Pinakothek der Moderne zu Gast bei Eine Kooperation im Rahmen der SCHAUSTELLE

Kooperationspartner: Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich AUDI AG Pinakothek der Moderne zu Gast bei Audi Inhalt Design Ikonen

4 Grußwort

6 Pinakothek der Moderne Die Museen stellen sich vor…

8 Die Neue Sammlung –

Biographie

The International Design Museum Munich

Jürgen Partenheimer Partenheimer Jürgen 33

10 Architekturmuseum der TU München

Berlin

São Paulo São

12 Design Ikonen – Positionen

Gent

Fragen an Florian Hufnagl und Wolfgang Egger

Bonn

Santiago de Compostela de Santiago

16 Design Ikonen – Ausstellung im Audi Forum Neckarsulm

Ausstellungsinstallationen 22 Die Neue Sammlung –

The International Design Museum Munich

Gespräch mit Klaus Schrenk Klaus mit Gespräch

im Partenheimer Jürgen 18

Gedanken zum Audi museum mobile mobile museum Audi zum Gedanken

Jürgen Partenheimer. Der Besuch Besuch Der Partenheimer. Jürgen 12

Staatliche Graphische Sammlung München Sammlung Graphische Staatliche 10 Staatsgemäldesammlungen Staatsgemäldesammlungen

Impressum Bayerischen der Kunst Moderne Sammlung 8

Herausgeber: Die Museen stellen sich vor… sich stellen Museen Die

AUDI AG Pinakothek der Moderne der Pinakothek 6

Kommunikation Kultur

85045 Ingolstadt Rupert Stadler Rupert

www.audi.de/kultur Grußwort 4

Verantwortlich für den Inhalt /© Texte:

Jürgen Partenheimer Der Besuch Der

Bayerische Staatsgemäldesammlungen Jürgen Partenheimer. Jürgen

Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Pinakothek der Moderne zu Gast bei Audi bei Gast zu Moderne der Pinakothek

AUDI AG Sehr geehrte Damen und Herren, Die Neue Sammlung zeigt im Audi Forum Neckarsulm Grußwort liebe Besucher der Audi Foren in Ingolstadt und Neckarsulm, Highlights der Design-Geschichte und eröffnet dem Besucher Parallelen zum Automobildesign. Das Audi museum mobile in der Kreativität eine Tür öffnen – dies ist seit fünf Jahrzehnten der Ingolstadt, das mehr als 100 Jahre Markengeschichte erleb- Anspruch unseres Kultur-Engagements. Seit 2010 kooperie- bar macht, inspiriert den Künstler Jürgen Partenheimer mit seiner ren wir mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und för- transparenten Architektur. dern den kreativen Austausch zwischen Kunst und Technik. Die Ausstellungen „Pinakothek der Moderne zu Gast Die Pinakothek der Moderne nutzt ihre aktuellen bei Audi“ eröffnen den Besuchern neue Betrachtungs­perspektiven. Baumaßnahmen, um Kunst aus dem Museum zu holen und zu Für nachhaltige Innovationen ist Beweglichkeit unerlässlich, den Menschen zu bringen. Dieses Experiment beeindruckt sowohl in der Kunst als auch im Automobilbau. mich – es ist eine ungewöhnliche Antwort auf eine ungewöhn- liche Situation. Wir laden Sie ein, die Pinakothek der Moderne in Ingolstadt und So präsentiert sich die SCHAUSTELLE auf dem Areal Neckarsulm zu erleben und freuen uns auf Ihren Besuch. der Pinakothek als temporärer Aktionsraum und interaktive Plattform. Transdisziplinäre Projekte, Multimedia-Projektionen Herzlichst, und Performances werden viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihr Rupert Stadler Wir freuen uns, dass wir dieses Projekt unterstützen können. Gleichzeitig präsentieren sich erstmals zwei der vier Museen in der Münchner Pinakothek der Moderne an unseren beiden Standorten Ingolstadt und Neckarsulm: Die Neue ­Sammlung – The International Design Museum Munich und die Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemälde­ sammlungen.

5 Pinakothek der Moderne Die Museen stellen sich vor…

Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Architekturmuseum der TU München

Außenansicht der Pinakothek der Moderne. Außenansicht der Pinakothek Foto: Andi Albert 7 Partnern möglich,diein Zukunft denken. Gesellschaft Angebotenzugeht.Diesistnurmitbewussten, starken mit erweitererten Moderne einunverhofftes, hochwillkommenes Kreativlabor, dasaufeinesichverändernde darundsinddamitauch zurkomplexestenniums Designaufgabegeworden. In derObjektwelt stellensie,wieetwaauchFlugzeuge, eineSummemenschlichenInge- Motor zugleich;undfürdasIndividuumbedeutete sieeinebisdahin­ ist untrennbar mit demProzess derIndustrialisierung verbunden– Voraus­ der NeuenSammlunginPinakothek derModerne.Unddiesganz gezielt, denn Mobilität Das Thema MobilitätstehtamAnfang desRundganges durchdiePermanent Collection 8 Die NeueSammlung– The InternationalDesignMuseum Munich Leitender Sammlungsdirektor Statement: Prof. Dr. FlorianHufnagl MunichMuseum Design International The – Sammlung Neue Die Die Schaustelleals Werkraumbühne istfürallevierMuseenderPinakothek der Automobile habenwiekein anderer geprägt. Gegenstanddas20. Jahrhundert

unbekannte Freiheit. setzung und

Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich: Design Vision – Eingangstreppe in der Pinakothek der Moderne. Objekte: Zaha Hadid, Sofas Moraine und Glacier, 2000; Luigi Colani, 3D-Skizzen Überschallflugzeug, 1978, und Solarmobil, 1989 Photo: Rainer Viertlböck Architekturmuseum der TU München

Statement: Prof. Dr. Andres Lepik Direktor des Architekturmuseums der TU München

Städtebauliche Entwicklungen sind in wesentlichen Aspekten von soziologischen und ökonomischen Faktoren geprägt. Geschichte und Gegenwart zeigen darüber hinaus den unmittelbaren Einfluss des Mobilitätsverhaltens auf die Gesellschaft sowie das Stadt- bild. Architektur macht in vielerlei Facetten sichtbar, wie individuelle Bedürfnisse, Ökono- mie und und gelenkte Prozesse ineinandergreifen. Mit dem Audi Urban Future Award werden neue städtebauliche Konzepte ausgezeichnet und eine Diskussion über mögliche Szenarien in der Zukunft befördert. Mit der SCHAUSTELLE nach dem Entwurf von Jürgen Mayer H., Gewinner des Audi Urban Future Awards 2010, erhält die Kulturlandschaft Münchens einen temporären ­Aktionsraum im Herzen der Stadt, der als Brutkasten für neue Formen der Zusammen­ arbeit der vier Sammlungen auch nach der Wiedereröffnung dienen wird. Die Konzeption des Bauwerks aus wiederverwendbaren Gerüstelementen ist der sinnfällige und an­ gemessene Ausdruck für das Konzept eines Provisoriums und schafft eine allseits offene und vielseitig nutzbare Plattform der Begegnung, Information und Diskussion.

Ansicht der Ausstellung 2012/13, „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“, TU München © Architekturmuseum der Weber Foto: J. 11 Design im Museum, Was unterscheidet Automobildesign Design Ikonen – Positionen ist das ein Widerspruch? von anderen Designdisziplinen?

Florian Hufnagl Wolfgang Egger Fragen an Florian Hufnagl Keinesfalls, denn jede Gestaltung geschieht vor dem kulturellen In erster Linie ist es die Komplexität. Das Automobil ist eines der Hintergrund der jeweiligen Gesellschaft im geographischen komplexesten Designobjekte, die es gibt. Wir gestalten jedes und Wolfgang Egger Kontext. Das gilt für Kunst, Architektur und Design, wie man in Detail, da bleibt nichts dem Zufall überlassen. Denken Sie nur an der Pinakothek der Moderne sehen kann. Denn ins Museum die vielen Bedienelemente im Interieur, die Oberflächen oder schaffen es nur die Highlights. Und Voraussetzung ist auch beim die Lichtelemente. Bis hin zum Motor, auch da sind wir Gestalter Design die Idee, das geistige Konzept, manchmal sogar die aktiv. Mehr als 200 Designer arbeiten im Audi Design, zum Teil Utopie. Und: Design ist erreichbar für jeden, und damit von hoher mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen. Der Trend zur Digitali- gesellschaftlicher Relevanz. sierung ist ein spannendes Feld, auf das sich vor allem junge Designer spezialisieren. Ein weiterer Unterschied zu anderen Designdisziplinen sehe ich im Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen Dyna- mik und Statik. Ein Automobil muss vor allem in der Bewegung überzeugen. Lichtverhältnisse, Wetter, Umgebung etc. ändern sich stetig und dadurch wirkt das Auto anders. Gleichzeitig muss das Auto auch statisch ein klares Statement sein. Man muss dem Auto ansehen, dass es auf dem Sprung ist.

Prof. Dr. Florian Hufnagl Direktor Die Neue Sammlung Ist Audi deutsches Design?

Florian Hufnagl Eindeutig. Das wird auch weltweit so gesehen. Neben der Spitzentechnologie besitzt Audi Identität, Geschichte und Emotionalität, gepaart mit Eleganz.

Foto: Thomas Celle 13 Weniger ist mehr: Wie wird Design zur Ikone? Gilt das auch für Sie, Herr Egger? Wolfgang Egger Wolfgang Egger Design ist immer in einen gesellschaftlichen Kontext einge- Ja, das ist genau unsere Haltung. Reduziert auf das Minimum, pur bettet. Der Zeitgeist, der das Objekt prägt, muss sichtbar aber und klar. Um dieser Maxime gerecht zu werden, arbeiten wir auch erlebbar sein. Und das weit über die Epoche, in der das im Exterieurdesign mit fließenden, großen Flächen und schar- Objekt gestaltet wurde, hinaus. Wenn dieser Spirit auf ein über- fen, klaren Linien. Durch die Liebe zum Detail erlangen wir einen wältigendes gestalterisches Konzept trifft, dann wird es zu hohen Grad an Präzision und Authentizität. Da kommt es schon einer Ikone. Denken Sie nur an den . Er verkörpert einmal vor, dass wir an einer Linie mehrere Tage arbeiten, bis sie bis heute den technischen Geist der 80er Jahre und damit verbun- eben perfekt sitzt. Auch im Interieur konzentrieren wir uns auf den den Aufbruch der Marke Audi. Das gelingt ihm durch klare das Wesentliche und halten die Architektur so schlank wie mög- Linien, seine sehr sportliche Coupé-Form, die Radbetonung und lich. Wir haben zum Beispiel die Bedienelemente vereinfacht. das Hervorheben der C-Säule. Letztlich stellen wir damit das Fahrerlebnis in den Mittelpunkt. Florian Hufnagl Die Idee muss verdammt gut sein, die Ausführung perfekt, und das Objekt ist unerreichbarer Maßstab für alle Nachfolge­ produkte.

Wolfgang Egger Leiter Design Audi Konzern

15 Ausstellung im Audi Forum Neckarsulm Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Gebrüder Thonet Stühle Nr. 14 und Nr. 22, 1850–1875

Material: Holz (Buche), gebogen; Rohrgeflecht Hersteller: Gebrüder Thonet, Wien, Österreich Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Foto: Nr. 14 Die Neue Sammlung (A. Laurenzo); Nr. 22 Ellenberg

Der rheinländische Tischler Michael Thonet (1796–1871) ließ sich die neue Technologie, Möbel aus gebogenem Holz mit Hilfe von Dampfkraft und Gusseisenformen herzustellen, 1842 in Wien patentieren und begründete darauf den Welterfolg seines Firmen- imperiums. Sein Name steht für den Beginn der Verbindung von Design und Industrie. Die auf wenige Elemente reduzierten Ent- würfe erlaubten erstmals eine industrielle Massenfertigung von Möbeln. Die Einzelteile wurden nicht mehr, wie bis dahin üblich, verleimt, sondern verschraubt; das heißt: die Montage geschah nicht mehr am Herstellungs-, sondern am Verkaufsort. Produktion in damaligen Niedriglohnländern, internationales Marketing, hohe Stückzahlen in Verbindung mit niedrigen Transportkosten ­ermöglichten­ preisgünstige Möbel. Paradebeispiel ist das Modell Nr. 14: rund um den Globus exportiert, wurde es das meist produ-­ zierte Sitzmöbel der Welt.

18 Marcel Breuer Sessel B3 „Wassily“, 1925

Material: Stahlrohr, verchromt, Eisengarn Hersteller: Gebrüder Thonet, Frankenberg, Deutschland (Ausführung 1929/30) Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich. Erworben mit Mitteln der Direktorenkonferenz der Staatlichen Bayerischen Museen und Sammlungen Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)

Die Fortführung der Idee Thonets in anderem Material ist das erste in Serie produzierte Stahlrohrmöbel, benannt nach Breuers Bauhauskollegen Wassily Kandinsky. Die offengelegte, auf wenige Elemente reduzierte Konstruktion des Sessels mit seiner kubischen Form entsprach vollkommen der Maschinenästhetik der 1920er Jahre – Antithese zu den wuchtigen traditionellen Sesseln. Konzipiert für einfache Herstellung und leichten Transport, war er für den mobilen modernen Menschen gedacht, ganz im Sinn der neuen Architektur mit der Betonung von Licht, Raum und Struktur. Heute die Ikone des Designs, begann seine Erhebung zum modernen­ Klassiker jedoch erst in den sechziger Jahren, als erste Re-Editionen die neue Wertschätzung des Bauhauses wider- spiegelten. Vorher waren die dort entworfenen Objekte außerhalb von Fachkreisen unbekannt, da sie kaum je produziert wurden. Breuer (1902–1981) ließ seinen Entwurf auch nicht am Bauhaus herstellen, sondern nach der Entwicklung von Prototypen bei Junkers in Dessau durch seine eigene Produktionsfirma „Standard-Möbel“, später durch Thonet.

20 Charles und Ray Eames Sessel LAR, 1948

Material: Kunststoff, Polyester, fiberglasverstärkt; Metall, verchromt Hersteller: Herman Miller Furniture Company, Zeeland/Michigan, USA Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Foto: Angela Bröhan, München

„Organisches Design“ war das Schlagwort für Möbelentwürfe in den fünfziger Jahren. Zu den Wegbereitern zählte das Ehepaar Charles und Ray Eames (1907–1978 und 1912–1988). Einer ihrer Ausgangspunkte war der 1948 ausgeschriebene Wettbewerb des Museum of Modern Art „International Competition for Low-Cost Furniture Design“. Sie entwarfen dafür den „Plastic Armchair“, der in jeder Weise revolutionär war. Erstmals entstand hier ein Sitzmöbel mit unverkleideter Sitzschale aus Kunststoff, das mit dem herkömmlichen Sessel kaum mehr Gemeinsamkeiten aufwies. Durch die von Eames entwickelten, in verschiedenen Farben herstellbaren Kunststoffschalen, meist in Verbindung mit Metallgestellen, erlangten die USA die Führungsposition im interna- tionalen Möbeldesign.

22 Charlotte Perriand, Jean Prouvé, Sonia Delaunay Raumteiler/Regal für „Maison Mexique“, 1953

Material: Holz (Pinie, Mahagoni), Aluminiumblech, lackiert Hersteller: Les Ateliers Jean Prouvé, Maxéville, Frankreich Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Foto: Angela Bröhan, München

Mit welcher Frische und Pfiffigkeit französische Architekten, Entwerfer und Künstler scheinbar trockene Gestaltungsaufgaben wie Regale für Studentenbuden lösten, belegt dieser Raumteiler von Charlotte Perriand (1903-1999), die zusammen mit Jean Prouvé (1901–1984) die Einrichtung zweier Studentenwohnheime für die Pariser Universität verwirklichte. Bei der Farbgestaltung ließ sie sich von Sonia Delaunay beraten. Die bereits zuvor mit Pierre Jeanneret realisierte Grundidee bestand aus einem schlichten Regal aus Holzböden mit dazwischen gestellten Holzklötzen, die nun durch farbig lackiertes Aluminiumblech ersetzt wurden. Die ­verschiebbaren Blenden ergaben immer neue Farbkompositionen – ein wandelbares Objekt ganz im Sinne der damals erstrebten „synthèse des arts“, einer fruchtbaren Verbindung von Malerei, Architektur, Skulptur und Design.

25 Gaetano Pesce Sessel UP 5 „La Mamma“, auch: „La Donna“, 1969

Material: Polyurethanschaum, Bezug aus Nylon-Jersey-Stretch Hersteller: B & B Italia S.p.A., Novedrate, Italien Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Foto: Werksfoto

Angeregt von prähistorischen Fruchtbarkeitsgöttinnen, verlieh der italienische Architekt Gaetano Pesce (geb. 1939) mit diesem anthropomorphen Sessel seinem Frauenbild Gestalt und schuf eine Ikone des Pop Art Design. Für die Umsetzung seiner Idee verwendete Pesce eine neue Technologie, die die Herstellung großer formgeschäumter Teile ohne tragende innere Struktur ermöglichte. Das fertige, mit einem elastischen Bezug versehene Möbel ließ er in einer Vakuumkammer auf 10% des Volumens reduzieren und anschließend in luftdichte Folie einschweißen. Auf diese Weise konnte der Käufer das Möbel bequem nachhause transportieren. Erst mit dem Auspacken und Entfernen der Folie entfaltete „La Mamma” sich zu ihrer ursprünglichen und endgültigen Größe.

26 Ettore Sottsass Raumteiler/Regal „Carlton“, 1981

Material: Holz, Kunststofflaminat (Carlton); Metall, lackiert Hersteller: Memphis s.r.l, Pregnana Milanese, Mailand, Italien Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich. Erworben mit Mitteln der Direktorenkonferenz der Staatlichen Bayerischen Museen und Sammlungen Foto: Werksfoto

Der radikalste Einschnitt in der jüngeren Designgeschichte vollzog sich um 1980 in Italien, als man versuchte, mit den Prinzipien der Guten Form zu brechen. An der Spitze der Bewegung standen die Entwerfergruppen Alchimia und Memphis, letztere 1981 durch den Architekten und Designer Ettore Sottsass (1917-2007) gegründet. Mit Arbeiten wie Carlton und den Stehleuchten Callimaco oder Treetops distanzierte er sich entschieden von der Ausgewogenheit des italienischen „Bel Design“ der fünfziger bis siebziger Jahre. Die Kombination von Banalität und Ironie, historischem Zitat und modischer Attitüde kam dem Bedürfnis nach emotionalisier- ten, ästhetisierenden Objekten entgegen und erhielt durch die Kleinserie zugleich die Aura von Kunsteditionen. Damit begann die Abspaltung eines „kunstgewerblichen“ Designs, das später zur Design Art führte, vom eigentlichen Industrial Design.

28 Shiro Kuramata Sessel „How High the Moon”, 1986

Material: Stahlgitter, vernickelt Hersteller: Vitra International AG, Weil am Rhein, Deutschland Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich Foto: Werksfoto

Im experimentellen Umgang mit gewöhnlichen Industriematerialien wie Streckmetallgittern, Terrazzo oder Aluminiumwellblech gelangte der Japaner Shiro Kuramata (1934–1991) zu höchst ungewöhnlichen Entwürfen, ja, häufig erschloss er diese Mate- rialien überhaupt erst für Innenarchitektur und Design. Nachdem er Streckmetall bereits für die Einrichtung von Modeboutiquen in Hongkong und Tokio eingesetzt hatte, bildete sein Sessel „How High the Moon“ – benannt nach einem Jazztitel Duke Ellingtons – einen poetisch-witzigen Höhepunkt. Die Transparenz und Immaterialität des Stahlgitters steht in provokantem Gegensatz zur schwellenden Form eines schweren Polstersessels, und die Härte des Materials widerspricht der Weichheit und Bequemlichkeit, die diese Form eigentlich erwarten ließe.

30 Jeroen Verhoeven Cinderella Table, 2005

Material: Birkensperrholz (Multiplex), gewachst, CAM-gefertigt Hersteller: Id Productions für Demakersvan, Rotterdam, Niederlande Exemplar: 10 von 20 Besitz: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich. Erworben mit Hilfe der Ernst von Siemens-Kunststiftung und mit Mitteln der Direktorenkonferenz der Staatlichen Bayerischen Museen und Sammlungen Foto: Die Neue Samml ung (A. Laurenzo)

„High-tech machines are our hidden Cinderella“ – so erklärte der niederländische Entwerfer Jeroen Verhoeven (geb. 1976) den Namen seines Tisches, der 2005 umgehend internationales Aufsehen erregte. Die emotionale Ausstrahlung, kühne Formensprache und starke plastische Wirkung des scheinbar natürlich gewachsenen Holzes sind nur ein Aspekt. Die aus der Umrissüberlagerung zweier Barockmöbel entstehende Form ließ sich nur mit Hilfe des Computers realisieren, und zwar ebenso beim Entwurf, der nur virtuell dreidimensional entwickelt und dargestellt werden konnte, wie bei der Herstellung. 57 Einzelteile wurden mit CNC-Sägen aus Sperrholz gefräst und schließlich von Hand zusammengefügt. Mit Maschinen, die sonst der Massenproduktion dienen, entstand ein handwerklich gefertigtes Virtuosenstück digitalen Designs. Jeroen Verhoeven verlieh mit dem Cinderella Table der Frage nach den Veränderungen durch digitale Entwurfs- und Fertigungsprozesse wie auch der Frage nach Unikat oder Serienprodukt exemplarischen Ausdruck – ein Manifest zur Zukunft des Designs im 21. Jahrhundert.

32

Jürgen Partenheimer Partenheimer Jürgen

Design Ikonen Pinakothek der Moderne zu Gast bei Audi Eine Kooperation im Rahmen der SCHAUSTELLE

Kooperationspartner: Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich AUDI AG Pinakothek der Moderne zu Gast bei Audi Inhalt Jürgen Partenheimer. Der Besuch

4 Grußwort Rupert Stadler

6 Pinakothek der Moderne Die Museen stellen sich vor…

8 Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

10 Staatliche Graphische Sammlung München

12 Jürgen Partenheimer. Der Besuch Gedanken zum Audi museum mobile

18 Jürgen Partenheimer im

Gespräch mit Klaus Schrenk

The International Design Museum Munich Museum Design International The

– Sammlung Neue Die

22 Ausstellungsinstallationen

Design Ikonen – Ausstellung im Audi Forum Neckarsulm Forum Audi im Ausstellung – Ikonen Design 16

Santiago de Compostela

Bonn

Fragen an Florian Hufnagl und Wolfgang Egger Wolfgang und Hufnagl Florian an Fragen

Gent

Design Ikonen – Positionen Positionen – Ikonen Design 12

Impressum São Paulo

Berlin

Architekturmuseum der TU München München TU der Architekturmuseum 10

Herausgeber:

AUDI AG 33 Jürgen Partenheimer The International Design Museum Munich Museum Design International The

Kommunikation Kultur Biographie – Sammlung Neue Die 8

85045 Ingolstadt

www.audi.de/kultur Die Museen stellen sich vor… sich stellen Museen Die

Pinakothek der Moderne der Pinakothek 6

Verantwortlich für den Inhalt /© Texte:

Jürgen Partenheimer Rupert Stadler Rupert

Bayerische Staatsgemäldesammlungen Grußwort 4

Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich

AUDI AG Design Ikonen Design

© Alle Werke des Künstlers VG Bild-Kunst, Bonn 2013 Pinakothek der Moderne zu Gast bei Audi bei Gast zu Moderne der Pinakothek Sehr geehrte Damen und Herren, Die Neue Sammlung zeigt im Audi Forum Neckarsulm Grußwort liebe Besucher der Audi Foren in Ingolstadt und Neckarsulm, Highlights der Design-Geschichte und eröffnet dem Besucher Parallelen zum Automobildesign. Das Audi museum mobile in der Kreativität eine Tür öffnen – dies ist seit fünf Jahrzehnten der Ingolstadt, das mehr als 100 Jahre Markengeschichte erleb- Anspruch unseres Kultur-Engagements. Seit 2010 kooperie- bar macht, inspiriert den Künstler Jürgen Partenheimer mit seiner ren wir mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und för- transparenten Architektur. dern den kreativen Austausch zwischen Kunst und Technik. Die Ausstellungen „Pinakothek der Moderne zu Gast Die Pinakothek der Moderne nutzt ihre aktuellen bei Audi“ eröffnen den Besuchern neue Betrachtungs­perspektiven. Baumaßnahmen, um Kunst aus dem Museum zu holen und zu Für nachhaltige Innovationen ist Beweglichkeit unerlässlich, den Menschen zu bringen. Dieses Experiment beeindruckt sowohl in der Kunst als auch im Automobilbau. mich – es ist eine ungewöhnliche Antwort auf eine ungewöhn- liche Situation. Wir laden Sie ein, die Pinakothek der Moderne in Ingolstadt und So präsentiert sich die SCHAUSTELLE auf dem Areal Neckarsulm zu erleben und freuen uns auf Ihren Besuch. der Pinakothek als temporärer Aktionsraum und interaktive Plattform. Transdisziplinäre Projekte, Multimedia-Projektionen Herzlichst, und Performances werden viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihr Rupert Stadler Wir freuen uns, dass wir dieses Projekt unterstützen können. Gleichzeitig präsentieren sich erstmals zwei der vier Museen in der Münchner Pinakothek der Moderne an unseren beiden Standorten Ingolstadt und Neckarsulm: Die Neue ­Sammlung – The International Design Museum Munich und die Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemälde­ sammlungen.

5 Pinakothek der Moderne Die Museen stellen sich vor…

Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Staatliche Graphische Sammlung München

Außenansicht der Pinakothek der Moderne Außenansicht der Pinakothek Staatsgemäldesammlungen Forster © Bayerische Foto: S. 7 Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemälde­ sammlungen

Statement: Prof. Dr. Klaus Schrenk Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

Die Partnerschaft zwischen den Bayerischen Staatsgemälde­sammlungen und der AUDI AG stellt seit 2010 ein zukunftsweisendes Modell dar. Zwei Leader in der Industrie und in der Kultur führen auf der Suche nach den Fragen von ­morgen einen intensiven ­Austausch. Zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen im Zusammen­hang mit dem ­American Summer (2011) und der Ausstellung Frauen. Pablo Picasso, Max Beckmann, Willem de Kooning (2012) haben auch die Grundlage dafür ­gelegt, dass die AUDI AG nun auch zu einem inspirierenden Partner bei dem großen ­Experiment der Schaustelle während der temporären Schließung der Pinakothek der Moderne wurde.

Georg Baselitz, Fingermalerei Adler, 1972 Georg Baselitz, Fingermalerei Adler, Staatsgemäldesammlungen Baselitz und Bayerische © Georg 9 Staatliche Graphische Sammlung München

Statement: Dr. Michael Semff Leitender Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München

Die Staatliche Graphische Sammlung München nutzt die SCHAUSTELLE, um die in ihr bewahrten Kunstwerke auf neuen Wegen zugänglich zu machen. „Open Boxes“ ist eine innovative Präsentationsform, über die langfristig zentrale Bestände digitalisiert erscheinen. Eine erste Serie von Apps stellt in einer Werkauswahl ausschließlich die Neuzugänge der letzten zehn Jahre vor. Mit „Open Boxes“ wird ein repräsentativer Teil der Schätze, die sonst in den Boxen der Sammlung verborgen sind, erstmals digital zugänglich gemacht. Im Studien- saal der Graphischen Sammlung können sie im Original studiert werden. Wir danken der AUDI AG, dass sie mit der Unterstützung der SCHAUSTELLE solch technologisch inno- vative Projekte möglich macht.

10 1517/18 der Unsterblichkeit, Trank Raffael, Merkur reicht Psyche die Schale mit dem Sammlung München © Staatliche Graphische Ausstellung im Audi museum mobile Ingolstadt Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Jürgen Partenheimer. Die gewählten Baumaterialien sollen die industrielle Ästhetik der Architektur unterstützen, die zugleich Zweckbau und visionäre Der Besuch Moderne signalisiert. Die formale Lösung der Gebäudehülle, der Gedanken zum Audi Positivismus ihrer Transparenz aus Glas und Stahl verbindet museum mobile die sichtbare und erlebbare Urbanität des dynamischen Außen- raumes gezielt mit der bewussten Entmaterialisierung des Innenraumes, in dem das Produkt als präsentiertes Objekt der Begierde jene Emotion und Mobilität verkörpert, die die Außen- welt jederzeit gegenwärtig suggeriert. Der zylindrische Raum des museum mobile ist der I Form Mittelpunkt einer Produktwelt, um die sich alles bewegt, offen in alle Richtungen, als Sender und Empfänger. Der äußere Glanz Die Architektur des Museums wählt den Kreis als geometrische der Fassade, die Transparenz und Spiegelung ihres Materials, stel- Matrix mit inhaltlicher Bestimmung. Die Kreisform des Gebäu- len eine vielschichtige Beziehung zur Offenheit des Innenraums des, von dessen Mittelpunkt der Abstand aller Punkte konstant her, in dem die Objekte die Distanz zwischen Betrachter und bleibt, folgt einem Idealbild der Vollkommenheit, das sich auf Gegenstand aufzuheben scheinen. Die Transparenz des Raumes, ein Zentrum konzentriert. In sich gleich und unendlich, formu- seine bewusste Offenheit deutet die Funktion einer Bühne an, liert der Entwurf Offenheit und Transparenz als Programm. Keine auf der der Besucher mit dem ausgestellten Produkt in einen andere geometrische Figur weist in ihrer Fläche und Räumlich- direkten Erlebniszustand versetzt wird, der jede szenische Distan- keit dem Mittelpunkt eine eindeutigere Bedeutung zu, von dem zierung aufhebt. Der Imperativ solchermaßen angestrebter sich Symmetrieachsen harmonisch in alle Richtungen abbilden Transparenz zielt nicht auf Reflexion sondern auf Identifikation. lassen.

II Material 1 Peter Rumpf, Das Rad ist rund, in: Audi museum mobile. Audi Forum Ingolstadt. München 2001, S.22. „Runde Gebäude […] weisen zunächst auf sich selbst, dulden keine Anbiederung und verlangen Perfektion“¹ Der Anspruch der Perfektion für die Architektur wird technisch funktional interpretiert und soll im konkreten, pragmatischen Zusammenhang jener Makellosigkeit funktionaler Ästhetik

­entsprechen, die Progressivität und angewandte technologische Innovation als Maxime der Unternehmenskultur versteht. So folgt die Form der Architektur der Funktion und Vision des Pro- des Audi museum mobile Grundriss duktes und wirkt selbstreferentiell. 15 210000S4200A10030001.dgn 23.10.2008 15:53:12 III Konsequenz IV Konzept

Für die Kunst entsteht in der gewählten Form der Architektur des Im Transparenzraum des Audi museum mobile besteht die Audi museum mobile ein interessantes Problem der „Tyrannei Herausforderung für die Anwesenheit der Kunst darin, eine Nähe der Sichtbarkeit“², die dem Ort für das Kunstwerk zunächst jede zu entwickeln, die die Weite des Raumes und der Vorstellung Form szenischer Distanz zu entziehen scheint. Der bedingten in eine mehrdimensionale Wahrnehmung und Erfahrung führt. räumlichen Voraussetzung für das eindeutige Erlebnis des Pro­ Die Bühne für die Kunst markiert in der Offenheit des kreis- duktes als Ware steht die unabhängige, mehrdeutige Erfahrung förmigen Raums bewusst eine szenische und asymmetrische des Kunstwerkes als subjektive Welterfahrung gegenüber. Distanz, die der Magie des Verborgenen und der Vorstellung Raum gibt. In diesem Erfahrungsraum setzt jede künstlerische Akti- vität ihren eigenen Mittelpunkt, der Bewusstsein und Erinnerung 2 Byung-Chul Han, Ausstellungsgesellschaft, in: in ästhetischer Reflexion vereint. Die Pluralität der Zentren, ihre Transparenzgesellschaft, Berlin 2012, S.24. Mehrstimmigkeit führen zu einer Aufhebung der Gegensätze.³ „Bilder halten keine Augenblicke fest, sie kommen- tieren auch nicht die Abwesenheit dessen, was abgebildet ist, sondern sie zeigen die Anwesenheit dessen, was empfunden wurde, und zwar als Anwesenheit des Bewusstseins. Bilder sind Pro- jektionen der Empfindung, sie versinnbildlichen unsere Vorstel- lungen und Gefühle, geben uns eine Idee der geschauten und gedachten Welt.“ ⁴

Jürgen Partenheimer, Februar 2013

3 Coincidentia Oppositorum, Nikolaus von Kues.

4 Jürgen Partenheimer. De Coloribus. Versuch über die Farben. Düsseldorf/Amsterdam, 1991, S.5.

16 District and Circle, 2007 Jürgen Partenheimer, 58 × 43 36 cm Holz, Hanf und Keramik, Bronze, München / Zürich Courtesy Galerie Häusler Contemporary Staatsgemäldesammlungen © Bayerische Koyupinar Foto: Haydar Klaus Schrenk Jürgen Partenheimer Jürgen Partenheimer im Sie haben in den letzten 30 Jahren an so vielen Orten der Welt Das museum mobile in Ingolstadt verfolgt einen grundsätzlich Ihre Arbeiten vorgestellt: Zeichnungen, Skulpturen, Künstler- anderen Ansatz als jedes Gebäude im Kontext der bildenden bücher, Gemälde. Sie waren der erste deutsche Künstler, der Kunst: große Transparenz für die Präsentation von Gebrauchs- Gespräch mit Klaus Schrenk im Jahr 2000 eine Einzelausstellung in China hatte, haben objekten ist angestrebt, mit denen sich der Besucher identifi- in São Paulo die umfangreichen Zeichnungs-Tagebücher gezeigt ziert. Das Gebäude fördert ein begehbares Ereignis, keine Wände, General­direktor der ­ und sind gerade aus Südafrika von einem längeren Artist-in- viel Glas, nichts was für die Kunst eine innere Versammlung Residence-Aufenthalt zurückgekehrt. Ihre Ausstellung in der in innenarchitektonisch klar gegliederten Räumen ermöglicht. Pinakothek der Moderne musste aufgrund der Schließung des Konkret ergibt sich daraus für das museum mobile die unge- Bayerischen Museums verschoben werden und wir haben nun mit der Ein- wöhnliche Herausforderung, eine szenische Inszenierung so zu ladung von Audi einen Ort für eine temporäre Präsentation in markieren, dass die Aufmerksamkeit der Kunst gilt – Lyrik Staats­gemälde­­sammlungen Ingolstadt im museum mobile erhalten. Wie hat dieses Museum, anstatt Funktionalität. dieser Ort, der für ein Automuseum gebaut wurde, auf Sie gewirkt und welche Überlegungen hat das im Hinblick auf eine Klaus Schrenk Ausstellung Ihrer Kunstwerke ausgelöst? Es ist natürlich eine Herausforderung, die aber auch das Poten- tial der Kunst sichtbar werden lassen kann. Vielleicht sagen Sie einmal, welche Überlegungen Sie zu den Ideen geführt haben, wie so ein Transformationsprozess an diesem Ort durch die Kunst zu bewerkstelligen ist.

Jürgen Partenheimer Der tatsächliche Unterschied besteht darin, dass das museum mobile als Zweckbau für die Präsentation eines Produktes durch klare Eindeutigkeit geprägt ist. Dieser konkreten Eindeutigkeit steht die Vorstellung, die Magie, die Mehrdeutigkeit der Kunst gegenüber. Die Intervention der Kunst transformiert diesen Raum durch eine raumgreifende Wandzeichnung und eine Installation und verwandelt so die Wahrnehmung des Besuchers. Es wird eine szenische Distanz entstehen, die konventionelle Erwartungs- haltungen nicht erfüllt. In der Transparenz des Raumes entsteht eine neue Energie, eine Versammlung nicht alltäglicher Objekte in isolierter Surrealität.

19 Klaus Schrenk Klaus Schrenk Sie haben immer gerne mit unterschiedlichen Erwartungshal- Das heißt, dass die Abwesenheit des Volumens gefüllt wird tungen gespielt. In der Zeichnung haben Sie auf sensibelste Weise durch die geistige Auseinandersetzung, die Spiritualität, die von darauf hingewiesen, dass die Entäußerung einer Zeichnung dem Kunstwerk in dieser Konstellation ausgeht. eines Künstlers auch etwas über seine psychische und physische Verfasstheit vermitteln kann. Dann haben Sie im Bereich der Jürgen Partenheimer Skulptur mit höchst fragilen Elementen gearbeitet, um die Mas- Das Maßlose als Maßstab, das ist der Zauber der Herausforde-­ sivität der Werke aufzubrechen. Und Sie gehen mit Sprache rung an diesem Ort. Es gibt jedoch noch eine zweite Ebene der Ent- und Wort um, die das Denken und das Sehen bestimmen. Die äußerung, von der Sie sprachen, und zwar das Fehlen des Nar- Vielfalt Ihres Werks bietet eine besondere Möglichkeit, eine Dis- rativen, des Gegenständlichen in meinem Werk. Das Objekt Auto kussion an einem Orte zu eröffnen, der durch das Objekt Auto ist ikonographisch eindeutig festgelegt. Die ungegenständ- definiert ist. Und in der Entwicklung eines Autos spielt die Linie liche Zeichnung wie die abstrakte Skulptur entziehen sich dieser eine Rolle. Sie als Künstler führen die Linie aber unter anderen narrativen, eindeutigen Gegenständlichkeit. Abstrakte Kunst Fragestellungen in die Diskussion ein, die gemeinsam mit anderen in einem Museum, dessen Raumkonzept im Prinzip eindeutig Werken zur Transformation eines solchen, stark definierten pragmatisch festgelegt ist, öffnet den Raum in bestem Sinn auf Ortes beiträgt. einer zweiten, neuen Ebene. Aus dem Transparenzraum ent- steht eine Wunderkammer – splendor somnii. Jürgen Partenheimer Die Transformation, von der Sie in diesem Zusammenhang Klaus Schrenk sprechen, bedarf in einem Raumkonzept wie dem des museum Das ist doch eine wunderbare Vorstellung und ich bin gespannt mobile einer neuen Form von Choreographie. Diese Choreo- auf die erste Reaktion der Besucher, wenn dies alles ins Werk graphie, das szenische „ins Bild setzen“, wird zu einer besonderen gesetzt worden ist und der Raum sich in seiner verwandelten Form Aufgabe, da die „Inszenierung“ minimalistisch und sehr prä- mit den neuen Akzenten im museum mobile für die Besucher zise ausfallen muss. Ein Raum, der im Prinzip dazu einlädt aus- öffnet. gefüllt zu werden, wird konterkariert indem man ihn nicht füllt, sondern markiert. Die Aufmerksamkeit der Besucher bezieht sich in ihrer Erfahrung dann nicht allein auf die Anwesenheit der Kunst, sondern auch auf sich selbst in diesem Raum.

20 2012 Termites, Dreaming Jürgen Partenheimer, Öl auf Leinwand, 72 × 62 cm Courtesy Galerie Onrust, Amsterdam Grümer Foto: Wolfgang Jürgen Partenheimer Ausstellungsinstallation CGAC, Museum für zeitgenössische Kunst Santiago de Compostela, 1999

La caida del humo, 1994–1999 Holz, Bienenwachs, Hanf, 900 × 90 × 90 cm, Besitz des Künstlers

Fraktale Schleife, 1999 Birke Multiplex, 16 × 1200 × 950 cm, Privatsammlung

Foto: Olaf Bergmann

Seinen Skulpturen oder der Malerei eignet ein lyrischer Klang von Formen im Schwebezustand, dem Anschein nach zerbrechlich, aber von verführerischer Kraft … In den Zeichnungszyklen (und Skulpturen) gewährt Partenheimer Einblick in den Akt des „Machens“ und zwar auf ähnliche Weise wie Mondrian in New York, jedoch magischer, immer in der Lage noch einen Schritt weiter zu gehen und überraschenderweise zu einer Arbeit zu gelangen, die in ihrer Strenge klassisch erscheint … Partenheimer gehört zu jenen Künst- lern, die auf einem so hohen Niveau von Subtilität und dem Risiko der Grenzbereiche arbeiten, dass sie ständig die Zerbrechlich- keit riskieren. Seine Bildwelt spricht von Respekt und Kohärenz seines Diskurses.

Miguel Fernandez Cid

23 Jürgen Partenheimer Weiser, 1994–1999 Kunstmuseum Bonn, 1999

Weiser, 1994–1999 Autolack auf Aluminium, 301 × 50 × 50 cm Privatbesitz

Foto: Wolfgang Grümer

Jede Form von Skulptur bleibt im Wesen konzeptuell. Als Bild möglicher Zustände bezeichnet sie nicht Besitzergreifung von Raum, sondern Verkörperung von Raum, bleibt mehrdeutig und verweist auf die Offenheit von Idee und Realisierung. Als Entwurf, als Monument des Fabulierens und der Vorstellung nimmt die Skulptur jene Dimension ein, die ihrem gewählten Standort entspricht und bleibt variabel.

Jürgen Partenheimer

25 Jürgen Partenheimer Weiser, 1999; Kiwa, 2000 S.M.A.K. Museum für zeitgenössische Kunst Gent, 2002

Weiser, 1999 Autolack, Edelstahl, Aluminium, 224 × 125 × 75 cm Sammlung Museo de Arte Contemporaneo Es Baluard, Palma

Kiwa, 2000 Bronze, 105 × 45 × 45 cm Sammlung VPBANK, Vaduz, Liechtenstein

Foto: Wolfgang Grümer

Partenheimer ist in der Lage im Museum außergewöhnlich effektiv eine neue Welt zu erschaffen, in der seine Werke Zeichen setzen und eine übersinnliche, spirituelle Wirklichkeit eröffnen. Er sieht jede Ausstellung als unverwechselbare Aussage, durch die er nicht auf die Räume des Museum reagiert, sondern sie transformiert. Dabei wird das Museum durch ihn als dynamischer Ort und wesentlicher Bereich eines öffentlichen Raumes und einer gesellschaftsrelevanten Diskussion erfolgreich redefiniert.

Jan Hoet

27 Jürgen Partenheimer Carme #15, 1998 Pinacoteca do Estado, São Paulo, 2005

Carme #15, 1998 Öl auf Leinwand, 50 × 45 cm Privatsammlung

Foto (Detail): Benedikt Partenheimer

Eingeladen seine Arbeiten im Museum Pinacoteca do Estado in São Paulo zu zeigen, hat der Künstler sich nicht nur für die klassischen Ausstellungssäle dieses Museums entschieden … Partenheimer hatte die Idee, seine Bilder ohne den Schutzraum des Museums unmittelbar in der Stadt zu zeigen, als hätte er genau gespürt, dass die Werke in São Paulos Museum zwar mitten in der Stadt waren und doch völlig außerhalb von ihr blieben … Plötzlich zeigen die Abstraktionen, wovon sie abstrahieren. Der Unruhe des Stadtlärms ­setzen die Werke ihr stoisches Schweigen entgegen … Diese Foto-Serie Partenheimers zeigt eine selten gelassene Ironie. Einen kühneren Kommentar über die scheinbare Vergeblichkeit künstlerischer Arbeit kann man sich kaum denken – man kann alle diese Ein- griffe als Metaphern für den Akt des Ausstellens lesen.

Jan Thorn Prikker

28 Jürgen Partenheimer Lemke Mies van der Rohe Haus, Berlin, 2011

Kalliope #22, 2011 Tusche, Bleistift auf Papier, 26 × 32 cm Privatsammlung

Carme #4, 2011 Öl auf Leinwand, 50 × 45 cm Courtesy Häusler Contemporary München / Zürich

Foto: Benedikt Partenheimer

Die Einladung, zum Jubiläumsjahr „Mies van der Rohe 125“ in Berlin eine Ausstellung für die Räume des letzten Privathauses von Mies van der Rohe in Deutschland vorzubereiten, nimmt Jürgen Partenheimer zum Anlass eines neuen raumbezogenen Ausstellungs- konzeptes. Der Wohnraum im Gegensatz zum Ausstellungsraum bewirkt die entscheidende Inspiration für die „Einrichtung“ einer Ausstellung und diskutiert die gegenwärtige Thematik künstlerischer Intermedialität. Die Ausstellung folgt den Vorgaben und Möglichkeiten einer Gestaltung, in der die soziale Wirklichkeit der Architektur und die ästhetisch inhaltliche Bedeutung der Kunst gemeinsam wirken.

Bruno Glatt

31 Biographie Chasa Jaura in der Schweiz, in der Kunsthalle Kiel und dem Mies van der Rohe Haus in Berlin sammlungs- bzw. raumbezogene Aus- stellungen ein. Für 2014 bereiten die Pinakothek der Moderne Jürgen Partenheimer (*1947 in München) in München, das Gemeente Museum Den Haag und die Contempo- rary Art Gallery, Vancouver, Ausstellungen zu unterschiedlichen Jürgen Partenheimer, der sein Werk konsequent aus der Abstrak- Aspekten seines Werkes vor. tion entwickelt, gehört zu den herausragenden Künstlern Partenheimers Werk wurde mehrfach ausgezeich- seiner Generation. net u.a. mit dem Preis der spanischen Kunstkritik in Madrid; dem In den 1980er Jahren wurde er durch Teilnahmen großen Preis für bildende Kunst des Landes NRW; dem NEA an den Biennalen von Paris, São Paulo und Venedig international National Endowment for the Arts in New York und dem Canada bekannt. Wichtige Ausstellungsbeteiligungen schließen unter Council Grant, Montréal. Für seine internationalen Verdienste anderen das Museum of Modern Art, New York, die National wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse verliehen. Er ­Gallery Washington und das San Francisco Museum of Modern erhielt Einladungen als Artist-in-Residence, u.a. in das Arteleku, Art ein sowie das Singapore Art Museum; Gulbenkian Foun­ San Sebastian; Copan, São Paulo; Nietzsche-Haus, Sils-Maria; dation, Lissabon; Fondacion Miró, Barcelona; das Museo de Arte Nirox Foundation Südafrika und er war Ehrengast der Villa Massi- Contemporanea, Madrid; das Museum Ludwig, Köln, und die ­ mo in Rom. Neue Nationalgalerie Berlin. Die Fähigkeit seine künstlerische Formulierung mit 2000 wurde Partenheimer als erster zeitgenös- großer lyrischer Intensität und fundiertem theoretischen Dis- sischer Künstler aus Deutschland in China mit einer Retrospektive kurs zu verbinden, weist Jürgen Partenheimer als außergewöhn- in der Nationalgalerie in Peking und dem Nanking-Museum lichen Künstler aus. Parteneimer lehrte am San Francisco Art geehrt. Wichtige Einzelausstellungen seines Werkes zeigten die Institute; der University of California, Davis; der Staatlichen Kunst- Nationalgalerie Berlin, Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt; akademie in Düsseldorf; dem Royal College of Art, Edinburgh; ­Stedelijk Museum Amsterdam; IVAM in Valencia sowie das CGAC der Rijksakademie in Amsterdam und an der Rhode Island School in Santiago de Compostela. Das Gemeentemuseum Den Haag of Design, Providence. zeigte seine Skulptur „Weltachse“ in einem auf die Architektur des Museums bezogenen Konzept. Das Museum für zeitgenössi­ sche Kunst S.M.A.K. in Gent richtete 2002 eine raumbezogene Werkschau des Künstlers ein. 2004 widmete ihm die Pinacoteca do Estado in São Paulo eine umfangreiche Ausstellung anläss- lich der XXVI Biennale von São Paulo. 2007 zeigte die Kunsthalle Karlsruhe die Zeichnungszyklen „Römisches Tagebuch“ und „São Paulo Tagebuch“. 2008 konzipierten die Ikon Gallery in Bir- mingham und das Kunstmuseum Bonn mit dem Künstler eine

Jürgen Partenheimer, Phonetic Skin (ICH-Räume) #68, 2010 Phonetic Skin (ICH-Räume) Jürgen Partenheimer, 41 × 31 cm auf Papier, Tusche Bleistift, Privatsammlung Grümer Foto: Wolfgang Ausstellung neuer Arbeiten. 2009–2011 richtete er in den Museen 33