Mit uns läuft die Geschichte www.-mobiletradition.com | Mobile Tradition | 03. Jahrgang | Ausgabe 01 | 2005

Mobile Tradition live Fakten und Hintergründe

Jahrzehnt der Entscheidung Die 50er Jahre markieren einen Wen- depunkt in der BMW Historie. Ein kom- munikativer Überblick Seite 08 – 11

Antrieb der zivilen Luftfahrt Vor 80 Jahren brachte BMW den Flugmo- tor BMW VI auf den Markt Seite 12 – 17

30 Jahre BMW 3er Mit der Vorstellung des neuen 3er auf dem Genfer Salon geht die Erfolgs- geschichte der Sportlimousine in die fünfte Generation Seite 18 – 23

Die graue Eminenz Heinrich Krafft von Dellmensingen för- derte maßgeblich den Wiederaufbau von BMW nach dem Krieg Seite 24 – 27

Sternstunde des Rennsports 1940 gewann BMW mit dem BMW 328 spektakulär die Mille Miglia, das berühm- teste Rennen der Welt Seite 34 – 37 Flugmotor BMW VI – der Antrieb der zivilen Luftfahrt. Seite 12

Historie und Mythos Die Geschichte der Entstehung des BMW und die 50er Jahre: Jahrzehnt der Entscheidung BMW Logos Seite 38 – 41

Meilenstein im Motorradbau Die Einführung der hydraulisch gefeder- ten Teleskopgabel Seite 42 – 43

Mobilität und Lebensfreude kennzeichneten die 50er Jahre und die Zeit des Wiederaufstiegs.

Im Jahre 2005 feiert BMW zwei außer- wie Elvis, Hollywoodgrößen im Stile von Jubiläen im Jahr 2005 gewöhnliche Automobile, wie sie unter- Marylin Monroe und der Operndiven à la schiedlicher kaum sein könnten. Vor Maria Callas verband. vor 55 Jahren BMW R51/2, der erste BMW genau 50 Jahren kamen praktisch zeit- Mit einer Fülle von Kommunikations- Nachkriegsboxer Seite 05 gleich die BMW und der BMW 507 maßnahmen begleitet BMW Mobile Tra- auf den Markt. dition das Thema „BMW und die 50er vor 50 Jahren BMW Isetta, die deutsch- Aus heutiger Sicht markieren gerade Jahre“ durch das gesamte Jahr 2005 hin- italienische Freundschaft diese beiden Fahrzeuge die Extreme der durch und lässt so die turbulenten Zeiten Seite 06 50er Jahre besser als viele andere des Aufschwungs, aber auch der ökono- vor 50 Jahren Vorstellung des legendären Konzepte: Den ersten zarten wirtschaftli- mischen Probleme des Unternehmens BMW 507 Seite 07 chen Aufschwung erlebten zahllose BMW erneut lebendig werden. Umfang- Menschen mit der BMW Isetta, während reiches neues Bildmaterial zum Thema sich mit dem luxuriösen BMW 507 die zeigt die Fahrzeuge der damaligen Zeit im glamouröse Show-Welt von Pop-Stars Licht der heutigen Perspektive.

BMW Group Mobile Tradition Editorial

Liebe Freunde der BMW Group,

Marken und Unternehmen haben nur dann Aussicht auf langfristigen Erfolg, wenn es gelingt, sie immer wieder den veränderten Bedingungen der Märkte und der Gesellschaft anzupassen. Die BMW Historie zeigt an vielen Beispielen, dass es dazu mutige Entscheidungen und engagierte Mitarbeiter braucht. Neuerungen sind fast immer mit Risiken verbunden. Diese Ausgabe von Mobile Tradition live illustriert eine Reihe solcher Entscheidungen und zeigt die Menschen, die dahinter stehen. Menschen, die Neues entwickeln und dazu stehen, oft gegen Einwände und Bedenken. Für einen Mobilitätskonzern wie BMW sind natürlich vor allem technische Neuerungen wichtig, wie die Einführung der Telegabel im Motorradbau (Seite 42), aber auch das Erkennen neuer Marktchancen, wie mit dem Flugmotor BMW VI, der den aufstrebenden zivilen Luftverkehr antrieb (Seite 12), oder die Wiedereroberung des Automobilmarktes in den 50ern durch Führungskräfte wie Heinrich Krafft von Dellmensingen (Seite 24). Dass aus der Rückschau legendäre Produkte nicht immer die Lösung der aktuellen Probleme bedeuten, zeigt das eine unserer großen Jubiläen in diesem Jahr: Mit der BMW Isetta und dem BMW 507 wurden vor genau 50 Jahren die Prototypen der 50er geschaffen, und dennoch geriet BMW bis zum Ende des Jahrzehnts in schwere Turbulenzen (Seite 08). Und durch Weitsicht, mit dem Projekt „Mittelwagen“, fand BMW dann den Weg, der zum heutigen Erfolg geführt hat – und zu unserem zweiten Jubiläum: „30 Jahre BMW 3er“ (Seite 18). Freuen Sie sich auf spannende Themen. „BMW und die 50er Jahre“: eine spannende Viel Freude beim Lesen, Geschichte – auch aus heutiger Sicht.

Holger Lapp

Leiter BMW Group Mobile Tradition

Inhalt Ausgabe 01.2005

BMW und die 50er Jahre Das Jahrzehnt der Entscheidung Seite 08 Antrieb der zivilen Luftfahrt Der Flugmotor BMW VI Seite 12 Basis des Erfolgs Die BMW 3er Reihen Seite 18 Heinrich Krafft von Dellmensingen Die graue Eminenz Seite 24 Endpunkt einer Ära Das BMW LS Coupé Seite 28 Mille Miglia 1940 Eine Sternstunde der BMW Rennsportgeschichte Seite 34 Impressum Historie und Mythos V.i.S.d.P.: HolgerLapp (Anschrift s. unten) Die Entstehung des BMW Logos Seite 38 BMW Group Mobile Tradition Schleißheimer Straße 416 / BMW Allee Die hydraulisch gedämpfte Teleskopgabel 80935 München Ein Meilenstein der Motorradentwicklung Seite 42 www.bmw-mobiletradition.com Konzept / Realisierung: von Quadt & Company

Seite 02 BMW Group Mobile Tradition: Termine & Fakten

Termine und Veranstaltungen

April 2005 Mai 2005 Juni 2005

07. bis 10. April 2005 19. bis 22. Mai 2005 22. bis 26. Juni 2005 Techno Classica/Essen (Deutschland) Mille Miglia/Brescia (Italien) creme21/Youngtimer Rallye Ausstellung, Messe Essen, Halle 12, Rallye historischer Fahrzeuge. Neuauflage Deutschland größte Oldtimermesse Europas. der legendären Rennen aus der ersten Rallye durch Deutschland mit Fahrzeugen Hälfte des 20. Jahrhunderts. ab einem Alter von 21 Jahren.

22. bis 24. April 2005 Villa d´Este/Cernobbio (Italien) Rundfahrt historischer Automobile durch Oberitalien. Concours d’Elegance mit zahl- losen Klassikern.

Facts Fakten Faits Fatti

Review: Besuch vom Kronprinz des Königreichs Bahrain in der BMW Mobile Tradition

München. Seine Hoheit Sheik Salman bin schon lange vor dem ersten Formel-1- Hamad Al-Khalifa, Kronprinz des König- Grand-Prix auf dem nagelneuen Bahrain Das Team im BMW 1800TI erreichte Platz 43 reichs Bahrain, unterbrach am 31. Januar International Circuit im Jahre 2004. – die beste deutsche Platzierung im Winter- 2005 seinen Skiurlaub in der Schweiz für Es ist anzunehmen, dass Seine Hoheit Marathon. einen Abstecher zu BMW Mobile Tradition. Sheik Salman bin Hamad Al-Khalifa, Kron- Offiziell begrüßt wurde Seine Hoheit Sheik prinz des Königreichs Bahrain, beim 55. 17. Winter-Marathon Salman bin Hamad Al-Khalifa, in Beglei- Grand Prix am 03. April 2005, der zum tung seines Finanzministers, des Präsiden- zweiten Mal auf dem Boden des Mittleren Madonna di Campiglio. Zum 17. ten des Hofamtes, seines Privatsekretärs Ostens stattfindet, live an seiner Renn- Winter-Marathon, der winterlichen sowie einiger weiterer Gäste, durch Stefan strecke dabei sein wird. Ausgabe der kleinen Mille Miglia bei Eis, Krause, BMW Vorstand Finanzen, und Schnee und klirrender Kälte, trafen sich Holger Lapp, Leiter ST. Der Kronprinz ist vom 13. bis 16. Januar die schönsten ein begeisterter Anhänger historischer und Sportwagen in Madonna di Campiglio zu motorsportlicher Automobile sowie der diesem einzigartigen Zuverlässigkeits- Formel 1 und stolz auf seinen BMW 3.0 rennen für Oldtimer. Nur Automobile vor CSL. Während der Führung durch die 1968 starten zum 500 Kilometer langen, Fahrzeugsammlung der BMW Mobile spektakulär-waghalsigen nächtlichen Tradition begeisterte sich der Kronprinz Marathon über die schneebedeckten, besonders für einen BMW 2002 Turbo. vereisten, steilen Pässe der Dolomiten Nachdem sich der Kronprinz des König- mit Ziel Madonna di Campiglio. reichs Bahrain in das Gästebuch eingetra- Holger Lapp errang mit seiner Co-Pilotin gen hatte, überreichte Stefan Krause das Monica Barziza im BMW 1800TI Baujahr Modell eines Formel-1-Motors als Gast- 1965 die Platzierung als bestes deut- Von links: Seine Hoheit Sheik Salman bin geschenk. sches Team. In der Gesamtwertung war Hamad Al-Khalifa, Kronprinz des Königreichs Für die Formel 1 begeisterte sich Seine Bahrain, Holger Lapp, Leiter ST, und Stefan das für die Startnummer 106 der Platz Hoheit Sheik Salman bin Hamad Al-Khalifa Krause, BMW Vorstand Finanzen. 43 von 142 Teilnehmern.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 03 Facts Fakten Faits Fatti

BMW Mobile Tradition auf der Techno Classica in Essen Start zur Mille Miglia 2005

hen. Vom E21 über den E30, E36 und E46 bis zum aktu- ellsten BMW 3er: dem E90. Die Er- folge im Motor- sport spielen eben- falls eine bedeu- tende Rolle. 2005 feiern zudem der BMW 507 und die BMW Isetta ihr Essen. Europas größte Messe für Klassi- 50-jähriges Jubiläum. Die Ausstellung kerfreunde öffnet vom 07. bis 10. April „BMW und die 50er Jahre“ setzt diese bei- 2005 in Essen ihre Pforten. den Klassiker neben weiteren Fahrzeugen Auch im Jahr 2005 wird sich BMW Mobile der Epoche im Zeitkontext in Szene: Tradition wieder auf mehr als 2.000 qm in Mobilität und Lebensfreude symbolisieren Brescia. Am 19. Mai um 20.15 Uhr fällt der Halle 12 den weit über 100.000 erwar- das Jahrzehnt, in dem BMW so unter- wieder der Startschuss auf der hölzernen teten Besuchern präsentieren. Ergänzt schiedliche wie außergewöhnliche Kon- Startrampe der Viale Venezia in Brescia. wird der Auftritt durch die Ausstellungen zepte hervorbrachte. Den staatsmänni- 375 klassische Fahrzeuge werden bei der der BMW Clubs e. V., ebenfalls in Halle 12. schen „Barockengel“ mit seinem stolzen Mille Miglia 2005 – für viele das schönste Schwerpunktthemen sind in diesem Jahr V8-Motor, die BMW Isetta und den rassi- Rennen der Welt – die 1.000 Meilen von die beiden Jubiläen „30 Jahre BMW 3er“ gen BMW 507 sowie den BMW 700, auf Brescia nach Rom und retour zurücklegen. sowie „BMW und die 50er Jahre“ mit den Grundlage dessen die Neue Klasse ent- Startberechtigt bei diesem klassischen Jubilaren BMW 507 und BMW Isetta. wickelt wurde. Die diesjährige Ausstellung Straßenrennen sind ausschließlich die Das Thema „30 Jahre BMW 3er“ zeigt die auf der Techno Classica lässt dieses aufre- Fahrzeugtypen, die zwischen 1927 und Erfolgsgeschichte der BMW 3er Reihe, gende Jahrzehnt anhand von inszenierten 1957 mindestens einmal während der gemäß den Attributen des Slogans „Von Motiven und Filmaufnahmen, die vor allen klassischen Mille Miglia gefahren wurden. Anfang an“: sportlich, unverwechselbar, Dingen den Zeitgeist widerspiegeln, leben- jung, kraftvoll, innovativ, erfolgreich. Ausge- dig werden und die Besucher in die Welt stellt sind die Fahrzeuge aller 3er Baurei- der 50er Jahre eintauchen. Review: Tag der Archive

Am 25. September 2004 fand der zweite Concours d’Elégance Villa d´Este 2005 „Ta g d e r A rchive“ statt, an dem bundesweit rund 380 öffentliche und private Einrich- tungen teilnahmen. Das BMW Konzern- archiv war auch diesmal wieder Gast des Bayerischen Wirtschaftsarchives in der IHK München. Zum Thema „75 Jahre BMW Automobilbau“ waren Dokumente und Bilder zum Start der BMW Automobil- produktion in Eisenach ausgestellt. Be- sondere Aufmerksamkeit der zahlreichen Besucher erregte der ausgestellte BMW 3/15 PS Wagen.

Cernobbio. Beim weltweit ältesten noch deutenden Event für klassische Traum- existierenden Concours d’Elégance, Villa wagen mit Sonderkarosserien bekannter d`Este in Cernobbio am Comer See im Designer/Carrossiers wird die BMW Norden Italiens, wird die BMW Mobile Mobile Tradition auch eine Sonderschau Tradition das 50. Jubiläum des legendären BMW Art Cars präsentieren (vom 22. bis BMW 507 feiern. Zu diesem in Europa be- 24. April 2005).

Seite 04 BMW Group Mobile Tradition: Jubiläen

Jubiläen 2005 vor 55 Jahren BMW R 51/2 – der erste BMW Nachkriegs-Boxer

Am 31. Januar 1950 liefen im BMW Werk München-Milbertshofen die ersten Mo- torräder der Baureihe BMW R 51/2 vom Band. Damit konnten, rund zwei Jahre nach dem ersten Nachkriegsmotorrad, der Einzylindermaschine BMW R 24, auch die ersten Boxermodelle die Werks- hallen verlassen. Wie die R 24 war auch die R 51/2 die Weiterentwicklung eines Vorkriegsmo- dells: Nahezu unverändert wurde das Fahrwerk von der bis 1940 produzierten BMW R 51 übernommen. Auch der Mo- tor, dessen Ventile von zwei kettengetrie- benen Nockenwellen gesteuert wurden, basierte auf dem Vorkriegsaggregat der BMW R 51. Mit der R 51/2 hatte BMW den Nerv der Zeit getroffen. In der einjährigen Produk- tionszeit wurden 5.000 Exemplare gefer- tigt. Doch BMW hatte nicht nur die Privat- kunden im Visier: Sechs der am 31. Janu- ar gefertigten R 51/2 wurden grün lackiert und an die Eskorte von Bundespräsident Heuss ausgeliefert, wo sie die erst ein Jahr alten BMW R 24 ersetzten.

Zweimal R 51/2 im Polizeidienst: Übernahme der ersten BMW R 51/2 durch die Eskorte des Bundespräsidenten in Düsseldorf (links) und artistische Akrobatik einer Motorradstaffel (oben).

Unten: BMW Rennfahrer bei der Vorstellung der R 51/2 im Gespräch mit dem bayerischen Staatssekretär Geiger.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 05 Facts Fakten Faits Fatti

vor 50 Jahren Deutsch-italienische Freundschaft

Als 1952 die ersten BMW 501 ausgeliefert werden konnten, hatte das Unternehmen die Rückkehr ins Automobilgeschäft trotz zahlreicher Widrigkeiten vollzogen. Doch die Freude über den großen Schritt wich schnell der Gewissheit, weitere Modelle seien zur Re-Etablierung und damit zum Überleben der Automobilmarke notwendig. So kam der Hinweis des BMW Generalvertreters für die Schweiz, C. A. Drenowatz, wie gerufen, der italienische Hersteller ISO habe auf dem Turiner Autosalon ein „verkleidetes Motorrad“ präsentiert. Der zuständige BMW Vertriebsvorstand Hanns Grewenig bat Drenowatz, umgehend ein solches Gefährt nach München zur Begutachtung zu schicken. Das eiförmige Fahrzeug mit Fronteinstieg überzeugte die BMW Verantwortlichen. Schnell einigten sich BMW und ISO-Eigner Renzo Rivolta über einen Lizenzvertrag. Nach einigen Über- arbeitungen wie dem Einbau eines Einzylinder-Viertaktmotors aus dem Motorrad BMW R 25 lief im April 1955 die erste BMW Isetta vom Band. Schon im ersten Jahr konnten weit über 10.000 Stück des so genannten Motocoupés ausgeliefert werden. Als 1962 die Produktion auslief, waren über 160.000 Isetta-Kunden gewonnen worden. Damit war die Isetta das bis dahin erfolgreichste Fahrzeug in der Geschichte des Unter- nehmens. Nicht nur den Zeitgenossen blieb das Motocoupé im Gedächtnis: Bis heute gilt die Isetta als Symbol des deutschen Wirtschaftswunders.

Seite 06 Oben: Mit der BMW Isetta wurde in den 50er Jahren für viele ehemalige Motorradfahrer der Traum von wettergeschützter Mobilität Realität.

Links: Unzählige Deutsche erlebten mit der BMW Isetta die ersten Urlaubsreisen nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit dem Einzylinder- motor waren auch Fernreisen nach Neapel und Sizilien, bisweilen beengt, sonst aber ohne Probleme zu meistern.

vor 50 Jahren Der Traum von der Isar

Schon kurz nach Auslieferung des ersten Nachkriegsautomo- bils 1952 begannen bei BMW Planungen, die Vorkriegstradition fortzusetzen und einen offenen Sportwagen zu bauen. Da sich das Meinungsbild im Vorstand wie im Aufsichtsrat allerdings mehrmals änderte, mussten die Pläne für das Fahrzeug wieder- holt modifiziert oder gar verworfen werden. Am Ende entschloss man sich, zwei Wagen zu fertigen: einen Reisesportwagen als Cabrio und Coupé sowie einen . Als BMW 503 und BMW 507 wurden diese dann auf der Frank- furter Automobilausstellung im September 1955 erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Mit Spannung sah man auf dem BMW Stand den Reaktionen des Publikums entgegen. Nicht nur der Absatz sollte mit den neuen Modellen angekurbelt werden, es galt auch die Marke BMW auf dem dynamischen Automobilmarkt der 50er Jahre zu positionieren. Die Spannung wich bald der Erleichterung. Speziell der BMW 507 wurde zum Publikumsmag- net der Messe. Als „Traum von der Isar“ und „BMW Sensation“ feierten Pressevertreter den Zweisitzer. Seither gilt der Roadster als Mythos und einer der schönsten Sportwagen aller Zeiten.

Bis heute ist der BMW 507 als Sportwagen eine Schönheit. Die 253 gefertigten Modelle existieren fast alle noch heute.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 07 Jahresthema: „BMW und die 50er Jahre“ Das Jahrzehnt der Entscheidung im Blick

Von Sinja Lohse

Seite 08 BMW Group Mobile Tradition: Unternehmen der Tradition

Im Jahre 2005 feiert BMW gleich zwei außergewöhnliche Automobile. Vor 50 Jahren kamen praktisch zeitgleich die Isetta und der BMW 507 auf den Markt. Aus heutiger Sicht markieren die beiden Fahrzeuge die Extreme der 50er Jahre besser als viele andere Konzepte: Den zarten wirtschaftlichen Aufschwung erlebten viele Menschen mit der „Knutschkugel“, während sich mit dem luxuriösen 507 die glamouröse Show-Welt von Hollywood, Marylin Monroe und der Operndiven à la Callas verband. Mit einer Fülle von Kommunikationsmaßnahmen begleitetBMW Mobile Tradition das Thema „BMW und die 50erJahre“.

BMW Isetta bei der Verladung am Drehort.

Die 50er Jahre waren für die Bayerischen „Barockengel“ genannt, folgte 1951 auf Motoren Werke ein entscheidendes Jahr- der ersten IAA das erste Automobil nach zehnt. Zwischen 1949 und 1960 veränder- dem Krieg, basierend noch auf der Vor- te sich Deutschland in atemberaubendem kriegstechnik. BMW war wieder da. Aller- Tempo. Wer seine wirtschaftlichen Chan- dings war die wirtschaftliche Zukunft damit cen nutzen wollte, musste sich dem Wan- keineswegs gesichert. Die unbestritten del anpassen. Für Unternehmen wie leistungsfähigen Automobile – der BMW Menschen keine leichte Aufgabe. 502 mit dem legendären V8-Motor – waren BMW war in den Jahren des Dritten für die meisten Menschen nicht erschwing- Reiches zum fast ausschließlichen Produ- lich. Als dann Mitte der 50er Jahre auch zenten von Flugmotoren für die Luftwaffe noch der Absatz an Motorrädern zurück- Zoom auf die 50er: Kameramann im BMW 507. geworden. Der wirtschaftliche Neubeginn ging, rutschte BMW bedrohlich in die Krise. nach dem Ende des Krieges war dement- Die ungeklärte Strategiefrage trat 1955 Noch heute verbinden viele Menschen mit sprechend schwierig. Die Produktions- offen zutage, als BMW zwei, mittlerweile le- der Isetta Erinnerungen an die besten Jah- stätten waren durch Luftangriffe zerstört, gendäre, Autokonzepte auf den Markt re ihres Lebens, den ersten Urlaub in Italien Flugmotoren wurden in Deutschland nicht brachte, die jedoch unterschiedlicher kaum und an die wiedergewonnene Freiheit. Der gebraucht, und die alliierten Siegermächte hätten sein können. Da war auf der einen BMW 507 steht, wie wenige andere Auto- waren zurückhaltend mit der Vergabe von Seite der mondäne BMW 507, ein Sport- mobile, für die Welt der Stars, des Luxus Produktionsgenehmigungen. In der sowje- wagen der Superlative, gestaltet vom De- und des gehobenen Lebensgefühls. tischen Besatzungszone gingen zudem signer Albrecht Graf von Goertz. Ihm ge- Obwohl das Jahr 2005 das Jubiläums- wichtige Firmenteile verloren. genüber stand die „Knutschkugel“ BMW jahr dieser beiden extremen Automobilkon- Ende der 40er Jahre begann dann je- Isetta, ein Kleinstwagen für jedermann, ent- zepte ist, wird die BMW Mobile Tradition in doch der Wiederaufstieg Deutschlands. wickelt aus einer italienischen Lizenz. diesem Jahr nicht nur den 50sten Geburts- Das „Wirtschaftswunder“ setzte ein. Kurz Beide brachten nicht den wirtschaft- tag dieser beiden Fahrzeuge feiern, son- nach der Währungsreform 1948 präsentiert lichen Durchbruch, dafür wurden sie zu dern vielmehr das gesamte Jahrzehnt be- BMW sein erstes Nachkriegsfahrzeug: die Legenden und zu Verkörperungen des leuchten. Die Geschichte des Jahrzehnts, BMW R 24. Mit dem BMW 501, später bald Lebensgefühls der 50er Jahre. das sich für BMW zuerst als Krise gezeigt und am Ende doch erfolg- reiche Wege in die Zu- kunft eröffnet hat, wird au- thentisch und glaubwür- dig präsentiert. Mit dem Thema „BMW und die

On location: Fotoshooting mit BMW Isetta und dem BMW 507 in Südfrankreich.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 09 Das Jahrzehnt der Entscheidung

BMW 700 bringt in der Folge endlich wie- der steigende Umsätze. Das Jahrzehnt ist für BMW aber nicht nur entscheidend, weil das Unternehmen aus der Krise herausge- führt wurde, sondern auch weil sich viele Konzepte und Prozesse, die damals festge- legt wurden, aus heutiger Perspektive als wegweisend herausgestellt haben. Die 50er aus unterschiedlichen Perspektiven

Um sowohl das Lebensgefühl dieser Zeit Strandvergnügen: Modell im Film „Rendezvous après-midi: BMW und die 50er Jahre“. wieder lebendig werden zu lassen, als auch die historisch relevanten Ereignisse der Unternehmens-, Marken- und Produktge- 50er Jahre“ wird mehr als nur ein Jubiläum baren BMW 700 kam ein Modell auf den schichte zu zeigen, hat die BMW Mobile gefeiert: Die verschiedenen kommunikati- Markt, das die wirtschaftliche Gesundung Tradition verschiedene Kommunikations- ven Ansätze zeigen vor allem auch die von BMW einleitete und zum „Projekt medien erstellt. Das Film- und Fotomateri- Hintergründe auf, die dieses Jahrzehnt so Mittelwagen“ und der Neuen Klasse über- al zeigt konzeptionell die wichtigsten Fahr- entscheidend machen für das Unterneh- leitete. Und erst im Dezember 1959, ganz zeuge dieser Jahre in szenischen Umfel- men BMW. Unterschiedliche Perspektiven zu Ende dieser aufregenden Dekade, kam dern: BMW Isetta, BMW 507, BMW 503, – wie die Betrachtung aus unternehmeri- es zur Entscheidung, die BMW zum heuti- BMW 700 sowie BMW 1500 – als Wegwei- schen, wirtschaftlichen, automobil- und gen Erfolg geführt hat: In letzter Minute ver- ser für die Neue Klasse und die legendäre motorradrelevanten Gesichtspunkten – hinderte das Engagement des Großaktio- 02er Reihe. Die Fahrzeuge der Nachkriegs- verdeutlichen die Historie in ihren vielfälti- närs den Verkauf des Un- dekade werden in ihre Zeit zurückgesetzt gen Verknüpfungen. Nicht allein die Mo- ternehmens und rettete die Selbstständig- und so inszeniert, wie die Menschen sie in delle, die auf den Markt kamen, auch der keit des Mobilitätskonzerns. Ende 1959 Erinnerung haben: als Teil ihres Lebens, als soziokulturelle Kontext einerseits und die hatte Daimler-Benz ein befristetes Sanie- Möglichkeit, endlich mobil zu sein, auf Rei- Unternehmensperspektive andererseits rungsangebot für BMW abgegeben. Doch sen zu gehen und die Freiheit zu erleben, weisen darauf hin, dass die 50er Jahre für Kleinaktionäre und Belegschaft lehnten es sich fortzubewegen. Aus reiner Lebens- BMW eine Zeit der Herausforderungen und auf der Hauptversammlung am 9. Dezem- freude etwa mit der BMW Isetta an den Entscheidungen darstellten. ber ab. Ihr Durchhaltewillen und sein Ver- Gardasee zu fahren, mit dem BMW 700 Das Jahrzehnt blieb spannend: für trauen in den BMW 700 veranlassten endlich ein erschwingliches Fahrzeug für Deutschland und für BMW. Erst gegen Quandt zum Ausbau seines Aktienpakets. die Familie zu besitzen. Das heißt aber Ende löste sich die bedrohliche Lage für Nach staatlichen Überbrückungshilfen wird auch, den BMW 507 im glamourösen Licht das Unternehmen. Mit dem eher unschein- BMW unter Quandts Führung saniert. Der zu inszenieren, als Sportwagen für Stars wie Elvis, oder den Barockengel als uner- schwingliches Luxusgefährt, denn diese Fahrzeuge sind aus heutiger Perspektive legendär, damals waren sie einzigartig und unerschwinglich. Auch das Motorrad wird in den Zeitkontext gesetzt und mit dem Gefühl von Freiheit, Mobilität und Premi- umanspruch verknüpft, denn trotz der Motorradkrise ab Mitte der 50er Jahre wur- den beim Motorradbau Maßstäbe für die Zukunft gesetzt. Schon in den 50ern engagierte sich BMW wieder im Motorsport, einer Domä- ne, in der die Produkte des bayerischen Unternehmens schon vor dem Krieg große Erfolge aufzuweisen hatten. Auch dies zei- gen die verschiedenen Kommunikations- medien, indem entscheidende Motorsport- fahrzeuge präsentiert werden und der Ge-

Vorbereitung der Kulisse für das Fotoshooting „BMW und die 50er Jahre“.

Seite 10 BMW Group Mobile Tradition: Unternehmen

Großer Rummel um den Star: Alles dreht sich um die BMW Isetta und ihr 50-jähriges Jubiläum. winn der Gespannweltmeisterschaft im Zeitgefühl eintauchen lassen. Eine roman- Überschrift „BMW und die 50er Jahre“ Jahr 1954 durch Wilhelm Noll und Fritz tisch-charmante Verknüpfung der Jubilare steht. Jede Abbildung der zwölf Monate Cron thematisiert wird. BMW 507 und BMW Isetta in Frankreich erzählt ihre ganz eigene Geschichte aus Wir freuen uns, auf der diesjährigen lässt die Faszination der Fahrzeuge in den 50er Jahren, voller Optimismus und Oldtimermesse Techno Classica in Essen ihrem zeithistorischen Kontext lebendig Lebensfreude. Selbstverständlich stehen den Auftakt der Kommunikation „BMW werden. Interviews mit Zeitzeugen und Ex- dabei immer Fahrzeuge und Produkte von und die 50er Jahre“ zu zeigen. Eine Son- perten beleuchten technische, wirtschaft- BMW im besten Licht – sei es „auf der derausstellung zu diesem Thema präsen- liche und unternehmerische Aspekte. ersten Urlaubsfahrt nach Italien“, auf „Ge- tiert die wichtigsten Exponate des Jahr- Dieses Sonderheft, eine zehnteilige Post- schäftsreise nach Übersee“ oder „beim zehnts, mit einigen ausgefallenen Model- karten- sowie eine sechsteilige Posterserie Cocktail auf der Seeterrasse“. Die aufre- len als besonderen Highlights. Die Film- zum Thema werden im April zur Techno gend inszenierten Fotografien stehen für premiere des neuen Imagefilms „Ren- Classica in Essen veröffentlicht. Schon seit ein Jahr voller Geschichten und kommen dezvous après-midi. BMW und die 50er Ende 2004 ist zudem der BMW Klassik dem unverändert hohen Interesse an der Jahre“ wird die Besucher ganz in das Kalender erhältlich, der ebenfalls unter der Historie entgegen.

Links: Szene in einem französi- schen Dorf an der Cote d’Azur mit BMW Isetta. Rechts: Verla- dung der BMW Fahrzeuge aus den 50er Jahren, die im Film und Shooting insze- niert werden.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 11 Der Flugmotor BMW VI Antrieb der zivilen Luftfahrt

Der BMW VI ist die erste Neuentwicklung eines Flugmotors der Bayerischen Motoren Werke nach dem Ersten Weltkrieg. Dieser erste BMW Zwölfzylinder hatte großen Anteil am Entstehen der zivilen Luftfahrt in Deutschland, denn bei zahlreichen Pionier- und Rekordflügen ver- ließen sich die Piloten auf den erfolgreichsten wassergekühlten Flugmotor von BMW.

Von Fred Jakobs

Zu Ende des Ersten Weltkrieges gegrün- motoren während des letzten Kriegssta- neuen Höhenweltrekord aufstellte. Damit det, machten die Bayerischen Motoren diums bildet.“ Hinsichtlich der Steigfähig- war BMW in neue Dimensionen vorge- Werke mit ihrem Sechszylinder-Flugmotor keit setzte der BMW Höhenmotor neue stoßen, und dass die Marke von 10.000 BMW IIIa Furore. Er galt vielen Piloten als Maßstäbe – 21 Minuten genügten, das Metern nicht überboten wurde, lag weniger bestes deutsches Flugaggregat im Ersten Flugzeug auf 6.000 Meter zu bringen. am Motor, als an den unvorstellbaren Stra- Weltkrieg. Ernst Udet, damals Führer der Das ganze Potenzial der BMW Moto- pazen, denen der Pilot ausgesetzt war: Jagdstaffel 4 im Geschwader Richthofen, ren demonstrierte Zeno Diemer mit dem Schließlich begab sich Diemer lediglich resümierte 1918: „Es dürfte einwandfrei bis Kriegsende in nur wenigen Exemplaren dick eingepackt und ohne Sauerstoffmas- feststehen, dass der BMW Motor den gefertigten Nachfolgemodell BMW IV, als ke im offenen Führerstand seiner DFW C IV Höhe- und Glanzpunkt der Flugzeug- er im Juni 1919 mit 9.760 Metern einen auf die Jagd nach dem Rekord.

Seite 12 BMW Group Mobile Tradition: Flugmotoren

Nur wenige Tage nach diesem Höhenflug Da man auf das 1919 ein- trat der Versailler Vertrag in Kraft, welcher gestellte Projekt eines die Produktion von Flugzeugen und Flug- Zwölfzylindermotors zu- motoren für militärische Zwecke in rückgreifen konnte, war die Deutschland untersagte. Bei BMW wurden Entwicklung bereits 1925 zunächst sämtliche Flugmotoren-Aktivi- abgeschlossen, und am 8. täten eingestellt, darunter auch die bereits Februar 1926 absolvierte begonnene Entwicklung eines Zwölfzylin- der Motor erfolgreich die der-V-Motors. Man konzentrierte sich in Musterprüfung bei der den Folgejahren auf Einbaumotoren für Deutschen Versuchsan- Motorräder, Boote und Lastkraftwagen. Ein stalt für Luftfahrt (DVL) in wichtiges Standbein war zudem die Leicht- Berlin-Adlershof und er- metall-Gießerei, sie galt als eine der besten hielt damit die Zulassung Deutschlands und war mit Fremdaufträgen für den inländischen Markt. gut ausgelastet. Technischer Steckbrief Neuanfang 1923 Der BMW VI entstand Als im Juni 1923 die Firma Junkers 100 durch Verdoppelung des BMW Motoren vom Typ IIIa bestellte, nahm Reihensechszylinders Der BMW VI, der erste Zwölfzylindermotor von BMW, erreichte eine Leistung von bis zu 700 PS. BMW die Produktion von Flugaggregaten BMW IV, die beiden Zylin- wieder auf. Man begann auch kurz darauf derreihen standen zuein- mit der Konstruktion eines Zwölfzylinder- ander im 60-Grad-Winkel. Die Pleuel wur- BMW VI die Vorgaben der ausländischen motors. Ursprünglich war geplant, den den als Haupt- und Nebenpleuel ausge- Hersteller mehr als eingestellt. Motor den Junkers-Werken anzubieten, führt, die Pleuel der einen Zylinderreihe wa- In Aluminiumausführung brachte der doch da Junkers selbst in die Fertigung von ren also am jeweils gegenüberliegenden BMW VI betriebsfertig trocken rund 505 Ki- Flugmotoren einsteigen wollte, verlief die- Pleuel angehängt und teilten sich mit die- logramm auf die Waage. Das Gewicht ses Geschäft im Sande. Dagegen signali- sem einen Hubzapfen der Kurbelwelle. konnte durch die Verwendung von Elektron sierte die Reichswehr großes Interesse und Dadurch ergab sich am Nebenpleuel ein – einer Magnesium-Legierung – anstelle erteilte BMW 1924 den offiziellen Entwick- größerer Hub. Da Bohrung und Hub mit des ohnehin schon leichten Aluminiums lungsauftrag für einen Zwölfzylindermotor. 160 beziehungsweise 190 mm gegenüber beim Kurbelgehäuse nochmals um 45 kg Damit hoffte man bei BMW, wieder zur dem BMW IV unverändert blieben, der Hub verringert werden. internationalen Konkurrenz aufschließen zu am Nebenpleuel jedoch 199 mm betrug, Zahllose Varianten können, denn inzwischen hatten französi- hatte sich der Hubraum auf nun 46,9 Liter sche und britische Zwölfzylindermotoren etwas mehr als verdoppelt. Der Motor wurde mit drei verschiedenen – wie der Renault 12 Kb oder der Napier Der Motor hatte mit BMW Vergaser- Verdichtungsgraden angeboten, die sich Lion V – Leistungen von über 450 PS anlage eine Spitzenleistung von 700 PS, in der ausführlichen Typbezeichnung wie- erreicht. Damit lag deren Potenzial weit die zulässige Dauerleistung betrug 580 PS. derfanden: BMW VI 5,5, BMW VI 6,3 und über dem des 320 PS starken BMW IV, mit Wurde derMotor mit Zenith-Vergasern BMW VI 7,3. Der BMW VI wurde sowohl dessen Hilfe Zeno Diemer sich fünf Jahre bestückt, betrug die vor allem beim Start mit als auch ohne Übersetzungsgetriebe – zuvor zu seinem Weltrekord aufgeschwun- und schnellen Steigflug benötigte Kurz- hierfür wurde eine Lizenz von der französi- gen hatte. leistung sogar 800 PS. Damit hatte der schen Firma Faman erworben – geliefert,

Links: Vielfältige zivile Nutzung des BMW VI: Dornier „Wal“ beim Katapultstart auf dem Atlantik. Unten: Heinkel HD mit Abwurfvorrichtung für Zeitungspakete und Rohrbach Ro VIII im Passagierdienst.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 13 Flugmotor BMW VI – Antrieb der zivilen Luftfahrt

was sich dann im Zusatz U in der sen Zweck war die Aus- Typbezeichnung niederschlug. Ein Unter- führung BMW VI 7,3 ZU setzungsgetriebe war vor allem bei den mit Zenith-Vergaser (des- leistungsstarken, hochverdichteten Mo- halb der Zusatz „Z“) in toren erforderlich, um die Drehzahl der der leichten, aber teure- Luftschraube zu reduzieren. Ein Propeller ren Elektronausführung kann nur bis zu einer bestimmten Dreh- konzipiert. zahl für optimalen Vortrieb sorgen. Bei Für die anderen Überschreitung dieser Drehzahl – diese Varianten hatte BMW ei- ist von zahlreichen Faktoren wie Luft- nen anderen Kunden- schraubenprofil und -größe, Aerodynamik kreis ins Auge gefasst, von Motor und Tragflächen sowie die zivile Luftfahrt. Diese Flughöhe abhängig – erzeugt der Pro- hat ihren Ursprung in peller Schlupf, und der Wirkungsgrad ver- Deutschland um 1920. In schlechtert sich. Wurden recht große der ersten Hälfte der Luftschrauben verbaut, konnte es zudem 20er Jahre entstanden Zwischenstopp bei Walter Mittelholzers Afrikaflug 1926: passieren, dass sich die Propellerenden durch Zusammenschlüs- Einheimische posieren für die Kamera. schneller als der Schall bewegten, was zu se und Übernahmen aus unkalkulierbaren mechanischen Belas- zahlreichen kleinen, oft tungen des Materials führte. regionalen Fluggesellschaften zwei große: Subventionierung durch das Reich ernst- die Deutsche Aero-Lloyd AG und die haft in Gefahr geriet. Zivile Luftfahrt in Deutschland Junkers Luftverkehrs AG, die den deut- So kam es im Januar 1926 unter politi- Warum gab es diese vielen Varianten, wo schen Markt dominierten. 1925 benutzten schem Druck zum Zusammenschluss der doch auch die Vorgängermotoren IIIa und in Deutschland bereits 55.000 Passagiere beiden Gesellschaften zur Deutschen Luft IV in jeweils nur einer Ausführung angebo- das neue Verkehrsmittel. Zudem hatten Hansa, die am 6. April 1926 ihren Flug- ten wurden? Die Antwort liegt im Verwen- sich erste Auslandsverbindungen nach betrieb mit 162 Flugzeugen aufnehmen dungszweck des Motors: Da der Entwick- Skandinavien, dem Baltikum, Großbritan- sollte. Damit waren die Weichen für den lungsauftrag für den BMW VI von der nien, Österreich, der Schweiz und Russ- Passagierverkehr für die kommenden Jah- Reichswehr kam, lag der Fokus zunächst land etabliert. re in Deutschland gestellt. Das Liniennetz auf der militärischen Nutzung. Und die Die Zeichen standen auf Wachstum, wurde kontinuierlich ausgebaut, immer Luftstreitkräfte setzten Prioritäten: Der und die Duopolstellung der beiden Gesell- größere Distanzen wurden auf dem Luft- Motor sollte auf maximale Leistung und schaften auf dem prosperierenden Markt weg zurückgelegt. möglichst geringes Gewicht ausgelegt hätte eigentlich beiden Unternehmen wirt- In diesem Umfeld brachte BMW den sein, denn für die Militärs waren Steig- schaftlichen Erfolg sichern müssen. Doch neuen Flugmotor zur Serienreife, und so leistung und Höchstgeschwindigkeit ent- beide Linien lieferten sich einen erbitterten ist es nur verständlich, dass man auch die scheidend. Anschaffungskosten, Langle- Konkurrenzkampf und vergaloppierten sich zivile Nutzung bei der Entwicklung bigkeit oder Kraftstoffverbrauch spielten in teurem Auslandsengagement, so dass berücksichtigt hatte. Die Anforderungen dabei eine untergeordnete Rolle. Für die- der Erhalt der deutschen Luftfahrt trotz für den Gebrauch in Passagier- und Post- flugzeugen waren aber andere als die der Militärs: Langlebigkeit und damit verbun- den größere Wartungsintervalle, geringer Kraftstoffverbrauch und ein günstiger An- schaffungspreis hatten erste Priorität. Deshalb legte BMW erstmals nicht nur eine Hochleistungsvariante auf, sondern offerierte daneben verschiedene Varian- ten niedrigerer Leistung in der kosten- günstigeren Aluminium-Ausführung. Rekorde und Pionierflüge Bereits 1925, noch vor der offiziellen Frei- gabe durch die DVL, wurden die ersten Motoren an Kunden ausgeliefert. Der BMW VI stellte in der Folge bei zahlrei- chen Pionier- und Rekordflügen in sehr unterschiedlichen Flugzeugtypen seine Leistungsfähigkeit auch öffentlichkeits- Startvorbereitung bei einer Focke Wulf Fw A 29 der Deutschen Luft Hansa. wirksam unter Beweis. Im Dezember 1926

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Der Techniker Hans Seufert und seine Bilder aus der frühen Arbeitswelt bei BMW

sen Bruder ein Foto- fachgeschäft betrieb. Von ihm bezog er Kamera und Verbrauchsmaterial. 1925 trat Seufert in die BMW AG ein und begann hier sein Arbeitsumfeld abzulichten. Dabei war seine Aus- rüstung immer auf der Höhe der Zeit: Bannte er seine Egal, wo er für BMW tätig war, Hans Seufert hatte seine ersten Aufnahmen noch auf Kamera stets dabei. Glasplatten, so nutzte er bereits Ende der 20er Jahre eine Leica 1 sächlich die Aggregate BMW VI und BMW mit dem bis heute gebräuchlichen Hornet, für die er verantwortlich war. Die Kleinbild-Negativfilmmaterial. Die Klein- im BMW Archiv überlieferten Reisebe- bildaufnahmen erreichten zwar nicht die richte und seine Auslandskorrespondenz Qualität der Glasplatten, dafür ermöglichte vervollständigen das Bild seines beweg- ihm das kostengünstige und einfach zu ten Arbeitlebens, welches er, wo immer es handhabende Material eine höhere Zahl ging, mit der Kamera dokumentierte. von Aufnahmen als die Plattenkamera: Bis Nach seiner Heirat wechselte Hans zum Beginn der 40er Jahre entstanden Seufert 1934 ins BMW Werk Eisenach, wo rund 800 Aufnahmen, über die er penibel er bis Kriegsende tätig war. Amerika- Buch führte. nische Soldaten verhalfen ihm 1945 zur Die Fotografien entstanden nicht nur Flucht vor den Russen nach München, Prüfstandtechniker (oben) und Arbeiter der Rückmontage in den 20er Jahren. im Münchner BMW Werk, denn als Prüf- indem sie ihn als einen der ihren ausga- standtechniker war Hans Seufert dafür ben. Nach dem Krieg trat er wieder bei Überlieferte Bilder vom Arbeitsalltag der verantwortlich, dass die Motoren bei der BMW ein und arbeitete zunächst im Werk 20er Jahre sind bei BMW selten. Wenn Übergabe an die Kunden optimal einge- Allach. Als er 1966 in Rente ging, hatte er Produktions- und Fertigungshallen foto- stellt waren. Diese Aufgabe führte ihn, der 40 Jahre seines Arbeitslebens bei BMW grafiert wurden, so wählten die Fotografen lediglich ein paar Brocken Englisch verbracht. Hans Seufert starb am 16. sorgfältig ihren Standpunkt, achteten auf sprach, in zahlreiche Länder, von Italien September 1979. Seine Tochter hielt den die passende Beleuchtung und fotogra- über Russland bis nach Amerika. Seine Nachlass über 20 Jahre zusammen, bevor fierten in der Regel mit einer kleinen Fotos zeigen Arbeiter, Techniker und sie seine Glasplatten und Negative dem Blende, um die notwendige Tiefenschärfe Betriebseinrichtungen, die BMW Aus- Konzernarchiv der BMW AG übereignete. zu erreichen. landsvertreter und Piloten, aber auch zahl- Einige dieser Bilder werden im nebenste- Voraussetzung für diese Blendenwahl reiche Flugzeuge und Motoren, haupt- henden Artikel erstmals veröffentlicht. waren jedoch lange Belichtungszeiten, weshalb auf die Ablichtung von Menschen in ihrem natürlichen Bewegungsablauf in der Regel verzichtet wurde. Einzige Ausnahme waren Werksbesichtigungen hoher Delegationen aus Politik und Wirtschaft, wobei auch diese oft aufwän- dig inszeniert wurden und nur selten den Arbeitsalltag widerspiegelten. Fotografieren war in jenen Jahren eine kostspielige Angelegenheit, die Berufs- fotografen, Künstlern und wenigen privi- legierten Privatpersonen vorbehalten war. Eine der wenigen Ausnahmen war der Flugmotorentechniker Hans Seufert, des-

BMW Monteure in ihrer Mittagspause, 1930.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 15 Flugmotor BMW VI – Antrieb der zivilen Luftfahrt

startete Walter Mittelholzer in einer gleichen Voraussetzungen die Gipfel- Dornier „Merkur“ von Zürich zu seinem höhe bei den besten ausländischen legendären Flug nach Kapstadt. In mehre- Motoren bei lediglich 3.600 Metern lag. ren Etappen gelang ihm der Flug vom Die Startzeit betrug mit BMW Motoren Herzen Europas zur Südspitze des afrika- zwischen 20 und 25 Sekunden und war nischen Kontinents in 97,5 Stunden reiner damit nur halb so lang wie bei der Flugzeit. 1927 benötigten Georg Zins- Verwendung italienischer Aggregate. maier und Richard Wagner für die Alpen- Dabei ist anzumerken, dass die BMW überquerung von München nach Mailand Motoren dabei noch nicht auf Höchst- nur 2 Stunden und 5 Minuten. In diesem leistung einreguliert und ohne Unter- Jahr konnten die beiden Piloten noch elf setzungsgetriebe ausgestattet waren. Weltrekorde unter Nutzlast mit ihrer vom 1931 wurde mit dem BMW VI ein für BMW VI angetriebenen Dornier „Merkur“ Flugmotoren außergewöhnlicher Weltre- erringen. Sieben Weltrekorde gab es auch kord aufgestellt: Franz Kruckenbergs 1929 für Hermann Steindorff in einem Schienenzeppelin fuhr über eine zwölf Heinkel He 70 „Blitz“, mit 377 km/h das schnellste Verkehrsflugzeug seiner Zeit. Rohrbach „Romar“ Flugboot und Rolf Kilometer lange Strecke mit 230 km/h die Starke mit einer Heinkel He 9. bis dahin schnellste Geschwindigkeit für Schienenfahrzeuge, eine Leistung, die 25 Weltrekord sogar auf Schienen Jahre nicht überboten werden konnte. kömmliche Wasserkühlung. Somit waren 1930 gehörten die Schlagzeilen dann Doch auch in der Luft wurde die kleinere Kühler möglich, was sich positiv Wolfgang von Gronau: In einem Dornier Jagd nach Rekorden fortgesetzt: Im auf den Luftwiderstand auswirkte. Die Wal, ausgerüstet mit zwei BMW VI, Schnellverkehrsflugzeug Heinkel He 70 Glykol-gekühlten Motoren kamen dann gelang ihm im August 1930 die erste „Blitz“ stellten Werner Junck und Robert hauptsächlich im militärischen Bereich in Atlantiküberquerung von Ost nach West Untucht 1933 elf Geschwindigkeits- der Dornier Do 17, einem Bomber und in einem Flugboot. Seine Flugzeit betrug weltrekorde auf, im Juni erreicht Untucht Fernaufklärer, zum Einsatz. 44 Stunden, in denen die Motoren keiner- mit 377 km/h die bisher höchste Große Nachfrage lei Probleme machten. Die Dornier-Flug- Geschwindigkeit eines Verkehrsflug- boote wurden in einer Werft in Marina di zeugs. Im Jahre 1936 erreicht er in einer BMW hatte mit dem BMW VI 1925 den Pisa an der italienischen Adriaküste Heinkel He 111 auf der Strecke Berlin- stärksten deutschen Flugmotor jener gebaut. 1927 testeten die Dornierwerke Sevilla einen Schnitt von 410 km/h, die Jahre zur Serienreife gebracht. Im Gegen- die ersten BMW VI Motoren im „Wal“. letzte absolute Bestleistung, die mit satz zu den Zwölfzylinder-Nachfolge- Schon die ersten Testflüge demonstrier- einem BMW VI aufgestellt wurde. modellen traten zudem von Anfang an ten eindrucksvoll die Überlegenheit des Die Heinkel-Flugzeuge verwendeten keinerlei technische Probleme auf, so Zwölfzylindermotors aus München. erstmals BMW VI Motoren mit Glykol- dass bereits 1926 die ersten größeren In gerade einmal 52 Minuten stieg Kühlung. Glykol als Kühlmittel erlaubt dank Aufträge eingingen. Die Verkaufspreise ein „Wal“ mit knapp 6 Tonnen Gesamt- seines Siedepunktes bei 200 Grad eine variierten stark, je nach bestellter Stück- gewicht auf 4.800 Meter, während unter höhere Betriebstemperatur als die her- zahl und Ausführung der Motoren, die

Das Kampfflugzeug Dornier Do 17 E hatte zwei BMW VI Motoren verbaut.

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Wasser hat keine Balken: Wasserflugzeug Heinkel He 5 mit einem, Flugboot Rohrbach Ro X „Romar“ mit drei BMW VI Motoren.

durchschnittliche Kalkulation betrug rund Russen produzierten BMW VI Motor in eingesetzt. Dies erklärt zum einen die her- 30.000 Reichsmark. Russland eine Gebühr in Höhe von 7,5 vorragende Qualität, aber auch den höhe- Damit betrug der Preis eines Flug- Prozent des Verkaufspreises fällig. Bei ren Preis der BMW Motorräder im motors das 16-fache des teuersten BMW regulären Geschäften wurde mit einer Vergleich zu den damaligen Konkurrenz- Motorrades, der R 47, die 1927 für 1.850 Gewinnspanne von rund 10 Prozent kal- fabrikaten. Reichsmark angeboten wurde. Das Flug- kuliert, allerdings verbunden mit enor- Der BMW VI war der erste BMW motorengeschäft entwickelte sich dank mem Aufwand und größeren wirtschaftli- Flugmotor, der auch für die zivile Nutzung des BMW VI zum wichtigsten Geschäfts- chen Risiken. Zudem erleichterte die konzipiert war. Er hatte zudem entschei- zweig der BMW. Schon 1927 wurde mit Lizenzvergabe den Zutritt zu Märkten, die denden Anteil an der Internationa- den Flugaggregaten rund ein Drittel mehr für BMW ansonsten eventuell verschlos- lisierung der Bayerischen Motoren Werke Umsatz erwirtschaftet als mit den Motor- sen gewesen wären. In Russland avan- in den 20er und 30er Jahren. Es sollte rädern. Auch im Ausland fand der BMW VI cierte der BMW VI unter der Bezeichnung allerdings auch der letzte wassergekühlte großes Interesse, so orderte die russische M-17 zum erfolgreichsten russischen Flugmotor von BMW sein, der in nen- Handelsdelegation in Berlin in den Jahren Flugmotor seiner Zeit und wurde in nenswerten Stückzahlen gefertigt wurde. 1927 bis 1929 rund 700 dieser Motoren. großer Stückzahl in zahlreichen Flug- Bereits 1928 erwarb BMW in Amerika Hinzu kamen weitere Auslandsbe- booten, Wasser-, Passagier- und Militär- eine Lizenz auf luftgekühlte Stern- stellungen, vor allen Dingen aus Ländern, flugzeugen eingebaut. motoren des Herstellers Pratt & Whitney die keine eigene Flugmotorenindustrie und konzentrierte sich zu Beginn der Internationalisierung des Konzerns besaßen, wie etwa Holland, Dänemark 1930er Jahre im Flugmotorenbereich auf und Jugoslawien. In der Tschechoslo- Die große Nachfrage nach dem BMW VI diese Technologie. wakei wurden die BMW Motoren gar zum hatte natürlich Auswirkungen auf das Politikum, als der Verteidigungsminister Münchner BMW Werk. So hatte sich die Udrazal 1928 im Parlament wegen der Belegschaft von 200 Mitarbeitern 1922 Bestellung von 125 BMW VI Motoren hef- auf 2.000 Beschäftigte im Jahr 1928 in tig angegriffen und aufgefordert wurde, nur sechs Jahren verzehnfacht. Die Pro- doch auf einheimische Produkte zurück- duktionsanlagen wurden ständig erwei- zugreifen. Udrazal wies die Vorwürfe mit tert, immerhin erforderte die Herstellung der Begründung zurück, dass die BMW eines BMW VI rund 300 verschiedene Ma- Motoren einfach besser und billiger seien. schinen. Schwierig erwies sich zudem die Einen Abdruck seiner Rede schickte Suche nach geeignetem Personal, denn BMW in der Folge als „Empfehlungs- die präzise Fertigung erforderte hochqua- schreiben“ an seine wichtigsten Kunden. lifizierte Mitarbeiter, die intensiv eingear- beitet werden mussten. Um die Fluk- Lizenzvergabe als wichtige tuation der Belegschaft möglichst gering Einnahmequelle zu halten, wurden die Arbeiter – ebenso Mit Russland und Japan konnte BMW wie der Maschinenpark – bei schwacher darüber hinaus auch Lizenzabkommen Auftragslage in der Motorradproduktion abschließen. Die Lizenzvergabe war ein einträgliches Geschäft für BMW, so Der BMW VI beschleunigte den wurde beispielsweise für jeden von den „Schienenzeppelin“ auf 230 km/h.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 17 Basis des Erfolgs Die BMW 3er Reihen

2005 stellt BMW die fünfte Generation der 3er Reihe vor. Zunächstviertürige Limousinen, die wieder einmal eindeutig klar machen, dass BMW sei- nen Führungsanspruch in dieser für das Unternehmen wichtigsten Klasse sehr ernst nimmt und eindrucksvoll inszeniert. Wir freuen uns, alle fünf Generationen dieses Erfolgskonzepts mit aktuellem Bildmaterial aus heutiger Perspektive präsentieren zu können.

Von Walter Zeichner

Wie schon bei den früheren Generationen, Mit der Neuen Klasse konnte man Anfang dem allgemeinen Wohlstand ein höheres so stellen die ersten neuen Modelle der 3er der 60er Jahre an dieses Erfolgsrezept Maß an Exklusivität. Reihe 2005 einen sehr appetitanregenden anknüpfen und schaffte wenig später den Wenig später war ersichtlich, dass Vorgeschmack dar auf eine enorme Band- internationalen Durchbruch mit den legen- BMW künftig mit einer klar definierten Mo- breite an Karosserievarianten, Motorisie- dären BMW 02er Modellen, den direkten dellstrategie auf den Markt treten würde, rungen und Möglichkeiten der Individuali- Wegbereitern aller folgenden 3er Reihen. die bis heute gültige, klare Einteilung der sierung, die auch diese 3er Reihe zu einem Über 860.000 Wagen dieser Generation Modellreihen in schlichte Ziffern, wobei bis Meilenstein in der Erfolgsgeschichte der verließen das Werk, mehr als alle bisher auf weiteres die 3 der kleinsten Klasse zu- Bayerischen Motoren Werke machen wird. produzierten BMW Automobile insgesamt. geteilt wurde und die 7 den Abschluss Diese vielversprechende Zukunft ist So viel zur Vorgeschichte. nach oben symbolisierte. eine logische Konsequenz einer Modell- Um dieser Modellfamilie ein gemein- Die erste BMW 3er Reihe: strategie, die allerdings weit älter ist als sames und unverwechselbares „Gesicht“ Eine neue Linie der Ursprung der ersten BMW 3er Reihe zu verleihen, hatte man mit der Entwick- von 1975. Schon in den 30er Jahren war Als es bei BMW um das Jahr 1970 galt, lung einer grundsätzlich neuen BMW BMW in der Kompaktklasse mit Auto- für diese, sich als beispielloser Erfolg Formensprache den neuen BMW Chefde- mobilen am Markt präsent, die im Ge- abzeichnende Linie eine Nachfolge- signer Paul Bracq beauftragt. International gensatz zu den damaligen Mitbewerbern generation zu entwickeln, war man sich hatte sich der Franzose hierzu längst als eine gewisse Sportlichkeit und Exklu- bewusst, dass sich Erwartungshaltung Schöpfer moderner und dynamischer Li- sivität ausstrahlten. BMW war damals als und Ansprüche der Kunden in den letz- nien etabliert, ein Stil, der exakt mit der Automobilhersteller noch weit von seiner ten Jahren gewandelt hatten. War der BMW Philosophie harmonierte. Bereits mit heutigen Bedeutung entfernt, stach BMW 2002 ein zwar nicht unkomforta- der ersten BMW 5er Reihe von 1972 und jedoch durch diese Eigenschaften bles, aber für unser heutiges Empfinden dem Concept Car BMW Turbo war es bereits aus der Masse hervor und legte fast schon spartanisch anmutendes Bracq gelungen, einen neuen BMW Stil zu damit den Grundstein zu einem automo- Automobil mit dem Reiz des „Wolfs im prägen, der in seinen Basisaussagen rund bilen Charakter, der bis heute essenziell Schafspelz“, so erwartete der Kunde in zwei Jahrzehnte Gültigkeit behalten sollte. Gültigkeit hat. der sportlichen Mittelklasse mit steigen- Nach rund fünf Jahren Entwicklung und Erprobung wurde der Schleier über der ersten BMW 3er Reihe mit dem Entwick- lungscode E 21 anlässlich einer Presse- konferenz einen Tag vor Eröffnung der IAA in Frankfurt gelüftet. Der Vorstandsvor- sitzende Eberhard von Kuenheim ließ es sich nicht nehmen, dieses Ereignis persön- lich zu kommentieren, und machte deut- lich, dass dieser erste BMW 3er trotz gestiegenem Komfort ein echter BMW ge- blieben war – genau das wollten Journalis- ten und Kunden hören. Spontan erschienen diese ersten, ausschließlich zweitürigen BMW 3er größer und massiver als ihre eher zierlich

Auf Erfolg abonniert: Die fünf Generationen des BMW 3er seit der Einführung 1975.

Seite 18 Von Anfang an traf der BMW 3er auch den Nerv der jungen Zielgruppen, die damit einen Einstieg in die BMW Welt fanden. gestalteten Vorgänger, doch der Schein Dach- und Fensterlinie verlief coupé-arti- Die Vierzylindermotoren der ersten 3er trog. Nur unbedeutend waren die Maße ger als beim 5er, und der „Powerdome“, Modelle basierten konstruktiv auf den be- gewachsen. Fast allein geschickte Verän- eine Hutze auf der Motorhaube, wurde währten Aggregaten der 02er Reihe, waren derungen der Proportionen hatten dazu neben dem konsequent beibehaltenen jedoch im Hinblick auf strengere Abgasvor- geführt, dass die 3er wirkten, als rangier- „Hofmeister-Knick“, dem gegenläufigen schriften und gesteigerte Wirtschaftlichkeit ten sie in einer höheren Klasse als die Schwung im unteren Bereich der C- grundsätzlich überarbeitet worden. Diese Vorläufer. Doch auch von den zeitgenös- Säule, zum BMW Stilelement bis heute. Motoren produzierten zwischen 66 kW sischen Schwestermodellen der 5er Reihe Die Doppelscheinwerfer der Zweilitermo- (90 PS) und 92 kW (125 PS), weit an der grenzten sich die ersten 3er deutlich ab. delle 320 und 320i und die Einzel- Obergrenze spezifischer Leistungen von Trotz deutlicher Verwandtschaft auf den leuchten der Typen 316 und 318 blickten Ottomotoren im Vergleich zu hubraumglei- ersten Blick gab es keine Zweifel über die dem Betrachter aus einem schwarzen chen Limousinen anderer Hersteller in neue Klasseneinteilung bei BMW. Dabei Kühlergrill entgegen, ein Designmerkmal, Deutschland. Trotz einer komfortableren trugen die jetzt kleinsten BMW sehr indi- das über Neue Klasse und 02er Reihe Gesamtauslegung fuhren sich die ersten viduelle und eigenständige Züge. Die konsequent weitergeführt wurde. 3er auch so, wie man es von einem kom-

Dynamik und Sportlichkeit – Synonyme für die BMW 3er Reihen seit 1975.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 19 Basis des Erfolgs: die BMW 3er Reihen

pakten BMW gewohnt war, fahrerorientiert, 13.980 D-Mark kostete 1975 der Einstieg ner Linie gefunden, gebündelt aus den vier mit einem sportlichen Potenzial, das jeder- in die Welt von BMW mit dem Typ 316. In Modellreihen 3er, 5er, 6er und 7er, wobei zeit abrufbar war. der Größe vergleichbare Modelle aus Köln der wirtschaftliche Erfolg der 3er Reihe Zum anderen hatte man bei der Ent- oder Rüsselsheim waren schon für wenig dem Unternehmen die Offenheit und den wicklung der ersten 3er Reihe besonderes mehr als 10.000 D-Mark zu haben, und in Spielraum für Kreativität und Innovation Augenmerk auf das immer stärker ins Stuttgart gab es nichts Vergleichbares. gestattete, der die Attraktivität der Marke Blickfeld wandernde Thema der passiven Doch der sich bald abzeichnende enorme verkörpert. Sicherheit gelegt. Modernste EDV-Technik Erfolg dieser ersten 3er Reihe lässt sich nur Die zweite BMW 3er Reihe wurde intensiv genutzt, um schließlich weit zum Teil durch mangelnde Konkurrenz – Perfektion eines Konzepts mehr als die geforderten Standards bieten erklären. In zügiger Konsequenz erweiterte zu können. Noch nahm die zentrale Daten- BMW die neue, kleine Modellreihe. Ab Schon zwei Jahre nach der Geburt der ers- verarbeitung bei BMW eine riesige Halle im 1977 werteten Sechszylindermotoren und ten BMW 3er Modelle ging man daran, die Unterbau des 1972 eröffneten neuen Einspritzvarianten das Gesamterschei- zweite Generation zu konzipieren. Das Verwaltungsgebäudes ein. Heute würde nungsbild auf, und eine Kleinserie von wichtigste Ziel, das die Techniker und De- die Leistung dieses „Elektronengehirns“ Cabrio-Limousinen, „Topcabriolets“, ge- signer vor Augen hatten, war, die typischen ein normaler PC bewältigen. staltet und gebaut im BMW Auftrag von der Eigenschaften dieser Modellreihe weiter zu Im komfortbetont sachlich gestalteten renommierten Firma Baur bei Stuttgart und pflegen und herauszuarbeiten und gleich- Innenraum der ersten 3er Modelle stach verkauft über die BMW Handelsorgani- zeitig die Fahrleistungen zu steigern. Hinzu zudem ein Detail sofort ins Auge, das den sation, würzten diese erste 3er Reihe schon kam die grundlegende Entscheidung, der Interior-Stil von BMW künftig prägen sollte, mit dieser Mischung aus Exotik und Exklu- Limousine weitere Karosserievarianten zur das zum Fahrer hin orientierte Cockpit. Die- sivität, die sich auch bei der Gestaltung Seite zu stellen und so die Attraktivität der se asymmetrische Gestaltung erleichterte zahlreicher späterer Nischenmodelle als gesamten Modellreihe deutlich zu steigern. die mühelose Kontrolle und Handhabung außerordentlich reizvoll erweisen sollte. Da Markenidentität und Kontinuität bei der wichtigsten Bedieninstrumente und Als im Dezember 1983 die letzten BMW höher im Kurs standen als kurzlebige ließ den Fahrer auf einzigartige Weise mit Wagen der ersten BMW 3er Reihe von den modische Effekte, wirkte die zweite Ge- seinem Automobil verschmelzen. Bändern in München und Dingolfing roll- neration der 3er Reihe bei ihrem Debüt im Die Werbung bezeichnete die erste ten, konnte das Unternehmen wiederum November 1982 eher als Weiterentwick- BMW 3er Reihe unter anderem als „Ein eine Erfolgsbilanz ohne Beispiel ziehen. lung denn als Neukonstruktion, doch der neues Format für die Mittelklasse“, das Deutlich über 1,3 Millionen Modelle der Schein trog, denn die Modelle 316, 318i, man ganz gemäß dem individuellen Stil- BMW 3er Reihe fuhren in fast allen Ländern 320i und 323i waren rundherum neue empfinden gestalten konnte. Immerhin der Erde. BMW war zu einem Höhenflug Autos. Die Linienführung wirkte deutlich konnte der Kunde unter 18 Farbtönen gestartet und scheinbar durch nichts mehr gestrafft und geglättet, dezent hatte man wählen, von den zeittypischen Pop- und aufzuhalten. Innerhalb von nur fünf Jahren sich der aerodynamisch begründeten Schockfarben wie „Golf“ (gelb) und „Inka“ hatte man die gesamte Produktpalette voll- Keilform angenähert, der Luftwiderstands- (hellorange) bis zu gedeckten Tönen wie ständig mit hochmodernen und attraktiven beiwert konnte um rund 15 Prozent ge- „Pastellblau“ und „Fjordmetallic“. Modellen neu gestaltet. BMW hatte zu sei- senkt werden. Erstaunlicherweise war trotz

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längst typisch für die kleinen BMW Bau- Nun ging es Schlag auf Schlag: Ab Herbst reihen, verlassen musste. 1983 war die viertürige 3er Limousine lie- Bei der Motorisierung der zweiten ferbar, ab 1984 gab es auf Wunsch Kata- BMW 3er Reihe beschritt man zunächst lysatortechnik. Ein neu entwickelter 2,5- keine grundsätzlich neuen Wege, allein Liter-Motor bildete 1985 die Grundlage für dank der verbesserten Aerodynamik war vier neue Modelle. Im Frühling kam in schon das Basismodell, der BMW 316 Deutschland der 325e mit einem auf be- der zweiten Generation, jetzt rund 15 sonders hohen Wirkungsgrad ausgelegten km/h schneller als der erste 316. Die bei- Motor auf den Markt. Wenig später folgten den Sechszylinder wurden mit der neuen das neue Spitzenmodell 325i mit 171 PS Bosch LE-Jetronic ausgerüstet, arbeite- und die Variante 325i Cabrio, von BMW ten mit Schubabschaltung, reduzierter entwickelt und gebaut. Speziell das lang Leerlaufdrehzahl und höherer Verdich- ersehnte Cabrio wirkte gleichsam als tung. Das neue Spitzenmodell BMW 323i Initialzündung für die Erfolgsgeschichte leistete zunächst 139 und wenig später dieser Karosserieform bei BMW. Gleich- Links und oben: Die zweite Generation des 150 PS, genug, um in deutlich unter 10 zeitig präsentierte BMW mit dem Typ 324d BMW 3er überzeugte durch souveräne Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sein erstes Modell mit Dieselmotor in die- Kraftentfaltung und eine Modellpalette, die zu beschleunigen und locker die 200- ser Klasse, zwei Jahre nach dem Debüt der keine Wünsche offen ließ. km/h-Marke zu überschreiten – heute BMW Dieseltechnik in der 5er Reihe. Am bereits Selbstverständlichkeiten in dieser anderen Ende der Leistungsskala rangierte Klasse, Anfang der 80er Jahre jedoch noch ab dem gleichen Jahr der kompro- vergrößertem Innenraum die Außenlänge reine Sportwagen-Werte. misslos leistungsorientierte M3 mit 200 PS ein wenig verringert, und mit Hilfe der rasch In den folgenden Jahren setzte eine starkem Vierventil-Vierzylindermotor. fortschreitenden EDV-Technik war es geradezu explosionsartige Diversifikation in Fast noch sensationeller, wenn auch gleichzeitig gelungen, sogar das Gewicht dieser Baureihe ein, mit dem Ziel, alle nur weniger spektakulär, war die Präsenta- der neuen Modelle etwas zu senken. denkbaren Nischen in dieser Klasse mit tion des ersten BMW Personenwagens Die Grundauslegung der Karosserie einem attraktiven Modell der 3er Reihe aus- mit Allradantrieb, des Typs 325i Allrad, gestattete jetzt die Wahl zwischen einer zufüllen. Voraussetzung für diese aufwändi- wenig später in 325iX umbenannt, im zwei- und einer viertürigen Variante, und ge Entwicklungsarbeit waren natürlich Februar 1986. Seither steht der was das Fahrwerk betraf, so konnte man Erfolgsprognosen, und die neue 3er Reihe Buchstabe X bei BMW symbolhaft für ebenfalls von einer Neukonstruktion spre- schlug in der Tat ein wie noch keine BMW den Antrieb aller vier Räder. chen, obwohl man dem bewährten Kon- Modellreihe zuvor. Innerhalb kurzer Zeit Ab Modelljahr 1988 bot BMW die zept im Prinzip treu geblieben war. Insge- nach Serienanlauf musste die Produktion gesamte 3er Reihe serienmäßig mit KAT samt erreichte man ein noch sensibleres von täglich 800 auf circa 1.200 Einheiten an, und auf der IAA im Herbst konnte man und damit komfortableres Ansprechen der hochgefahren werden. Schon im ersten die dritte Karosserievariante bewundern, Federung, ohne dass man die sportlich vollen Produktionsjahr 1983 wurden über den ersten 3er Touring. Ob Limousine, straffe Gesamtauslegung, mittlerweile 200.000 neue 3er verkauft. Cabriolet oder Touring, im Laufe der Jahre

Die Dynamik des BMW 3er der dritten Generation überzeugte mehr Menschen als je zuvor von diesem Fahrzeugkonzept.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 21 Basis des Erfolgs: die BMW 3er Reihen

Mit der vierten Generation der BMW 3er Reihe erreichten Vielfalt und Individualität der Modellpalette neue Höhepunkte.

waren die BMW 3er Modelle mit einer Modellen zu einer neuen Linienführung Wie schon beim Vorgänger gingen zuerst Vielzahl von Benzin- und Dieselmotoren zu verholfen. Die 3er Limousine zeichnete vier Limousinen, 316i, 318i, 320i und haben, die jeden Wunsch in dieser Klasse sich ab 1990 durch eine von der tief anset- 325i, ins Rennen, alle mit Einspritzmo- abdeckten. Mit dieser zweiten BMW 3er zenden Front bis zum die Keilform der toren. Die beiden Sechszylinder wurden Reihe war dem Unternehmen ein beispiel- Silhouette betonenden, relativ hoch ange- von der neuen BMW Motorengeneration loser Produktionsrekord geglückt. dynamisch bewegt, die in der Die Wagen wurden jetzt an drei 5er Reihe debütiert hatte. Mit deutschen Standorten, München, BMW 3er Reihe: Immer neue Absatz- 192 PS gehörte der BMW 325i Dingolfing und Regensburg, ge- rekorde, immer mehr Varianten. zu den temperamentvollsten Au- baut. Bis zum Produktionsende tomobilen in dieser Klasse welt- des letzten Touring-Modells 1994 weit, und dabei floss weniger liefen dort und an mehreren Montage- setzten Heck organisch fließende, strö- Kraftstoff durch die Einspritzanlagen als standorten im Ausland über 2,3 Millionen mungsgünstige Form aus. Doch alle cha- bei den vergleichbaren, aber leistungs- BMW 3er vom Band. Doch zu diesem rakteristischen BMW Designelemente blie- schwächeren Vormodellen. Zeitpunkt fuhren längst schon Hundert- ben in neuer Interpretation erhalten. Im Noch in weit höherem Maße als bei tausende des Nachfolgemodells auf den Vergleich zum Vormodell hatte die neue der Vorgänger-Baureihe gestaltete sich Straßen der Welt. Baureihe E 36 innen wie außen deutlich an in den nächsten acht Jahren die Modell- Volumen gewonnen, wirkte aber innerhalb vielfalt der dritten 3er Reihe. Drei Diesel- Die dritte BMW 3er Reihe – ein neuer ihrer Klasse immer noch kompakt und motoren von 90 bis 143 PS und Benziner, Maßstab der Kompaktklasse dynamisch, wenn auch immer deutlicher die im neuen M3, der als Limousine, Prägend für diese vollkommen neue dritte komfortorientiert. In puncto passive Sicher- Coupé und Cabrio lieferbar war, am Ende Generation der BMW Erfolgslinie war Claus heit, Fahrzeugschutz und Fahrwerksqua- bis zu 321 PS bereitstellten, ließen keine Luthe, neuer Design-Chef in München. lität erreichten die neuen 3er wiederum Nische mehr unbesetzt. Und auch Luthe hatte bereits den 5er, 7er und 8er Bestwerte. Exterieur und Interieur konnten nicht nur

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serienmäßig, sondern zusätzlich noch Roadster Z3, der ausschließlich im Werk vielfältigen Einsatz modernster Elektronik. durch ein umfangreiches Individualpro- Spartanburg gebaut wurde und sich Die ersten fünf Modelle dieser 3er Gene- gramm jedem erdenklichen persönlichen längst zu einem der erfolgreichsten ration übertrafen wiederum ihre direkten Gestaltungswunsch angepasst werden. Sportwagen dieser Art entwickelt hatte. Vorläufer in allen wesentlichen kundenre- Ab Ende 1991 gab es erstmals ein levanten Punkten deutlich. Obwohl die Die vierte BMW 3er Reihe BMW Coupé in der 3er Reihe. Kein Motorleistung der vier Benziner gleich – Innovation in ihrer schönsten Form Karosserieteil entsprach bei diesem ele- blieb, verbesserten sich nicht nur die Fahr- ganten Zweitürer der Limousine, BMW Bereits im Mai 1998 war die vierte leistungen, sondern Agilität, Verbrauch hatte sich den Luxus gegönnt, eine völlig Generation der BMW 3er Reihe (E46) in und Umweltverträglichkeit. neue Linie zu zeichnen. Einen ganz neuen Serie gegangen. Den Kernwerten Dynamik, Alle Neuerungen und Modelle dieser Weg beschritt BMW innerhalb der 3er Innovation und Ästhetik blieb sie uneinge- Baureihe aufzuzählen und auch nur grob Reihe ab 1994 mit dem Compact, einem schränkt verpflichtet, die Außenmaße zu beschreiben, würde den Rahmen die- Einsteigermodell mit der Technik der wuchsen dabei moderat. Der Grundsatz ser Geschichte sprengen, nie zuvor hatte größeren 3er Modelle, aber eigenständiger „top down“, was bedeutet, dass für die es eine vielfältigere Modellreihe bei BMW Form in derArteinerFließhecklimousine Te chnik der mittleren und kleineren Bau- gegeben. Vom Touring-Modell mit dem mit um 22,5 cm kürzerer Karosserie. reihen immer die Topmodelle als Vorbild kleinsten Dieselmotor bis zum neuen M3 Zunächst ausschließlich mit Vierzylinder gelten, wurde bei der Entwicklung der mit 343 PS zeichnete dabei jedes Modell Benzin- und Dieselantrieb und ab 1997 als neuen Modelle besonders konsequent um- eine außerordentlich geglückte Kombi- 323i compact auch als Sechszylin- gesetzt. Somit hatte die neue Generation, nation aus Dynamik, Komfort und Kulti- dermodell erhältlich, bildete der 3er com- deren Äußeres höchst dynamisch die viertheit aus, die den BMW Slogan von pact für viele einen relativ kostengünstigen Gestaltungsphilosophie des neuen BMW der „Freude am Fahren“ mit erlebbarem Einstieg in die BMW Welt. Designers Chris Bangle verkörperte, we- Sinn füllte. Wieder einmal war es den Als diese dritte BMW 3er Reihe im sentliche Elemente des damals aktuellen Konstrukteuren und Designern gelun- Jahr 2000 auslief, war erneut ein Rekord BMW 7er in die Wiege gelegt bekommen. gen, neue Maßstäbe in einer Klasse zu zu verzeichnen. Diese bislang varianten- Sicht- und fühlbar wurde dies bei der Ab- setzen, die sich nur noch bedingt in eine reichste Baureihe war in rund 2,5 Millio- stimmung von Karosserie und Fahrwerk, Kategorie pressen lässt. Und entspre- nen Exemplaren entstanden. Auf ihrer der Ausstattung des Innenraums, dem chend hoch sind die Erwartungen an die Te chnik basierte zudem der neue BMW umfassenden Sicherheitskonzept und dem fünfte Generation.

Nahtlos knüpft der BMW 3er der fünften Generation im Jahre 2005 nun an die Erfolgsgeschichte seiner Vorgänger an.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 23 Die graue Eminenz Heinrich Krafft von Dellmensingen Zwei Jahrzehnte arbeitete Heinrich Krafft von Dellmensingen in verantwortlicher Position für BMW. Zunächst baute er ab 1940 ein Zentralsekretariat und die Rechtsabteilung auf. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg verantwortete er im Vorstandskollegium das Ressort „Allgemeine Verwaltung“.

Von Dr. Florian Triebel

Heinrich Krafft von Dellmensingen steht exemplarisch für mehrere In München eröffneten sich ihm hierfür einige Möglichkeiten. Die typische Phänomene bei BMW. Wie viele BMW Mitarbeiter war er Bayerischen Motoren Werke im Norden der Stadt waren eine gebürtiger Münchner und der Firma lange Jahre in unterschiedli- davon, und für einen jungen Juristen keine allzu schlechte. Die chen Funktionen verbunden. Ferner steht er für die „technokrati- Firma hatte in der Aufrüstungspolitik Deutschlands eine zentrale sche Elite“ innerhalb und außerhalb der Firma, die über den großen Stellung erlangt. Man produzierte als einziges Unternehmen in Bruch des Zweiten Weltkriegs hinweg ihren Dienst versah. Deutschland luftgekühlte Motoren für die im Aufbau befindlichen Unbeirrt von gesellschaftlichen und ideologischen Rahmenbedin- Luftstreitkräfte. Seit Mitte der 1930er Jahre waren neben dem gungen, hielten die Mitglieder dieser Elite ihren Aufgabenbereich Stammwerk in München und dem Automobilwerk in Eisenach funktionsfähig. Damit trugen sie mittelbar zur verbrecherischen zwei weitere Standorte hinzugekommen, die ausschließlich Flug- Politik der Nationalsozialisten bei, waren aber auch nach dem Sieg motoren in Großserie produzieren sollten: Allach bei München und der Alliierten die Träger des Wiederaufbaus in Deutschland. Dürrerhof bei Eisenach. Geboren am 19. Mai 1910, wuchs er in der bayerischen Lan- Diese neue Stellung und Dimension des Unternehmens erfor- deshauptstadt auf, besuchte das Wilhelms-Gymnasium in Schwa- derte nicht nur zusätzlichen technischen Sachverstand in Entwick- bing, wo er Ende der 20er Jahre das Abitur ablegte. Sein Jura- lung und Produktion, sondern auch in rechtlichen und kaufmänni- Studium begann er in Würzburg, wechselte aber zurück nach schen Fragen. Die rechtlichen Angelegenheiten waren von 1929 München an die Ludwigs-Maximilians-Universität und schloss hier bis 1934 bei Fritz Klopfer auf Vorstandsebene verankert gewesen. 1937 mit dem Assessor-Examen ab. Danach hatte sich BMW ausschließlich mit externem juristischem Krafft von Dellmensingen zog es nicht in die klassischen Be- Sachverstand beholfen. Die umfangreicheren Aufgaben durch die rufszweige für Juristen, er wollte weder Anwalt werden, noch als neue Dimension des Konzerns ließen es aber der Firma angeraten Staatsanwalt oder Richter in die staatliche Rechtspflege eintreten. erscheinen, das Justiziariat wieder intern zu besetzen. Ihn interessierte die praktische Anwendung der Juristerei in einem Krafft von Dellmensingen schien ideale Voraussetzungen Unternehmen. dafür mitzubringen. Da ihm jedoch direkt nach seinem Examen

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Links: Das Jubiläum zur Produktion des 50.000 Motorrads in der Nachkriegszeit am 4. Dezember 1951. Heinrich Krafft von Dellmen- singen (2. von links) feiert mit Vertriebsleiter Fritz Trötsch (ganz links), Kurt Donath (3. von links) und weiteren Führungskräften und Mitarbeitern von BMW. Rechts: Portrait Heinrich Krafft von Dellmen- singens aus dem Jahre 1955.

Verfassung des Konzerns erforderte eine Stärkung der zentralen Funktionen. Hierzu gehörte auch die Rechtsabteilung, der nun der gerade 30-jährige Krafft von Dellmen- singen vorstand. Neben dem reinen Justiz- iariat, also der Verantwortung für alle Rechtsfragen im Konzern, verantwortete er auch die Personalangelegenheiten der Führungskräfte, die Gruppe „Konzern-Sta- tistik“ sowie alle Versicherungsfragen im Konzern. Folgerichtig firmierte seine Abtei- lung im offiziellen Konzern-Organigramm auch als „Zentralsekretariat und Rechts- ihren Werken. Als Justiziar oblagen Krafft abteilung“. In dieser Eigenschaft erhielt von Dellmensingen die Verhandlungen mit Krafft von Dellmensingen bereits 1940 Firmen und Behörden für diese Verlage- noch die praktische Erfahrung fehlte, stellte Prokura für die BMW AG und 1942 den rungsaktivitäten. Nach seinen eigenen ihn BMW zum Jahresbeginn 1938 zu- Rang eines Direktors. Erinnerungen war er in dieser Kriegsphase nächst als kaufmännischen Volontär ein. viel unterwegs, um in weniger „luftgefähr- Die technokratische Elite Ähnlich wie heutige Trainees durchlief der deten“ Gebieten Ersatzflächen für die Volontär damals verschiedene Abteilungen In der zweiten Hälfte des Krieges erlangte BMW Produktion zu gewinnen. der Firma, um sich allgemein praktisches seine Funktion eine zentrale Rolle. Ab 1942 Er tat dies, nach eigenem Bekunden, kaufmännisches Wissen anzueignen. Der trugen die Alliierten den Krieg nach nicht aus ideologischer Überzeugung – er damalige kaufmännische Vorstand der Deutschland. Britische und amerikanische selbst stand dem Nationalsozialismus kri- BMW AG, Fritz Hille, bescheinigte knapp Streitkräfte nahmen strategisch wichtige tisch gegenüber. Doch gehörte es zu sei- zwei Jahre nach Krafft von Dellmensingens Ziele ins Visier, um die deutsche Kriegs- nem Aufgabenumfang, den er nach besten Eintritt gegenüber dem Aufsichtsratsvor- wirtschaft zu schwächen. Hierzu gehörte Kräften im Dienst seiner Firma erfüllen sitzenden dem „jungen Herren … Tüchtig- insbesondere die Rüstungsindustrie und wollte. Diese Einstellung ist typisch für die keit“ und umriss die Hoffnung, dass er und auch die Werke des Flugzeugzulieferers „technokratische Elite“ im nationalsozialis- ein Kollege in absehbarer Zeit so weit sein BMW. Unterstützt von den staatlichen tischen Deutschland. Viele der jüngeren würden, die Aufgaben eines Justiziars voll Behörden reagierte die Industrie mit Aus- Funktionsträger waren keine überzeugten zu übernehmen. lagerungen von Teilen der Produktion aus Nationalsozialisten. Sie versuchten, auch Obwohl Hille in dieser Notiz vom aus Karrieregründen, auf ihrem November 1939 noch einen Zeitraum von Posten das Bestmögliche zu leisten zwei bis drei Jahren angegeben hatte, und überblickten nicht immer, dass übernahm der junge Jurist das Amt deut- sie damit das verbrecherische Han- lich früher. Bereits nach Ende des deln des Regimes unterstützten. Volontariats 1940 wurde Krafft von Aus diesem technokratischen Dellmensingen die Leitung der Rechtsab- Verständnis seiner Rolle als Ange- teilung übertragen. Dies war notwendig stellter verblieb Krafft von Dell- geworden, da der BMW Konzern eine neue mensingen auch über den Zusam- „Organverfassung“ erhalten hatte. Diese menbruch des nationalsozialis- im Oktober 1940 verabschiedete Grund- tischen Regimes hinaus im Dienst. ordnung für BMW sah vor, dass rückwir- Zunächst war sicherzustellen, dass kend zum 1. Januar 1940 die Tochter- BMW wieder eine handlungsfähige gesellschaften enger an die AG gebunden Werksleitung erhielt. Der von den werden und in einem Gewinnabführungs- vertrag die Jahresergebnisse sämtlicher Heinrich Krafft von Dellmensingen sam- To c h t e rg e s ellschaften auf die Mutter- melt am Münchner Karlsplatz für das gesellschaft übergehen sollten. Die neue Winterhilfswerk der NSDAP (um 1940).

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 25 Die graue Eminenz – Heinrich Krafft von Dellmensingen

Links: Zu den Aufgaben Heinrich Krafft von Dellmensingens gehörte auch die Freisprechung der Lehrlinge nach bestandener Gehilfenprüfung (1952). Rechts: BMW Führungskräfte Anfang der 50er Jahre. Von links nach rechts: Heinrich Krafft von Dellmensingen, Harald Wolf, Ludwig Kermer, Kurt Donath, Hans Seyfried.

Alliierten eingesetzte Generaltreuhänder stehen zu lassen. Um dies zu erreichen, Produkte, erfüllten aber ihren Zweck: die für BMW, Karl Hencky, sah in Krafft von mussten nicht nur die verbliebenen qualifi- Maschinen zu erhalten und die Fachar- Dellmensingen und Kurt Donath (vgl. zierten Arbeitskräfte in der Firma gehalten beiter zu beschäftigen. Während Kurt MTL 02/2004) die geeigneten Füh- werden, sondern auch die für einen Donath hierbei den produktionstechni- rungskräfte, die unmittelbar anstehen- Wiederaufbau benötigten Maschinen der schen Part verantwortete, übernahm Krafft den Arbeiten zu leiten. Während der Produktion. Es mussten also möglichst von Dellmensingen mit Beginn der „Not- Milbertshofener Werksleiter Donath die viele Werkzeuge den Demontagen entzo- produktion“ zusätzlich den kaufmänni- technischen Belange übernahm, verant- gen werden. Dies gelang, indem die schen Bereich. wortete Krafft von Dellmensingen in die- Werksleitung Reparaturaufträge für die Mit der Wiederaufnahme der BMW ser provisorischen Werksleitung die dar- amerikanischen Besatzungstruppen ent- Motorradproduktion im Jahr 1948 musste über hinaus gehenden Verwaltungs- gegennahm. Zugleich konnten Krafft von die bis dahin „provisorisch“ agierende Kon- aufgaben. Erst einmal galt es, die von den Dellmensingen und Donath eine erste zernleitung auf ein solideres Fundament Alliierten als Reparationen angeordneten Produktionsgenehmigung für Güter des gestellt werden. Mit Hanns Grewenig (vgl. Demontagen abzuwickeln. zivilen Bedarfs erwirken. Die zunächst von MTL 03/2004) trat ein zusätzlicher Vor- Neben dieser Aufgabe sah die provisori- BMW hergestellten Kochtöpfe, Teigrühr- stand ein, der den kaufmännischen Bereich sche Konzernführung die Chance, die maschinen und Landwirtschaftsgeräte wa- verantwortete. Krafft von Dellmensingen Bayerischen Motoren Werke wiederaufer- ren zwar nicht gerade „BMW typische“ blieb zunächst stellvertretendes Vorstands-

Übergabe des symbolischen Schlüssels für das Werk Allach durch den amerikanischen Kommandanten des „Karlsfeld Ordnance Depots“ an die BMW Delegation am 1. Juli 1955. Heinrich Krafft von Dellmensingen steht neben dem Kommandanten.

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mitglied, verantwortlich für die allgemeinen Verwaltungsaufgaben. Ab 1956 ernannte ihn der Aufsichtsrat zum ordentlichen Vorstandsmitglied in der beibehaltenen Dreierkonstellation mit Grewenig und Donath. Krafft von Dellmensingen verantwortete neben der Rechts- und Grundstücksabteilung nun die Patent- abteilung und das Personalwesen des Konzerns. Ferner lagen in seinem Verantwortungsbereich noch kleinere zusätzliche Ver- waltungsbereiche, beispielsweise das Sozialwesen und der Fuhr- park. Diesen Funktionsbereich behielt er bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden im August 1960. Große Aufgaben in der Zeit des Wiederaufbaus Krafft von Dellmensingen verantwortete somit während der für BMW ereignisreichen und turbulenten 50er Jahre die gesamte in- nere Verwaltung der Firma. In sein Aufgabengebiet fielen auch die juristischen Belange der Wiedereingliederung des Werks Allach 1955, nachdem die Amerikaner ihren dortigen Reparaturbetrieb eingestellt hatten. Er leitete auch die Verhandlungen zum Verkauf des Nordteils des Allacher Werksgeländes an die MAN AG. Am 14. Dezember 1948 wird das erste produzierte Motorrad der Gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Grewenig führte Nachkriegsgeschichte an BMW Werksangehörige verlost. Heinrich Krafft von Dellmensingen die Gespräche mit den Behörden für die Krafft von Dellmensingen öffnet die Lostrommel, um den glücklichen Aufbaufinanzierung auf Bundes- und Landesebene. Sie warben Gewinner zu ziehen. dort schließlich erfolgreich um Kredite, um die für die Aufnahme der Fahrzeugproduktion notwendigen Investitionen im Stamm- Wogen zu glätten und in schwierigen Fragen zu vermitteln und werk Milbertshofen finanzieren zu können. Konsens in den Leitungsgremien herzustellen. Ferner oblag Krafft von Dellmensingen mit dem Personal- Die Krise des Motorradmarktes und die deutlich überschätz- wesen ein äußerst kritischer Aufgabenbereich dieser Jahre. In ten Erwartungen in das zunächst von BMW aufgelegte Großwa- den ersten Aufbaujahren galt es, die Belegschaftsmitglieder für genprogramm ließen Umsatz und Erträge des Unternehmens ein- die Firma zu halten, nach Aufnahme der Motorrad- und brechen. Der Aufsichtsrat reagierte und löste zum Jahresbeginn Automobilfertigung mussten zusätzlich geeignete Facharbeiter 1957 die Verträge der beiden Vorstandsmitglieder Donath und angeworben werden. Als die „Motorradkrise“ Mitte der 50er Grewenig. Mit dem als Sanierungs-Experten verpflichteten Jahre die Absatzzahlen einbrechen ließ, waren Entlassungen Heinrich Richter-Brohm erhielt der BMW Vorstand erstmals seit unvermeidlich. Dennoch gelang es, mit der Aufnahme der 1945 wieder einen alleinigen Vorsitzenden. Isetta-Produktion einen großen Teil der Facharbeiter aus dem Krafft von Dellmensingen blieb somit als einziges Mitglied des Motorradbereich dort unterzubringen und für das Unternehmen Führungsgremiums aus den Aufbaujahren im Amt. Nach wie vor zu halten. Die von der Zweiradfertigung umgeschulten Be- leitete er sein Ressort während der Krisenjahre von BMW, die in der legschaftsmitglieder erwarben bei der Produktion des mit einem denkwürdigen Hauptversammlung vom 9. Dezember 1959 gipfel- BMW Motorradmotor ausgerüsteten „Motocoupés“ Quali- ten. Nachdem der Aufsichtsrat Richter-Brohm in seiner ersten fikationen und Know-how des Automobilbaues. Dies ermöglich- Sitzung nach der Hauptversammlung aufgrund der Ereignisse von te es dem Unternehmen, diese an der seinen Aufgaben entbunden hatte, gab es Isetta geschulten Arbeiter in den 60er noch einmal eine kurze Phase im Vorstand Jahren in der aufstrebenden Fertigung ohne Vorsitzenden. Die verbliebenen der „Neuen Klasse“ einzusetzen. Das Mitglieder des Gremiums, Ernst Kämpfer, Personalwesen unter Krafft von Dell- Ernst Hof und eben Krafft von Dellmen- mensingen spielte bei dieser Personal- singen, sollten das Unternehmen erneut umschichtung und -qualifizierung eine nach dem „Kollegialprinzip“ führen. wichtige Rolle. Nachdem sich eine tragfähige Sanie- Seine langjährigen Erfahrungen bei rungslösung für das Unternehmen unter BMW, seine wichtigen Funktionen und dem Patronat Herbert Quandts abzeich- seine Persönlichkeit machten Krafft von nete, suchte Krafft von Dellmensingen Dellmensingen zudem zu einer zentralen nach mehr als 20 Jahren BMW eine neue Figur im Hintergrund des Unternehmens. Herausforderung. Er verließ das Unter- Er verhandelte nicht nur im Auftrag der nehmen und war nach 1960 in verschiede- Firma mit Behörden, Firmen und Koopera- nen Positionen für die Familie Krupp von tionspartnern, sondern hielt auch im Vor- Bohlen und Halbach tätig. Heinrich Krafft stand den engsten Kontakt zum Auf- von Dellmensingen starb kurz vor seinem 25-jähriges Dienstjubiläum des Entwicklungs- sichtsrat. Dabei gelang es ihm in den unru- leiters Alfred Böning am 15.11.1956. Heinrich 90. Geburtstag in seiner Geburtsstadt higen 50er Jahren nicht nur einmal, Krafft von Dellmensingen gratuliert dem Jubilar. München.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 27 BMW LS Coupé – Endpunkt einer Ära

Wenn es um die Konzernmarke BMW geht, ist der Begriff „Kleinwagen“ heute schon seit 40 Jahren nicht mehr aktuell. BMW ist Premium-Anbieter von kultivierten und dynamischen Automobilen der internationalen Spitzenklasse. Nur Freunden klassischer Fahrzeuge fällt bei diesen drei Buchstaben spontan die Isetta ein – mehr nicht. Dennoch hat die Kategorie der kleinsten Automobile in der Geschichte der Bayerischen Motoren Werke von den 20er bis zu den 60er Jahren eine sehr wichtige Rolle gespielt und liebenswerte wie interessante Produkte hervorgebracht.

Von Walter Zeichner

Schon im Jahr 1929, am Anfang der chen durch, nicht zuletzt wegen seiner für 1955, das gute Nachkriegsgeschäft mit BMWAutomobilgeschichte, steht mit damalige Zeiten innovativen Ganzstahl- den Motorrädern ließ nach, adaptierte dem Typ 3/15 PS, zumeist „Dixi“ gerufen, Karosserie. Es folgten „richtige“ Autos mit BMW die geniale Idee der Isetta aus ein typischer Kleinwagen. Trotz schlechter Sechszylindermotoren, die den internatio- Italien und machte aus dieser Idee einen Zeiten setzte sich das 15 PS starke Wägel- nalen Ruf der Marke begründeten. für die Bedürfnisse von Tausenden von

Seite 28 Pressefoto des BMW LS Coupé vor Schloss Nymphenburg in München.

Der letzte Kleinwagen von BMW

Zum Frühjahr 1962 wurde die Baureihe grundlegend aufgewertet. Der Radstand der Limousine wuchs um 16, die Gesamt- länge um 32 Zentimeter. Selbst die Typenbezeichnung BMW 700 wurde fal- lengelassen. Schlicht BMW LS hießen jetzt die kleinen Viersitzer, die es in einer Standard- und einer Luxusvariante gab. Ursprüngliche Idee war es gewesen, die- sen Typ mit einem kleinen Vierzylinder- motor im Heck auszurüsten, doch ange- sichts des allgemeinen Trends zum größeren Auto und dem sich anbahnen- den Erfolg des neuen BMW Mittelklasse- modells 1500 ließ man von diesem Konzept ab und beschloss, sich mittelfris- tig aus dem Segment der Kleinwagen zu verabschieden. Weitergebaut wurde ebenfalls noch das BMW 700 Coupé, allerdings mit dem kurzen Radstand, wie seit 1959, und 32- oder 40-PS-Motoren zur Wahl. Noch bis zum Mai 1964 blieb der kleine 2+2-Sitzer mit dem kurzen Radstand in Produktion, der nebenbei die Rennsportgeschichte von BMW um ein weiteres, höchst erfolg- reiches Kapitel fortgeschrieben hatte. Um noch vorhandene Teile aufzubrauchen, entschloss man sich bei BMW, diesem „Kurzheck-Coupé“ noch eine Langver- sion mit dem Radstand des LS folgen zu lassen. Allerdings sollten sich die Auf- wendungen für diese letzte Variante der BMW Kleinwagengeschichte in engen, vertretbaren Grenzen halten. Umsteigern perfekt zugeschnittenen, der Käufer, die sich zwar nur einen Wieder einmal wurde die erfahrene wettergeschützten Kleinwagen. Viele Kleinwagen leisten konnten, aber sich mit Karosseriebaufirma Baur in Stuttgart BMW Autofahrer entdeckten ihre Liebe einem BMW von der Masse abheben woll- damit beauftragt, eine praktikable Lösung zur Marke mit diesem originellen Vehikel. ten. Trotz lediglich zwei Zylindern waren zu erarbeiten – auch das bildhübsche Das Wirtschaftswunder sorgte in diese Modelle in der Preisklasse des BMW 700 Cabrio war ein Resultat der jenen Jahren für rasanten wirtschaftli- wesentlich geräumigeren Volkswagen schwäbischen Fachleute gewesen. Doch chen Aufschwung, und bald genügte Käfer mit Vierzylindermotor angesiedelt. war die Aufgabe hier ungleich schwieri- auch die Isetta nicht mehr als automobile Doch die kleinen BMW waren chic und ger. Aus Kostengründen musste nicht nur Basisausrüstung. BMW brachte 1957 verfügten über jenen Schuss an Sport- das „Glashaus“, also der Scheiben- und den Typ 600, die „große Isetta“, eine lichkeit, den man von der Marke erwartete. Dachbereich des kurzen Coupés über- Mischung aus Kleinwagen und Groß- Die gesamte Baureihe, bis 1965 in nommen werden, sondern auch der raumlimousine, voller origineller Ideen, Produktion, wurde mit 188.121 Wagen Vorderwagen einschließlich der Türen aber ohne Prestigewert und für das die bis dahin erfolgreichste in der BMW blieb unantastbar. Den hinteren Teil der anspruchsvollere Publikum ohne Reiz. Geschichte. Es gab sie ausschließlich mit Karosserie übernahm man von der LS 1959 folgte schließlich der Typ 700. dem aus dem Motorradbau abgeleiteten Limousine und stand nun vor dem Di- Kleine Limousinen und Coupés im klassi- Boxermotor mit rund 700 ccm und 30, 32 lemma, die ganze gewachsene Länge auf schen Stufenheckdesign mit italieni- oder 40 PS Leistung, und selbst ein dem flossenbewehrten Heck konzentrie- schem Flair – ein Volltreffer in der Gunst Cabrio war ab 1961 lieferbar. ren zu müssen. Dies führte zwar zu einer

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 29 Endpunkt einer Ära: Das BMW LS Coupé

Zweizylinder-Boxermotor vorragenden, sportlich ausgelegten Fahrwerks und eines immer noch sehr geringen Gewichts von lediglich 680 Kilogramm lud es wie seine Vorgänger zu einer recht sportlichen Gangart ein. Nach Tacho lief das LS Coupé 140 Stundenkilometer und beschleunigte in knapp 20 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, Werte die für einen Klein- wagen Mitte der 60er Jahre immer noch durchaus beachtlich waren. Der Zweizylinder-Boxermotor mit zwei Obwohl sich auch die sehr erfolgrei- Vergasern leistete 40 PS und sorgte bei che Renngeschichte der BMW 700 den leichten BMW Coupés für sportliche Reihe nun unaufhaltsam dem Ende zu- Fortbewegung. neigte, tauchte das „Langheck-Coupé“ sogar noch bei einigen Motorsportveran- staltungen mit eher regionalem Charak- auffallenden und unverwechselbaren Reaktionen auf das neue Modell waren terauf, ohne allerdings an die Triumphe Silhouette, entbehrte jedoch einer gewis- eher verhalten, zu deutlich waren die der Sport-Coupés mit kurzem Radstand sen Harmonie. Trotzdem entschloss man Zugeständnisse, die man in stilistischer anknüpfen zu können. sich, das neue Coupé in dieser Form auf Hinsicht hatte machen müssen. Eine riesi- Nach nur einem Jahr Produktion den Markt zu bringen. ge, gewölbte Heckscheibe versuchte den wurde das LS Coupé im September 1965 Durch die verlängerte Karosserie und deutlich gewachsenen Raum zwischen vom Band genommen, zeitgleich mit der eine deutlich luxuriösere Innenausstat- hinterem Dachabschluss und Motor- glanzvollen Präsentation des neuen BMW tung stieg das Gewicht des kleinen deckel zu überbrücken, und großzügige Coupés der oberen Mittelklasse, dem Coupés um annähernd 50 kg, was die Chromapplikationen an Heckabschluss ausschließliche Verwendung des 40-PS- und Lüftungsgrill versuchten das Modell Sportmotors mit Zweivergaser-Anlage zusätzlich aufzuwerten. notwendig machte. Bequemere Sitze mit Zielgruppe Frau Kunstledereinfassung und Stoff-Mittelteil, ein Armaturenbrett mit einer Verkleidung Hier eine Passage aus dem originalen aus Holzimitat und eine komplette Pressetext für das BMW LS Coupé von Te ppichverkleidung des Bodens verän- Ende September 1964: „…Mit dem neuen derten den Charakter des verlängerten LS Coupé, als sportliche Version, wird das BMW Coupés deutlich in Richtung Programm der 700 Klasse abgerundet. In Komfort und Luxus – den Preis setzte man seiner schnittigen Form und der zweck- mit 5.850 Mark genauso hoch an wie beim mäßigen, eleganten Innenausstattung puristischeren Vormodell 700 CS. präsentiert sich das formschöne Coupé, Angepasst an die Bezeichnung der dessen Serienfertigung jetzt angelaufen längeren Limousinen, erschien das verlän- ist, mit allen Merkmalen des bewährten LS gerte Coupé unter der Bezeichnung BMW Luxus. Es ist ein Wagen, an dem auch LS Coupé im September 1964. Die besonders die Frau Freude empfindet. Er sieht gut aus, ist bequem und komforta- bel, von Frauenhand leicht und mühelos zu lenken…“ Was die Farbgestaltung des BMW LS Coupés betraf, so wurden die Töne Crème, Bordeauxrot, Guayanablau und Fjordgrau am meisten geordert, wenige Wagen wurden auch in einigen anderen Farben wie Florida oder gegen Ende der Produktion Chamonixweiß ausgeführt. Andererseits hatte das LS Coupé durchaus Charakter, wenn auch eher spröde als gefällig. Aufgrund des her-

Eine der wenigen Werbeanzeigen für das sel- tene BMW LS Coupé von 1964.

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Armaturenbrett mit Holzimitat und reichlich Chrom im Stil der 60er Jahre.

Modell 2000 CS mit moderner Karosserie damit die seltenste Karosserievariante Wagen, ein bordeauxrotes Exemplar mit von Karmann in Osnabrück und seiden- der gesamten Baureihe 107, die alle der Fahrgestellnummer 181730, ging im weich laufendem Einspritzmotor mit 120 BMW Kleinwagen mit 700-ccm-Motor September 1965 nach Holland. PS. Gleichsam als Symbol einer vollkom- bezeichnete. Dieser BMW gehört zu den Automo- menen Neuausrichtung endete damit Von Anfang an wurde fast die Hälfte bilen der jüngeren Vergangenheit, die eine Ära in der BMW Automobilge- der Produktion ins Ausland geliefert, vor heute fast schon vergessen sind, nur schichte, die sich fortan ausschließlich an allem nach Belgien und nach den Nie- wenigen Spezialisten ist das LS Coupé höchsten Ansprüchen orientierte. derlanden, aber auch in Frankreich und bekannt, und kaum mehr als zwei Italien fand das ungewöhnliche kleine Dutzend Exemplare dürften die 40 Jahre Heute fast in Vergessenheit Coupé seine Liebhaber – ein Exemplar überlebt haben, die seit Erscheinen die- Vom BMW LS Coupé wurden insgesamt des LS Coupés wurde sogar nach Sao ses ungewöhnlichen Automobils ver- lediglich 1.730 Exemplare gebaut. Es ist Paulo in Brasilien verschifft. Der letzte gangen sind.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 31 Andrang bei der Nacht der Museen

Die „Lange Nacht der Münchner Museen“ ist mittlerweile eine feste Institution im Kulturleben der bayerischen Hauptstadt. Im Jahr 2004 konnten die Besucher im BMW Museum am BMW Night Race teilnehmen – einer Jagd nach Punkten für die Bewältigung verschiedener Aufgaben rund um das Thema BMW und seine Historie.

Am Samstag, den 16.10.2004, war wie- Tradition der Start zur „Langen Nacht der Münch- nicht nur zu ner Museen“. In diesem Jahr hatten sehen, son- bereits zum 16. Mal rund 75 Münchner dern auch Museen, Institutionen und Galerien zu erlebbar. einem Kunstbummel zur späten Stunde Von den ersten Höhenflügen mit eingeladen. Natürlich standen auch im BMW Flugmotoren über Ernst Hennes Gewinn der Formel-1-Welt- BMW Museum den nächtlichen Besu- Rekordfahrten bis zur Formel 1 reicht die meisterschaft 1983 mit dem BT 52 oder chern wieder von 19:00 bis 02:00 Uhr Palette spannender Entwicklungen. den ungezählten Erfolgen im Touren- morgens die Türen offen: in diesem Jahr Schon mit dem ersten gefertigten wagensport. unter dem Motto „BMW Night Race“. Automobil schrieb BMW Rennsport- Eine rasante Fahrt durch die BMW Vom Dixi bis zum M1 – dazwischen liegt geschichte: 1929 gewannen drei BMW Geschichte konnten die Teilnehmer der nicht nur eine große Anzahl von motor- 3/15 PS die „Internationale Alpenfahrt“. „Langen Nacht der Münchner Museen“ sportlichen Erfolgen. In der Geschichte Seit dieser Zeit setzen BMW Automobile selbst gestalten. An verschiedenen Sta- des Motorsports haben die Bayerischen regelmäßig Meilensteine im Rennsport, tionen vorbei, die speziell für diesen Abend Motoren Werke viele packende Kapitel ob mit dem Sieg bei der legendären „Mille aufgebaut wurden, führte das nächtliche mitgeschrieben. In der BMW Museums- Miglia“ 1940, mit dem unvergessenen Rennen die Besucher durch das BMW ausstellung am Olympiaturm ist diese BMW M1 der Procar Rennserie, dem Museum. Aufgaben und Fragen rund ums Jubiläum „75 Jahre BMW Automobile“ galt es dabei zu lösen: Wichtige Infor- Eine Fahrt im historischen BMW 3/15 PS winkte den Gewinnern beim Night Race ebenso wie im BMW M1 oder im „Barockengel“ aus den 50ern. Drinnen sorgte die Band für gute Stimmung. mationen, die der 20-minütige Film „Der Scheunenfund“ vermittelt, mussten selek- tiert werden, BMW Fahrzeuge en miniatu- re genau bezeichnet und die korrekte Modellbezeichnung gefunden werden. Zeichenkunst war gefragt an der Station Fahrzeugdesign: Wer das erste BMW Automobil, den BMW 3/15 PS, möglichst genau nachzeichnen konnte, erhielt dafür eine hohe Punktezahl.

Seite 32 BMW Group Mobile Tradition: Events

Station Reifenwechsel in der Boxengasse: Wer geschickt Hand anlegte, konnte hier eine Menge Punkte sammeln.

Das Thema Rennsport war in dieser Besucher mit den besten Ergebnissen „Mit uns läuft die Geschichte“ an diesem Nacht ganz groß geschrieben: Die Be- wartete etwas ganz Besonderes: Für sie Abend deutlich in dem Konzept jeder sucher konnten einen Spezialisten der standen Mitarbeiter der BMW Mobile Station wider. Es zeigte sich, dass die BMW Mobile Tradition zu den ausge- Tradition München am Eingang bereit, Faszination, die die Exponate an sich stellten Exponaten und der Rennsport- um sie im BMW Oldtimer durchs nächtli- schon ausstrahlen, durch das aktive geschichte interviewen. Darüber hinaus che München zu chauffieren. Die Erleben jedes Einzelnen noch deutlich galt es beim Reifenwechseln in der Bo- Gewinner konnten sich entscheiden, ob verstärkt wurde. xengasse zu punkten. Hier war Schnel- sie diese Spritztour mit ligkeit gefragt, um das Punktekonto zu dem so genannten Dixi, erhöhen. dem Barockengel BMW Beim Alkoholtest, der den Gästen 501 aus den 50er Jah- vom wohl beliebtesten Münchner Poli- ren, dem Kultfahrzeug zisten, Gerd Milmer, abgenommen BMW 2002 oder dem wurde, gab es die meisten Punkte na- sportlichen BMW M1 türlich nicht für den, der die höchsten unternehmen wollten. Promille nachweisen konnte, sondern Die Begeisterung für denjenigen, der sich selbst am aller Night Race-Teilneh- besten einschätzte. mer hat gezeigt, dass die Werbei dem Race durchs BMW Produkt-, Marken- und Museum viele Bonuspunkte gesammelt Unternehmensgeschich- hatte, durfte sich auf tolle Preise freuen. te auf unterschiedliche Es gab historische Modellautos, Acces- Weise lebendig gehalten soires, Poster, Publikationen und vieles und erlebbar gemacht mehr zu gewinnen. Als F1-Pilot in werden kann. So spie- Formel-1-Feeling beim „Siegerfoto“ mit dem echten Siegerpose konnte man sich am echten gelte sich das Motto der Rennboliden zur Erinnerung an das „BMW Night Race“. F1-Wagen ablichten lassen. Auf die BMW Mobile Tradition

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 33 Eine Sternstunde der BMW Rennsportgeschichte Mille Miglia 1940

Der Gesamtsieg bei dem legendären italienischen Straßenrennen vor65 Jahren giltals das bedeutendste Ereignis derVorkriegs-Renn- geschichte bei BMW. Nie zuvor waren bei Sportwagenrennen so phänomenale Geschwindigkeiten erreicht worden.

Von Hagen Nyncke

Frühjahr 1940: In Europa ist Krieg – doch wiederaufleben zu lassen. Zuletzt hatte sie Publikums, denn früher sah man die Wagen kaum einer merkt etwas davon. Seit dem 1938 auf dem traditionellen Kurs in Form immer nur ein einziges Mal vorbeifahren. Fall von Warschau ist es kaum zu Kampf- einer Acht, von Brescia durch ganz Der neue Kurs war längst nicht mehr so handlungen gekommen. Das Leben geht Oberitalien bis Rom und zurück, stattge- spektakulär wie der alte mit seinen engen seinen normalen Gang, trotz Lebensmittel- funden. Aufgrund der hohen Zahl von Ortsdurchfahrten oder den kurvenreichen marken, Verdunkelung und probeweisem Opfern unter den Zuschauern war ihre wei- Straßen durch den Appenin. Er verlief in Fliegeralarm. An der Maginot-Linie liegen tere Durchführung aber untersagt worden. topfebener Landschaft auf zumeist gut sich deutsche und französische Soldaten in Das ein Jahr darauf quasi als Ersatz- ausgebauten Straßen mit vielen unendlich Lauerstellung gegenüber. Die Franzosen veranstaltung abgehaltene 1.000-Meilen- langen Geraden, die einen hohen Durch- können diesem „drôle de guerre“ sogar Rennen von Tobruk durch die lybische schnitt erwarten ließen. Anknüpfend an die eine komische Seite abgewinnen und Wüste bis Tripolis hatte international kei- Tradition trug das Rennen nun den Namen beschallen über große Lautsprecher die nen großen Anklang gefunden. Jetzt sollte „I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia“. deutschen Linien mit Edith Piaf. Die das Rennen wieder auf italienischem Auch in der Rennabteilung des Deutschen antworten mit Marschmusik. Boden stattfinden. Doch nicht mehr auf der Münchner BMW-Werkes wurde fieberhaft In Italien hat man anscheinend noch ursprünglichen Route, sondern auf einem gearbeitet, denn man wollte auf jeden Fall weniger Sorgen und ist vollauf damit be- 167 km langen Dreieckskurs zwischen bei diesem Rennen dabei sein. Schon schäftigt, eine der großartigsten Rennver- Brescia, Cremona und Mantua, der dafür 1938 konnten die BMW 328 einen deutli- anstaltungen, die legendäre „Mille Miglia“, neunmal zu fahren war, sehr zur Freude des chen Klassensieg erringen. Der englische

Links: In Reih und Glied – die drei Roadster der NSKK-Mannschaft. Mitte: Großes Staunen auf der Piazza della Vittoria, solche BMW Sportwagen hatte man noch nie gesehen. Rechts: Letzte Handgriffe vor dem Start.

Seite 34 Training unter italienischer Sonne. Bei jedem Halt liefen die Schaulustigen zusammen.

Spitzenfahrer A.F.P. Fane konnte gegen Stand den Eindruck von Dynamik und Ge- Gut einen Monat später sollte sich zeigen, die weitaus stärkeren Konkurrenten im- schwindigkeit vermittelte. Da der Termin ob die gewählte Strategie erfolgreich sein merhin einen respektablen 8. Platz in der für das Rennen immer näherrückte und würde. In den letzten drei Tagen vor dem Gesamtwertung erzielen. 1939 beim man in der kleinen Münchner Rennabtei- großen Rennen versammelten sich die Wüstenrennen in der italienischen Kolonie lung unter Zeitdruck geriet, ließ man die Te i l n e h mer mit ihren Rennfahrzeugen zur Lybien war Willi Briem als schnellster der bereits fertigen Gitterrohrrahmen für zwei Abnahme auf der Piazza della Vittoria im 2-Liter-Klasse mit dem BMW 328 nur weitere Roadster durch die routinierten Herzen Brescias. Ungewohnt war, dass knapp hinter dem Gesamtsieger ins Ziel Karosseriebauer bei Touring in Mailand die fünf deutschen BMW Wagen mit sil- gekommen. komplettieren. berner Lackierung präsentiert wurden. Für 1940 ging man aufs Ganze. Im März 1940 begann die general- Eigentlich war die deutsche Rennfarbe Schon seit Monaten arbeitete man inten- stabsmäßige Planung des deutschen Ein- Weiß, doch hatte man bei den Grand-Prix- siv an der Weiterentwicklung des bewähr- satzes. Mit den zwei Coupés ten Sportwagens. Zwei Rennlimousinen und dem ersten Roadster war mit stromlinienförmigen Aufbauten stan- Rennleiter Ernst Loof mit Die Überlegenheit der BMW 328 den bereits zur Verfügung: das werkseige- einer Gruppe Fahrern in Ita- war beeindruckend. ne Kamm-Coupé, das umfangreiche lien, um die Strecke kennen Te s t fa hrten auf der Autobahn absolviert zu lernen, eine Rennstrategie hatte, und das von Touring karossierte auszutüfteln und die Anlage der Depots zu Fahrzeugen der Auto-Union und Merce- Coupé der Obersten Nationalen Sport- organisieren. Bei einem durchschnitt- des seit 1934 Silber als Farbe benutzt. behörde ONS, das seine Tauglichkeit mit lichen Verbrauch von 20 Litern auf 100 km Dadurch entstand im allgemeinen einem Klassensieg beim 24-Stunden- teilte man die Gesamtstrecke in drei Sprachgebrauch der Begriff „Silber- Rennen in Le Mans bereits eindrücklich Abschnitte zu je 500 km, so dass sich die pfeile“, der in kürzester Zeit zum Inbegriff unter Beweis gestellt hatte. ideale Lage für ein Depot in der Ortschaft der Unbesiegbarkeit wurde. Erstmals tra- Doch auch bei den offenen Fahrzeu- Castiglione, 25 km vor Brescia, anbot. Hier ten nun auch die Sportwagen in der geän- gen hatte es deutliche Fortschritte gege- war für Benzin und Öl gesorgt, Loof konn- derten Landesfarbe an. Dominiert wurde ben. Unter der Leitung von Wilhelm Me- te von hier aus seinen Fahrern die notwen- das Starterfeld traditionsgemäß von den yerhuber war in der Münchner Abteilung digen Anweisungen geben. Der Reifen- „Roten“. 70 italienische Fahrerteams auf „Künstlerische Gestaltung“ ein erster hersteller Continental schickte mit Meister italienischen Wagen der Fabrikate Fiat, Stromlinien-Roadster entstanden, des- Dietrich seinen erfahrensten Spezialisten Lancia und Alfa Romeo waren erschie- sen schwungvolle Karosserie schon im zur Betreuung. nen. Zwei „blaue“ Fahrzeuge des franzö-

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 35 Hans Wencher und Rudolf Scholz im „Bügelfalten“-Roadster in scharfer Fahrt durch eine der wenigen engen Kurven.

sischen Herstellers Delage kamen zwar Bäumer hatte sich die gesamten 30er Alfa-Romeo-Mannschaft ausging). Um die auch zum Einsatz, ihre Fahrer waren aber Jahre hindurch als einer der besten deut- zu erwartende Schmach für die Italiener ebenfalls Italiener. Neben den Deutschen schen Privatfahrer auf einem kleinen jedoch in Grenzen zu halten, sollten zumin- und Italienern hatten es nämlich sämtli- Austin-Rennwagen profiliert, seit einiger dest auch italienische Fahrer auf einem che anderen Nationen vorgezogen, zu Zeit sah man ihn auch als Nachwuchs- deutschen Fabrikat eine Chance erhalten. Hause zu bleiben. fahrer im Mercedes-Team. Und diese standen nicht schlecht, hatte Als Fahrer der drei Stromlinien- Das werkseigene Kamm-Coupé hatte doch das Kamm-Coupé bei Testfahrten roadster wurden die Mitglieder der NSKK- man, ganz im Sinne der Waffenbrüder- bessere Fahreigenschaften gezeigt und Mannschaft bestimmt, die seit zwei Jahren schaft zwischen den Achsenmächten, in deutlich höhere Geschwindigkeiten erzielt die deutschen Interessen bei ausländi- italienische Fahrerhände gegeben. Mit als das Touring Coupé. schen Rennveranstaltungen mit großem dem Grafen Giovanni Lurani Cernuschi Über einen Sieg in der 2-Liter-Klasse Erfolg vertreten hatten. Wagen Nr. 71, der und Franco Cortese standen zwei hervor- brauchte man sich in diesem Jahr sowie- erste der Stromlinienroadster, wegen sei- ragende Fahrer zur Verfügung, die zudem so keine Sorgen machen, da außer den ner markanten Kotflügel „Bügelfalten“- über langjährige Mille-Miglia-Erfahrung BMW 328 keine weiteren Konkurrenten Roadster genannt, wurde von Hans verfügten. Diese zwei Coupés waren für gemeldet hatten. Wencher und Rudolf Scholz pilotiert, die den Kampf um den Gesamtsieg vorgese- Hanstein fährt auf und davon noch rechtzeitig fertig gewordenen zwei hen, und es gab von deutscher Seite kei- weiteren Roadster mit der Nr. 72 von Willi nen Zweifel daran, dass ein deutscher Am frühen Morgen des 28. April war halb Briem und Uli Richter, die Nr. 74 von Wagen gewinnen würde (während alle Brescia am Startplatz. Seit 4 Uhr wurden Adolph Brudes und Ralph Roese. Welt traditionsgemäß von einem Sieg der die Teilnehmer im Minutenabstand auf die Mannschaftspreis im Vordergrund Auftragsgemäß sollten diese drei Teams nicht ihr Äußerstes geben, sondern schnell und materialschonend zugleich fahren. Hierbei wurden zwar auch vordere Platzierungen angestrebt, das Hauptau- genmerk lag jedoch auf dem Ankommen und damit dem Gewinn des Mannschafts- preises. Die beiden Coupés hingegen waren von der ONS gemeldet worden. Das Touring-Coupé fuhren Fritz Huschke von Hanstein und Walter Bäumer. Han- stein war bisher vor allem als Lang- strecken-Routinier aufgefallen, der Titel des deutschen Bergmeisters im Jahr 1938 zeigte aber sein universelles Fahr- talent. Seine Zugehörigkeit zur SS war zu- dem geeignet, die andauernden Rivalitä- ten zwischen den verschiedenen Partei- organisationen zu befrieden. Walter Ankunft der siegreichen Mille-Miglia-Mannschaft auf dem Münchner Odeonsplatz.

Seite 36 BMW Group Mobile Tradition: Motorsport

Strecke geschickt. Um 6:40 Uhr gingen den verabredeten Fahrerwechsel. Es be- Hanstein/Bäumer mit dem ersten BMW durfte der Überredungskunst (anders ins Rennen, gefolgt von den Teamkolle- ausgedrückt: des Befehls) des anwesen- gen und den italienischen Fahrern in der den Korpsführers Hühnlein, dass Bäumer größten Klasse. sich mit der Rolle des Beifahrers zufrie- Von Anfang an setzte der junge Baron den geben sollte, um den Sieg nicht zu von Hanstein alles auf eine Karte. Bereits gefährden. die erste Runde legte er in einem Tempo Mittlerweile hatte das Coupé einen zurück, das keiner der Anwesenden für uneinholbaren Vorsprung gegenüber sei- möglich gehalten hätte. Schon trennten nen nächsten Verfolgern. Wenige Kilo- ihn fast eineinhalb Minuten von seinem meter vor dem Ziel jedoch stieg von hartnäckigsten Verfolger in einem Delage, Hanstein in die Bremse und ließ den Platz drei hielten die Fahrer Lurani/Cortese Wagen auf freier Strecke halten, beide auf dem zweiten Coupé, gefolgt von einem Türen gingen auf, die Fahrer rannten um der favorisierten Alfa Romeos. Die drei das Auto herum. Und weiter ging die Fahrt Roadster lauerten abwartend auf den im Renntempo, doch dieses Mal saß Plätzen sieben bis neun. In der zweiten Walter Bäumer am Steuer und genoss den Runde waren beide BMW Coupés vorne, Triumph, das Touring-Coupé als Gesamt- dahinter kämpften die Italiener bereits mit sieger über die Ziellinie zu fahren. Wie zu den vordringenden offenen Stromlinien- erwarten, brandete beim italienischen Roadstern. Doch das Kamm-Coupé hielt Publikum kein frenetischer Jubel auf, viel- das mörderische Tempo nicht lange durch. mehr machte sich auf den voll besetzten Erst gab es Probleme mit dem Vergaser, Tribünen einige Ratlosigkeit bemerkbar. dann mit der Ölzufuhr, in der siebten Wo blieben die „Roten“? Runde mussten sie den Wagen schweren Die Italiener sind düpiert Herzens aus dem Rennen nehmen. Unterdessen zog das Touring-Coupé Über eine Viertelstunde verging, bis weiterhin unbeirrt seine schnellen Run- Farina/Mambelli auf Alfa Romeo als Zweite den. Mit einem Schnitt von über 174 km/h ins Ziel kamen, gefolgt von Brudes/Roese hatte von Hanstein die schnellste Runde auf Platz drei, Biondetti/Stefani auf Platz gefahren, die je bei einem Sportwagen- vier sowie Briem/Richter und Wencher/ rennen gemessen wurde. Unterdessen Scholz auf den Plätzen fünf und sechs. war es mit seinem Co-Piloten Bäumer Aus deutscher Sicht war der Triumph aber zu einigen Meinungsverschieden- perfekt. Bisher war der Sieg bei der Mille heiten gekommen. Der ehrgeizige von Miglia eine Selbstverständlichkeit für die Hanstein wollte natürlich unbedingt das italienische Öffentlichkeit gewesen. Le- Rennen gewinnen und hielt sich nicht an diglich im Jahr 1931 hatte ein ausländi- scher Fahrer, der Deut- sche Werbeplakat von BMW zum Sieg beim auf dem Mercedes „Großen Preis von Brescia“. SSKL, das legendäre Rennen für sich ent- scheiden können. Nun hatten die BMW nicht Die BMW Fahrer hatten so ziemlich alles nur den Mannschafts- gewonnen, was an Pokalen und Geld- sieg errungen, sondern preisen zu gewinnen war. Auf eine glanz- den Italienern auch volle Siegesfeier in Italien mussten sie noch den Gesamtsieg aber vergeblich warten, eine offizielle genommen. Preisverleihung fand nicht mehr statt. Natürlich wurde Ob das so geplant war oder ob der das Thema, dem herr- plötzlich einsetzende Regen daran schuld schenden Zeitgeist war, lässt sich heute nicht mehr feststel- entsprechend, auch len. Umso größer war die Begeisterung überstrapaziert, um so bei der Rückkehr nach München. Der die Weltgeltung des Odeonsplatz mit der Residenz bot die deutschen Kraftfahr- eindrucksvolle Kulisse, um der Münchner Die Sieger strahlen um die Wette: links Fritz Huschke von Hanstein, rechts Walter Bäumer, Korpsführer Hühnlein musste sports jedermann vor Bevölkerung die siegreichen Wagen zu natürlich auch mit aufs Foto. Augen zu halten. präsentieren.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 37 Die Entstehung des BMW Logos – Historie und Mythos

Zur Bedeutung des BMW Firmen- und Warenzeichens existieren zwei Traditionen, die sich im Wesentlichen um die Interpretation der blau-weißen Felder des Logos drehen. Die eine Deutung weist auf einen Zusammenhang mit einem rotierenden Propeller hin, die andere auf Bayern als Herkunftsort der Produkte. Betrachtet man die verfügbaren Quellen und den historischen Hintergrund genauer, erweist sich die eine als nicht belegbarer Mythos, die andere als historisch plausible Erklärung.

Von Dr. Florian Triebel

Der Propeller nicht immer und überall in das Sein und Die „Propeller-Deutung“ findet sich poe- Werden der Dinge um uns einzudringen tisch-ausgeschmückt in einem Beitrag versuchten. der BMW Werkszeitschrift aus dem Jahr 320 PS sind es, die in diesem BMW 1942, den Wilhelm Farrenkopf, der da- Motor, dem ersten der BMW Flugmo- malige BMW Presse- und Werbeleiter, toren, aufihre Entfaltung beim Start verfasst hat: „Einen dieser Techniker aus warten. Wie ein strahlender Glorien- der Reihe befähigter Flugmotorenbauer schein umgibt die glänzende Scheibe führt seine Arbeit auf den Flugplatz, das der laufenden Luftschraube das Schat- praktische Erprobungsfeld unserer tenbild des Motors, der den Blick des Großmotoren; denn die Erfahrungen des Flugzeugbauers gefesselt hat, und teilt Flugzeugführers kennenzulernen, ist sich in zwei silberne Kegel, das Sonnen- ebenso wichtig für die Entwicklung des licht zurückstrahlend. Zwischen ihnen Flugmotors wie die Verwertung der schimmert leuchtend das Blau des Versuchsmessungen. Vor dem Flugzeug Himmels durch, so daß die gleißende – vor seinem Motor – bleibt er stehen Fläche der laufenden Luftschraube sich und, von Stolz erfüllt, umfängt er mit zu- dem sinnenden Techniker in vier silber- aus den Produkten der Firma „herausge- friedenen Blicken das technische Kunst- nen und blauen Feldern zeigt. Er ist stolz wachsen“ sei. Allerdings haben sich in werk des Motors, der mit rotierender auf dieses Bild und, erfüllt von dem Ge- diese „logische“ Erzählung einige sach- Luftschraube im Glanz der Sonne blinkt. danken an eine erfolgreiche Zukunft des liche Fehler eingeschlichen. Mit majestätischer Wucht hebt sich der Motors, sieht er im Geiste auch die drei Denn der erste erprobungsfähige Motor mit seinen metallischen Zylindern verheißungsvollen Buchstaben B M W Flugmotor stand im März 1918 auf dem ab vom strahlenden Blau des Äthers, im spiegelnden Bild der Luftschraube. Prüfstand – ein gutes halbes Jahr nach dem er entgegendrängt. Dieser Eindruck fesselt ihn immer mehr, der Entstehung des Logos. Ferner war Te chniker gucken zwar nur selten in und immer wieder sieht er die Buch- dieses erste Baumuster, der BMW IIIa, die Luft. Weil sie viel zu sehr von ihrer staben im laufenden Propeller, bis die- als 185 PS starker Höhenmotor ausge- Aufgabe erfüllt sind und immer nur ihre ses Bild in einer Skizze bleibende Ge- legt. Über 320 PS, wie Farrenkopf Arbeit sehen, ihr Ziel vor Augen haben, stalt annimmt und als Firmenzeichen schrieb, verfügte erstmalig der Motor aber wenn sie schon einmal einen Blick seine Geburt erlebt. BMW Va, der erst ab 1927 gefertigt in die Bläue des Himmels werfen, dann Aus den beiden silbernen Kegeln wur- wurde, also nicht der „erste BMW sehen sie auch hier noch etwas, dem sie den weiße Felder, um mit den beiden blau- Flugmotor“ sein kann. technisch Interessantes abzuschauen en Kegeln fortan das weißblaue Marken- Zudem funktioniert – bei genauer Be- vermögen. Und wahrlich, sie wären keine feld des BMW Firmenzeichens zu bilden.“ trachtung – die Idee der Geschichte nicht. Te chniker, wie wir sie kennen, keine Farrenkopf konstatierte befriedigt, Denn nicht ein Produkt der BMW, das deutschen Forscher, von denen die Welt dass diese Entstehungsgeschichte Antriebsaggregat, ist abgebildet. Vielmehr mit höchster Achtung spricht, wenn sie zeige, wie „logisch“ das Markenzeichen stützt sich die Erzählung auf einen opti-

Seite 38 BMW Group Mobile Tradition: Unternehmen

Werbemotive, die mit dem BMW Logo künst- lerisch spielen. Links ein Motiv aus dem Jahr 1917, rechts ein Plakat für die Automobil- ausstellung 1924.

motoren Rat und Hilfe“ bieten sollte, wie im ersten Heft bemerkt wurde. Dabei sollte sie nicht einem „Bedürfnis nach Werbung für unsere Erzeugnisse“ nach- kommen. Gleichwohl beschäftigten sich die Beiträge in den ersten Heften zwar auch mit technischen Fragen und Hilfe- stellungen, aber in starkem Maße mit den Erfolgen und Höchstleistungen der von BMW gefertigten Baumuster und berich- teten über deren Einsatz in unterschied- lichen Flugzeugfabrikaten. Im Mittel- punkt der Berichterstattung standen dabei die Flugmotoren aus der aktuellen Produktpalette. Zunächst das Baumuster BMW VI, welches das damals leistungs- stärkste wassergekühlte Aggregat in der BMW Produktpalette war. Breiteren Angesichts dieser Zusammenhänge Raum nahmen allerdings die Berichte stand hinter den Werbemaßnahmen die über die luftgekühlten Sternmotoren Hoffnung, dass sich die innovativen luft- „Hornet“ und „Wasp“ ein, die BMW seit gekühlten Sternmotoren amerikanischer 1928 in Lizenz der US-amerikanischen Bauart durchsetzen und BMW einen Firma Pratt & Whitney fertigte. Vorsprung auf dem deutschen und kon- Trotz der gegenteiligen Bekundungen tinentaleuropäischen Markt für Flugmo- wirkten die BMW Flugmotoren-Nachrich- toren verschaffen würden. ten durch ihren Aufbau und die Ge- Die „Propeller-Deutung“ von der wichtung der Beiträge als Werbeschrift für Entstehung des BMW Logos passte die Flugmotoren der BMW AG und insbe- ausgezeichnet in diese Werbebemühun- sondere für die neu im Programm angebo- gen. BMW hatte mit ihr nicht nur einen tenen luftgekühlten Sternmotoren. visuellen Aufhänger gefunden, sondern Werbung für die Produktsparte Flug- unterstrich mit der Erzählung auch die aggregate war auch notwendig. Die Welt- Wurzeln und die Kompetenz des Unter- wirtschaftskrise ließ den Markt für Flug- nehmens im Flugmotorenbau. motoren zusammenbrechen. Nur kurz Vordas Jahr 1929 datieren keinerlei schen Effekt, den der Flugzeug-Propeller zuvor hatte BMW – zeitgleich mit dem Belege und Quellen für die „Propeller- – ein Anbauteil des Motors, das BMW nie Erwerb der Lizenz von Pratt & Whitney – Deutung“. In früheren Darstellungen gefertigt hat – verursacht. durch einen finanziellen Kraftakt die zum Unternehmen und seinem Marken- Diese Deutung wurde und wird bis in Münchner Werksan- die jüngste Zeit immer wieder als lagen deutlich vergrö- Entstehungsgeschichte des BMW ßert, die nun nur noch Logos erzählt. Allerdings findet sich der zu einem geringen erste Nachweis für sie erst im Jahr 1929 Maße ausgelastet wa- – also zwölf Jahre nach Entstehung des ren (die Hauptver- Markenzeichens – auf dem Titelblatt des sammlung 1928 ge- ersten Hefts der neuen BMW Flugmo- nehmigte eigens hier- toren-Nachrichten. Es zeigt eine Zeich- für eine Erhöhung des nung zweier auf den Betrachter zuflie- Grundkapitals von gender Hochdecker, in deren Propeller- 10 auf 16 Millionen kreisen das stilisierte BMW Logo einge- Reichsmark). zeichnet ist. Die BMW Flugmotoren-Nachrichten verstanden sich als „Hauszeitschrift“, die Der erste Beleg für die „Propeller“-Tradition: Titel- „unseren Freunden beim Einbau, Betrieb blatt der BMW Flugmo- und in der Unterhaltung unserer Flug- toren-Nachrichten 1929.

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 39 Die Entstehung des BMW Logos

Fotomontage für Wilhelm Farrenkopfs Artikel 1942.

Es galt für den Betrieb als „Motoren- werk“ und für folgende Waren: „Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge, Automobile, Fahrräder, Automobil- und Fahrradzu- behör, Fahrzeugteile, stationäre Motoren für feste, flüssige und gasförmige Betriebsstoffe und deren Bestand- und Zubehörteile“. Das neu eingetragene Firmen- und Warenzeichen war folglich wie der Ge- schäftsbetrieb auf ein breiter gefächer- tes Produktportfolio ausgerichtet, nicht nur auf den Bau und Vertrieb von Flugzeug-Aggregaten. Allein aus den hier kurz skizzierten Zusammenhängen zur Eintragung von Firma und Zeichen der BMW GmbH ist es äußerst unwahr- scheinlich, dass sich der Entwurf für das zeichen wird diese Geschichte nicht Explosionsmotoren für Flugzeuge und Firmen- und Warenzeichen bildlich an erwähnt, auch nicht in BMW Publika- Kraftfahrzeuge, ferner auch die Fabrika- die Flugmotoren anlehnte. tionen zu Flugmotoren. Aus diesen tion und der Vertrieb von allen Artikeln Zudem hätte dies auch nicht den Gründen ist davon auszugehen, dass der ähnlicher oder verwandter Geschäfts- Anregungen sowohl in der zeitgenössi- „Propeller-Mythos“ Ende der 1920er zweige und die Beteiligung an Unter- schen als auch der heute aktuellen Lite- Jahre erdacht worden ist, um die Marke- nehmen der gleichen oder ähnlichen Art. ratur für den Entwurf geeigneter Wort- ting-Maßnahmen für die Produktsparte Zunächst bestand das Geschäft der und Bildzeichen für Firmen und Waren Flugmotoren zu unterstützen. BMW GmbH darin, die Reparatur- und entsprochen. In den Veröffentlichungen Lizenzfertigungsaufträge der Rapp Mo- wurde empfohlen, bei kombinierten Bayern torenwerke GmbH für die jungen Luft- Wort-Bild-Zeichen wie dem BMW Logo Wilhelm Farrenkopf hatte in seinem streitkräfte der Reichswehr weiterzu- auf leicht merkbare und unmittelbar ein- oben zitierten Beitrag in der BMW führen. Dennoch war den Angaben im leuchtende Bezüge zwischen den ein- Werkszeitschrift 1942 die „Propeller- Handelsregister zufolge sowohl für die zelnen Bestandteilen des Zeichens zu Deutung“ neu erzählt und weiterge- Vorgängerfirma als auch für die BMW achten. Für das BMW Markenzeichen sponnen. Er schloss seine Darstellung GmbH daran gedacht, die Geschäfts- hätte dies bedeutet, bei der Gestaltung mit dem Satz: „Ein glücklicher Zufall will tätigkeit auszuweiten. einen direkten Bezug zwischen dem es, daß diese weiß-blaue Luftschrau- Mit diesem umfassenderen An- Wortbestandteil „Bayerische Motoren benspiegelung im BMW Zeichen auch spruch trat die BMW GmbH auch an die Werke“ und dem Bildbestandteil herzu- gleichzeitig zum Symbol seiner bayeri- Öffentlichkeit. Das erste überlieferte In- stellen. schen Herkunft wurde.“ serat des Unternehmens, quasi seine Dieser Hinweis führt zur Frage, wel- Mit Sicherheit war es jedoch kein „Geburtsanzeige“, erwähnte bereits che Bildlogik beim Design des BMW „glücklicher Zufall“, dass die bayerischen neben „Flugmotoren“ auch „Automo- Markenzeichens verwendet worden ist. Landesfarben im BMW Logo Ver- bilmotore“, „Landwirtschaftliche Moto- Wie oben schon kurz ausgeführt, wur- wendung fanden. Vielmehr deuten eine re“ und „Motor-Boote“ als Teile der Pro- den bei der Umfirmierung der Rapp Reihe von Quellen darauf hin, dass die duktpalette. blau-weißen Felder des BMW Logos die Diese erste Annonce der „Baye- Landesfarben Bayerns symbolisieren. rischen Motoren Werke GmbH“ erschien Die „Bayerische Motoren Werke noch ohne Logo. Dies nicht ohne Grund: GmbH“ wurden am 21. Juli 1917 als Denn als sie geschaltet wurde, existierte Nachfolgefirma der „Rapp Motoren- noch kein Firmen- oder Warenzeichen. werke GmbH“ gegründet. Bei der Die Anmeldung erfolgte erst am 5. Ok- Umgründung übernahm die neue Ge- tober 1917, die Eintragung in die Kaiser- sellschaft laut der Eintragung in das liche Zeichenrolle am 10. Dezember Handelsregister den Geschäftszweck 1917. Das Warenzeichenblatt des der Vorgängerfirma: Gegenstand des Kaiserlichen Patentamtes vermerkte Unternehmens ist der Bau und Vertrieb auch die Warengruppen, für die das Die „Geburtsanzeige“ der BMW GmbH: von Motoren aller Art, insbesondere von neue Zeichen eingetragen worden war. die erste Anzeige für die neue Firma (Juli 1917).

Seite 40 BMW Group Mobile Tradition: Unternehmen

zeichen zu integrieren. Die Verant- wortlichen der BMW GmbH wählten den Ausweg, durch heraldisch „falsche“ Anordnung der Farbbestandteile des Logos die Eintragung nicht zu gefähr- den, aber dennoch den Hinweis auf Bayern geben zu können. Wie beim Rapp Logo nimmt auch beim BMW Logo der Bildbestandteil direkten Bezug auf den Firmen- beziehungsweise Markennamen des Unternehmens. Es spricht folglich alles dafür, dass das Firmen- und Warenzeichen der Bayeri- schen Motoren Werke GmbH unter Bei- behaltung der wesentlichen Bestandteile und der Bildlogik aus dem Logo der entwickelt worden ist. Zusammenfassung Fügt man alle Belege zusammen, er- scheint ausgeschlossen, dass die BMW Die BMW warben für ihre ersten Produkte mit dem Markennamen „Bayern-Motor“. Die Be- zeichnung sollte offiziell in die Zeichenrolle eingetragen werden; dies wurde aber vom Patent- Verantwortlichen im Jahre 1917 ihr Fir- amt 1919 abgelehnt. Dennoch benutzte BMW diese Bezeichnung bis 1921 – ein weiterer men- und Markenzeichen im Sinne der Hinweis für den engen Bezug der jungen Firma zu Bayern. „Propeller-Deutung“ entwerfen ließen. Alle verfügbaren Quellen sprechen dafür, Motorenwerke GmbH auf die Bayerische begrenzt. Der Raum innerhalb des Rings dass das BMW Logo in Anlehnung an Motoren Werke GmbH im Juli 1917 der wird in vier gleiche blaue und weiße das Firmen- und Warenzeichen der Rapp Geschäftszweck und die Aufträge über- Sektoren geteilt, die Landesfarben Motorenwerke entwickelt worden ist und tragen. Die neue Firma übernahm auch Bayerns (das BMW Logo zeigt die blau- die blau-weißen Felder auf „Bayern“ als die Anlagen der Rapp Motorenwerke, en und weißen Felder gegenüber den Ursprungs- und Fertigungsort der Pro- deren Vermögenswerte, Verbindlich- Landesfarben Bayerns vertauscht). Die dukte hinweisen sollten. keiten und Forderungen sowie die Heraldik spricht die Form als „Geviert Erst 1929 taucht erstmalig der Belegschaft. Die Bayerische Motoren von Blau und Weiß“ an. „Propeller-Mythos“ auf. Die neue Sinn- Werke GmbH verstand sich folglich Die Spiegelung der Farbenanord- gebung sollte wohl die Marketing- selbst als Nachfolgerin der Rapp Moto- nung gegenüber den Landesfarben bemühungen für die Produktsparte renwerke GmbH und wählte auch den Bayerns hat sicherlich mit markenrecht- Flugmotoren unterstützen. Dennoch hat neuen Namen in Anlehnung an den der lichen Hintergründen zu tun. So verbot diese Deutung eine eigene Be- Vorläuferfirma. Es lag folglich nahe, bei das damals gültige Markenschutz- rechtigung und Tradition, da sie nun der Gestaltung des Firmen- und Waren- gesetz, „Staatswappen oder sonstige schon seit 75 Jahren erzählt und weiter- zeichens der Bayerischen Motoren staatliche Hoheitszeichen“ in ein Waren- getragen wird. Werke auf das Vorbild des Logos der Rapp Motorenwerke zurückzugreifen. Wie ist das Logo der Rapp Motoren- werke aufgebaut? Das Zeichen wird von einem Ring mit Doppelstreifen um- schlossen, in den der Markenname „Rapp Motor“ eingeschrieben ist. Inner- halb des Rings steht ein Kopf eines schwarzen Pferdes, eines „Rappen“. Der Bildbestandteil verweist somit direkt auf den Firmen- beziehungsweise Marken- namen des Unternehmens. Wie der Ver- gleich der beiden Logos offenbart, folgt das Bildzeichen der Bayerischen Motoren Werke der gleichen Logik. Auch hier umschließt ein schwarzer Ring das Zeichen. Der Ring wird außen und innen Logo der Rapp Motorenwerke GmbH (1913–1917) und Logo der BMW GmbH (Oktober 1917). durch jeweils einen goldenen Rand

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 41 Die hydraulisch gedämpfte Teleskopgabel Ein Meilenstein in der Motorradentwicklung

Von Fred Jakobs

Heute ist die hydraulisch gedämpfte Vorderrad- Teleskopgabel quasi Standard im Motorradbau: Vom Mofa bis zum Supersportler findet sich diese technische Lösung in nahezu jedem motorisierten Zweirad. Ihre Einführung im Serienmotorradbau fand vor 70 Jahren statt, als BMW als weltweit erster Hersteller diese bahnbrechende Innovation bei den Modellen R 12 und R 17 präsentierte.

Als Max Fritz 1923 als erstes BMW Motorrad die R 32 konstruierte, entschied er sich bei der Vor- derradführung für eine bewährte Lösung: gezo- gene Kurzschwinge mit – in diesem Fall doppelter – Auslege-Blattfeder. Die nächsten Jahre blieb BMW diesem Prinzip treu, auch wenn man Anfang der 30er Jahre vom gelöteten Rohrrahmen zum genieteten Pressstahlrahmen umstieg und sich die Motorleistung von 8,5 PS bei der R 32 zehn Jahre später beim Spitzenmodell R 16 auf 33 PS fast Ernst Henne (rechts) setzte die Teleskopgabel an seiner Beiwagenmaschine bei den Weltrekordfahrten im Jahre 1934 ein. vervierfachte. Folge dieser Leistungssteigerung war die Erhöhung der Geschwindigkeit, die bei den schlechten in sich geschlossenen Lösung wurde zugleich auch das Problem Straßenverhältnissen jener Jahre nah an die Grenzen der der Schmierung gelöst. Beherrschbarkeit der Fahrzeuge ging. Die BMW Techniker um Vom Rennsport in die Serie Rudolf Schleicher, Alfred Böning, Alexander von Falkenhausen und Josef Hopf erkannten Anfang der 30er Jahre die Problematik Bevor die Teleskopgabel in Serie verbaut wurde, standen des nun ungenügenden Fahrwerks und griffen für das Vorderrad zahllose Tests an, und selbstverständlich musste die neue die Idee der Teleskopgabel auf. Das Prinzip war zwar schon seit Vorderradführung ihre Feuerprobe im Rennsport bestehen. So Anfang des 20. Jahrhun- wurden für die Saison 1934 sowohl Straßen- auch als Ge- derts bei Motorrädern ver- ländesportveranstaltungen ins Auge gefasst, bei denen die baut worden, allerdings Werksrennmaschinen in der Solo- und Gespannklasse mit gab es Probleme mit der Teleskopgabel ausgerüstet wurden. Im Straßensport hatten die Dämpfung der ein- und Kompressormodelle die neue Gabel erstmals beim Marienberger ausfedernden Gabelrohre, Dreiecksrennen verbaut. Erstaunlicherweise nahm die Presse weshalb sich diese Lö- von der auffälligen Neuerung kaum Notiz. sung nicht durchgesetzt Im Gegensatz dazu stand die Internationale Sechstagefahrt, hatte. Der eigentlich sozusagen die Europameisterschaft im Geländesport, im Fokus simple, aber geniale Kniff einer breiten Öffentlichkeit. Die BMW Fahrer Ernst Jakob Henne, der BMW Ingenieure war, Josef Stelzer, Ludwig Kraus und Sepp Müller bildeten 1934 die die Teleskopgabel mit Deutsche Nationalmannschaft. An den Start gingen sie mit schwe- einer Öldruckdämpfung ren Pressstahlmodellen vom Typ R 16, die die Teleskopgabel ver- zu kombinieren. Mit dieser baut hatten. Das Team gewann die Nationenwertung und lieferte mit diesem Triumph den überzeugenden Beweis für die Über- Erste Einsätze bei den legenheit der Teleskopgabel, die nun in der Fachpresse ausführlich Werksrennmaschinen 1934. diskutiert wurde.

Seite 42 BMW Group Mobile Tradition: Motorrad

Bewährung im Rennsport: Ernst Henne bei der Sechstagefahrt 1934 und BMW Importeur Pratt bei einem Beiwagenrennen in Australien.

Und dass die Teleskopgabel nicht nur fürs te Neuerung seit Jahren ist die neue Gelände, sondern auch für hohe Ge- Te leskopgabel mit Schraubenfedern und schwindigkeiten auf der Straße geeignet Öldruckstoßdämpfern. Die Siegerma- war, bewies Henne im Oktober 1934, als er schinen der letzten Sechstagefahrt haben Sicherheit und Fahrkomfort bei jedem Wetter: im ungarischen Gyon auf Rekordjagd ging. die Vorteile der neuen Gabel so über- BMW R 17. Zwar fuhr er solo mit herkömmlicher Blatt- zeugend demonstriert, wie es besser gar feder, seine Beiwagenmaschine aber hatte nicht möglich wäre. Die neuen 750er- mit dem neuen Duolever, 2004 erstmals in die Telegabel verbaut. Mit 207,732 km/h BMW-Maschinen werden nicht nur unbe- der K 1200 S präsentiert, zeigen die BMW wurde er auf dem fliegenden Kilometer dingt sicher auf der Straße liegen, sie Ingenieure, dass sie sich auch 70 Jahre gestoppt, so schnell wie kein Beiwa- werden überdies vollkommen stoßfrei nach Präsentation der R 17 nicht scheuen, genfahrer jemals zuvor. dahinschweben, kein Springen, kein eingefahrene Wege zu verlassen, um die Bocken mehr.“ Fahrwerke der Motorräder sicherer und Die Presse überschlägt sich vor Lob komfortabler zu machen. Wegweisende Technologie Am 14. Februar 1935 stellte BMW den To u re r R 12 und das Sportmodell R 17 auf BMW hatte mit der Teleskopgabel eine zu- Belastungsprobe: Georg Meier und Max Klankermeier mit Werkzeug und Ersatzteilen der Deutschen Automobilausstellung in kunftweisende Technologie entwickelt, ab im Beiwagen auf dem Weg zu einem Rennen. Berlin vor. Es waren praktisch die Vor- 1935 wurden alle neuen Modelle damit ver- gängermodelle R 11 beziehungsweise R sehen. Viele Hersteller orientierten sich an 16, nun allerdings mit der Telegabel, ge- BMW und verbauten ebenfalls Teleskop- nauso, wie sie bei der Sechstagefahrt 1934 gabeln. Dass sie sich dabei auch schon mal zum Einsatz kam. BMW hätte keine zu eng an das Vorbild anlehnten, zeigten eigenen Werbetexter beauftragen müssen: zahlreiche Streitigkeiten um Patentrechts- Die Presse überschlug sich schon bei der verletzungen bis weit in die 50er Jahre. Präsentation mit Superlativen über diese Während aber die meisten Fabrikate Weltpremiere im Motorradbau. So noch heute auf die Teleskopgabel setzen, schrieb die deutsche Fachzeitschrift DAS hat BMW bereits 1993 mit dem Telelever MOTORRAD in ihrem Sonderbericht zur ein neues innovatives Konzept der Vorder- Automobilausstellung: „Die bedeutsams- radführung zur Serienreife gebracht. Und

Schnittzeichnung einer Teleskopgabel

„Die Vordergabel besteht aus zwei mit- Rückschlagventil besteht. Jedes Unterteil einander verbundenen feststehenden ist in zwei Gleitlagern auf dem Führungsrohr Gabelteilen (12), auf denen die das Rad (12) geführt und oben gegen dasselbe durch aufnehmenden beweglichen Gabelteile (9) eine Ledermanschette (10) abgedichtet. gleiten. Diese Gabelunterteile (9) sind Die Gabelunterteile (9) sind mit Stoß- gegen die Gabelteile (12) mit Schrauben- dämpferöl gefüllt. Die Fahrstöße werden federn (11) abgestützt. durch die Schraubenfeder (11) aufgenom- Innerhalb der Gabelteile (12) befindet sich men. Scharfe Stöße beim Entspannen der ein Flüssigkeitsdämpfer, der aus einem mit Schraubenfeder werden durch den einfach dem Unterteil durch eine Stange verbun- wirkenden Stoßdämpfer abgeschwächt.“ denen Kolben (9) mit federbelastetem Druckventil (13) und einem das Führungs- rohr (12) unten abschließenden (15) (Aus dem Handbuch der BMW R 12)

Mobile Tradition live / Ausgabe 01.2005 Seite 43