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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Die Höhle

Jahr/Year: 2009

Band/Volume: 060

Autor(en)/Author(s): Klampfer Alexander, Büchel Emil, Feuerstein Gerhard

Artikel/Article: Forschungen im Karstsystem des Hirschbergs im Bregenzerwald () 59-66 FB_Klampfer_Hirschbg_09 XP8_WB_Zeitlhofer_08 21.09.09 12:49 Seite 59

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Forschungen im Karstsystem des Hirschbergs im 2 Bregenzerwald (Vorarlberg)

ZUSAMMENFASSUNG ABSTRACT Mit der Entdeckung des Stierlochs 2001 Exploration of the Karst System und dem Auffinden mehrerer neuer Höhlen Hirschberg, Bregenzerwald, in Folge des großen Hochwasserereignisses Vorarlberg im Sommer 2005 begann am Hirschberg an In 2001 after exploring the Stierloch and der Grenze der Gemeinde Bizau zu Schnep- some other new caves an intensive period fau im Bregenzerwald in Vorarlberg eine of caving started at the area of the Hirsch- neue intensive Forschungsperiode, welche berg next to the border between Bizau and bis heute anhält. Es gelang binnen kurzer , which are small villages in the Zeit, insgesamt über 1,5 km an neuen Höh- Bregenzerwald in Vorarlberg. In a short time lenteilen in vorwiegend (epi)phreatisch ent- more than 1,5 km of new passages in most- Alexander Klampfer wickelten ehemaligen Wasserhöhlen zu er- ly (epi-)preatic caves were mapped. The lar- Steig 20 a / Top 3, 6842 forschen und zu dokumentieren. Die größ- gest caves of the area, Ferolars-Riese-Höhle, [email protected] ten Höhlen des Gebiets, die Ferolars-Riese- Unwetterhöhle and Stierloch may be parts Höhle, die Unwetterhöhle sowie das Stier- of a bigger cave system. Emil Büchel loch dürften Teile eines größeren zusam- Albert Lortzingstraße 3, 6850 menhängenden Höhlensystems darstellen. Ein genetischer Zusammenhang scheint auf Gerhard Feuerstein Grund der Anlage und des Bewetterungs- Sonnenstr. 333, 6874 Bizau schemas als sehr wahrscheinlich.

EINLEITUNG Bereits Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre mit Ausnahme des Stierlochs um vorwiegend horizon- war das Hirschbergmassiv Ziel höhlenkundlicher Un- tal entwickelte episodisch aktive Wasserhöhlen han- tersuchungen, wobei man sich damals hauptsächlich delt. Nahezu alle bis dato bekannten Eingänge wurden auf die höher gelegenen kleinen Plateaubereiche der im Sommer 2005 nach dem großen Hochwasserereig- Wölflersgunten- und Osterguntenalpe konzentrierte. nis lokalisiert, da es damals zu einem Anspringen der In den 1980er und 1990er Jahren folgten weitere punk- Höhlen kam. Zu den bedeutenden Höhlen zählen zur- tuelle Forschungen im Bereich der zuvor genannten zeit die Ferolars-Riese-Höhle (1128/37) mit 734 m Län- Karrenfelder (Abb. 1). ge und 40 m Vertikalerstreckung, die Unwetterhöhle Im Winter 2001 wurde im Rahmen einer Wanderung (1128/34) mit knapp 700 m begangenen Höhlenteilen der ausgeschmolzene Einstieg zum Stierloch (1128/28) und rund 80 m Tiefe (516 m davon sind derzeit vermes- in einer ehemaligen Schipiste, wenige Meter entfernt sen bei 63 m Höhenunterschied) sowie das Stierloch vom Sessellift auf die Oberhirschbergalpe entdeckt. Im mit 301 m Länge und 70 m Tiefe. Diese drei Höhlen Juni darauf wurden der verstürzte Einstiegsschacht trennen je etwa 500 m Distanz, wobei einige offene freigelegt und die dahinter liegenden Höhlenräume Fortsetzungen und vor allem die sehr starke Wetterfüh- erstmals befahren und anschließend vermessen. Die rung in allen Objekten möglicherweise auf ein großes Entdeckung des Stierlochs war der eigentliche Anstoß zusammenhängendes Höhlensystem schließen lassen. zu einer neuen und teils sehr intensiven Forschungs- Im Jahr 2003 wurden im selben Gebiet vom Institut für periode in einem bis dahin höhlenkundlich vernach- Angewandte Geologie an der Universität Karlsruhe lässigten Bereich. In den letzten Jahren konnten so hydrogeologische Untersuchen durchgeführt, auf einige weitere Höhlen neu in den Österreichischen deren Ergebnisse in diesem Artikel ebenso ansatz - Höhlenkataster aufgenommen werden, wobei es sich weise eingegangen wird (Abb. 1).

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120.000 122.000 124.000 126.000

Objekt in Warteliste Kleinhöhle Mittelhöhle Großhöhle Eingabestellen Färbeversuch Probeentnahmestellen nachgewiesene Fließwege Höhlenverlauf

Gemeindegrenze 2 4

Isolinien 50 m 8 . 0 0 Ulfenalpe 0 Bizau (681 m) 34 28 Wölflersguntenalpe

35 Oberhirschbergalpe Hirschberg (1834 m) 30-33 1600 m 37 1300 m ? Ostergunten- 2 4

10 6 00 alpe m . 0 0 Schnepfau, (734 m) 0 Abb. 1: Übersicht Hirschberg - massiv, A. Klampfer unter Bregenzer Ache Verwendung der Karten von Ludwig (2004) und Kerkhecker (2004).

DAS GEBIET Der 1834 m hohe Hirschberg liegt nahe den Orten Bi- ßenbach. Im Osten ist der Osterguntenbach Begren- zau und im Bregenzer Wald. Während die Hän- zung, welcher den Hirschberg vom Diedamskopf ge Richtung Norden felsdurchsetzt steil abbrechen, ist trennt, während im Westen seine Ausläufer nach Bizau das Gelände an der Südseite größtenteils weniger und Schnepfau reichen. schroff, obwohl hier ebenfalls Felsstufen anzutreffen An der Nordwestflanke führt ein Sessellift von etwa sind. Hier liegen zahlreiche Almen welche, besonders 800 m Länge bis auf eine Höhe von 1430 m, der ein in trockenen Sommern, mit der Wasserknappheit des mittlerweile stillgelegtes Schigebiet erschloss. Die Karstgebiets zu kämpfen haben. zahlreichen Almen sind fast alle durch Güterwege Umgrenzt wird der Hirschberg im Norden durch das erschlossen, was die Höhlenforschung in diesem Tal des Bizauer Baches und im Süden durch den Wei- Gebiet stark erleichtert (Abb. 1).

GEOLOGIE UND HYDROLOGIE Geologisch gehört das Gebiet dem Helvetikum an, das lich differieren kann. Im Folgenden wird nur ein klei- seine Hauptverbreitung in der Schweiz findet, aber ner, für die Verkarstung relevanter Teil dargestellt. Es auch weiter nach Osten streicht. Das bedeutendste handelt sich um folgende kreidezeitliche Schichten: Karstplateau ist hier der Gottesacker mit seiner höch- Quintner Kalk, Zementsteinschichten, Palfrisschich- sten Erhebung, dem Hohen Ifen (2230 m). Innerhalb ten, Oerflaschichten, Kieselkalk, Drusbergschichten dieser Einheit liegt als Antiklinale der Hirschberg par- und Schrattenkalk (Richter, 1969). allel zur Falte, die im Süden den Diedamskopf, bereits Hinsichtlich der Verkarstung tritt im Helvetikum der an der Grenze zwischen Flysch und Helvetikum, bil- Schrattenkalk in den Vordergrund, der von den Wasser det. Im Norden erhebt sich parallel dazu die Antiklina- stauenden tonig-mergeligen Drusberschichten unter- le der Niedere und der Winterstaude. Auch diese Berg- lagert wird. Dies bewirkt oftmals die Ausbildung von kette liegt im Helvetikum und stellt ein ähnliches, al- Schichtgrenzhöhlen. lerdings höhlenkundlich noch nahezu unbearbeitetes, Obwohl der Schrattenkalk nur Mächtigkeiten von bis karsthydrologisches System wie der Hirschberg dar zu 120 m aufweist, können aufgrund der meist ge - (Goldscheider & Göppert, 2004). neigten Lagerung Karstsysteme mit beachtlichen Die helvetische Schichtfolge am Hirschberg zeigt ei- Vertikaldistanzen entstehen. Als Beispiel dafür sei das nen komplexen Aufbau, welcher wiederum beträcht- Hölloch (1127/3) im Kleinen Walsertal genannt,

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welches eine Gesamtlänge von 10.637 m und eine westlich des Hirschbergs größere Karstquellen liegen, Höhendifferenz von 452 m aufweist (Stand Februar die den Karstkörper entwässern, taucht der Karstwas- 2009: www.hoelloch.de). serspiegel im Gemeindegebiet von Schnepfau an der Wie in allen Karstgebieten erfolgt auch im Hirschberg- Südwestseite des Bergs den Erkenntnissen nach unter massiv die Entwässerung größtenteils unterirdisch, das Geländeniveau ab und tritt nur bei größerem Was- wobei Quellen im Westen wie auch im Osten den serangebot zutage (Kerkhecker 2004, & Ludwig, 2004). Karstkörper entwässern. Im Rahmen von Färbeversu- Bei außerordentlichen Hochwasserereignissen wie im chen des Instituts für Allgemeine Geologie an der Uni- Sommer 2005 kommt es zu einem Anspringen der pe- versität Karlsruhe wurden Wasserwege von teilweise riodisch aktiven Quellhöhlen an der Westseite des über 4 km Luftdistanz nachgewiesen (Ludwig, 2004). Hirschbergs, welche dann als Überlauf fungieren. In Hohe Fließgeschwindigkeiten lassen auf stark verkar- der Unwetterhöhle (1128/31) kam es aus diesem stetes Gestein mit guten Wasserwegsamkeiten im Un- Grund zu einem Anstauen der Wassermassen von tergrund schließen. Während im Talraum von Bezau mindestens 80 Höhenmetern.

DIE HÖHLEN Feuerstein, in mehreren Touren eine abwärtsführende Das Stierloch (1128/28) verstürzte Fortsetzung zu überwinden und erstmals Basisdaten: L: 301 m, H: –70 m, HE: 71 m, Sh: 1200 m die großräumigen Teile der Höhle zu betreten. Im Das Stierloch (Abb. 2) liegt nahe der Lifttrasse der Zuge zweier Forschungsfahrten durch Michael Behm, Hirschbergbahnen im Bereich der Unteren Hirschber- Rui Andrade und Alexander Klampfer am 18. und galpe im Gemeindegebiet von Bizau auf der Westseite 19.2.2006 wurden sämtliche bekannten Teile der des Hirschbergs. Höhle vermessen, wobei auch eine kurze, bisher Es wurde im Winter 2001 durch Gerhard Feuerstein, ei- unbekannte Fortsetzung erforscht werden konnte. nen Höhlenforscher aus Bizau entdeckt, der durch Die Höhle ist entlang einer markanten Störung im eine ausgeschmolzene Stelle auf den Höhleneingang Schrattenkalk entwickelt. Während im Eingangsteil aufmerksam wurde. Der ursprünglich völlig verlegte hauptsächlich Schluf- und Kriechstrecken vorherrschen, Einstiegsschacht wurde im Zuge mehrerer Einsätze misst der anschließende, steil bis zum verschwemmten vom Blockwerk befreit. Eine erste Vermessungsstour tiefsten Punkt abfallende, kastenförmige Gang durch- wurde am 13.06.2002 durch Gerhard Feuerstein, Emil schnittlich 3 x 3 m, einige Höhlenteile sind indessen Büchel und Lutz Schmelzinger durchgeführt, wobei deutlich großräumiger. Teilweise dominieren mächtige die Höhle bis auf 30 m Länge bei 12 m Tiefe vermes- Lehmablagerungen, in den tagfernen Teilen sind Tropf- sen wurde. Nahezu im Alleingang gelang es Gerhard steine sowie klobige Kalzitkristalle zu beobachten.

Eingang

0m

?

-20 m

-40 m

? ? -60 m ? Abb. 2: Übersicht Stierloch (Längschnitt). -70 m Zeichnung: A. Klampfer

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Den derzeitigen Forschungsendpunkt stellt ein ver- Kurz nach dem engen Eingangsbereich des „Ent - stürzter Schacht dar, welcher, oberhalb eines rund deckereingangs“ folgt ein rund 10 m tiefer Kluft- 25 m hohen Schlotes ansetzend, bei sommerlichen schacht, an dessen Basis ausgedehnte Horizontalteile Temperaturen äußerst stark einwärts bewettert war. ihren Ausgang nehmen. Gleich zu Beginn ist ein tem- Der Versturz ist an einer Schichtgrenze zwischen porärer Siphon zu überwinden, der von Sickerwasser Schrattenkalk und den mergeligen Drusbergschichten gespeist wird und anfänglich völlig versandet war und ausgebildet. Vor allem die starke Wetterführung, die ausgeräumt werden musste. Ein großteils mit Sedi- bei sehr niedriger Außentemperatur sogar Nebel- menten verfüllter, flachelliptischer Gang zieht von dort schwaden über dem Eingangsbereich erzeugt, lässt auf aus ohne nennenswerte Seitenstrecken und Bie - ausgedehntes, noch unbekanntes Hinterland schlie- gungen über mehrere hundert Meter ins Berginnere ßen (Klampfer, 2006; 2008). (Abb. 5). Die durchschnittlichen Gangdimensionen betragen 4-5 m Breite bei 1 bis 1,5 m Höhe. An Kluft- kreuzungen sind immer wieder Raumerweiterungen Die Unwetterhöhle (1128/34 a, b) ausgebildet bzw. ist in den tagfernen Teilen ein steti- Basisdaten: L: 516 m, H: –63 m, HE: 231 m, Sh: 975 m, ges Zunehmen der Dimensionen zu beobachten. Das Eingang „a“ ist versperrt derzeitige Ende stellt eine mehr als ca. 15 m hohe Der Eingang zur Unwetterhöhle (Abb. 3) öffnet sich Kletterstufe dar, die noch nicht zur Gänze bezwungen rund 80 Höhenmeter oberhalb der Straße von Bizau wurde. Kurz davor befindet sich der tiefste Punkt der nach Schnepfegg nahe der Hirschbergbahn an der Höhle, welcher laut Höhenmesser rund 80 m unter Westseite des Hirschbergs. Er wurde nach dem großen dem Eingang liegt. Vermessen wurden bis dato 516 m. Hochwasserereignis im September 2005 entdeckt, Die starke Wetterführung, die an Engstellen Sturm - nachdem der ausgetretene Höhlenbach einen bis zu stärke erreichen kann, lässt auf ausgedehnte Fort - 4 m breiten und 2,5 m tiefen Graben in den hier steil setzungen hoffen. Ein großes Hindernis für die For- abfallenden Abhang im Wald gerissen und dabei auch schung stellen große und vor allem tiefe Wasserbecken die Straße von Bizau nach Schnepfau auf mehren Me- sowie teils massive Schlammablagerungen dar. Anson- tern Länge zerstört hatte (Abb. 4). Die Endeckung der sten weist die Höhle ebenso wie die Ferolars-Riese- Höhle erfolgte über den Eingang a, welcher zuerst von Höhle alle Merkmale einer teilweise aktiven Wasser- Schutt und Blockwerk befreit werden musste, bis höhle auf. Das permanent aktive Gerinne konnte weiter vorgedrungen werden konnte. Der etwas weiter allerdings noch nicht erreicht werden. Vor allem nördlich gelegene Eingang b wurde zur gleichen Zeit aufgrund der zeitweisen Wasserführung sind die entdeckt, allerdings erst im Jahr 2007 mit der Un - zahlreichen teils filigranen Sinterbildungen bemer- wetterhöhle verbunden. Trotz der Engräumigkeit der kenswert. Partien hinter dem Eingang b erfolgten die letzten Die Höhle springt nur nach sehr großen Hochwasser- Forschungsfahrten ausschließlich über diesen Zustieg, ereignissen an, wobei allerdings bereits geringere da dadurch die Siphonzone im Bereich des Eingangs a Niederschlagsmengen auf Grund von eintretendem umgangen werden kann. Sickerwasser dazu führen, dass sich Siphone im

Halbsiphon ? -63m

? ? ?

n t e ar n g la ? b z e or Eingang P8 P -37m ? ? a GiN

0m P10 -36m

-32m ?

Sand- Fischersee schluf 20m

Abb. 3: Übersicht Unwetterhöhle (Grundriss). Zeichnung: A. Klampfer

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Abb. 4: Bachbett nach dem Ausbruch der Unwetterhöhle 2005. Foto: G. Feuerstein Abb. 5: Abschnitt im sog. Porzellangarten der Unwetterhöhle. Foto: L. Plan

Eingangsbereich schließen. Der Höhlenbach tritt tagfernsten Teilen fast ständig aktiven Wasserhöhle. vermutlich erst knapp 300 Höhenmeter tiefer im Durch den austretenden Höhlenbach entstand eine Quellbezirk rund um das Dachsloch (1128/35), eine bis zu 2,5 m breite und durchschnittliche 1 m tiefe periodisch aktive Karstquelle mit starker Schüttung zu Erosionsrinne im Waldboden. Tage. Neben der Unwetterhöhle selbst gibt es einen Nach Ausräumen und Erweitern einer stark bewetter- weiteren Überlauf wenige Meter oberhalb der Straße ten Engstelle im Eingangsbereich wurde die Höhle in von Bizau nach Schnepfegg. Es handelt sich dabei um mehreren Touren bis auf rund 300 m Länge von Ger- einen bewetterten Kluftschacht in einem kleinen Fels- hard Feuerstein erkundet und in mehreren Aktionen kessel, wo es nach starken Niederschlägen zu einem vermessen. heftigen Austreten des Höhlenbachs kommt. Es können drei Abschnitte unterschieden werden: Das hydrogeologische System dieser Höhle ist noch Einerseits der periodisch aktive Teil, der nur noch bei weitgehend unbekannt. sehr großen Hochwasserereignissen aktiv wird und sich vom kleinräumigen Eingangsteil bis hin zum Regenschlot erstreckt (Abb. 7). In diesem Abschnitt Die Ferolars-Riese-Höhle (1128/37 ) finden sich zwei temporäre Siphone, von denen einer Basisdaten: L: 734 m, H: 40 m (–6 m, + 34 m), auch bei geringem Wasserangebot durch eintretendes HE: 160 m, Sh: 1149 m Oberflächenwasser eine Gefahr für den Höhlenfor- Die Ferolars-Riese-Höhle (Abb. 6) liegt an der Süd- scher darstellt. Des Weiteren gibt es eine fast ständig westseite des Hirschbergs im Gemeindegebiet von aktive Zone, welche östlich des Regenschlots ihren Schnepfau rund 200 m südöstlich einer Alm in einer Anfang nimmt. Bisher konnten in diesem Teil drei Seehöhe von rund 1150 m. voneinander unabhängige Gerinne festgestellt werden Die Höhle, deren Name sich auf eine alte Ortsbezeich- mit Schüttungen von über 20 l/s nach Niederschlägen nung bezieht, wurde im Sommer 2006 durch Hin- oder während der Schneeschmelze (Niederwasser: weise des Grundstückseigentümers durch Gerhard 0,5 l/s). Dieser Höhlenteil wird vermutlich mehrmals Feuerstein entdeckt. Lang anhaltende starke Regen - jährlich vollständig geflutet. Das Ende dieses fälle führten zu einem Anspringen der sonst nur in den Abschnitts stellt derzeit einerseits ein Siphon im

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Aktiver Teil +11m +18m ?

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o o l +4m k A bfluss y c

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n a -3m y c o +34m d n ? n e a g tag t n e E s a n e r e g b O n k n r a e K

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+13m

-6m Bretterschluf GiN

20m Eingang 0m

Abb. 6: Übersicht Ferolars-Riese-Höhle (Grundriss). Zeichnung: A. Klampfer

Abflussteil dar, andererseits eine engräumige Canyon- strecke nach dem temporären Siphon im Zuflussteil (Abb. 8). Neben diesen beiden Abschnitten gibt es eine großteils fossile obere Etage, welche über eine Kletterstufe im Regenschlot zugänglich ist. Dieser Höhlenteil weist Abb. 7: Der Fliegengang im periodisch aktiven Teil der mächtige Sedimentlager und großteils korrodierte Sin- Ferolars-Riese-Höhle. Foto: A. Klampfer terbildungen auf. Ein kleiner Bachlauf befindet sich im Endabschnitt des Verborgenen Canyons, über dessen höhle typische Formenschatz wie Fließfacetten, Sand- Schüttungsverhältnisse bis dato keine Aussagen ge- und Lehmablagerungen sowie Gerölle (Abb. 9). Ver- troffen werden können. Eine bewetterte Engstelle stellt mutlich stellt die Höhle den Überlauf der knapp 50 das momentane Ende dieses Höhlenteils dar. Höhenmeter schräg darunter gelegenen Fluhtobel- In der gesamten Höhle findet sich der für eine Wasser- höhlen (1128/30-33; Abb. 10) dar (Klampfer, 2007).

HYDROGEOLOGISCHE VERHÄLTNISSE IN DEN HÖHLEN Sowohl die Ferolars-Riese-Höhle als auch die Unwet- Schneeschmelze. Über die Abflussmengen bei Hoch- terhöhle werden bei extremen Hochwasserereignissen wasserereignissen kann keine Aussage getroffen, da wie zuletzt im Sommer 2005 komplett geflutet und fun- ein eingangsnaher temporärer Siphon das Erreichen gieren in Folge als Quellhöhle und somit Überlauf der der tagfernen aktiven Höhlenteile verhindert. sonst tiefer gelegenen, ständig aktiven Quellaustritte. Bei den restlichen in den Höhlen angetroffenen Wäs- In den Höhlen selbst konnten bisher lediglich in der sern handelt sich vermutlich um lokal eintretende Ferolars-Riese-Höhle aktive Höhlengerinne beobach- Oberflächengewässer, deren Schüttung bei Trocken- tet werden, welche sich in der Höhle vereinigen, um heit meist wenige Zehntelliter pro Sekunde beträgt. Bei am tiefsten Punkt der Höhle (noch unvermessen) in Starkregen oder länger anhaltenden Niederschlägen einem Siphon zu verschwinden. Die beobachtete kann die Wasserführung in den Höhlen jedoch sehr Schüttung schwankt zwischen 0,5 und bis zu 20 l/s bei rasch anschwellen und vor allem in der Unwetterhöh-

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Abb. 8: Halbsiphon im aktiven Teil (Zufluss) der Ferolars-Riese-Höhle. Foto: G. Feuerstein

le Schüttungen bis zu mehreren Litern pro Sekunde er- reichen. Gerade diese Gewässer führen in der Unwet- terhöhle dazu, dass nach niederschlagreichen Peri- oden eingangsnahe Höhlenteile zu Halbsiphonen wer- den oder ganz unter Wasser stehen, während tagferne- re Teile nicht geflutet werden. In beiden Höhlen finden sich entsprechende Hinweise auf periodisch starke Wasserführung: gut gerundete Gerölle, große Feinse- Abb. 9: Die sog. Kugelmühle (temporärer Siphon) in der dimentlager und das baldige Verschwinden von Befah- Ferolars-Riese-Höhle. Deutlich zu erkennen sind die rungsspuren. gerundeten Gerölle. Foto: A. Klampfer

ZOOLOGIE Sowohl im Stierloch als auch in der Ferolars-Riese- ein toter Siebenschläfer aufgefunden werden. Eine An- Höhle konnten während der Forschungen immer wie- sammlung mehrerer Feldermausskelette wurde aus der einzelne Fledermäuse beobachtet werden, die je- dem Konglomeratbankerlschluf der Ferolars-Riese- doch nicht näher bestimmt wurden. In der Ferolars- Höhle geborgen. Eine nähere Bestimmung ist noch Riese-Höhle konnte zudem kurz vor dem Bretterschluf ausständig.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK Das gesamte Gebiet des Hirschbergs bietet für höhle das größte Potential für Neuforschungen. die kommenden Jahre sicherlich noch ein breites Ein möglicher Zusammenschluss mit dem Stierloch Betätigungsfeld für Höhlenforscher. Neben der würde nach derzeitigem Stand in einem rund 2 km Möglichkeit, durch gezielte Geländeprospektion noch langen und über 300 m tiefen Höhlensystem resul - weitere Objekte aufzufinden, bietet die Unwetter- tieren.

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Abb. 10: Der Erste Siphon in der Unteren Fluhtobelhöhle (1128/30). Foto: Gerhard Feuerstein

DANK An dieser Stelle möchte ich mich in erster Linie bei den ten und eine systematische Erforschung des Gebiets Grundstückseigentümern Anton Meusburger, Elmar erst ermöglichten. Dank gebührt natürlich auch allen Moosbrugger sowie der Alpgemeinschaft Hirschberg anderen an den Forschungsaktivitäten beteiligten bedanken, welche die Forschungen stets unterstütz- Personen.

LITERATUR Goldscheider, N. & Göppert, N. (2004): Hydrogeologie der Klampfer, A. (2008): Aktuelle Forschungsergebnisse aus alpinen Karstlandschaften Vorarlbergs. – Vorarlberger dem Stierloch (1128/28) am Hirschberg bei Bizau, Naturschau, 15: 41-62. Vorarlberg. – Höhlenkundl. Mitt. Wien, 64 (11): 122. Kerkhecker, H. (2004): Tektonik und Karstentwässerung im Ludwig, F. (2004): Tektonik und Karstentwässerung im Hirschberg- und östlichen Winterstaudegebiet Gopfberg-Hirschberg-Massiv (Gemeinde Schnepfau, (Gemeinde Bizau, Vorarlberg, Österreich). – Unveröff. Vorarlberg, Österreich). – Unveröff. Diplomarbeit Diplomarbeit Universität Karlsruhe. Universität Karlsruhe. Klampfer, A. (2007): Neuforschungen in der Ferolars- Richter, M. (1969): Sammlung geologischer Führer, Band 49, Riese-Höhle (1128/37) am Hirschberg bei Bizau, Vorarlberger Alpen. – Berlin, Stuttgart (Gebr. Bornträger). Vorarlberg. – Höhlenkundl. Mitt. Wien, 63 (11): Moser, M. (2008): Geologische Karte der Republik 139–143. Österreich 1:50000, Blatt 112 Bezau, GBA. Klampfer, A. (2006): Das Stierloch (1128/28) am Hirschberg Wolf A., (Ed., 2006): Das Hölloch im Mahdtal, 100 Jahre bei Bizau, Vorarlberg. – Höhlenkundl. Mitt. Wien, 62 (10): Hölloch-Forschung im Kleinwalsertal, Jubiläumsschrift 116–118. 2006. – Sonthofen (Eigenverlag).

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