Mit Der Kraft Des Wassers Für Die Kunst Bach-Porträt Von Punkten, Flecken Und Haufen Bachgespräche #1 — #4 Im Geflecht
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Nr. 01 bachrauschenbachrauschen Kunstraum Wattenbach Mit der Kraft des Wassers für die Kunst Günter Richard Wett Bach-Porträt Erika Wimmer Mazohl Von Punkten, Flecken und Haufen Bachgespräche #1 — #4 Bernhard Kathan Im Geflecht der Lichtfresser Wildruf Film Fließbilder c. w. bauer vuattanes vuattanes Bernd Schuchter Der Weg zum Himmelreich Zum Titelbild: Ein Stück 02 Quelltext Ivona Jelcˇic´ im Gespräch mit 03 Wattens am Anfang des Kunstraum Wattenbach 20. Jahrhunderts. Links der (Monika Abendstein, Neuwirt-Gastgarten, dahinter Alexander Erler, das Garberhaus, rechts das Mit der Kraft des Wassers Markus F. Strieder) Hemetsbergerhaus. Die Brücke der Innsbrucker Straße über- spannt den Wattenbach. Der für die Kunst Bach war an dieser Stelle für das Wasserrad der Schinaggl- säge aufgestaut. Per Boot ru- derte man bis zur Lohschmiede Ein Prozess zur kreativen zurück. Ortsentwicklung (nach Elfriede Gäck-Marx: Wattens anno dazumal, 2007) So nass, so kalt, so laut. So todlangweilig. Tra- Markus: Brecht hat sehr schön gesagt: Die Begriffe, gisch. Eingezwängt. Links liegen gelassen. Voller die man sich von etwas macht, sind die Griffe, mit de- Möglichkeiten. Ziemlich viele Zuschreibungen für nen man die Dinge bewegen kann. Wir versuchen mit einen Bach, den man in Wattens eigentlich kaum zu unserem Projekt, etwas zu begreifen und begrifflich sehen bekommt. Da und dort rauscht er unter einer zu machen, was wir zuerst selbst nicht verstanden ha- Brücke hervor, hat es in seinem harten Bett aus ben. Es gibt da eine gläserne Wand in Wattens, etwas Stein ziemlich eilig, verschwindet wieder unter Undurchdringliches und Ungreifbares, gegen das du Stein und Beton. Man kann sich seinen Verlauf rennst, aber gar nicht weißt, gegen was genau du rennst. auch auf einem Ortsplan am Gaisplatz anschauen. Wattens hat kein Ortsbild, das ist ein Verlust der Mit- Im Gegensatz zu den Straßen und Plätzen der Ge- te. Dann sind wir draufgekommen, da ist ja der Bach. meinde ist der Wattenbach auf dieser Luftaufnahme Wir sind also auf etwas gestoßen, das immer schon aber nicht einmal namentlich gekennzeichnet. Das da war, wir aber selbst nicht mehr vor Augen hatten. zeugt nicht gerade von einem innigen Verhältnis zwischen dem Ort und seinem Fließgewässer. Nach Monika: Das war eher emotional, gar nicht so rati- einem verheerenden Hochwasser 1965 wurde der onal. Es hat sich aus der Fragestellung, was man in Wattenbach in ein steinernes Korsett gezwängt. Wattens anders machen kann, irgendwann die Logik Er schlägt eine harte Schneise durch den Ort. Und ergeben, diesen Gedanken entlang der Lebensader er ist ein wichtiger Stromlieferant. Aber sonst? Wasser aufzuspannen und sie zu erforschen. Und sie Bleibt der Bach der Bach und der Ort ein Ort, dem als sinnbildliche Kraftquelle aufzusuchen. Das war ei- irgendetwas fehlt. Die Architektin Monika Abend- gentlich sehr simpel. Wenn du heute jemanden in ein stein, der Bildhauer Markus F. Strieder und der Dorf schickst und ihm sagst, finde heraus, was den Kulturschaffende Alexander Erler haben im Rah- Ort ausmacht, dann wird ein vorhandener Bach oder men ihres Projekts „Kunstraum Wattenbach“ bereits Fluss immer eine ganz zentrale Rolle in der Wahrneh- 2016 begonnen, über diesen Zustand nachzudenken. mung spielen. Und wenn nicht, dann stimmt da auch etwas nicht. Monika: Wattens ist ein praktischer Ort, ein Sinn- Alexander: Es hat in Wattens schon im 16. Jahrhun- bild für Funktion: Er bietet mehr als die umliegenden dert viel Kleinhandwerk entlang des Bachs gegeben, Gemeinden – an Freizeiteinrichtungen, Supermärkten, auch Wasserräder und Mühlen. Es gab in gewisser Arbeitsstätten, Altenbetreuung und anderem. Darüber Weise eine symbiotische Beziehung mit dem Bach. hinaus aber bietet er dem Einzelnen, dem Individuum Dann hat die Natur einmal mit aller Kraft zugeschla- als nicht wertschöpfendem, aber sinnlichem Element gen und der Mensch hat zurückgeschlagen. Der Bach nichts. Er lässt dich als Person außen vor. Praktisch wurde nach unten versetzt, in ein Korsett gezwängt, © 2020 Arge Kunstraum Wattenbach zu sein und zu funktionieren, scheint man ob der zahl- fast wie eine Strafmaßnahme. Und heute gibt es dem Vogelweiderweg 5 reichen und kostspieligen Annehmlichkeiten dem Ort Bach gegenüber eine gewisse Gleichgültigkeit. Es geht A-6112 Wattens auch schuldig zu sein. Es ist dieser Grundton, der mich uns nicht darum, die Vergangenheit zu romantisieren Für den Inhalt verantwortlich: am meisten stört. Denn er basiert auf einer sehr tra- oder zu rekonstruieren. Trotzdem kann man sich die Monika Abendstein, Alexander Erler, Markus F. Strieder ditionell-hierarchischen und auch patriarchalischen Frage stellen, ob wir vielleicht zu viel aufgegeben ha- Struktur. ben, ob es einen anderen Maßstab im Umgang mit der Texte: Monika Abendstein, Christoph W. Bauer, Natur geben könnte. Denn das hat auch viel mit gesell- Alexander Erler, Susanne Gurschler, Alexander: Infrastrukturell stehen wir gut da. Aber schaftlichen Fragen zu tun: Wenn wir die steigende Ivona Jelcˇic´, Bernhard Kathan, Victor Kössl, Rebecca Sandbichler, es stellt sich die Frage, was machen wir mit dem Wohl- Konformität und Ökonomisierung betrachten, dann Bernd Schuchter, Martin Steidl, stand? Wir haben die gegenwärtige Situation für uns fragt sich, ob es uns nicht gut täte, uns eine gewisse Markus F. Strieder, Erika Wimmer Mazohl einmal auf den Begriff „Monokultur“ zusammenge- Freiheit im Denken und Tun zurückzuholen. Bilder: bracht. Es ist für uns sehr „mono“ geworden in Wattens. Archiv Elfriede Gäck-Marx, Günter Richard Wett, Wildruf Film Wattens ist ein Sinnbild für etwas Braves, Konformes. Und es wird oft genug gesagt: Wir sind halt ein In- Der Wattenbach ist also nicht zufällig zu einem Collage: Dreh- und Angelpunkt für das Projekt geworden: Monika Abendstein dustrieort und etwas anderes funktioniert da nicht. (Bildmaterial: Kunstraum Wattenbach, Aber was ist das für eine Diagnose? Muss das so sein? Er steht gewissermaßen für die „verlorene“ Mit- Monika Abendstein, Botanischer te des Ortes, er steht aber auch für das kreative Garten Graz, Günter Richard Wett, Oder könnte die Facette Industrieort eine von vielen www.giencke.com) Facetten sein? Ich denke, ein Punkt, den wir alle drei Rauschen, das erzeugt wird, wenn man Kunst und Kultur als Mittel zur nachhaltigen Ortsentwick- Grafische Gestaltung: vermissen, ist, dass etwas von innen heraus wächst, Circus. Büro für Kommunikation und mit mehr Blick auf das Ganze. Wenn es erfolgreiche lung begreift. Im „Kunstraum Wattenbach“ ist Gestaltung, Innsbruck (A) Unternehmen im Ort gibt, ist es natürlich verlockend, das der Fall – und zwar keineswegs nur auf den Druck: sich daran zu orientieren und genauso erfolgreich sein Bachraum und die Blickwinkel der InitiatorInnen Lanarepro, Lana (I) zu wollen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, ein beschränkt. Es geht vielmehr darum, einen Reso- Druckfehler vorbehalten. Nr. 01 eigenständiger, tragfähiger Ort zu sein. nanzraum zu schaffen, den Austausch von unter- Mit der Kraft des Wassers für die Kunst 04 Quelltext 05 schiedlichen Ideen und damit auch soziale und Alexander: Es hat früher einmal durchaus enge- Markus: Man muss auch dazu sagen, dass wir ohne vor, die sich auch an Grundstücksbesitzer rich- gesellschaftliche Prozesse anzuregen. Beteiligt re Verknüpfungen zwischen dem Ort und dem Bach die Unterstützung von Markus Langes-Swarovski nicht ten. Es geht darum, entlang des Wattenbaches ge- sind an dem Prozess sowohl lokale als auch über- gegeben – interessanterweise ausgerechnet durch die da wären, wo wir jetzt sind. Er hat aus unserem Pro- wässertypische Fauna und Flora anzusiedeln. Eine regionale ProtagonistInnen, es wurden Bachgesprä- Industrie in Wattens. Felix Bunzl, der Besitzer der Pa- jekt etwas herausgespürt, gemerkt, dass etwas getan Einladung zum sinnlichen Erleben ist wiederum die che geführt, BachschreiberInnen eingeladen, ein pierfabrik von 1918 bis 1938, hat das erste Schwimmbad werden muss. „Schaukel“ beim E-Werk im Wattental: Hier könn- filmisches und ein fotografisches Bachporträt ist in Wattens errichten lassen. Das war direkt neben der te man über der kaskadenartigen Abtreppung des entstanden, historische und ortsspezifische Re- Papierfabrik und man hat das Wasser aus dem Watten- Bachbetts schweben, vielleicht neue Blickwinkel cherchen wurden durchgeführt und gestalterische bach eingeleitet. Insgesamt war die Papierfabrik für Die Kunst als Schlüssel, um Möglichkeitsräume einnehmen. Und sie dann im Kunstraum Wattenbach Workshops angelegt. Und es wurden Postkarten mit Wattens aber sicher weniger prägend als zum Beispiel aufzusperren: Das ist im Kunstraum Wattenbach einbringen. Denn ein zentrales Stichwort des Pro- Wasserkristallen aus dem Wattenbach an hiesige Swarovski. Was auch an den vielen Besitzerwechseln nicht nur ein theoretischer Gedanke. Man kann das jekts lautet: Partizipation. Haushalte verschickt. Eine erste „Nebelgranate“ liegt, die es dort gegeben hat. zum Beispiel an der Idee einer „Zuggalerie“ in nennt Markus F. Strieder die Aktion. Zeigen, dass der Wartehalle des Bahnhofs Fritzens-Wattens der Wattenbach mehr sein kann als nur eine „tra- Monika: Die industrielle Entwicklung von Wattens ablesen. Oder an der „Schwelle“ am östlichen Alexander: Für mich persönlich geht es immer auch gische Figur“ der Ortsgeschichte, ihn atmosphä- ist im Übrigen auch geschichtlich und politisch inter- Ortseingang, die als Ort für Skulpturen gedacht um die Frage, wie kann Gemeinwesen im 21. Jahrhun- risch wieder ins Bewusstsein bringen. Das heißt essant: So lässt sich