammenspieles beider (vgl. S. 28). Dies belegt er mit der Interpretation eines einzelnen Superman-Covers (siehe Abb. 32), mit der er aufzeigt, wie integrierte verbalen Aussagen durch die zu ihr konträr stehende bildliche Kulisse und graphische Gestaltung98 relativiert und um- gedeutet werden. Das Verhältnis eines anderen Teils des enthaltenen Textes99 zum Bild beschreibt er in Ermangelung eines «geeigneten Begriffsinstrumen- tariums» (a.a.O., S. 28) metaphorisch als den syntaktischen Zusammenhang

+++++++++++++++++++++++++ 98 Der deprimiert wirkende Superman und die öde, menschenlehre Straße voller Unrat steht im Kontrast zu der enthusiastischen verbalen Aussage der Zeitungen, deren Schlagzeilen das Paradies auf Erden sowie das Ende von Kriminalität, Krieg und Katastrophen proklamieren (siehe Abb. 32).

99 Die Gedanken Supermans in den Denkblasen untermauern den Eindruck der durch das Bild gewonnen wird («I´m through, finished…») und erklähren die Gründe für die Stimmung («They don´t need Superman anymo- re…»). Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 145 eines Hauptsatzes und eines Kausalsatzes (a.a.O., S. 31). Durch diese Wechselwirkung erst eröffnet sich die eigentliche Aussage der Szene der Interpretation des Betrachters (vgl. a.a.O., S. 28 ff.).

In Frankreich gab es ähnliche Untersuchungen. ROMÁN GUBERN beschreibt 1973 die Semiotik der Comics als die «Verbindung zweier sehr unterschiedli- cher Sprachen, der optischen und der verbalen» (GUBERN, 1973, S. 49). Dabei stünden die graphischen Zeichen in einer konkreteren Beziehung zur Reali- tät als die verbalen, denn Töne könnten nur auf Wesen oder Gegenstände verweisen, während die optische Wiedergabe bildlich vor Augen führe (vgl. S. 29). Er verweist auch auf den zeitlichen Charakter, der den Abbildungen zu Grunde liegt:

«Diese Dimension erwächst aus der abgebildeten Handlung, der der Leser dank seiner Phantasie eine reale Dauer zuschreibt. Einen noch wichtigeren Beitrag zum Aufbau dieser zeitlichen Dimension leisten die Dialogtexte. Der Leser setzt bei ih- rer Lektüre voraus, daß sie sich in dem Zeitraum abwickeln, der im Bild dargestellt ist» (a.a.O., S. 51).

Im Weiteren attestiert er dem Comic eine nahe ästhetische Verwandtschaft zum Film, indem er eine cineastische Terminologie zur Beschreibung der per- spektivischen Darstellungsweisen im Comic verwendet. Die Techniken der Großaufnahme100, der Mittleren Einstellung101, der Amerikanischen Einstel- lung102 und der Totalen103 sind angeführte Beispiele (vgl. a.a.O., S. 51), wobei er verdeutlicht, dass die Kameraperspektive ein dramaturgisches Mittel sei und Konnotationscharakter besitze (vgl. a.a.O., S. 57). Auch auf die räumliche Anordnung von Elementen im Comic geht er ein.

Im Gegensatz zu WERTHAMS Theorie, die Sprechblasen seien chaotisch auf

+++++++++++++++++++++++++ 100 Eine Kameraperspektive, bei der der Kopf einer Person das ganze Bild einnimmt. Details und Gesichtszüge sind gut erkennbar (vgl. Gubern, 1973, S. 51).

101 Eine Person wird zur Hälfte gezeigt (vgl. Gubern, 1973, S. 51).

102 Eine Person wird bis zu den Knien gezeigt (vgl. Gubern, 1973, S. 51).

103 Eine Person wird in ihrer Gesamtheit gezeigt, nimmt also das ganze Bild ein (vgl. Gubern, 1973, S. 51). Seite 146 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

dem Bild verteilt (siehe Kapitel 4.1.3.), beschreibt GUBERN ein festes Prinzip, dass ihre Abfolge festlegt. Im Wesentlichen handele es sich hierbei um die abendländische Lese- und Schreibgewohnheit von links oben nach rechts unten (vgl. a.a.O., S. 51 f.).

Bezüglich der Sprechblasen weist er außerdem im Einklang mit ECO (s.o.) auf verschiedene symbolische Konventionen hin. Er beschreibt die Konnotationen für die wörtliche Rede, die durch die graphische Ausführung der Sprechblasen erzeugt würden (vgl. a.a.O., S. 52), erkennt diese gestalterischen Möglichkeiten aber auch für die Darstellung der lautmalenden Wörter, die im Comic zur Vi- sualisierung von akustischen Geräuschen dienen104 (vgl. a.a.O., S. 53). Neben den metaphorischen oder metonymischen graphischen Metaphern, die er als Ausdruck von Seelenzuständen bespricht, untersucht er die Speed- lines als spezifische Vokabel der Comic-Darstellung (vgl. a.a.O., S. 53 f.). Da- raufhin dehnt er seine Untersuchung auf weitere spezielle dramaturgische Techniken aus, auf die der Comic-Zeichner zurückgreifen kann. Zum Beispiel beschreibt er eine Darstellungsweise, die er «analytische Montage» nennt. Hierbei wird eine Szene in eine Reihe sehr eng aufeinanderfolgender Nahauf- nahmen zerlegt, was den Eindruck des Dehnens des gezeigten Zeitabschnit- tes erzeuge, ein Effekt ähnlich der filmischen Zeitlupe (vgl. a.a.O., S. 57). Der Comic beruht seines Erachtens auf dem Prinzip der Ellipse, also auf der Auslassung von räumlich-zeitlichen Zwischenstücken. Seiner Meinung

+++++++++++++++++++++++++ 104 Er gibt hier keine konkreten Beispiele, jedoch lässt sich die gemeinte konnotative Qualität der graphischen Darstellungsweise eines Textes leicht mit der folgende Abbildung verdeutlichen. Das Motorgeräusch «TSCHUGG» wird zur Fahrtrichtung des Bootes hin immer kleiner und dünner geschrieben. Dies verdeutlicht, dass die subjek- tive Lautstärke für die Protagonisten links unten im Bild und den fest positionierten Leser mit der zunehmenden Entfernung, die das Schiff in der durch das Panel beschriebenen Zeitspanne zurücklegt (siehe auch die Spur im Wasser), abnimmt. Das Geräusch wird so zu sagen «dünner», genau wie die Schrift.

Abb. 33 + Ausschnitt Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 147 nach werden nur die wichtigen Momentaufnahmen des dargestellten Raum- Zeit-Kontinuums gezeigt, ausgespart bleiben die Momente von sekundärem Interesse (vgl. a.a.O., S. 56). Schlussendlich beschreibt er die Rezeption von Comics als einen Vorgang in mehreren wiederkehrenden Phasen:

«a) Lektüre des Einzelbildes; b) Lektüre seines Textes; c) Integration der phone- tischen und graphischen Botschaften im Rahmen eines globalen Verständnisses des Bildes; der Leser schließt aus den Dialogen und der abgebildeten Handlung auf den zeitlichen Zusammenhang; d) logische Verkettung mit dem folgenden Bild, in dem die Operation a), b) und c) aufs neue vorgenommen werden» (a.a.O., S. 57).

Daraus folgert er:

«es handelt sich um eine Form der Lektüre, die im Prinzip höhere technische Anforderungen stellt, als die naturalistischere Filmsprache» (a.a.O., S. 57).

In Deutschland beleuchtet HERMANN HINKEL 1974 die Visualisierungsme- chanismen des Comics. Er untersucht Aufbau und Gliederung der Heftseiten verschiedener Comics und stellt fest, dass Form, Größe, Anzahl und Anord- nung der einzelnen Panels, sowie die graphische Gestaltung ihrer Rahmen als ein dramaturgisches Mittel zur Visualisierung genutzt werden105. Die Blattaufteilung korrespondiere also mit dem Inhalt (vgl. 1974, 105 ff.). Er be- schreibt weiterhin wie GUBERN (s.o.) die filmästhetische Kameraperspektive als Visualisierungsmittel, spricht aber weiterführend auch dem Blickwinkel des Bildes inhaltstragende Qualität zu106 (vgl. 1974, S. 120 f.).

Was bedeuten solcherlei Ergebnisse für die bisherige Klassifikation des Co- mics als literarische Gattung?

+++++++++++++++++++++++++ 105 Er zeigt zum Beispiel, wie eine unruhige Bildordnung die Hektik des Gesehenes optisch verstärkt (vgl. a.a.O., S. 110) oder immer breiter werdende Bildstreifen den Eindruck erwecken, das ausschnitthafte Geschehen komme immer stärker auf den Betrachter zu (vgl. a.a.O., S. 117).

106 Als Beispiel bildet er ein Comic ab, in dem eine einzelne Szene (einige Rennwagen kurz vor dem Start) aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt wird um die Spannung zu erhöhen (vgl. a.a.O., S. 120). Seite 148 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

4.2.3. Eine neue Klassifikation

Die angegebenen Untersuchungen von ECO, SCHWENDER, GUBERN UND HIN-

KEL sollen neben den mannigfaltigen Möglichkeiten, die in der Ausdrucks- form des Comics stecken, exemplarisch den Trend der 60er und 70er Jahre (siehe auch Abb. 29, 30, 31, 33) auf internationaler Ebene verdeutlichen107.

KRAFFT fasst die neuen Erkenntnisse 1978 zusammen:

«Man muß ihn [den Comic a.d.V.] lesen lernen, was bei Kindern spielend ge- schieht, Erwachsenen aber gelegentlich Schwierigkeiten bereitet. Dem entspricht

Abb. 34: Die Beschäftigung DEr Sekundärliteratur Mit comics

die in der Literatur immer wieder geäußerte Ansicht, daß es eine spezifische ‹Co- mic-Sprache› gebe, daß der Comic ein eigenständiges Medium, ein eigenständiges Kommunikationsmittel oder Zeichensystem sei» (S. 11).

Man begann also, dem Comic eine eigenständige Semiotik zuzusprechen

+++++++++++++++++++++++++

107 Weitere Artikel oder Veröffentlichungen der späten 60er und frühen 70er Jahre, die sich mit der Struktur und Kommunikationsweise der Comics befassen, sind zum Beispiel ALFRED C. BAUMGÄRTNER Die Welt der Comics als semiologisches System. Ansätze zur Decodierung eines Mythos; DUNGER/HEYERMANN/KNILLI/… Comic - Vorschule des Fernsehens; JUTTA WERMKE Wozu COMICs gut sind?! oder Brück Zur Theorie des Comics. Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 149 und ihn von seiner Begrifflichkeit als Teilbereich der Literatur zu trennen.

SEGEBRECHTS 1971 geäußerte Kritik an der Kritik der Comic-Sprache aus den 50er Jahre ist diesbezüglich bezeichnend:

«Ein Wort schließlich über die Sprechblasen-»Sprache» der Comics, deren Sim- plizität, Wortarmut und restringierte Grammatik ein gern anvisierter Zielpunkt der Kritik ist. Zwar gibt es auch hier geteilte Meinungen […]; entscheidender dürf- te jedoch die Überlegung sein, ob die besondere Ausdrucksform Comics mit den von der Wortkultur entwickelten und auf sie bezogenen Kriterien überhaupt faß- bar ist. Gewiß, die Comic-Strips erzählen Vorfälle oder Geschichten; aber sie tun es eben nicht in erster Linie mit Hilfe von aufeinander verweisenden Wort- und Satzfolgen, sondern durch Bildsequenzen. Ein Bildmedium also, schneller, vorr- aussetzungsloser, einfacher zugänglich als jedes noch so volkstümliche literari- sche Werk» (1971, S. 259).

Ebenso ZIMMERMAN 1974:

«Die Comic strips haben Anteil an der Geschichte der Bildenden Kunst und der Literatur, zeigen jedoch im Grunde, daß ein solches Phänomen nicht innerhalb herkömmlicher Fachgrenzen zu erörtern ist, daß diese Grenzen also hinfällig wer- den» (1974, S. 262).

THEODOR KÜNNEMANN beschreibt sie im selben Jahr als eine «neue Form der nonverbalen Massenkommunikation» (1974, S. 127). Den Comic als neutrales Medium (s.o.) zu erkennen bedeutet auch, ihn von inhaltlich-thematischen Konventionen zu trennen. BRÜGGEMANN führt in seiner Definition im Lexikon der Pädagogik 1969 aus:

«Ihrer Struktur nach sind die Comic Strips als Bereicherung der traditionellen Ausdrucksmöglichkeiten durch Wort und Bild zu betrachten und sind als solche offen für eine differenzierte Entwicklung in formaler, inhaltlicher und kommuni- kativer Hinsicht» (1969, S. 256., zitiert nach Segebrecht, 1971, S. 258).

Dies bedeutet im vorliegenden Fall vor allem die Erkenntnis, dass der Co- mic als Kommunikationssystem nicht wie bisher angenommen (siehe Ka- pitel 4.1.3. und 4.1.4.) generell auf triviale Inhalte zu beschränken ist. Man begann, die Möglichkeiten individueller, künstlerischer Ausdrucksweise zu erkennen, die dem Comic prinzipiell innewohnten. Demzufolge gesellte sich zu der neuen Klassifizierung als neutrales Medium auch die Bezeichnung als eigenständige Kunstform hinzu. Seite 150 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Pionier in dieser Beziehung war der Franzose MORRIS, Erfinder des Comic- Bestsellers Lucky Luke (siehe Kapitel 2.3.2.11.), als er für den Comic diesen Status forderte.

«Zusammen mit seinem Kollegen Pierre Vankeer veröffentlichte er von 1964 bis 1967 im Magazin Spirou ‹La chronique du gème Art› – eine wirklich bahnbre- chende Artikelserie zu einer Zeit, als die Comic-Sekundärliteratur allenfalls in den Kinderschuhen steckte» (Jurgeit, 2006, S. 57).

In dieser ersann er für den Comic die Bezeichnung der «Neunten Kunst». Die rege Debatte, die in Frankreich vor allem nach der Ausstellung 1967 im Musée des Arts Décorativs (siehe Kapitel 4.2.1.) begann, griff diese Bezeich- nung auf und machte sie zum diskutierten Begriff (vgl. JURGEIT, 2006, S. 57).

So war MORRIS 1971 schließlich Erfolg beschieden: der Literaturwissenschaft- ler FRANCIS LACASSIN nahm den Comic mit der Bezeichnung «neuvièm art» in die rennomierte Grande encyclopédie alphabétique Larousse auf (vgl. KNIG-

GE, 2004 a, S.235).108 In Amerika war es ein Gerichtsbeschluss, durch den der Comic 1969 zum ersten mal von offizieller Seite zur Kunstform erklärt wurde. MORT WALKER über- ließ dem Forschungszentrum der Syracuse University, das Manuskripte und Kunstwerke sammelte, über tausend Originalzeichnungen seines Strips Beetle Bailey (siehe Kapitel 2.3.2.11.). Er wollte diese Stiftung von der Steuer absetzen lassen und so wurde in einem Musterprozess entschieden, ob es sich bei den Zeichnungen um handwerkliche Produkte oder preziose Kunst handele. Das

+++++++++++++++++++++++++ 108 Die Nummerierung als «neunte» Kunst geht auf die Bildenden Künste zurück: Laut JURGEIT ging MORRIS von die- ser Zahl aus, weil «damals der Film für sich beanspruchte, die siebente Kunst zu sein. Morris nahm dann an, dass das Fernsehen halt als Kunst Nummer 8 folgen müsse, worauf er schnell den 9. Platz für den Comic reklamierte» (2006, S. 57). ANDREAS DIERKS zitiert hierzu die Aufzählung im BÉRA/DENNI/MELLOT (B.D.M.), dem französischsprachi- gen Preiskatalog für Comics. Der Comic erhält seine Klassifizierung laut diesem als

«9. der bildenden Künste (Kunst des Raumes und der Gestalt). Erinnern wir uns bei dieser Gelegen- heit, dass die ersten fünf Künste die Architektur, die Malerei, die Bildhauerei, die Grafik [Anm. d.Üb.: Holzschnitt, Kupfer-/Stahlstich, Radierung, Handzeichnung, Lithographie] und die Zeichenkunst sind. Dann folgten in chronologischer Reihenfolge als 6. die Fotografie, als 7. das Kino, als 8. das Fernsehen. Die Soziologin Evelyne Sullerot hat hinter der 9. Kunst, dem Comic, als 10. Kunst den Fotoroman vor- geschlagen, bald wird man vielleicht von Multimedia als 11. Kunst sprechen.» (aus dem französischen übersetzt von ANDREAS DIERKS; Artikel: F.A.Q. Auf: Comic.de. URL: www.comic.de/helferlein/faq2.html Aufgerufen 6. Juli 2007). Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 151

Urteil der Geschworenen fiel auf letzteres (vgl. FUCHS/REITBERGER, 1971, S. 223).

4.2.4.Kunstgeschichtliche Begründung für das Umdenken

Solche Präzedenzfälle in Bezug auf die Klassifizierung als Kunst verdankt die Comic-Welt nicht nur wissenschaftlichen Betrachtungen. Sie gehen vor allem auf Entwicklungen des Comic-Marktes zurück. In den 60er Jahren ka- men zunehmend Comics auf, die sich inhaltlich von der trivialen Masse ab- hoben und eine erwachsene Leserschaft erschlossen: In Amerika war es zu Anfang des Jahrzehnts die neue Welle von Superhel- den des Verlages MARVEL, die die Aufmerksamkeit eines erwachsenen und intellektuellen Publikums auf den Comic richtete (siehe Kapitel 2.3.3.1.) und damit auch die europäische Comic-Landschaft beeinflusste109. Zu dieser Zeit begann aber auch der frankophone Comic, sich überregional auszubreiten. Vor allem Asterix hat der Comic ein europaweit auflebendes Interesse eines erwachsenen Publikums zu verdanken. Außerdem entstand aus der öffent- lichen und juristischen Debatte um Barbarella Mitte der 60er ein offizieller Markt für Erwachsene im Comic-Geschäft, wenn auch bis dahin nur auf- grund erotischer Inhalte (siehe Kapitel 2.3.3.2.). Über den Unterhaltungswert und die im Vergleich zu früheren Comics ge- hobene Qualität von Asterix sind sich die Kritiker einig, jedoch wurde kaum in Frage gestellt, dass es sich dabei um zwar köstliche, aber leichte Unterhal- tung handele110. Ebenso waren die neu konzipierten Superhelden zwar weni-

+++++++++++++++++++++++++ 109 Dies ist wie im Vorwort dieser Arbeit angesprochen schon immer der Fall gewesen. Zur Verdeutlichung noch einmal ein Zitat von PETER HÄRTLING von 1969 über Comics: «Ihr Werdegang wird vor allem in den USA bestimmt, die amerikanischen Streifen erobern […] den europäischen Markt»(1970, S.5). Seite 152 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung ger eindimensional als ihre Vorgänger, bewegten sich aber insgesamt noch111 auf einem Niveau ähnlich der Soap-Operas (vgl. HAVAS/HABARTA, 1993, S.76), also einem unterhaltsam-trivialen. Wichtig an diesen Entwicklungen war, dass sie den Comic in der öffentlichen Aufmerksamkeit aus der Sphäre des Kinderniveaus hoben und damit den mentalen Grundstein legten, ihm die Möglichkeit anspruchsvoller Inhalte zuzugestehen. Die erste echte künstlerische Strömung, die durch das Medium Comic tat- sächlich realisiert wurde, ist in der amerikanischen Underground-Bewegung Ende der 60er Jahre nachzuweisen (siehe Kapitel 2.3.3.3.). Die Intention, mit der die Autoren ihre U-Comix herstellten, war keines- wegs primär die, dem Rezipienten einen einlullenden, sentimentalen Genuß zu liefern, wie es das Wesen des trivialen Gegenstandes und des Kitsches ist (siehe Kapitel 3.2.1.). Ganz im Sinne der Idee von Kunst ging es um eine wei- terführende Aussage (siehe Kapitel 3.2.2.), um das Infragestellen und Über- winden der etablierten ethischen und metaphysischen Konventionen. Ein offensichtlichste Beispiel hierfür ist die exzessive Darstellung von Sexu- alität (siehe Kapitel 2.3.3.3.), die der Kritik und der Veränderung der vorherr- schenden gesellschaftlichen Moralvorstellungen diente: «The underground comix movement was about […] sexual freedom» (ROSENKRANZ, 2002, S.261). Diesbezüglich ist sie ein gutes Beispiel für ein intendiert künstlerisches Re- zeptionsverhalten (siehe Kapitel 3.2.1.). Detailiert dargestellte Sexualität und Geschlechtsmerkmale dienten keinem pornographischen Interesse112, sie

++++++++++++++++++++++ 110 Unübersehbar sei an der Serie laut Stern «ihr alle gängigen Konkurrenzprodukte […] überragender Witz in Wortspiel und Zeichnung» (Artikel: Asterix und die Deutschen in: Stern 2/1974; Zitiert nach Deutsches Asterix Archiv; URL: www.comedix.de/medien/lit/s06.php Aufgerufen 6. Juli 2007). Im gleichen Artikel spricht die Zeit- schrift der Serie aber tiefergehende Absichten als reine Unterhaltung ab, anhand eines Zitates der Asterix-Väter UDERZO und GOSCINNY: «Wir wollen amüsieren» (a.a.O.). HARALD HAVAS vom ORF.ON-Comic-Channel nennt Asterix 1994 eine «geniale belletristische Schöpfung» (Artikel: Medienphänomen Asterix; Zitiert nach Deutsches Asterix Archiv; URL: www.comedix.de/medien/lit/s09.php Aufgerufen 6. Juli 2007). In Hinblick auf den wenig künstleri- schen Charakter der Serie ist auch der Titel des 1974 erschienenen Standartwerkes über selbige von ANDRÉ STOLL bezeichnend: Astérix – das Trivialepos Frankreichs.

111 Dies sollte sich in den 80er Jahren zumindest für einige Produktionen ändern (siehe Kapitel 2.3.3.5.). Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 153 dienten also nicht dem Zweck des oberflächlich stimulierenden Genusses, sondern sollten in Bezug zu herrschenden gesellschaftlichen Sexualvorstel- lungen reflektiert werden. Beispielhaft ist diesbezüglich die Aussage von RO-

BERT CRUMB und , zweier Underground-Zeichner. Sie beschreiben, wie die Arbeiten ihres Kollegen CLAY WILSON ihnen ihre eigenen verinner- lichten sexuellen Tabus offenlegten, die so tief in der Psyche verwurzelt la- gen, dass sie sich derer vorher nicht bewusst waren (vgl. ROSENKRANZ, 2002, S. 87). Die Klischeehaftigkeit des Kitsches (siehe Kapitel 3.2.3.) kann man den Underground-Comix sicher nicht vorwerfen, brachen sie doch bewusst mit allen vorhandenen Normen und Regeln der Comics. Durch sie wurde das Gebiet autobiographischer Erzählungen für den Comic erschlossen, wie auch abstrakter Surrealismus. Die übrigen Thematiken hatten außer in parodisti- schen Momenten kaum Bezug zu bisherigen Genres des Comics (siehe Kapi- tel 2.3.3.3.). Da sie die ersten Comics waren, die nicht periodisch und seri- enmäßig erschienen (vgl. HATFIELD, 2005, S. 16), etablierte sich auch keine standardisierten dramaturgischen Strukturen, ganz im Gegenteil waren sie was ihren Handlungsverlauf angeht völlig unberechenbar. Das Moment des Massenmediums trifft auf den Underground-Comix zu- mindest anfänglich nicht zu. Sie sind nicht auf kommerzielle Verwertbarkeit ausgelegt und dementsprechend auch nicht auf den Geschmack der breiten Masse (siehe Kapitel 2.3.3.3.). Die Underground-Künstler sind die ersten Co- mic-Schaffenden, die außerhalb der etablierten Comic-Industrie arbeiten. Sie sind keinen Deadlines unterworfen, müssen sich nicht nach Editoren und den Vorgaben ihrer Verlage richten und umgehen jegliche Zensur durch das Distributionssystem der Hippie-Szene (siehe Kapitel 2.3.3.3.). Der Comic konnte also von der Situation der Zeichner her als Medium zum Ausdruck

+++++++++++++++++++++++++ 112 Bei der Betrachtung von Werken der wichtigsten Underground-Künstler, wie sie ROSENKRANZ in seinem um- fangreichen Werk zahlreich abbildet, ist zu ersehen, dass die häufig dargestellten sexuellen Motive so gut wie nie eine erotische oder der Pornographie ähnliche Ästhetik besitzen. Sie stehen in der Regel in einem grotesken Zusammenhang und weisen meistens einen karikaturistischen Zeichenstil auf (vgl. auch SKINN, 2004, S. 60 ff.). Seite 154 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung persönlicher Wirklichkeitserfahrung genutzt werden, was auch sein erklähr- tes Ziel war, wie HATFIELD schreibt: «they [die Comic-Zeichner a.d.V.] establis- hed a poetic ethos of individual expression» (2005, S. 16). Weil sie selbst verantwortlich für ihre Werke waren und letztenendes auch, weil sie die ersten Comic-Zeichner waren, die die Rechte an ihren Kreationen behielten und je nach deren Erfolg verdienten (siehe Kapitel 2.3.3.3.), hatten die Mitglieder der Underground-Szene ein Selbstverständnis als Kunstschaf- fende. GILBERT SHELTON113 beschreibt die Bewegung mit ironischer Abgren- zung zum bisherigen Selbstverständnis des Mediums: «Underground comics are more like art and less like comics» (Zitiert nach ROSENKRANZ, 2002, S. 4). Die Meinung die sich Anfang der 70er Jahre Durchsetzte, den Comic als Kunstform zu betrachten, geht also mit einer entsprechenden künstlerischen Entwicklung einher, die die Wende in der Reputation des Comics stimulierte. Diese Entwicklung setzte sich in den kommenden Jahren fort mit den avant- gardistischen Strömungen, der Hinwendung zu einem spezialisierteren Pu- blikum und der Entstehung des europäischen Comic-Romans, beziehungs- weise seinem Äquivalent, der amerikanischen Graphic Novel (siehe Kapitel 2.3.3.4. und 2.3.3.5.).

4.2.5. Zur aktuellen Definition

Seit dem Umschwung in den 70er Jahren ist die Klassifizierung als eigen- ständige Kunstform, beziehungsweise weiter gefasst als eigenständiges Medi- um, in der Forschung zum allgemeinen Konsens geworden. Ziel der Untersuchungen, die das Wesen des Comics zum Gegenstand hatten114, war es bis in die 80er Jahre hauptsächlich, die zahlreichen speziellen Ausdrucks-

+++++++++++++++++++++++++ 113 GILBERT SHELTON: erfolgreicher amerikanischer Underground-Zeichner.

114 Natürlich existieren auch zahlreiche Arbeiten, die sich mit anderen Aspekten der Comicwelt beschäftigen, zum Beispiel ihrer Geschichte, ihrer Bedeutung für die Werbung oder der didaktischen Verwertbarkeit, etc. (vgl. SCHWENDER, S. 57). Die Neuorientierung bezüglich des Comics Seite 155 möglichkeiten zu erfassen, durch die das Medium seine einzigartige Form der

Kommunikation verwirklichen kann (siehe Kapitel 4.2.2.). KNILLI und ZIELINSKI fassen dies in ihrer 1989 vorgelegten Arbeit über den Forschungstand zusam- men:

«Die Comicforschung hat versucht, das Neuland abzustecken, welches das Medium zwischen Film, Bild und (Trivial-)Roman einnimmt, seine besonderen Potenzen zu erfassen, seine Lautmalerei, seine Fähigkeiten, Bewegungen in Raum- zeichen, Gefühle in sparsame Mimik und Gestik, Handlung in Montageform um- zusetzten» (1989, S. 10).

In neuerer Zeit gesellt sich zu solcherlei Studien noch die Diskussion über die genaue Eingrenzung des Gegenstandes hinzu, denn

«ein Blick auf die Forschungsliteratur zeigt eine erstaunliche Vielfalt an sehr unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Werke als Comics zu gelten hät- ten und welche Eigenschaften für den Comic charakteristisch seien» (PACKARD, 2006, S. 68).

Die Forschung steht also vor der Aufgabe, die grundlegenden, konstituie- renden Parameter der Comic-Struktur zu erfassen (vgl. EISNER, 1985, S. 7) und von ihren fakultativen Elementen zu trennen.

WILL EISNER bezeichnet 1985 den Comic in seinem Buch Comics and sequen- tial Art, das als eines der wichtigsten Standartwerke moderner Comicforschung gilt115 als «Sequenzielle Kunst», also als eine Kunstform, in der mehrere Bilder als eine Sequenz interpretiert werden (vgl. EISNER, 1985, S. 5). Mit der Fokussierung auf die Sequenz als eigentliche «Grammatik des Comics» legt er den Grundstein für die moderne Diskussion um eine erschöpfende, minimale Definition. Bis- her wurde die syntaktische Beziehung zwischen den Bildern in der Forschung kaum beachtet, beziehungsweise wie beispielsweise bei ECO höchstens als nicht weiter analysiertes Phänomen erwähnt (vgl. PACKARD, 2006, S. 73 f.).

SCOTT MCCLOUD überarbeitet EISNERS Standpunkt 1993 und definiert den

+++++++++++++++++++++++++ 115 Vgl. Artikel: Comics and sequential Art; Auf: Simply Comics; URL: www.simpleweblog.com/comics/archi- ves/000900.php (Aufgerufen 9. Juli 2007) oder GALLAHER, DAVID; The Portrait of a Sequential Artist: Will Eisner; URL: www.silverbulletcomicbooks.com/golems/106692419276357.htm (Aufgerufen 9. Juli 2007). Seite 156 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung

Comic wie folgt:

«Comic (´komik; amerik.) der; -s, -s: Zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder ästheti- sche Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen» (2001, S.17)116.

An dieser Definition ist eine Aussage zu bemängeln: Die räumliche Anord- nung der Panels ist ein zu den häufigsten Publikationsformen des Comics gehöriges Attribut – denjenigen von Druck auf Papier –, jedoch kein charak- teristisch notwendiges Merkmal. MCCLOUD kommt zu diesem Fehlschluss bei der Untersuchung der unterschiedlichen Charakteristika von Comic und Film. Er versucht durch die Argumentation, Animationen seien «zeitliche» sequentielle Kunst, die auf einem Ort stattfindet, während die Sequenzen des Comics räumlich angeordnet seien, beiden Medien zu unterscheiden (vgl. 2001, S. 15 f.)117. Hierbei übersieht er, dass auch der Comic problemlos als zeitliche Sequenz auf einer gleich bleibenden Projektionsfläche funktio- nieren kann – zum Beispiel als eine Slide-Show – ohne seine Klassifizierbar- keit zu verlieren. Schon die Société Francaise des Bandes Desinées, ein aus der SOCERLID (siehe Kapitel 4.2.1.) entstandener Klub, führte 1967 alle zwei Monate im Filmtheater des Musée des Arts Décorativs Comic-Strips mit Ton- untermalung Bild für Bild auf einer Breitwand vor (vgl. COUPERIE/MOLITERNI, 1973, S. 32 f.).

Zu seiner Definition stellt MCCLOUD eine dem Radikalen Konstruktivis-

+++++++++++++++++++++++++ 116 Der Begriff «Zeichen» aus der deutschen Übersetzung MCCLOUDS ist wegen seiner Ungenauigkeit angreifbar. Als Zeichen könnten zum Beispiel auch Gegenstände in einer Installation definiert werden, die natürlich sequen- ziell angeordnet sein könnten. Im englischen Original lautet die Definition an dieser Stelle: «juxtaposed pictorial and other images». Die Ausführung «pictorial and other images» bezieht sich lediglich auf die Eigentümlichkeit der Bilder als gezeichnet, fotografiert oder auf andere Art und Weise erstellt, will jedoch keinen grundsätzlichen neuen Gegenstand hinzufügen, wie es die fehlerhafte deutsche Übersetzung mit «Zeichen» tut.

117 Es wirkt naheliegend, dass diese Charakterisierung MCCLOUDS in einer Ausführung EISENERS wurzelt, in der er die Abfolge, mit der der Leser der Narration folgt, beim Film als durch die zeitliche Darstellung festgelegt be- schreibt, während sie im Comic nicht erzwingbar ist und der Künstler auf die Kooperation des Lesers vertrauen muss, der üblichen Leserichtung zu folgen (vgl. EISNER, 1985, S. 40). Zusammenfassung Seite 157 mus118 nahe stehende Theorie auf, mit der er das eigentliche Wesen, das dem

Comic zu Grunde liegt, zu reduzieren versucht. WALTER WERNER fasst diesen viel zitierten Ansatz zusammen:

«Eigentlich präsentieren die Einzelbilder eines Comics ein Stakkato von unver- bundenen Momenten in Zeit und Raum […]. Induktion erlaubt es uns […], diese Momente kombinativ zu interpretieren, kognitiv zu verbinden und auf diese Wei- se eine einheitliche, fortschreitende Handlung zu konstruieren119.»

MCCLOUD besagt also, dass das wesentliche Moment des Comics die Induk- tion ist, womit er das Erfinden von Handlung durch den Leser meint, die zwi- schen den mit Hilfe der Panels dargestellten Zeitfragmenten stattfindet. Diese Phantomhandlung, die der Phantasie des Lesers entspringt, sei es, die Zeit und Bewegung konstruierend die Einzelfragmente zu einer zusammenhängenden Sequenz und Erzählung forme. Damit wird die Lücke zwischen den Bildern, die er nach der Bezeichnung amerikanischer Fans «den Rinnstein» nennt, zu einem konstitutiven Element des Comics (vgl. MCCLOUD, 2001, S. 68 ff.)120. Im Weiteren relativiert er seine vorausgehende Annahme, Comics bestünden aus abgehackten, staccatohaften Bildern und führt aus, dass auch das einzelne Panel einen größeren Zeitraum als die pure Momentaufnahme umfassen kann. Die «Illusion von Zeit» würde durch einzelne Elemente des Bildes erzeugt, de- ren Entsprechung in der realen Welt von Natur aus einen Zeitraum konstituie- ren, wie zum Beispiel gesprochene Worte (vgl. a.a.O. 102 ff.).

Dieser Darstellung wird durch PACKARDS Untersuchung von 2006 im Prin-

+++++++++++++++++++++++++ 118 Radikaler Konstruktivismus: Eine Erkenntnistheorie, deren Kernaussage «besagt, dass Wahrnehmung kein Ab- bild der Realität liefern kann, sondern immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung eines Individuums ist» (Artikel: Radikaler Konstruktivismus; In: WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE; Bearbeitungsstand: 9. Juli 2007, 14:10 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Radikaler_Konstruktivismus&oldid=34183 706 Abgerufen 9. Juli 2007).

119 Artikel: Comics; Auf: Walterw.de.; URL: http://www.walterw.de/docs/comics.pdf Aufgerufen (15. Juli 2007).

120 Mit dieser Theorie widerspricht er seiner Definition über die räumliche Natur des Comics, denn ob die Lücke – die unausgeführte Handlung zwischen den Panels – zeitlichen oder räumlichen Charakter besitzt, sollte doch für den induktiven Prozess ohne Bedeutung sein. Ohnehin stellt auch die räumliche Anordnung in Wirklichkeit eine zeitliche Unterbrechung der Rezeption dar, bedingt durch den Moment, der für den Blickwechsel zwischen den Bildern oder dem Umblättern der Seite benötigt wird. Seite 158 Zur Evolution des Begriffes vom Comic und seiner Wertschätzung zip bestätigt. Er beschreibt die semiotische Basisstruktur des Comics primär als «Hybrid aus piktoraler und sequentieller Semiose» (2006, S. 67). Er be- greift also die propositionalen Gehalte des Einzelpanels zuzüglich seiner kor- respondierenden Funktion im Zusammenhang der sequenzübergreifenden Proposition als eigentliche Anatomie des Comics. Als «sekundäre Hybridisierung» fügt er dieser Grundstruktur die Verbin- dung von Bild und Schriftsprache hinzu, weist aber selbst in Hinblick auf die Phantomime-Strips darauf hin, dass sie für den Großteil der Comics zwar bedeutenden Charakter hat, aber im Grunde fakultativ ist (vgl. 2006, S. 85).

4.3. Zusammenfassung

Es hat sich unter Bezugnahme der Kunst-Kitsch Theorie gezeigt, dass bis zu den 60er Jahren von künstlerischem Anspruch in der real existierenden Masse von Titeln und Genres, die das Bild des Comics dieser Zeit fast aus- nahmslos prägte, nicht zu sprechen ist: Die Untersuchung der intendierten Geisteshaltung beim Konsum be- schreibt einen distanzlosen, sentimentalen Genuss, ebenso liegt die Moti- vation bei der Comic-Herstellung nicht im Wert des Objektes, sondern in seiner profitträchtigen Verwertbarkeit. Die Erprobung neuer Denkmodelle wird im Comic nicht realisiert, ihre Inhalte sind stark klischeehafte Adaptio- nen bereits vorhandener Themen. Aufgrund von massenhafter Verbreitung und der Schaffenssituation der Zeichner sind sie nicht als authentische Wirk- lichkeitserfassung zu werten, sondern an den Geschmack der breiten Masse angepasst. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Comics dieser Zeit keine künstlerische Komposition verwirklichen, sondern vielmehr durch die Ku- mulation von austauschbaren Reizeffekten funktionieren. Die Untersuchung der Kriterien, die laut Theorie Kunst und Kitsch von ein- ander Unterscheiden, weist also lückenlos auf die Bewertung als Kitsch hin. Diesbezüglich wird das Negativimage verständlich, unter dem der Comic Seite 159 bis in die 60er Jahren zu leiden hatte, sowohl in der wissenschaftlichen For- schung, die sich vor allem von pädagogischer Seite dem Objekt widmete, als auch der daraus resultierenden Verurteilung in der öffentlichen Meinung. Der Comic wurde kulturpessimistisch als eine triviale, jugendgefährdende, literarische Gattung betrachtet, man definierte aus den kitschigen Inhalten das Wesen, das dem Phänomen zu Grunde läge. Erst in den 60er Jahren wurden erste Strömungen und Erscheinungsfor- men des Comics verwirklicht, die den Kriterien genügen, die laut der Theo- rie zur Bestimmung als Kunst dienen. Vornehmlich ist es der amerikanische Underground, der als erstes künstlerisches Genre oder Bewegung beschrieben werden kann. Angesichts neuer Themen, die nicht mehr den bisher realisierten Schemen der trivialen Literaturformen entsprachen, entwickelte sich eingeleitet durch Rezeptionen der Bildenden Kunst eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Comic seitens der Forschung. Man kam zu dem Schluss, dass der Comic nicht auf triviale Inhalte zu beschränken sei, er viel mehr über eine originale Semiotik verfüge. Damit änderte sich die Begrifflichkeit, die man sich vom Comic machte, von der Einschätzung als triviale literarische Gat- tung hin zu einer Betrachtung als eigenständiges Medium, das als solches neutral jede Form von Inhalt mit seinen nur ihm eigenen Kommunikations- prozessen verwirklichen kann. In Anbetracht der neu aufkommenden, künstlerischen Werke gestand man dem Comic auch die Option zu, als Kunstform Verwendung zu finden. Von vielen Seiten, besonders in Frankreich wo man die Bezeichnung der «Neun- ten Kunst» einführte, wird dies sogar als eigentlicher Verwendungszweck des Mediums begriffen. Seite 160

+++ 5. Resümee

Mit dem geschichtlichen Kapitel wurde versucht, einen Überblick über den Evolutionsprozess des Comics hinsichtlich seiner Inhalte und Erscheinungs- formen zu liefern. Demzufolge wurden vor allem wichtige Wendepunkte und einschneidende Ereignisse skizziert, die neue Gebiete erschlossen. Es wurde beschrieben, wie sich der Comic von einer Erzählform kurzer Witzepisoden in Zeitungsbeilagen zu einer eigenständig verbreiteten Massenlektüre mit abenteuerlichen Inhalten wandelte. Später erschloss er zusätzlich ein eher spezialisiertes Publikum und entwickelte konventionslose Erzählformen, die zum Teil hohe künstlerische Qualität erreichten. Neben seinem positivistischen Wert ist der historische Abriss für die vor- liegende Arbeit vor allem bezüglich des Wechselspieles von Bedeutung, das zwischen den Entwicklungsstadien des Comics und seiner zeitlich entspre- chenden Reputation besteht. Um ein weiterführendes Kommentar über die- sen Zusammenhang zu ermöglichen, wurde die Kunst-Kitsch Theorie als zu verwendender Bezugsrahmen ausgebreitet. Dabei sind die wichtigsten Krite- rien definiert worden, nach denen man künstlerische von kitschigen Werken trennen kann. Sie beziehen sich auf die zu Grunde liegende Geisteshaltung bei Erschaffung und Rezeption des Gegenstandes, auf die inspirierende Qua- lität, auf die Originalität der Durchführung, das kompositorische Moment und die zu Grunde liegende Verbreitungssituation. Im vierten Kapitel wurde die Entwicklung der Wertung und Klassifizierung ausgebreitet, die dem Comic in der Forschung entgegengebracht wurde. Das Ergebnis war, dass sich das Ansehen des Comics von der Begrifflichkeit als triviale literarische Gattung, hin zu einem ernst zu nehmenden Forschungs- gegenstand gewandelt hat, der als eigenständiges Medium und/oder eigen- ständige Kunstform zu betrachten ist. Der entscheidende Wendepunkt der Orientierung bezüglich des Comics trat Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre ein. Anhand der Kunst-Kitsch Theorie wurden dabei Entsprechungen zwischen qualitativen Entwicklungen innerhalb der Comic-Landschaft und resumee Seite 161 der zeitlich parallel laufenden Reputation gegenüber dem Comic als Phäno- men nachgewiesen. Während es in den 80er Jahren vorzüglich darum ging, die kommunikati- ven Möglichkeiten des Comics zu entdecken, zeigt ein Blick auf die aktuelle Forschungslage vor allem die derzeitige Beschäftigung mit einer fundamen- tal eingrenzenden Definition des Comics. Die Propositionen innerhalb der Bilder, einschließlich der induktiven Gehalte, die vom Ablauf ihrer Sequenz in der Phantasie des Lesers stimuliert werden, gelten heute als die Grund- struktur, die dem Comic zu Grunde liegt.

Aus der vorliegenden Arbeit lässt sich erkennen, wo die in der Einleitung angesprochene differierende Haltung im öffentlichen Ansehen des Gegen- standes herrührt. Bis zu den 60er Jahren waren Comics ausschließlich tri- vialen Inhaltes. Außerdem wurden sie von pädagogischer Seite verurteilt. Parolenhafte, polarisierende Kritik wurde medienwirksam verbreitet, die Ablehnung des Mediums wurde zum öffentlichen Aufruhr, zu einem aktio- nistischen Trend in der Bevölkerung. Die differenzierte Auseinandersetzung, wie auch die künstlerischen Inhalte, die während und vor allem nach den 60er Jahren entstanden, rückten dagegen weitaus weniger in das Bewusstsein der breiten Bevölkerung. Ohne entsprechende medienwirksame Kampagnen, wie sie ein DR. WERTHAM auf der Spitze seiner Karriere führte, blieben die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse auf akademische Kreise beschränkt. Ebenso werden die künstlerischen Strömungen des Comics eher von einer spezialisierten Fangemeinde rezipiert. Nicht die Kunst steht in der Aufmerk- samkeit der breiten Bevölkerung, sondern, wie es auch die Kunst-Kitsch The- orie ausbreitet, der triviale Gegenstand. Der Mainstream der Comics ist, wie bei allen populären Medien, trivial. Wie viele Menschen kennen CHRIS WA-

RES epochale Graphic Novel, Jimmy Corrigan, wie viele dagegen kennen die Mickey Mouse? Wer, außer einigen ambitionierten Comic-Spezialisten, weiß, dass JOANNE K. ROWLING Millionen-Bestseller Harry Potter nichts anderes ist, als eine stark trivialisierte Adaption von NEIL GAIMANS erzählästhetisch bril- Seite 162 resumee liantem, aber wegen seinem hohen Anspruch kommerziell ungleich erfolglo- serem Comic The Books of Magic121? Eine respektvolle Haltung gegenüber den Möglichkeiten des Mediums wurde in der Forschung entwickelt, wie auch der künstlerische Anspruch sei- tens der Kreativen. Jedoch wurde beides bis heute der breiten Öffentlichkeit kaum übermittelt, vielleicht ist dies in Anbetracht des elitären Anspruches der Kunst ohnehin kaum möglich. Auch wenn die öffentliche Ereiferung schon lange nachgelassen hat, hallt der populäre Standpunkt der 50er Jahre dagegen im gesellschaftlichen Be- wusstsein heute noch nach, zumindest was die qualitative Beurteilung des Comics angeht. Und die Mühe, sich die grundauf andersartigen Chiffrie- rungsprozesse der Comics im Vergleich zu den Werken der Literatur, neben denen sie ihren Platz im Regal einnehmen, ins Bewusstsein zu rufen, machen sich ohne entsprechende Motivierung nur Wenige.

Betrachtet man die Wertungsgeschichte des Comics, zeigt sich eine Ent- wicklung, die in der abendländischen Kultur keineswegs isoliert steht. Ganz im Gegenteil ist sie fast symptomatisch. Immer wieder werden neu entste- hende Medien und Kunstformen – sei es der Fernseher, der Comic, moderne Musik auf Schallplatte oder in heutiger Zeit der Computer mit seinen «Killer- spielen» – in den ersten Jahren ihrer Verbreitung zum Opfer polemischer Vor- würfe. Die Fokussierung auf ihren vermeidlich degenerierenden Einfluss auf die Jugend erzeugt meist eine rigorose Abqualifizierung der künstlerischen Möglichkeiten, oft nicht aus objektiven Überlegungen heraus, sondern zur Stärkung der eigenen, ablehnenden Position. Diese Ablehnung in der öffent- lichen Meinung schwindet bezeichnenderweise meist, wenn die erste Gene- ration, die dem entsprechenden Medium zum «Opfer» fiel, erwachsen und zur wertenden Instanz wird.

+++++++++++++++++++++++++ 121 THOMAS TILSNER, der Verleger der deutschen Übersetzung dieses Comics bis 2005, äußerte in einem Gespräch 2004, dass der Grund, wieso es keine Comic-Version von Harry Potter gebe, derjenige sei, dass ROWLING einen eventuellen Copyright-Prozess nicht gewinnen würde. resumee Seite 163

Eine Arbeit, die die verschiedenen Wertungsgeschichten neu entstehender Medien in einen vergleichenden, analytischen Bezug stellt, wäre von me- dienphilosophischem Interesse. Vielleicht ließen sich auf diesem Feld eine Beweisführung entwickeln, um ein aktuell betroffenes Medium zu entlasten. Wenn es gelänge, die immer wieder kehrenden Kritikmuster als eben solche zu entlarven, könnte sich daraus ein starkes Argument ergeben, selbige – ob- wohl scheinbar jedes Mal neu – als überholt zu kennzeichnen. Zum Beispiel in Anbetracht der Wertungsgeschichte des Comics.

«Es ist wirklich zu toll! Es funkelt alles von Talent und Geist! Einige Blätter sind ganz unübertrefflich! Wenn er künftig einen weniger frivolen Gegenstand wählte und sich noch ein bißchen mehr zusammennähme, so würde er Dinge machen, die über alle Begriffe wären.»

Goethe über Rodolphe Töpffer , der gerade im Begriff war , den Co- mic zu erfinden. Seite 164

Glossar

Alter Ego Die zweite Persönlichkeit einer Figur. Besonders bei Superhelden oft zu finden.

Anime Zeichentrickfilm im Stil der Mangas.

Avantgarde Künstlerische Strömungen die sich durch die Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Progressi vistin auszeichnet. Die Avantgarde ist meistens «ihrer Zeit voraus». Bilder- geschichten Ein stark von Bildern illustrierter Text.

Cartoon Einzelne Bilder, die eine pointierte, meist witzige Begebenheit erzählen. Der Cartoon ist in sich geschlossen. Der Begriff wird oft auch als Bezeichnung für einen karikativen Zeichenstil verwendet.

Cliffhanger Ein stilistisches Prinzip, das in seriellen Geschichten angewandt werden kann. Bezeichnet einen narrativen Wechsel, der sich zum Ende einer Folge hin anbahnt. So soll der Leser motiviert werden, die Auflösung der Situation im nächsten Band zu lesen.

Comic-Book Eigenständige Publikationsform mit einem Umfang von 32 oder 64 Seiten. Kann einzelne Strips oder eine umfangreiche Geschichte enthalten. Erscheint periodisch. glossar Seite 165

Comic-Heft Deutsche Bezeichnung für Comic-Book.

Comic-Roman Eigenständige Publikationsform in Europa mit nicht festgelegtem Umfang. Enthält eine ausgedehnte, abgeschlossene Geschichte. Erscheint nicht periodisch. Wird auch «Autoren-Comic» genannt.

Comic-Strip Sehr kurze Comics mit wenigen Bildern. Meist als Beilage in Zeitungen etc. zu finden.

Comix Bezeichnung für Comics, die im Umfeld der Underground-Bewegung ab den späten 60er Jahren in Amerika entstanden.

Cover Die erste Seite auf dem Umschlag eines Buches oder Comic-Heftes.

Deadline Der Termin, zu dem ein Comic-Zeichner seine Arbeit bei seinem Auftraggeber abzuliefern hat.

Direkt- colorierung Illustrationstechnik bei der das Bild nicht vorgezeichnet und anschließend eingefärbt wird, sondern die Farbe direkt aufs Papier aufgetragen wird.

école marcinelle Belgische Stilschule, eine Gegenströmung zur ligne claire. Grenzt sich von dieser durch heiter-fantasievolle, nicht unbedingt realistische Erzählungen ab.

Fanzine Von Fans herausgebrachte Fachzeitschrift. Seite 166 glossar

Funnies Bezeichnung für witzige Comic-Strips. In den Jahren vor den Comic-Books auch ein Pseudonym für Comics.

Graphic Novel Englischsprachiges Äquivalent zum Comic-Roman.

Ligne claire Einflussreichste europäische Stilschule. Merkmale sind scharf umrissene Konturen, flächige Farben und ein geradliniger, realistischer Erzählstil.

Mainstream Die populärsten, massenhaft verbreiteten und entsprechend an den Geschmack der breiten Masse angepasste Comics.

Manga Comics aus Japan oder Korea mit eigener Stilistik und Leserichtung von rechts nach links.

Ono- matopoetika Lautmalende Wörter wie «zack» oder «booonk», die im Comic akustische Ereignisse visualisieren.

Panel Ein Bild in einem Comic. Normalerweise durch einen Panelrahmen eingerahmt.

Phantomime- Strip Ein Comic das gänzlich auf Schrift verzichtet.

Phantom- linien Ein Stilmittel, das Linien in der Vorstellung des Rezipienten durch Andeutungen hervorruft. glossar Seite 167

Pulps Kurzform für «Pulpfiction Magazine». Billige Magazine mit Kurzgeschichten trivialen und reißerischen Inhalts. Sie gelten als Nachfolger der Groschenromane des 19. Jahrhunderts.

Science Fiction Fantastische Erzählmotivik. Merkmale sind ein futuristischer oder extraplanetarischer Schauplatz, sowie das fiktive weiterspinnen technischer Möglichkeiten.

Soap-Opera/ (Seifen- opern) Gattung von regelmäßigen, trivialen Endlosserien, die vor allem menschliche Beziehungen im Alltag darstellen. Die Geschichte wird erst kurz vor Veröffentlichung angefertigt.

Slapstick Humoristisches Genre das auf oft übertriebene körperbezogene Aktion basiert.

Sonntags- Strip Ein wöchentlich erscheinender Comic-Strip in der Sonntagsausgabe einer Zeitung. Etwas umfangreicher als der Tages-Strip.

Speedlines Visuelles Mittel, das Bewegung im Comic symbolisiert. Es handelt sich um Striche die die gedachte Spur eines sich bewegenden Gegenstandes verdeutlichen.

Splash- Page Stilistisches Mittel. Eine Comic-Seite, die durch ein einziges Bild gefüllt wird. Seite 168 glossar

Tages- Strip Ein täglich erscheinender Comic-Strip.

Under- ground Künstlerische Bewegung die in den USA Ende der 60er Jahre begann. Sie zeichnet sich durch unabhängige Vertriebsstrukturen aus.

Webzine Ein periodisches Magazin, dass im Interne veröffentlicht wird. Seite 169

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Literaturverzeichnis

Primärquellen

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Lebenslauf

Peter Wolter Hans-Leipelt-Strasse 8, WG 11 80805 München 089/3232164 pittip@schattentanz .de

geb. 06.05.1980 in Mainz ledig

Schul- und Berufsausbildung

08/1986 – 07/1990 Grundschule Seibersbach 08/1990 – 07/1994 Stefan-George-Gymnasium Bingen 08/1994 – 06/2000 Lina-Hilger-Gymnasium Bad Kreuznach Abschluß: Abitur Seite 189

Zivildienst

07/2000 –03/2001 Camphill Community, Ballintobin/Kilkenny, Ireland 04/2001 – 09/2001 Bund Deutscher PfadfinderInnen, Windesheim

Studium Magister: Germanistik, Musikwissenschaften 10/2001 – 8/2002 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 10/2002 – 3/2004 J.W. v. Goethe-Universität Frankfurt, Zwichenprüfung 26. 2. 2004 seit 4/2004 Maximillian Universität München

Nebentätigkeiten etc. 2 Schulpraktika Lokale Zeitungen in Bad Kreuznach 1998 – 2000 ehrenamtliche Arbeit in Jugendzentren 3/2004 bis 4/2005 Praktikum Comic-Verlag «Speed», www.speedcomics.de derzeit Störfunk-Moderator M94.5 Bibliotheksaufsicht an der LMU München Koch «Pot» in der StudentenStadt München

Sonstiges Englischkenntnisse sehr gut Führerschein Kl. 3 Bandgitarrist (Verschiedene Stilrichtungen, E-& Konzertgitarre) Organisator von Live-Rollenspielen (www.wfmdeausudl.de) Versiert im Umgang mit Computer, Internet, ... Seite 190

Abb. 35 Versicherung

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig ver- fasst habe und keine anderen als die von mir angegebenen Hilfsmittel be- nutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, sind unter Angabe der Quellen der Entleh- nung kenntlich gemacht.

Peter Wolter München, 17. Juli 2007