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Sendung vom 28.2.2014, 21.00 Uhr

Sepp Maier Ehem. Rekord-Torhüter der deutschen Fußballnationalmannschaft im Gespräch mit Klaus Kastan

Kastan: Herzlich willkommen zum alpha-Forum. Für unseren heutigen Gast sind seine Hände besonders wichtig gewesen und deswegen zeigen wir sie auch gleich mal. Mit diesen Händen hat er unglaublich viele Bälle gefangen und abgewehrt – gefaustet darf ich eher nicht sagen, denn er war bekannt dafür, dass er die Bälle vor allem gefangen hat. Ich freue mich, im alpha-Forum begrüßen zu dürfen. Weil Sie so viele Bälle gefangen haben, haben Sie auch so wahnsinnig viele Pokale entgegennehmen dürfen. Sie waren mit dem FC Bayern viermal Deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger, einmal Europapokalsieger der Pokalsieger, dreimaliger Europapokalsieger der Landesmeister, einmal Weltpokalsieger und mit der Nationalmannschaft Europameister und Weltmeister. Sie sind eine wahre Fußballlegende. Ich selbst erinnere mich noch gut daran, dass ich, wenn ich mich als Kind ins Tor gestellt und einen Ball gehalten habe, laut geschrien habe: "Das war ein echter Sepp Maier!" Und damit war ich sicherlich nicht alleine in Deutschland, sondern das haben damals sehr, sehr viele Buben so gemacht. Das heißt, Sie waren ein Vorbild für viele junge Leute. Nun kommt man in die Jahre, und wenn man 1944 geboren ist, dann ist man nicht mehr 20 Jahre alt, wie man sehr leicht nachrechnen kann. Fühlen Sie sich inzwischen alt? Maier: Nein, und das, obwohl ich noch im vorigen Jahrhundert geboren wurde. Vom Geburtsdatum her bin ich alt, aber ansonsten bin ich noch topfit. Kastan: Sie schauen auch nicht so alt aus, wie Sie sind. Maier: Vielen Dank. Kastan: Welcher Titel war denn für Sie der schönste und wichtigste? Maier: Es stimmt, was Sie eingangs gesagt haben, ich habe tatsächlich alles gewonnen, was man im Fußball gewinnen kann – nicht nur mit dem FC Bayern, sondern auch als Nationaltorhüter. Der wichtigste Erfolg war natürlich der Gewinn des Weltmeistertitels im eigenen Land im Jahr 1974. Kastan: Im Endspiel gegen Holland! Maier: Gewonnen haben wir dieses Spiel ja sogar noch im eigenen Stadion, nämlich im Münchner , denn das war damals unser Heimstadion. Und das Ganze auch noch mit sechs Spielern des FC Bayern im Endspiel! Das war optimal. Kastan: Und Sie haben toll gehalten in diesem Spiel. Maier: Ja, das gehört einfach dazu: Wenn man Weltmeister werden will, dann kann man keinen Blinden im Tor gebrauchen. Kastan: Haben Sie denn noch Erinnerungen an einzelne Szenen aus diesem Spiel? Maier: Ja, schon, habe ich schon noch. Kastan: Sie haben ja gleich am Anfang einen Elfmeter kassiert. Maier: Ja, das stimmt. Aber wie wir heute wissen, war das eigentlich gar kein Elfmeter gewesen, denn Uli Hoeneß hatte den außerhalb des Strafraums "gelegt". Aber gut, das ist vorbei, und letztendlich sind ja wir Weltmeister geworden. Sicherlich war da auch ein bisschen Glück mit dabei, aber wenn man Weltmeister werden will, dann reicht das spielerische Vermögen nicht aus, sondern da braucht man schon auch ein bisschen Glück. Und dieses Glück hatten wir. Kastan: Dieses Glück hatte die deutsche Fußballnationalmannschaft in den letzten Jahren nicht so sehr. Sie hat teilweise tolle Spiele gezeigt, aber für einen großen Titel hat es nicht gereicht, weil dieses Quäntchen Glück gefehlt hat. Maier: Genau. Kastan: Sie stammen ursprünglich aus Haar bei München. Maier: Nein, ich stamme aus Metten in Niederbayern. Dort bin ich 1944 geboren worden, und nach zwei, drei Jahren sind wir dann nach Haar gezogen, weil dort meine Eltern einen Arbeitsplatz gefunden hatten. Meine Mutter war Krankenpflegerin in der Nervenheilanstalt in Haar und mein Vater war dort in der Verwaltung tätig. Dort hatten sie sich auch kennengelernt und nach ein paar Jahren sind wir eben direkt nach Haar umgesiedelt. Kastan: Als Schüler waren Sie zuerst einmal ein sehr guter Turner. Maier: Ja, ich habe mit sechs, sieben Jahren bei der Haarer Turnriege mit dem Turnen angefangen. Aber trotzdem war für mich auch damals schon der Fußball das A und O. Aber auch das Turnen hat mir Spaß gemacht und ich war damals ein sehr gelenkiger Bub. Es gab auch damals schon Wettkämpfe im Turnen für Schüler und so bin ich damals sogar dreimal oberbayerischer Meister im Turndreikampf geworden: Reck, Bodenturnen und Ringe waren die Disziplinen bei diesem Dreikampf. Kastan: Könnten Sie das heute auch noch? Maier: Nein, nichts davon, auf keinen Fall. Kastan: Sie spielten aber auch Fußball beim TSV Haar. Eines Tages kam es zu einem denkwürdigen Spiel zwischen dem TSV Haar und der Schülermannschaft des FC Bayern. Sie mussten ins Tor, weil der eigentliche Torhüter verletzt war. Maier: Ich war damals schon einfach ein lustiger Typ – etwas, was ich mir bis heute bewahren konnte. Ich war bis zu meinem 15. Lebensjahr Feldspieler beim TSV Haar und spielte im Sturm alle möglichen Positionen. Aber eigentlich war ich auf dem Platz überall zu Hause: Wo der Ball war, war der Sepp auch. Aber wenn der Platz schön weich und bazig war, bin ich nach dem eigentlichen Training auch hin und wieder ins Tor gegangen und hab dort Gaudi gemacht. Dabei muss ich mich aber gar nicht so dumm angestellt haben und eines Tages, wie das eben so ist im Leben, hat sich unser "etatmäßiger" Torhüter in einem Spiel die Hand gebrochen. In so einem kleinen Dorfverein hat man nicht gleich in jeder Mannschaft zwei oder gar drei Torhüter zur Verfügung, sondern da hat man nur einen. Unser Jugendleiter hat daher zu mir vor einem Spiel gesagt: "Sepp, du musst ins Tor gehen, wir haben am Sonntag das Pokalspiel gegen die zweite Jugend vom FC Bayern." Ich habe ihm geantwortet: "Herr Heiß, ich will nicht so gern ins Tor gehen, ich will lieber Feldspieler sein, weil ich gegen die Bayern viel lieber ein paar Tore schießen will." Ich war halt einfach ein bisschen ehrgeizig. Er aber hat gemeint: "Nein, du musst ins Tor, du machst das gut, wie ich im Training ein paar Mal gesehen habe." Ich ging also an diesem besagten Sonntag ins Tor, allerdings ganz unfreiwillig. Ich weiß noch, dass wir haushoch verloren haben, so ungefähr mit 0:9 oder mit 1:10 oder so. Für mich selbst war damit diese Episode als Torhüter beendet, weil ich mir gedacht habe, dass mich der Trainer jetzt wieder ganz normal als Feldspieler aufstellen wird. Aber Rudi Weiß, der Trainer des FC Bayern, ging nach dem Spiel zu unserem Trainer und sagte zu ihm: "Du, Franz, was hast du denn da für einen Torhüter in deiner Mannschaft?" Unser Trainer hat zu ihm nur gemeint: "Das ist gar kein Torhüter, der spielt bei mir normalerweise im Sturm oder im Mittelfeld." Aber der Rudi Weiß sagte daraufhin: "Schick ihn mir mal vorbei!" Das hat mir unser Trainer dann erzählt, aber ich habe mir gedacht: "Zum FC Bayern gehen? Ach, in Haar bist halt jemand!" Wenn ich am Montag in die Schule kam, haben mich alle anderen immer gleich gefragt: "Sepp, wie viele Tore hast du gestern wieder geschossen?" Wenn ich dann gesagt habe: "Zwei, drei", dann wurde mir auf die Schulter geklopft. Mein Gedanke war daher: "Beim FC Bayern bist du doch nur einer unter Hunderten!" Ich überlegte also hin und her, und während ich noch überlegt habe, bekam ich auf einmal eine Einladung zur oberbayerischen Jugendauswahl: "Herr Josef Dieter Maier" – ich war damals gerade mal 15 Jahre alt – "soll sich bitte am Soundsovielten um acht Uhr morgens am Stiglmaierplatz einfinden zum Ländervergleichskampf Oberbayern gegen Salzburg." Dazu hat man mich Buben aus dem kleinen Verein Haar eingeladen! Mein Vater brachte mich dann an diesem besagten Tag zum Stiglmaierplatz, zum Treffpunkt. Von dort ging es per Bus nach Salzburg. Der Trainer der oberbayerischen Jugendauswahl war genau der gleiche Trainer vom FC Bayern, der mich im Pokalspiel gesehen hatte. In dieser oberbayerischen Jugendauswahl waren an die acht, neun Bayernspieler mit dabei, etliche Sechzigerspieler und ich als einziger "Dorfmensch" aus Haar. Als wir in Salzburg im Stadion ankommen, will ich mich gerade umziehen, als der Trainer die Aufstellung bekannt gibt: "Maier, Sepp: im Tor!" Ich habe sofort gesagt: "Aber ich bin doch gar kein Torwart!" Er meinte aber: "Du bist als Torwart eingeladen und nicht als Feldspieler! Als Feldspieler haben wir die Jungs von Bayern und Sechzig. Du bist hier als Torwart!" "Aber Herr Trainer, ich habe doch überhaupt keine Torwartsachen mit dabei!" Früher musste man nämlich im Verein seine Sachen wie Trikot, Hose usw. immer selbst mitbringen. Er sagte zu mir aber: "Nein, wir haben in der oberbayerischen Jugendauswahl schon eigene Trikots. Du kannst deine Sachen sowieso weglegen, du bekommst von mir ein Trikot!" So etwas war ich natürlich überhaupt nicht gewohnt von daheim. Ich zog mir also das Trikot der oberbayerischen Jugendauswahl an, und wie es der Teufel haben will, gab es im Spiel zwei Elfmeter gegen uns. Und wer hat die gehalten? Der Sepp! Ich hielt also zwei Elfmeter und wir gewannen dieses Spiel 3:1. Bei der Rückfahrt im Bus haben dann diese acht, neun Mitspieler vom FC Bayern zu mir gesagt: "Geh, komm halt zu uns! Da hast Aufstiegschancen, wir sind eine gute Mannschaft." Ich war damals in meinem ersten Lehrjahr als Maschinenschlosser bei den Wanderer-Werken. In November 1959 habe ich mich dann breitschlagen lassen, zum FC Bayern zu wechseln. Ich weiß noch, dass es wie wahnsinnig geregnet hat, als ich mit meinem Moped zu meinem ersten Training fuhr: Als ich an der Säbener Straße ankam, ist mir überall das Wasser aus der Kleidung gelaufen! Aber so fing das eben an und es ging Gott sei Dank gut weiter. Kastan: Da begann dann Ihre Karriere. Maier: Genau, da hat dann meine Karriere angefangen. Kastan: Und Sie haben diesen Wechsel auch nie bereut. Oder sagen Sie sich heute manchmal: "Mensch, hätte ich doch lieber was Gescheites gelernt!"? Sie wollten ja auch mal Schauspieler werden. Maier: Ich wollte viel werden damals, wie das halt so ist, wenn man ein Kind ist. Als ich noch ganz klein war, wollte ich unbedingt Schullehrer werden. Ich weiß auch noch bis heute ganz genau, warum. Wir hatten nämlich in der ersten Klasse Volksschule eine Lehrerin, die Frau Heinhold. Diese Frau hat mir damals als Sechsjährigem so gut gefallen, dass ich mir gedacht habe: "Ich will auch Lehrer werden!" Später wollte ich Lokomotivführer werden, und als ich ein bisschen älter wurde, Schauspieler. Kastan: Sie haben also alles durchgemacht. Maier: Ja, ich habe alles durchgemacht. Geworden bin ich dann aber Maschinenschlosser und Fußballer, und das war das Beste. Kastan: Sie wurden dann auch ganz schnell in die Jugendnationalmannschaft berufen. Deren damaliger Trainer hieß Helmut Schön, und mit dem hatten Sie später dann noch öfter zu tun. Maier: Ich bin im November 1959 zum FC Bayern gekommen. Damals gab es noch das sogenannte UEFA-Juniorenturnier. Dazu ging es an Ostern 1961 nach Portugal, d. h. gerade mal ein Jahr und vier Monate, nachdem ich zum FC Bayern gewechselt war, habe ich in der Jugendnationalmannschaft gespielt. Mein Aufstieg war also schon sehr rasant. Der Wegbereiter dafür war Helmut Schön, der damals die Jugendnationalmannschaft betreut hat. Bundestrainer war zu dieser Zeit noch Sepp Herberger, und zwar bis 1964, denn dann wurde Helmut Schön Bundestrainer. So bin ich quasi zusammen mit dem Helmut Schön in die Nationalmannschaft hineingewachsen. Kastan: Helmut Schön hat Sie sehr gefördert und war wohl auch ziemlich wichtig für Sie, oder? Maier: Ja, aber es war nicht nur Helmut Schön wichtig für mich. Er war für mich wichtig wegen der Jugendnationalmannschaft und später wegen der Nationalmannschaft. Fördern? Gut, es stimmt schon, man muss schon auch auf Leute treffen, die einen einladen und dann auch ausbilden usw. Aber das war eben auch damals schon beim FC Bayern sehr, sehr gut organisiert: Wir hatten mit dem Rudolf Weiß einen sehr, sehr guten Jugendtrainer ... Kastan: Das war der Mann, der Sie damals bei diesem Jugendpokalspiel gesehen hatte. Maier: Genau. Kastan: Wie hat der überhaupt Ihr Talent entdecken können, wenn Sie neun oder zehn Tore kassiert haben? Maier: Vielleicht hätten wir ja sonst 15:0 oder 20:0 verloren. Kastan: Er hat wahrscheinlich Ihr Bewegungstalent gesehen. Maier: Ja, vermutlich. Ein guter Trainer sieht so etwas aber eigentlich sofort auch im Hinblick auf das Stellungsspiel. Aber ich war damals halt erst 15 Jahre alt und hatte meine ganze Entwicklung erst noch vor mir: Da kommt noch viel auf einen zu und es ist komplett unsicher, ob das überhaupt etwas wird. Aber für die erste Jugend beim FC Bayern hat es halt sofort gereicht – und wie man an den späteren großen Erfolgen sehen kann, hat es auch weiterhin gereicht. Kastan: Was sagt Ihnen denn der Name Fritz Kosar? Maier: Ja, der Fritz! Fritz Kosar war mein Vorgänger in der ersten Mannschaft des FC Bayern. Mit 18 Jahren spielte ich nämlich zum ersten Mal in der ersten Mannschaft des FC Bayern, also bei den Erwachsenen. Ich hatte noch den Amateurstatus, denn 1964 war die Olympiade in Tokio und es war damals so, dass nur eine von beiden deutschen Nationalmannschaften bei der Olympiade antreten durfte. Als mussten wir Qualifikationsspiele gegen die Nationalmannschaft der damaligen DDR machen. Meistens war es so, dass bei diesen Vergleichen die DDR gewonnen hat, denn die Spieler der DDR waren als "Staatsamateure" eher Vollprofis, während wir hier im Westen in der Amateurnationalmannschaft noch richtige Amateure waren. In dieser Zeit war es so, dass Helmut Schön schon nicht mehr die Jugendnationalmannschaft, sondern die Amateurnationalmannschaft betreut hat. Zu der lud er mich ebenfalls wieder ein, und bei einer dieser Einladungen zur Amateurnationalmannschaft musste ich ihm in die Hand versprechen, dass ich bis 1964, also bis zur Olympiade in Tokio, Amateur bleiben werde. Das hat aber bedeutet, dass ich als Amateur mit dem Fußball kein Geld verdienen konnte. Man durfte höchstens dreimal in der ersten Mannschaft spielen; wenn man zum vierten Mal in der ersten Mannschaft gespielt hat, musste man einen Lizenzspielervertrag unterschreiben: Damit war man dann kein Amateur mehr. Ich habe schon recht bald drei Spiele in der ersten Mannschaft absolviert, und der FC Bayern wollte mich auch unbedingt als Lizenzspieler haben. Genau in dieser Zeit ist aber meine Mutter gestorben. Das hat bedeutet, dass mein Vater auf einmal alleine mit drei mehr oder weniger halbwüchsigen Kindern dastand. Und Geld hatten wir auch keines. Daraufhin hat mein Vater einen sehr netten Brief an Helmut Schön geschrieben, in dem er ihm unsere familiäre Situation geschildert hat und ihn gebeten hat, mich von meinem Ehrenwort, bis 1964 Amateur zu bleiben, zu entbinden. Helmut Schön hat ihm auch gleich zurückgeschrieben, dass der Sepp selbstverständlich sofort seinen Amateurstatus beenden und beim FC Bayern einen Lizenzspielervertrag unterschreiben könne. Im Nachhinein war das auch ganz gut so, denn das Qualifikationsspiel gegen die DDR hat die deutsche Amateurnationalmannschaft – ohne mich – sowieso verloren, d. h. wir fuhren eh nicht zur Olympiade. Insofern war das schon eine gute Entscheidung gewesen. Kastan: Und damit waren Sie Lizenzspieler. Was haben Sie damals verdient? Maier: Was habe ich damals bekommen, als ich angefangen habe? Ich weiß noch, dass ich als Amateur für ein gewonnenes Spiel 15 und die Profis 60 Mark bekommen haben. Ich habe mich nämlich damals bei Herrn Fembeck beschwert, warum ich bloß 15 Mark bekommen würde für einen Sieg und die Lizenzspieler 60. Er meinte nur: "Weil du Amateur bist. Unterschreib einen Lizenzspielervertrag, dann bekommst du auch 60 Mark." Als ich dann tatsächlich meinen ersten Vertrag unterschrieben habe, habe ich im Anfangsstadium so um die 300 Mark im Monat bekommen. Kastan: Und 300 Mark waren viel mehr, als man sich das heute vorstellen kann. Maier: Ja, klar. Es waren halt so 300 bis 500 Mark im Monat mit den Siegprämien. Aber ich habe ja nebenbei noch gearbeitet, und zwar wie alle anderen auch. Kastan: Da waren Sie dann immer noch bei den Wanderer-Werken in Haar? Maier: Nein, es war nämlich so, dass mich die Wanderer-Werke nicht mehr freigestellt haben, als ich als Maschinenschlosser ausgelernt hatte. Für Auslandsreisen, Lehrgänge etc. musste ich von da an meinen Urlaub hernehmen. Aber die paar Urlaubstage waren bald verbraucht. Also habe ich unbezahlten Urlaub genommen, aber da spielten die Wanderer- Werke nicht mehr mit. Man meinte daher zu mir: "Gut, dann kommst du eben am Samstag, wenn die anderen freihaben, in den Betrieb zum Maschinenputzen." Also bin ich eine zeitlang am Samstag am Vormittag zum Maschinenputzen ins Werk gefahren: Da habe ich dann den ganzen Vormittag über die Drehbänke, die Fräsmaschinen usw. geputzt. Am Nachmittag konnte ich dann zum Fußballspiel fahren, allerdings mit ganz dreckigen Händen, weil das eine sehr schmierige Arbeit gewesen ist und Handschuhe hat es dafür damals noch nicht gegeben. Mir war das nach einer Weile aber doch zu dumm und so bin ich weggegangen von den Wanderer-Werken. In der Aschauerstraße in München gab es die Schlosserei Huber und dort hat mir der FC Bayern eine Arbeit besorgt: Ich hatte zwar Maschinenschlosser gelernt, aber dort bei der Firma Stahlbau Huber habe ich dann als Kunst- und Bauschlosser gearbeitet. Das war ganz gut für mich, denn dort habe ich immer nur bis um 12.00 oder 14.00 Uhr gearbeitet, um anschließend ins Training zu fahren. Den Verdienstausfall, den ich dadurch hatte, hat mir der FC Bayern bezahlt. Das war eine gute Sache. Kastan: Könnten Sie heute eigentlich noch eine Maschine reparieren? Maier: Ja klar, logisch. Ich kann noch alles. Ich bin handwerklich sehr begabt, da müssen Sie nur meine Frau fragen. Ich bin auch ein großer Erfinder: Wenn irgendetwas nicht klappt, dann tüftle ich so lange herum, bis es klappt – oder ganz kaputt ist. Kastan: Die Torwarthandschuhe, die man heute hat, gab es ja zu Ihrer Anfangszeit noch gar nicht. Ich habe gelesen, dass Sie diese Handschuhe erfunden haben. Maier: Ja, die Handschuhe waren damals bis in die späten 60er Jahre hinein immer ein großes Problem. Wenn es trocken war, habe ich immer ohne Handschuhe gehalten. Bei Regenwetter hatte man früher als Torwart Wollhandschuhe an, denn damals waren die Bälle noch komplett aus Leder. Wenn so ein Lederball nass und glitschig wurde, dann konnte man ihn mit Wollhandschuhen supergut festhalten. Wenn aber so ein Lederball nass wurde, wurde er auch unglaublich schwer! Wenn man da als Torwart den Ball beim Abstoß weggeschossen hat, hatte man immer das Gefühl, man bricht sich den Fuß dabei. Wenn einer einen Kopfball gemacht hat mit so einem Lederball, dann handelte er sich gleich eine Gehirnerschütterung ein, so schwer waren die Bälle damals, wenn sie nass wurden. Also hat die Industrie plastifizierte Bälle erfunden: Da Leder war mit einer Plastikhaut überzogen, damit es das Wasser nicht so aufsaugen konnte. Diese Plastikhaut wurde aber, wenn es nass war, absolut glatt und schmierig: Die Wollhandschuhe konnte man da glatt vergessen. Wenn man als Torwart bei Nässe ohne Handschuhe versucht hat, so einen nassen Ball zu fangen, ging das erst recht nicht: Der ist einem einfach zwischen den Händen durchgerutscht. Ich dachte mir also: "Mensch, da musst du jetzt irgendetwas erfinden!" Ich habe mir also mal einen dieser Bälle genommen und ihn mit einem Frotteehandtuch abgerieben. Dabei habe ich gemerkt, dass das Frottee sehr gut hält auf einem solchen Ball, wenn er nass ist. Also habe ich mir Handschuhe machen lassen, die auf der Innenhand mit Frotteestoff beschlagen waren. Damit konnte man diese Bälle dann wieder sehr gut fangen. Aber die Industrie machte immer weiter und eines Tages hat die Firma Derbystar einen Ball auf den Markt gebracht, der bei Nässe äußerst glatt war: Der war dann so glatt wie eine Glasscheibe. Wenn es trocken war, waren diese Bälle hervorragend, aber wehe, sie wurden nass: Dann wurden sie glitschig wie Schmierseife. Kastan: Und in unseren Breiten regnet es nun mal oft. Maier: Ja, und ich hatte immer Probleme mit diesen Bällen bei Nässe. Aber das ging den anderen Torhütern in der nicht anders. Also musste ich mir wieder etwas Neues ausdenken. Ein Jahr lang habe ich herumgetüftelt, bis ich mir eines Tages von unserem Physiotherapeuten so ganz dünne Schaumstoffmatten, die man normalerweise als Unterlage bei bestimmten Verletzungen gebraucht hat, ausgeliehen habe. Mit diesem Fleck Schaumstoff habe ich mit dem Ball experimentiert und gemerkt, dass dieser Schaumstoff sehr gut hält auf diesen Bällen. Ich dachte: "So, jetzt hast du das richtige Material gefunden!" Ich habe also aus diesem Schaumstoffflecken die Kontur meiner Hände ausgeschnitten und diesen Schaumstoff dann auf die Innenseite der Handschuhe kleben wollen. Die Torwarthandschuhe sahen früher auf der Innenseite wie Tischtennisschläger aus: Sie waren übersät mit lauter kleinen Gumminoppen. Ich habe also jeden einzelnen dieser Gumminoppen mit der Rasierklinge abgetrennt, damit ich mit Pattex den Schaumstoff draufkleben konnte. Diese Handschuhe waren dann wirklich toll. Aber wenn es wirklich geregnet hat und ich diese Handschuhe gebraucht habe, dann war der Schaumstoff nach der ersten Halbzeit schon wieder runtergerissen vom Handschuh. Was konnte ich da machen? Ich kannte eine Firma, die Torwarthandschuhe hergestellt hat, und zu dieser Firma habe ich gesagt: "Wie wäre es denn, wenn man so wie früher bei den Frotteehandschuhen die komplette Innenhand mit so einem Schaumstoff überziehen würde?" Man versprach mir, das auszuprobieren. Aber nach einiger Zeit bin ich dann angerufen worden von ihnen und sie sagten zu mir: "Nein, Sepp, das geht nicht, weil sich dieser Schaumstoff nicht vernähen lässt." Meine Antwort war: "Ja, dann schaut halt, dass Ihr einen ähnlichen Stoff bekommt, den man aber vernähen kann!" Diesen Stoff haben sie dann tatsächlich gefunden. Und mit diesen Handschuhen spielen die Torhüter heute noch! Natürlich ist das ganze Material, ist der Schaumstoff aber inzwischen viel besser geworden, denn als ich dann die ersten von diesen Handschuhen bekommen habe, war es so, dass man sie nach spätestens zwei Spielen wegwerfen musste, weil sie kaputt, weil sie in der Innenhand komplett zerfranst waren. Heute kann man solche Handschuhe gut und gerne drei Wochen lang verwenden. Kastan: Aber Sie haben darauf kein Patent angemeldet, durch das Sie bei allen bis heute verkauften Torwarthandschuhen Tantiemen bekämen? Maier: Nein, ich war früher nicht so, da war ich genauso wenig wie heute aufs Materielle aus. Mich hat nur das Praktische interessiert: Wenn es mir geholfen hat, war ich zufrieden. Da habe ich dann gar kein Interesse mehr daran gehabt, diese Art von Handschuhen schützen zu lassen oder sie zum Patent anzumelden. Vielleicht war das sogar ein Fehler. Aber das macht nichts. Kastan: Sie hatten jedenfalls beim FC Bayern große Erfolge. Nach einem ersten gescheiterten Versuch sind Sie dann im zweiten Versuch im Jahr 1965 in die 1963 gegründete Bundesliga aufgestiegen. Ich selbst habe damals das Spiel des FC Bayern gegen gesehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Das war im alten Grünwalder Stadion. Das war ein knapper Sieg des FC Bayern und damit war der Aufstieg des FC Bayern perfekt. Maier: Nein, wir sind damals eben nicht aufgestiegen. Kastan: Ja, stimmt, das war die Saison, in der der FC Bayern dann doch noch von Borussia Neunkirchen überholt worden ist. Maier: Genau. Wir waren bis zur Hälfte der Aufstiegsrunde ganz klar in Führung, verloren dann aber am Ende zu Hause noch gegen Borussia Neunkirchen 1:2. Ich glaube, Hannover 96 ist damals zusammen mit Borussia Neunkirchen aufgestiegen. Aber ein Jahr später haben wir es dann auch geschafft und sind in die Bundesliga aufgestiegen. Kastan: Und dann ging es mit den vielen Erfolgen des FC Bayern erst so richtig los. Aber auch Sie hatten großen Erfolg und wurden in die deutsche Nationalmannschaft berufen. 1966 waren Sie im deutschen Kader bei der Fußballweltmeisterschaft in England, kamen dort aber nicht zum Einsatz. Ich glaube, Sie waren damals die Nummer drei unter den Torhütern in der Nationalmannschaft, denn an , einem anderen großen deutschen Torhüter, gab es damals noch kein Vorbeikommen. Aber so ein bisschen WM-Luft konnten Sie 1966 schon schnuppern. Maier: Ich hatte damals in England ein bisschen Pech, denn ich habe mir gleich am Anfang in einem Trainingsspiel die Mittelhand gebrochen. Der Hans Tilkowski war in dem einen und der Günter Bernard von Werder Bremen in dem anderen Tor und ich habe im Training im Feld mitgespielt, weil ich eben nur dritter Torhüter gewesen bin. Das konnte ich ja ganz gut. Helmut Schön hat dabei einen Schiedsrichterball gemacht, hat also den Ball hochgeworfen, und ich wollte an den Ball kommen. Aber das wollte der Sigi Held auch und so bin ich mit ihm zusammengestoßen, wobei mir der Mittelhandknochen der linken Hand gebrochen ist. Ich bekam einen Gips und Helmut Schön fragte mich daraufhin: "Sepp, willst du heimfahren oder willst du dableiben?" "Nein, Herr Schön", habe ich geantwortet, "ich will dableiben, ich will doch was lernen!" "Gut, Sepp, genau das habe ich auch von dir erwartet!", habe ich dann als Antwort von ihm bekommen. In diesem WM-Quartier in England habe ich das Tennisspielen angefangen, weil ich ja sonst körperlich nichts mehr machen konnte. Ich konnte ja nicht mehr ins Tor gehen und im Training auch auf dem Feld nicht mehr spielen. Der Günter Bernard hat damals schon Tennis gespielt und ich selbst wollte das auch. Im Fernsehen habe ich immer das Turnier in Wimbledon verfolgt und von dem wunderschönen Rasen dort gehört. Die Nationalmannschaft hatte ihr Quartier im Hotel Peveril of the Peak und dort gab es tatsächlich auch einen Tennisplatz mit herrlichem Rasen. Das Problem war aber, dass ich keinen Tennisschläger mitgenommen hatte. Aber ich wollte unbedingt ausprobieren, wie das ist, wenn man auf Rasen Tennis spielt. Vor dem berühmten Endspiel 1966 gegen die Engländer hat Helmut Schön eine Mannschaftssitzung einberufen. Aber er konnte nicht anfangen, weil zwei Spieler gefehlt haben. Wer war das? Der Günter Bernard und der Sepp Maier! Wir beide haben zwar so und so nicht gespielt, aber in der Mannschaftssitzung hätten wir doch dabei sein müssen. Das heißt, die Mannschaftssitzung musste verschoben werden, weil wir beide nicht da waren. Wo waren wir? Wir waren drüben auf dem Rasenplatz und haben dort Tennis gespielt. Wir hatten uns in einem Kaufhaus zwei von diesen alten Maxply-Schlägern und ein paar Bälle gekauft: Mit denen spielten wir dann Tennis. Aber eigentlich haben wir gar nicht Tennis gespielt, sondern sind nur über den Tennisplatz geflogen! Wir spielten Lops usw. und jeder von uns beiden ist permanent nach dem Ball gehechtet. Da eine Rückwärtsrolle, dort eine Vorwärtsrolle usw. Das heißt, wir beide haben die Becker-Rolle schon 1966 kreiert. Kastan: Die müsste also eigentlich Maier-Rolle heißen. Maier: Genau, richtig. Das hat uns einfach Spaß gemacht. In diesen Wochen habe ich jedenfalls mit dem Tennisspielen angefangen. Kastan: Später haben Sie in Anzing bei München sogar ein Tenniscenter gebaut. Maier: Ja, das war dann aber erst in den 70er Jahren. Kastan: Das heißt, das kam erst später hinzu, aber Ihr Interesse am Tennis ist schon 1966 während der WM in England aufgekommen. Nach dieser WM machten Sie dann Karriere in der Nationalmannschaft und waren über zehn Jahre lang die Nummer eins im deutschen Tor. Maier: Ich habe von 1966 bis 1979 in der Nationalmannschaft gespielt, also 13 Jahre lang. Kastan: Der Weltmeistertitel 1974 war dann, Sie haben es schon erwähnt, ein absolutes Highlight in Ihrer Karriere. Maier: Ja, sicher, Weltmeister im eigenen Land zu werden, ist immer eine tolle Sache. Jeder Fußballer will doch Weltmeister werden, und es gibt Millionen von Fußballern auf der Welt. Aber wann wird man schon mal Weltmeister? Das heißt, es sind immer nur ganz wenige dazu auserkoren, Weltmeister werden zu dürfen. Ja, ich bin stolz darauf, dass wir das damals geworden sind. 1990 sind wir das dann noch einmal geworden, aber seit 1990 herrscht titelmäßig ein bisschen eine Flaute. Aber das wird schon noch. Kastan: Was gehört alles zu einem guten Torwart? Maier: Gute Torhüter gibt es eigentlich viele, aber der letzte Schliff muss einem angeboren sein. Das kann man nicht trainieren, das muss man in sich haben. Kastan: Man braucht Besessenheit, Ehrgeiz? Maier: Ja, das gehört unbedingt mit dazu, denn sonst wird man kein guter Torwart. Um aber ein Weltklassetorhüter zu werden, braucht es mehr. Es braucht dieses i-Tüpfelchen, das einen von anderen unterscheidet. Und das muss einem angeboren sein. Das kann man sich nicht antrainieren, das kann man auch nicht mit noch so viel psychologischer Schulung erreichen, sondern das muss man einfach in sich haben. Kastan: Haben Sie es bereut, dass Sie immer ausschließlich Torwart waren? Wären Sie in Ihrer aktiven Zeit nicht auch gerne mal Feldspieler gewesen? Maier: Sogar beim FC Bayern war es noch so, dass ich damals in der ersten Jugendmannschaft als Torhüter und in der zweiten Jugendmannschaft als Feldspieler gespielt habe. Die Jugendmannschaft des FC Bayern war damals zusammen mit den Jugendmannschaften vom TSV 1860 und von Wacker München führend. Wenn wir in der Liga nicht gegen diese Mannschaften gespielt haben, sondern gegen irgendeinen Dorfverein, dann haben wir immer 9:0 oder 10:0 gewonnen. Nur die Spiele gegen Sechzig und gegen Wacker waren wirklich wichtig, die anderen Spiele haben wir quasi im Schlaf gewonnen. Mir war das aber quasi zu wenig Beschäftigung und deswegen habe ich damals unseren Jugendleiter gefragt, ob ich nicht in der zweiten Jugendmannschaft draußen im Feld spielen kann. Er hat mir das erlaubt und so war ich dann in der zweiten Jugendmannschaft Torjäger. Am Samstag habe ich in der zweiten Jugendmannschaft als Feldspieler gespielt und am Sonntag in der ersten als Torhüter. Kastan: Sie sind Rekordinhaber bezüglich der Anzahl der Spiele, die je ein Spieler für den FC Bayern in der Bundesliga ohne Unterbrechung gespielt hat. Wie viele Spiele waren das insgesamt am Stück? Maier: 442. Kastan: Beim 212. Spiel wäre das fast mal daneben gegangen, denn da hatten Sie eine Verletzung, aber Ihr Ehrgeiz hat es Ihnen verboten zuzugeben, dass Sie diese Verletzung haben und eigentlich gar nicht spielen dürften. Maier: Ich habe damals in Nürnberg zusammen mit einem Freund ein Squash- Center eingeweiht. Squash spielen ist halt ein bisschen gefährlich wegen des Parkettbodens. Ich bin umgeknickt und habe mir wahrscheinlich ein Band gerissen: Der Knöchel ist sofort unwahrscheinlich dick geworden. Wahrscheinlich deswegen, weil ich nicht zum Doktor gegangen bin. Am Samstag darauf war das Spiel gegen Bochum und ich habe damals schon gewusst, dass ich bereits 212 Spiele am Stück absolviert habe. Also habe ich mir gedacht: Versuch es einfach, fang an, denn auswechseln lassen kann ich mich immer noch, wenn es gar nicht geht. Aber letztlich habe ich doch durchgespielt. Das Spiel haben wir 0:2 verloren, aber für die Tore konnte ich nichts. Die Abschläge konnte ich allerdings nicht schießen, ich glaube, die hat der Katsche, also der Hans- Georg Schwarzenbeck für mich gemacht. Es ging halt irgendwie, doch, doch, trotz des Bänderrisses. In der heutigen Zeit wäre das völlig unmöglich. Auch an den Händen hatte ich trotz dieser 432 Spiele am Stück immer wieder Verletzungen: Was ich da an Kapselverletzungen an den Fingern gehabt habe! Kastan: Merken Sie heute noch etwas davon? Merken Sie heute an Ihrem Körper, dass Sie ein langjähriger Fußballprofi gewesen sind und Ihr Körper ganz einfach überdurchschnittlich gefordert worden ist? Maier: Nein, ich muss sagen, ich habe da eigentlich keine Probleme, auch nicht mit der Hüfte oder mit den Knien. Ich werde jetzt 70 Jahre, aber ich habe keine Probleme mit meinem Körper. Ich werde halt supergute Gene haben. Oder ich habe super trainiert in meiner Jugend. So wird es wahrscheinlich sein: Ich habe gut trainiert und ich habe gute Gene. Ich kenne nämlich ehemalige Nationaltorhüter, die mit gut 40 Jahren bereits eine künstliche Hüfte bekommen haben. Kastan: Wissen Sie, was im Lexikon der Bundesligatorhüter aus dem Jahr 2003 über Sie steht? Maier: Nein. Kastan: Dort steht: "Gegen Maier erzielte Tore sind immer unhaltbar." Maier: Ja, klar, das ist doch logisch. Ich war an den Gegentoren nie schuld! Kastan: Sie waren nie schuld? Maier: Ich war nie schuld! Es stimmt, ich habe irgendwann einmal als Aktiver gesagt, die Tore gegen mich sind alle unhaltbar. Und für mich waren sie halt auch unhaltbar. Was sollte ich mir den Kopf zerbrechen, wenn ich mal einen Fehler gemacht habe? So bin ich über eigene Fehler immer gut hinweggekommen: Ich habe jegliche Schuld weit von mir gewiesen, obwohl ich natürlich innerlich ganz genau gewusst habe, dass ich schuld war. Aber zugegeben habe ich das nie, sondern habe die Fehler immer bei den anderen gesucht. Mit dieser Einstellung bin ich als Torhüter sehr gut zurechtgekommen. Kastan: Einer, der schuld gewesen ist, war auch mal . An ihm haben Sie eine regelrechte Majestätsbeleidigung verübt, indem Sie in einer Mannschaftsbesprechung eine Manndeckung für Beckenbauer gefordert haben, weil er nämlich gelegentlich Eigentore fabriziert hat. Maier: Das war damals in dieser Zeit, als der Franz in drei Spielen hintereinander jeweils ein Eigentor gemacht hat. Ich denke, auch das ist ein Rekord: Dass ein Abwehrspieler in drei aufeinanderfolgenden Spielen ein Eigentor schießt, ist, glaube ich, nicht wieder vorgekommen. In einer Mannschaftssitzung vor einem Spiel hat , unser damaliger Trainer, am Ende genau erklärt, wer von uns welche Aufgabe hat, wer von uns welchen gegnerischen Stürmer zu decken hat. Als er mit seinen Anweisungen zu Ende war, hat er seinen üblichen Spruch losgelassen: "Hat noch jemand was zu sagen?" Ich habe mich gemeldet und gemeint: "Ja, ich habe was zu sagen!" Herr Lattek meinte ganz erstaunt: "Wieso du? Du sagst doch sonst nie etwas. Was willst du denn sagen, Sepp?" "Herr Lattek, Sie haben ja jetzt die ganzen Abwehraufgaben sehr gut verteilt, aber ich hätte da doch noch eine Frage. Wer deckt den Franz?" Der Franz meinte da nur: "Du Arsch! Hock dich hin und halt den Mund!" Kastan: Hat er Ihnen je verziehen? Maier: Ach, das war doch nur eine Gaudi. Kastan: Wie wichtig ist das Stellungsspiel für den Torhüter? Maier: Wenn man ein gutes Stellungsspiel hat, muss man nicht so viel fliegen, das ist eine alte Wahrheit. Kastan: Und Sie hatten dieses gute Stellungsspiel. Maier: Man muss halt mitspielen, dann hat man auch ein gutes Stellungsspiel. Manchmal steht man freilich auch verkehrt. Es gibt einfach Spielsituationen beim Fußball, in denen man spekulieren muss, in denen man damit rechnet, dass dieses und jenes passiert. Und dann kommt es doch ganz anders und man steht falsch. Da muss man dann eben eine Parade machen oder sich vielleicht auch ins Gewühl hineinwerfen. Aber im Großen und Ganzen hatte ich das schon drauf. Beim Fußball gibt es ja immer wieder die gleichen Abläufe, und wenn man die alle im Kopf hat, kann man durchaus vorausschauend spielen. Wenn aber jemand ausrutscht oder wenn der Ball abgefälscht wird, dann kann man nichts machen: Dafür kann man nichts. Bei allem Vorausschauen gibt es halt auch immer wieder reine Zufälle. Aber im Prinzip ist es doch so, dass man im Kopf das Spiel vorausdenken kann. Das ist das Wichtigste, denn dann muss man nicht so viel in der Gegend herumhechten. Kastan: Sie sind ausgezeichnet worden als der weltweit viertbeste Torhüter aller Zeiten: nach Lew Jaschin, und . Maier: Aha. Kastan: Eigentlich hätten Sie da doch auch der Beste sein müssen, oder? Maier: Nein, das ist schon richtig so. Kastan: Der Russe Lew Jaschin war ja eine Legende. Maier: Ich sage mal: Wir waren alle vier gleich gut, aber irgendeiner muss ja Erster sein. Kastan: Dann gab es eines Tages die große Wende für Sie, denn Sie mussten aufgrund eines Autounfalls im Jahr 1979 unfreiwillig Ihre Karriere beenden. In der Nacht des 14. Juli 1979 bauten Sie einen schweren Unfall: Zwei Frauen im anderen Auto wurden schwer verletzt und Sie selbst eben auch. Ist dieser Unfall heute noch ein Trauma für Sie? Maier: Nein, eigentlich nicht mehr. Ich muss sagen ... Kastan: Der ist also verarbeitet. Maier: Ja, ich bin gut darüber weggekommen. Die eine von den beiden Damen hatte einen Oberschenkelhalsbruch, die andere einen Armbruch und beide hatten natürlich auch Prellungen usw., wie man das bei einem Unfall eben so hat. Aber ansonsten sind wir alle drei eigentlich gut davongekommen. Kastan: Aber das bedeutete dennoch das Ende Ihrer Karriere. Sie haben es zwar noch einmal versucht, aber Sie haben dann wohl selbst gemerkt, dass es nicht mehr geht. Maier: Ich hätte das locker noch einmal gepackt, aber wenn man eine so schwere Verletzung hatte, dann ist das schwierig. Ich habe ja quasi ein ganzes Jahr lang ausgesetzt, wobei ich nach einem halben, Dreivierteljahr schon wieder mit dem Training begonnen hatte. Ich wollte wirklich noch einmal angreifen. Aber wenn man dabei seitens des Vereins oder seitens des Trainers keine Unterstützung bekommt, dann sagt man sich mit seinen 35 Jahren schon: "Warum soll ich mir das noch einmal antun? Da hör ich doch lieber ganz auf." Und so habe ich das dann auch gemacht. Aber wenn ich vom Trainer Unterstützung bekommen hätte, dann hätte ich das noch einmal durchgezogen: bis zur Europameisterschaft 1980 und zur Weltmeisterschaft 1982. Diese Ziele hatte ich eigentlich noch gehabt. Das wären noch drei Jahre gewesen, und so gut, wie ich damals eigentlich beieinander gewesen bin, hätte ich das auch locker geschafft. Kastan: Es gab dann ein großes Abschiedsspiel für Sie im Olympiastadion, aber an dieses Spiel haben Sie nicht nur gute Erinnerungen. Da gab es durchaus Kontroversen mit dem Verein. Maier: Nein, nein, mit dem Verein nicht, mit dem Trainer! Mit dem damaligen Trainer Pál Csernai habe ich mich halt ein bisschen zerstritten. Er kam dann bei meinem Abschiedsspiel in die Kabine und wollte die Mannschaft aufstellen. Ich habe zu ihm dann gemeint: "Sie, Herr Csernai, das ist mein Abschiedsspiel, da haben Sie nichts zu sagen!" Er wollte doch tatsächlich bestimmen, wer spielt und wer nicht spielt. Dabei hatte ich das intern bereits alles mit meinen Mannschaftskollegen abgesprochen: wer spielt und wer nicht spielt bzw. eingewechselt wird. Csernai wollte den nicht spielen lassen und der Kapellmann wollte mit dem Breitner nicht spielen, d. h. da war immer so ein Hickhack hin und her. Er wollte dann die Mannschaftsaufstellung machen, aber ich habe zu ihm gesagt: "Sie verlassen jetzt die Kabine, Sie haben hier herinnen nichts zu suchen! Das ist mein Abschiedsspiel! Schauen Sie, dass Sie auf die Tribüne kommen und dort einen Platz kriegen. Aber ich glaube, Sie bekommen dort gar keinen, weil das Spiel ausverkauft ist. Ich glaube, Sie müssen deswegen heimfahren, Herr Csernai." Auf diese Weise habe ich ihn aus der Kabine geworfen. Dann habe ich die Aufstellung gemacht, und auf einmal spielte auch der mit dem , der Branko Oblak spielte auch und alles war in Ordnung. Aber davor hatte es andauernd ein Theater gegeben. Ich hatte im Vorfeld auch schon mal gesagt, dass dieser Pál Csernai das größte A... sei. Kastan: Wir wissen, was Sie meinen. Maier: Nach dem Abschiedsspiel gab es dann eine Pressekonferenz, auf der natürlich unglaublich viele Pressevertreter da waren. Und da meldete sich auch prompt ein Reporter und fragte: "Sepp, eine Frage hätte ich noch. Hast du dieses Wort wirklich gesagt, das in der 'Abendzeitung' gestanden ist? Hast du wirklich gesagt, 'Pál Csernai ist ein A...!'" Ich habe kurz nachgedacht und dann gemeint: "Ob ich es gesagt habe, weiß ich jetzt nicht mehr, aber gedacht habe ich es mir auf alle Fälle." Da ist dann natürlich ein riesengroßes Gelächter ausgebrochen. Man hatte mir auch die goldene Ehrennadel mit Diamant nicht geben wollen vor dem Spiel, weil ich gerade den Trainer aus der Kabine geworfen hatte: Ich bekäme diese Nadel nur, wenn ich mich beim Csernai entschuldigen würde. Ich habe dann zum damaligen Präsidenten Willi O. Hoffmann gesagt, er könne sich diese Nadel irgendwohin stecken, ich bräuchte keine solche Nadel. Kastan: Aber heute haben Sie diese Nadel doch. Maier: Ja, ich habe diese Nadel natürlich trotzdem bekommen. Kastan: Das Spiel selbst war dann wunderbar. Maier: Alles war wieder eitel Sonnenschein. Kastan: Obwohl, so ein bisschen Groll war da schon noch in Ihnen, oder? Denn im nächsten Jahr haben Sie sich dann zusammen mit Ihrer Frau eine Dauerkarte beim TSV 1860 München gekauft. Maier: Nein, nein, das war nur eine Überlegung. Kastan: Das war nur eine Überlegung, nie eine Tat? Maier: Das war nur eine Überlegung, ich hatte lediglich gesagt: "Wenn sie mich beim FC Bayern weiter so ärgern, dann kaufe ich mir eine Dauerkarte beim TSV 1860." Aber ich glaube, die hätte ich gar nicht kaufen brauchen, die hätten mir die Sechziger auch so geschickt. Aber ich habe das nicht in Anspruch genommen, so weit ist es also nicht gekommen. Kastan: Dann begann Ihre andere Karriere. Sie haben ja auch schauspielerisches Talent und viele Leute behaupten – und das stimmt ja auch –, Sie würden wie Karl Valentin aussehen. Sie haben daher auch in vielen Fernsehshows mitgewirkt. Bei einer habe ich mir damals immer gedacht: "Wie passen diese beiden zusammen? Das geht doch gar nicht!" Sie traten nämlich zusammen mit Alice Schwarzer in einer Ratesendung auf. Maier: Die ist eine ganz Liebe, eine ganz Nette. Kastan: Immerhin war und ist sie verantwortlich für das Zentralorgan des deutschen Feminismus, nämlich für die sehr erfolgreiche Zeitschrift "Emma". Wie hat das zusammengepasst, Alice Schwarzer und Sepp Maier? Maier: Ganz gut. Das war damals diese Sendung von Blacky Fuchsberger mit dem Titel "Ja oder Nein". Wir beide waren da im Rateteam mit dabei. Das war wirklich super mit der Alice Schwarzer, weil diese Frau auch Spaß verstanden hat. Ich muss sagen, wir waren da eine richtige Einheit, obwohl sie vorher schon auch ein bisschen negativ eingestellt gewesen ist mir gegenüber. Aber ich sage sowieso immer, man muss einen Menschen zuerst einmal kennenlernen und darf nicht gleich von vornherein sagen, dass das ein Depp ist. Kastan: Sind Sie ein emanzipierter Mann oder eher ein Chauvi? Maier: Nein, nein, ich bin doch schon lange emanzipiert. Logisch. Kastan: Ihre Frau wird das sicher bestätigen. Maier: Klar, logisch. Kastan: Und Alice Schwarzer auch. Maier: Die weiß das ganz bestimmt. Kastan: Was halten Sie denn vom Frauenfußball? Maier: Ja, nun ... Kastan: So, jetzt kommt es drauf an! Maier: In der heutigen Zeit ist der Frauenfußball schon schön anzuschauen, das muss man echt sagen. Aber man kann das nicht mit dem Männerfußball vergleichen. Wenn bei der letzten Europameisterschaft und Weltmeisterschaft die Frauennationalmannschaft immer wieder mit den Männern verglichen wird, dann geht das halt nicht. Für ihren Bereich spielen die nämlich wirklich einen guten Fußball. Aber mit dem Männerfußball kann man das nun mal überhaupt nicht vergleichen. Kastan: Weil der aggressiver, schneller usw. ist? Maier: Ach, das kann man gar nicht vergleichen. Das kann man so wenig vergleichen wie die 74er-Weltmeistermannschaft mit der heutigen Nationalmannschaft. So ein Vergleich ist genau derselbe Schmarren! Das kann man einfach nicht vergleichen. Wir haben damals in den 70er Jahren den besten Fußball auf der Welt gespielt: fünf Jahre lang, von 1970 bis 1975. Da spielten wir Deutschen wirklich den besten Fußball der Welt. Aber wenn man sich diese Spiele von damals heute noch einmal anschaut, dann stellt man fest, dass zwischen der heutigen Nationalmannschaft und der Nationalmannschaft von damals Welten liegen. Für den FC Bayern gilt das ganz genauso: Auch da liegen Welten zwischen der Mannschaft in den 70er Jahren und der heutigen. Darum kann man auch den Frauenfußball mit dem Männerfußball nicht vergleichen. Die Frauen sollen das spielen, was sie spielen wollen. Und ich muss sagen, sie spielen auch wirklich einen anständigen Fußball. Aber bitte keinen Vergleich mehr mit den Männern! Ich weiß nicht, ob ich das hier so sagen darf. Darf ich das sagen? Kastan: Bitte, Sie dürfen hier alles sagen. Maier: Ich habe mal jemanden gehört, der gesagt hat: "Der Unterschied zwischen Männerfußball und Frauenfußball ist wie Pferderennen nur mit Schafen." Kastan: Oh, oh, oh! Maier: Das ist bitter, oder? Kastan: Oh, oh, oh! Maier: Entschuldigung, Entschuldigung. Kastan: Wir werden es nicht rausschneiden, wir lassen es drin. Maier: Aber es kommt ja eh nicht von mir, es kommt nicht von mir ... (lacht). Kastan: Und Sie distanzieren sich davon? Maier: Ja, ich distanziere mich davon! Da hat dieser jemand den Frauen wirklich unrecht getan. Kastan: Wer war für Sie extrem wichtig in Ihrer Fußballkarriere? Maier: Das gab es mehrere. Der Erste war sicherlich mein damaliger Jugendtrainer Rudolf Weiß. Sehr wichtig war dann vor allem der Tschik Cajkovski: Als er vom 1. FC Köln gekommen ist, hat er hier eine Bayern- Mannschaft mit lauter 18-, 19-Jährigen übernommen. Er hat uns vertraut und uns spielen lassen und wir schafften dann ja auch den Aufstieg und hatten bald danach unsere großen Erfolge. Wichtig war auch noch Dettmar Cramer, der Fußball-Professor. Und den Helmut Schön darf ich natürlich auch nicht vergessen. Kastan: War auch jemand wie Uli Hoeneß wichtig für Sie? Denn der war ja zunächst Ihr Mitspieler und später dann der Manager des FC Bayern. Maier: Der Uli Hoeneß war ja zunächst lange Jahre ein Mitspieler und ist erst gegen Ende meiner Karriere Manager geworden. Vielleicht ist es auch ganz blöd, was ich jetzt schon wieder sage, aber der Uli hat mir zwar nach diesem Autounfall zuerst mein Leben gerettet ... Kastan: Er hat Sie nämlich in ein anderes Krankenhaus bringen lassen, das auf solche schweren Verletzungen spezialisiert war. Maier: Ja, das war bei mir eigentlich nicht mehr fünf vor zwölf, sondern das war schon eher zehn nach zwölf, wie ich später erfahren habe. Wenn ich noch ein paar Stunden länger im ersten Krankenhaus geblieben wäre, dann würden wir heute nicht über meinen 70. Geburtstag sprechen, weil dann nämlich mein Leben schon vor 35 Jahren geendet hätte. Kastan: Und Sie hätten dann auch Ihre zweite Karriere nicht beginnen können, denn Sie waren später auch ein höchst erfolgreicher Torwarttrainer: beim FC Bayern und auch in der deutschen Nationalmannschaft. Maier: Das ist so gekommen, dass mich der Franz 1988 angerufen und zu mir gesagt hat: "Du, Sepp, was machst du eigentlich? Hast du Zeit?" "Warum, was willst du denn?" "In ein paar Monaten ist doch die EM in Deutschland und wir wollen Europameister werden. Aber dafür bräuchten wir einen Torwarttrainer. Du machst das doch schon seit vier Jahren sporadisch beim FC Bayern." "Franz, das stimmt, ich mach das nur sporadisch. Ich mache das nur, wenn mich der Jean-Marie Pfaff oder der Raimond Aumann anrufen, ich soll in die Säbener Straße kommen. Dann trainiere ich die beiden. Aber so richtig gebunden bin ich da nicht." "Dann frag doch mal den Uli Hoeness, ob er dich für die Nationalmannschaft abstellt." Ich habe dann mit dem Uli Hoeness darüber gesprochen und er hatte nichts dagegen, dass ich das mache: "Freilich kannst du in der Nationalmannschaft den Torwarttrainer machen." Also habe ich dem Franz Beckenbauer zugesagt und so hat sich das dann immer weiter entwickelt. Kastan: Im Vorfeld zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland kam es dann zum großen Bruch. Maier: Ja, leider. Kastan: Sie haben sich damals als Torwarttrainer für ausgesprochen, aber der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann war für . Maier: Nun, was heißt schon "für ihn ausgesprochen"? Sicher habe ich mich für den Oliver Kahn ausgesprochen, weil ich ihn ja auch tagein, tagaus trainiert habe beim FC Bayern. Und Kahn war ja auch die ganzen Jahre über unangefochten die Nummer eins gewesen. Kahn hatte ja seinerseits sehr lange warten müssen, bis er nach Andy Köpke die Nummer eins geworden ist. Und er hat ja auch supergut gehalten, d. h. es gab überhaupt kein "muss", daran irgendwie zu rütteln und ihn zur Nummer zwei zu degradieren. Aber gut, das war dann halt so. Das ist jetzt vorbei und man sollte darüber gar nicht mehr reden. Schön war das nicht, aber das ist jetzt Geschichte. Und die Quittung kam dann ja: Die Nationalmannschaft ist nur Dritter geworden bei der WM im eigenen Land. Vielleicht wäre das alles anders gekommen, wenn er den Kahn im Tor gelassen hätte. Kastan: Aber diese Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war insgesamt schon eine große WM, an die wir uns alle gerne erinnern. Maier: Was war das? Kastan: Eine große Weltmeisterschaft ... Maier: Ja, von den Leuten her ... Kastan: ... wegen der ganzen Atmosphäre in Deutschland Maier: Im Hinblick auf das Publikum, auf die Leute, auf das Wetter war das eine Super-WM. Aber wir sind halt leider nur Dritter geworden. Das war ein Sommermärchen – aber wir damals 1974 waren halt Weltmeister. Kastan: Wir sind jetzt schon fast am Ende unserer Sendung. Maier: Schade. Kastan: Ich habe in der Vorbereitung auf diese Sendung ein paar Zitate über Sie gefunden und Sie dürfen nun aussuchen, welches Ihnen am besten gefällt. Nun also Sprüche über Sepp Maier, der erste lautet: "temperamentvoller Zerberus", der zweite: "bayerischer Sonnyboy", der dritte: "Spaßvogel und Tüftler", der vierte: "Schlitzohr und Urviech", der fünfte: "Gaudibursch in DFB-Diensten", der sechste: "der Schalk im Tor" und der siebte: "die Katze von Anzing". Maier: Wie war das mit dem Schlitzohr? Kastan: "Schlitzohr und Urviech!" Maier: Genau, das passt, das ist genau richtig. Kastan: Dann danke ich dem Schlitzohr und Urviech für das wunderschöne Gespräch. Maier: Ich bedanke mich auch. Kastan: Stehen Sie den noch gelegentlich im Tor bei irgendeiner Mannschaft? Maier: Ich steh nur noch im Sendlinger Tor und im Isartor, ein anderes Tor kenne ich nicht mehr. Kastan: Und das im Auto beim Warten an der Ampel. Maier: Genau. Kastan: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Maier. Wir hatten heute hier bei uns im alpha-Forum Sepp Maier zu Gast, die deutsche Torwart- Legende. Ich danke Ihnen für das Interesse.

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