Universität Innsbruck

Rechtspopulismus in Europa: Halten die Parteien einer Regierungsbeteiligung stand?

Mag. Manuel Fasser, BSc Matrikelnummer 215453

Dissertation

Eingereicht im Rahmen des Doktoratstudiums (C092-300) der Philosophie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

Innsbruck, am Freitag, 7. Juli 2017

Inhalt

Inhalt

Inhalt ...... 1 Prolog ...... 6 Eidesstattliche Erklärung ...... 8 Lebenslauf ...... 9

Danksagung ...... 10 Einleitendes ...... 11

Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik ...... 15 Forschungsobjekt ...... 15 Theoretischer Rahmen ...... 18 Forschungsfrage ...... 21 Was scheitern bedeutet? ...... 23 Die vier Kriterien des Scheiterns ...... 30

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit ...... 30 II. Personelle Ressourcen und Konstanz ...... 33 III. Verhaltensmuster ...... 34 IV. Auslösende Ereignisse ...... 35 Zusammenfassung ...... 36

Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung ...... 37 Historische Betrachtung ...... 37 Populismus: ein komplexer Begriff ...... 40 Populismus: Blickwinkel und Definitionen ...... 42

2 Inhalt

Ideologie des Rechtspopulismus ...... 53

Vertikale und horizontale Abgrenzung ...... 59

Populismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ...... 61

Repräsentanz, direkte Demokratie und Populismus ...... 64

Rhetorik und Stilmittel ...... 71

Populismus und die liberale Demokratie ...... 74

Nachfrager von Rechtspopulismus ...... 80 Exkurs: Wer soll regieren? ...... 83

Zwischenbilanz ...... 87 Rechtspopulismus: eine Zusammenfassung ...... 87

Rechtspopulismus: Gefahr oder Korrektiv? ...... 95

Ausblick zum Rechtspopulismus ...... 101 Sozialer Wandel, politische Kultur und regionale Besonderheiten ...... 102 Einkommensverteilung und Rechtspopulismus ...... 102

Rückgang des Wachstums, Staatsverschuldung und Strukturwandel ...... 107

Der Alpen-Populismus ...... 112

Zur politischen Kultur ...... 117

Überblick zu den Fallstudien ...... 125 Rechtspopulisten an der Regierung ...... 125 Rechtspopulismus in Europa: abschließender Überblick ...... 127

3 Inhalt

Fallstudien: Parteien in Regierung ...... 129 Österreich ...... 129 Geschichte und politische Kultur ...... 129

FPÖ: Geschichte, Wandel, Bewertung ...... 135

Partei, Parteiprogramm und Wahlforderungen ...... 142

Regierung Schüssel I ...... 144 Regierung Schüssel II ...... 154 Bilanz der Regierungszeiten ...... 162

Bewertung der FPÖ ...... 168

Schüssel I (2000-2002) ...... 168 Schüssel II (2003–2006) ...... 170 Fazit der zwei Regierungsperioden ...... 172 Niederlande ...... 173 Geschichte und politische Kultur ...... 173

Früher Populismus und die Lijst Pim Fortuyn (LPF) ...... 178

Partei, Parteiprogramm und Wahlforderungen ...... 188

Umrisse des Wahlprogramms ...... 189 Wahlen, Koalitionsvertrag und Regierungserklärung ...... 191 Regierung und Zerfall der LPF ...... 193 Zwischenbilanz ...... 196

Bewertung der LPF ...... 199

4 Inhalt

Italien ...... 202 Geschichte und politische Kultur ...... 202

Forza Italia: Partei eines speziellen Typs ...... 207

Lega Nord: Partei von Padanien ...... 212

Regierungszeiten der Lega Nord ...... 219

Berlusconi I ...... 219 Berlusconi II ...... 231 Berlusconi III ...... 244 Berlusconi IV ...... 250 Zwischenbilanz ...... 259

Bewertung der Lega Nord ...... 262

Vergleich: Analogien und Unterschiede ...... 267 Zur Methodik ...... 267 Zusammenfassung der Bewertungskriterien ...... 269 I. Politische Durchsetzungsfähigkeit ...... 271

II. Personelle Ressourcen und Konstanz ...... 275

III. Verhaltensmuster ...... 278

IV. Auslösende Ereignisse ...... 281 Untersuchungsergebnis ...... 284 Bewertung der Parteien ...... 284

Grafische Darstellung ...... 287

Gesamtbetrachtung zur Forschungsthese ...... 288

Ausblick ...... 291

Verzeichnisse ...... 294 Literaturverzeichnis ...... 294 Abbildungsverzeichnis ...... 324 Tabellenverzeichnis ...... 326

5 Prolog

Prolog

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog so etwas wie eine neue politische Ordnung in Europa ein: Großparteien, häufig zwei an der Zahl, sozialdemokratischer (sozialistischer) und (christlich) konservativer Prägung, manchmal auch liberale Parteien, dominierten die politische Bühne der Länder, die nach der zweiten Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts nach wirtschaftlichem Aufschwung suchten und diesen fanden (Wirtschaftswunder). Wenngleich auch andere Parteien (beispielsweise Kommunisten, Regionalparteien) in der Arena präsent waren und mit in Regierungsverantwortung standen, so war lange Zeit der Konflikt der Moderne, jener zwischen den Besitzenden und Nicht-Besitzenden, zwischen Arbeit und Kapital, der maßgebliche in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg.

In den 1970ern, 1980ern und 1990ern des vergangenen Jahrhunderts vollzog sich ein Wandel auf der politischen Bühne Europas: Neben den Grünen Parteien etablierten sich – in manchen Ländern Europas – rechtspopulistische Parteien, die mit Tabubrüchen auf sich aufmerksam machten und radikal anders funktionierten als die etablierten Großparteien. Rechtspopulistische Parteien zeichneten, um einige Wesensmerkmale zu nennen, wortgewaltige und bestimmende Leader aus, welche die Regierung angriffen, den Parteienstaat in Frage stellten und vorgaben, im Namen der einfachen Leute zu sprechen. Zu den erfolgreichsten Rechtspopulisten zählt der 2008 verstorbene Jörg Haider (FPÖ, BZÖ), der die Freiheitliche Partei Österreich von einer Kleinpartei zur zweitstärksten Kraft in Österreich machte.

Diese Arbeit will sich mit Ländern befassen, in denen Rechtspopulisten zur Regierungsverantwortung herangezogen wurden beziehungsweise sich dazu bereit erklärten. Wer im Wahlkampf Widersprüchliches oder mit den Grundgesetzen nicht Vereinbares fordert – wie kann er dann in der Regierung bestehen?

6 Prolog

Es bleibt die berechtigte und höchst spannende Frage: Was können Rechtspopulisten wirklich tun, wenn sie in Regierungsverantwortung treten? Diese Frage wird die vorliegende Arbeit als roter Faden leiten. Wie viel ihrer angekündigten Politik lässt sich in politische Arbeit umsetzen? Als Regierungspolitiker ist ein Rechtspopulist ja selbst Bestandteil jenes Systems, das er im Grunde ablehnt. Plötzlich sind jene, welche die herrschende Klasse als „Bonzen“ stigmatisierten, selbst jene, die an den Schaltstellen der Macht sitzen. Führt dieser Widerspruch zwangsläufig zum Scheitern rechtspopulistischer Parteien, wenn sie in Regierungsverantwortung treten?

Wähler entscheiden sich ja vielfach aus Protest für Rechtspopulisten – in der Hoffnung auf einen Bruch mit dem bestehenden Regierungen für rechtspopulistische Regierungen. Können es sich diese Parteien leisten, wenn der propagierte Bruch in der Regierungsverantwortung nicht stattfindet?

Rechtspopulismus ist dominiert von ablehnender Haltung, also von „Dagegen- sein-Politik“. Ihm fehlt so etwas wie eine Utopie, wie sie etwa die Sozialisten in der Wende zum 20. Jahrhundert antrieb: Jene nach fairen Arbeitsbedingungen, nach Krankenversicherung und Urlaubsanspruch. Rechtspopulisten träumen nicht von einer konkret ausformulierten utopischen Welt und wenn doch, dann von einem Zustand, den es vermeintlich in der Vergangenheit gegeben haben soll: Einer Art Urzustand, der für alles Gute steht; in dem die Macht beim Volk und nicht bei den Eliten lag; in dem kleine, „ordentliche“ Handwerker und nicht Großkonzerne die Wirtschaft dominierten; in dem es einen gemeinsamen Willen gab der gleichzeitig eine Abgrenzung gegenüber den anderen darstelle.

Diese ausgeprägte Rückwärtsgewandtheit, sein Anachronismus, ist eine Besonderheit und ein Kuriosum, das Ideologien wie Kommunismus, Liberalismus oder Sozialismus nicht oder nur in geringen Dosen kennen. All diese so genannten Vollideologien (Mudde, 2004) sind voll von Idealen, Werten und Zielen. Rechtspopulismus ist dies nicht, was ihn – politikwissenschaftlich betrachtet – lange Zeit schwierig greifbar und definierbar machte.

7 Prolog

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister- /Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum

Unterschrift

8 Prolog

Lebenslauf

Name Mag.phil. Manuel Fasser, BSc Geburtsdatum, Ort 15. Jänner 1982, Ehenbichl Anschrift Fuxmagengasse 13, 6060 Hall in Tirol

Bildung 1996–2001 Höhere Technische Lehranstalt Fulpmes, Zweig: Fertigungstechnik 2002–2009 Studium der Politikwissenschaften, Universität Innsbruck 2005–2012 Studium der Wirtschaftswissenschaften: Management and Economics, Universität Innsbruck

Beruflicher Werdegang 1996–heute Freiberuflicher Mitarbeiter von »Gleitschirm«, später »Thermik«, Fachmagazin für Gleitschirmflieger 2001-2002 Fertigungsplaner bei Plansee TIZIT, heute CeraTizit, Produzent von Werkzeugen aus Hartmetall 1997-2012 Journalist bei der Tiroler Tageszeitung, Tirols führende Tageszeitung mit mehr als 300.000 Lesern 1997-2012 Freier journalistischer Mitarbeiter bei Magazinen, darunter: Die Zeit, Die Presse, ff Südtirol, Econova, Zillertal Magazin und weitere Medien 2013-heute Leiter der Sparte »Marketing & Business Development« bei NOVA Performance Paragliders, einem führenden Hersteller von Gleitschirmen

Sprachkenntnisse Deutsch In guter journalistischer Qualität Englisch Verhandlungssicher

Kontakt Telefon +43/660/12 66 705 E-Mail [email protected]

9 Prolog

Danksagung

Es war ein langer Weg, bis diese Arbeit von der Idee im fertigen Papier mündete. Ich danke hiermit allen sehr herzlich, die mich tatkräftig unterstützt haben; insbesondere den Betreuern der vorliegenden Dissertation: Günther Pallaver und Reinhold Gärtner von der Universität Innsbruck (Institut für Politikwissenschaften). In Anbetracht der Rückkehr des Rechtspopulismus beziehungsweise seine erneute Erstarkung auf der politischen Bühne scheint das Thema seitens des Interesses der Wählerinnen und Wähler den Zeitgeist zu treffen.

Mit gewissem Wehmut ist das Thema an sich zu betrachten: Rechtspopulismus ist als solcher identifizierbar und lässt sich – wie die folgende Arbeit zeigt – in seinen Ausprägungen einordnen. Was jedoch fehlt ist die Antwort, wie man Politik umgestalten und die immer komplexer werdenden Probleme lösen kann.

Die Welt ist vernetzt; Container-Schiffe überschwemmen unser Märkte mit günstigen Waren; Roboter ersetzen menschliche Arbeitskraft; die Verteilung von Vermögen wird (gefühlt) zunehmend ungerechter und klassische Ideologien wie beispielsweise der Sozialismus beziehungsweise die Sozialdemokratie scheinen den Menschen fremd zu werden. Es fehlt an Ideologien welche Individualismus und Kollektivismus, Reichtum und Armut, Ökologie und Ökonomie sowie die Macht von umsatzstarken Unternehmen steuern können.

Es mag trivial klingen, aber in gewissem Maße ist sich jeder sich selbst der nächste. Der Mensch sei dem Mensch ein Wolf, beschrieb es Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert (Hobbes, 1996). Rechtspopulismus schlägt als Lösung vor, Gruppen an Menschen aus dem politischen Prozess auszuschließen und „vermarktet“ dies als Weg zur Beseitigung von Spannungen. Es soll nicht naiv klingen, aber es bleibt die Hoffnung auf ein Wachstum der Empathie der Menschen zueinander und auf ein mehr an Vernunft beim Handeln. Ein so genannter „Fremder“ ist eben auch ein Mensch mit Ängsten und Hoffnungen, die es ernst zu nehmen gilt. Ausgrenzende Parolen lösen keine Probleme, wenngleich sie viele als solche missverstehen.

10 Prolog

Einleitendes

Folgt man der Bedeutung des Wortes, nicht seiner politikwissenschaftlichen Verwendung, klingt Populismus nach etwas Plausiblem: Populus, auf Lateinisch das Volk, ist die treibende Kraft. Populismus ist demnach eine Politik mit dem Ohr beim Volk. Der Populist versteht sozusagen die Ängste, Erwartungen und Hoffnungen der BürgerInnen. Populisten entwirren die Fragen, vereinfachen komplexe Probleme, emotionalisieren Inhalte, erzeugen Verständnis und transportieren den Inhalt verknappt und zugespitzt den Bürgerinnen und Bürgern.

Im Grunde ein legitimer Prozess der Simplifizierung, wie er auch von Medien aller Qualitätsgattungen angewandt wird: Die komplexe Welt ein Stück verständlicher zu machen, in dem Zusammenhänge erklärt, Dinge vereinfacht und Botschaft mit Emotion aufgeladen wird.

„Zuspitzen“ nennen es Journalisten, wenn sie ihre Geschichten auf den Punkt bringen wollen. Der Boulevard ist Meister dieses Fachs, allen voran – blickt man auf den deutschen Sprachraum – die Bildzeitung. Der Boulevard ist sozusagen der mediale Populismus. Beide bedienen sich ähnlicher Techniken. Beide wählen eine Sprache, die verstanden wird. Und beide bedingen einander. Es ist davon auszugehen, schlussfolgert die Politikwissenschafterin Paula Diehl, „dass sich Populismus und Massenmedien in manchen Punkten überschneiden und gegenseitige Abhängigkeiten erzeugen“ (Diehl, 2012). Mit ihrem Lechzen nach Skandalen bedienen sich Populismus und Boulevard desselben Genres.

Diese These unterstreicht auch eine Untersuchung von Media Affairs, die „über 7.000 Facebook-Postings österreichischer Medien analysiert, sie mit der Printberichterstattung verglichen und Themen und Parteien zugeordnet“ (derStandard, 2017). Demnach gebe es ein „negatives“ Grundrauschen, das sich beim Boulevard verdichte und der rechtspopulistischen FPÖ mehr Reichweite bringe.

Die Problematik am politischen Populismus – wie auch am Boulevard – ist die bewusst einkalkulierte Verfälschung der Beobachtung. Die Dinge werden so sehr verknappt und simplifiziert, dass die Aussagen zwar plakativ und verständlich sind, jedoch nur bedingt die tatsächlichen Umstände widerspiegeln. Der in dieser Arbeit

11 Prolog untersuchte Rechtspopulismus bedient sich der Methodik, in wir (das Volk, die „wahren Leute“) und die anderen zu unterscheiden (Canovan M. , 2002). Dies machen zwar nicht nur Rechtspopulisten; diese dafür jedoch systematisch und mit bewusst geschaffenen Feindbildern (Politik der Differenzierung).

Was Populisten, insbesondere Rechtspopulisten, eint, ist deren Selbstverständnis, im Wohle einer richtigen Sache zu handeln. Sie betrachten sich als Hüter des „Richtigen“, worunter sie – vereinfacht – die Lebensweise der Bevölkerung verstehen, die vor Ort lebt und zu dem Wir hinzugezählt wird. Das so genannte Richtige lasse sich vom Hausverstand ableiten; und ein solcher sei allgemeines Gut.

Den Rechtspopulisten geht es, sprechen sie von „Kultur“, weniger um Werte wie Aufklärung, Laizismus und Liberalismus, als mehr darum, die eigene Volksgemeinschaft möge den Ton angeben. Richtig ist, was die Volksgemeinschaft und in weiterer Konsequenz der Leader als richtig betrachtet.

In Konsequenz verklären Rechtspopulisten all jene, die angeblich dieses Gefüge bedrohen, zu potentiellen Feinden. Neben Minderheiten und Andersdenkenden sei dies auch die politische Klasse, welche aus Sicht des Rechtspopulisten den Missstand erst ermöglich und somit als Feind der Volksgemeinschaft gilt. Die herrschende politische Klasse, dies seien von den Leuten abgegrenzte Eliten, welche nicht die Meinung des Volks zum Ausdruck brächten.

Die Meinung des Volkes und die damit verbundene große Bedeutung direkter Demokratie sind ein zentrales Thema rechtspopulistischer Politik. „Populismus ist eine radikale Vorstellung von Volksherrschaft jenseits aller Begrenzungen. Das Volk hat eine wesentliche, aber notwendig beschränkte Rolle“, bringt es der Politikwissenschafter Anton Pelinka in einem Interview auf den Punkt (Götz, 2012).

Sprich: Einerseits bedarf es einer austauschbaren Entscheidungselite, welche Strömungen aggregiert und – wenn nötig – auch gegen Widerstände entscheiden kann. Andererseits kann das Volk als solches keine Entscheidung fällen. Das Volk ist kein Subjekt. Oder anders ausgedrückt: Das Volk ist wiederum eine Ansammlung aus Individuen, kein Kollektiv. Der Kunstgriff ist die Schaffung einer repräsentativen Demokratie, welche wiederum von Institutionen und allen voran der Verfassung begrenzt wird.

12 Prolog

Die Gefahren des Rechtspopulismus sind vielfältig. Die Trennung in wir (das Volk) und die anderen impliziert eine Geisteshaltung, die dem Grundsatz der Gleichheit widerstrebt. Diese Ansicht ist anti-pluralistisch. Rechtspopulisten spielen mit Klischees, vereinfachen und übertreiben in deren Darstellungen. Rechtspopulistische Politik lebt von einer permanenten Kampagne gegen Minderheiten. Zudem stellt sie die Institutionen des Staates in Frage, prangert eine (vermeintliche) Herrschaft der Eliten an.

Gleichzeitig berufen sich Rechtspopulisten auf demokratische Grundsätze, stützen sich selbst auf die Säulen des Rechtsstaates. Sie verlangen nach Änderungen, die jedoch die Grenzen einer liberalen Demokratie mit all ihren Werten und Grundsätzen überschreiten würden. Doch gerade eben dieser ständige Tabubruch ist Wesensbestandteil des Rechtspopulismus.

Den Widerspruch, Dinge zu fordern, die in liberalen Demokratien nicht umsetzbar sind, will vorliegende Arbeit untersuchen. Konkret betrachtet sie Fallbeispiele von rechtspopulistischen Parteien Westeuropas, die in Regierungsverantwortung getreten sind. Eine maßgebliche Frage, welche diese Arbeit begleitet, ist jene, ob es sich bei Rechtspopulismus um eine dauerhafte pathologische Störung der repräsentativen Demokratie (Mény & Surel, 2002, S. 3) handelt, oder ob es ein Phänomen ist, das „episodic“ (Mudde, 2004, S. 563) ist und sich damit selbst reglementiert. Oder einfach ausgedrückt: Können rechtspopulistische Parteien längere Zeit an der Regierung bleiben? Beziehungsweise: Werden sie wiedergewählt?

Taggart spricht in diesem Zusammenhang von der „Self-Limiting Mobilisation“ (Taggart, The Populist Turn in the Politics of the New Europe, 2003). Er meint damit zwei wesentliche Probleme, die unkonventionelle Methoden in der Mobilisierung mit sich bringen:

• Einerseits werden auch unkonventionelle Methoden zur Gewohnheit. Rechtspopulisten müssen sich stetig neu erfinden, was zehrend ist und nicht immer gleich effektiv gelingt; zudem ist dieses sich selbst neu erfinden limitiert: Jeder Hype findet ein Ende. • Andererseits verlieren rechtspopulistische Parteien mit der Zeit den Charakter einer Bewegungen. Sie werden Teil der politischen Landschaft, bauen Vorfeldorganisationen auf und gewinnen an institutioneller und personeller

13 Prolog

Substanz. Damit einher geht jedoch ein Verlust an Effektivität. Die Parteien leben davon, als grundlegend anders und gewissermaßen revolutionär wahrgenommen zu werden. Ihnen schadet der Geruch des Alltäglichen.

Einmal an der Regierung beteiligt, verschärft sich diese Diskrepanz. Während eine oppositionelle Kraft die Regierung ablehnen und Kritik an den Eliten üben kann, sind Rechtspopulisten in der Regierung mit Widersprüchen konfrontiert: Nun sind sie plötzlich selbst die Elite. Es schwierig eine permanente Kampagne gegen die Elite anzutreiben, der man plötzlich selbst angehört.

Folgt man der Selbst-Limitierungs-These von Taggart, sind Rechtspopulismus mit seiner Ablehnung von Eliten und Institutionen und eine Regierungsbeteiligung gewissermaßen ein Widerspruch. Es sei denn, die Bewegungen beziehungsweise Parteien sind im Stande, eine Doppelstrategie zu etablieren die glaubhaft versichert, zwar Teil der Regierung zu sein; wegen externer Umstände könnten sie jedoch nicht wie geplant handeln. Wobei dazu angemerkt werden muss, dass auch diese Doppelstrategie an Effektivität verlieren kann.

Taggart ist der Meinung, dass diese Wandlungsfähigkeit limitiert ist. Der Erfolg rechtspopulistischer Parteien sei einer, der episodisch, nicht dauerhaft, auftrete (Taggart, The Populist Turn in the Politics of the New Europe, 2003, S. 9). Mudde schließt sich dieser Ansicht an, wenngleich er unterstreicht, dass die gesamte Politik populistischer geworden sei, also der Populismus der (Rechts-)Populisten im gesamten System Spuren hinterlassen habe (Mudde, 2004, S. 552ff).

Diese Frage nach der dauerhaften Bestandsfähigkeit rechtspopulistischer Bewegungen/Parteien will die vorliegende Arbeit untersuchen: Ob rechtspopulistische Parteien im Stande sind, diesen Widerspruch zu meistern oder ob sie die Selbst- Begrenzungs-These scheitern lässt?

14 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Forschungsobjekt

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Österreich, den Niederlanden und Italien, wo rechtspopulistische Parteien in Regierungsverantwortung (Funktion im politischen Regierungssystem) standen. In allen drei Ländern ist die Konkordanz, also das Zusammenfinden unterschiedlicher Strömungen in einer Partnerschaft, ein wesentlicher Bestandteil (gewesen). Was inhaltlich im Detail unter einer rechtspopulistischen Partei zu verstehen ist, damit beschäftigt sich diese Arbeit im Kapitel: Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung (S. 37ff).

Im Sinne der typologischen Merkmale der ausgewählten Parteien sind fünf Kriterien für die Bewertung der Partei markant (Decker, 2014):

1. Ideologisch-politische Zugehörigkeit und Programmatik: Die ausgewählten Parteien sind rechtspopulistisch und dem rechten Spektrum zuzuordnen. Hinsichtlich ihrer Position sind sie nicht extrem (wie beispielsweise rechtsextreme Parteien), mitunter jedoch radikal in ihren Ansichten. Rechtspopulistische Parteien lehnen den Staat als Konstrukt nicht ab; sie stehen ihm jedoch kritisch gegenüber. 2. Historischer Ursprung und Entstehung: Die zu untersuchenden Parteien sind Neugründungen oder entstammen aus einer Partei, die sich radikal verändert oder neu aufgestellt hat. Im untersuchten Fall sind es Parteien (beziehungsweise es wurde/wird suggeriert, man sei eine Bewegung), die nationalistischen Zielen folgen und die Notwendigkeit einer maßgeblichen Veränderung suggerieren. 3. Organisationsstruktur: Seitens der Dichte an Mitgliedern sind rechtspopulistische Parteien, kurz RPP, in der Regel keine Massenparteien. Je nach Alter der Partei kann es sich um Bewegungsparteien handeln, die sich um

15 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

einen – in der Regeln –charismatischen Anführer formten (wie beispielsweise die LPF in den Niederlanden); oder es handelt sich um eine gewachsene Partei (wie beispielsweise die FPÖ unter Jörg Haider), die sich seitens ihrer Anhängerschaft von einer Randpartei markant ausweitete. 4. Struktur der Anhängerschaft: Während sich die Lega Nord als territoriale Partei tituliert (mit einer Aufweitung ihrer Anhängerschaft in ihrer fortlaufenden Geschichte), werben andere RPP um alle Wählerschichten (catch-all partys). Verglichen zu ständischen oder Klassenparteien vertreten RPP nicht oder nur ansatzweise die Interessen von bestimmten Wählerschichten. Sie sind – gewissermaßen – post-modern, was ihren Blick betrifft. 5. Zielorientierung und Funktionen im politischen System: Neben Erfolgen bei Wahlen und der Mitgestaltung im politischen Prozess wollen so gut wie alle Parteien – in der Regel – politische Regierungsämter, um Dinge bewegen zu können. Und hierbei findet sich ein zentraler Punkt: Die ausgewählten Parteien dieser Untersuchung sind nicht nur rechtspopulistisch – sie sind oder waren auch in Regierungsverantwortung. Rechtspopulistische Parteien stehen dem Staat kritisch gegenüber und propagieren ihren Wählern gegenüber einen Wandel. In einer Koalitionsregierung – wie es bei allen Regierungen der Fall war – stößt man mit der Durchsetzung seiner Wünsche jedoch an Grenzen. Die Frage ist: Wie gingen die Parteien mit diesem Reibungspunkt um?

In Summe der Eigenschaften sind RPP nicht extrem, jedoch markant bis radikal in ihren Ansichten und dem rechten Spektrum zuzuordnen (1.). Es handelt sich um verhältnismäßig neue Parteien oder um solche, die sich stark verändert haben (2.). RPP sind keine Massenparteien wie beispielsweise christdemokratische oder Sozialdemokratische Parteien (3.). Seitens ihrer Ausrichtung sind RPP in eingeschränktem Sinne catch-all Parties, wenngleich sie – aufgrund ihrer radikalen Inhalte – gewisse Wählerschichten klar ausgrenzen oder sie sich für sie nicht interessant macht. Und seitens ihrer Funktion im politischen System waren sie stark auf oppositionelle Standpunkte fokussiert (4.), wenngleich sie in den ausgewählten Ländern in die Regierungsverantwortung aufgenommen wurden, was sie auf eine Bewährungsprobe stellte – die Frage der vorliegenden Untersuchung.

16 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Bezogen auf das politische System sind demokratische Monarchien oder Republiken im Fokus der Aufmerksamkeit. Parlamentarische Regierungssysteme mit Verhältniswahl und Konkordanz sind, das zeigen die Untersuchungsbeispiele, am anfälligsten für rechtspopulistische Parteien, zumal es keine Mehrheiten (bezogen auf den Staat) bei Wahlen braucht und das Parlament wiederum die Regierung wählt.

Ein solches System erleichtert es kleineren Parteien am politischen Prozess mitzuwirken. Eine geringe Sperrklausel, wie beispielsweise in den Niederlanden, vereinfacht nochmals den Einstieg ins Parlament. In Staaten mit Mehrheitswahlrecht, zum Vergleich, ist in der Regel eine Konzentration auf zwei Parteien zu beobachten (beispielsweise in den präsidentiellen USA, wenngleich auch dort Donald Trump 2017 zum US-Präsidenten gewählt und vereidigt wurde).

Die zu untersuchenden Parteien, die in Regierungsverantwortung standen, wurden jeweils in einem in parlamentarischen Demokratien mit einer Verhältniswahl in eine Koalition aufgenommen. Dieses Kriterium ist keine Voraussetzung für diese Untersuchung; es ist jedoch bei allen drei Fällen zu beobachten.

Im Detail befasst sich diese Arbeit mit folgenden Parteien:

• Österreich: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) beziehungsweise des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), der Nachfolgepartei • Niederlande: Lijst Pim Fortuyn (LPF) • Italien: Lega Nord (LN)

Wichtig ist, wie angesprochen, eine Regierungsbeteiligung. Die bloße Unterstützung beispielsweise einer Minderheitsregierung qualifiziert nicht zur Aufnahme in die Untersuchung. Die entsprechende Partei muss in einer Mehrheits- oder Koalitionsregierung mit Ministern oder einem Ministerpräsidenten im Amt vereidigt gewesen sein. Dies ist wichtig, um der Frage nachzugehen, wie gut oder schlecht sich die Partei beim Regieren geschlagen hat.

Forschungszeitraum ist ab dem Zweiten Weltkrieg (nach 1945) bis heute. Die meisten dieser rechtspopulistischen Parteien konnten in den späten 1980ern und 1990ern erste bedeutende elektorale Erfolge erzielen.

17 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Theoretischer Rahmen

Diese Arbeit basiert auf dem Vergleich. Konkret fußt sie darauf, Fälle zu untersuchen und einen Schluss aus dem Vergleich zu ziehen – auch Fallvergleich oder Vergleichende Methode genannt (Prittwitz, 2007, S. 15). Sie bezieht sich auf Lijphart Aufsatz Comparative politics and the comparative method (Lijphart A. , 1971), der diese Methode entwickelt hatte.

Der Autor zieht als Methode das Most Different Systems Design (most- dissimilar cases) heran (Jahn, 2013, S. 239). Diese Methode eignet sich zum Vergleich stark unterschiedlicher Fälle (Länder mit verschiedenen Regierungssystemen) mit einer abhängigen Variable: eine rechtspopulistische Regierung ist oder war im Amt.

Stark unterschiedlich sind die Fälle insofern, als dass die Rahmenbedingungen in den Untersuchungsländern teils markant voneinander abweichen: Während beispielsweise in Österreich Koalitionsregierungen aus – in der Regel – zwei Parteien bestanden (SPÖ, ÖVP), ist Italien vom Wechsel von der Ersten auf die Zweite Republik geprägt, welcher ohne formalen Umbruch erfolgte: Ein Korruptionsskandal hatte zu Beginn der 1990er die politische Landschaft massiv aufgerüttelt.

In den Niederland, dem dritten Untersuchungsland, ist die politische Landschaft ähnlich zu Österreich, wenngleich die Vielfalt an Parteien höher war und ist (die Sperrfrist ist niedriger). Vergleichbar sind die Vorfeldorganisationen, wo beispielsweise Lohnerhöhungen und die soziale Absicherung ausverhandelt wurden.

In Anbetracht dieser großen Unterschiede zwischen den zu untersuchenden Ländern, erachtet der Autor – wie beschrieben – die Methode des Most Different Systems Design (MDSD) als richtig für die vorliegende Untersuchung (Anckar, 2008).

Es handelt sich hierbei weiters um eine qualitative Studie, die Akteure, Länder und rechtspopulistische Bewegungen einander gegenüber stellt und versucht, Analogien beziehungsweise Unterschiede heraus zu arbeiten. Wegen der geringen Fallzahl – es handelt sich nur um wenige Staaten, welche diese Kriterien erfüllen – wird in weiterer Folge nach der makro-qualitativen Methode untersucht.

18 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

In dieser vorliegenden Arbeit werden Fallbeispiele analysiert und diese miteinander in Bezug gebracht. Bei der Auswahl eines Fallbeispiels zählen vier maßgebliche Indikatoren:

I. Die zu untersuchende Partei muss rechtspopulistisch sein. Schließlich sollen die Regierungsqualitäten rechtspopulistischer Parteien untersucht werden. Was rechtspopulistisch bedeutet, darauf wird in Folgekapiteln eingegangen. II. Die zu untersuchende Bewegung muss aus Europa stammen und dem ehemaligen Westen zuordenbar sein. „The idea of living at a turning point in history is an important one for populist ideas“, schreibt dazu Paul Taggart (Taggart, The Populist Turn in the Politics of the New Europe, 2003, S. 15). „Although populist movements are usually sparked off by specific social and economic problems“, schlägt Margaret Canovan in dieselbe Kerbe (Canovan M. , 2002, S. 25). III. Der Autor wählte Staaten mit von Konkordanz geprägten Systemen wie Österreich, Italien und die Niederlande für seine Untersuchung. IV. Die Bewegung beziehungsweise Partei muss in Regierungsverantwortung stehen/gestanden sein. Dies ist deshalb zwingend erforderlich für diese Untersuchung, da geprüft werden soll, wie die Partei mit dem Widerspruch aus Elitenkritik und selbst Teil der Machtelite zu sein, zu Recht kam oder kommt. Eine bloße Unterstützung einer Minderheitsregierung wird als nicht ausreichend angesehen: Dies erleichtert es den Rechtspopulisten, eine glaubhafte Doppelstrategie auf Dauer aufzubauen.

Der Vergleich und die daraus folgende Analyse bedingt einer gewissen Normierung. Es muss also klar sein, ab wann ein Kriterium als erfüllt angesehen werden kann. Die geografische Zuordnung sowie die Frage, ob eine Bewegung in Regierungsverantwortung stand, sind dabei noch einfach zu beantworten. Es handelt sich um Hard Facts, die mit ja oder nein beantwortet werden können.

Die Frage, welche Bewegung/Partei als rechtspopulistisch bewertet werden kann, ist komplexer. Es bedarf dazu einer Erklärung, was unter rechtspopulistischen Parteien zu verstehen ist; wie Rechtspopulismus von Rechtsextremismus abgrenzt und wann nicht zwingend von Rechtspopulismus die Rede sein kann. Dieser Punkt ist einer, der unzureichend mit ja oder nein beantwortet werden kann. Es kann jedoch

19 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik erklärt werden, in wie weit eine Bewegung/Partei als rechtspopulistisch angesehen werden kann (siehe dazu Kapitel Forschungsobjekt, S15ff und Rechtspopulismus: eine Zusammenfassung, S87ff).

Wie in der Definition ausgeführt wird, gibt es kein einheitliches theoretisches Konstrukt, welches Rechtspopulismus beschreiben könnte. Zu Teilen wird in der Wissenschaft noch darüber debattiert, ob es sich im Rechtspopulismus überhaupt um eine Ideologie oder lediglich um eine Strategie handelt (Canovan M. , 2002, S. 29ff).

Weiters fehlt Rechtspopulisten und ihren Bewegungen so etwas wie eine Utopie: Also die Vorstellung einer zukünftigen Welt, für die es sich einzusetzen gilt und lohnt. Sofern Rechtspopulisten so etwas wie eine Utopie zuzuschreiben ist, dann jene, dass sie den Leuten versprechen, eine Rückgabe der Macht von den Eliten zum Volk würde die Welt besser machen.

Was für Schwierigkeiten in der Einordenbarkeit sorgt, ist deren chameleonic politic (Taggart, 2003, S. 14), die zu einem Wesensbestandteil von Rechtspopulisten zählt. Darunter ist einerseits deren (Chamäleon-artige) Wandlungsfähigkeit gemeint; andererseits deren Versperrung gegenüber dem gängigen Einteilungsschema von links oder rechts (post-moderne Parteien). Rechtspopulisten sind zwar, wie der Name erahnen lässt, tendenziell rechts der Mitte angesiedelt. Sie können jedoch auch linke Themen aufgreifen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die FPÖ in ihrer Blütezeit zur stärksten Kraft unter Österreichs Arbeitern 1 wurde und damit die Sozialdemokratische Partei an der Spitze ablöste.

Ein anderes Beispiel für die schwierige Einordenbarkeit nach klassischen Schemen ist der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der – wenngleich rechts der Mitte angeordnet – als atypischer Populist gilt: Während die koalierende Lega Nord das Anti-Ausländer-Thema in das Zentrum ihrer Politik rückte, zeigte sich Berlusconis Bewegungspartei Forza Italia (beziehungsweise die ihr folgenden Wahlbündnisse) pragmatisch, wenngleich er die Lega mit ihren Forderungen durchaus unterstützte.

1 Hierzu wirft Reinhold Gärtner die Frage auf, wie links die österreichische Arbeiterschaft überhaupt eingestellt war und ist? Diese Fragestellung ist zwar nicht Teil dieser Untersuchung, sie stellt jedoch einen interessanten Aspekt der cleavage-Forschung dar.

20 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Forschungsfrage

Rechtspopulismus bedeutet in vielerlei Hinsicht, Forderungen zu propagieren, die gegen gängige Konventionen verstoßen oder etwas sehr Komplexes mit (vermeintlich) einfachen Mitteln zu lösen. Rechtspopulismus ist – der Autor wird näher darauf eingehen – eine thin-centred ideology (Mudde, 2004), die sich an Strömungen anpasst. Das selbstformulierte Ziel der rechtspopulistischen Parteien ist, die Macht der Eliten zu beschränken und den Volkswillen durchzusetzen.

Der Rechtspopulist bietet einfache wie gleichsam radikale Lösungen für Probleme, die alles andere als simpel sind. Ein Prinzip, das in Opposition anwendbar ist, in Regierungsverantwortung jedoch sehr rasch an Grenzen stößt. Denkt man diesen Gedanken weiter, so sind Rechtspopulisten, welche in die Regierungsverantwortung treten, zum Scheitern verurteil, können sie ihre Politik des Widerspruches doch schlicht im politischen Alltag nicht so umsetzen.

Die Forschungsthese (H1) lautet demnach:

Rechtspopulistische Parteien bieten Vorschläge die zu trivial sind, als dass sie eine Lösung sein könnten. Stehen sie in Regierungsverantwortung, begegnen sie dem Druck der Knappheit: Die Ressourcen sind begrenzt. Politiker müssen mit ihren begrenzten Mitteln haushalten. Die Folge: Rechtspopulismus ist eine Politik der Opposition, die, einmal in Regierungsverantwortung, zum Scheitern verurteilt ist.

Der Autor bezieht sich auf Paul Taggart, der in diesem Zusammenhang auf die Self-Limiting Mobilisation verweist, wonach sich Populisten in ihrem Wachstum selbst begrenzen. Rechtspopulisten werden demnach entweder weniger populistisch, oder sie werden zerrissen durch interne Konflikte oder sie kollabieren in Folge von Streitigkeiten innerhalb der Partei (Taggart, 2000, S. 100).

Taggart sieht – wie bereits angesprochen – nur zwei Möglichkeiten, wie eine populistische Partei diesem Dilemma entrinnen kann: Sie wird, wie angesprochen, entweder weniger populistisch – mit dem Risiko des Protestes der durch den

21 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Populismus gewonnenen Basis/Wähler – oder sie muss auf mittlere und lange Frist ein konfliktindiziertes Scheitern in Kauf nehmen.

Dem gegenüber stehen jedoch Regierungen mit rechtspopulistischen Parteien involviert wie etwa jene, die von Silvio Berlusconi (Italien) geführt wurde, welcher auch die Lega Nord angehörte. „Die Regierung Berlusconis II (2001-2006, Anmerkung) war die längste Regierung seit 1948. Darüber hinaus ist es Berlusconi als einzigem italienischen Ministerpräsidenten gelungen, volle fünf Jahre im Amt zu bleiben.“ (Kneisler, 2011)

Damit scheint die Regierungszeit von Berlusconi II/III2 geradezu die Anti- These zum gängigen Bild von rechtspopulistischen Bewegungen in Regierungsverantwortung zu sein, die sich selbst in ihrem Anspruch bremsen würden. Sie sind sozusagen das Fallbeispiel dafür, dass Rechtspopulismus und eine stabile Regierung einander nicht zwingend ausschließen müssen.

Die Gegenhypothese (H0) lautet demnach:

Rechtspopulisten sind in Regierungsverantwortung nicht zwingend zum Scheitern verurteilt. Ihrer ideologischen Wendigkeit wegen können sie sich an Stimmungslagen besser anpassen als ideologisch stark aufgeladene Parteien mit mächtigen Apparaten.

Forschungsthese wie auch Nullhypothese sind mögliche Szenarien. Dazu sollte noch ergänzt werden, dass auch die etablierten Großparteien Widersprüche in sich tragen. Sozialdemokratische Parteien kämpfen etwa mit einer sich stark verändernden Arbeitswelt, in welcher eine Verschiebung hin zu so genannten neuen Selbstständigen stattfindet. Hinzu kommt, dass bei praktisch allen Parteien Mitglieder- und Wählerzahlen nicht deckungsgleich sind. Die Parteien müssen also einerseits ihre Mitglieder zufrieden stellen; andererseits wollen sie am „Markt“ möglichst viele mobile Wählerstimmen gewinnen.

2 Der Regierungszeit von Berlusconi II folgte eine weitere Regierungszeit von rund einem Jahr, der jedoch keine Parlamentswahlen voran gegangen waren

22 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Was scheitern bedeutet?

Die Frage, was Scheitern bedeutet, mag trivial klingen. Dabei ist das Wort alles andere als selbsterklärend. Scheitern hat eine hohe Bandbreite. Selten oder so gut wie nie lässt sich die Welt in Schwarz oder Weiß trennen. Das Gegenteil des Scheiterns ist der Erfolg und nachdem beide Nomen sich mit Adjektiven verstärken oder abschwächen lassen, kann schlussgefolgert werden, dass eben nichts Null oder Eins bedeutet. Die Welt spielt sich stets zwischen den beiden Begriffen ab.

Blättern man im Duden nach, was dieser unter „scheitern“ versteht, verweist dieser seitens der Wortherkunft auf:

„17. Jahrhundert, für älter: zerscheitern, gebildet zum landschaftlichen Plural Scheiter von Scheit, eigentlich = in Stücke (Scheite) gehen“ (Duden, 2016)

Der Holzscheit, ein Stück eines Baumstamms, ist die Herkunft des Begriffs. Der Scheit will ausdrücken, dass man aus einem Stück viele Stücke macht; es also zu zerscheitern. In seiner Verwendungsgeschichte wurde aus den Scheiten das Scheitern, das in seiner Verwendung ein breites Spektrum an Anwendungen fand.

Der Duden nennt als Beispiele:

Bankrott machen, eine Abfuhr erhalten, keinen Erfolg haben, sich nicht durchsetzen können, Schiffbruch erleiden, sein Ziel nicht erreichen, stolpern, straucheln, versagen, zu Fall kommen; (gehoben) keinen Zuspruch finden, stranden; (umgangssprachlich) auf den Bauch fallen, auf der Strecke bleiben; (salopp) auf die Schnauze fallen, baden gehen, einbrechen; danebengeraten, eine Schlappe erleiden, fehlschlagen, missglücken, misslingen, missraten; (schweizerisch) fehlen; (umgangssprachlich) auflaufen, danebengehen, floppen, hochgehen, ins Auge gehen, platzen, schiefgehen, sich zerschlagen; (salopp) in die Hose gehen; (scherzhaft) verunglücken (Duden, 2016)

Allein dieser Blick ins Wörterbuch lässt erahnen: Scheitern ist ein groß dimensionierter, sehr facettenreicher Begriff. Seitens seiner zeitlichen Ausdehnung kann Scheitern ein kurzzeitiges Ereignis sein (etwa in Form eines nicht erreichten

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Wahlziels) oder es kann sich auf eine lange Zeitspanne auswirken (gescheiterte Existenz). Betrachtet man seine Dimension, kann es ein kleines Geschicklichkeitsspiel sein, an dessen Ziel man scheitert; aber es können auch großes Gebilde, etwa Staaten, scheitern (failed states).

Der Begriff des Scheiterns ist in seiner allgemeinen Verwendung immer auch an Normen und Erwartungshaltungen geknüpft. Von Unternehmern erwarten wir als Gesellschaft, dass sie erfolgreich sind. Handeln sie nicht den Vorstellungen des Markts entsprechend und müssen sie beispielsweise Konkurs anmelden, so spricht man von gescheiterten Unternehmen. Dasselbe gilt für Schüler, die, fallen sie durch, gescheitert sind oder Favoriten im Sport, deren Ziel stets das Gewinnen sein sollte.

Der Soziologe Götz Lechner verweist im Zusammenhang mit dem Begriff des Scheiterns auf eine unterschiedlich populäre Verwendung des Worts, je nach Zeitgeist:

„Scheitern, dieser Begriff war lebensweltlich und somit alltagssprachlich in den letzten Dekaden auf dem Rückzug, allenfalls Ehen und Elfmeterschützen konnten noch scheitern. [...] Seit einigen Jahren scheint das ‚Scheitern’ allerdings eine Renaissance zu erleben.“ (Lechner, 2004, S. 33)

Lechner verweist dabei auf die Gründung von Nationalstaaten, die es jedem, zynisch formuliert, „ermöglichten“, als Held zu sterben – beziehungsweise nach dem Tode als Held verehrt zu werden. Waren es früher ausschließlich Privilegierte und Auserwählte, die in der Geschichtsschreibung gehuldigt wurden, wandelte sich diese Kultur mit der Ausbildung und der Dominanz von Nationalstaaten: Plötzlich starben Millionen von Männern auf den Schlachtfeldern; während und bereits vor den Weltkriegen. Zuhause, in den Dörfern und Städten, wurden Soldatenfriedhöfe angelegt und Denkmäler mit Inschriften wie: „Unseren Helden“, versehen. Gleichgültig, wie gut man kämpfte: Jeder war fortan ein Held. Der Tod wurde mit Heldentum gleichgesetzt. Der Begriff des Helden und der mit ihm verknüpfte Erfolg, sei es in Sieg oder Niederlage, erfuhr eine inflationäre Verwendung.

Die – umgekehrt definiert – um ein Vielfaches häufigere Verwendung des Begriffs „Erfolg“ gegenüber dem „Scheitern“ lässt sich empirisch untermauern. Mona I. Thraen, eine Ökonomin, fand in einem trivialen Test heraus, dass in Zeiten

24 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik boomender Erfolgsratgeber der Begriff „Erfolg“ 8,4 Mal häufiger in der deutschsprachigen Google-Suche zu finden ist als „Scheitern“ (Thraen, 2011, S. 10).

Inzwischen hat sich dieser Trend noch massiv verstärkt: „Erfolg“ ist rund 39 Mal häufiger zu finden als „Scheitern“ und „Misserfolg“ erreicht nur einen Bruchteil (1:478) der Verbreitung von „Erfolg“.

Tabelle 1: Die Begriffe „Erfolg“, „Scheitern“ und „Misserfolg“ geordnet nach der Häufigkeit an Suchergebnissen auf google.at (deutschsprachige Suche, Zahlen in Millionen Hits).

350

300

Millionen 250

200

150

100

50

0 Erfolg Scheitern Misserfolg

Wer auf amazon.de Bücher zu den Themen „Erfolg/Ratgeber“ sucht (amazon.de, 2016), landet mehr als 29.000 Treffer. Wenngleich oft beklagt wird, Medien seien voll mit negativen Schlagzeilen, scheint in Summe der Begriff des Erfolgs deutlich erfolgreicher zu sein als jener des Scheiterns.

Will man Scheitern als wissenschaftlichen Begriff definieren, stößt man in der Soziologie auf negative, durch Erwartungshaltungen determinierte Beschreibungen: „Scheitern ist nicht etwa, was stattfindet, sondern etwas, was als Konsequenz des Nicht-Eintretens eines erwarteten Ergebnisses festgestellt wird“, schreibt beispielsweise der deutsche Soziologe Matthias Klemm (Klemm, 2013, S. 185). Er ergänzt, dass Scheitern stets etwas Absolutes ist und eine Zäsur bedeutet.

Im Zusammenhang mit technischen Innovationen wird Scheitern meist als Zustand des sich nicht durchsetzen Könnens gleichgesetzt. „80 bis 90 Prozent aller Innovationsversuche scheitern. Aber die Entwicklung von neuen Produkten und

25 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Problemlösungen ist immer ein Tasten und ein Suchen. Aber ohne Scheitern kein Erfolg. Und manchmal gelingen auch Erfolge, mit denen keiner gerechnet hat, wie zum Beispiel mit der SMS“, erklärt Reinhold Bauer, Professor für Wirkungsgeschichte der Technik an der Universität Stuttgart (Hauck, 2014).

Das Interessante an technischen Innovation, ergänzt Bauer, sei deren Möglichkeit zur späteren „Wiedererfindung“. Er nennt das Bildtelefon als Beispiel, das in den 1970ern vom US-amerikanischen Telekomunikations-Konzern AT&T nach umfangreicher Marktforschung eingeführt worden war. Wenngleich den Leuten die Technologie aus Science-Fiction-Filmen bekannt war und es Umfragen zu Folge eine Nachfrage danach gab, scheiterte das Bildtelefon am Markt. Erst Jahrzehnte später, als sich Services wie Skype (heute zu Microsoft gehörend) oder Facetime (Apple) etablieren konnten, feierte das Bildtelefon eine Wiedergeburt.

In seinem Buch Gescheiterte Innovationen: Fehlschläge und technologischer Wandel nennt Bauer fünf Gründe, die für innovatorisches Scheitern verantwortlich sind (Bauer, 2006, S. 33ff):

• Innovationen, die aufgrund der Konkurrenzsituation scheitern • Innovationsversuche, die an technischen Problemen scheitern • Innovationsversuche, die wegen einer Fehleinschätzung der potentiellen Nutzer scheitern • Innovationsversuche, die aufgrund zu hoher Anpassungserfordernisse scheitern • Innovationsversuche, die aufgrund eines instabilen „Entwicklungsraums“ scheitern (damit meint Bauer beispielsweise eine Sprunghaftigkeit im Management eines Unternehmens)

Neben diesen Rahmenbedingungen, erläutert Bauer, sei der bereits angesprochene Zeitpunkt der Innovation wesentlich. Hierbei lässt sich eine Brücke zur Politik bauen: Nicht jede politische Idee ist zu jeder Zeit durchsetzbar. Es braucht stets die Zeit, um Anhänger für Ideen oder Ideologien zu finden.

In politisch stabilen Phasen wie es beispielsweise Österreich zu Beginn der Zweiten Republik war, als es kaum Wechselwähler gab, hätten rechtspopulistische Parteien kaum Anhänger gehabt. Es gab zwar bereits die FPÖ beziehungsweise damals

26 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik noch den Verband der Unabhängigen (VdU); dieser fand seine Wählerschaft jedoch in einem klar abgesteckten Bereich rechts der Mitte. Es wäre damals undenkbar gewesen, die Lagerbildung aus Christlich-Sozialen und Sozialdemokraten zu sprengen, zumal Konkordanz ein hoher Wert war.

Man kann dem Scheitern aber auch gute Seiten abgewinnen. Wenngleich der Begriff in seiner Empfindung stark negativ aufgeladen ist, ist er wichtig für jegliche Form der Weiterentwicklung. René John und Antonia Langhof beziehen sich in Die heimliche Prominenz des Scheiterns (John & Langhof, 2014) auf die zuvor bereits zitierten Soziologen Matthias Junge und Götz Lechner (Junge & Lechner, 2004) und verweisen auf zwei Grundtypen des Scheiterns: absolutes und graduelles.

• Absolutes Scheitern ist ein Zustand, der ausweglos erscheint. „Absolutes Scheitern bedeutet, dass sich die Zeit für den Gescheiterten verändert. Zeit schrumpft im absoluten Scheitern zu einer absoluten Gegenwart ohne Ausdehnung in die Zukunft. Der Zukunftshorizont jeglichen Handelns geht verloren. [...] Absolutes Scheitern verdichtet die Zeit auf eine horizontlose unendliche Gegenwart“, schreibt Matthias Junge (Junge & Lechner, 2004, S. 25).

• Graduelles Scheitern, demgegenüber, ist kein absoluter Zustand. Wenngleich der Gescheiterte die Niederlage als bedeutsam wahrnimmt, gibt es so etwas wie eine möglicherweise positive Zukunft, in welcher ein Erfolg wieder möglich scheint. Im wissenschaftlichen Rekurs, retrospektive auf diese Arbeit bezogen, ist das graduelle Scheitern der zentrale Begriff, zumal politisches Scheitern in der Regel nie von absoluter Dimension ist. Eine Wahlniederlage, um ein Beispiel eines Scheiterns heranzuziehen, führt manchmal zum Niedergang einer Partei; selten jedoch zum absoluten Ende einer politischen Ideologie oder Idee.

Gerade das graduelle Scheitern, also das nicht vollständige, ist wichtig für die Weiterentwicklung, eröffnet es doch Chancen: „Insofern kann Scheitern dann im Popper’schen Sinne als Falsifikation oder im Sinne der schöpferischen Zerstörung Schumpeters gefasst werden. Scheitern ist dann erkenntnisleitend und erneuernd und die Bedingung für Innovation.“ (John & Langhof, 2014, S. 4)

27 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Daraus kann auf die Politikwissenschaft, respektive auf den Rechtspopulismus, abgewandelt werden, dass rechtspopulistische Parteien aus dem graduellen Scheitern (sofern die Regierung scheitert) lernen dürften. Es ist sozusagen ein Widerspruch zu Taggarts Selbstlimitierungs-These, welcher diese mögliche Lernfähigkeit nicht als Bestandteil seiner Betrachtung in Erwägung zog.

Dieser Rundumblick auf die Definitionen und das Verständnis des Scheiterns lässt erahnen, dass sehr klar definiert werden muss, was unter einem Scheitern zu verstehen ist. Begriffe, welche stark durch Erwartungshaltungen aufgeladen sind, können in der Wissenschaft Schwierigkeiten bereiten, zumal das Scheitern eben stets eine relative Größe ist: Totales Scheitern ist ein seltenes Phänomen. Und graduelles Scheitern ist eben stark geprägt von Erwartungshaltungen und Empfindungen.

Fälle totalen Scheiterns sind nicht ausgeschlossen, sie dürften jedoch tendenziell selten auftreten: In gewisser Weise leben selbst hochgradig graduell gescheiterte Theorien und Bewegungen in Nischen weiter. Als Beispiel kann etwa der Nationalsozialismus genannt werden, der als bestimmende Ideologie nicht mehr breitentauglich (beziehungsweise in manchen Staaten verboten) ist. In der Nische überdauerte sein Erbe jedoch.

Es gilt also den Begriff von Fragen des Empfindens zu befreien, ihn in Kategorien zu unterteilen, ihn abzustecken und damit zu einer klaren Größe zu verwandeln. Der Autor wählt zu diesem Zweck vier Kategorien, die einzeln bewertet werden. Aus der Summe dieser Kategorien bildet sich eine Schnittmenge, welche die Partei (eher) als gescheitert oder (eher) als erfolgreich bewertet. Es wird bestimmt, wie hoch oder gering das Scheitern war.

Das Ausmaß des graduellen Scheiterns kann gering sein (wenn beispielsweise das Wahlziel nicht ganz erreicht wurde) oder sehr hoch (wenn beispielsweise die Durchsetzungsfähigkeit gering, die personelle Konstanz kaum vorhanden waren und die Regierung scheiterte). Die Bewertung der Höhe des graduellen Scheiterns erfolgt in Form einer qualitativen Bewertung; also einer Beschreibung der ausgewählten Kriterien samt Einzelbeurteilung.

28 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Bezug nehmend auf das Scheitern an sich sowie auf die Literatur von Wolfgang C. Müller und Kaare Strøm (Müller & Strøm, 1997) wählte der Autor vier Bewertungskriterien die helfen sollen, die Art und das Ausmaß des graduellen Scheiterns zu bestimmen:

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit II. Personelle Ressourcen und Konstanz III. Verhaltensmuster IV. Das Bestehen gegenüber externen Faktoren

Es wird insofern der Blick eingeschränkt, als dass sich die Betrachtung auf die jeweilige Regierung richtet. Das Scheitern bezieht sich nicht auf die Partei an sich, sondern auf die Arbeit, die Durchsetzungsfähigkeit, die Konstanz und auf Wahlen während beziehungsweise kurz nach der Regierungstätigkeit. Davon ausgenommen sind natürlich fundamentale Umbrüche, etwa das Scheitern einer Partei nach Wahlen, was in die Betrachtung mit einfließt.

Eine genaue Definition dieser Faktoren samt einer Verknüpfung mit politikwissenschaftlicher Methodik erfolgt im folgenden Abschnitt.

29 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Die vier Kriterien des Scheiterns

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit

Dieser Punkt betrachtet Politikfelder (policy), also die Inhalte der politischen Arbeit. Er legt sein Augenmerk – unter anderen – auf ein Thema, das alle Rechtspopulisten eint: ihre restriktive Ausländerpolitik. Es gilt zu prüfen, in wie fern die Parteien ihre im Wahlkampf propagierten Ziele in der Regierungsarbeit durchsetzen können. Politikwissenschafter Reinhard Heinisch spricht des Weiteren von einer Gesamtbetonung auf Themen wie (Heinisch, Success in opposition – failure in government: explaining the performance of right-wing populist parties in public office, 2003, S. 103):

• Deregulierung • Ökonomische Liberalisierung • Privatisierung und soziale Kürzungen • Protektionistische Maßnahmen und neue Programme für ausgewählte Gruppen • Law & Order • Europäische Integration • Nationalistische und regionalistische Themen

Abseits dieser grundlegenden Forderungen, welche rechtspopulistische Parteien in ähnlicher Art und Weise fordern, gibt es länder- und regionsspezifische Themen. Bei der österreichischen FPÖ war dies (1999) beispielsweise eine Flat Tax: eine Steuer mit einem fixen Prozentsatz, welche Geringverdiener mit einem Mindestverdienst aussparte (Austria Presse Agentur, 1999). In Italien war es – zumindest anfangs – der Wille der Lega Nord zur Sezession von Padanien und in den Niederlanden war es Pim Furtuyns generelle Kritik am Regierungssystem der Purpurnen Koalition (purple coalition), die er auf vielen Ebenen scheitern sah (Fortuyn, 2002), was er in einem Buch umfassend beschrieb.

30 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Fortuyn setze sich beispielsweise für Änderungen in der Altenbetreuung; für die Reformation des Rechtsstaats und für eine Neuorganisation der politischen Ordnung ein. Im zitierten Buch De puinhopen van acht jaar Paars (Fortuyn, 2002) setzt er die kurz später endende Koalition einer harschen Kritik aus.

Bezüglich der politischen Durchsetzungsfähigkeit gilt es zu überprüfen, welche maßgeblichen Änderungswünsche die Partei im Wahlkampf propagiert hat und wie viele sie davon

• im Regierungsprogramm sowie • während der Regierung

durchsetzen könnte. Zur Überprüfung der maßgeblichen Punkte beschäftigt sich der Autor mit den Wahlkampfprogrammen, den Regierungserklärungen und der Politik während der Regierungszeit. Sollte ein Wahlkampfprogramm, eine Regierungserklärung oder ein ähnliches Dokument nicht aufgesetzt worden sein (oder unauffindbar sein), sind die Themen der Periode zu überprüfen. Hierzu dienen beispielsweise Dokumente der Partei, welche die Inhalte oder Forderungen zum Ausdruck bringen oder Sekundärliteratur, welche die Inhalte beschreibt.

In Folge gilt es die Änderungswünsche zu der neuen Regierung zu überprüfen. „Parteien etwa, die in der Regierung ihre Politikinhalte nicht oder nur in geringem Ausmaß durchzusetzen vermögen, müssen damit rechnen, von den Wählern ‚bestraft’ zu werden“, schließen Müller und Strøm (Müller & Strøm, 1997, S. 41). Zur Überprüfung dienen politikwissenschaftliche und zeitgeschichtliche Literatur, Zeitungsartikel und ein Rückgriff auf Regierungsdokumente. Wichtig ist der emotionale Wert des Erreichten, welcher sich nach den Forderungen ihrer Wähler richtet. Es sind also nicht alle Inhalte gleich wertvoll für die Wähler einer Partei.

Übertragen auf rechtspopulistische Parteien erschließt sich aus diesem Satz eine interessante Frage, führen doch eben diese Parteien einen Wahlkampf, der voll von großen Versprechen und Kampfansagen ist, die – mitunter – schwierig umsetzbar sind oder nach einem Regierungspartner verlangen, der in ähnlicher Weise denkt. Forderungen in Ausländerfragen sind häufig nicht mit verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten kompatibel. Ergo: Wie gehen rechtspopulistische Parteien in Regierungsfunktion mit diesem Problem um?

31 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Ein anderer Aspekt ist der Widerspruch zwischen dem, was die Partei propagiert und dem, was ihre Wähler wirklich wollen. Beziehungsweise der Widerspruch innerhalb der Wählerschaft, die beispielsweise eine härtere Ausländergesetzgebung fordert, gleichzeitig jedoch – zu Teilen – im Gewerbe und Handwerk auf günstige Arbeitskräfte angewiesen ist. Dies ist, vorab gegriffen, ein Punkt, der insbesondere die Lega Nord betrifft, deren Unterstützer aus der norditalienischen Wirtschaft kommen, die Arbeitkräfte braucht, die nur bedingt lokal verfügbar sind. Einmal in Regierungsverantwortung kommen hierbei rasch Widersprüche an die Oberfläche, die zu Konflikten führen (können).

Eine interessante Nebenfrage, welche diese Arbeit jedoch nicht beantworten will oder nur streift, ist jene der Auswirkungen auf andere Parteien. Also in wie fern rechtspopulistische Parteien mit ihrer Politik die Handlungsweise anderer Parteien beeinflussen. Der Autor möchte jedoch erwähnen, dass er sich dieser „Abfärbung“ auf politische Mitbewerber bewusst ist.

32 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

II. Personelle Ressourcen und Konstanz

Wer regieren will, braucht fähiges, erfahrenes Personal in ausreichend großer Anzahl, das seine Arbeitskraft erst dann entfalten kann, wenn es sich eingearbeitet hat im Amt. Kurze Amtszeiten, ein ständiger Wechsel in der Regierungsmannschaft, können Anzeichen für fehlende Ressourcen oder Inkonstanz sein. Diese Arbeit will prüfen, wie hoch die Kontinuität beziehungsweise Fluktuation bei rechtspopulistischen Parteien ist.

Da rechtspopulistische Parteien in der Regel stark Leader-fokussiert sind, liegt der Fokus im Speziellen auf der zweiten Reihe: Jene, die sich für einen Job als Minister oder einen leitenden Posten innerhalb der Partei qualifizieren. Hierfür braucht es eine Parteistruktur mit qualifizierten Leuten, die anspruchsvolle Tätigkeiten übernehmen können.

Was Konstanz im Detail bedeutet, das lässt sich schwierig mathematisch ausdrücken beziehungsweise sind die Gepflogenheiten in der politischen Konstanz unterschiedlich je nach untersuchtem Land. Ein Indiz liefert jedoch der Vergleich mit dem Koalitionspartner. Also, um ein Beispiel zu nennen, untersucht man die personelle Konstanz der FPÖ, schaut man sich analog dazu die Personalkonstanz der ÖVP an. Selbiges gilt für Lega Nord zur Forza Italia, wenngleich in diesem Beispiel beide Parteien verhältnismäßig neu sind.

Ein häufiger Wechsel in Ministerämtern kann ein Indiz für Unruhe innerhalb der Partei sein. Und es bringt zum Ausdruck, dass es an geeignetem Personal fehlt, um der Regierungsverantwortung entsprechend gerecht zu werden. Fehlt es an fähigen Leuten, deutet dies auf eine zu geringe Dichte an fähigem Personal im Hintergrund hin. Es kann allerdings auch zeigen, dass eine Partei neu ist und ihr dadurch noch die notwendige Struktur fehlt.

33 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

III. Verhaltensmuster

Eine Regierung kann, bezieht man sich auf die Definitionen über Gründe des Scheiterns nach Müller und Strøm (Müller & Strøm, 1997, S. 36ff), aufgrund folgender Primärgründe scheitern:

• Technischer Mechanismen • Verhaltensmuster • Auslösende Ereignisse (folgender Punkt)

Unter technischen Mechanismen des Scheiterns sind solche zu verstehen, die weitgehend exogen sind. Also beispielsweise das Ableben des Regierungschefs, anderwärtige Wahlen, die indirekten Einfluss auf das Parlament haben, oder sonstige äußere Faktoren, die zum Ende führen. Diese technischen Gründe erfassen alle Parteien im selben Maße und folglich nicht nur rechtspopulistische, weshalb sie nicht für die vorliegende Untersuchung geeignet sind.

Verhaltensmuster sind jene Einflussfaktoren, die mit Vorgängen innerhalb der Partei zu tun haben. Darunter sind jene Indikatoren zu verstehen, die aus dem Verhalten der Parteien beziehungsweise deren Akteuren resultieren. Also etwa der Streit zwischen politischen Führern der Parteien oder innerparteiliche Konflikte.

Solche Streitigkeiten können sich auch auf die Regierung auswirken oder in letzter Konsequenz zu deren Scheitern führen. In Folge bezieht der Autor Verhaltensmuster als Kriterium in seine Untersuchung mit ein. Alle zu untersuchenden rechtspopulistischen Parteien werden auf Streitigkeiten oder sonstige Unruhefaktoren hin begutachtet. Diese Frage zeigt darüber hinaus, wie stark der Leader die Partei wirklich im Griff hat.

Dieser Bewertungspunkt bezieht sich auf die genannten Verhaltensmuster: Diese Arbeit überprüft, wie sich die untersuchten Parteien während ihrer Regierungszeit verhalten haben. Kam es zu Krisen? Blieb die Partei stabil?

34 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

IV. Auslösende Ereignisse

Auslösende Ereignisse sind Faktoren wie etwa reguläre Wahlen, die Auswirkung der öffentlichen Meinung oder wirtschaftliche Gründe, die das politische Klima determinieren. Wenngleich sie nur teilweise im Einflussbereich der Parteien stehen, sind wie wichtige Stimmungsindikatoren.

Am einfachsten zu messen sind Wahlergebnisse beziehungsweise das Ergebnis im Bezug gesetzt zur Wahl zuvor. Fällt eine Partei massiv in der Wählergunst, kann von einem Scheitern gesprochen werden. Dies ist ein wichtiger Punkt in der Beurteilung des Scheiterns. Von einem massiven Abfall spricht der Autor, wenn die Anzahl der Stimmen um zumindest ein Drittel abfällt.

Schwieriger in der Interpretation, wenngleich ebenso wichtig, sind die Veränderung des politischen Klimas, wirtschaftliche Gründe oder die öffentlichen Meinung. Sie können die Stimmungslage gegenüber einer Partei verändern und sie beispielsweise zum Rücktritt drängen, was vorgezogene Neuwahlen zur Folge haben kann. Tritt solch ein Fall ein, kann ebenfalls von einem Scheitern der Regierung gesprochen werden, muss sie doch vor Ende der Regierungsperiode die Ämter zurücklegen. Der Autor betrachtet eine Regierungszeit als gescheitert, wenn sie aufgrund interner oder externer Ereignisse vorzeitig endet3.

3 Hierbei muss hinzugefügt werden, dass die Stabilität von Regierungen stark länderabhängig ist. Italien beispielsweise ist bekannt für eine hohe Instabilität und einen hohen Wechsel an Premierministern, während in anderen Ländern Regierungen in der Regel ihre Amtszeit vollenden.

35 Forschungsfrage, Forschungsobjekt und Methodik

Zusammenfassung

Scheitern ist, wie bereits angesprochen, so gut wie nie ein Zustand, der schwarz oder weiß ist. Scheitern ordnet sich zwischen den Polen ein, wenngleich natürlich näher am negativen als am positiven. Aus diesem Grund ist es, wie ausgeführt, in den meisten Fällen ein graduelles Scheitern, das im politischen Leben zu beobachten ist.

Aus der Summe an den vier Kriterien des Scheiterns bildet der Autor eine Schnittmenge, welche zur Bewertung der untersuchten Partei herangezogen wird. Sind zwei oder mehr Punkte negativ zu bewerten, kann von einem graduell ausgeprägtem Scheitern gesprochen werden. Dem gegenüber steht ein gradueller Erfolg mit unterschiedlich starker Ausprägung.

Allerdings lässt sich die Frage, wie groß das Scheitern war, sofern es denn eines war, nicht allein streng nach Zahlen bewerten: Diese qualitative Untersuchung mit geringer Fallzahl lässt Raum für Interpretation, zumal die Arten des Scheiterns in ihrer Deutung selten trivial sind. Der Autor ergänzt Erfahrungen und Beobachtungen, die den Begriff des Scheiterns besser erklären können.

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Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Historische Betrachtung

Nähert man sich dem Populismus von seiner historischen Seite, findet man seine Wurzeln in der Erschließung der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) durch die Eisenbahn (Dubiel, 1986). Im 19. Jahrhundert wuchs eine politische Bewegung, die Schutz gegen die Macht des Großkapitals, in diesem Fall gegen die Eisenbahngesellschaften, welche den Frachtpreis diktierten, suchten. Es wuchs eine wortgewaltige Bewegung, die lautstark ihrem Unmut über die Macht des Geldes, über die Ungerechtigkeiten der Modernisierung Kund tat.

„Kurzum – der romantische Antikapitalismus der amerikanischen Populisten beruhte auf einer regressiven Utopie: der utopischen Erinnerung an einen Gesellschaftszustand, in dem die kulturelle Lebensform und die funktionalen Erfordernisse gesellschaftlicher Arbeit noch nicht entzweit waren“, bringt es Dubiel auf den Punkt (Dubiel, 1986, S. 36)

Diese Betrachtungsweise von Populismus fasst den Begriff jedoch in einer anderen Art und Weise: Weniger politisch als mehr ökonomisch. Dieser Definitionsweise genügt laut Dubiel die Konstellation der Akteure: Sie betrachtet den Prozess, etwa die Modernisierung, und unterscheidet in Gewinner und Verlierer. Allein das Aufbegehren gegen das System, etwa die Steuergesetzgebung, wird als populistisch im ökonomischen Sinn gewertet.

Margaret Canovan wählte in ihrem 1981 erschienen Werk Populism (Canovan M. , 1981) einen sehr historischen Ansatz zur Erklärung, was Populismus denn sei. Sie nennt Ausprägungen, die einerseits eben die Geschichte des Populismus, andererseits aber auch seine möglichen Erscheinungsformen beschreiben. In ihrem Versuch, Populismus in Typen zu kategorisieren, bediente sie sich bisheriger

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Erscheinungsformen, welche das Phänomen sehr umfassend beschreiben. Canovan unterschied typologisch in: (Canovan M. , 1981, S. 10ff)

• Agrarischen Populismus • Politischen Populismus

Unter agrarischem Populismus versteht Canovan eine rurale Gegenbewegungen zu Modernisierungen, wie sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA stattgefunden hat. Dabei splittet sie den agrarischen Populismus weiter auf in: (Canovan M. , 1981, S. 13)

• Bauern-Radikalismus • Bauern-Bewegungen • Intellektueller Agrar-Sozialismus

Dem gegenüber stellt Canovan den politischen Populismus, dem sie Inhalte zuordnet, die Partikularthemen übertönen. Formen des politischen Populismus laut Canovan sind: (Canovan M. , 1981, S. 13)

• Populistische Diktaturen • Populistische Demokratie (Ruf nach Referenden) • Reaktionärer Populismus • Populismus der Politiker

Die Politikwissenschafterin Karin Priester betrachtet den amerikanischen Agrarpopulismus des 19. Jahrhunderts als erste Welle des Phänomens, das seither zyklisch wiederkehrend „in bestimmten Abständen das Land“ durchzieht (Priester, 2007, S. 78). Priester ordnet den US-Populisten eine gewisse Kontrollfunktion zu. Sie seien die Dritte Macht gewesen in einem Land, in dem sozialistische wie auch faschistische Bewegungen nie tiefgreifend Fuß fassen konnten.

Das Besondere am historischen US-Populismus ist, dass dieser seine Utopie nicht zwingend in der Vergangenheit suchte. Gründe dafür dürften die späte Besiedelung des Landes sein. „Land im Überfluss, geringe Staatstätigkeit und die Ideale der ersten Siedlergeneration bildeten den Hintergrund für die populistische Utopie vom ‚goldenen Zeitalter’.“ (Priester, 2007, S. 78)

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Moderne Populisten, diese Arbeit wird noch näher darauf eingehen, versprechen vielmehr die Wiederherstellung einer alten, romantisierten Ordnung. Dieser neue Rechtspopulismus ist retrospektiv. Seine Ideale sind alte Ordnungen und Methapern wie jene des „ordentliche“n Handwerkers, der heute gegen übermächtige Industriebetriebe und ein gieriges Bankenwesen ankämpfen müsse. Rechtspopulismus ist demnach skeptisch bis ablehnend gegenüber der Moderne und dem Fortschritt. Auch die Postmoderne mit ihrer Konzentration auf den Dienstleistungssektor ist nicht das, wonach der Rechtspopulist sich sehnt.

Im Zusammenhang mit dieser retrospektiven Utopie finden sich in der Sprache der neuen Rechtspopulisten viele Adjektive, welche alte Tugenden positiv beschreiben. Es ist nicht von Handwerkern, sondern von fleißigen Handwerkern die Rede. Die Bürger – zumindest die guten, richtigen Bürger – sind gleichzeitig ordentliche und rechtschaffende Bürger, die in einer ständigen Abwehrhaltung gegenüber dem Bösen stehen, das einerseits von oben bedroht werde (Industrie, Banken), andererseits von außen (Ausländer, Amerikanismus, Europäische Union).

Diese modernen beziehungsweise post-modernen Rechtspopulisten sind damit in einer immer fortwährenden Verteidigungsposition gegen allerlei Feinde aus allen Schichten und Ebenen. Diese scheinbare Notwendigkeit zur Verteidigung ist jedoch auch ein Mittel zur Einigung: Aus diversen Abwehrhaltungen wird eine Bewegung (in der Darstellung nach außen) beziehungsweise in Folge eine Partei.

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Populismus: ein komplexer Begriff

Will man festmachen, was Populismus respektive Rechtspopulismus im heutigen Sinn ist, stößt man in der Alltagssprache auf eine breite Verwendung des Wortes. Selbst die Politikwissenschaft war sich lange nicht einig, was unter Populismus zu verstehen sei. Zu unterschiedlich seien die Ausprägungen, als dass man sie unter einem Nenner sammeln könnte.

Rechtspopulismus grenzt einerseits an den Wunsch nach mehr direkter Demokratie, welcher nicht zwingend populistisch sein muss, an. Andererseits sammelten sich in rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien Protestwähler, die darin eine Alternative zur Nichtwahl sehen. Rechtspopulistische Führungspersonen schenken (scheinbar) jenen Wählern eine Stimme, die sich von etablierten Parteien nicht verstanden und folglich nicht repräsentiert fühlen.

Populismus wurde mitunter auch als „Politik simplifizierender Antworten“ missverstanden, schreiben Fröhlich-Steffen und Rensmann in ihrer Beurteilung (Fröhlich-Steffen & Rensmann, 2005, S. 5). Zu Beginn der Populismus-Forschung wurde argumentiert, bei Populisten handle es sich nicht um eine spezielle Gattung, die nach einer Kategorisierung verlange.

„Zunächst ist festzustellen, dass es keine allgemein akzeptierte Definition von Populismus gibt. Was die Begriffslosigkeit des Begriffs Populismus angeht, ist zu vermuten, dass der Zusammenhang von konkreter gesellschaftlicher Ausgangslange und wissenschaftstheoretischem Bemühen im Begriff selbst noch keinen angemessenen Ausdruck gefunden hat“, schlussfolgerte der Politikwissenschafter Werner W. Ernst 1987 – ein Jahr nach der Übernahme der österreichischen FPÖ durch Jörg Haider – in seinen Betrachtungen, was Populismus denn sei (Ernst, 1987, S. 10). Er ortet ein Theoriedefizit (bezüglich Gesellschaft) im Zusammenhang mit dem doch sehr häufig verwendeten Begriff des Populismus.

Bis in die 1980er hinein vertraten viele Wissenschafter gar die These, dass Populismus etwas nicht Greifbares sei, zu heterogen seien die Ausprägungen:

40 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

„This eclectic collection of situations, phenomena and data have led many observers and analysts to believe, that there is no such thing as ‚populism’, but, rather, a mix of extremly heterogeneous situations which can be analysed according to type, but which cannot be reduced to any form of comprehensive unity“, schreiben dazu Yves Mény und Yves Surel in ihrem Standardwerk Democracies and the Populist Challange (Mény & Surel, 2002, S. 2).

Das Wort „Populismus“ floss zunehmend in die Alltagssprache ein, wenngleich der Begriff zum Sammelbegriff für ungewöhnliche und lautstarke politische Methoden wurde. Der Begriff wurde ein Synonym für „krankhafte“ (pathologische) Ausprägungen von Demokratie.

In der angesprochenen Alltagssprache wird der Begriff des Populismus häufig anders verwendet als im wissenschaftlichen Diskurs. Populismus, resümiert Politikwissenschafter Lars Rensmann, sei mitunter „ein schillerndes Schlagwort, mithin ein politischer Kampfbegriff“ (Rensmann, 2006, S. 59). Die überzogene Vereinfachung wird im politischen Diskurs als populistisch gebrandmarkt.

Populistisch ist demnach vieles; wenngleich nicht jeder, der Populistisches sagt, als Populist einzustufen ist. Es komme häufig zu Missverständnissen, was Populismus denn sei, sagt auch Paul Taggart (Taggart, 2003, S. 3):

„The difficulty of this is hat it misunderstands populism and therefore misses he point that there may indeed be disparate elements of populism in a wide range of phenomena not normally classified as populist.“

In der politikwissenschaftlichen Forschung wird trotz aller Unschärfen und Missverständnissen nicht auf den Begriff verzichtet. In der Forschung gilt – wie auch für vorliegende Arbeit –, konkret zu definieren, was als populistisch betrachtet wird. Der Autor arbeitet in folgenden Kapiteln eine Definition aus, die für die Bewertung der zu untersuchenden Politikstile herangezogen wird.

41 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Populismus: Blickwinkel und Definitionen

Lange Zeit war in der Forschung strittig, ob es sich bei Populismus um eine Form von a) Politik oder lediglich um ein b) Syndrom der politischen Diskurses handle. In seinem Versuch der Definition konzentrierte sich Peter Wiles in den späten 1960ern – einem sehr frühen Stadium der Populismus-Forschung – auf die Erscheinungsformen von Populismus. Er war der Ansicht, Populismus sei ein Syndrom, das er mit 24 Features zu beschreiben versuchte:

„Populism is moralistic; of a certain style of appearance; dependent on extra- ordinary leaders; as an ill-disciplined movement, self-consisciously loose in its self-definition; anti-intellectuals; anti-establishment; capable of ineffective and short winded violence; class-conscious but conciliatory, avoiding class war; corrupted and bourgeoisies by success; given to small-scale cooperation; supported by those of limited wealth; vigorously opposed to financers; potentially less critical of large-scale productive capitalism; possibly urban (as well as rural); supportive of state intervention; opposes to social and economic inequality cauded by institutions it opposes; in foreign policy particularly suspicious of he military establishment but isolationist in orientation; for religion but against the religious establishment; disdainful of science and technology; nostalgic; mildly racialist to a great extent; various (spanning pre-industrial, peasant anti-industrialism, farmer industry- tolerating); and not to be thought of as bad.“ (Wiles, 1969, S. 16)

Diese von Wiles 1969 vorgefasste und von Paul Taggart 2000 wieder aufgegriffene Definition von Populismus ist sehr breit und entsprechend mehr eine Beschreibung als eine theoretisch-konzeptionelle Fixierung. Sie ist ein Versuch, das schwer in ein Modell zu fassende anhand von deskriptiver Beobachtung einzuordnen. Populismus, folgert Taggart weiter, habe ein „leeres Herz“ (Taggart, The Populist Turn in the Politics of the New Europe, 2003, S. 7), was seine Schwäche sei, ihn aber auch flexibel für Veränderungen mache. Diese Idee des „leeren Herzens“ ist ein Indiz, es könnte sich eben um ein Syndrom, nicht um eine Ideologie handeln, bedingt doch ideologisch stark beeinflusste Politik der Überzeugtheit ihrer Akteure und Wähler.

42 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Hans-Jürgen Puhle wählte einen anderen Weg, Politiker mit populistischen Zügen von Populisten abzugrenzen: Rechtspopulisten würden direkt an das Volk appellieren und sich als Mittler zwischen Volk und Regierungsgewalt verstehen, während die klassische Politik sich aus Sicht des Popolisten als Elitenkaste verstehe, welche im Pakt stehe mit großen Institutionen, der Kirche, der Wirtschaft, den Banken, der Bürokratie und allen anderen Mächtigen (Puhle, 1986, S. 12).

Der Populist versteht sich selbst als Kämpfer gegen diese Machtelite, schreibt Puhle, welche – aus seiner Sicht – nicht im Auftrag des Bürgers handelt. Stattdessen vertrete die Elite die Interessen eben dieser Institutionen. Genau deshalb zeige sich der Populist auch ablehnend gegenüber praktisch allen Vereinigungen, Bündnissen oder Institutionen – mit Ausnahme seiner eigenen natürlich. Diese Ablehnung spiegelt sich in einem andauernden Ruf nach mehr direkter Demokratie wider, denn diese – so die Logik des Populisten – führe zu einer Umgehung der politischen Eliten, welche nicht zum Wohle des Volkes entscheiden würden.

Der Populist versteht sich in weiterer Folge als legitime Stimme des Volkes. Dies bedingt wiederum so etwas wie eine Gemeinschaft (das Volk), die er vertrete. Diese Gemeinschaft sehne sich nach Werten, nach vorindustriellen Idealen.

Rechtspopulisten sind dabei stets widersprüchlich: Sie sind für Europa, jedoch (meist) gegen die Europäische Union. Sie sind für den Kapitalismus, lehnen zu viel Kapitalismus aber gleichzeitig wieder ab. Sie sind für liberale Grundwerte, bekämpfen diese aber wiederum. (Rechts-)populistische Politik ist damit ein ständiger Widerspruch seiner selbst. Bezeichnend ist dabei auch immer die Sprache, mit welcher Populisten beziehungsweise Rechtspopulisten argumentieren: In ihr schwingt Klarheit und gleichzeitig eine überzogene Direktheit mit.

Paul Taggart verweist in seinem Werk Populism auf Isaiah Berlin, der die These vertritt, alle populistischen Bewegungen würden in sechs Ausprägungen einen gemeinsamen Nenner finden (Taggart, Populism, 2000, S. 16-17):

1. Populisten glauben an etwas wie eine einheitliche Gemeinschaft, deren Werte sie vertreten. 2. Populisten glauben nicht an den Staat mit seinen Institutionen, sondern an die Gemeinschaft.

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3. Populisten wollen die Menschen zu einer Art Naturzustand zurückführen; zu einem idealisierten Optimum. 4. Populisten sind in der Regel anachronistisch. 5. Populisten glauben sich im Namen des Volkes zu sprechen und zu handeln. 6. Populisten predigen den Niedergang oder den Untergang der Gesellschaft, was sie mit Modernisierung (oder Globalisierung) verknüpfen.

Ein zentraler ideologischer Baustein rechtspopulistischer Politik ist der Glaube an einen romantischen Urzustand; an eine anachronistische Utopie, welche wiederum als Schablone für das bessere morgen herangezogen wird. Der Populist predigt die Werte einer – wie er glaubt – idealen Welt, die im Gestern stattgefunden habe. Dieser Anachronismus ist zentral für praktisch alle modernen Formen von Populismus. Eine Ausnahme bilden die frühen US-amerikanischen Formen von Populismus, die in ihrem Blick durchaus auch nach vorne gewandt waren.

Der österreichische Politikwissenschafter Werner Ernst versucht den Populismus anhand von zehn Merkmalen („Syndrome“) sehr umfangreich zu umreißen. Populismus bedeute laut ihm (Ernst, 1987, S. 10-12):

1. Eine Art mystische, heilige, religiöse Vereinigung mit der Masse, dem Volk. 2. Die Sehnsucht, zu einem bestimmten Volk, zu einer bestimmten Kultur, aber auch zu einem ‚Stück Erde’ zu gehören. – Industrielle Technik, fortgesetzte Kapitalisierung in allen Lebensbereichen und die in der Folge entstandene Mobilität habe Gefühle von ‚Entwurzelung’ (Erosion ‚alter Werte’) und ‚Heimatlosigkeit’ hervorgebracht, die mit einer ‚alternativen’ Empfindungswelt beantwortet werden: ein ganzheitliches Gesellschafts- und Persönlichkeitsbild, die Einbettung in eine ‚gewachsene’ Kultur, die ‚Fraternisierung’ im Rahmen eines bestimmten Volksgeistes, die nostalgische Rückwendung zur ‚guten, alten Zeit’ (gemeinsame‚ ‚Ursprünglichkeit’), Re-romatisierungsversuche quasi- naturphilosophische Einheitsbestrebungen rousseauistischer und herderscher Provenienz. D. Mac Rae spricht in diesem Zusammenhang auch von einer speziellen Form von ‚Primitivismus’, einer rückwärtsgewandten, ‚konservativen Utopie’ (die Hoffnung auf eine

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Zukunft, die als eine Art verschönerte und verbesserte archaische Vergangenheit vorgestellt wird). 3. Die Mobilisierung von Gegen-Gefühlen kann auch zu Intoleranz, Argwohn gegenüber dem Mitmenschen, Angst vor Verrat (Verschwörungstheorie!), Antisemitismus und Fremdenhass führen. – S.M. Lipset hat bereits 1959 die Vorteilsstruktur von ‚anti-demokratischen Massenbewegungen’ auf ihre soziale Basis hin untersucht und beispielsweise den McCarrhyismus als Protestbewegung ‚kleiner Geschäftsleute’ gefasst, die einer überkommenen frühliberalistischen Ideologie anhingen und aus Angst vor ihrem relativen Niedergang als ‚Klasse der Klein-Bourgeoisie’ zu irrationalem Protestverhalten neigten, wie Regionalismus (Ablehnung gegenüber ‚Hauptstädtischem’), Rassismus, Supernationalismus, Anti- Kosmopolitismus, Faschismus. 4. Lose Organisiertheit der Bewegung. Der Größe der Bewegung wird mehr Bedeutung beigemessen als der Parteidisziplin. 5. Personalismus und physiokratische Ökonomie: der ‚ganze Mensch’ und die ‚ganze Natur’ gelten als Produktivkraft. Was die ökonomische Organisationsform anlangt, so sollen kleine, überschaubare Kooperativen den marktwirtschaftlichen Wettbewerb bilden (Konsum-Kooperativen, Bauern-Kooperativen, Produzenten-Kooperativen). Das Eigentum soll nicht kommunalisiert werden, die privaten Leute müssten weiterhin Eigentümer bleiben. 6. Freiheitsvorstellungen nicht im Sinne libertärer Bestrebungen – sie werden als Identitätsverlust und Wertverfall bekämpft –, sondern im Sinne der Überwindung von Entfremdung und Fremdbestimmung. 7. Gegnerschaft zum Establishment, dem Komplizenschaft mit allem der Kultur und der Heimat ‚Fremden’ angelastet wird. Der populistische Anti- Elitarismus richtet sich vor allem gegen Bürokratie (Dirigismus), Finanzherrschaft (die ‚großen Banken’), die hauptstädtische Intelligenz, gegen Industrieunternehmungen und gegen den Staat als solchen (‚Zentralismus’). 8. Ein ausgeprägter Hang zu Selbstgerechtigkeit und moralischer Tyrannei (die ‚Guten’ und die ‚Schlechten’). ‚Tugend’ wird nur bei den ‚einfachen

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Leuten’, den ‚Menschen von der Straße’ vermutet, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bildeten und deren ‚Traditionen’ in Ehren gehalten bleiben müssten. 9. Spontanität und Spiritualität wird Vorrang eingeräumt gegenüber Planungslogik und Effizienz. 10. Die Modernisierungstendenzen werden apokalyptische (Alp-) Träume erfahren. Formen von Wissenschafts- und Technik-Feindschaft. (Ernst, 1987, S. 11ff)

In der Einordung von Typologien schlussfolgert Ernst Bezug nehmend auf Margret Canovan, dass sich charakteristische Syndrome „bündeln ließen, dass jedoch niemals das gesamte Spektrum von einer Bewegung repräsentiert werde“ (Ernst, 1987, S. 13). In Folge gebe es nur zwei Wesensmerkmale, die in allen populistischen Bewegungen zu finden seien:

1. die Berufung auf das Volk und seine ideologische Überhöhung; 2. eine bestimmte Form von Anti-Elitarismus.

Das Interessante an diesem Volks-Begriff ist der Glaube an einen homogenen Aufbau der Gesellschaft. Die rechtspopulistische Sichtweise differenziert nicht in Schichten beziehungsweise verschließt sich vor der stattgefundenen Individualisierung. Rechtspopulisten kreieren das Wir, eine fiktive Gemeinschaft, die sich horizontal wie vertikal vor inszenierten Feinden abgrenzt. Dieses Wir ist anti- pluralistisch, geht es doch von einer Gleichschaltung der Meinungen aus. Das Volk wird als weitgehend nicht fragmentierte Einheit verstanden (Pelinka, 2005, S. 89).

Der Politikwissenschafter Cas Mudde spricht in seiner Begriffsbeschreibung des Rechtspopulismus von zwei zentralen Definitionen, die in der öffentlichen Debatte angewandt würden. Die erste sei eine, dass (Rechts-)Populismus eine Art Stammtischpolitik sei. Populisten würden suggerieren, den gordischen Knoten mit einfachen Formeln lösen zu können. Dies mache ihre Forderungen populär. „Though this definition seems to have instinctive value, it is highly problematic to put into operation in empirical studies. When is something ‘emotional’ rather than ‘rational’, or ‘simplistic’ rather than ‘serious’? Moreover, sloganize politics constitute the core of political campaigning, left, right and center“, beschreibt Mudde die Probleme dieses einfachen Modells (Mudde, 2004, S. 542).

46 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Die zweite allgemeine Definition laut Mudde ist eine Politik, die primär den Stimmenfang im Auge behält und nicht nach der besten politischen Option sucht:

„But who decides whether policies are ‘sound’ or ‘honest’, rather than ‘populist’ or ‘opportunistic’?“ (Mudde, 2004, S. 543)

Mudde kommt zum Schluss, dass es in der wissenschaftlichen Debatte – nicht in der öffentlichen geführten – über Populismus im Grunde nur einen gemeinsamen Nenner gibt: die Unterscheidung in Eliten und Volk. Beziehungsweise das Volk (the people) und die Mächtigen (the powerful). Doch diese Erkenntnis, folgert Mudde weiter, erkläre nicht, was Populismus nun wirklich sei:

„But this still leaves the question of what populism is: an ideology, a syndrome, a political movement or a political style?“ (Mudde, 2004, S. 543)

Mudde fasst seinen Ansatz jedoch breiter und fügt einen ideologischen Aspekt hinzu: Er spricht, wie Taggart, von einer thin-centred ideology (Mudde, 2004). Damit grenzt er den Populismus von Vollideologien wie dem Sozialismus oder dem Liberalismus ab. Der Populismus sei demnach ideologisch flexibel. Er bedient sich, je nach Nachfrage, linker oder rechter Themen. Wenn Populisten vom Volk sprechen, meinen sie damit jedoch etwas ganz bestimmtes. Das Volk ist Mudde zu Folge ein mystischer Begriff einer Gemeinschaft, die fiktiv ist. In der Literatur ist oft auch von einer rhetorischen Größe die Rede.

Das Volk ist ein Begriff, den es in einem anderen Zusammenhang bereits gibt: Auch die liberale Demokratie bezieht sich auf das Volk. Anders als im Populismus ist der liberal-demokratische Volksbegriff einer mit pluralistischem Bezugspunkt. Wenngleich auch dieser mystisch ist, will er zum Ausdruck bringen, wer die Macht im Staate inne hält: alle BürgerInnen. In modernen Staaten gilt dabei ein egalitärer Grundsatz, wonach jede(r) BürgerIn Rechte und Pflichten hat. Eine Differenzierung innerhalb des Volkes, weder vertikal, noch horizontal, ist im liberal-demokratischen Volksbegriff nicht vorgesehen.

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Die Politikwissenschafter Yves Mény und Yves Surel, Autoren des Standardwerks Democracy and the Populist Challenge, stützen ihre Definition, was sie unter Populismus verstehen, auf drei Grundpfeiler: (Mény & Surel, 2002, S. 11ff)

1. Populisten differenzieren die Gesellschaft in gute Menschen und den Rest, wozu sie – je nach Ausrichtung und Radikalität – auch staatliche Institutionen hinzu zählen. Primär sind es jedoch die Eliten, Andersdenkende und Minderheiten, die nicht zu den „guten Menschen“ beziehungsweise „wahren Menschen“ (true people) hinzuzuzählen seien. Hinter dieser Idee verbirgt sich ein Gedanke der Exklusion und der Gleichschaltung. 2. Populisten vertreten die Ansicht, diese guten Menschen seien verraten worden durch die Idee der repräsentativen Demokratie, welche die Herrschaft der Eliten tarnen würde. Die Eliten würden ihre Machtpositionen nutzen, um im eigenen Interesse zu handeln – oder dem Interesse ihres Machtzirkels –, anstelle Politik zu Gunsten des Volks zu machen. 3. Die Eliten sollen – aus Sicht der Populisten – Platz machen für den wahren Volkswillen. Damit einher geht auch die Entmachtung der Institutionen eines Staates und deren strenge politische Aufsicht. Entscheidungen sollten primär direktdemokratisch zu Stande kommen. Das Volk solle entscheiden, also obliege ihm auch die Abstimmungsgewalt, nicht den Repräsentanten. Mit dem einher geht, dass der Führer der populistischen Partei jener ist, der am besten beurteilen könne, wie denn nun der wahre Volkswille aussehe? (Mény & Surel, 2002, S. 13)

Politikwissenschafterin Karin Priester findet eine knappe, wenngleich sehr treffende Definition für Populismus:

„Populismus ist, zugespitzt formuliert, die Revolte gegen den modernen Staat und wird hier, angesiedelt in einem Dreieck von Anachronismus, Liberalismus und Konservativismus, als eine Volksvariante des konservativen ‚Denkstils’ (Karl Mannheim) analysiert.“ (Priester, 2007, S. 9)

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In ihrer weiter gefassten betrachtet grenzt Priester Populismus in einem zehn Thesen umfassenden Blickwinkel ein: (Priester, 2007, S. 43ff)

1. Die Ausdehnung des Begriffes müsse vorab eingegrenzt werden. Alle möglichen Autokraten und Diktatoren handeln populistisch. 2. Populisten sind keine Revolutionäre. Sie sind anarcho-liberal oder anarcho- konservativ. 3. Sie richten sich gegen die Abschottung der politischen Elite und gegen mangelnde Durchlässigkeit des politischen Systems. 4. Populismus ist nicht inhaltsleer. Er entstammt dem Mittelstand und wurde an heute Denkweisen adaptiert. 5. Populismus steht auch der linken offen; im Besonderen jedoch für die angelsächsische Linke. 6. Die marxistische Linke bediente sich nur einzelner Werkzeuge des Populismus. Sozialdemokratie und Populismus sind einander wesensfremd. 7. Populismus unterscheidet sich von anderen Formen rechter Politik. 8. Die Basis der Populismus ist die (von Abstiegsängsten mobilisierte) Mittelschicht. 9. Populisten ist es nirgendwo in der westlichen Hemisphäre gelungen, die (alleinige) Macht zu erringen. 10. Im 20. Jahrhundert konnten (christliche) Volksparteien das populistische Potenzial weitgehend binden. (Priester, 2007, S. 43ff)

Diese Definition von Priester ist wiederum mehr eine Beschreibung der Ausprägungen als ein Modell. Zudem tragen einige der Punkte modernen rechtspopulistischen Bewegungen nicht mehr Rechnung. Rechtspopulismus konnte etwa die unteren sozialen Schichten erschließen.

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In Österreich löste beispielsweise die FPÖ bereits zwei Mal die Sozialdemokraten als dominierende Partei unter den Arbeitern ab. Interessant ist jedoch die von Priester genannte Abgrenzung zu anderen rechten Parteien. Dem zu Folge sind Rechtspopulisten weder autoritär, noch faschistisch. Sie verfolgen primär anarcho-liberale Ziele.

Sucht man so etwas wie den gemeinsamen Nenner aller Definitionen von Populismus, findet man ihn im – zuvor bereits von Canovan, Ernst und Mudde beschriebenen – Konflikt von Eliten und Masse (Volk). Der Populist und seine Anhänger sind sich einig in der Ablehnung der herrschenden Klasse, welche sie nicht als befugt zur Vertretung ihrer Interessen befinden.

„I define populism as an ideology that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, ‘the pure people’ versus ‘the corrupt elite’, and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people“, schreibt Mudde (Mudde, The Populist Zeitgeist, 2004, S. 543).

Frank Decker versteht unter Populismus „sicherlich keine Weltanschauung“ und verwendet im Zusammenhang mit seiner schwierigen Fassbarkeit und seiner vielen Erscheinungsformen den Plural „Populismen“ (Decker & Lewandowsky, 2010). Abseits dieses Pluralbegriffs deckt sich Deckers Ansicht über Populismus mit jener der wissenschaftlichen KollegInnenschaft: Im Kern stehe das homogene, moralische überhöhte Volk, dessen Antrieb der gemeinsame „Volkswille“ sei.

Decker, ein deutscher Politikwissenschafter, schreibt zum Populismus:

„Zieht man die Facetten ab und bildet man aus den unterschiedlichen Spielarten eine Schnittmenge, so stehen im Zentrum des Populismus-‚Syndroms’ der Rekurs auf das einfache ‚Volk’ und die Kritik am ‚Establishment’. Gemeint sind dabei, wenn vom Volk die Rede ist, immer die kleinen Leuten, deren Wohl durch die herrschenden Eliten angeblich verletzt wird. Das Weltbild der Populisten entspricht mithin einer klaren Feindlage: hier das rechtschaffende Volk, dort die bösen Konzerne, Parteien, Regierungsapparate und sonstigen Machtblöcke, die sich gegen dessen Interessen verschworen haben.“ (Decker, 2007, S. 12)

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Interessant an Deckers Betrachtung ist die Nennung des Begriffs des „neuen Rechtspopulismus“, welchen er zeitlich (Mitte der 1980er entstanden) und räumlich begrenzt (westliche Demokratien). Er ordnet diese Bewegungen ideologisch dem rechten Spektrum zu, ergo spricht er vom „Rechtspopulismus“. Innerhalb dieser bereits engeren Definition verweist Decker auf die große Bandbreite dieses Rechtspopulismus:

„Sie reicht von eindeutig extremistischen wie dem französischen Front National über die radikal-libertäre Variante des Fortuyn-Populismus in den Niederlanden, von der manche bestritten haben, dass man sie überhaupt als ‚rechts’ qualifizieren kann, bis hin zum ideologisch gemäßigteren und stärker angebotsseitig geprägten Berlosconissmo in Italien.“ (Decker, 2007, S. 13ff)

Der in der Schweiz lebende Politikwissenschafter Hans-Georg Betz schreibt über rechtspopulistische Parteien:

„Im Gegensatz zu den Parteien am rechten Rand der Nachkriegszeit stellen Parteien wie die FPÖ, die Schweizer Volkspartei oder die Lega Nord weder die Demokratie zugunsten eines autoritären Regimes formell in Frage, noch leugnen sie die Menschenrechte und damit das Prinzip formaler menschlicher Gleichheit.“ (Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, 2002, S. 251)

Rechtspopulistische Parteien sind, schreibt Betz, eine „Neuerfindung“ im politischen Spektrum. Sie sind nicht zu weit rechts angesiedelt, um von Nicht- Rechtsextremen akzeptiert zu werden; gleichzeitig wurden sie auch eine Partei von Arbeitern, die in ihnen jene sehen, welche das, was sie als Gerechtigkeit empfinden, wieder herstellen. Als Rechtfertigung für die Durchsetzung ihres Willens würden Rechtspopulisten in der Regel auf den (angeblichen) Willen der „Leute dort draußen“ verweisen, erklärt Hans-Georg Betz.

51 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Susanne Frölich-Steffen argumentiert, analog zu Cas Mudde, Populismus sei eine thin-centred ideology (Frölich-Steffen, 2004, S. 6ff). Populismus sei, soweit das Konzept, insofern dünn, als dass keine weitreichende Vision hinter ihm stehe. Grundidee sei, die Probleme anzupacken, wenngleich ihm so etwas wie eine Utopie für eine bessere Welt fehle.

Wichtig im Zusammenhang mit dem neuen Rechtspopulismus, wie er in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, ist der exklusive Nativismus, der zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Darunter ist eine Abgrenzung gegenüber all jenen zu verstehen, die nicht in jenem Land, in dem sie leben, geboren wurden.

Hans-Georg Betz setzt an der Jahrtausendwende den Grenzstein, an dem der Nativismus gekoppelt mit islamfeindlicher Politik in Westeuropa zum dominierenden Thema von rechtspopulistischen Parteien wurde (Betz, 2002, S. 253). Bis dahin war die Kritik an den Eliten das dominierende Thema. Dieser exklusive Nativismus kann auch weiter aufgefasst um mit dem Begriff der horizontalen Abgrenzung beschrieben werden. Diese Definition ist treffender, zeigen sich doch Rechtspopulisten offen für die Anliegen der „guten Ausländer“. Ein Beispiel hierfür ist das Engagement der Freiheitlichen Partei Österreichs in der serbischen Gemeinschaft.

52 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Ideologie des Rechtspopulismus

Was Rechtspopulisten eint, ist, „dass sie kein eigenes, theoretische orientiertes, flächendeckendes Programm haben, sondern lediglich gruppen-, lokal- oder situationsspezifische Belange organisieren“, schlussfolgert Politikwissenschafter Helmut Dubiel (Dubiel, 1986, S. 37). Dies ist auch einer der Gründe, weshalb sich populistische Ideologie so schwer festmachen lässt: Sie ist wenig bis kaum programmatisch. Populisten saugen vielmehr Strömung der Zeit auf und versuchen, sie für ihre Zwecke zu verwerten. Populismus ist reaktiv, nicht aktiv.

Margret Canovan bezeichnet Populismus als Form des politischen Diskurses (Canovan M. , 2002, S. 32). Sie nennt drei Argumente, weshalb sie den Populismus nicht als vollwertige Ideologie betrachtet:

• Dem Populismus fehlt es an ideologischer Substanz und damit verbundenen Vorstellungen, wie sich die politische Welt entwickeln solle. Dies unterscheidet Populismus von „Voll-Ideologien“ wie dem Liberalismus oder dem Sozialismus. • Populismus fehlt es an ideologischem Gehalt, da er reagiert und nicht agiert. Zudem sind die meisten Themen negativer Natur und an eine Anti-Haltung gekoppelt. Lediglich eine Botschaft ist positiv besetzt: Das Versprechen, auf die eigenen Leute (das Volk) zu schauen. • Populismus ist laut Canovan mehr eine Form von Sprache und Rhetorik, von Simplifizierung und Direktheit. (Canovan M. , 2002, S. 32ff)

Will man dem dünnen ideologischen Kern des Populismus so etwas wie einen zentralen Inhalt zuordnen, schlussfolgert Canovan, so sei dies deren Verständnis vom Volk, das der Souverän in der Ausübung von Macht sei. Damit verbunden ist die Ablehnung von Machteliten und der damit gekoppelten repräsentativen Demokratie. Die Lösung sei die direkte Demokratie, welche diesen „Betrug“ am Volk durch eine direkte Machtausübung korrigiere.

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Eine radikale wie gleichsam atypische Definition für Populismus fand das US- amerikanische Wissenschaftsmagazin Telos, aufgegriffen und verfeinert von Paul Taggart: Populismus biete die beste Alternative zur dominant gewordenen Idee des Liberalismus, schreibt Taggart (Taggart, 2000, S. 21). Das Modell unterscheidet dabei in Angehörige der New Class, welche durch Bildung am Aufstieg teilhaben konnten und jenen aus der Mittel- und Unterschicht, welche sich nicht ausreichend professionalisieren konnten und so zu Verlierern des Fortschritts wurden.

Populismus sei demnach ein Mittel all jener, die sich durch die herrschenden Eliten nicht vertreten fühlen und nach einer Alternative zum System suchen. Es sei so gesehen ein politisches Konzept.

Diese Sichtweise deckt sich mit jener von Mény und Surel, welche den Populismus als einen politischen Zugang für jene betrachten, für welche traditionelle Parteien nicht als Ansprechorgan wahrgenommen werden:

„Populism is often the opposite and more demanding option: it is a political mobilization designed to 'send a message' to those who govern.“ (Mény & Surel, 2002, S. 13-14)

Von einer Krise einer Demokratie wollen die beiden Politikwissenschafter, Mény und Surel, jedoch nicht sprechen: Es sei vielmehr eine Herausforderung an die Funktion des politischen Systems.

Politikwissenschafter Cas Mudde argumentiert – inhaltlich ähnlich wie Canovan –, Populismus sei keine „Vollideologie“ (Mudde, 2004, S. 544). Der Kern des Populismus, darunter versteht Mudde das Volk. Also im Grunde drehe sich die populistische Politik stets um den Grundkonflikt zwischen Eliten und Volk, also um die Idee der repräsentativen Demokratie versus der Herrschaft durch das Volk, der nicht erreichbare theoretische Idealzustand.

Im Zusammenhang mit fehlenden Utopien und wenig inhaltlicher Tiefe spricht Mudde eben von der genannten dünnen Ideologie. Dieser beiden zentralen Wesensmerkmale wegen spricht er von einer thin-centred ideology.

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Die Ideologie des Populismus definiert Mudde wie folgt:

„I define populism as an ideology that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, ‘the pure people’ versus ‘the corrupt elite’, and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people. Populism, so defined, has two opposites: elitism and pluralism.“ (Mudde, 2004, S. 562)

Der Vorteil – will man es so benennen – rechtspopolistischer Politik ist seine Wandlungs- und Adaptionsfähigkeit: Sie ist kompatibel zu anderen Ideologien. Populisten sind flexibel. Sie haben Spielräume, wollen sie ihr Programm verändern.

Eine Folge der thin-centred ideology ist, dass diese neuen rechtspopulistischen Parteien nicht oder nur schwierig mit klassischen Links-Rechts-Einordnungen festgemacht werden können. Zwar werden die meisten Parteien als rechts der Mitte eingestuft. Die wirtschaftspolitischen Standpunkte sind mitunter jedoch jenen sozialdemokratischer Parteien nicht unähnlich. Hinzu kommt ein auffallend hoher Grad an Sozialprotektionismus.

Hans-Georg Betz geht davon aus, dass rechtspopulistische Parteien mitunter gerade deshalb so erfolgreich waren und sind, weil sie bewusst auf eine Ideologie verzichtet haben:

„Nicht zu Unrecht wurde rechtspopulistischen Parteien ein hoher Grad an politischem Opportunismus und programmatischer Beliebigkeit nachgesagt. Darüber hinaus machten diese Parteien auch kaum Anstalten, ihre politischen Aussagen und Forderungen in besonderer Form ideologisch abzuleiten, zu begründen oder recht zu fertigen. Im Gegenteil. Gerade die erfolgreichsten Parteien legten sich eine postmodern zugeschnittene populistische Strategie zu, die sich fast vollkommen auf den Appell an latente Ängste, Vorurteile und Ressentiments beschränkte. Generell genügte rechtspopulistischen Parteien der Verweis auf den WählerInnenwillen und die öffentliche Meinung so in Bezug auf die problemreiche Einwanderung und Sicherheit zur Legitimierung ihrer Forderungen und Lösungsvorschläge.“ (Betz, 2002, S. 252)

55 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Interessant ist, wie Betz den Wahlerfolg bewertet, der sich aus dem Anti- Ausländer-Thema ableitete: So glaubt der Politikwissenschafter nicht, dass eine generelle Ausländerfeindlichkeit das Motiv zur Wahl der Rechtspopulisten war. Es sei vielmehr ein Recht auf Differenz:

„Das Ergebnis ist ein differentialistisch argumentierender Nativismus, der in den letzten Jahren im Diskurs rechtspopulistischer Parteien eine immer größere Rolle spielt.“ (Betz, 2002, S. 253)

Der Erfolg populistischer Bewegungen ist dem zu Folge nicht nur ein Erfolg dieser Akteure, Parteien und Programme. Er ist auch ein Erfolg des Protestes gegen das etablierte politische System, das unter einer gewissen Ablehnung leidet. Passend dazu sind Schlagworte wie etwa jenes der Politikverdrossenheit, welcher in sinkender Wahlbeteiligung sowie auch im Mitgliederschwund bei Volksparteien seinen Ausdruck findet. Rechtspopulisten gelingt es offenbar gut, dieses latente Protestbewusstsein zu kumulieren und in Wählerstimmen umzulegen. Sie saugen Meinungen auf und inszenieren sich als das Sprachrohr der Unverstandenen.

Wichtig und zentral im Zusammenhang mit Populismus ist der Begriff des Volks. Viele maßgebliche Autoren schreiben dem Spannungsfeld von demokratischer Ideologie (die Macht beim Volke) und der praktischen Umsetzung (Repräsentanz durch Eliten) das Fundament des Rechtspopulismus zu. Margret Canovan spricht von einer Kombination aus repräsentativer Demokratie und dem gesetzlichen Rahmen, der moderne Demokratien auszeichne (Canovan M. , 2002, S. 25ff).

Populisten beziehungsweise Rechtspopulisten reiben sich eben an dieser Spannungslinie. Ein zu enges konstitutionelles Korsett und eben die repräsentative Demokratie würden – aus Sicht der Populisten – den Volkswillen beschneiden beziehungsweise begrenzen. „The central populist message, repeated by leaders and movements in many established democracies, is that politics has escaped popular control.“ (Canovan M. , 2002, S. 27) Populisten ihrerseits halten Ausschau nach publikumswirksamen Themen, die sie ins Schaufenster stellen. Dazu zählen eben Politikfelder wie die Asylpolitik, Law & Order oder die Beschäftigungspolitik (mit einer Abgrenzung gegenüber inneren wie äußeren „Feinden“).

56 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

„Im Zentrum populistischer Ideologie steht demnach ‚das Volk’, das in dichotomer und rigider Weise normativ von der korrupten ‚Elite’ (‚die oben’) auf einer vertikalen Ebene abgegrenzt wird“, argumentieren Fröhlich-Steffen und Rensmann (Fröhlich-Steffen & Rensmann, 2005, S. 6). Der Populist sei jener, der dem Volk umgekehrt verspreche, ihm seine Macht zurück zu geben.

Paul Taggart widerspricht diesem Ansatz von Volk versus Eliten. Er spricht von einer Politik des heartlands (Taggart, 2000, S. 91ff), ein von ihm etablierter Begriff: Es handelt sich dabei um einen idealisierten Ort, an dem die Dinge sind, wie sie aus Sicht des Populisten sein sollen. Es sei das heartland, das Populisten meinen, wenn sie vom Volk sprechen. Taggart selbst wehrt sich gegen die Verwendung des Volks-Begriffes: Dieser trage der Flexibilität populistischer Bewegungen nicht Rechnung. Diese würden in ihren Anschauungen variieren. Zudem sei der Begriff des Volkes ein rein rhetorischer. Taggart dazu selbst:

„Populism is a reaction against representative politics and, as such, takes the language of popular sovereignty to use against the institutions of representation. In this sense the invocation of ‚the people’ is an empty claim. In other sense, ‚the people’ does have real meaning. Meaning is invested in the people as osccupants of a ‚heartland’.“ (Taggart, 2003, S. 11)

Das Besondere an dem rechtspopulistischen heartland ist sein Anachronismus: Während sich Utopien üblicherweise in der Zukunft abspielen, sieht der Rechtspopulist die richtige, ideale Welt in der Vergangenheit. Er romantisiert vermeintliche Urzustände und verklärt diese zum gesellschaftlichen Ideal.

Damit steht der Rechtspopulismus im Kontrast zu anderen Ideologien, welche einen Wunschzustand anstreben (Taggart, 2000, S. 95). Im Kommunismus der Sowjetunion war beispielsweise das Ziel der Neue Mensch, „der von der sozialistischen Revolution befreite Mensch, der sich durch Arbeit selbst verwirkliche, wobei der Motor dieses Neuwerdens der Wille sei. Dieser treibe die ‚kleinen’ Menschen ‚vorwärts und höher’ und mache sie zu ‚Riesen’ (Haring, 2010).“ Dort lag klar das Ziel, also die Formung einer (vermeintlich) besseren Gesellschaft in der Zukunft, die es zu formen galt – und keineswegs in der Vergangenheit.

57 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Ähnliches gilt für andere Utopien, etwa jener des israelischen Kibbuz, das als Antwort auf die Lohnpolitik der etablierten Klasse entstand: Die Einwanderer der ersten Generation stellten günstige arabische Arbeiter ein, statt jüdische Neueinwanderer zu beschäftigen. Die Antwort dieser war die Gründung von gemeinschaftlichen Betrieben, welche nach strengen Regeln im Kooperativ funktionieren sollten. Die Idee war insofern utopisch, als dass der Kibbuz – zumindest nach innen – nicht nach den Regeln des Marktes funktionierte. Jeder tat, was er konnte. Das Erwirtschaftete gehörte allen gemeinsam. Eine im Grunde kommunistische Idee, die sich jedoch nicht als kommunistisch, sondern als Ideal eines kooperativen Systems verstand (Liegle & Bergmann, 1994).

Auch die Utopien von Liberalismus und Sozialismus sind zukunftsorientiert. Sie streben eine gerechtere Welt an, die es zu erkämpfen gelte. Die Zeitdimension ist zentral in der Beurteilung von Rechtspopulismus, der stets anachronistisch ist, während Vollideologien tendenziell auf die Zukunft fokussiert sind.

Frank Decker argumentiert darüber hinaus, Rechtspopulismus bediene sich einer einfachen Sprache, mit der man sich von Eliten abgrenzt:

„Ohne zu schematisch argumentieren zu wollen: Populismus als inhaltliches Konzept, gar als Ideologie charakterisieren zu wollen, würde dem Phänomen nicht gerecht werden. Populismus ist auch und vor allem eine Form der Agitation. Ihm wohnt eine zutiefst emotionale Komponente inne, die darauf ausgerichtet ist, vorhandene Ängste und Ressentiments aufzugreifen und zu bedienen.“ (Decker & Lewandowsky, Rechtspopulismus als (neue) Strategie der politischen Rechten, 2010, S. 6)

58 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Vertikale und horizontale Abgrenzung

Populismus-Forscher Lars Rensmann hebt die Differenzierung einer vertikalen und horizontalen Orientierung populistischer Ideologie hervor. Unter vertikal versteht er die Abgrenzung nach oben hin, also gegenüber den so genannten Mächtigen, den Eliten. Dies umfasst auch eine Ablehnung von Parteien, von Verbänden oder sonstigen Einrichtungen, die Macht ausüben. Unter einer horizontalen Abgrenzung ist hingegen eine Trennlinie nach außen zu verstehen: Gegen die Europäische Union, gegen Ausländer, gegen Modernisierung, gegen die Amerikanisierung und gegen Sozialprotektionismus (Rensmann, 2006, S. 65).

Abbildung 1: Vertikale und horizontale Orientierung rechtspopulistischer Ideologien. Quelle: (Rensmann, 2006, S. 65)

Will man die Gründe der Ablehnung gegen Eliten im Detail ausformulieren, vertritt eine Strömung an Politikwissenschaftern die These, es sei weniger eine Ablehnung gegen Parteien als mehr eine gegen Institutionen und Institutionalisierungen. Der niederländische Politikwissenschafter Cas Mudde prägte dazu den Begriff des democratic extremism (Mudde, 2004, S. 561). Darunter versteht er eine Ablehnung liberaler Werte wie Gewaltenteilung und den Schutz von Minderheitenrechten. Diese Grundwerte würden aus Sicht der Populisten die Durchsetzung des Mehrheitswillens behindern.

59 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

„Despite all democratic rhetoric, liberal democracy is a complex compromise of popular democracy and liberal elitism, which is therefore only partly democratic“, beschreibt Mudde die Idee, worauf Populisten ihre Ablehnung aufbauen (Mudde, 2004, S. 561). Diese Defizite repräsentativer Demokratie, betonen auch Mény und Surel, seien die materielle Basis des Populismus. Die Idee der repräsentativen Demokratie sei eine, die demokratische Systeme arbeitsfähig macht. Sie ist ein Kompromiss, die eine Grundspannung mit sich bringe: Jene zwischen ihrer Ideologie (die Kraft durch das Volk) und ihrer Funktion (die Macht geht an Eliten, die vom Volk in Wahlen bestimmt wurden) (Mény & Surel, 2002, S. 8).

Der ständige Aufruf zum Plebiszit, den Rechtspopulisten äußern, ist vor diesem Hintergrund radikal-demokratisch; ist das Ziel der Abstimmungen doch, institutionelle Werte und Abläufe einer repräsentativen Demokratie durch Abstimmungen zu umgehen. Also den angeblichen Verrat am Volk – die repräsentative Demokratie – durch eine Befragung des Volks zu umgehen und so den wahren Volkswillen herbei zu führen. Unumstößliche Grundwerte wie beispielsweise Menschenrechte würden diesem lediglich im Wege stehen (Rensmann, 2006, S. 66).

Dem gegenüber steht die These, Populisten lehnen nicht die repräsentative Demokratie, sondern deren Repräsentanten ab. Rechtspopulismus ist demnach eine politische Sichtweise, welche an die Elitentheorie glaubt, wonach „in der Gesellschaft immer eine Minderheit die politische Entscheidungsgewalt an sich zieht“, argumentiert Politikwissenschaft Anton Pelinka (Pelinka, 2004, S. 217).

Die horizontale Abgrenzung ist eine gegen „Gegner“ von außen. Damit sind all jene gemeint, welche die Volkskultur gefühlt bedrohen. Es ist eine Abwehr gegen die Europäische Union, gegen den Amerikanismus oder die Abwehr von Ausländern. Insbesondere die Xenophobie gegen den Islam wurde in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Thema rechtspopulistischer Politik (Hafez, 2010, S. 35ff).

Dieser These schließt sich auch Betz an: Die rechtspopulistische Ideologie sei geprägt von einer starken „Betonung des Begriffs der Differenz sowie der Verteidigung kultureller Eigenheit. Die populistische Rechte benutzt beide Begriffe, um damit ihren Kampf gegen die ihrer Meinung nach zwei größten Bedrohungen der europäischen Kultur und der westlichen Werte zu legitimieren: die Globalisierung und den Islam“ (Betz, 2002, S. 251).

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Populismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus

So wenig wie Populismus respektive Rechtspopulismus ein konkretes Konzept beziehungsweise einen theoretischen Überbau hat, so wenig gibt es auch eine Geschichte einer rechtspopulistischen Bewegung im globalen Kontext. Rechtspopulismus ist vielmehr – wie in der Einleitung bereits angerissen – eine Reaktion auf gefühlte Unzufriedenheit der Wählerschaft, vermischt mit individuellem Wunsch nach konservativ-autoritären Werten sowie einem gefühlten oder tatsächlichem Konflikt zwischen Eliten und dem Volk. Ideologisches Fundament bildet dabei eine Differenzierung in wir und die Anderen.

Wir, das ist eine (vermeintlich) homogene Masse gleich denkender welche der Rechtspopulist glaubt, zu vertreten. Rechtspopulisten spezifizieren sich dadurch, dass sie im rechten Bereich des politischen Spektrums angesiedelt sind (wenngleich nicht nur). Für sie hat der Wir-Begriff eine nationalistische, mitunter – je nach Radikalität – rassistische Komponente. Rechtspopulisten romantisieren eine angebliche Gemeinschaft, welche für all das Gute und Richtige stehe.

Wichtig in der Betrachtung ist die Abgrenzung von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Häufig ähneln sich Argumente, Forderungen und Sprache in hohem Maße. Auch seitens der Ideologie und des Gedankengutes sind sich beide Gruppen nicht unähnlich, wenngleich die Radikalität, mit welcher die Forderungen proklamiert werden, eine andere ist.

„In der politischen Publizistik werden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus häufig als unterschiedlich starke Ausprägung einer auf Kontinuum ansteigender Radikalität eingetragen oder als bloße Variation einer gemeinsamen Grundströmung verstanden. Rechtspopulismus wird damit als Rechtsextremismus light verstanden“, fasst Politikwissenschafter Michael Kohlstruck die öffentliche Wahrnehmung der Begriffe zusammen (Kohlstruck, 2008, S. 211). Dabei, so resümiert er aus einer vergleichenden Analyse, handeln Rechtsextreme überzeugt im Glauben an eine völkische Weltanschauung, während Rechtspopulisten weit pragmatischer

61 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Politik betreiben. Den Rechtspopulisten geht es weniger um Ideologie als mehr um die Differenzierung in wir und die anderen (Kohlstruck, 2008, S. 218). Die Sichtweise spaltet sich in eine rassistische und eine pragmatisch-konstruktivistische.

Rechtsextremismus setzt also einen regelrechten Glauben voraus, während die Zustimmung zum Rechtspopulismus thematisch gewonnen werden kann beziehungsweise pragmatisch getroffen wird. Eine ablehnende Haltung dem Islam (Islamophobie) gegenüber oder schlichter Protest kann für Wähler ausschlaggebend sein, seine Stimme einer rechtspopulistischen Partei zu geben, während rechtsradikale Parteien wie beispielsweise die deutsche NPD nicht als Protestpartei, sondern als Sammelbecken überzeugter Rechtsextremer wahrgenommen werden.

Resümierend kann betont werden, dass Rechtspopulismus und Rechtsextremismus einander nicht unähnlich sind. Ihnen liegen – in unterschiedlicher Radikalität – vergleichbare Sichtweisen zu Grunde. Dennoch ist Rechtspopulismus etwas anderes als eine weniger radikale Form des Rechtsextremismus. Hinter dem Rechtspopulismus steckt ein anderes politisches Konzept als hinter Rechtsradikalismus. Während Rechtsradikale die gesamte gesellschaftliche Ordnung samt dem Staat ablehnen und die Demokratie an sich als verachtenswert empfinden, zielt die Kritik von Rechtspopulisten gegen die Eliten der Gesellschaft.

Zwar gelten auch Rechtspopulisten nicht als Hüter der liberalen Demokratie und ihnen wird unterstellt, als Wegbereiter dem Rechtsextremismus dienlich zu sein; ihnen kann aber keine prinzipielle Staatsfeindlichkeit unterstellt werden, wie es bei Rechtsextremen der Fall ist (Kohlstruck, 2008, S. 216ff). Rechtsradikale sind demnach, will man es so bezeichnen, Idealisten ihrer radikalen und mitunter verbotenen Haltung, während Rechtspopulisten Pragmatiker im Sammeln von Stimmen beziehungsweise „Demokratie-Fundamentalisten“ sind, was den Bezug auf Volksbefragung und die Ablehnung repräsentativer Vertretungen betrifft.

Wobei rechtsradikales Denken verstärkt seine Wege in die Politik ethno- fundamentaler rechtspopulistischer Parteien fand, worunter etwa die Lega Nord oder die FPÖ fallen: „Ethno-Pluralismus nimmt im Denken der Neuen Rechten in Europa den Platz ein, den der offen biologistische Rassismus im rechten Extremismus traditioneller Prägung innehatte“, schreibt der deutsche Fundamentalismus-Analytiker Thomas Meyer (Meyer, 2011, S. 63).

62 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Er spricht des Weiteren von Rückkehr einst verpönter Begriffe in den politischen Diskurs. Die rechtspopulistische Ideologie habe Inhalte aufgesaugt, die zuvor Rechtsextremen vorbehalten waren. Einer davon sei der Ruf nach der Reinheit von Rassen sowie die Reinheit der eigenen Kultur:

„Deren ‚Vermischung’ sei die Ursache ihres gegenwärtigen Niedergangs und verletze das Recht auf Selbstbehauptung jeder einzelnen Kultur, unserer eigenen in den europäischen Ländern, die Immigranten aus den Ländern des Südens aufnehmen, ebenso wie der Kulturen der Immigranten selbst.“ (Meyer, 2011, S. 63)

Wenngleich man – wie herausgearbeitet – Unterschiede zwischen den „wahren Rechten“ und Rechtspopulisten, darf nicht unerwähnt bleiben, dass es durchaus zu einer Durchmischung beider Lager kam. Der enorme Erfolg rechtspopulistischer Bewegungen war für viele Rechtsradikale ein Beweggrund, sich der ihr am nächsten stehenden Gruppierung anzuschließen. Andererseits verlangte der Erfolg der Rechtspopulisten eine gewisse Öffnung hin zur Mitte, was dazu führte, dass Rechtsradikalen manch rechtspopulistische Partei zu wenig radikal wurde. Dieser Mitte-Rechts/Rechts-Außen-Konflikt ist jedoch ein zentraler cleavage, das durch rechtspopulistische Parteien verläuft.

Die Grenze zwischen Populismus und Rechtspopulismus ist eine schwierig zu definierende. Während in der englischsprachigen Literatur auf das Beiwort „rechts“ weitgehend verzichtet wird und schlicht von Populisten gesprochen wird, ist im Deutschsprachigen der Begriff des Rechtspopulismus der Dominierende. Eine klare Differenzierung in links und rechts ist insofern schwierig, als dass sich diese neuen populistischen Parteien ihrer Wandlungsfähigkeit wegen nicht in Schemata einordnen lassen. Zentraler Grund dafür ist deren dünne Ideologie.

Ein anderer ihr chamäleon-artiges Verhalten, das sich mehr an Stimmungslagen als an Grundsätzen orientieren lässt. Ein empirisches Indiz ist die Stärke rechtspopulistischer Parteien in der Arbeiterschaft, die früher sozialdemokratisch wählte. Rechte Parteien konnten also auch bei ehemals links stehenden Wählerschaften Zuspruch gewinnen.

63 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Repräsentanz, direkte Demokratie und Populismus

Ein zentraler Punkt, auf den sich de facto alle Rechtspopulisten beziehen, ist der tatsächliche oder vermeintliche Konflikt zwischen Eliten und der Masse, respektive dem Volk. Rechtspopulisten drängen zu mehr direkt-demokratischen Entscheidungen – diese seien qualitativ besser, würden sie doch den Willen des Volkes zum Ausdruck bringen und nicht jenen der Machteliten.

Die repräsentative Demokratie, wie sie in praktisch allen Demokratien angewandt wird, ist in der Tat „eine zweitbeste Lösung“ (Hartmann, 2012, S. 103). Sie ist jedoch ein Produkt einer Notwendigkeit: In modernen Staaten ist es nicht möglich, mehrere Millionen Menschen durch immerwährende Abstimmungen sich selbst regieren zu lassen. Es bedarf der Repräsentanz – mit all ihren Nachteilen –, um ein Mammutgebilde wie einen Staat führen zu können. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass jede(r) Bürger zu jedem Thema Stellung beziehen möchte. Dies wäre demokratiepolitisch auch gar nicht wünschenswert, würde ein zu hohes Maß an Partizipation Entscheidungsprozesse ja lähmen.

Wenngleich sich repräsentative Elemente in praktisch allen (echten) Demokratien durchsetzen konnten, ist die Frage nach der Notwendigkeit von Eliten bis heute nicht entschieden beziehungsweise wird sie theoretisch diskutiert. Dies sind aber vorrangig Modellüberlegung. In der politischen Praxis konnte sich die Repräsentanz durchsetzen, wenngleich es qualitative Unterschiede gibt. Ein wesentlicher ist die Inklusion: Jeder Bürger und jede Interessensvertretung muss die Möglichkeit haben, von der politischen Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Ist dies nicht der Fall, sinkt die Akzeptanz der gewählten Vertreter, welche die BürgerInnen mit ihren Anliegen vertreten sollen (Merkel & Petring, 2012).

Ein Argument gegen die Notwendigkeit direkter Demokratie ist der Umstand, dass sich gar nicht jeder Bürger mit Politischem auseinander setzen möchte. „Politik ist nicht die Hauptsorge des Bürgers. Er verwendet seine Freizeit im Regelfall auch nicht auf die Politik. Deshalb ist der Durchschnittsbürger kein Politikspezialist. Dies muss er auch nicht sein. Er ist aber allemal ‚good enough’, um sich von den meisten Fragen, um die es in der Politik geht, ein grobes und gleichwohl richtiges Bild zu

64 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung machen“, beschreibt Hartmann Bezug nehmend auf den Demokratie-Theoretiker Robert Dahl die Idee der Partizipation (Hartmann, 2012, S. 103). Es ist schlichtweg eine Illusion, dass sich jeder Bürger mit jedem Thema beschäftigen will und kann. Es bedarf Spezialisten, die – im Auftrag der Bürger – diese Aufgaben wahr nehmen. Analog zur Ökonomie entstand eine Arbeitsteilung in Politikfelder, welche in der Politik Themenfelder wie Außen-, Finanz- oder Verteidigungspolitik sind.

Nicht zu vergessen ist der Umstand, dass es im politischen Tagesgeschäft vieler schneller Lösungen bedarf. Alles Direktdemokratische ist jedoch mit Trägheit verbunden. Die Bürger müssen erst informiert werden, wozu Zeit eingeplant werden muss. Repräsentative Institutionen wie eine Regierung können viel schneller entscheiden. Begrenzt werden sie vom verfassungsrechtlichen Rahmen (im Falle tiefgreifender Änderungen), von der Judikative und vom Parlament, das Gesetze absegnen muss4, bevor sie in Kraft treten können.

An der repräsentativen Demokratie führt – allen Anschein nach –, kein Weg daran vorbei. Wohlwissend, dass es sich um die zweitbeste Möglichkeit handelt, scheinen Demokratien mit diesem Umweg der indirekten Einflussnahme leben zu müssen. „Unfortunately we have to live with this contradiction because neither social scientists nor politicians have been able to provide a more appealing or workable alternative.“ (Mény & Surel, 2002, S. 8)

Die systematischen Probleme der repräsentativen Demokratie werden jedoch dadurch relativiert, als dass sich politisch engagierte Bürger sehr wohl an politischen Prozessen beteiligen können. Sei es durch Ausübung durch Druck von außen, beispielsweise über Medien; als auch durch eigene Ambitionen in Interessensvertretungen oder Parteien. Wichtig hierbei ist, dass sowohl die passive (Wahlen), als auch aktive Beteiligung (Kandidatur zu einem politischen Amt) jedem Bürger offen stehen. Diese Offenheit ist ein wesentlicher Indikator für die Qualität des politischen Systems. Autoritäre Systeme weisen nur einen scheinbare Offenheit vor; die Wirklichkeit ist die Exklusion von Andersdenkenden und Randgruppen.

4 Je nach Regierungssystem können Regierung und Parlament indirekt aneinander gekoppelt sein.

65 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Interessant im Verhältnis von Eliten und Masse ist die Idee des Gesellschaftsvertrages, die auf den Theorien von Thomas Hobbes beruht. Der Mensch sei „des Menschen Wolf“ (Münkler, 2001, S. 80), hatte Hobbes postuliert. Die Idee dahinter ist nicht – wie es klingen mag –, dass die Menschen einander fressen wollten. Hobbes ist vielmehr um den Individualismus beziehungsweise Egoismus besorgt, der das Verwirklichen gesellschaftlicher Ziele erschwere. Jeder einzelne ist, so Hobbes, um die Maximierung seines eigenen Nutzens bemüht. Sein Menschenbild ist damit weit skeptischer als jenes von Jean-Jacques Rousseau, der die Menschen zwar als böse einstufte, dies jedoch kulturell ableitete. Der „Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben“ (Oberparleiter-Lorke, 1997, S. 53), erklärte der französische Philosoph bezogen auf den Naturzustand.

Hobbes, dessen Idee des Naturzustandes pessimistisch ist, sieht die Lösung in einem Gesellschaftsvertrag, der den Menschen samt ihren Absichten, den individuellen Nutzen zu maximieren, beschränkt. Der Vorteil des Einzelnen sei die Befriedigung seines Sicherheitsbedürfnisses und die Entwicklung einer Gemeinschaft, die es im Naturzustand so nicht geben könne. Hobbes Idee bedeutet in Konsequenz die Schaffung eines Souveräns, der einerseits ein Gewaltmonopol durchsetzt, anderseits den Bürgern jedoch persönliche Freiheiten und Sicherheiten garantiert (Münkler, 2001, S. 122ff).

Hobbes Gedanke wäre, spannt man den Bogen zurück zum Konflikt Eliten versus Volk, wohl gegen direkt-demokratische Mittel gewesen. Seiner Ansicht nach beruht die Stabilität eines Staates auf einem starken Souverän, dem der Gesellschaftsvertrag die notwendige Macht verleiht.

Direkte Demokratie zählt jedoch – unterstellt man Rechtspopulisten so etwas wie eine Programmatik – zu den zentralen Forderungen der meisten Gruppierungen und Parteien. Sie ist ein Mittel rechtspopulistischer Politik, die nach der Entmachtung politischer Eliten ruft. Dies soll keineswegs ausdrücken, direkte Demokratie sei etwas grundsätzlich Negatives. Mit ihrer Forderung, das Volk respektive die Volksgemeinschaft möge selbst entscheiden, rücken sie diese Form der demokratischen Beteiligung immer wieder in den Mittelpunkt.

66 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Rechtspopulisten fordern jedoch mehr direkte Demokratie nicht der Qualität der Entscheidungen wegen. Es geht ihnen mehr darum – wie bereits angerissen –, die Eliten in ihrer Macht zu Begrenzen. „Der Kleinstaat ist vorhanden, damit er Fleck auf der Welt sei, wo die grösstmögliche Quote der Staatsangehörigen Bürger im vollem Sinne sind“, schrieb der Schweizer Gelehrte Jacob Burckhardt (1818 bis 1897) in seinem Werk Weltgeschichtliche Betrachtungen (Burckhardt, 1949). Auf ihn wird heute vielfach Bezug genommen – im Besonderen innerhalb der Schweiz, einer halbdirekten Demokratie, wo der regelmäßige Volksentscheid zum politischen Konsens zählt. Die Schweiz wird gerne von Rechtspopulisten als Vorbild herangezogen, geht es darum, Beispiele aufzuzeigen, wo Bürgerbeteiligung ernst genommen werde.

Zum Beispiel Schweiz gilt anzumerken, dass dort wie in keinem anderen Land direkt-demokratische Elemente in großem Umfang angewandt werden. Diese unterliegen jedoch starken Reglementierungen. Eine maßgebliche ist die Verfassungsgerichtsbarkeit, die in der Schweiz eine traditionell starke Instanz ist. An ihr scheiterten auch Gesetzesvorhauben wie jener des Rechtspopulisten Christoph Blocher, der 2009 die Asylgesetzgebung markant verschärfen wollte. Während Proteste von Mitte-Links erst scheiterten, lehnte der Verfassungsgerichtshof den Gesetzesentwurf schließlich ab. Ähnliches passierte mit an sich erfolgreichen Volksbefragungen, deren Resultat von den Richtern als verfassungswidrig eingestuft und abgelehnt wurde (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 362ff). Es kann also im Grunde in der Schweiz über alles abgestimmt werden. Was jedoch in die Gesetzgebung einfließt, darüber entscheiden nicht allein die BürgerInnen mit ihren Stimmzetteln.

Ein zu viel an direkter Demokratie birgt jedoch auch Risiken. Selbst dann, wenn es Barrieren gibt, die unrechtmäßige Anliegen verhindern sollen oder können. So gibt es viele Themen, über welche abzustimmen unethisch sei, wie Kritiker sagen. Beispielsweise in Fragen, die Menschenrechte verletzen. Stichwort: Minderheiten. „Eine Demokratie, die selbst für die grundlegenden Menschenrechte Mehrheitsentscheidungen zulässt, verletzt ihre Legitimität“, schreibt dazu der deutsche Philosoph Otfried Höffe (Höffe, 2009, S. 80).

67 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Damit meinen die Kritiker weniger die Umsetzbarkeit, als vielmehr den moralischen Schaden, der durch solche Abstimmungen entsteht. Sie bieten Bühne für die Entwertung von beispielsweise Minderheitenfragen.

Wesentlich und wichtig ist der Umstand, dass direkte Demokratie im Grunde nicht so frei ist, wie es von Rechtspopulisten suggeriert wird. Zwar entscheidet das Volk, in einer Demokratie der höchste Souverän. Jedoch werden Bürgerentscheide meist von Parteien oder maßgeblichen Institutionen initiiert. Sie sind es, die Sachthemen herausfiltern und diese vorselektierten Fragen zur Entscheidung weiter reichen. So betrachtet ist direkte Demokratie keineswegs frei und ungebunden von Interessensgruppen. Sie sind stark an Institutionen gebunden und damit ein institutionelles Politikinstrument (Kost, 2008, S. 12).

Auch in der Schweiz gehen viele Volksbefragungen von politischen Parteien, insbesondere von der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) aus. Sie greift zu direkt-demokratischen Mitteln um Druck auf die Justiz auszuüben, die ihrerseits Begehren ablehnt, die den Verfassungsgrundsätzen widerstreben. So schaukelte sich ein Konflikt zwischen SVP und Verfassungsgerichtshof auf. Die Blocher’sche5 SVP suggerierte die These von der „republic of jurists“ (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 363) und wertete die Ablehnungen der Volksentscheide als einen Angriff auf die direkt-demokratische Tradition der Schweiz.

Die Interessen der Schweizer müssten über jenen des internationalen Rechts angesiedelt sein, argumentierte die SVP im Zusammenhang mit der Durchsetzungsinitiative. Darunter ist ein Entwurf zu einer Verfassungsänderung gemeint, der die Abschiebung krimineller Ausländer erleichtern soll und bislang wegen völkerrechtlicher Bedenken seitens des Europarates auf Eis liegt. Die Schweizerische Volkspartei will mittels eines Volksentscheides seine Durchsetzung vorantreiben (Wehrli, 2012). Diese Durchsetzungsinitiative wurde 2016 mit 58,9 Prozent der Stimmberechtigten abgelehnt (von Rohr, 2016).

5 Christoph Blocher war jahrelang maßgebliche Kraft innerhalb der Schweizer Volkspartei, lange Zeit eine maßgebliche Kraft in der Schweiz.

68 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Aktuelle Diskussionen in den Staaten der Europäischen Union richten sich dahingehend, mehr direkte Demokratie zuzulassen – wohlwissend, dass dies problematisch sein kann. Die Idee dahinter ist jene, durch diesen Schachzug Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zwar scheiterte in Österreich das Volksbegehren Demokratie Jetzt, das im April 2013 nur 69.841 Unterschriften gewinnen konnte und eben genau dieses mehr an direkter wie auch indirekter Demokratie forderte (Pöll, 2013); indirekt führte das Volksbegehren jedoch zu einer Rückkehr des Themas in den österreichischen Parlamentarismus.

Rund einen Monat später reichte ein Bündnis der gesamten Opposition eine Gesetzesinitiative ein, die bei Volksbegehren, die 250.000 Unterschriften erreichen, zwingend eine Volksbefragung verlangt. Dagegen sprach sich die Regierung aus. SPÖ-Klubchef Josef Cap dazu: „Wenn ein direkt-demokratischer Vorgang Auswirkungen auf den Finanzrahmen hat – wie löst sich da das Spannungsfeld?“ – „Kann man über das Kammerwesen abstimmen? Über Steuerpolitik? Aber dann, was genau?“ (Mayr & Nimmervoll, 2013).

Cap spricht damit ein ohnehin bekanntes Problem in der Kritik direkter Demokratie an: Dass es Themen gibt, über die nicht abgestimmt werden kann oder sollte. Verfassungsjurist Heinz Mayer sagte dazu: „Man müsste jedenfalls einen Katalog mit Ausnahmen vorsehen, die internationale Abkommen berühren, aber der wäre so lang, da würde nicht viel übrig bleiben.“ (Mayr & Nimmervoll, 2013)

Sprich: Mayr empfiehlt, direkte Demokratie zwar in größerem Maße zuzulassen; sie jedoch in klare Schranken zu weisen. Themen wie etwa völkerrechtliche Verträge oder die Grundrechte des Menschen will Mayr nicht zur Abstimmung zugelassen wissen. Das eigentliche Problem des gefühlten Demokratiedefizites vermutet der Verfassungsjurist jedoch an anderer Stelle: „Die große Chuzpe bei dem Ganzen ist ja: Der Parlamentarismus ist sicher schwach bei uns, aber das liegt an den Parteien, weil sie das so zulassen. Und dann sagen sie auf einmal: Wir können es nicht – macht ihr, das Volk, das?!“ (Mayr & Nimmervoll, 2013)

Mayr kritisiert also, was in dieser Arbeit bereits aufgezeigt wurde: Die Krise des Parteienstaates, der nur bedingt die politische Struktur des Gesellschaft widerspiegeln kann und damit mitten in einer Vertrauenskrise steckt. Und die Folgen der Konkordanz, die auch auf Ablehnung stößt. Dies wiederum ermöglichte das

69 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung rasante Wachstum populistischer Bewegungen wie der Freiheitlichen Partei die ihr Wachstum einzig durch eine Krise ihrer selbst stoppte.

Dass selbst ein hohes Maß an direkter Demokratie nur bedingt vor Populismus respektive Rechtspopulismus schützt, zeigt die Schweiz selbst: Dass die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) im Nationalrat die maßgebliche Kraft war, überrascht, wird doch in der Schweiz so oft zum Plebiszit gerufen, wie nirgendwo anders in westlichen Demokratien. „Daraus könnte man schließen, dass populistische Probleme nicht mit populistischen Mitteln gelöst werden können“, schreibt Politikwissenschafter Lucardie (Lucardie, 2011, S. 36).

Er folgert weiter und ortet die zentrale Komponente in der Modernisierungskrise, welche auch die Schweiz erfasst hat. Sie sei es, welche – gepaart mit einem charismatischen Führer – das Wachstum populistischer respektive rechtspopulistischer Bewegungen begünstige.

Insofern ist Vorsicht angesagt, will man Rechtspopulismus mit einem von Rechtspopulisten propagierten Instrument bekämpfen. Direkte Demokratie mag in ganz bestimmten Fragen mitunter zielführend sein; in vielen anderen Staaten öffnen jedoch gerade erst Volksbefragungen dem Populismus Tür und Tor. Unter diesem Gesichtspunkt ist direkte Demokratie kein Instrument, mit dem das Volk selbst zu einer Entscheidung findet. Sie ist vielmehr ein Mittel institutioneller Einrichtungen wie es etwa Parteien sind, die damit Themen emotionalisieren können oder sich schlicht selbst der Entscheidungsfindung entziehen. Die Volksabstimmung über die mögliche Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2013 – sie ging mit einem Ja zur Wehrpflicht aus – in Österreich ist ein Beispiel für eine solche nicht zu Ende geführte politische Debatte (Pelinka, Zeit Online, 2013).

Anstatt mehr Volksbefragungen durchzuführen, sollte an der Qualität der repräsentativen Demokratie gearbeitet werden. Rechtspopulismus ist vielfach der Wink mit dem Zaunpfahl der andeutet, dass die Auffassung der Eliten mit jener der WählerInnen nicht deckungsgleich sind. Insbesondere in schwerfälligen Parteistaaten wie Österreich scheint es schwierig zu sein, eine rasche Änderung herbei zu führen.

70 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Rhetorik und Stilmittel

Wie im Kapitel zuvor beschrieben, ist Rechtspopulismus eine Politik des Reagierens, selten des Agierens. Zur Gewinnung von Aufmerksamkeit ist in Anbetracht mangelnder inhaltlicher Innovation die Kommunikation umso wichtiger. Die Populismus-Forscher Frank Decker und Marcel Lewandowsky fassten die Techniken zusammen, mit denen Populisten respektive Rechtspopulisten arbeiten (Decker & Lewandowsky, 2009):

• Rückgriff auf „common sense-Argumente“: Darunter ist eine Anspielung auf den so genannten Hausverstand zu verstehen. Was im Kleinen richtig sei, müsse auch der Staat machen. Also beispielsweise im Bezug auf den Umgang mit Geld. • Vorliebe für radikale Lösungen: Die Politik der kleinen Schritte und die Suche nach tragfähigen Kompromissen ist keine populistische Tugend. Diese sind vielmehr darum bemüht, einen radikalen Wandel herauf zu beschwören. Dies erschwert jedoch umgekehrt die Position der Populisten, wenn sie selbst Regierungsverantwortung übernehmen, zumal sie ihre zuvor gestellten Bedingungen nicht wie propagiert umsetzen können. • Verschwörungstheorien und das Denken in Feindbildern: Populisten differenzieren in wir, also das Volk und seine inneren wie äußeren Feinde. Zu diesem Denken gehört, Bilder der Verschwörung zu skizzieren, Sündenböcke auszumachen und sich selbst als Opfer zu stilisieren. • Provokation und Tabubruch: Populisten suchen gezielt die Abgrenzung zu anderen Politikern und setzen Aktionen, die gegen die Norm verstoßen. Damit wollen sie Tabus brechen und provozieren. Dieses Verhalten soll ihr Bild als Außenseiter unterstreichen und damit die Glaubwürdigkeit gegenüber ihrer Klientel untermauern. • Verwendung von Gewaltmetaphern: Populisten bedienen sich in ihrer Argumentation einer Sprache, deren Metaphern ein Bild von Bedrohung und Zerfall zeichnen. Die Vergleiche sind mitunter sexistisch, beziehen sich auf Gleichnisse mit der Tierwelt oder der Medizin. Ein Beispiele dazu wiederum

71 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

aus dem Mund von Jörg Haider: „Nicht die Freiheitlichen sind die Schädlinge der Demokratie. Wir sind das Schädlingsbekämpfungsmittel. Bei uns regieren die Rothäute und die Schwarzen – und nicht wie üblich, dass sie in den Reservaten leben.“ (Republik Österreich: Parlament, 2000) • Emotionalisierung und Angstmache: Das Spiel mit Vorurteilen und das Schüren von Angst zählt ganz wesentlich zu den Instrumenten von Rechtspopulisten. Hierzu zählt auch der ständige Ruf nach mehr Sicherheit, also mehr Polizei und umgekehrt die Inszenierung von Problemen (Decker & Lewandowsky, 2009).

Das Interessante an den von Decker und Lewandowsky formulierten Punkten ist deren Ideologiebefreitheit. Rechtspopulist ist demnach, wie zuvor in dieser Arbeit bereits ausgeführt, keine Vollideologie. Er ist – unter diesem Blickwinkel – vielmehr eine Technik, Wähler zu emotionalisieren, sie für sich begeistern und sie für die eigene Stimmenmaximierung zu gewinnen.

Radikal formuliert ist Rechtspopulismus unter diesem Blickwinkel sein Marketinginstrument, das Gefühlslagen aufsaugt und kanalisiert – und eben keine Form von nachhaltiger Politik, zumal es an Ideologie und Zielen fehlt. Rechtspopulisten „verkaufen“ ein Angebot, das vielfach nicht praktisch umsetzbar ist. Des Protestest und/oder einer gefühlten Alternativenlosigkeit der WählerInnen werden sie dennoch gewählt.

Einblicke in die Techniken des Populismus – wenngleich nicht repräsentativer Größenordnung – ließ Eduard Mainoni, einst für das BZÖ Staatssekretär im Infrastrukturministerium, in einer Studie des Sozialwissenschaftlers Oliver Geden zu (Geden, 2006): „Auch dass wir, besser als die Sozialdemokraten, die Wiedergutmachung an Zwangsarbeitern umgesetzt haben, fällt in diesen Bereich. Da haben wir uns eingekauft. Da haben sich die ÖVP und die Freiheitlichen, ich selbst war da nicht dabei, zusammengesetzt und überlegt: ‚Okay. Wie viele Milliarden kostet uns das?’ Und dann haben wir das gemacht. Damit haben wir im Prinzip auch den Rücken frei gehabt gegenüber den jüdischen Organisationen“, nennt Mainoni ein Beispiel aus seinem ehemaligen politischen Alltag (Geden, 2006). BZÖ- Spitzenkandidat Peter Westenthaler sei einer gewesen, der mit seinem „Schmäh“ die

72 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung einfachen Leute angesprochen habe. Herbert Haupt sei jemand gewesen, der die gute Seite der Partei illustriert habe.

Tanja Maria Woschitz erklärt in ihrer Arbeit bezogen auf Jörg Haider (FPÖ), wie die Freiheitlichen ihre Politik als Form der Unterhaltung inszenierten und sich die Partei der neurolinguistischen Programmierung (NLP) bedient habe. Hinzu komme die Wiederholung von Inhalten, was die Bedeutung des knappen Inhalts unterstreiche (Woschitz, 2011, S. 37ff). Die Lega Nord, zum Vergleich, fixierte ihren Kerninhalt auf die Unabhängigkeit Padaniens, was über Jahrzehnte ihr Fokus war.

Politische Parteien verlangen in der Theorie sogar nach so etwas wie einem ideologischen Kern, der die Bewegung eint und sie voran treibt. Bei Rechtspopulisten ist dies nur bedingt notwendig (wenngleich die Lega Nord dem widerspricht). Die Bewegungen funktionieren offenbar nach außen wie auch nach innen aufgrund einer sehr flexiblen Strategie, sich den Bedürfnissen anzupassen. Rechtspopulistische Parteien sind sozusagen „Marketingapparate“, die wie ein Chamäleon durch die Landschaft wandern. Das Fehlen tiefgreifender Ideologie gepaart mit einem ausgeprägten Leader-Kult hat dabei mitunter Vorteile im täglichen agieren: Wo nur wenig Ideologie herrscht, werden auch selten Grundsatzdebatten geführt. Der starke Leader verhindert zudem das Aufbegehren des mittleren Führungskreises der Partei.

Dem kann entgegen gehalten werden, dass die gemeinsamen Ängste genug an Ideologie sind. Mitunter genügen Abstiegsängste und Bedenken gegen allem Fremden, um eine Gruppe von Wählern zu einen.

Zum rechtspopulistischen Ritus zählen Stammtisch-ähnliche Veranstaltungen wie der politische Aschermittwoch, den die bayerische CSU erfand, der jedoch von der FPÖ kopiert wurde. Jörg Haider rechnete dabei stets mit seinen Gegnern ab. 2001 hatte Haider bei seiner Aschermittwoch-Rede mit Bezug auf Ariel Muzicant, damals Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens, gesagt, „er verstehe nicht, wie einer der Ariel heiße, so viel Dreck am Stecken haben könne“6 (Der Standard, 2003). Solche Tabubrüche und Beleidigungen, die latente Vorurteile bedienen, scheinen ein wichtiges Stilmittel rechtspopulistischer Politik zu sein.

6 Ariel in Anspielung auf das gleichnamige Waschmittel, dessen Slogan lautet: „Ariel macht alles strahlend weiß.“

73 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Populismus und die liberale Demokratie

Eine Frage, die im Zusammenhang mit Populismus immer wieder gestellt wird im wissenschaftlichen Diskurs, ist jene der Verträglichkeit mit den Prinzipien einer liberalen Demokratie. In einer solchen „orientiert sich der demokratische Prozess im Wesentlichen an der Vermittlung individueller Partikularinteressen, die in der sozial- ökonomischen und gesellschaftlichen Sphäre gebildet und als hartnäckige Anforderungen an staatliches Handeln in den politischen Raum hinein getragen werden“ (Meyer, 2009, S. 74). Die Interessensbündelung passiert darin in einem Bottom-To-Top-Prozess: Individuelle Vorstellungen bündeln sich in Gemeinschaften gleich Denkender, etwa in Vereinen und werden dann stufenweise höher getragen.

Oberste Instanz sind die Parteien, welche diese Interessen artikulieren beziehungsweise gegenüber oder in der Regierung vertreten oder durchsetzen. So formt sich aus einer Vielzahl an Strömungen und Wünschen ein politisches Gesamtes, das stets ein Kompromiss aus der Vielzahl an Meinungen ist.

Daneben muss eine liberale, pluralistische Demokratie ihren Bürgern – sowie auch mit Bezug auf das Völkerrecht Außenstehenden – Grundrechte garantieren. In Deutschland, um ein beispielhaftes Land zu wählen, zählen dazu:

• Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, • die Volkssouveränität, • die Gewaltenteilung, • die Verantwortlichkeit der Regierung, • die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, • die Unabhängigkeit der Gerichte, • das Mehrparteienprinzip und • die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Ausübung einer Opposition. (Bundeszentrale für politische Bildung, 2011)

74 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Zu den Menschenrechten zählt natürlich auch der Schutz von Minderheitenrechten. Dies impliziert, dass Mehrheiten keine Entscheidungen zum Nachteil von Minderheiten treffen dürfen. Auch dann nicht, wenn es eine sehr breite Mehrheit dafür gibt.

Ein anderer wesentlicher Eckpfeiler einer liberalen Demokratie ist die Aufteilung von Macht. Es soll, so der Grundgedanke, nie ein Einzelner oder eine Interessensgruppe alleine in der Lage sein, alle Macht auf sich zu vereinen. Diese Idee wurde in modernen Demokratien durch eine Gewaltenteilung verwirklicht.

Diese splittet sich in

• Exekutive (Regierung) • Legislative (Parlament) • Judikative (Gerichte)

Besonders stark kommt dieser Gedanke in den USA zum Ausdruck: „In der präsidentiellen Demokratie werden Parlament und Präsident unabhängig voneinander gewählt und verfügen daher auch über eine voneinander unabhängige politische Legitimation. Damit ist die Trennung von legislativer und exekutiver Gewalt im Gegensatz zur Situation in parlamentarischen Demokratien weitgehend verwirklicht. Das gilt vor allem dann, wenn wie im Musterfall der USA aufgrund der Schwäche der politischen Parteien und der Stärke der Bindungen der Mandatsträger an partielle Interessen ihres Wahlkreises die Unabhängigkeit der Parlamente besonders groß ist, so dass auch eine parlamentarische Mehrheit der Partei des Präsidenten keineswegs garantiert, dass er über deren Unterstützung für seine politischen Projekte jederzeit verfügen kann.“ (Meyer, 2009, S. 90)

Die Judikative, die dritte Gewalt, sind die Gerichte, welche auf die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu achten haben. Sie müssen weisungsfrei arbeiten können. Als vierte Gewalt im Staat werden Medien bezeichnet, die über die politischen Prozesse berichten; die Bürger informieren und folglich eine kritische Öffentlichkeit erst ermöglichen.

75 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Das Problem im Zusammenhang mit Populismus ist nun, dass Inkompatibilitäten mit der liberalen Demokratie zu beobachten sind. Zentral ist dabei der populistische Anspruch, das Volk, also eine scheinbar homogene Mehrheit, in deren Interessen zu vertreten. Die Belange von Minderheiten und politisch Andersdenkenden werden bewusst ausgeblendet:

„The important point to be stressed is that this would actually mean a dramatic loss of freedom for every citizen, including those who presently happen to agree with the political majority of the day on most issues, since they would be prevented from ever changing their minds, under penalty of losing their status as ‘one of the people’. This is precisely what puts liberal democracy on a collision course with populism.“ (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 347)

Albertazzi und Mueller verweisen ihn ihrem Aufsatz Populism and Liberal Democracy: Populists in Government in Austria, Italy, Poland and Switzerland (Albertazzi & Mueller, 2013) auf den Widerspruch, den Populisten im Bezug zur liberalen Demokratie eingehen: Diese setzt eine begrenzte Macht von Individuen beziehungsweise einzelnen Interessensgruppen voraus, während Populisten genau diese aushebeln wollen, in dem sie Grundrechte für unnötig erklären und die Meinung des Volkes, dieser vermeintlich homogenen Masse, durchsetzen wollen.

Albertazzi und Mueller besprechen in ihrer Fallstudie von vier Ländern (Österreich, Italien, Polen, Schweiz) drei Politikfelder, die für sie im Zusammenhang mit populistischer (rechtspopulistischer) Regierungsgewalt 7 maßgeblich sind: (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 349)

• Individuelle Rechte: Damit ist vorrangig der Schutz von Minderheiten beziehungsweise die Diskriminierung von Andersdenkenden gemeint.

• Redefreiheit: Diese widerstrebt der Idee des homogenen Volkes. Aus (rechts-) populistischer Sicht gibt es nur eine gemeinsame Meinung, keine individuelle Kritik am gemeinschaftlichen Beschluss. Rechtspopulismus widerspricht damit der liberal-demokratischen Idee der Kumulation von Partikularinteressen.

7 Gleich wie in vorliegender Arbeit konzentrierten sich auch Albertazzi und Mueller auf Länder Europas, in denen Rechtspopulisten Teil einer Regierung waren oder sind.

76 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

• Gewaltenteilung: Auch hier gilt dasselbe Prinzip – Rechtspopulisten suggerieren, den „Willen des Volkes“ in Politik umzusetzen. Die Gewaltenteilung widerstrebt diesem Gedanken, verschafft sie doch auch der Meinung und den Rechten anderer eine Bühne. Dieser Konflikt ist insofern akut, als dass die Gesetze rechtspopulistischer Parteien immer wieder an den Obersten Gerichtshöfen scheiterten – häufig aufgrund von Widersprüchen mit Verfassungsbestimmungen (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 349).

Dies, so argumentieren Albertazzi und Mueller, seien die zentralen Punkte, an denen es zu starken Konflikten von Rechtspopulisten mit den Grundsätzen einer liberal-demokratischen Gesellschaft komme. Diese Werte stehen dabei nicht nur in Konflikt mit Rechtspopulismus – sie widersprechen einander. Die Folge ist eine bewusste Aggressivität gegenüber jenen, die den Rechtspopulisten widersprechen:

„The challenge posed by populists to liberal democracy has become most apparent in the anti-judiciary and anti-minorities policies approved in Italy, as well as the threats to freedom of expression that have been waged in that country by the populist alliance. Polish initiatives against homosexuality, the independence of the judiciary and freedom of speech have also gone in the same direction. In Switzerland, the most anti-liberal policies (automatic expulsion of criminal foreigners and an outright ban on minarets) came about via referendums (through which the collegial government and parliament could be circumvented), while in Austria populist rule, at least at the provincial level, was marked by a willingness to openly challenge the rule of law“, schlussfolgern Albertazzi und Mueller in ihrer Case Study (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 364).

Die Gefahr, welche von Rechtspopulisten ausgeht, argumentieren die beiden Politikwissenschafter, sei deren Anpassungsfähigkeit an die Spielregeln der liberalen Demokratie. Also sie beteiligen sich bei Wahlen, schneiden dort mitunter erfolgreich ab und bekämpfen ihre Gegner mit regulären Mitteln, also etwa durch Anzeigen und Gerichtsverfahren.

Albertazzi und Mueller nennen in diesem Zusammenhang die erstinstanzliche Verurteilung des Politikwissenschafters Anton Pelinka, der dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider vorgeworfen hatte, er würde NS-Verbrechen verharmlosen.

77 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

In den folgenden Instanzen wurde Pelinka vom Vorwurf der üblen Nachrede freigesprochen, der Prozess fand jedoch Eingang in den Bericht des Weisenrates, der harsche Kritik übte: „Im Weisenbericht zu den EU-Sanktionen gegen die österreichische Regierung wurde im September 2000 das Verfahren Haider gegen Pelinka als Beispiel für eine offensichtlich ‚durchgängige Strategie des Gebrauchs der Gerichte’ durch die FPÖ angeführt, ‚um jede heftig gegen die FPÖ vorgetragene Kritik zu unterbinden‘ – und gleichzeitig die Sorge geäußert, dass es damit ‘leicht zu ungerechtfertigter Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Äußerung öffentlicher Kritik an der Regierung‘ kommen könne.“ (news.at, 2001)

Jörg Haider führte auch Verfahren gegen Wolfgang Neugebauer, wissenschaftlicher Leiter des Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) und Ariel Muzicant, damals Präsident der Israelischen Kultusgemeinde Wien (Preglau, 2016, S. 34).

Dieses Beispiel soll unterstreichen, wie Rechtspopulisten agieren können: Einerseits lehnen sie die liberale Demokratie mit ihren Grundwerten wie den individuellen Freiheiten, der freien Meinungsäußerung und der institutionellen Gewaltenteilung ab, spiegle diese doch den wahren Volkswillen nicht wider. Andererseits greifen Rechtspopulisten dann eben zu jenen Mitteln, die ein liberaler Staat seinen Bürgern bietet, um ihre Gegner zu bekämpfen: Gerichtsverfahren und – darüber hinausgehend – Gesetzesänderungen, die bestimmte Grundrechte verknappen oder Berufsgruppen in der Ausübung ihrer Tätigkeit einschränken sollen.

Mit der Einschränkung von beruflichen Handlungsfreiheiten, insbesondere für Journalisten und Beamte, sind Polen (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 364), aber auch Ungarn gemeint, wo unter Premier Viktor Orbán eine weitreichende Verfassungsreform in Kraft trat, die seitens der Europäischen Union stark unter Kritik geriet. Wenngleich Orbáns Ungarischer Bürgerbund als nationalkonservativ gilt und nicht als rechtspopulistisch, verfolgt auch er eine Politik der Exklusion, die auf der Propagierung gemeinsamer nationaler Werte fußt.

78 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

„Zu den Besonderheiten Ungarns gehört, dass es neben Fidesz 8 als rechtspopulistischer Partei noch Jobbik als faschistische oder neofaschistische Partei gibt. In vielen anderen Ländern Europas gibt es jeweils nur eine dieser Formationen als gesellschaftlich relevante Kraft. Das an sich ist noch nicht spezifisch – auch in Griechenland existiert neben der rechtspopulistischen Partei ‚Orthodoxe Volkszusammenkunft’ (LAOS) die tatsächlich faschistische Partei ‚Völkischer Verband. Goldene Morgenröte’; und beide waren kürzlich abwechselnd im Parlament –, spezifisch für Ungarn ist, dass diese beiden Parteien zusammen über vier Fünftel der Parlamentssitze verfügen “, schreibt die AG Friedensforschung (Crome, 2012).

Dies verdeutlicht, wie unterschiedlich die Strukturen in Osteuropa verglichen mit jenem im so genannten Westen sind. Die Methoden, mit welchen rechtspopulistische Bewegungen arbeiten, sind jedoch durchaus vergleichbar.

Während Albertazzi und Mueller den Rechtspopulismus als durchwegs anti- liberal brandmarken, gibt es auch pragmatische Blickweisen in der Wissenschaft:

„Während die einen in ihm einen urdemokratischen Impuls sehen, der Fehlentwicklungen der politischen Systeme anprangere und korrigiere, weisen andere auf die Gefährdungen hin, die von den populistischen Erscheinungen mittelbar oder unmittelbar für die demokratische Entwicklung ausgingen. Das Problem liegt darin, dass auf dieser allgemeinen Ebene beide Seiten Recht haben. Die Ambivalenz unter Demokratiegesichtspunkten ist dem Populismus schon vom Begriff her gegeben. Einerseits steckt in ihm das Wort populus (=Volk), was auf eine enge Verbindung zur demokratischen Idee hindeutet. Wo Demokratie ist, ist – mit anderen Worten – immer auch Populismus. Auf der anderen Seite signalisiert das Suffix –mus eine ideologische Übersteigerung, die dem gemäßigten Charakter der heutigen Demokratien widerstreitet. Indem er das demokratische Element hypostasiert und gegen die demokratiebegrenzenden Prinzipien der Verfassungsstaatlichkeit in Stellung bringt, rückt der Populismus zumindest potenziell in die Nähe der Systemfeindlichkeit“, schreibt dazu Politikwissenschafter Frank Decker (Decker, 2013, S. 313-314).

8 Der formelle Name des Ungarischen Bürgerbundes

79 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Nachfrager von Rechtspopulismus

Einfacher als die Frage, was Rechtspopulismus ist, gestaltet sich die Frage nach den Unterstützern beziehungsweise den Wählern von Rechtspopulisten. Dies sind, das zeigten die Wahlerfolge der vergangenen drei Jahrzehnte, vorrangig Protestwähler und (gefühlte) Modernisierungs- beziehungsweise Globalisierungsverlierer. Hinzu kommt ein Überhang an männlichen Wählern.

Der Anteil jener Wähler, die aus nationalistischen Gründen Rechtspopulisten wählt, ist nicht unerheblich. In den Boom-Jahren der Bewegungen genügte das Potenzial an national Gesinnten jedoch nicht aus für die enormen Stimmenzuwächse. „Die sozialen Kosten der rasanten ökonomischen und technologischen Modernisierung, der Eindruck, zu einer gesellschaftlichen Verlierergruppe zu zählen, der Aufstiegs- und Karrierechancen ebenso verwehrt werden wie öffentliche Wertschätzung und Anerkennung ihrer Tätigkeit, verdichten innerhalb der Arbeiterschaft latente Protesthaltungen wie diffuse soziale Abstiegs- und Marginalisierungsängste. Beide werden von der rechtspopulistischen FPÖ gezielt aktiviert und verstärkt und durch Verweise auf strukturelle Missstände (Privilegien, Elitenkritik, anti-institutionelle Affekte) wie das gezielte Ansprechen latenter ausländerfeindlicher Ressentiments gebündelt“, beschreiben die beiden Politikwissenschafter Fritz Plasser und Peter Ulram die Gründe, weshalb die rechtspopulistische FPÖ sich unter Arbeitern einer solch großen Beliebtheit erfreute (Plasser & Ulram, 2000, S. 173).

1999, zur stärksten Zeit der FPÖ, wählten 47 Prozent der österreichischen Arbeiter die FPÖ, wie Plasser und Ulram mit Bezug auf eine Wahltagsbefragung von FESSEL-GfK illustrieren. Mit dem einher gingen Stimmverluste bei den Traditionsparteien SPÖ, der klassischen Arbeiterpartei, und der ÖVP.

In einer Untersuchung des Politikwissenschafters Tim Spier, die Wähler rechtspopulistischer Parteien verschiedener Länder Westeuropas verglich, kam genanntes Beispiel empirisch belegt zum Vorschein:

80 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

„Für den Indikator des sozioökonomischen Status wurde festgestellt, dass in der Tat in allen Untersuchungsländern der mittlere Status der Wähler rechtspopulistischer Parteien deutlich hinter dem der Wähler anderer Parteien zurückbleibt. Statusdeprivation ist ein durchaus sichtbares Merkmal rechtspopulistischer Elektorate. Die Regressionsmodelle haben überdies gezeigt, dass der Effekt des sozioökonomischen Status auf das Wahlverhalten zugunsten rechtspopulistischer Parteien weitgehend unabhängig ist von Geschlecht, Alter oder Untersuchungsland der Befragten. Lediglich die Bildung spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle: Personen mit niedrigem Status haben zumeist auch ein niedriges Bildungsniveau, das – unabhängig von der Statusdeprivation – die Wahl rechtspopulistischer Parteien befördert.“ (Spier, 2010, S. 263)

Zu einem ähnlichen Schluss kamen bereits Mény und Surel, welche den Populismus als eine Alternative zur Nichtwahl deklarierten (Mény & Surel, 2002, S. 13ff). Er sei die Antwort auf die Unzufriedenheit von Menschen, die sich durch das politische System nicht ausreichend vertreten fühlen. Populismus sei die Antwort auf das Spannungsfeld, die eine repräsentative Demokratie mit sich bringe: Dass nicht jeder seiner Stimme im selben Maße Ausdruck verleihen kann.

Frank Decker schlussfolgert: „Die Unzufriedenheit wird damit zur entscheidenden Bestimmungsgröße, um die Abwanderung der Wähler zu den neuen Rechtsparteien zu erklären.“ (Decker, Der neue Rechtspopulismus, 2013, S. 194)

Decker verweist jedoch darauf, dass Wähler rechtspopulistischer Parteien mehr als nur Protest zeigen wollen: Sie bleiben, zumindest abschnittsweise, den Parteien erhalten. Decker begründet dies mit dem Umstand, dass es eben mehr als bloßer Protest sei: Ideologische Überzeugungen von Parteien und Wählern würden sich decken, argumentiert der deutsche Politikwissenschafter. Rechtspopulistische Parteien können, so Decker, ihre Wähler dauerhaft binden.

„Denn bei allen Unterscheidungen ist den verschiedenen Rechtspopulismen eines gemeinsam: Sie gewinnen ihre Wähler in einem nicht unerheblichen Maße aus traditionellen Wählermilieus der linken Mitte. Die Neigung sozial schwacher Gruppen, rechtspopulistische Bewegungen zu wählen, wächst,“ schreibt Ernst Hillebrand über die Herkunft der Wählerschaft (Hillebrand, 2015, S. 9). Seiner Analysen nach ist der neue Rechtspopulismus primär ein Problem der Linken, die

81 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung einerseits ihre Wähler an rechtspopulistische Parteien verliert; andererseits deren Aufwärtstrend nicht stoppen konnte und kann. Rechtspopulismus sei ein Phänomen, das Europa mittelfristig, eventuell langfristig erhalten bleiben würde.

Der Erfolg rechtspopulistischer Parteien kann darüber hinaus als Produkt der Entkoppelung der klassischen Parteibindung verstanden werden. Während die Grünen sich als Partei der Bildungsbürger und des postmodernen Denkens heraus kristallisierten, Volksparteien und Sozialdemokraten überdurchschnittliche viele ältere Wähler anziehen, bekommen Rechtspopulisten ihre Stimmen von jenen, die sich von anderen Parteien nicht vertreten fühlen und ihrem Unmut eine Stimme geben wollen. Rechtspopulistische Parteien konnten diesen Protest am besten aufsaugen und in Wahlerfolge ummünzen. Ihre Wähler sind, wie angesprochen, meist jung und männlich (Bauer W. T., 2016, S. 21-25).

82 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Exkurs: Wer soll regieren?

Die zentrale Frage der politischen Wissenschaft ist: Wer soll regieren? Diese Frage kennt (bislang) drei mögliche Antworten (Patzelt, 2004, S. 444):

• Einer (Monarchie, Diktatur) • Wenige (Aristokratie, Elitenherrschaft) • Viele (Demokratie, Republikanismus)9

Im Grunde versteckt sich bereits hier ein Widerspruch im populistischen Konstrukt: Westliche Demokratien sind im Grunde bereits ein Modell der Herrschaft vieler. Bei all ihren Defiziten sollen repräsentative Demokratien die Interessen des Volkes widerspiegeln. Die politische Vielfalt sorgt dabei für einen Ausgleich der Meinungsströmungen. Wenn sich Populisten – wie in der Einführung ausgeführt – selbst als Stimme des Volks betrachten und die repräsentative Demokratie ablehnen oder sie kritisch betrachten, stehen sie damit im bewussten Widerspruch zum politischen Konsens der liberalen Demokratie.

Die Ablehnung der politischen Klasse ist folglich eine Ablehnung des Wertesystems. Der Populist verneint diesen Widerspruch jedoch damit, dass er betont, die repräsentative Demokratie sei als System defekt: Sie bringe nicht zum Ausdruck, was sie verspreche – die Herrschaft durch das Volk. Vielmehr sei die repräsentative Demokratie eine besondere Form der Elitenherrschaft. Entgegen der Theorie der demokratischen Eliteherrschaft, in welcher die Eliten offen und für Nichteliten zugänglich sind (Matthey, 2007, S. 7), betrachten Populisten den politischen Apparat als eine vom Volk abgekapselte Kaste.

9 Auch die konstitutionelle Monarchie wie beispielsweise das Vereinigte Königreich von Großbritannien zählt zu dieser Kategorie, wenngleich es sich streng genommen um eine Monarchie handelt.

83 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Feindbilder eines Populisten sind Berufspolitiker, welche nicht wüssten, wie das Volk denke, was Arbeit bedeute, wie die Wirtschaft funktionierte. Wenngleich es Populisten an fundierter Theorie fehlt, präferieren sie im Gegenzug das Spiel mit Rollenbildern und Klischees. Dazu zählt auch das Beschimpfen und Diffamieren von Funktionsträgern der Gesellschaft.

Populisten fordern einerseits den Bruch mit den alten Eliten; andererseits bleiben sie jedoch die Antwort nach dem Ersatz schuldig. Es ist Wesensbestandteil des Rechtspopulismus, das Bestehende zu kritisieren, ohne schlüssige Alternativen anzubieten. Populisten sehen die so genannte „richtige“ Entscheidung weit mehr situationsbezogen als ideologisch.

Ideengeschichtlich bieten sie keine schlüssige Alternative zu bekannten Mustern. Im Grunde – und hier findet sich erneut ein Widerspruch – bekennen sich Rechtspopulisten (in der Regel; Ausnahme: die – zeitweise – sezessionistische Lega Nord) zu Staat und Verfassung; sie lehnen jedoch gleichzeitig dessen Repräsentanten ab. Dazu zählt nicht nur die Regierung, sondern praktisch alle institutionellen Kräfte, etwa Arbeitervertretungen, Kirchenführung und Wirtschaftsverbände. Dies dürfte ein Grund sein, weshalb Rechtspopulisten in Konkordanzsystemen wie beispielsweise Österreich dermaßen erfolgreich sein konnten: Sie kritisierten glaubhaft den Parteienstaat, der einerseits Konflikte befriedete und den Aufschwung ermöglichte; andererseits jedoch zu einer Fixierung der politischen Macht führte.

In Österreich, zur Erinnerung, wurden nach 1945 im Grunde alle wesentlichen Entscheidungen von der Sozialpartnerschaft vorgefasst – was nicht gleichzeitig bedeutet, dass das Parlament keine Befugnis im Entscheidungsprozess gehabt hatte, zumal es sich zu Teilen aus Mitgliedern der Sozialpartnerschaft zusammen setzte. Der österreichische Parlamentarismus der Zweiten Republik war jedoch, verglichen mit Konkurrenzdemokratien, arm an großen Auseinandersetzungen (Pelinka, 2000, S. 26ff). Entscheidungen wurden vorab in Vorfeldorganisationen getroffen, die je nach Interessenslage von der katholisch-bürgerlichen Volkspartei (Bauern, Unternehmer) oder der linken Sozialdemokratischen Partei (Arbeiter) dominiert wurden. So war beispielsweise die Wirtschaftskammer historisch stets von der ÖVP, die Arbeiterkammer von der SPÖ geprägt. Für andere Länder mit ausgeprägter Konkordanz gilt Ähnliches.

84 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Dieser Prozess der Entscheidungsfindung vor dem Parlament sicherte zwar Stabilität, Kontinuität und Verlässlichkeit, stieß jedoch in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft zusehend auf Probleme. Anfangs, also nach dem Zweiten Weltkrieg, war es noch einfach in Arbeit und Kapital zu unterteilen und entsprechende Positionen zu finden. Mit zunehmender gesellschaftlicher Komplexität stieß diese Unterteilung jedoch an Grenzen. Die vorparlamentarischen Einrichtungen büßten an Glaubwürdigkeit ein – schmolzen doch jene Gruppen weg, welche sie vertreten sollten. Hinzu kam ein „Geruch“ des Undemokratischen, der Mauschelei hinter verschlossenen Türen. Dies führte zu einer zunehmenden Erosion von Stammwählern bei Volksparteien.

Dies in Kombination mit dem System des Proporzes, also der anteilsmäßigen Postenbesetzung im öffentlichen Dienst je nach Stärke in der demokratischen Vertretung, war maßgeblich, will man den raschen Anstieg der Freiheitlichen Partei unter Jörg Haider in der Wählergunst erklären. Vergleichbar war die Lage in den Niederlanden („Säulen-System“) und in Italien, wo die Erste Republik nach einem Korruptionsskandal zusammen brach und sich neue Parteien gründeten.

Offenbar, das zeigen Österreich und die Niederlande, sind Konkordanzdemokratien anfällig für Rechtspopulismus. Der Grund dafür dürfte das vorhanden sein einer Alternative zum etablierten System sein. In den unflexiblen System mit hoher Wählerbindung (bis in die frühen 1990er hinein) bedeutete eine Verschiebung der Kanzlerschaft keinen Elitenwechsel, wie dies in Konkurrenzdemokratien wie in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) oder dem Vereinigten Königreich von Großbritannien der Fall war. Ein Wechsel an der Spitze sorgte lediglich für kleine Verschiebungen im Entscheidungsdiskurs.

„Der Begriff ‚Parteienstaat’ benennt die enge Verflechtung von Parteien und Gesellschaft, von Parteien und Wirtschaft sowie von Parteien und Staat. Das parteienstaatliche Verständnis österreichischer Politik äußerte sich in einer tendenziellen Unbescheidenheit jener beiden politischen Parteien, die die Zweite Republik aufgrund ihrer Stimmenstärke dominiert haben, SPÖ und ÖVP“, beschreiben Anton Pelinka und Sieglinde Rosenberger die politische Mentalität in Österreich (Pelinka & Rosenberger, 2007, S. 169). Es entwickelte sich ein quasi politisches Beamtentum; ein Merkmal von verflochtenen Staaten.

85 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

In der Literatur wird auch von Klienteliusmus gesprochen – also es jenen Recht zu machen, die zum eigenen Lager zählen beziehungsweise gleichzeitig mit dem politischen Gegner einen Konsens finden, der für beide Seiten zufriedenstellend ist (Abromeit & Stoiber, 2006, S. 244). Erleichtert wird die Klientelpolitik in konsensualen Demokratien wie der österreichischen, wo Wählen zwar zu Verschiebungen führen und es zu einem Kanzlerwechsel kommen kann; das System der Konkordanz blieb jedoch über jeden Wahltag hinaus bestehen.

Zu einer Duldung des Ist-Zustandes kam es, weil beide Seite davon profitierten. Je mehr Menschen jedoch nicht mehr daran partizipieren wollen, dürfen oder können, desto instabiler wird der Pakt über den Klientelismus. So geschah es auch in Österreich und den Niederlanden, während in Italien in Folge des Korruptionsskandals die gesamte Parteienlandschaft zerbrach.

Die Frage, wer regieren soll, wird von Populisten nur sehr vage beantwortet. Der Verweis auf das Volk ist ein ungenügender: Im Grunde regiert in repräsentativen bereits das Volk, welches in Wahlen die Möglichkeit hat, seine Vertretung zu wählen oder auch abzuwählen. Der friedliche Austausch der Regierung – ein zentraler Baustein einer intakten Demokratie –, ist in repräsentativen Demokratien sicher gestellt. Für Rechtspopulisten ist die Frage, wer das Volk nun sei beziehungsweise wie es abstimmt, unzureichend definiert. Beziehungsweise suggerieren sie, dass der Zustand wie beschrieben nicht ausreichend definiert sei.

Die Frage, wie regiert werden soll, wird, wie beschrieben, von der rechtspopulistischen Politik unzureichend genau beantwortet. Zwar bekennen sich die Parteien formal zur repräsentativen Demokratie und zur Rechtsstaatlichkeit. Gleichzeitig ist jedoch deren Ablehnung der herrschenden und demokratischen Eliten ein Stück weit undemokratisch. Zudem bekennen sich die meisten rechtspopulistischen Parteien zwar zur Verfassung, in welcher beispielsweise die Gleichheit festgeschrieben ist; andererseits lehnen sie jedoch bestimmte Menschenrechte wieder ab; beziehungsweise sie beschränken sie, indem sie auf den gefühlten Willen der Mehrheit verweisen.

86 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Zwischenbilanz

Rechtspopulismus: eine Zusammenfassung

Theorie und Definition

Auf der Suche nach einer einheitlichen Definition muss unterstrichen werden: Im wissenschaftlichen Diskurs gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen darüber, was unter Populismus zu verstehen sei. Populismus ist einerseits ein sehr breites Feld mit stark voneinander abweichenden Ausprägungen; andererseits ist er seiner dünnen Ideologie wegen thematisch schwer inhaltlich greifbar. Während die meisten Autoren der Standardwerke im Konflikt Eliten versus Volk den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, lehnt Taggart selbst diesen wissenschaftlichen Minimalkonsens ab. Das Volk, begründet er, sei lediglich eine rhetorische Größe (Taggart, 2000, S. 91ff). Es sei begrifflich nicht festmachbar und in Folge nicht mehr als eine sprachliche Metapher.

Paul Taggart sieht die zentrale Definition für Populismus in dem von ihm eingeführten Begriff des heartland (Taggart, 2000, S. 92ff). Also jener anachronistischen Utopie, welche rechtspopulistische Politiker zum Ideal ausrufen. Sie sei zentral, insbesondere im Zusammenhang mit Rechtspopulismus, der im Grunde stets auf nationalistische oder regionalistische Elemente zurück greift.

Andere Wissenschafter, beispielsweise Margret Canovan, versuchen in sehr umfassenden Analysen und Bewertungen ein sehr detailliertes Bild des Populismus zu zeichnen. Canovan erfasste alle Formen, historisch und aktuell, von Populismus und entwickelte daraus Typologien (Canovan M. , 1981). Viele davon sind aus heutiger Sicht jedoch nicht mehr von Relevanz, weshalb sie die Definitionen unnötig aufblähen. Der agrarische Populismus, um ein Beispiel zu nennen, steht nur sehr bedingt im Zusammenhang mit dem modernen Rechtspopulismus. Will man sich auf moderne Formen von Populismus konzentrieren, stören diese historischen Formen die Bewertung aktueller populistischer Politik.

87 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Lässt man den Einspruch Taggarts – es gebe nicht so etwas wie ein Volk im Populismus – bei Seite, bleibt als einzige Schnittmenge im wissenschaftlichen Diskurs der von Rechtspopulisten propagierte Konflikt Eliten versus Volk. Reduziert man radikal alle Rand- und Nebenfaktoren, ist dies das zentrale Kriterium, will man populistische Politik im wissenschaftlichen Diskurs korrekt einordnen. Diese Arbeit wird folglich diesem Merkmal einen wichtigen Stellenwert zuordnen.

Case Mudde fasst diesen Minimalkonsens sehr gut zusammen:

„I define populism as an ideology that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, ‘the pure people’ versus ‘the corrupt elite’, and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people. Populism, so defined, has two opposites: elitism and pluralism.“ (Mudde, 2004, S. 562)

Für eine genaue Selektion beziehungsweise eine tiefgreifende Analyse dürfte ein einziges Selektionsmerkmal jedoch problematisch sein. Es bedarf weiterer Indikatoren, will man näher eingrenzen. Diese zusätzlichen Indikatoren sollen insbesondere in Grenzfällen helfen, eine Partei klar zu beurteilen.

Ein wichtiges Kriterium dieser Arbeit ist die Bewertung beziehungsweise klare inhaltliche Definition von Rechtspopulisten, also bedarf es eines Indikators, der klar zwischen populistischen und rechtspopulistischen Kräften trennt. Wie bereits ausgeführt, sind die Begriffe Rechts und Links im Zusammenhang mit Populismus jedoch zwei schwierige. Zielführend ist, die zu untersuchenden Bewegungen/Parteien auf eine horizontale Ausgrenzungsstrategie hin zu untersuchen. Grenzt sie sich nicht nur nach oben hin (vertikal), sondern auch nach außen hin ab (gegenüber beispielsweise Ausländern), so ist es zulässig, von einer rechtspopulistischen Bewegung zu sprechen – auch wenn die Gruppierungen in anderen Themen, etwa in der Wirtschaftspolitik, linke Ansichten vertreten.

Allein die Bezugnahme auf den propagierten Konflikt zwischen Eliten und Volk ist eine noch sehr dünne Definition. Frölich-Steffen, Rensmann (Frölich- Steffen, 2004, S. 6) und Mudde (Mudde, 2004) plädieren dafür, Populismus – neben des Konfliktes Eliten versus Volk – als thin-centred ideology aufzufassen. Diese Definition sei einerseits nicht zu schlank, andererseits auch nicht zu aufgeblasen, was wiederum eine nicht erwünschte Fokussierung auf spezielle Bewegungen bedeuten

88 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung könnte. Die Idee hinter dem Begriff, den Mudde prägte, ist folgende: Populisten betonen, die Gesellschaft stünde an einem Wendepunkt, an dem das Volk entscheiden müsse, die korrupte Elitenherrschaft zu beenden und die Macht wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dünn sei Populismus deswegen, weil ihn kein mächtiges ideologisches Konstrukt begleite, wie es beispielsweise beim Liberalismus oder Sozialismus der Fall ist.

Rechtspopulisten lehnen die repräsentative Demokratie nicht vollständig ab; sie setzen sich jedoch für eine massive Begrenzung eben dieser ein. Die Macht müsse eben zurück zum Volk und dürfe nicht weiter von korrupten Eliten ausgeübt werden. Eine Möglichkeit hierzu ist neben dem elektoralen Sieg über die Eliten ein Mehr an direkter Demokratie. Populismus ist unter diesem Blickwinkel nicht anti- demokratisch. Er ist eine radikale Vorstellung von Demokratie.

Diese Definition – kombiniert mit dem Konflikt Eliten versus Volk – umfasst bereits sehr viel, was moderne rechtspopulistische Bewegungen und Parteien beschreibt. Was fehlt, ist die bereits angesprochene horizontale Konfliktlinie. Sie dient dazu, Populisten von Rechtspopulisten, welche die vorliegende Arbeit untersucht, zu unterscheiden.

Diese Arbeit will jedoch auch Taggarts Bezug auf das heartland nicht außer Acht lassen. Das heartland (Taggart, 2000, S. 91ff) beschreibt eine archaische, zu Teilen fiktive Gesellschaftsordnung, wie sie in der Vergangenheit vorgeherrscht habe. Diese Vorstellung steht in Zusammenhang mit einer Abneigung gegenüber Großkapital, gegenüber Industrialisierung und Modernisierung. Das heartland ist eine fiktive Welt von fleißigen Menschen, die mit ordentlicher Arbeit ihr Auskommen finden. Großkapital und Modernisierung stören diese Ordnung und sind in Folge Feinde des Systems – gleich wie politische Eliten, denen ein Pakt mit den angesprochenen Gruppen unterstellt wird.

89 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Einordnung und Kategorisierung

Eine andere Herangehensweise an das Problem der Kategorisierung von rechten und rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien ist der Zugang über die Typologie der Parteien. Der deutsche Politikwissenschafter Michael Minkenberg ordnete rechte Bewegungen (von rechtsradikal bis rechtspopulistisch) thematisch ein, indem er ihre Inhalte analysierte und ihre Exklusionskritierien herausarbeitet (Minkenberg, 2013, S. 12):

Abbildung 2: Exklusivkriterien nach Minkenberg. Entnommen aus: (Minkenberg, 2013, S. 12)

Minkenberg bezieht sich damit im Speziellen auf rechte Bewegungen und stellt die Fremdenfeindlichkeit beziehungsweise – konkreter – die Art der Fremdenfeindlichkeit in den Mittelpunkt seiner Kategorisierung. Die aufgezählten Exklusivkriterien können sich dabei durchmischen. Eine Partei kann beispielsweise rassistisch, antisemitisch und nativistisch zugleich sein. Je extremer eine Partei, desto mehr Exklusivitätskriterien umfasst in der Regel die Blickweise. Dieser Blick richtet sich – wie angeschnitten – auf rechte Bewegungen und klammert Linkspopulisten bewusst aus. Diese sind jedoch auch nicht Thema dieser Arbeit, weshalb die Einordnung laut Minkenberg durchaus hilfreich ist. Der Autor will Minkenbergs Methodik – wenn notwendig – zur Überprüfung seiner Fallbeispiele heranziehen.

90 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

In einem weiteren Schritt ordnet Minkenberg die Bewegungen ihrer inhaltlichen Ausrichtung und ihrer Radikalität nach ein. Er bildet vier Gruppen: 1) Extremistische Recht, 2) enthnozentristische Rechte, 3) populistische Rechte und 4) religiös-fundamentalistische Rechte:

Abbildung 3: Rechte Parteien samt Vorfeldorganisationen und Wählerschaft in Europa, geordnet nach der Typologisierung von Minkenberg. Quelle: (Minkenberg, 2013, S. 15)

91 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Auffallend ist, dass Minkenberg FPÖ und Lega Nord den ethnozentristischen Parteien zuordnet und nicht der populistischen Rechten. Seiner Auffassung nach steht das Rassistische beziehungsweise Fremdenfeindliche im Vordergrund. Dies zeigt, wie kontrovers Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus diskutiert werden. Während also Minkenberg die FPÖ der ethnozentristischen Rechten zuordnet, ortet er Parteien wie Forza Italia oder das BZÖ der populistischen Rechten zu.

Dem kann entgegen gehalten werden, dass Parteien wie die PFÖ und die Lega Nord nicht allein ihrer auffallend starken ethnozentristischen Abgrenzung so stark wurden. Es ist vielmehr die gekonnte Positionierung als Anti-Establishment-Parteien, welche ihnen Wahlerfolge bescherte, insbesondere der FPÖ.

Der Autor dieser Arbeit ordnet der horizontalen Abgrenzung deshalb eine andere Bedeutung zu: Ihrer teils diffusen und schwierigen Einordenbarkeit wegen trägt das Links-Rechts-Schema modernen populistischen Parteien nicht Rechnung. In einem Vergleich zwischen SPÖ und FPÖ hält dazu der Journalist (Die Zeit) und Politikkenner Joachim Riedl fest:

„Beide wenden sich hauptsächlich an Wählersegmente, die im wirtschaftlichen Verteilungskampf ins Hintertreffen geraten sind. Beide rücken die sozialen Ängste ihrer Anhänger in den Mittelpunkt ihrer Politik. Beide pflegen ähnliche Feindbilder: Banken, Millionäre, Spekulanten – bloß leisten sich die Freiheitlichen noch ein zusätzliches Schreckgespenst, vor dem auch so mancher Genosse bibbert. Es sollte nicht vergessen werden, dass es die Gewerkschaften waren, die gegen den ‚Genossen Lohndrücker’ aus dem Ausland wetterten, und dass es ein Zentralsekretär der SPÖ war, der erstmals behauptete: ‚Das Boot ist voll.’ Erst anschließend schmiedeten die Freiheitlichen aus diesem Thema ihre wichtigste Propagandawaffe.“ (Riedl, 2013)

Riedl will damit also unterstreichen, dass die Einordnung in links und rechts der politischen Einordnung nicht ausreichend groß Rechnung trägt. Eine Kategorisierung ist schwieriger, als man es auf den ersten Blick vermutet.

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Was der Kategorisierung der populistischen Rechten (Minkenberg, 2013, S. 9ff) von Minkenberg fehlt, ist die angesprochene Ablehnung gegenüber Ausländern beziehungsweise – folgt man Caramani und Mény – gegenüber jenen, die nicht zur Gemeinschaft zählen (Caramani & Mény, 2005, S. 32ff). Unter Gemeinschaft verstehen sie eine Gruppenzugehörigkeit, die gemeinsamer ethnischer Wurzeln bedingt, während der Begriff der Gesellschaft aus der Aufklärung stammt und mit dem Liberalismus in Verbindung steht. Dieser Bezug der Rechtspopulisten auf die Gemeinschaft ist nicht unwesentlich, will man beispielsweise den Aufstieg von Jörg Haider (FPÖ/Österreich), des Franzosen Jean-Marie Le Pen (Front National) oder des Niederländers Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid) erklären.

Rechtspopulisten brauchen Feindbilder. Dieses Thema ist allerdings politikwissenschaftlich ein schwierig abgrenzbares: Mischt sich zur Anti-Haltung eine latente oder tatsächliche Gewaltbereitschaft, dann kann die Bewegung mitunter mehr rechtsextrem als rechtspopulistisch sein. Der Front National ist solch ein Grenzfall einer Partei, die zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus angesiedelt ist, jedoch tendenziell als extremistisch eingestuft wird (Schmid, 2009).

Im Grunde ist allen Rechtspopulisten jedoch eine anti-liberale Haltung gegenüber Ausländern gemeinsam. Sie lehnen Zuzug ab oder – wenn doch – dann zumindest nur dann, wenn die eigene Kultur als dominierend nicht in Frage gestellt werde, wie es beispielhaft die FPÖ formuliert: „Multikulturelle Parallelgesellschaften lehnen wir ebenso ab wie die Vermischung von religiösen und philosophischen Weltbildern.“ (Freiheitliche Partei Österreichs, 2013)

Andere, nicht unwesentliche Punkte, die dabei helfen, eine rechtspopulistische Bewegung richtig zu bewerten, sind:

• Wird die Bewegung/Partei von einem charismatischen Führer angeführt? Rechtspopulistische Parteien sind in der Regel dominiert von einem starken Leader. Wenngleich alle Parteien zunehmend – in Ermangelung an inhaltlichen Differenzierungsmöglichkeiten – auf starke Personen an der Spitze setzen, ist eine hierarchische Struktur mit einem (scheinbar?) starken Leader an der Spitze typisch für rechtspopulistische Bewegungen.

93 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

• Aus wissenschaftlicher Sicht neigen Rechtspopulisten zu einem sehr anachronistischen Zugang. Sie zeigen sich ablehnend gegenüber Modernisierung, Rationalisierung und der damit verbundenen Globalisierung. Dies macht programmatisch insofern Sinn, als dass ihre Wähler vielfach zur Gruppe der Modernisierungs-/Globalisierungsverlierer zählen (Taggart, 2000, S. 16). Im Umkehrschluss befürworten Rechtspopulisten eine Rückwärtsentwicklung. Ihre ideale Gesellschaft ist ein romantisiertes Vergangenheitsprodukt.

• Neben den Inhalten ist Sprache und Auftreten ein wichtiges Mittel erfolgreicher Rechtspopulisten. Diese ist meist lautstark, frei von komplexen Worten, voll von Überzeichnungen und direkt an das Volk gerichtet. Rechtspopulisten pflegen eine gewisse Stammtisch-Rhetorik. Neurolinguistische Programmierung (NLP) ist häufig von Relevanz in ihrer Kommunikation (Woschitz, 2011, S. 37ff).

Die Politikwissenschafter Caramani und Mény näherten sich dem (alpinen) Rechtspopulismus von einer anderen Seite: Sie versuchten in Challenges to Consensual Politics (Caramani & Mény, 2005) herauszuarbeiten, weshalb Rechtspopulisten speziell in alpinen Räumen so erfolgreich sein konnten und sind?

Diese Kategorisierung versucht, Rechtspopulisten territorial einzuordnen. Also es wird weniger versucht, Rechtspopulisten seitens ihrer Politik einzugrenzen, sondern bezogen auf deren Wirkungsraum.

In deren Modell gehen sie von der These aus, dass in den ruralen Räumen des alpinen Raums Rechtspopulismus gehäuft vorzufinden ist (mehr dazu unter Der Alpen-Populismus, Seite 112ff). Caramani und Mény widmen sich weniger der Art der Ausprägungen als mehr der Frage, mit welchen Rahmenbedingungen diese Häufung zusammen hängt? Allerdings sind Thesen von Caramani und Mény strittig und gelten – zu Teilen – als widerlegt.

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Rechtspopulismus: Gefahr oder Korrektiv?

Bei aller Kritik an rechtspopulistischen Parteien gibt es Politikwissenschafter, welche dieser Form von Politik eine Funktion zuschreiben. „Nimmt man die Programme der Populisten ernst, kann man ihnen kein Demokratiedefizit, sondern einen demokratischen Überschuss vorwerfen. Sie wollen ja mehr statt weniger Demokratie“, schlussfolgert der Politikwissenschafter Paul Lucardie (Lucardie, 2011, S. 34). Die Populisten erfüllten dahingehend eine Funktion, als dass sie Politik verständlich und für die Angehörigen der sozialen Unterschicht verständlich machten. Sie seien sozusagen das Gegenstück zur herrschenden Klasse, die sich mitunter vom Leben der einfachen Menschen entkoppelt habe.

Die Gefahren, welche von Rechtspopulisten ausgingen, relativiert Lucardie in seiner Analyse:

„Man findet in der Geschichte auch Sozialdemokraten, die zusammen mit Kommunisten eine sogenannte Diktatur des Proletariats herbei geführt haben, es gab Konservative, Katholiken und Liberale, die in Frankreich die Vichy-Diktatur unterstützten und die in Deutschland dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten zustimmten. Deswegen waren ihre Ideologien aber nicht unbedingt undemokratisch. Wenn man sich die Programme der populistischen oder populistisch angehauchten Parteien in Deutschland und den Niederlanden anschaut, findet man dort keine Vorschläge, die parlamentarische durch eine plebiszitäre Demokratie zu ersetzen und politische Parteien überflüssig zu machen oder gar abzuschaffen. PRO, LPF, Leefbaar Nederland, PVV die Republikaner und sogar die DVU möchten nur ein Referendum oder einen Volksentscheid herbeiführen, um die parlamentarische Demokratie zu ergänzen, nicht um sie zu ersetzen“, argumentiert Paul Lucardie (Lucardie, 2011, S. 34)

Zur Untermauerung diese These zieht der Politikwissenschafter aktuelle Beispiele aus der Geschichte heran, etwa die Regierungsbeteiligungen der FPÖ in Österreich sowie jene der LPF in den Niederlanden, die zu keiner (grundlegenden) Änderung am politischen System geführt hätten.

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Aufgrund dieser Funktion, bestimmten Gesellschaftsschichten als Stimme zu dienen, schreiben ihnen Politikwissenschafter wie beispielsweise Frank Decker eine Funktion in der Herbeiführung von politischen Entscheidungen zu:

„Die Wirkungen der neuen rechtspopulistischen Parteien unter Demokratiegesichtspunkten sind zweischneidig. Einerseits artikulieren diese Parteien ein Unbehagen am politischen Ist-Zustand, das auf berechtigten Gründen (etwa der sozialen Benachteiligung) beruhen kann. Die etablierten Kräfte werden so gezwungen, sich der zuvor offenbar vernachlässigten Probleme anzunehmen – und sei es nur symbolisch. Insofern handelt es sich beim Populismus um ein Protestphänomen, von dem auch positive Wirkungen ausgehen können. Dies gilt zumal, wenn die populistischen Parteien Unzufriedenheitsgefühle bündeln, die sich ansonsten vielleicht bei noch extremeren Kräften sammeln oder gar auf gewaltsamen Wege Bahn brechen würden. Selbstbewusste Demokratien bräuchten den Populismus von daher eigentlich nicht zu fürchten. Auf der anderen Seite bleibt der Populismus ein schleichendes Gift. Indem er zu einer Banalisierung des politischen Diskurses führt, höhlt er die institutionellen und kulturellen Prinzipien aus, auf denen die heutige Demokratie beruht.“ (Decker & Lewandowsky, 2009)

Welche Gefahr von dieser Banalisierung der Politik ausgeht, darüber wird – wie bereits angerissen – ein kontroverser Diskurs geführt. Während die eine Linie an Politikwissenschaftern das Argument vertritt, Rechtspopulisten könnten selbst in Regierungsverantwortung nicht ihre Worte in Taten umsetzen, warnen andere, darunter Decker, vor problematischen Folgen:

„Solange die Herausforderer (die Rechtspopulisten, Anmerkung) in der Opposition verharren und als reine Protestparteien auftreten, dürfte von ihnen für die verfassungsmäßige Ordnung keine unmittelbare Bedrohung ausgehen. Bedenklich wird es erst, wenn sie über Regierungsmacht verfügen und ihre fragwürdigen Demokratievorstellungen aktiv betreiben können. Die Erfahrungen nach der Machtbeteiligung bzw. -übernahme rechtspopulistischer Parteien in Österreich und insbesondere Italien haben gezeigt, dass diese Befürchtungen keineswegs aus der Luft gegriffen sind und auch durch das wahrscheinliche

96 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Scheitern der Populisten an der Regierung nicht zerstreut werden können. Denn auch dort, wo die etablierten Vertreter einig sind, sie von der Macht fernzuhalten, erzeugen die Populisten Wirkung. Bemächtigen sich Parteien und Medien ihrer Themen und bedienen sie sich in der Wähleransprache derselben Techniken, tragen diese selbst dazu bei, dass das populistische Gift in die Politik einsickert.“ (Decker & Lewandowsky, 2009)

Die Frage, wie dem entgegenzuwirken ist, teilt ebenfalls die Meinungen der Politikwissenschaft. Während die einen auf mehr direkte Demokratie zur Problemlösung verweisen, fordern die anderen einen Kulturwandel innerhalb der Politik: Sie argumentieren, die Politik habe sich zu weit vom Volk entfernt; sie sei mitunter – wie von den Populisten kritisiert – eine Herrschaft der Eliten, die zu wenig die Sorgen der einfachen Menschen kenne und auf diese eingehe. Dieses Argument wird auch oft angeführt, will man den Rückgang von Wahlbeteiligung und den damit korrelierenden Schwund an politischem Interesse begründen.

Den Bedenken über eine sinkende Wahlbeteiligung steht jedoch die Normalisierungsthese gegenüber, welche darauf verweist, dass eine sehr hohe Wahlbeteiligung mitunter lediglich ein Index für ein großes Maß an sozialer Kontrolle ist. Nicht zu wählen, kann Ausdruck einer Individualisierung sein. Eine sehr hohe Wahlbeteiligung kann umgekehrt als Indikator für eine Krise oder einen Konflikt innerhalb der Gesellschaft betrachtet werden (Bürklin & Klein, 1998, S. 160).

„Eingebunden in spezifische subkulturelle Sozialmilieus, die durch eine relative Konstanz trennscharfer Strukturmerkmale wie soziokultureller Orientierungen gekennzeichnet waren, prägten emotionale Verbundenheit und disziplinierte Folgebereitschaft das politische Verhalten der Stamm- und Kernschichtenwähler. Die außerordentliche Stabilität tief verankerter Parteibindung stützte sich dabei auf ein die österreichische Gesellschaft strukturierendes Konfliktmuster, das sich in den Fünfziger- und Sechzigerjahren aus drei Hauptspannungslinien (cleavages) zusammensetzte: Es waren dies die konfessionelle Konfliktachse (aktives katholisches bzw. konfessionell gebundenes Milieu versus laizistisches, kirchenfernes Milieu), die wohlfahrtsstaatliche Konfliktlinie (sozialstaatliche Sicherheits- und Regelungserwartungen versus stärker marktwirtschaftliche, auf individuelle Initiativen und Risiken abgestellte Orientierungen) sowie eine – wenn auch deutlich

97 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung abgeschwächte – deutschnationale versus österreichnationale Spannungslinie. Diese drei Hauptspannungslinien – ergänzt durch traditionelle Spannungen zwischen Stadt und Land wie Zentralräumen und peripheren Randlagen – definierten die Konfliktlogik der österreichischen Nachkriegsdemokratie wie die Grenzen der dominanten Lager“, schreiben dazu die Politikwissenschafter Fritz Plasser und Peter Ulram (Plasser & Ulram, 2000, S. 170). Dies erklärt, weshalb Parteien abseits des politischen Mainstreams nur geringen Raum in Österreich hatten.

Interessant ist der Blick von Mudde, der im Zusammenhang mit Populismus die These, Populismus sei zur pathologischen Normalität geworden, verwirft:

„[I]nstead it is argued that today populist discourse has become mainstream in the politics of western democracies. Indeed, one can even speak of a populist Zeitgeist.“ (Mudde, 2004, S. 542)

Mudde betont weiters, es sei schwierig, eine Trennlinie zwischen dem Populismus der so genannten Populisten und jenem der (vermeintlich?) seriösen, etablierten Politik zu ziehen:

„In conclusion then, at least since the early 1990s populism has become a regular feature of politics in western democracies. While populism is still mostly used by outsider or challenger parties, mainstream politicians, both in government and in opposition, have been using it as well – generally in an attempt to counter the populist challengers.“ (Mudde, 2004, S. 251)

Mudde geht sogar noch einen Schritt weiter und betont, dass Populisten mitunter deshalb so häufig und mit so vielen Stimmen gewählt werden, weil sie in einigen Punkten durchaus einen wahren Kern postulieren könnten: Zwar könne nicht belegt werden, dass die Eliten korrupter geworden seien, da schlicht Datenmaterial fehle, um dies zu bestimmen. Mudde ortet jedoch eine gefühlt stärkere Distanz zwischen politischen Eliten und dem Volk. Er betont dabei jedoch, dass es mehr eine Frage der Wahrnehmung sei, weniger einer der Fakten, wenngleich auch faktisch eine partielle Entfernung messbar sei (Mudde, 2004, S. 553ff).

98 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Die Gründe für diese gefühlt gewachsene Entfernung ortet Mudde in einer Reihe von Entwicklungen, welche die vergangenen Jahrzehnte die politische Landschaft verändert hätten (Mudde, 2004, S. 553ff):

1. Während Medien in Westeuropa von Parteien kontrolliert, ideologisch aufgeladen und an Milieus geknüpft waren, verschwand mit der Kommerzialisierung der ideologische Aspekt. Mit dem Aufkommen des Privatfernsehens erlebte die Skandalberichterstattung eine Blüte. Beides kommt Populisten zu Gute, die thematisch dasselbe Genre bedienen (vgl. derStandard, 2017).

2. Es klingt widersprüchlich, eine höhere Bildung ermöglichte jedoch den Populisten erst ihre Wahlerfolge. Grund dafür ist die Entwicklung der politischen Kultur, welche die Emanzipierung von gewohnten Bindungen förderte. Die Erwartungen an Politiker sind gestiegen. Die Tabubrüche von Rechtspopulisten unterstreichen dieses emanzipatorische Anliegen vieler Wähler.

3. Mudde argumentiert, dass speziell in den Konkordanzdemokratien in den späten 1960ern eine „Entpolitisierung“ (Mudde, 2004, S. 555) stattgefunden habe. Anstelle der Politik sei das Administrieren beziehungsweise Regieren getreten. Es sei nicht überraschend, argumentiert Mudde, wenn nun die Populisten nach einer Rückkehr der Politik rufen.

4. Gesellschaftliche Veränderungen wie das Ende des Kommunismus, der Wandel von einer Industrie- und eine Dienstleistungsgesellschaft, die Globalisierung der Wirtschaft sowie weitere Entwicklungen veränderten Wähler in ihren Bedürfnissen und Einstellungen. Etablierte Parteien konnten dieser Entwicklung nur bedingt Rechnung tragen.

Die Reaktion auf die genannten Veränderungen waren Neugründungen von Parteien, darunter RPP. Diesen rechtspopulistischen Parteien gelang es, mit einem Widerspruch Wähler zu mobilisieren: Sie fordern einerseits eine Entmachtung der Eliten, mehr (direkte) Demokratie und einen Leader aus dem Volk – und sind dabei gleichzeitig mit einer Wählerschaft konfrontiert die, so Mudde, im Grunde genau das Gegenteil will: Eine starke Führung und weniger Mitbestimmung.

„In short, the contemporary populist revolt is in many ways the opposite to that of 1968 and further.“ (Mudde, 2004, S. 557)

99 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Zusammenfassend kann betont werden, dass in den Nachkriegsjahren bis hinein in die 1980ern und 1990ern die Wähler in den meisten Staaten Europas durch starke cleavages in deren Wahlverhalten gebunden waren. Die soziale Schicht war maßgeblich für die politische Zugehörigkeit. Die Wahlmöglichkeit war in Folge nur bedingt frei. Die Flexibilisierung die als Folge der Individualisierung auftrat, öffnete Raum für den politischen Wechsel. Diese Chance nutzten Rechtspopulisten. Sie fanden jene simplifizierte Sprache und inhaltliche Banalität, welche insbesondere bei Wählern sozial niedriger Schichten zu Wahlbereitschaft führte.

Mudde relativiert die Gefahren des Populismus. Dieser sei episodisch. Muddes Schlüsselbegriff ist jener des Populist Zeitgeist, wonach aus genannten Gründen die gesamte Politik populistischer geworden sei. Zur Lösung des Problems – also des Defizits repräsentativer Demokratien – gibt es laut Mudde nur zwei Möglichkeiten:

„The problem is, can they be ‘better’ (i.e. more democratic) within the system of liberal democracy? As soon as more radical demands are made, the answer from the mainstream politicians is often that they are not feasible because of constitutional provisions or international commitments. Thus, a vicious circle is created, which can only be broken by either giving in to the populists, and creating a more populist (and less liberal!) democratic system, or by resisting them, and instead explaining and defending the democratic limitations of the liberal democratic system.“ (Mudde, 2004, S. 562)

Die Frage nach den Folgen dieses populistischen Zeitgeistes ist eine, die Raum zur Spekulation lässt. Anton Pelinka beispielsweise verweist auf Fallbeispiele, in denen Rechtspopulisten in Regierungsverantwortung genommen und eben dadurch entzaubert wurden. Wie verhindert werden könne, dass Heinz Christian Strache, Spitzenkandidat der FPÖ, Bundeskanzler werde?

„Da bietet sich die Erfahrung der Ära Schüssel an: die FPÖ an die Brust zu nehmen. In der Regierung könnten die Freiheitlichen ähnlich schnell entzaubert werden wie zwischen 2000 und 2003. Also die Türen auf für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, um diese zu zerstören.“ (Pelinka, 2013)

100 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Ausblick zum Rechtspopulismus

In der Politikwissenschaft änderte sich der Blickwinkel was rechtspopulistische Parteien betrifft. Während in den 1970ern und 1980ern Rechtspopulismus als periodisches Phänomen, meist als in der Peripherie entstandener Zugang verstanden wurde, änderte sich mit der Jahrtausendwende der Blickwinkel: Niederlagen bei Wahlen stellten sich nicht immer als nachhaltiges Problem für derartige Bewegungen und Parteien dar. Sie konnten sich erholen, behaupten und wurden feste politische Kräfte (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015).

Wichtig sind dabei, wie die Partei funktioniert (Organisation, Beziehung Leader zu den Grass Roots) beziehungsweise wie sie Niederlagen ihren Anhängern kommuniziert (Abschieben auf externe Gegenspieler). Rechtspopulismus ist damit gewissermaßen eine Form von Inszenierung; ein Schauspiel gegenüber den Anhängern – wenngleich Politik an sich eine Form der Inszenierung ist.

Wie diese Arbeit beschreibt, sind Populismus und Rechtspopulismus keineswegs aussterbende „politische Techniken“. Neben Ländern, in denen rechtspopulistische Parteien in Regierungsverantworten standen, werden die Parteien auch in anderen Ländern stärker. Ein Beispiel hierfür ist die Alternative für Deutschland, die insbesondere bei Landtagswahlen starke Ergebnisse erzielen konnte – primär als Reaktion auf die Flüchtlingsproblematik in den Jahren 2015 und 2016.

Im Kapitel Rechtspopulismus in Europa ab Seite 127, wird diese Thema im Detail erläutert.

Eine Folge von Rechtspopulismus ist der Rechtsruck anderer politischer Kräfte. Parteien der politischen Mitte neigten und neigen dazu, ihre Wähler durch ähnliche politische Versprechungen von Rechtspopulisten abzuwerben. Ein Beispiel hierfür ist die österreichische ÖVP, welche sich während der Regierungszeit mit der FPÖ (Schüssel-Regierungen, 2000 bis 2006) als ebenfalls patriotische Partei verkaufte. Mehr zu diesem Thema wird diese Arbeit im Detail erläutern.

101 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Sozialer Wandel, politische Kultur und regionale Besonderheiten

Einkommensverteilung und Rechtspopulismus

Der Erfolg des modernen Rechtspopulismus wie etwa jener der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), der niederländischen Lijst Pim Fortuyn (LPF) oder der norwegischen Fortschrittspartei geht einher mit dem Machtverlust der Volksparteien. Dieser wiederum ist gekoppelt an einen zunehmenden Bedeutungsverlust der traditionellen ideologischen Gräben, welche die Gesellschaft durchziehen.

Moderne Links-Rechts-Dogmen sind zwar weiterhin vorhanden; sie spielen aber nicht mehr dieselbe Rolle, wie es zu Zeiten der Entstehung von Massenparteien (Wende zum 20. Jahrhundert) und Volkparteien (nach dem Zweiten Weltkrieg) der Fall war. In Italien führte dieser Bedeutungsverlust der Dogmen – kombiniert mit einem Korruptionsskandal – gar zum Zerfall der beiden Großparteien, der Democrazia Cristiana (DC) und der Partito Socialista Italiano (PSI). Es bildete sich ein neues Parteiensystem aus, das durch „Bewegungsparteien“ gekennzeichnet war und ist. Solche Parteien verstehen sich als eine Zwischenform aus einer politischen Idee und einer organisierten Form, also einem Parteiapparat (Pallaver & Gärtner, 2006, S. 103). Silvio Berlusconis Forza Italia ist ein Beispiel hierfür.

Warum das Links-Rechts-Dogma in den Staaten Westeuropas nicht mehr solch eine zentrale Rolle spielt, dazu gibt es unterschiedliche Erklärungsmuster. Eine, wenn nicht die Dominierende, besagt, dass mit den Einbrüchen im Wirtschaftswachstum in den 1970ern der Konsens zwischen den sozialen Schichten brüchig wurde. Die Gewinne der Unternehmen sanken und gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit. Der soziale Friede, welcher herrschte, war einer, der vom Wachstum, das beiden Seiten dienlich war, überdeckt wurde. Die sozialen Konflikte waren in den Phasen des Wachstums nicht beseitigt, sie waren jedoch gut kaschiert, zumal beide Seiten des politischen Spektrums (links, mitte-rechts) vom System profitierten. Und mit ihnen

102 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung die politischen Parteien, welche das System respektive die gesellschaftliche Ordnung, welche damals noch verhältnismäßig simpel war, widerspiegelten (Decker, 2012)

Hinzu kam, dass der intensive Ausbau der sozialen Sicherungsmaßnahmen bei der Bevölkerung zu so etwas wie einer Entpolitisierung beziehungsweise Politikmüdigkeit führten. Große politische Vorhaben, wie es sich noch zur Jahrhundertwende oder nach dem Zweiten Weltkrieg gab, waren durchgeführt worden und der Wohlstand während und nach den Wirtschaftswunderjahren sorgte für eine Entemotionalisierung der politischen Debatte.

Mit dem einher ging eine inhaltliche Annäherung der Großparteien, zumal das installierte System gemeinsamer Konsens war. Was die Großparteien trennte, waren im Inneren zwar grobe Unterschiede, nach außen hin jedoch gefühlte Details. In ihrer Grundausrichtung bekannten sie sich zu prinzipiell denselben Werten (Kapitalismus, freier Markt). Die ideologischen Gräben, wie es sie in Österreich noch zu Zwischenkriegszeiten gab, wichen einem Miteinander, das in Kommissionen, etwa der paritätischen Lohn- und Preiskommission, und später institutionalisiert als Sozialpartnerschaft einen Ausdruck fand.

Populismus-Forscher Frank Decker vermutet gerade in diesem konsensualen Miteinander und der starken inhaltlichen Anpassung (zur Wählermaximierung) ein Potenzial für Unzufriedenheit. Wegen fehlender inhaltlicher Abgrenzung werde der Wettbewerb entpolitisiert: „Anstelle der komplexen Sachinhalte treten Image, symbolische Handlungen und eine Rhetorik, die sich der Parteilichkeit bewusst entkleidet, indem sie das Volk zum zentralen Bezugspunkt macht“ (Decker, 2012)“

Die Krise der catch all parties ist aber nicht nur eine zwischen den sozialen Schichten, welche vielfach in dieser Form gar nicht mehr existieren. Es ist eine, die sich auch innerhalb der Parteien abspielt: Eine zwischen Modernisierern und Traditionalisten. Gerade dies ist ein zentraler Konflikt der Postmoderne, welcher jedoch im klassischen Parteiensystem keine oder nur am Rand eine Abbildung erfährt. Die Grünen (postmodern, liberal) sowie die Freiheitliche Partei (traditionalistisch, autoritär) können als Beispiele für Bewegungen interpretiert werden, die aufgrund dieser neuen Bruchlinie entstanden.

103 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Der Zusammenbruch des Kommunismus (Ende der 1980er beginnend) sorgte für den Wegfall einer lange Zeit maßgeblichen Bruchlinie: Jener der Systeme. Jener zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Werte- und Wirtschaftsordnung. Mit dem Wegfall des Kommunismus setzte sich der Kapitalismus als hegemoniales System durch, dem bislang keine Alternative entgegen gesetzt werden konnte. Die Macht der Rationalisierung setzte staatliche respektive regionale Wirtschaftssystem unter Druck – Fertigungsprozesse wurden dorthin verlagert, wo die Kosten geringer waren. Dies führte zu einer massiven Abwanderung von Arbeitsplätzen Richtung China und Indien. Die Staaten Westeuropas fanden und finden vielfach keine Antwort auf diesen Verschiebungsprozess, den der Dienstleistungssektor hätte kompensieren sollen. Häufig traten nicht die gewünschten Effekte ein, welche Ökonomen vorhergesagt hatten. Die Rationalisierungen, welche durch Computer erzielt wurden, warfen sämtliche Prognosen über den Haufen.

Hinzu kam, dass durch wirtschaftspolitische Veränderungen in den 1970ern und 1980ern die Weichen für eine neue Einkommensverteilung gestellt wurden. „Mehr Markt, weniger Staat“, lautete das Credo, das die britische Premierministerin Margret Thatcher verkündete (Eichenhofer, 1999). Sie wurde zum Sinnbild einer Politik, die auch vom damaligen US-Präsidenten Ronald Regan getragen wurde. Wenngleich Thatcher notwendige Reformen einleitete, von den Bürgern mehr zivilgesellschaftlichen Einsatz forderte und sie den Staat schlanker machte, sorgte sie auch dafür, dass der soziale Friede ein jähes Ende fand. Neben dem öffentlichen Unmut lässt sich diese Verschiebung der Einkommensverteilung zu Gunsten der Reichen auch statistisch belegen:

104 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Abbildung 4: Die Anteil des Einkommens der Topverdiener (ein Prozent) in englischsprach Ländern seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Quelle: Atkinson and Piketty (2007, 2010).

Oben stehende Grafik, entnommen aus Top Incomes in the Long Run of History (Anthony B. Atkinson & Saez), zeigt deutlich, wie sich mit Beginn der 1980er in angloamerikanischen Ländern die Einkommen zu Gunsten des Prozents mit den höchsten Einkünften verlagerten. Betrug der Anteil des reichsten Prozents Großbritanniens am Gesamtvermögen Mitte der 1970er rund sechs Prozent, so waren es zur Jahrtausendwende bereits nahezu 14 Prozent. Das reichste Prozent der britischen Gesellschaft konnte seinen Anteil an den Gesamteinkünften der Volkswirtschaft mehr als verdoppeln.

Dass die neoliberale Politik von Margret Thatcher, kurz der Thatcherimus, einen Einfluss auf die Einkommensschere hatte, zu diesem Schluss kommen auch die Autoren von Top Incomes in the Long Run of History: „Within democracies, the top shares may be affected by changes over time in political partisanship. It is naturally tempting to relate the observed changes over time to political variables. For example, top income shares in the United States and the United Kingdom start to increase during the Reagan and Thatcher administrations.“ (Anthony B. Atkinson & Saez, S. 63)

105 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Die Autoren kommen darüber hinaus zum Schluss, dass größere Einkommensgleichheit zu Kriegszeiten herrscht, was zweierlei Gründe hat:

• Zu Kriegszeiten verliert die Produktivität des Kapitals an Wert. Es lassen sich damit nicht jene Gewinne wie zu Friedenszeiten erzielen. Zudem setzt Hyperinflation dem Geldvermögen von Wohlhabenden und Reichen zu.

• Die Kriegsindustrie ist ein Zweig, der unter strenger Kontrolle steht und Preisgrenzen festsetzt. Diese Verhinderung des freien Marktes verhindert auch die Kumulation von hohen Geldbeträgen in der Hand weniger.

Dieser Exkurs soll kein Aufruf zur Planwirtschaft sein. Er soll lediglich aufzeigen, was passieren kann, wenn sich der Staat aus dem Wirtschaftsleben zurückzieht und Instrumente der Umverteilung radikal zurückfährt. Im 19. Jahrhundert prägte der sozialistische Politiker Ferdinand Lassalle den Begriff des Nachtwächterstaates, der polemisch umschrieb, worum es im Laissez-faire – ein zentraler Punkt im Thatcherismus beziehungsweise der Wirtschaftspolitik Regans – geht: Einer Politik, die nicht oder zumindest kaum eingreift und das Spiel der freien Kräfte des Marktes wirken lässt.

Der Thatcherismus ist insofern maßgeblich für rechtspopulistische Strömungen, als dass er einen Prozess einläutete, der stärker in Gewinner und Verlierer der Modernisierung differenzierte. Diese veränderte Verteilungsgerechtigkeit ging von England und den USA aus, schlug sich jedoch auch auf Europa nieder. Das Weniger an Umverteilung und das Mehr an persönlicher Verantwortung schuf eine größer werdende Klasse von jenen, die am Gewinn nicht teilhaben konnten. Die Folge waren latente soziale Spannungen und eine Suche nach Alternativen im politischen System – beziehungsweise die Resignation.

106 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Rückgang des Wachstums, Staatsverschuldung und Strukturwandel

In den Staaten Mitteleuropas war diese Politik des Thatcherismus anfangs nicht dermaßen stark wie im Vereinigten Königreich oder den USA ausgeprägt; nach den Jahren des Keynesianismus, in welcher durch Deficit Spending Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst gesichert wurden und die Staatsverschuldung, schlitterten die Volksparteien langsam aber stetig in eine Legitimationskrise. Das Modell von Keynes geht davon aus, dass die gemachten Schulden, welche den Wirtschaftsabschwung bekämpfen sollen, nach Ende der Talfahrt wieder zu begleichen sind (Beziehungsweise hilft die Inflation dabei). Zu dieser kam es jedoch nicht mehr beziehungsweise in nur sehr geringem Maße. Diese Schuldenpolitik sicherte den Regierungen zwar kurz- und mittelfristig die Sympathie der Wählerschaft; langfristig untergrub diese Praktik jedoch das Vertrauen in die Politik und bot sich späteren Rechtspopulisten als Thema an. In der Tat baut das Wachstum der vergangenen Jahrzehnte zu Teilen auf Staatsschulden auf.

Abbildung 5: Das öffentliche Defizit bezogen auf das Bruttoinlandsproduktes in Österreich seit 1975. Quelle: Statistik Austria (2013)

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Abbildung 6 zeigt, wie die Republik Österreich seit den 1970erb im Schnitt sein Budget um 2,9 Prozent überzog und damit kontinuierlich eine Schuldenlast aufbaute, die heute rund 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes eines Jahres beträgt.

Abbildung 6: Die Staatsverschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsproduktes in Österreich seit 1980. Quelle: Statistik Austria (2013)

Die Schuldenpolitik der Ära Kreisky (Bundeskanzler der SPÖ von 1970 bis 1983, Anmerkung) – betrachtet man exemplarisch Österreich – manövrierte das Land und mit ihm die prägenden Parteien in ein Dilemma: Zwar konnten so kurzfristig Arbeitsplätze erhalten und damit der Wohlstand gesichert werden. Andererseits sollten sich jedoch keine Wachstumsphasen wie zu Zeiten des Wirtschaftswunders mehr einstellen. Damals, zwischen 1950 und 1960, betrug das Wachstum in Österreich im Schnitt rund sechs Prozent – mit Spitzen von mehr als zwölf Prozent.

In anderen Ländern Europas ist man mit ähnlichen Schuldenständen konfrontiert. In Deutschland sind es aktuell rund 80 Prozent an Staatsschulden bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, in Italien 130 Prozent. Spitzenreiter ist Griechenland mit rund 160 Prozent. Auffallend gering ist die Verschuldung in Bulgarien (18 Prozent), Estland (10 Prozent) und Luxemburg (22,4 Prozent). Im Schnitt sind die Euro-Länder mit 92,2 Prozent bezogen auf ihre Jahreswirtschaftsleistung verschuldet (Eurostat, 2013).

108 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Abbildung 7: Wirtschaftswachstum in Österreich seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Quelle: WKO

Hinzu kommt, dass die Politik des freien Marktes sowie die Globalisierung des Handels wie auch der Finanzdienstleistungen zu einer fundamentalen Neuordnung der Machtverhältnisse führte. Die ökonomisch-theoretische Idee, dort zu produzieren, wo die Preise am geringsten sind, führte zu einer Abwanderung ganzer Industriezweige in den asiatischen Raum. War beispielsweise Großbritannien lange Zeit maßgeblich in der Industrieproduktion, so brach diese in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert erdrutschmäßig ein. Betrug in der Nachkriegszeit der Anteil des sekundären Sektors an der Gesamtbeschäftigung noch 55 Prozent (Albers, 1980), so sind es heute (Stand: 2012) nur mehr 21,1 Prozent (Central Intelligence Agency, 2013).

109 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Abbildung 8: Entwicklung der Beschäftigungen nach Sektoren in Großbritannien. Quellen: Albers (1980), CIA (2012)

Dieser gesellschaftliche Strukturwandel führte unter anderem dazu, dass klassische catch all parties konzeptionell an Bedeutung beziehungsweise an Abbildungsqualität (der Gesellschaft) verloren. Der Anteil an klassischen Arbeitern, aus denen beispielsweise die britische Labour-Partei erwuchs, beträgt im Vereinigten Königreich nur mehr rund 20 Prozent. Die Parteien verloren damit jene Klientel, die sie groß gemacht haben. Sie wurden in einen Prozess der Neuordnung gedrängt.

Diese Veränderung führt vor Augen, wie sich die Gesellschaft seit Gründung der Großparteien veränderte. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) beziehungsweise ihre Vorgängerin, die Christlich-Soziale Partei, wurde zu einer Zeit gegründet, als rund die Hälfte der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft ihr Auskommen fand. Heute sind es nur mehr rund fünf Prozent, die dabei rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaften (Central Inteligence Agency, 2013). Ähnlich ergeht des den Sozialdemokraten, ehemals Sozialisten, welche in einer Zeit gegründet wurden, als die gesellschaftliche Schichtung eine andere war, als sie es heute ist. Die Arbeiterschaft verlor zunehmend an Bedeutung in einer Ökonomie, die sich zunehmend von einer erzeugenden hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelte.

110 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Die Volksparteien setzten in ihrer Modernisierung auf eine Entideologisierung, auf das Charisma der Führungspersönlichkeiten (Stichwort: Leader) sowie auf einen inhaltliche Angleichung. Hinzu kam, dass sich die Parteien selbst institutionelle Macht gegeben haben, indem sie die Gesellschaft durchdringende Einrichtungen, etwa Vereine und Vorfeldorganisationen, schufen, die ihrer Stabilität dienlich waren und sind. Diesem Netzwerk ist es wohl zu verdanken, dass die Parteiendemokratie bis heute in dieser Dimension Bestand hat.

Ökonomisch-theoretisch betrachtet erarbeiteten sich die Parteien einen Vorsprung, mit dem sie es Mitbewerbern schwierig bis unmöglich machten, auf Augenhöhe in den Wettbewerb um Wählerstimmen einzusteigen. Betrachtet man die Politik als Markt, so ist der Markteintritt für neue Mitbewerber extrem schwierig – der Macht der etablierten Parteien wegen, die eine Form eines politischen Oligopols schufen. Jene, die neu einsteigen wollen, müssen mit weit geringeren Ressourcen arbeiten. Zudem fehlt es ihnen an Apparat und Vernetzung (in die Medien), was – umgekehrt – den Großparteien zu Gute kommt.

Ein Gegenbeispiel zum politischen Oligopol der Großparteien ist die italienische Forza Italia, eine Bewegungspartei, die unter anderem dank der Medienmacht ihres Gründers Silvio Berlusconi zur maßgeblichen Kraft Italiens aufstieg. Die Möglichkeit dazu schufen jedoch die Volksparteien selbst, die in der Periode zuvor ihren eigenen Untergang einläuteten – mehr dazu später in dieser Arbeit.

111 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Der Alpen-Populismus

Eine rechtspopulistische Besonderheit, die in diese Arbeit Eingang finden wird, ist das, was die Politikwissenschafter Daniele Caramani und Yves Mény geografisch den Alpen zugeordnet haben (Caramani & Mény, 2005, S. 37ff): der Populismus der Alpenregion. Zentral ist dabei das Vokabular der Politikverdrossenheit. Caramani und Mény führen diese auf die Immobilität in der politischen Verhandlungskultur und der damit verbundenen historisch hohen Fragmentiertheit der Gesellschaft zurück. Die Folge war eine tief zerklüftete Gesellschaft, die von konsensual agierenden Eliten zusammen geklammert wurde. Die Schwierigkeit dieser Alpenregionen ist nun jene, das Spannungsfeld zwischen ideologischer wie kultureller Entfernung gegenüber der Basis zu vertreten und gleichzeitig die „populist reaction“ (Caramani & Mény, 2005, S. 37) zu meistern.

Caramani und Mény betonen in ihrer Arbeit, dass zwar auch außerhalb des Alpenbogens Rechtspopulisten erfolgreich sein konnten. Innerhalb dessen seien sie jedoch bereits seit längerem verwurzelt. Die Problematik sei „more accentuated and acute than in other parts of Europe“ (Caramani & Mény, 2005, S. 38). Einer der Gründe hierfür sei, dass der Regionalismus in den Alpen konservativer sei als außerhalb des Alpenbogens. Die zunehmende Europäisierung der Regionen habe dabei nicht den Konflikt beseitigt, sondern lediglich verlagert: Die frühere Skepsis gegenüber dem Nationalstaat wich beziehungsweise ergänzte sich um eine anti- europäische Facette, die in der rechtspopulistischen Politik ihren Eingang fand.

Diese Muster sehen Caramani und Mény bei der FPÖ (Österreich), der Lega Nord (Italien), der SVP (Schweiz) – aber auch bei der bayerischen CDU, die prinzipiell dem christlich-sozialen Lager zuzuordnen ist, jedoch in ihrer Sprache Elemente des Rechtspopulismus aufweist. Bei näherer Betrachtung kann die CSU zwar als Wertekonservativ, jedoch nicht als rechtspopulistisch im Sinne des wissenschaftlichen Diskurses betrachtet werden. „Die Tatsache, dass die CSU in Bayern bei Wahlen regelmäßig an oder über die 50-Prozent-Marke reicht, passt ebenso wenig in das Bild des Polarisierers wie Stoibers Wirtschaftspolitik, der Beobachter zu Recht das Etikett ‚korporatistisch’ aufgeklebt haben. Unter Verweis auf das Bündnis für Arbeit konnten

112 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Unionsvertreter genüsslich betonen, dass der Bayer in seinem Bundesland einen ähnlich pragmatischen Kurs steuere wie der Kanzler (damals Gerhard Schröder, Anmerkung) – nur wesentlich erfolgreicher“, schreibt Politikwissenschafter Frank Decker über Edmund Stoiber, langjähriger Ministerpräsident von Bayern, einst Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender der CSU (Decker, 2013, S. 29).

Zusammenfassend kann betont werden, dass die CSU zwar in ihrer Sprache, ihrem Konservativismus und in ihrem starken Regionalismus zwar rechtspopulistische Elemente aufweist, in der Summe ihrer Erscheinung jedoch nicht als rechtspopulistische Partei gewertet werden kann. Dieses Beispiel zeigt jedoch, wie öffentliche Meinung (bezüglich des Begriffs des Populismus) und wissenschaftlich- theoretische Betrachtung auseinander driften können. Nicht alles, was im medialen Diskurs als populistisch etikettiert wird, ist auch tatsächlich populistisch.

Anders, wenngleich jeweils stark unterschiedlich, sind FPÖ, SVP und Lega Nord. Während die SVP im Grunde eine transformierte Volkspartei ist, ist die Lega Nord eine ethno-regionalistische Bewegung, die FPÖ eine enthno-nationalistische. Der Autor wird im Verlauf dieser Arbeit noch detailliert auf die genannten Parteien eingehen (siehe Fallstudien, Seite 129ff).

Was auffällt, ist, dass in den Ländern der Alpenregion eine hohe Konzentration an Konkordanzdemokratien feststellbar ist, die in weiterer Folge – auch dies wird noch im Detail erläutert – sich offenbar anfälliger für Populismus zeigen. Österreich, die Schweiz und Italien wurden oder werden konsensual regiert. Wenngleich Caramani und Mény auch die bayerische CSU in ihre Betrachtungen miteinfließen lassen, dürfte diese Partei eines anderen Typus’ sein und wird hier nicht näher betrachtet. Vervollständigt man den Blick auf den Alpenbogen, muss Frankreich noch herangezogen werden: eine Konkurrenzdemokratie mit Mehrheitsprinzip.

Caramani und Mény schlussfolgern, dass eine Reihe von Besonderheiten zur vorherrschenden Form von Demokratie in den Alpenstaaten geführt hat. Sie definieren dabei Populismus weniger über die Ausprägung, als mehr über die Art der Erscheinungsform beziehungsweise stehen für sie die Wachstumsfaktoren im Vordergrund. Die beiden Politikwissenschafter verweisen dabei auf fünf zentrale Elemente (Caramani & Mény, 2005, S. 27ff):

113 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

1. Staats-Zusammensetzung und Nationenbildung: Caramani argumentiert mit einer verspätet eingesetzten Partizipation an der Nationenbildung in den alpinen Ländern, die bis dorthin wesentlich von Durchzugsverkehr zwischen den städtischen Metropolen geprägt waren. Hinzu kommt deren Randlage der Vielvölkerstaaten, die mit Ende des ersten Weltkrieges zerfielen. Hinzu kommen Beziehungen, die sich nicht mit den Nationalstaaten decken, also etwa die starke Verschmelzung des Alpen-Adria-Raums (Keating, 2005). Nationalstaaten hatten dort in diesen Randlagen historisch bedingte Probleme, ihre Interessen durchzusetzen beziehungsweise es liegt so etwas wie eine latente Ablehnung des Nationalstaates vor. Die Stärke der FPÖ (und ihren Nachfolgebewegungen) könnte auf dieser nationalstaatlichen Ablehnung basieren. 2. Wirtschaftliche Struktur: Die Alpen lagen zu Zeiten der industriellen Revolution in einer Randlage und wurden von ihr verspätet oder nicht erfasst. In Oberitalien und den französischen Alpen waren ganze Täler von massiver Abwanderung betroffen; die Bewohner suchten in urbanen Zentren nach einem besseren Leben. In Österreich dürfte dieser Prozess der späteren Industrialisierung nicht oder nur teilweise eingesetzt haben. Die politische Folge dieser ungleichen ökonomischen Entwicklung war eine konträre Parteienlandschaft in Stadt und Land: Während sich in urbanen Räumen – beispielsweise im Roten Wien – starke sozialistische und kommunistische Parteien entwickelten, waren diese in ruralen Gebieten nicht existent. Dort dominierten christlich-soziale Parteien (Caramani & Mény, 2005, S. 29), aus denen – in Österreich – die ÖVP hervor ging. Parallel dazu entwickelte sich eine Tourismusindustrie sowie eine Form des alpinen Industrialismus, der stark auf Energieerzeugung (Speicherkraftwerke), Transit und der Nutzung natürlicher Ressourcen beruht. Das Besondere daran ist, dass vieles davon auf natürlichen Monopolen beruht, also de facto alternativenlos ist. Dies führte in besagten Alpenregionen zu einer besonderen Form des Selbstbewusstseins. Auffallend ist die große Anzahl an Klein- und Mittelbetrieben, die wiederum ein Resultat der späten wirtschaftlichen Entwicklung sind.

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3. Regionalismus: Ihrer Abgeschiedenheit, ihrer wirtschaftlichen Besonderheiten und ihrer Kultur wegen entwickelte sich in der Alpenregionen eine besondere Form des Regionalismus, der seine politische Ausprägung in der Artikulierung von regionalen Interessen und der Gründung von Bewegungen fand, welche diese durchsetzen zu versuchen. Solche Parteien, schreibt Caramani, entstanden solche Parteien „especially in culturally distinct regions within the centralised states which were basend on the Napoleonian model of national standardisation and integration“ (Caramani & Mény, 2005, S. 30). Es findet sich eine Form von latenter regionaler Ablehnung gegenüber dem Nationalstaat, der in Distanzierung oder gar offener Abkehr seinen Ausdruck findet. Beispiel einer solch offenen Abkehr ist die Lega Nord im Norden Italiens, die stets betont, sich im italienischen Staat nicht heimisch zu fühlen. All diese alpinen Regionalparteien vertreten eine konservative Weltanschauung, die Keating mit den Begriffen politisch-rechts, katholisch und anti-modernistisch (Keating, 2005) beschreibt. 4. Politische Kultur: Caramani argumentiert, dass die Abgeschiedenheit der alpinen Räume zu einer politischen Kultur führte, die Elemente von „tradtion, religiosity, nature, community (Gemeinschaft), and locality (Heimat)“ starker entwickelte, als anderswo (Caramani & Mény, 2005, S. 32). Caramani betont weiters, dass sich diese Kulturen zwar offen gegenüber Entwicklungen der Moderne zeigten und am wirtschaftlichen Aufschwung partizipierten; diese konservativen Werte blieben jedoch erhalten und sind steuern Entscheidungsprozesse sehr maßgeblich. Eine Besonderheit der alpinen politischen Kultur, die sich daraus entwickelte, ist eine spezielle Vorstellung des Miteinanders. Anders als Nationalstaaten der Moderne, die von der Gesellschaft sprachen, die sich mehr an gemeinsamen Zielen orientiert, sprechen Regionalisten von der Gemeinschaft, die auf gemeinsame Wurzeln aufbaut. Darunter ist so etwas wie eine „wahre Gruppe“ zu verstehen, die gemeinsame ethnische Wurzeln vorweisen will und dies als Pfeiler der Zusammengehörigkeit definiert. Dies ist, spannt man den Bogen von den Regionalparteien zu rechtspopulistischen Bewegungen, ein exkludierendes Element, ist doch Gemeinschaft etwas, das

115 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

nicht frei zugänglich ist. Die Gemeinschaft ist an den Geburtsort beziehungsweise die Vorfahren geknüpft, während die nationalstaatliche Gesellschaft ein Ausdruck einer gemeinsamen Lebenseinstellung ist. Die Gesellschaft ist inkludierend. 5. Konkordanz: In vielen Staaten und Regionen des alpinen Raumes sind Konkordanzsysteme vorzufinden, die sich als Folge der gesellschaftlichen Gegensätzen entwickelten. Es wuchs ein Parteienstaat mit tiefen Verflechtungen in die Sub-Gemeinschaften, der jedoch zusehends unter Druck kam, setzte doch zunehmend eine Erosion dieser klassischen Bindungen ein. Es entwickelte sich so etwas wie eine latente Differenz zwischen der gesellschaftlichen Realität und dem etablierten System, das einen Gesellschaftszustand repräsentiert, wie er nur mehr bedingt vorherrscht. Dies war jedoch verflochten mit einem hohen Grad an Immobilität der Wählerschaft. Das System war – wenn man es so betrachten will – mit sich selbst nicht zufrieden; es konnte sich jedoch nicht beziehungsweise nur sehr schwer selbst in Bewegung bringen.

Die These des so genannten Alpenpopulismus ist allerdings umstritten: Es gibt Rechtspopulismus auch in anderen Ländern und nicht alle Regionen des alpinen Raums sind gleichermaßen davon betroffen. In Folge verlor dieser Begriff an Bedeutung beziehungsweise er verschwand zu weiten Teilen wieder aus dem politischen Diskurs. Mittlerweile gibt es Gegenbeispiele zur Fokussierung auf den Alpenraum; etwa den Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), insbesondere im Osten der Bundesrepublik. Bei den Landtagswahlen im März 2016 kam die AfD in Sachsen-Anhalt mit 23,1 Prozent auf ihr bislang bestes Länderergebnis (Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, 2016).

Darüber hinaus zeigen beispielsweise auch die Niederlande, dass Rechtspopulismus und alpine Lebensräume nur bedingt korrelieren. Insofern gilt die These, Rechtspopulismus würde vermehrt in den Alpen vorkommen, im Grunde als wiederholt beziehungsweise gibt es mittlerweile eine wachsende Anzahl an Fällen, die dem widersprechen. Die These kann den Blick auf die ausgewählten Fälle allerdings auch erweitern.

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Zur politischen Kultur

Ein wichtiger Begriff, der das Verständnis der zu den untersuchenden Fällen erleichtert, ist jener der politischen Kultur. Wichtig ist vorab, den Begriff nicht mit jenem der Alltagssprache zu verwechseln: Wenn sich beispielsweise Politiker einander vorwerfen, es fehle an politischer Kultur, so meinen sie das konkrete Verhalten, jedoch nicht den wissenschaftlichen Begriff (Pelinka, 2006, S. 227).

Bei der politischen Kultur im Sinne der Politikwissenschaft handelt sich um eine weitgehend starre Variable, welche sich maßgeblich auf alle politischen Prozesse innerhalb eines solchen Kulturkreises auswirken. Alle modernen Studien rund um den Themenkomplex bauen auf Arbeiten von Gabriel Almond, Sidney Verba und Lucian Pye auf, die in den 1960ern des vergangenen Jahrhunderts begonnen haben, empirisch- analytisch zu diesem Thema zu forschen (Almond & Verba, The Civic Culture, 1968).

„Almond, Verba und Pye hatten vor dem Hintergrund (der Bildung neuer Staatsformen, die nicht dem alten Typus entsprachen, Anmerkung) die Absicht, mit einem politischen Kulturansatz einen umfassenderen und systematischeren Vergleich politischer System unterschiedlichster Ausprägungen zu ermöglichen. Einer ihrer zentralen Themen war die Fragen ob und wie sich in den neu entstehenden Staaten (ehemalige Kolonien, Anmerkung) Demokratie einführen und etablieren lässt.“ (Barrios, 2006)

Ein zentraler Begriff ist dabei die Civic Culture, auf Deutsch die Staatsbürgerkultur. Die gedankliche Idee dahinter klingt trivial: Um festgeschriebene demokratische Normen und Werte auch durchsetzen zu können, bedarf es einer Zivilkultur, welche diese auch trägt.

„Politische Kultur hat immer etwas mit Macht zu tun. Es geht in der politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Politischer Kultur aber immer und wesentlich auch um die ‚verborgenen Mechanismen der Macht’ (Bourdieu 1997), d.h. nicht nur um Verfassung und die messbare Verfassungswirklichkeit etwa, sondern auch um die internalisierten Normen, die politisches Verhalten bestimmen. Damit ist Politische Kultur zwar an die systematisierte Form von

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Herrschaft gebunden – also an das Politische System; Politische Kultur erweist sich aber auch jenseits der institutionellen Ordnung der Gesellschaft, im Bereich der Zivilgesellschaft“, schreibt dazu der österreichische Politikwissenschafter Anton Pelinka (Pelinka, 2006, S. 225).

Politische Kultur, schreibt Pelinka weiter, bezieht nicht allein auf das Verhalten unterschiedlicher Gesellschaftsschichten zueinander. Es ist vielmehr ein Indikator für den Bezug von Eliten und Masse. Die Politische Kultur ist demnach ein Ausdruck über die vertikale Funktionalität der Gesellschaft, die Pelinka in drei Dimensionen gliedert: (Pelinka, 2006, S. 226)

• Kognitive Dimension • Affektive Dimension • Bewertende Dimension

Das Besondere an der politischen Kultur ist ihre Unsichtbarkeit. Sie lässt sich nicht festschreiben und auch nur sehr bedingt vereinbaren. Sie ist jedoch auch nicht angeboren. Folglich ist politische Kultur ein Produkt des sozialen Zusammenlebens, das einem ständigen Wandel ausgesetzt ist.

Die politische Kultur ändert sich mit den Jahren; sie kann in Subkulturen andere Ausprägungen annehmen und sie lässt sich schwierig bis nicht lenken. Dennoch wird sie beeinflusst und beeinflusst ihrerseits wiederum das politische System und in Folge das soziale Zusammenleben einer Gesellschaft (Almond & Verba, The Civic Culture, 1968). „Politische Kultur ist jedenfalls auch und wesentlich im Zusammenhang mit der Sozialisationsfunktion politischer Systeme zu sehen, da sie nicht zuletzt der Reflex und das Produkt von Bewusstsein und Verhalten sind. Oder, anders ausgedrückt: Politische Sozialisation produziert Politische Kultur“, schreibt Pelinka weiters (Pelinka, 2006, S. 226).

Was wiederum unter dem Begriff der Kultur zu verstehen ist, dies definieren Almond und Verba folgendermaßen: „Wenn unterschiedliche Akteure dieselben Orientierungen teilen, könne man dieses Muster als die Kultur der jeweiligen sozialen Gruppe verstehen. Anlehnend an Talcott Parsons, unterscheiden Almond und Verba drei Dimensionen kultureller Orientierungen: eine kognitive, eine affektive und eine evaluative.“ (Barrios, 2006, S. 118)

118 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Hier finden sich dieselben drei Dimensionen wie bereits zuvor von Pelinka genannt, der sie in Bezug zum Verhältnis von Eliten und Masse setzte. Almond und Verba formten daraus nach umfangreichen Länderstudien drei Idealtypen von Modellen der politischen Kultur (Almond & Verba, 1989, S. 22):

Abbildung 9: Idealtypen politischer Kultur mit den jeweils vorhandenen Bezugsobjekten individueller Orientierungen. (Barrios, 2006)

Unter einer parochial political culture verstehen Almond und Verba eine Ansammlung an Individuen, die sich in der Übergangsphase von dörflichen oder feudalen Systemen hin zu komplexeren Gesellschaften mit zentraler Regierungsgewalt befinden. Almond und Verba nennen historisch betrachtet die Zeit der Bildung von Königreichen als Beispiel (Almond & Verba, 1989, S. 22). Stammesgesellschaften in Afrika fallen heute unter diesen Typus. Es handelt sich also um organisierte Strukturen, wenngleich die einzelnen Individuen nicht bis kaum mit dem politischen System interagieren.

Die subject political culture (Almond & Verba, The Civic Culture, 1968, S. 19ff) kann im Deutschen als Untertanenkultur bezeichnet werden. Den Individuen ist die eigenen Rolle als politischer Akteur nicht bewusst, gleich wie auch inputseitig keine Einflussmöglichkeiten als solche wahrgenommen werden. Solche Individuen haben zwar politische Vorstellungen, äußern sie jedoch nicht. Das System als solches dulden oder lehnen sie ab, sie nehmen selbst jedoch keinen inputseitigen Einfluss.

Der dritte Typus ist die participant political culture. Individuen einer solchen Kultur nehmen Einfluss auf das politische System – sowohl im Kleinen, als auch im Großen. Sie selbst betrachten sich als politische Akteure und sind sich ihrer Bedeutung bewusst. Dies ist jene Gruppe, die auch inputseitig Einfluss auf die politische Gestaltung nimmt.

119 Rechtspopulismus: eine Begriffsbestimmung

Für das Funktionieren eines demokratischen Staates, argumentieren Almond und Verba, bedarf es einer Mischform aus den Kulturen. Würden alle Individuen sich stets informieren und am politischen Entscheidungsprozess aktiv teilhaben wollen, so würde dies den Handlungsspielraum der Politik zu sehr einschränken. Eine Demokratie würde nicht mehr in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. In der von ihnen formulierten civil culture sehen Almond und Verba die richtige Balance aus aktivem Eingreifen, um autoritäre Handlungen zu unterbinden, und der für die Regierungstätigkeit notwendigen Passivität.

Wichtig sei dabei der demokratische Mythos. Darunter verstehen Almond und Verba den Umstand, dass – würde jeder am demokratischen Prozess teilhaben wollen – eine Gesellschaft aus nur Partizipanten den Staat lähmen würde. Wichtig ist demnach nicht die Frage, ob jeder partizipiert, sondern dass es die Möglichkeit zur Partizipation gibt. Umgekehrt müssen Politiker auch einverstanden sein und zeigen, dass sie an so etwas wie eine potenzielle Einflussnahme durch das Volk beziehungsweise seine Individuen glauben (vgl. Almond & Verba, 1989, S. 337ff).

Diese Aggregation der inputseitigen Interessen ist ein zweistufiger Prozess. Die erste Stufe ist jene, wie sie in Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. (siehe Seite Fehler! Textmarke nicht definiert.) beschrieben ist und eben ein Produkt der civil culture. In einer zweiten Stufe gilt es, die vielen vorherrschenden Interessen zusammen zu fassen, zu bewerten und entsprechend ihrer Wichtigkeit politisch einfließen zu lassen.

„Politiker und politische Institutionen müssen den gemeinsamen Nenner der Interessen ausloten, die an sie herangetragen werden. Diesen Prozess bezeichnet Almond als die Aggregation politischer Interessen.“ (Hartmann, 2012, S. 112)

Wer die Aggregation dieser individuellen Interessen vornimmt, ist ebenfalls ein zentraler Punkt der politischen Kultur. In der Regel sind es Parteien, es können jedoch auch Vorfeldorganisationen sein. In Ländern mit einer starken Ausprägung der Konkordanz – wie etwa in Österreich oder den Niederlanden – waren beziehungsweise sind es primär die Sozialpartner, welche Anliegen sammeln, nach einem Konsens suchen und diesen dann an das Parlament herantragen.

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Historisch betrachtet unterlag der Input-Prozess starken Reglementierungen. In Monarchien etwa konnten Vorfeldorganisationen nur sehr begrenzt ihre Interessen einbringen. Dieses System änderte sich im Grunde erst nach den bürgerlichen Revolutionen, allen voran nach der französischen Revolution (1789 bis 1799) und den Europäische Revolutionen (1848/1849). Ähnlich reglementiert ist der Input-Prozess in autoritären beziehungsweise totalitären Systemen.

„Der Output-Bereich gliedert sich dreistufig in die Funktionen der Regelgebung, der Regelanwendung und der Regelauslegung. im demokratischen, verfassungsbasierten politischen System sind diese Funktionen jeweils voneinander unabhängigen Strukturen anvertraut, einem Parlament, der Regierung und Verwaltung und schließlich der unabhängigen Gerichtsbarkeit In autoritären Systemen, die von einem einzelnen Herrscher oder von einer Monopolpartei kontrolliert werden, müssen diese Output-Funktionen ebenfalls erfüllt werden.“ (Hartmann, 2012, S. 113)

Zur Stärkung der politischen Kultur empfehlen Almond und Verba ein mehr an Bildung, Industrialisierung und Urbanisierung. Insbesondere Bildung bewerten sie als zentral:

„The most substitute for time would be education. Our data have shown education to be the most important determinant of political attitudes; and it is also the most manipulatable.“ (Almond & Verba, 1989, S. 370)

Diese Faktoren, so gingen sie in den 1960ern aus, würden sich positiv auf die Entwicklung der neuen Staaten Afrikas – Kern ihrer Untersuchung – auswirken. Die Autoren waren also sehr modernisierungs-gläubig, was aus heutiger Sicht kritisch betrachtet werden kann, löste die Modernisierung nur bedingt gesellschaftliche Probleme. Beziehungsweise schuf sie gar neue, bewertet Politikwissenschafter Harald Barrios rückblickend die Thesen von Almond und Verba (Barrios, 2006, S. 120).

Zentral im Zusammenhang mit der politischen Kultur ist die Bildung. Sofern sich politische Bildung beeinflussen lässt, dann durch eine steigende Bildung der Individuen, wie Pelinka wie folgt beschreibt:

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„Ob zehn oder 50 Prozent des Jahrganges einer Gesellschaft einen höheren Bildungsabschluss erreichen, hat auf die politische Kultur wesentlichen Einfluss. Ob ein Schulsystem sektorale Autonomie in Form konfessioneller Schulen fördert oder nicht, ist, zumindest längerfristig, für die Entwicklung der politischen Kultur eines Landes ebenso von Bedeutung wie die Kontrolle der Sportförderung durch an politisch-weltanschauliche Lager gebundene Sportverbände. Ob Anreizsysteme der Forschungspolitik gesellschaftswissenschaftliche Grundlagenforschung stimulieren oder nicht, hat letztlich ebenso Auswirkungen auf die Entwicklung der politischen Kultur wie der Aus- der der Abbau partizipativer Strukturen in Schulen oder Universitäten.“ (Pelinka, 2006, S. 227)

Wichtig dabei ist jedoch zu verstehen, dass es keine direkte Beeinflussbarkeit gibt. Politische Kultur kann also nicht durch Faktoreneinsatz (etwa Schulen, Universitäten) in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt oder entwickelt werden. Bildung führt in der Regel jedoch zu einer positiven Beeinflussung der Anzahl jener, die am System aktiv partizipieren, also der parochial political culture zuzurechnen sind. Hierbei muss wiederum betont werden, dass dies aus politikwissenschaftlicher Sicht weder positiv, noch negativ zu bewerten ist, kann doch ein zu hohes Maß an individueller Partizipation lähmend sein für einen demokratischen Apparat, während ein zu geringes Maß ebenfalls negative Folgen haben kann.

Interessant im Zusammenhang mit politischer Kultur ist die Komplexität des gesellschaftlichen Aufbaus. Es ist einerseits schwierig, Eliten und Massen als autonome Einheiten zu sehen; andererseits ist die Gesellschaft gegliedert in Subkulturen, wobei Individuen durchaus sich mehreren Subkulturen zugehörig fühlen und es dabei zu scheinbaren Widersprüchen kommen kann.

Eine hohe Heterogenität muss jedoch nicht einer demokratischen Entwicklung entgegenwirken, wie das Beispiel Indien zeigte. Andererseits gibt es Staaten, die sich aufgrund einer sehr großen Homogenität nur bedingt demokratisch entwickeln. Pelinka nennt dazu das Beispiel Pakistan, das seiner islamischen Ausrichtung zum Trotz keine demokratische Stabilität aufbauen konnte:

„Diese Erfahrung sollte auch skeptischer gegenüber den im Zusammenhang mit der weiteren demokratischen Vertiefung der EU vorgebrachten Argumenten

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machen: dass die sprachliche Vielfalt der Union auf Dauer verhindere, dass sich eine europäische ‚politische Sphäre’ entwickle; dass die unterschiedlichen historischen ‚collective memories’ der EU-Mitglieder einer vertieften Integration entgegenstünde; dass die Nationalstaatlichkeit in Europa einen europäischen Bundesstaat nicht zulasse.“ (Pelinka, 2006, S. 230)

Interessant zu beobachten sind die Probleme der Konkordanz-Demokratien (des Alpenraumes), die Daniele Caramani und Yves Mény in ihrem Werk Challanges to Consensual Politics beschreiben. Die beiden Politikwissenschaften werfen dabei einen Blick auf die Frage der politischen Kultur und sehen in der Erschöpfung der klassischen cleavages und der in Folge wachsenden Politikverdrossenheit einen Grund, warum populistische Parteien überhaupt erst erfolgreich sein konnten. Caramani und Mény legen zwar ihr Augenmerk auch auf Nebenfaktoren – etwa die Ökonomie des Alpenraumes –, ihre Kernthese handelt jedoch von der speziellen politischen Kultur die im Alpenraum, fernab der urbanen Zentren, entstanden ist:

„The conservativism and traditionalism of the transnational Alpine regions and of is type of sub-national regionalism is one of the elements that the analysis of the Alpine political culture has identified.“ (Caramani & Mény, 2005, S. 32)

Caramani und Mény argumentieren weiters, die Entfernung zu den Zentren Europas habe dazu beigetragen, dass Eigenschaften und Werte wie Tradition, Religiosität, Dialekte und Gemeinschafssinn erhalten blieben. Während sich in napoleonischen Staaten Gesellschaften entwickelten, blieben in den Alpenländern Gemeinschaften erhalten. Diese unterscheiden sich vorrangig durch ihren einschließenden beziehungsweise exkludierenden Charakter (Geburtsrecht).

Zu dieser Ablehnung nationaler Eliten gesellt sich eine große Skepsis gegenüber allem Neuen, im Speziellen gegenüber dem Finanzkapitalismus, den man als „easy money“ betrachtet. Dem gegenüber stehen kleine und mittelgroße Betriebe, die ihre Stärke in täglicher, harter Arbeit sehen:

„This also translates into initiatives for the defence of the local workers on the labour market, which is further linked to the anti-emigration stands.“ (Caramani & Mény, 2005, S. 32)

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Zu dem kommen Einflüsse von außen hinzu, etwa die Amerikanisierung des täglichen Lebens (Kino, TV, Ernährung) und die Konfrontation der Klein- und Mittelbetriebe mit Billigkonkurrenz aus China. Die Bewohner der lange Zeit abgeschiedenen Alpentäler erfuhren so in einem Schnellverfahren Einflüsse, denen sie früher nicht ausgesetzt waren. Auf die relativ abgeschlossene Gemeinschaft wirken Veränderungen, die Individuen verunsichern. Genau hier setzen Rechtspopulisten an, die Themen wie eben den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte auf den heimischen Arbeitsmarkt thematisieren und zum Wahlkampfthema erklären. Oder sich als Kämpfer gegen die Macht des Großkapitals titulieren, was all jene gerne hören, die sich unter Druck gesetzt fühlen. Die Ängste mögen teils irrational, teil berechtig sein – sie werden von den Menschen jedoch als solche empfunden.

Die politische Kultur ist aber auch eines anderen Aspektes wegen wichtig: Sie erklärt zu Teilen die Möglichkeit, warum rechtspopulistische Bewegungen überhaupt erst wachsen konnten. Es bedarf, so widersprüchlich dies klingen mag, einem gewissen Grad an Bildung unter den BürgerInnen, um sich von traditionellen Mustern lösen zu können: Die Wahl von rechtspopulistischen Parteien ist Ausdruck von individueller Emanzipation.

„True, they want to be heard in the case of fundamental decisions, but first and foremost they want leadership. They want politicians who know (rather than ‘listen to’) the people, and who make their wishes come true“, schreibt Cas Mudde über die Grundeinstellung von WählerInnen rechtspopulistischer Parteien “, (Mudde, 2004, S. 558). Während sich also die Wähler der Grünen Parteien (allgemein und pauschal formuliert) wohl selbst als Partizipanten betrachten, dürften sich jene rechtspopulistischer Parteien als Subjekte sehen.

Aus dem Kulturbegriff heraus betrachtet, gelang beiden jedoch die Emanzipierung aus gewohnten Mustern. Auch der Terminus der Protestwahl ist Ausdruck einer solchen Emanzipierung. Gerade solche Protestwähler scheinen des Tabubruchs der Rechtspopulisten in deren Bann gezogen zu werden.

124 Überblick zu den Fallstudien

Überblick zu den Fallstudien

Rechtspopulisten an der Regierung

Der Autor trifft folgende Auswahl an (vermutlich) 10 rechtspopulistischen Bewegungen, die es in den folgenden Kapiteln näher zu untersuchen gilt:

• Österreich: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) • Niederlande: Lijst Pim Fortuyn • Italien: Forza Italia (FI) und Lega Nord (LN)

Rechtspopulismus spielt in weiteren Ländern Europas eine Rolle. In Frankreich etwa mit dem Front National (FN), in Belgien der Vlaams Belang oder die Fortschrittspartei in Dänemark sind Bewegungen von einer bedeutenden Größe. Sie wurden oder werden jedoch von den anderen Parteien nicht in die Regierungsarbeit integriert, was sie in die Opposition verbannt. Beziehungsweise werden die Parteien als rechtsradikal eingestuft.

In Ländern mit einem Mehrheitswahlrecht – etwa Frankreich und Großbritannien – kämpfen Rechtspopulisten mit dem Problem, nicht stark genug zu sein, um die mächtige Hürde eines Wahlsieges zu nehmen (mehr dazu in Rechtspopulismus in , Seite 127ff).

Grundlegend anders ist die Lage in Osteuropa, wo bis zu Beginn der 1999er- Jahre kommunistische Einheitsparteien die politische Landschaft prägten. Wenngleich es in Osteuropa jede Menge rechtspopulistische/nationalistische Bewegungen gibt, ist ein Vergleich mit jenem aus dem ehemaligen Westen nur bedingt zielführend, ist doch die Geschichte und die gesellschaftliche Entwicklung eine grundlegend andere.

10 Es gilt zu überprüfen, ob die Parteien tatsächlich rechtspopulistisch im Sinne der Definition sind.

125 Überblick zu den Fallstudien

Taggart verweist in diesem Zusammenhang auf Krisen, die den Funken zur Gründung rechtspopulistischer Parteien geben.

„The idea of living at a turning point in history is an important one for populist ideas.“ (Taggart, 2003, S. 15)

Während die Parteien aus Osteuropa eine Reaktion auf einen grundlegenden Wandel des Systems sind, das auch kommunistischen Parteien wieder neue Stärke gab, ist der Populismus des Westens eine Reaktion auf eine gefühlte Politikverdrossenheit und ein Protest am System, also eine Form von Krise der repräsentativen Demokratie. „Alternativ soll hier das Konzept der politischen Unzufriedenheit zur Anwendung gebracht werden, das in der internationalen Forschung schon seit vielen Jahrzehnten etabliert ist und sich theoretisch präzisieren wie empirisch umsetzen lässt“, konkretisiert Politikwissenschafter Tim Spier den ungenauen Begriff der Politikverdrossenheit (Spier, 2010, S. 99).

Auffallend für Osteuropa sind mächtige Law-and-Order-Parteien wie Recht und Gerechtigkeit in Polen oder Fidesz – Ungarischer Bürgerbund. Hinzu kommen zahlreiche extremistische Kleinparteien in den Staaten des Ostens. Insbesondere in Polen konnten sich starke rechtspopulistische Parteien etablieren, die hohe Stimmanteile für sich verbuchen konnten.

Vergleichen mit rechtspopulistischen Parteien Westeuropas zeigen sich jene im Osten noch radikaler, was Forderungen und Sprache betrifft. Die League of Polish Families beispielsweise hat den Kampf gegen Homosexualität an die Spitze ihrer Agenda geheftet während Law & Justice (Kaczynski-Brüder) um eine Verfassungsänderung bemüht war, die Grundrechte wie beispielsweise die Pressefreiheit einschränken sollte (Albertazzi & Mueller, 2013, S. 357). Nach nur zwei Jahren zerbrach jedoch die Regierung, jener Law & Justice angehörte.

Bis heute beschäftigen die Skandale das Land, welche die Partei hinterlassen hat. Bei einem Flugzeugabsturz im Jahr 2010 in Russland kamen Lech Kaczyński, Mitbegründer von Law & Justice (Prawo i Sprawiedliwość), sowie zahlreiche Parteifunktionäre ums Leben (Urban, 2010). Bei den Parlamentswahlen 2015 wurde die Partei mit 37,6 Prozent die stärkste Kraft in Polen und Beata Szydło, die jetzige Parteivorsitzende, Kabinettschefin der Regierung.

126 Überblick zu den Fallstudien

Rechtspopulismus in Europa: abschließender Überblick

Wenngleich Rechtspopulismus nichts grundlegend Neues und schon gar keine europäische Erfindung sind (erste Entwicklungen gingen von den USA aus, sie Historische Betrachtung, Seite 37ff), so entwickelte sich doch eine spezielle Form des Populismus in Europa. Dieser europäische Populismus tendiert politisch nach rechts, wenngleich, wie insbesondere die englischsprachige Literatur betont, es auch im linken Lager starke populistische Züge zu beobachten gibt.

Während viele Autoren ihr Augenmerk primär auf jene Parteien mit einer auffallend starken horizontalen Abgrenzung richten (Stichwort: Ausländer, Asylpolitik), fassen andere Politikwissenschafter wie beispielsweise Peter Mair den Begriff deutlich bereiter: Er betrachtet die von Toni Blair zwischen 1994 und 2007 geführte New Labour als einen Meister dieses neuen Populismus. Mair erklärt, die britische Demokratie habe sich hin zu einer populistischen Demokratie entwickelt (Mair, 2002, S. 91ff). Die britische Presse, die von starken Boulevardmedien dominiert wird, unterstreicht aufgrund ihrer Art und Sprache diese These. Wiederum andere Autoren diskutieren, wie populistisch Die Linke in Deutschland sei?

Cas Mudde ergänzt, dass die populistische Herausforderung der Politik durch Populisten generell zu mehr Populismus in der Politik geführt habe (Mudde, 2004, S. 557ff). Es habe eine Entwicklung von der liberalen hin zu einer populistischen Politik hin stattgefunden, was in praktisch allen Ländern Europas zu beobachten sei. Damit verbunden ist eine Entideologisierung der Inhalte – was umgekehrt den Aufstieg der Populisten erst ermöglichte.

Unbestritten ist, dass Populismus einher geht mit der Erosion traditioneller Wählermuster. Ein signifikanter Bruch zu solchen ist in vielen europäischen Staaten gegen Ende der 1980er zu erkennen. Klar ist auch, dass die liberale Demokratie (in vielen Fällen) mit Ende des Sowjetimperiums ihren ideologischen Gegner verlor. Oberstes Gut des Liberalismus ist die Freiheit. Mit Ende des Sowjetreiches schien die gefühlte Freiheit nun plötzlich für jeden greifbar. (Alternative für Deutschland, 2016)

127 Überblick zu den Fallstudien

Daniele Caramani und Yves Mény betonen die Verkettung von Immobilität und Konkordanz, die besonders in ehemals geografisch abgeschlossenen Räumen den Populismus begünstigt haben (Caramani & Mény, 2005, S. 37ff). Davon erfasst wurden nicht nur Randparteien, sondern auch ehemalige Parteien der politischen Mitte wie beispielsweise die Schweizerische Volkspartei oder die Christlich Soziale Union (CSU) um ihren damaligen Vorsitzenden Edmund Stoiber11.

Neu auf der politischen Bühne ist die Alternative für Deutschland (AfD). 2012 gegründet, gewann in Folge der Flüchtlingsansturms im Jahr 2015 massiv an Bedeutung. Nach einer Spaltung nach Streitigkeiten in der Führung der Partei im Mai 2015 rückte die Partei nochmals nach rechts. Die Doppelspitze aus Frauke Petry und Jörg Meuthen (Stand: 2017) forciert die Forderung nach mehr Macht für Nationalstaaten, einen Austritt aus dem Euro und eine restriktivere Politik gegenüber Asylsuchenden (Alternative für Deutschland, 2016).

Ihr stärkstes lokales Wahlergebnis erreichte die AfD bei den Landtagswahlen 2016 in Sachsen-Anhalt: André Poggenburg, Vorsitzender der Landesgruppe, kam auf 24,3 Prozent der Stimmen (Kämper, 2016). Die Partei konnte sich trotz immer wieder kehrenden Streitigkeiten einer wachsenden Popularität erfreuen. Im Parteiprogramm ist unter anderem von einer Verstärkung bei der Polizei, einer Rückkehr zur Wehrplicht und „mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ die Rede (Alternative für Deutschland, 2016).

Die vorlegende Arbeit hat jedoch im theoretischen Teil erklärt, was sie unter rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien versteht. Diese sind Teil der Untersuchung. Neben den ausgewählten Fallbeispiel (Kriterium: in Regierungsverantwortung gestanden) gibt es in Europa jedoch eine Vielzahl an vergleichbaren Bewegungen, die elektorale Erfolge erzielen konnten und von Relevanz sind.

11 Wobei der Autor Steuber nicht als Populisten oder Rechtspopulisten bezeichnen möchte. Seine Politik trug mitunter populistische Züge.

128 Fallstudien: Parteien in Regierung

Fallstudien: Parteien in Regierung

Österreich

Geschichte und politische Kultur

Nach dem Zerfall der Donau-Monarchie nach Ende des Ersten Weltkrieges war die Erste Republik (1918 bis 193812) von starken zentrifugalen Kräften geprägt. Die politischen Strömungen standen einander ablehnend gegenüber, insbesondere Arbeiterschaft (Sozialisten) und Christlich-Soziale demonstrierten einander mit militärisch organisierten Wehrverbänden Stärke. Der Konflikt mündete in einem Bürgerkrieg, den so genannten Februarkämpfen von 1934, in denen sich der Republikanische Schutzbund (Sozialisten) der christlich-sozialen Heimwehr – unterstützt von Heer und Polizei – geschlagen geben musste (vgl. Talos & Manoschek, 2012, S. 7ff).

Es folgte 1938 der Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland, der 1945 mit der bedingungslosen Niederlage des Zweiten Weltkriegs endete. Die politische Kultur, die sich in der Zweiten Republik herausbildete, war eine völlig andere als in der Ersten Republik – und dies, obwohl große Personalkontinuitäten zu beobachten waren. So regierte beispielsweise Karl Renner (Sozialisten) sowohl in den Anfängen der Ersten Republik als Staatskanzler (1918–1920), als auch in der Zweiten Republik als Chef der provisorischen Regierung (1945) und war im Anschluss noch bis 1950 als erster Bundespräsident im Amt.

12 Von 1934 bis 1938 regierte der christlich-konservative Ständestaat. Im Grunde ein autoritäres Gebilde, das vom Anti-Marxismus getrieben war.

129 Fallstudien: Parteien in Regierung

Dieselben Personalkontinuitäten sind im christlich-konservativen Lager zu beobachten. Leopold Fiegl etwa, der als Außenminister den Staatsvertrag unterschrieb, war bereits im austro-faschistischen Ständestaat politisch aktiv.

Katholisch-Konservative (Volkspartei) und Sozialisten (später: Sozialdemokraten) sollten die bestimmenden Kräfte der jungen Zweiten Republik sein. Wenngleich die Spannungslinie zwischen Katholisch-Konservativen und Sozialisten aufrecht blieb, einigten sich die Eliten auf eine neue Form des Regierens, die stark von einem Miteinander geprägt war. Konflikt an der Basis, Konsens an der Spitze – also eine Konkordanzdemokratie.

Dass Volkspartei und Sozialisten, die zum Ende der Ersten Republik einander noch bekämpft hatten, nun kooperierten, mag ungewöhnlich anmuten. Noch mehr wenn man weiß, dass sich die politischen Milieus vor und nach dem Zweiten Weltkrieg kaum geändert hatten. Dieser Elitenkonsens ist jedoch ein Produkt gemeinsamer Erfahrungen: Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich wurden sowohl katholisch-konservative, als auch sozialistische Politiker in Internierungslager eingewiesen. Leopold Fiegl, der spätere Außenminister (ÖVP), etwa wurde gleich nach dem Anschluss verhaftet und durchlief mehrere Konzentrationslager, darunter Dachau und Mauthausen. Ihm wurde seitens der NS- Regimes die „Vorbereitung zum Hochverrat“ (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, 2013) vorgeworfen.

Auf sozialistischer Seite zählte Franz Olah, später Innenminister und Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), zu den prominenten Häftlingen. Olah war in den Konzentrationslagern Dachau, Flossenbürg und Buchenwald interniert.

Dieses gemeinsame Leiden unter dem Nationalsozialismus scheint die maßgebliche Komponente zu sein, will man das neue Miteinander von Christdemokraten und Sozialisten in der Zweiten Republik erklären. Anfangs war der erste Baustein zur Konkordanzdemokratie. Einstige Feinde durchlebten dasselbe Schicksal, sahen Gefährten in den Konzentrationslagern sterben und waren beim Neubeginn bemüht, eine erneute Tyrannei unter allen Umständen zu vermeiden. Sie schufen eine politische Kultur, welche konfliktreich an der Basis war (zumal die Basis sich unterscheidete), jedoch in den Eliten um Konsens bemüht war.

130 Fallstudien: Parteien in Regierung

Die Sozialpartnerschaft, eine Konsequenz der Konkordanz, war das zentrale und bestimmende Element der Zweiten Republik. Darunter ist ein vorparlamentarisches Miteinander aus Wirtschaftsorganisationen und Gewerkschaften zu verstehen, das maßgeblich die Gesetzgebung beeinflusste.

Hinzu kam, dass insbesondere die Volkspartei das Österreichertum, also den Patriotismus, zur Tugend erklärte. Dies war neu, war doch die Erste Republik stark von der Anschlussidee (an Deutschland) geprägt. Das 1918 neu entstandene Österreich war ein Staat, den viele als nicht überlebensfähig ansahen. Dieses Rumpf-Österreich, das Überbleibsel der Donau-Monarchie, wurde von außen belächelt und von Innen verschmäht. Die Eliten von ÖVP und SPÖ regelten das gesellschaftliche Miteinander. In der angesprochenen Konkordanz entstand ein Raum zum gemeinsamen Arbeiten und Leben.

Diese geregelte Kultur des Elitenkonsens verbunden mit tiefgreifenden Strukturen der Parteien und dem neu gewachsenen Österreich-Patriotismus sorgte für politische Stabilität bis hinein in die 1980er. Erst dann begann dieses traditionelle Muster langsam zu erodieren.

Anton Pelinka rezitiert in einer Arbeit zur politischen Kultur Österreichs den Politikwissenschafter Kurt Steiner, der 1972 zum Schluss kam:

„In Austria, the basic consensus is directed at the avoidance of conflicts. […] The social partners, who perform a major peacemaking function, also have a vested interest in the duopolistic status quo and become its guarantors. On the party level, too, the convergence of programs indicates that consensus on socioeconomic questions has come to outweigh competition of any sort.“ (Pelinka, 2006, S. 231)

Sprich: Die Republik wurde von zwei Großparteien regiert, welche in Konkordanz Probleme lösten und bemüht waren, den aktuellen Zustand beizubehalten. Es entwickelte sich ein Parteienstaat, dessen Wurzeln bis ins Freizeitleben seiner Bürger reichten. Für fast alle Belange wuchsen Organisationen – je nach Zugehörigkeit für Christlich-Soziale oder Sozialisten. ÖVP und SPÖ teilten sich die Macht und waren bemüht, diesen Machtanspruch dauerhaft zu festigen.

131 Fallstudien: Parteien in Regierung

In den 1980ern und verstärkt in den 1990ern des 20. Jahrhunderts setzte sich jedoch ein Transformationsprozess in Gang. Das System der klassenzugehörigen Parteienbindung begann zu erodieren. Die Gründe dafür sind vielfältig und zu großen Teilen in den einführenden Kapiteln bereits angesprochen.

Zentral für den Fall Österreich ist das klassengebundene Wahlverhalten, das sich markant änderte. Interessant hier ist die „stattfindende Neuorientierung des Wahlverhaltens der österreichischen Arbeiterschaft, die man ohne Übertreibung als ‚blue collar realignment’ bezeichnen kann“, beschreiben Plasser und Ulram den Umbruch (Plasser & Ulram, 2000, S. 180).

Diese politische Neuorientierung verhalf allen voran der Freiheitlichen Partei zu einer Stärke, die sich gerade von einer Partei des rechten Randes, zu Teilen auch der Liberalen, zu einer rechtspopulistischen Kraft hin entwickelte. Treibende Kraft war Jörg Haider, ein dem deutschnationalen Lager verbundener Jurist, der beim Parteitag 1986 in Innsbruck den damaligen FPÖ-Obmann Norbert Steger stürzte und sogleich mit der Anprangerung von Proporz und der politischen Verfahrenheit auf Stimmenfang ging. „Besonders anfällig für Politik und Parteiverdrossenheit waren konkordante Regierungssysteme, in denen die BürgerInnen nach langen Jahren großer Koalitionen die Parteiprofile kaum noch voneinander unterscheiden konnten“, beschreibt Susanne Frölich-Steffen die Startvoraussetzungen für Rechtspopulismus Ende der 1980er (Frölich-Steffen, 2004, S. 282).

Als mögliche Erklärung für die politische Neuorientierung der Arbeiterschaft, der neuen Machtbasis der FPÖ, beziehen sich Fritz Plasser und Peter Ulram auf ein Model von Flanagan und Kitschelt:

„Die erste Konfliktachse repräsentiert die traditionelle Konfliktlinie zwischen wohlfahrtsstaatlicher Umverteilung und marktwirtschaftlicher Orientierung bei möglichst geringen staatlichen Eingriffen, die über Jahrzehnte für den wahlpolitischen Wettbewerb konstitutiv war. Die zweite Konfliktachse repräsentiert das Spannungsverhältnis zwischen einer Politik des ökonomisch- technologischen Wachstums und einer auf Ökologie und Umweltschutz orientierten Politik. Hinter dieser Konfliktachse steht aber auch ein neuer value cleavage zwischen Gruppen mit vorrangig materialistischen, an Pflicht- und

132 Fallstudien: Parteien in Regierung

Akzeptanzwerten ausgerichteten Werthaltungen und Gruppen mit an postmaterialistischen life styles und persönlichen Freiheits- und Entfaltungswerten orientierten Personen.“ (Plasser & Ulram, 2000, S. 181)

Die FPÖ verstand es darüber hinaus wie keine andere Partei, die Gruppe der so genannten Modernisierungsverlierer anzusprechen. Darunter sind all jene zu verstehen, welche sich gefühlt oder tatsächlich zu den Verlierern ökonomischer und gesellschaftlicher Veränderungen zählen (Decker & Lewandowsky, 2010, S. 4). Während der Österreich-Patriotismus lange Zeit durch ÖVP und SPÖ geprägt war, sog die FPÖ zusehends die nationalistische Komponente auf und präsentierte sich als Partei der Österreicher; mit bewusster Ausgrenzung Andersdenkender.

Der Aufstieg der FPÖ lässt sich auch aus dem Blickwinkel der politischen Kultur erklären, wie es Anton Pelinka beschreibt:

„Durch die Bildungsexplosion, die eine rasch wachsende Zahl von Österreicherinnen und Österreichern zu ‚BildungsbürgerInnen’ machte, die den harten Kern der Partei der Grünen bildeten und insgesamt ein den Parteienwettbewerb stimulierender Sektor sind; durch die von dieser Bildungsexplosion nicht erfassten ‚ModernisierungsverliererInnen’, die sich umso stärker kulturell ausgeschlossen fühlten und das wichtigste Segment bildeten, das den raschen Aufstieg und Fall der FPÖ erklärt.“ (Pelinka, 2006, S. 232)

Auf die politische Kultur – bezogen auf das Model von Almond und Verba – lässt sich rückschließen, dass sich der Anteil der subject political culture zu Gunsten der pariticipant political culture entwickelt haben dürfte (Almond & Verba, The Civic Culture, 1968). Es sank der Anteil der Untertanen und es stieg gleichzeitig jener, die sich selbst am politischen Prozess beteiligen. Wenngleich Österreich weiterhin stark von Konkordanz geprägt ist, entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten eine gewisse Konkurrenz der Parteien. Verglichen mit der Ersten Republik ist es jedoch eine Konkurrenz der politischen Mitte und nicht eine der Ränder.

133 Fallstudien: Parteien in Regierung

Die Änderungen im Wahlverhalten dürfen als Auswirkung einer gestiegenen Emanzipation der Staatsbürger verstanden werden. Während bis in die frühen 1980er hinein in Österreich die Lagerbindung eine Dominante war, begann diese stetig zu erodieren. Die Etablierung der Grünen einerseits, die zur Partei der Gebildeten und Besserverdienenden aufstiegen, sowie der Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider (ab 1986) sind Ausdruck dieser Verschiebungen am österreichischen Wählermarkt.

Eine Zäsur brachten die Wahlen zum Bundespräsidenten im April 2016: Wenngleich kein Regierungsamt und im Grunde eine Persönlichkeitswahl, konnte Norbert Hofer, Kandidat der FPÖ, im ersten Wahlgang 35,05 Prozent der Stimmen auf sich vereinen (Bundesministerium für Inneres, 2016). SPÖ (Rudolf Hundstofer, 11,28 Prozent) und ÖVP (Andreas Khol, 11,12 Prozent), die seit 1945 stets den Bundespräsidenten stellen konnten, schafften es nicht in die Stichwahl.

Nachdem die erste Stichwahl vom 2. Mai angefochten wurde und der dritte Termin verschoben wurde (Kleber der Kuverts defekt), folgte am 4. Dezember 2017 der vierte Aufruf zur Wahl. Dabei konnte sich Alexander Van der Bellen, von 1994 bis 2012 Abgeordneter der Grünen zum Nationalrat, mit 53,8 Prozent der Stimmen gegen Hofer durchsetzen (Bundesministerium für Inneres, 2016).

134 Fallstudien: Parteien in Regierung

FPÖ: Geschichte, Wandel, Bewertung

Die Geschichte der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) begann 1949 mit ihrer Vorgängerorganisation, dem Verband der Unabhängigen (VdU). Dies war im Grunde ein Zusammenschluss aus Großteils ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, die sich weder dem sozialdemokratischen, noch dem christlich-sozialen Lager anschließen konnten oder wollten. Sie gründeten eine Sammelpartei jener, die sich rechts der Mitte ansiedelte. Die Bandbreite war jedoch größer als allein ein Becken von ehemaligen Nationalsozialisten:

„Die im Titel der Partei angesprochene ‚Unabhängigkeit’ (Verband der Unabhängigen) sprach jene im deutschnationalen Lager an, die nach 1945 weder schwarz noch rot waren. Sicherlich war die Gründergeneration des VdU deutschnational, aber unabhängig im Sinne der Distanz von SPÖ und ÖVP. Die Minderbelasteten gingen zu einem erheblichen Teil zum VdU, in dem dann allerdings relativ bald die alten Streitigkeiten bzw. Divergenzen des Dritten Lagers, die bereits seine Geschichte in der Monarchie gekennzeichnet haben, aufbrachen. Das heißt, die ideologische Spannweite von deutschnational über deutschliberal zu liberal wurde sichtbar und prägte die Geschichte des VdU und der FPÖ“, erklärte Norbert Steger, 1983 bis 1987 Vizekanzler für die FPÖ, in einem Interview mit dem Historiker und Politologen Robert Kriechbaumer (Kriechbaumer, 2008, S. 567).

Der VdU konnte bei seinen ersten Nationalratswahlen 1949 11,7 Prozent der Stimmen erreichen (Bundesministerium für Inneres, 1949), verlor bei den folgenden Wahlen bis zu seiner Auflösung 1956 zusehends an Wählerzuspruch. Primärer Grund dafür war das Hegemoniebestreben der beiden Großparteien (SPÖ, ÖVP), die zu diesem Zwecke bereit waren, so genannte Ehemalige – also mit einer NSDAP- Vergangenheit Belastete – wieder in ihre Reihen zu integrieren. Unter diesen Vorzeichen sank der VdU 1953 erst auf 10,9 Prozent der Wählergunst und 1956 gar auf 6,5 Prozent, was die Partei in eine Krise stürzte.

„Den anderen relevanten Parteien, also KPÖ und FPÖ (bzw. VdU, WdU), mangelte es entweder an dieser Verflechtung mit dem Staatsapparat und/oder einem entsprechenden organisatorischen Netzwerk, damit aber auch an internen wie externen

135 Fallstudien: Parteien in Regierung

Stabilisierungsfaktoren, die politische Loyalitäten auch in schwierigen Situationen aufrechterhalten konnten. Tatsächlich büßten diese Parteien in den späten fünfziger und sechziger Jahren einen Gutteil ihres in den Anfangsjahren der Zweiten Republik noch durchaus beträchtlichen Stimmenanteils ein: konnten Kleinparteien in den Wahlen 1949 und 1953 noch ca. 17 Prozent der gültigen Wählerstimmen erringen, so waren dies in den Wahlgängen 1956–1966 nur noch wenig mehr als 10 Prozent. Umgekehrt gelang es der SPÖ und ÖVP, ihren gemeinsamen Stimmenanteil auf fast 90 Prozent zu steigern. Die Konkurrenzsituation war in dieser Phase des Parteienwettbewerbs eingeschränkt“, analysierten die Politikwissenschafter Peter Ulram und Fritz Plasser die Entwicklung in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts (Plasser & Ulram, 2000, S. 170)

Was folgte, war die Neugründung der Freiheitlichen Partei Österreichs (1955), der FPÖ, die anfangs noch parallel zum VdU existierte. Während sich der VdU zwar im Grunde deutschnational, jedoch im weiteren Sinne als echte Alternative zu SPÖ und ÖVP – zumindest anfangs – verstand, fokussierte sich die neu gegründete FPÖ auf das nationalistische Klientel.

Erster Obmann war Anton Reinthaller, der bereits in den 1930ern Mitglied der NSDAP war, an ihrem Aufbau in Österreich aktiv mitwirkte und während des Kriegs zum SS-Brigadeführer ernannt wurde (Schäfer, 2007, S. 73ff). Mit ihm trat ein Politiker an die Spitze, der kein Mitläufer, sondern ein hochrangiger und aktiver Nationalsozialist vor und während des Dritten Reiches war. Die Wahl von Reinthaller ist damit als Zeichen der Emanzipation des Dritten Lagers zu werten.

Nach der Wahlniederlage von 1956 löste sich der VdU auf (Helms, 2007, S. 39). Die FPÖ trat seine Nachfolge an, wenngleich Wählerpotenzial des VdU auch zu ÖVP und SPÖ abfloss. Inhaltlich war die FPÖ – wie bereits zuvor der VdU – ein Sammelbecken, das ethnisch-nationalistische, liberale wie auch wirtschaftsliberale Strömung unter einem Dach einte. Mit dieser Aufstellung fuhr die FPÖ von ihrer Gründung bis hin zu ihrer Übernahme durch Jörg Haider Wahlergebnisse zwischen fünf und knapp acht Prozent ein.

136 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bedeutung erlangte die FPÖ unter ihrem damaligen Parteiobmann Norbert Steger, als dieser eine Koalition mit der SPÖ ausverhandelte, die von 1983 bis 1986 eine mehrheitsfähige Regierung stellte. Steger war Vertreter des sozial-liberalen Flügels der Partei. Er war der Counterpart zu den deutschnationalen Kräften innerhalb der FPÖ (Sickinger, Jörg Haider, 2008, S. 137ff).

Der fundamentale Wandel der FPÖ vollzog sich mit dem Wechsel der Parteiführerschaft an Jörg Haider, der sich beim Parteitag in Innsbruck mit 57,7 Prozent der Delegierten gegen Steger durchsetzen konnte. Unmittelbare Folge war, dass die SPÖ, nun unter Bundeskanzler Franz Vranitzky, die Koalition aufkündigte und eine Partnerschaft mit der ÖVP einging. Damit formte sich, was Haider 13 Jahre lang massiv bekämpfen sollte: die Große Koalition.

Jörg Haider vollzog einen radikalen Kurswechsel: Dem Liberalismus unter Steger wich ein Rechtspopulismus, der anfangs von einer vertikalen Abgrenzung geleitet war. Diese Konfliktachse war nicht neu, positionierte sich die FPÖ (beziehungsweise bereits der VdU) als Dritte Kraft in Österreich. Die FPÖ definierte sich selbst als Außenseiter eines Systems, das von einem „Machtkartell“ geführt würde, wie es Anton Pelinka beschreibt:

„Die Kritik der FPÖ an den Spielregeln der Zweiten Republik, die von zwei Großparteien und von den Großverbänden entwickelt und getragen wurden, entspricht den Merkmalen des Populismus: Die da oben. waren SPÖ und ÖVP, waren ÖGB und Wirtschaftskammer. Die FPÖ argumentierte gegen das als Machtkartell bezeichnete Gefüge der Konkordanzdemokratie im Namen derer, die sich als unten verstehen sollten.“ (Pelinka, 2002)

Diese Ausgrenzung hatte einen historischen Kern, war der VdU doch von ausgegrenzten, ehemaligen NS-Sympathisanten gegründet worden. Dieser Ausgrenzung wegen konnte die FPÖ nie Fuß fassen im österreichischen Parteienstaat, der sich bereits Ende der 1940er auf alle Lebensbereiche ausdehnen zu begann. Die FPÖ war mit Ausnahme der Jahre 1983 bis 1986, als sie Juniorpartner in einer von der SPÖ geführten Regierung war, nie Teil des Systems, was mitunter die spätere Dynamik beim Kampf gegen jene „da oben“ erklärt. Ihre anti-elitäre Grundhaltung hat somit so etwas wie einen historischen Kern, der tief im Mark der Bewegung steckt.

137 Fallstudien: Parteien in Regierung

Jörg Haider, der 1986 die Führung der Partei übernahm, erfand also kein neues Thema, als er die vertikale Abgrenzung zum Issue erklärte. Neu war jedoch die Art und Weise, die Radikalität samt ihren Tabubrüchen, mit denen Jörg Haider seine Ziele vorantrieb. Er wurde zu einem „Popstar“ (Böhmer, 2013) der Politik. Politikwissenschafter Heinisch schrieb über Haider:

„At the zenith of Haider’s political power and popularity, he was somewhat of a poster child for the European right-wing populist phenomenon. Being by far Austria’s internationally best known politician, he and his politics received worldwide media attention and were admired by like-minded people throughout Europe. Maintaining close relations to the Italian Lega-Nord and Belgium’s Vlaams blok, Haider was in some respects the unofficial leader of the European populist phenomenon. In Italy in fact, he was so popular that in the northern region of Friulani-Venezia Giulia, a local political movement even bore his name.“ (Heinisch, Right-Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 42)

Jörg Haider war weit mehr als ein rechtspopulistischer Politiker. Er verstand es, Stimmungslagen aufzusaugen und in Politik zu verwerten. Diese Fähigkeiten ergänzte er mit der jeweils passenden Kleidung, einer durchdachten Sprache und einem politischen Geschicht. Als studierter Jurist mit Doktorabschluss und dreijähriger Assistententätigkeit an der Universität Wien verfügte er über das notwendige Wissen im Zusammenhang mit staats- und verfassungsrechtlichen Fragen. Mit diesen Fähigkeiten in Kombination stieg Haider zu einer regelrechten Erscheinung unter Europas Politikern auf.

Haiders strategisches Ziel war, das Modell der bayerischen CSU – eine starke Regionalregierung mit Einfluss auf die Bundespolitik – zu kopieren und auf Kärnten zu übertragen (Sickinger, 2008, S. 188). Erster Schritt hierzu war die Wahl zum Landeshauptmann von Kärnten, was ihm 1989 mit Unterstützung der ÖVP gelang. Gleichzeitig trieb er auch den Aufbau der Bundes-FPÖ voran, was ihm gleich bei seiner ersten Wahl gelang: Haider verdoppelte den Stimmenanteil von rund fünf auf knapp zehn Prozent (siehe

).

138 Fallstudien: Parteien in Regierung

Für Empörung sorgte Haider 1991, als er im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit in Kärnten einen Vergleich mit dem Nationalsozialismus zog:

„Nein“, sagte er, „das hat es im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muß man auch einmal sagen.“ (Perger, 1991)

Abbildung 10: Die Stimmanteile der FPÖ seit ihrer Gründung. Quelle: BMI

Diese Aussage bedeutete zwar einen Misstrauensantrag der Opposition und das Ende von Jörg Haider als Kärntner Landehauptmann. Seinem politischen Aufstieg schadete es jedoch keineswegs. Im Gegenteil: Diese Akzentuierung scheint die FPÖ regelrecht beflügelt zu haben, konnte sie doch bei der folgenden Nationalratswahl 1994 ihren Stimmenanteil auf 22,5 Prozent weiter ausbauen. Höhepunkt des Überfluges der FPÖ war das Jahr 1999, als die FPÖ 26,91 Prozent der Stimmen gewann und damit zweitstärkste politische Kraft der Republik wurde.

139 Fallstudien: Parteien in Regierung

Die FPÖ von 1999 war eine Partei, die neben der Ablehnung von EU (im Speziellen war sie gegen die Osterweiterung) und Sozialpartnerschaft nun auch die horizontale Abgrenzung stark in ihr Programm einbaute. Sie zeigte sich sehr ausländerfeindlich, machte gegen angeblichen Missbrauch des Sozialstaates durch Ausländer mobil und unterstrich ihre deutschnationalen Tugenden.

Verhältnismäßig neu ist die erwähnte Anti-EU-Position: Anfang der 1990er war dieses Thema noch nicht negativ besetzt (Frölich-Steffen, 2004, S. 288-289). Beziehungsweise trat Österreich erst Mitte der 1990er der EU bei, was eine ablehnende Haltung erst ermöglichte.

Politikwissenschafter Hubert Sickinger spricht im Zusammenhang mit der von Jörg Haider ab 1994 von einer „Neupositionierung als Politiker amerikanischen Stils und der FPÖ als ‚ideologiefreie’ Reformbewegung“ (Sickinger, 2008, S. 175ff). Der FPÖ, erklärt Sickinger, sei bewusst geworden, dass sie ihr Potenzial bei Rechtsextremen und NS-Nostalgikern bereits um ein Mehrfaches ausgeschöpft war. Weiteres Wachstum war nun durch eine Neuausrichtung zu generieren. Dieses erhoffte man sich durch eine Amerikanisierung des politischen Stils.

Haider schmückte sein Büro nun mit drei Fahnen: einer österreichischen, einer amerikanischen und der kalifornischen. Er wollte sein Image vom verkappten NS- Sympathisanten hin zum modernen Politiker nach US-amerikanischen Vorbild korrigieren und als europäischer Republikaner wahrgenommen werden.

Die FPÖ wollte Haider in eine „Bürgerbewegung“ (Sickinger, 2008, S. 178- 179) umbauen, was jedoch scheiterte (Heinisch, Die FPÖ – Ein Phänomen im Internationalen Vergleich, 2004, S. 254). Haider sah sich selbst als Politiker neuen Typus, der weder links, noch rechts sei. Befreite Zukunft jenseits von links und rechts war der Titel seines 1997 erschienen Buches, das ausdrückte, wohin die Richtung gehen sollte (Haider, 1997). Die FPÖ war unter diesen Vorzeichen eine Mischpartei unterschiedlichster Vorstellungen: Jenen eines wandlungsfähigen Leaders verbunden mit Jungpolitikern mit Aufstiegsgelüsten („Buberlpartie“) sowie einer rechtsextremen bis liberalen Altpartei. Insbesondere die Rechte war stets eine treibende Kraft innerhalb der FPÖ. Und dort etablierte sich die österreich-identitäre Linie, welche die deutschnationale aus dem Fokus rückte. Die Wachstumsmöglichkeiten einer deutschnationalen Bewegung waren begrenzt.

140 Fallstudien: Parteien in Regierung

Entscheidend für diese Arbeit ist die Frage, ob die FPÖ als rechtspopulistische Partei zu bewerten ist. In ihren frühen Jahren (Gründung bis zur Machtübernahme durch Jörg Haider) war sie eine liberale, nationalistische beziehungsweise rechts der Mitte angesiedelte Partei, jedoch keine rechtspopulistische Partei; die FPÖ bis zur Haider’schen Wende war ein Sammelbecken für all jene, die sich durch die beiden Großparteien (SPÖ, ÖVP) nicht vertreten fühlten. Unter Norbert Steger, Haiders Vorgänger, verfolgte die Partei einen Kurs, der sich zwischen Deutschtümelei und liberalistischen Ansätzen bewegte. Unter diesen Vorzeichen war die Partei regierungsfähig, weshalb Fred Sinowatz seine Kanzlerschaft (1983 bis 1986) nach Verlust der absoluten Mehrheit auf die FPÖ stützte.

Unter Jörg Haider erfolgte erst eine Radikalisierung und eine Entwicklung hin zum deutschnationalen Lager. Die Haider-FPÖ war anfangs bemüht, die Stimmen des deutschnationalen Lagers innerhalb der FPÖ zu bündeln und langsam zu erweitern. Zwar bediente sich Haider stets populistischer Elemente und setzte stark auf die vertikale Achse (Ablehnung der Eliten); den Umbau der Partei zu einer wirklich rechtspopulistischen Partei vollzog er jedoch erst ab 1994 als er merkte, dass das Potenzial an Nationalisten und NS-Sympathisanten erschöpft war.

Haider „entfernte“ Ideologie, indem er die Deutschtümelei partiell in Schranken wies (thin-centred ideology); unterstrich gleichzeitig die Ablehnung gegenüber Ausländern und der Europäischen Union (horizontale Ablehnung) und betonte, weder links, noch rechts zu stehen und er eine Alternative zur Elitenherrschaft (Proporz) anbiete (horizontale Ablehnung). Beziehungsweise verwandelte er die Deutschtümelei in eine österreichische Identitätspolitik (Frölich-Steffen, 2004) oder einen österreichischen Patriotismus (Heinisch, 2008) um. Auch hatte Haider längst das Mittel der direkten Demokratie für sich entdeckt, deren Umsetzung er für politische Prozesse forderte.

141 Fallstudien: Parteien in Regierung

Partei, Parteiprogramm und Wahlforderungen

Umrisse des Parteiprogramms der FPÖ

Das Parteiprogramm der FPÖ von 1997, gültig bei den Nationalratswahlen von 1999 und 2002, ist – laut Auskunft des FPÖ-Bildungsinstituts (Staudinger, 2017) – in weiten Teilen deckungsgleich zu jenem von 2005. In 17 Kapiteln umreißt es auf 33 Seiten – sehr grundsätzlich – die Grundpositionen der Freiheitlichen Partei.

Das Parteiprogramm von 1997, zur Erklärung, ging beim Wechsel der Parteispitzen von der FPÖ zum BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) im Jahr 2005 verloren 13 und ist laut Recherche in keinem anderen Archiv hinterlegt. Die Änderungen, welche beim 27. Ordentlichen Bundesparteitag der FPÖ am 23. April 2005 in Salzburg beschlossen wurden, seien laut FPÖ jedoch nicht maßgeblich gewesen, weshalb der Griff zum Parteiprogramm von 2005 legitim ist.

Zum Inhalt des Parteiprogramms (Freiheitliche Partei Österreichs, 2005) eine Hand voll von wesentlichen Eckpunkten:

• Die Freiheit sei das höchste Gut und „Abhängigkeiten von einer überbordenden Bürokratie, einem Kammerstaat bis hin zu einem von Parteien durchdrungenen staatlichen System sollen im Sinne der Prinzipien der Freiheit abgebaut werden“; freie Menschen würden sich wiederum in Familien und Völkern/Volksgruppen sammeln, die mit Freiheitsrechten ausgestattet sind; • Der „Österreichpatriotismus“ wird als Begriff im Programm der Freiheitlichen Partei genannt und mit der Identität von Österreichern verknüpft. Die Demokratie des Landes mit dem Willen der Partei, sie dauerhaft zu erhalten, sei damit verbunden (die FPÖ zeigt sich damit demokratisch und nicht staatsfeindlich).

13 Laut Auskunft von Dr. Gerhard Staudinger, FPÖ-Bildungsinstitut, Archiv, im Jänner 2017

142 Fallstudien: Parteien in Regierung

• Die FPÖ definiert das „Recht auf Heimat“ und setzt voraus, dass „die überwiegende Mehrheit der Österreicher der deutschen Volksgruppe angehört“. Wer einer anderen Volksgruppe angehört, dem dürfe daraus jedoch kein Nachteil erwachsen. Gleichzeitig sei Österreich kein Einwanderungsland. • Die FPÖ spricht von der „Schicksalsgemeinschaft Europa“ und spricht der Europäischen Union die Rolle des möglichen Bundesstaats ab. • Die FPÖ verlangt nach einer Reform der Verfassung, welche in Folge mehr politischen Wettbewerb erlaube. • Bezüglich des Rechts und der Ordnung: „Illegalen Einwanderungsströmen und dem Schlepperunwesen sollen durch die Einrichtung einer wirkungsvollen Grenzschutzeinheit begegnet werden.“ • Wirtschaftspolitisch spricht die FPÖ von einer „freien Marktwirtschaft“, schreibt in Folge jedoch von einer „fairen Marktwirtwirtschaft“, welche solidarisch und gerecht sei. Einerseits müssten Wirtschaftsbereiche dereguliert und fair werden; andererseits sollten Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligt werden.

Seitens seiner Ausrichtung zeigt sich das Parteiprogramm sehr umfassend. Es umreißt und beschreibt Grundsatzfragen wie beispielsweise jene nach dem richtigen Wirtschaftssystem. Gleichzeitig ist es – verglichen zum Wahlprogramm – wenig plakativ. So kritisiert es bürokratische Grundtendenzen des österreichischen Staats; es fehlt jedoch an strenger vertikaler Abschottung. Der Staat an sich wird beispielsweise nicht in Frage gestellt.

143 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierung Schüssel I

Wahlprogramm der FPÖ 1999

Verglichen zum Parteiprogramm, ist das Wahlprogramm der FPÖ von 1999 konkreter und punktierter in seiner Themenwahl. Jörg Haider, der damalige Parteiobmann und Macher innerhalb der Strukturen, fordert in Einer, dessen Wort zählt. (Freiheitliche Partei Österreichs, 1999) zehn Punkte, darunter:

• Steuern senken („Faire Steuer“, siehe Flat Tax) • Entlastung für Haushalte und Unternehmen • 3-Säulen-Modell für Pensionen (staatlich, betrieblich, privat) • Österreich sei kein Einwanderungsland • Ende von „Proporz, Privilegien, Postenschacher“ • Arbeit für die Jugend • Stärkung von Klein- und Mittelbetrieben • „Eine starke Landesverteidigung“ (u.a. „Ausstattung des Bundesheers mit modernem Gerät und ausreichend Budget“)

Mit „fairen Steuern“ meinte die FPÖ ein Flat-Tax-Modell mit einer Grundsteuerlast „von 23 Prozent und Freibeträge von bis zu 450.000 S pro Familie und Jahr“ (Freiheitliche Partei Österreich, 1999). Idee dahinter war eine Vereinheitlichung des Steuermodells bei einer Senkung der Komplexität.

Das Steuermodells knüpft an die Konzepte des US-Republikaners und Unternehmers Steve Forbes (Forbes Magazine) an, der solch ein Flat-Tax- Steuermodell in den USA bereits 1996 forderte und es mehrfach bewarb, etwa später im Buch Flat Tax Revolution: Using a postcard to abolish the IRS (Forbes, 2005).

Darüber hinaus kündigte die FPÖ in ihrem 10-punktigen Wahlprogramm an, Lebenserhaltungskosten für die Österreicher zu senken, darunter Mieten und Strompreise. Hierbei wollte die FPÖ durch Einsparungen bei „aufgeblähten Verwaltungsapparaten“ Preise senke, wie die Partei im zuvor zitierten Wahlprogramm (Freiheitliche Partei Österreich, 1999) schrieb.

144 Fallstudien: Parteien in Regierung

Als Vorbild nannte die FPÖ den Kärntner Energieversorger KELAG (Haider war Landeshauptmann von Kärnten, deshalb u.a. der regionale Bezug), wo eine Reform den Apparat schlanker gemacht habe.

Des Weiteren wollte die FPÖ „keine EU-Osterweiterung ohne das Erreichen von Mindeststandards in den betroffenen Ländern“. Eine solche wurde im April 2003, unter der Regierung Schüssel II, in Athen fixiert. Und die Einbürgerung von Ausländern solle – wie in Kärnten, wo Jörg Haider Landeshauptmann war – erst nach frühestens zehn Jahren passieren dürfen.

Deutlich, harsch und markant in der Wortwahl zeigt sich die FPÖ in ihrer Kritik an SPÖ und ÖVP, welche sie – sprachlich doppeldeutig – als „Altparteien“ bezeichnet. Diese „sind dafür verantwortlich“, dass „Proporz, Privilegien und Postenschacher fröhliche Umstände feiern“ (Freiheitliche Partei Österreich, 1999).

Im Punkt „Schutz unserer Kinder“ macht die FPÖ ihre großen Konkurrenzparteien daran (mit)schuldig, dass in Österreich „Kinder täglich brutal missbraucht werden“ und „Kinderschänder mit bedingten Haftstrafen davonkommen“. In Folge fordert die Partei – unter anderem –, dass die Namen von verurteilten Kinderschändern bekannt gemacht gehörten und dass Personen mit öffentlicher Position, etwa Lehrer, Drogentests unterzogen werden müssten.

Neben einer Stärkung der heimischen Wirtschaft (mehr Firmengründungen, mehr Forschungsausgaben, weniger Bürokratie) forderte die FPÖ eine „starke Landesverteidigung“. Es wird nach modernem Gerät, dem „Aufbau einer schlagkräftigen Freiwilligenmiliz“ und einer Reduktion der Strukturstellen innerhalb des Bundesheers gerufen. Damals (1999) habe das Militär seinem Verteidigungs- und Zivilschutzauftrag nicht mehr nachkommen können.

145 Fallstudien: Parteien in Regierung

Weg zur Wenderegierung Schüssel I

Nach den Nationalratswahlen 1999 verhandelte erst die SPÖ unter Viktor Klima, bis dorthin Bundeskanzler, mit der von Wolfgang Schüssel geführten ÖVP über eine mögliche Fortsetzung der Großen Koalition. Diese Verhandlungen scheiterten. Die ÖVP zog es vor, mit den Stimmen der FPÖ, die mit rund 26,9 Prozent die zweitstärkste Kraft in Österreich wurde, eine Regierung zu bilden. Schüssel wurde Bundeskanzler, Susanne Riess-Passer (FPÖ) Vizekanzlerin.

Bereits vor der Angelobung der neuen Regierung hatte der damalige Bundespräsident Thomas Klestil (ÖVP) massiv gegen Blau-Schwarz protestiert und angekündigt, er werde Thomas Prinzhorn, Spitzenkandidat der FPÖ während des Wahlkampfs zum Nationalrat, und Hilmar Kabas, vorgesehen für das Amt des Verteidigungsministers, nicht als Bundesminister angeloben (Geden, 2006, S. 146). Kabas und Prinzhorn hatten sich mit markanten Aussagen gegen Ausländer ins Rampenlicht gestellt.

Warum die FPÖ überhaupt eine Koalition mit der ÖVP einging, dazu schrieb Politikwissenschafter Hubert Sickinger:

„Die Gründe für die Regierungsbeteiligung – die primär Haiders Entscheidung war – sind unklar. Dass Haider dauerhaft [...] einen ÖVP-Bundeskanzler unterstützen wollte, erscheint bei Haiders Persönlichkeitsstruktur und im Lichte der innenpolitischen Situation im Spätherbst/Winter 1999/2000 nicht sehr wahrscheinlich. Sein Kalkül war vermutlich, durch eine begrenzte Zeitspanne an der Regierung eben diese Regierungsfähigkeit als Faktum festzuschreiben, dabei zugleich aber inhaltlich die ÖVP vor sich her zu treiben und schließlich in Neuwahlen zu gehen, um anschließend (ohne internationale Aufruhr) den Anspruch auf die Kanzlerposition stellen zu können.“ (Sickinger, 2008, S. 190)

In Anbetracht von Bedenken forderte Klestil die ÖVP und FPÖ vor der Angelobung der Regierung auf, eine Präambel zu unterzeichnen, wonach sich beide „zur Einhaltung der Menschenrechte und zur Europäischen Integration verpflichteten. Demzufolge bekräftigte die neue Regierung mit ihrem Regierungsprogramm explizit die Zugehörigkeit Österreichs zu Europa und bekannte sich uneingeschränkt zur EU“

146 Fallstudien: Parteien in Regierung

(Frölich-Steffen, 2004, S. 289). Klestil forderte die FPÖ damit auf, sich gleich nach dem Wahlkampf von Teilen des propagierten Programms zu verabschieden.

„Die Bundesregierung tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen“, heißt es dazu im Detail (Schüssel & Haider, 2000). Und weiters: „Österreich stellt sich seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den ungeheuerlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes: Unser Land nimmt die hellen und die dunklen Seiten seiner Vergangenheit und die Taten aller Österreicher, gute wie böse, als seine Verantwortung an. Nationalismus, Diktatur und Intoleranz brachten Krieg, Fremdenhass, Unfreiheit, Rassismus und Massenmord. Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen von Diktatur und Totalitarismus.“

Diese Präambel ist insofern interessant, als dass sich mit Unterzeichnung dieses Papiers die FPÖ bereits in den ersten Widerspruch verstrickt: Der Wahlkampf war von Anti-Ausländer-Parolen und einer Ablehnung gegenüber der Europäischen Union, im Speziellen gegenüber der Osterweiterung geprägt – und nun sagte sich die FPÖ eben von diesen Themen wieder los.

Der Präambel zum Trotz verhängten die EU-14 Sanktionen gegen Österreich. Diese Sanktionen bedeuteten eine Ächtung Österreichs, der insbesondere die Freiheitliche Partei ausgesetzt war. „At the end of January 2000, Belgium sent a note to the Portuguese Presidency of the EU Council demanding joint action by the fourteen EU member states against the coalition government that was in process of forming in Austria“, schreibt Heinrich Neisser (Neisser, 2010).

Österreich und die EU 14 einigten sich, einen Weisenrat einzusetzen, welcher – in Folge seiner Untersuchungen – der Bundesregierung ein gutes Zeugnis ausstellte, die FPÖ jedoch als „rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen“ (Kopeining & Kotanko, 2001, S. 482) dargestellt wurde. Entgegen eigenen Planungen, die ÖVP vor sich herzutreiben, war nun die FPÖ selbst in der Defensive.

147 Fallstudien: Parteien in Regierung

Wenngleich die Sanktionen der EU 14 innenpolitisch (in Österreich) mäßig erfolgreich waren, führten sie zu einer Polarisierung innerhalb der österreichischen Bevölkerung (beispielsweise waren die Donnerstags-Demonstrationen in Wien im Jahr 2000 eine Konsequenz) und zu einer Distanz gegenüber von Jörg Haider im Ausland (Sickinger, 2008, S. 192).

Haider reagierte insofern, als dass er sich aus der Bundespolitik zurückzog. Er betonte, er wolle sich wieder auf Kärnten konzentrieren, wo er kurz zuvor nach einem erdrutschmäßigen Sieg bei den Landtagswahlen den Landeshauptmann-Sessel zurück erobern konnte (42,06 Prozent 1999 für die FPÖ). Dieser Rückzug hatte freilich Kalkül, ahnte Haider doch zu diesem Zeitpunkt bereits, dass die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu einem Desaster für die Partei werden könnte.

Haider griff sein CSU-Modell wieder auf: Als Kärntner Landeshauptmann, soweit der Plan, könne er als Außenstehender Kritik an der Politik der Bundesregierung, also auch an der eigenen Partei üben. Mit diesem Plan wollte er – wirft man den Fokus auf die These dieser Arbeit, wonach sich Populisten in ihrem Wachstum selbst limitieren – wollte er dem Popularitäts-Niedergang entkommen, was ihm auch zu Teilen gelang.

Schlussendlich konnten sich ÖVP und FPÖ jedoch gegen den breiten Protest durchsetzen: Am 4. Februar trat die schwarz-blaue Regierung ihr Amt an. Wolfgang Schüssel wurde Bundeskanzler, Susanne Riess-Passer Vizekanzlerin und Karl-Heinz Grasser Vizekanzler.

In Folge kam der schwarz-blauen Koalition zu Gute, dass rund ein Jahr später Silvio Berlusconi (Forza Italia) die Parlamentswahlen in Italien gewinnen konnte und gemeinsam mit dem MSI (Neofaschisten) und der rechtspopulistischen Lega Nord eine Regierung formte. Die Europäische Union, schreibt Neisser, war gespalten in der Frage nach der richtigen Reaktion: Ähnlich oder pragmatisch darauf reagieren? In Folge sank der Druck auf Österreich (Neisser, 2010).

148 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsprogramm „Österreich neu regieren“

Das Regierungsprogramm – insbesondere die sozialpolitischen Auswirkungen – mit dem Titel „Österreich neu regieren“ (Österreichs Bundesregierung, 2000) bezeichnet Politikwissenschafter Emmerich Tálos als einen „Mix von neoliberaler Orientierung und konservativer sozialpolitischer Tradition“ (Tálos, 2001). Österreichs Volkspartei und noch mehr die Freiheitliche Partei drängten dazu, dem Markt mehr Einfluss auf Entwicklungen zu lassen und im Gegenzug den Einfluss des Staats zurück zu drängen.

Der Begriff „Wenderegierung“ bezog sich neben einer Wende hin zu einer neuen Regierungskonstellation (ÖVP und FPÖ) auch auf eine Wende in der Sozialpolitik (neoliberale Politik). Während in der Volkspartei ein Teil der maßgeblichen Kräfte an der Sozialpartnerschaft festhalten wollte, propagierte die FPÖ eine Abkehr davon. Beziehungsweise hatte sich die Partei bereits im Wahlkampf dagegen stark gemacht: „Tausende rot-schwarze Privilegienritter in Kammern und Verbänden“, hieß es im Wahlkampfprogramm, würden munter abkassieren (Freiheitliche Partei Österreich, 1999). Als eine Konsequenz forderte die FPÖ beispielsweise das Ende der Zwangsmitgliedschaften in Kammern, etwa in der (ÖVP- dominierten) Wirtschaftskammer.

Im Regierungsprogramm – in Folge – waren die Töne gemäßigter. Vom Ende einer Zwangsmitgliedschaft in den (wirtschaftspolitischen, der ÖVP nahe stehenden) Kammern war beispielsweise keine Rede mehr. Das Kammerwahlrecht solle jedoch überarbeitet und der Service-Charakter der Einrichtungen solle stärker unterstrichen werden (Österreichs Bundesregierung, 2000, S. 12-13).

Mit mehr Spannung durchsetzt war jedoch der Konflikt mit Arbeitnehmervertretungen, die stärker im Einfluss der SPÖ standen und stehen. „Das sozialpartnerschaftliche Verhandlungsmuster mit seiner prononciert konsensorientierten Gesprächskultur wurde regierungsseits mit einem Paukenschlag aufgekündigt, und eine Rückkehr zum Status quo ante erscheint jedenfalls unter einer ÖVP-FPÖ-Regierung fraglich. Die mit der Regierungsbildung einhergehende gesellschaftliche Polarisierung hat damit auch die vordem stabilste Säule des politischen Systems erfasst“, schreibt dazu Ferdinand Karlhofer (Karlhofer, 2001).

149 Fallstudien: Parteien in Regierung

Neu ist auch der Wille, die Bereiche Arbeit und Soziales politisch grundlegend neu zu gestalten. Während die große Koalition zuvor gemeinsam mit den Sozialpartnern ein System aufbaute, wollten ÖVP und FPÖ dieses nun völlig umgestalten. So sollte beispielsweise die Abfertigungszahlung von einer konkreten Dienststelle gelöst werden; das Sozialsystem solle von Bürokratie befreit werden und die Sozialversicherungen an sich sollten an die Anforderungen der Zeit angepasst werden (Österreichs Bundesregierung, 2000, S. 18ff).

Seitens der Landesverteidigung einigten sich ÖVP und FPÖ darauf, die „Entscheidungsgrundlagen für die Umgestaltung des Bundesheeres zu einem Freiwilligenheer mit einer starken Milizkomponente“ vorzubereiten und gleichzeitig aufzurüsten, etwa durch den Kauf von Flugzeugen (Eurofighter) oder Hubschraubern (Österreichs Bundesregierung, 2000, S. 115ff). Darüber hinaus sollte die Anzahl an Kasernen reduziert und das Heer schlagkräftiger werden. Und in Folge solle auch das Heer von seiner Bürokratie befreit werden.

Seitens des Staatshaushalts wurde eine Reduzierung des Budgetdefizits verkündet. Der Begriff „Nulldefizit“ wurde ab 1999 dermaßen stark propagiert, dass es 2001 zum Wort des Jahres gewählt wurde (Austria-Forum, 2012). Karl-Heinz Grasser, Finanzminister der FPÖ, nutzte den Begriff in seiner politischen Sprache immer wiederkehrend. Das „Nulldefizit“ sei „auf die Menschen niedergeprasselt“, schrieb Josef Urschitz in der Presse (Urschitz, 2010). Er sprach von einem „PR-Gag namens Nulldefizit“, das kein echtes Nulldefizit gewesen sei: „Die versprochene nachhaltige Budgetsanierung hat es nie gegeben. Das Nulldefizit war eine – von den Steuerzahlern teuer erkaufte – Eintagsfliege. Schon ein Jahr danach stand wieder ein deutliches Minus vor dem Budgetsaldo.“

Abseits ihrer neoliberalen Politik waren ÖVP und noch mehr die FPÖ bezüglich ihres Auftretens und ihrer harschen Worte unter Druck geraten. Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Jörg Haider (FPÖ), Obleute ihrer Parteien, mussten vor Angelobung ihrer Regierung eine Präambel vor Thomas Klestil, Bundespräsident der Republik, unterschreiben – mehr dazu im Kapitel zuvor.

150 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierung Schüssel I: policies

In familienpolitischen Fragen konnten ÖVP und FPÖ rasch ein im Wahlkampf stark propagiertes Versprechen einlösen: Eine Veränderung im Kinderbetreuungsgelds. „Im Vergleich zur großen Koalition waren und sich die ideologischen Gegensätze in der Familienpolitik zwischen ÖVP und FPÖ gering. Zwischen der Wahlkampfforderung der FPÖ nach Einführung eines Kinderschecks und der von der ÖVP ventilierten Universalforderung des Karenzgeldes bestand inhaltlich eine große Schnittmenge“, schlussfolgern Herbert Obinger und Emmerich Tálos (Obinger & Talos, 2007, S. 173ff). Verglichen zum Karenzgeld, sein Vorgänger, musste man nun nicht mehr einer unselbstständigen Tätigkeit nachgehen. Es genügte der Bezug von Familienbeihilfe.

Ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit umgesetzt wurde eine Reform des Pensionssystems. Einerseits wurde die Höhe der Bezüge begrenzt. Andererseits führte die Reform dazu, dass das Antrittsalter zunehmend steigen wird. „Die ÖVP/FPÖ Regierung hat sich von dem, dem A5VG 1955 zu Grunde liegenden Ziel der Lebensstandardsicherung verabschiedet (Talos & Wiedermann, 2006).“

Bezüglich des Inhalts kann von einem Erfolg gesprochen werden, versprach die FPÖ doch solch eine Veränderung des Modells, das auf drei Säulen steht: der 1) staatlichen „Pension für alle Erwerbstätigen, die eine über dem Existenzminimum liegende Lebensführung ermöglicht“; 2) „verpflichtende betriebliche Pensionskassen“ und 3) „selbstfinanzierte Eigenvorsorge vor allem für Besserverdienende“ (Freiheitliche Partei Österreichs, 1999).

Seitens der Verteidigung der Republik wurden Rüstungsaufträge vergeben, darunter etwa der Kauf von Jagdflugzeugen des europäischen Herstellers Eurofighter. „Ausstattung des Bundesheers mit modernem Gerät und ausreichend Budget“, hatte die FPÖ während des Wahlkampfs dazu gefordert (Freiheitliche Partei Österreichs, 1999). Allerdings, das muss ergänzt werden (es gilt die Unschuldsvermutung), wurde in den Jahren nach dem Regierungswechsel Kritik an dem Kauf und an den Gegengeschäften laut. Es könnten Schmiergelder geflossen sein, mutmaßt Hans Rauscher vom Standard und verweist auf die Staatsanwaltschaft und einen Untersuchungsausschuss, die das Thema 2017 durchleuchten sollen (Rauscher, 2017).

151 Fallstudien: Parteien in Regierung

Problematisch wurde die Situation für die FPÖ in Fragen des Asylrechts, dem Umgang mit Ausländern (Forderung nach Zuwanderungsstopp im Wahlkampf) und der Osterweiterung der Europäischen Union. Bereits vor Beginn des Regierens (Schüssel I) war die Präambel, welche Jörg Haider und Wolfgang Schüssel unterzeichnen mussten, eine Kehrtwende für die Freiheitlichen: Präsentierten sie sich während des Wahlkampfs EU-skeptisch, mussten sie gleich von Beginn an eine Haltung zu Gunsten der Europäischen Union ablegen. Hinzu kam, dass sich – in Folge des eingesetzten Weisenrats – die ÖVP EU-kritisch zeigte, was den Einsatzradius der Freiheitlichen nochmals einschränkte. „Für die FPÖ bedeutete dies eine programmatische Kehrtwende. Zwar wandten sich die Freiheitlichen mit aller Heftigkeit gegen die Sanktionen, doch der allgemeine Kurs des Regierungsprogramms war von einem Bekenntnis zu außenpolitischer Kontinuität, zur Europäischen Integration und auch zur EU-Ostweiterung geprägt“, schreibt dazu Politikwissenschafterin Susanne Frölich-Steffen (Frölich-Steffen, 2004, S. 289ff).

In Konsequenz war die FPÖ in ihrem Kern-Issue, der kritischen Haltung gegenüber der Europäischen Union, in notgedrungener Defensive. Unter Beäugung der anderen Staaten der Europäischen Union war es für die FPÖ schwierig, Asylsuchenden keinen Schutz zu bieten. „Devoid of a consistent ideological or programmatic framework, the FPÖ sent mixed and, thus, confusing messages when it simultaneously advocated neoliberal and protectionist positions. Moreover, the focus on personalities and the absence of effective institutions implied that conflicts between politicians in the party invariably caused irreconcilable rifts between factions loyal to one or the other leading figure“, schrieb Politikwissenschafter Heinisch über die Lage während Schüssel I (Heinisch, 2008, S. 50ff).

Bezogen auf das Budget mit dem Ziel, ein Nulldefizit zu erreichen, fällt die Analyse gemischt aus. Johannes Ditz, Volkswirt und Wirtschaftspolitiker der ÖVP, konkretisiert in seiner Analyse, dass höhere Steuereinnahmen und reduzierte Ausgaben im Jahr 2001 wirklich zu einem Nulldefizit geführt hätten; wenngleich jedoch mit Folgen für die folgenden Jahre:

152 Fallstudien: Parteien in Regierung

„The resulting economic slowdown of approximately 0.6 percentage points and the elimination of about 6,000 people from the labour force prompted the Austrian federal government to take countermeasures. The recent annulment of measures to stimulate investment activity was rescinded. As a result of this development, Maastricht-conforming national deficits of between -0.5 percent (2002) and -1.4 percent (2006) were reported between those years.” (Ditz, 2010, S. 246)

Nachhaltig betrachtet sank jedoch die Verschuldung Österreichs und das Ziel, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, wurde erreicht. Zudem sankt der Schuldenstand der Republik bei der Österreichische Industrie Aktiengesellschaft (ÖIAG).

Zusammenfassend muss betont werden, dass die FPÖ in etlichen Punkten inhaltliche Erfolge bezüglich ihrer Vorhaben während des Wahlkampfs feiern konnte: im Sozialen, bei den Pensionen oder in der Verteidigungspolitik. In Fragen des Budgets konnte mehr Ausgeglichenheit zwischen Einnahmen und Ausgaben erreicht werden, jedoch mit dem temporären Nachteil von mehr Arbeitslosen und einem kurzzeitigen Abschwung der Wirtschaft. Der spätere Erfolg wurde also mit einem Nachteil erkauft.

Schwierig beziehungsweise nicht erfolgreich war die Partei in ihrer EU- und Ausländer-kritischen Haltung. Und hiermit enttäuschte sie viele Wähler, waren doch diese Issues Kernthemen der Partei. Die FPÖ war erfolgreich in Fragen, welche ihr selbst keine Erfolge einbrachten. Mit ihrer vertikal wie horizontal ablehnenden Haltung gegenüber anderen Parteien, Verbänden oder der Europäischen Union konnte die Freiheitliche Partei während ihrer Regierungstätigkeit keine oder kaum Erfolge feiern. Das kostete sie Sympathie bei ihren Anhängern.

Im Gesamten betrachtet, war die Partei bezogen auf ihre policies durchaus erfolgreich. Aus der emotionalen Wählerbrille heraus betrachtet, setzte sie jedoch die falschen Wahlversprechen um.

153 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierung Schüssel II

Wahlprogramm der FPÖ 2002

Verglichen zum Wahlprogramm der FPÖ von 1999, dem wenige Seiten genügten, ist jenes von 2002 106 Seiten dick. Es ist seitens seiner Machart völlig unterschiedlich zu seinem Vorgänger: Während das erste Wahlprogramm (1999) lediglich Forderungen stellte, gliedert das neue Programm (2002) politische Themen in jeweils fünf Unterpunkte (Die Freiheitlichen, 2002):

• Das Erbe: Die FPÖ erklärt, welche Fehler SPÖ und ÖVP, die Regierungsparteien vor Schüssel I, gemacht hätten. • Unser Ziel: Die Partei schildert, welche Veränderung sie vornehmen habe wollen; oft wird dem Ziel ein Datum beigelegt. • Unsere Handschrift: Hierbei erklärt die FPÖ, wie sie während der ersten Regierungsperiode (Schüssel I) die Gesetze nach ihren Vorstellungen verändert habe. • Unser Erfolg: Die Freiheitlichen führen an, welche Vorteile ihre Verbesserungsvorschläge („Unsere Handschrift“) der Republik gebracht hätten. • Wir gestalten die Zukunft: Die Partei erklärt, wie sich die Inhalte im entsprechenden Punkt (policy) weiter entwickeln müsse.

Seitens seiner Themenwahl wuchs es markant an. Während sich die Partei 1999 auf zehn sehr markante Punkte fokussierte – etwa die Entbürokratisierung des Landes, die Bevorzugung von Österreichern oder den Schutz von Kindern –, befasste sich nun die Partei mit mehr als 40 Punkten.

In ihrer Sprache wurde die FPÖ deutlich gemäßigter. Während sie 1999 einen „sofortigen Einwanderungsstopp“ forderte (Freiheitliche Partei Österreichs, 1999), genügt es ihr nun, „die viel zu lange dauernden Asylverfahren abzukürzen, Mißbrauch (Ausnutzung des Asylwerberstatus) zu verhindern und die Zahl der Asylwerber möglichst gering zu halten und das Abtauchen von Asylwerbern in die Illegalität möglichst auszuschließen“ (Die Freiheitlichen, 2002).

154 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bezüglich eines neuen Steuermodells verschwand der zuvor stark propagierte Begriff einer Flat Tax. Man arbeite nun in Richtung einer fairen Steuer hin, hieß es seitens der FPÖ. Anstatt neue Steuern einzuführen, wolle man in Zukunft Ausgaben einsparen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Als Ziel setzte sich die Partei, die Abgabenquote von 45 Prozent (2002) auf unter 40 Prozent (2010) zu drücken (Die Freiheitlichen, 2002, S. 89ff).

Seitens ihrer Wirtschaftspolitik betont die FPÖ, sei es der Koalition „bereits in den ersten Monaten ihres Bestehens“ gelungen, „tatsächlich strukturelle Maßnahmen im Interesse und zur nachhaltigen Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und der mittelständischen Wirtschaft zu setzen, die in einem großen Ausmaß die Handschrift der Freiheitlichen tragen“ (Die Freiheitlichen, 2002, S. 58ff). Unter anderem habe die Freiheitliche Partei die Lohnnebenkosten gesenkt; die Eintragungsgebühr bei einer Unternehmensgründung bei der Wirtschaftskammer gestrichen; die Gewerbeordnung reformiert; das Kartellrecht novelliert und in Summe 600 Millionen Euro eingespart, was der Wirtschaft zu Gute komme.

Im Wahlprogramm erwähnt die Partei den Begriff des Nulldefizits, welches der FPÖ-Finanzminister erreichen habe können (Anmerkung: Grasser war vor der Wahl zurück getreten). In Anbetracht eines Börsen-Crashs und eines Hochwasser brauche es nun ein leichtes Staatsdefizit, erklärte die Partei, um die kommenden Aufgaben bewältigen zu können.

Interessant ist, dass die FPÖ betont, sich – im Gegensatz zur SPÖ-ÖVP- Regierung zuvor – stark um die Bedürfnisse von Volksgruppen und Vertriebene zu kümmern; wenngleich die Partei im Ausland Vertriebene (beispielsweise Sudetendeutsche) und in Österreich lebende Minderheiten in eine Betrachtung zieht. So fordert die FPÖ beispielsweise die „Ausweitung des zweisprachigen Unterrichtes auf die 4. Schulstufe in Minderheiten-Schulgesetz Kärnten“ und verlangt die „Anerkennung einer deutschsprachigen Minderheit in Slowenien durch Österreichisch-Slowenisches Kulturabkommen“ (Die Freiheitlichen, 2002, S. 106ff).

155 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsprogramm 2003

Die Nationalratswahlen 2002 veränderten die Machtverteilung innerhalb der Regierung, welche weiterhin aus der ÖVP und FPÖ bestand, stark zugunsten der Volkspartei. Lagen 1999 beide Parteien bei 26,9 Prozent, sprang die Volkspartei nun auf 42,3 Prozent (+15,39%), während die FPÖ auf 10,01 (-16,9%) Prozent fiel. Nachdem Koalitionsverhandlungen mit den Grünen scheiterten, entschloss sich die ÖVP, ein weiteres Mal eine Regierung mit der FPÖ zu bilden (Schüssel II).

Während sich Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer aus der Politik an die Spitze einer Versicherung zurück zog, übernahm der Kärntner Herbert Haupt (FPÖ, später BZÖ) ihr Amt. Finanzminister Karl-Heinz Grasser blieb bei seiner Aufgabe, wenngleich parteilos und von der ÖVP nominiert. Peter Westenthaler (FPÖ, später ebenfalls BZÖ), der sich in Knittelfeld ebenfalls von der Parteispitze zurück zog, wechselte in die Privatwirtschaft. Verglichen zu Schüssel I, wo die FPÖ 6 von 12 Ministern stellte, waren es in Schüssel II nur mehr 4 von 14 Ministerposten, welche von blauen Politikern besetzt wurden.

Die ÖVP machte in der zweiten Regierung deutlich, dass sie – auch inhaltlich – mehr Macht hatte. Zwar war die FPÖ noch präsent; jedoch änderten sich die inhaltlichen Schwertpunkte (policies) Richtung ÖVP hin. Schüssel spricht in seiner Regierungserklärung von 2003 (Schüssel, 2003) unter anderem von:

• Einer aktiven Europapolitik. Europa sei in Bewegung und Österreich müsse daran seinen Beitrag leisten. Verglichen zur FPÖ, die sich in der Vergangenheit ablehnend der EU gegenüber zeigte, ist Schüssels Ziel, selbst die richtigen Schritte zu bewirken (etwa bezogen auf die Osterweiterung). • Schüssel spricht über die Reform des Bundesheers. Einerseits will er das Material erneuern (beispielsweise werden die Abfangjäger angesprochen); andererseits sollen aber auch Arbeitsstrukturen im Heer reformiert werden. • Das Bildungssystem solle ausgebaut werden. Der Anteil an Hochschulabgängern soll steigen und damit in Folge die Ausgaben für Forschungsprojekte (2,5 Prozent des BIPs).

156 Fallstudien: Parteien in Regierung

• Der Staatsdienst solle reformiert werden. Unter anderen solle das Dienstrecht neu gestaltet werden und die Regierung wolle ein System zum e- gouvernment einführen. • Es brauche sichere Arbeitsplätze. Schüssel erklärt in seiner Rede, die „österreichischen Sozialpartner“ wurden einen „unverzichtbaren Beitrag für dieses Land und seine Menschen“ leisten. Dies klingt nach einem Angebot zur Versöhnung nach der ersten Regierungszeit (Schüssel I), wo viele Schritte ohne Rücksprache mit den Sozialpartnern gemacht wurden (zur Erinnerung: die FPÖ sprach sich im Wahlkampf 1999 stark gegen das österreichische Proporzmodell aus). • Das Gesundheits- und Pensionsrecht solle (weiter) reformiert werden, was ein späteres Eintrittsalter und eine Aufteilung auf drei Säulen bedeute. Dies bedeutet eine Fortsetzung des Kurses von Schüssel I. • Seitens der Budgetpolitik behält die ÖVP Finanzminister Karlheinz Grasser mit in der Mannschaft (nun parteilos) und erklärt die Senkung der Abgaben- und Steuerquote zum Ziel für die neue Regierungsperiode.

Auffallend ist, dass sich die Freiheitliche Partei erneut defensiv gegenüber der Europäischen Union zeigt. Während sie im Wahlkampf von 1999 noch von mehr Machtausübung gegenüber der EU sprach und gegebenenfalls eine Osterweiterung verhindern wolle, fügt sie sich nun in Schüssels „Aktive Europapolitik“ mit ein.

Die Bundesregierung „bekennt sich zum Friedensprojekt Europa“ und trete „für ein gemeinsames Europa“ ein, heißt es in der Regierungserklärung (Österreichische Bundesregierung, 2003). Gleichzeitig betont das Papier in einem eigenen Punkt, für die Rechte von „altösterreichischen Minderheiten“ einzustehen. Damit sind Personen gemeint, die im Osten und Südosten Europas leben und dort ihre Kultur ausleben sollten.

Bei der Osterweiterung der EU, beim Wahlkampf 1999 ein strittiger Punkt für die Freiheitlichen, herrscht laut Regierungsprogramm Konsens: Man bekenne sich dazu, wolle die Dokumente dazu termingerecht unterzeichnen und ratifiziere den Beitragsvertrag fristgerecht (Österreichische Bundesregierung, 2003, S. 3-4).

157 Fallstudien: Parteien in Regierung

Inhaltlich sind sich ÖVP und FPÖ in vielen Punkten einig. Im neuen Regierungsprogramm fehlen jedoch Punkte der Abgrenzung:

• Die Sozialpartner sind nun – wieder – Verhandlungspartner • Forderungen aus dem Programm von 1999 wie „Strompreis- und Mietensenkung österreichweit“ (Freiheitliche Partei Österreichs, 1999) finden sich nicht im Regierungsprogramm von 2003 • „Im Jahr 2010 wird Österreich voll die positiven Folgen der EU-Erweiterung nützen“, erklärte Bundeskanzler Schüssel bei der Regierungserklärung 2003 (Schüssel, 2003). Das klingt widersprüchlich zum Wahlkampfprogramm der Freiheitlichen von 1999.

Bezogen auf die innere Sicherheit des Landes, wird im Regierungsübereinkommen die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei angekündigt; Asylverfahren sollen schneller ablaufen; der Drogenhandel solle „entschiedener“ bekämpft werden und seitens der Integration wolle man sich auf jene Ausländer konzentrieren, die bereits in Österreich leben und die Möglichkeiten eines neuen Zuzugs einschränken (Österreichische Bundesregierung, 2003, S. 7-12). Dies deckt sich mit den Vorstellungen der Freiheitlichen.

Wirtschaftspolitisch werden das gewünschte Wachstum niedergeschrieben und Privatisierungsziele sollen „zu einer möglichst hohen Wertsteigerung bei Unternehmen führen“, was langfristig und nachhaltig Arbeitsplätze sichere. Die Privatisierung der Telekom und der Bundeswohnungsgesellschaften „werde fortgesetzt“, heißt es im Regierungspapier (Österreichische Bundesregierung, 2003, S. 37-41). Anmerkung: Aus diesen Privatisierungen werden Skandale entstehen, mit denen sich Untersuchungsausschüsse und die Gerichtsbarkeit Jahre später noch beschäftigen wird; mehr dazu im Folgekapitel.

158 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierung Schüssel II: policies

Wenngleich es bei policies um Inhalte geht, änderte sich in der Regierung Schüssel II das Grundverständnis der Zusammenarbeit: Nach dem Zusammenbruch der ersten Regierung (Schüssel I), änderte sich bei der Zweitauflage das Machtverhältnis innerhalb der Freiheitlichen Partei zu Gunsten von Jörg Haider:

Nach dem Rücktritt von Susanne Riess-Passer und dem Wechsel von Karlheinz Grasser zur ÖVP (beziehungsweise wurde er von der ÖVP parteilos zum Finanzminister nominiert), kamen neu politische Kräfte nach, die loyal zu Haider standen: Herbert Haupt kam aus der Kärntner FPÖ nach Wien; Bundesparteiobmann- Stellvertreter Hubert Gorbach wurde Minister für Verkehr, Innovation und Technologie und Haiders Anwalt, Dieter Böhmdorfer, wurde Justizminister.

Hinzu kommt, dass die Macht in Österreich bei den Ministern liegt – und nicht, wie man denken könnte, zentral dem Bundeskanzler zugeordnet wäre, der die Letztentscheidung treffen könnte. Zwar einigen sich die Koalitionsparteien – vorab – in einem Vertrag über die Eckpfeiler der Regierungszeit (Regierungsprogramm, Koalitionsvertrag); wer schlussendlich jedoch was umsetzt, das ist wiederum eine Sache der Minister, deren Handlungsspielraum durch das Gesetz begrenzt ist. Beziehungsweise kann einer oder alle Regierungsparteien die Koalition aufkündigen (Pelinka, Legacies of the Schüssel Years, 2010).

Beim Pensionssystem setzte die Koalition fort, was sie in der ersten Regierung vereinbart hatte: Eine Splittung in eine staatliche, eine Betriebspension und eine private Zuzahlung. Die Parteien lösten damit ihr neoliberales Wahlversprechen ein (Preglau, Schüssel and the Welfare State, 2010) und setzten die Arbeit der Regierung Schüssel I fort.

Am Arbeitsmarkt kam es während Schüssel II zu einer Ausweitung der Öffnungszeiten von Geschäften und damit zu einer Flexibilisierung von Arbeitsverträgen (wogegen sich die SPÖ in der Vergangenheit gewehrt hatte). Der ÖGB verlor dabei an Einfluss in der Regierung (Karlhofer F. , 2010, S. 111ff). Was laut Preglau scheiterte, war eine Arbeitslosenversicherung für Selbstständige (Preglau, Schüssel and the Welfare State, 2010).

159 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bezüglich der Asylgesetzgebung trat Mitte 2005 ein neues Gesetz in Kraft, das strenger wurde und eine breite Zustimmung – über die Stimmen der Koalitionskraft hinaus gehend – fand. „Die SPÖ habe daher auch keine Grundsätze über Bord geworfen, auch wenn ein Kompromiss Zugeständnisse erfordere. Viele Verbesserungen hätten gegenüber der Regierungsvorlage erreicht werden können, so Gaal, der unter anderem auf die Personalaufstockung im Unabhängigen Bundesasylsenat hinwies“, hieß es seitens der oppositionellen SPÖ (Republik Österreich: Parlament, 2005). Dem neuen Fremdengesetz war eine Version zuvor gegangen, das von der Gerichtsbarkeit abgelehnt wurde.

Soziologe Max Preglau (Universität Innsbruck) kommt zum Schluss:

„By means of immigration and integration policy, additional nationalistic, protectionist, and xenophobic elements were introduced into social policy. Most instructive about the approach to migration and integration in Austria is the attitude toward these policy issues at the Ministry of Internal Affairs: migration is perceived as a threat and a matter of homeland security, not as an opportunity, and migrants are not welcomed, but received with distrust.“ (Preglau, Schüssel and the Welfare State, 2010)

Insofern ist das neue Fremdenrecht – bezogen auf die Ziele der Wahlkämpfe von 1999 und 2002 ein Erfolg, wenngleich es innerhalb der FPÖ auch Ablehnung gab, war es einigen Mandataren zu wenig streng: „Abgeordnete ROSENKRANZ (F) kündigte an, dem Gesetz ihre Zustimmung zu verweigern. Ihrer Ansicht nach werde die Trennung zwischen Asyl und Immigration nicht sauber vollzogen und nach wie vor gebe es massive Anreize, gerade nach Österreich zu kommen. Besonders scharf kritisierte Rosenkranz das Recht für Asylwerbende, nach einem bestimmten Zeitraum eine Arbeit anzunehmen. Sie sei überzeugt davon, dass das neue Gesetz ebenso ineffizient ist wie das alte.“

In Folge sank die Zahl an Immigranten. Wenngleich, in nächster Konsequenz, die Einreise und die Beschaffung von saisonalen Arbeitsmigranten erleichtert wurde. Die Forderung nach temporär Beschäftigten kam seitens des Gewerbes, das nach Arbeitskräften Ausschau hielt.

160 Fallstudien: Parteien in Regierung

In Sachen der Verteidigungspolitik wurden während Schüssel II am 1. Juli 2003 der Kaufvertrag unterzeichnet (Bundesheer, 2003) und die so genannten Gegengeschäfte abgewickelt. Idee dahinter war, dass das doppelte Volumen des Kaufpreises von zwei Milliarden Euro als Gegengeschäft in Österreich umgesetzt werden würde. Eine Liste zu den Gegengeschäften ist auf den Seiten des Wirtschaftsministeriums zum Herunterladen online (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, 2012).

Allerdings beschäftigt die Anschaffung Politik und die Gerichte bis heute: Offenbar besteht der Verdacht, dass vor dem Kauf Schmiergelder geflossen sein könnten14. Im April 2017 wurde zum Thema möglicher Geldflösse auf Verlangen von Peter Pilz (Grüne) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) ein Untersuchungsausschuss im Parlament eingerichtet (Pilz & Strache, 2017). „Die Staatsanwaltschaften Wien und München gehen dem Verdacht ja schon länger nach, die Wiener prüfen zudem den Verdacht auf Betrug. Die Republik Österreich wirft dem Rüstungskonzern vor, ihn beim Beschaffungsvorgang hinters Licht geführt zu haben. Airbus bestreitet das und es gilt die Unschuldsvermutung.“ (Graber, 2017)

Die Beschaffung der neuen Abfangjäger gilt für die FPÖ als Erfolg, wurde sie doch während des Wahlkampfs gefordert, wenngleich Jahre später wegen möglicher Schmiergelder ermittelt wird (es gilt erneut die Unschuldsvermutung). Die SPÖ nutzte im Wahlkampf 2006 das Eurofighter-Thema für den Fang von Stimmen.

Fortgesetzt wurde die Veräußerung von Staatseigentum beziehungsweise deren Privatisierung, etwa Wohnungen der Bauen und Wohnen GmbH (BUWOG). Nach jahrelangen Ermittlungen hieß es, dass Ende 2017 im Fall BUWOG und Terminal Tower (Linz) ein Prozess gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser starten könne (Graber, Die Buwog, eine unendliche Justizgeschichte, 2017). Der Verkauf habe 2002 (Schüssel I) begonnen (Informationsbeschaffung durch eine Investment-Bank), sei durch ein Privatisierungsgesetz vorbereitet und ab 2003 ausgeschrieben geworden.

14 Es gilt die Unschuldsvermutung.

161 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bilanz der Regierungszeiten

Zur Regierungszeit

Die Regierung FPÖ-ÖVP I, in Folge Schüssel I genannt, trat am 4. Februar 2000 ihre Ämter an und wurde am 28. Februar 2003 wieder aufgelöst. Diverser innerparteilicher Streitigkeiten wegen kam es im September 2002 zu einem angekündigten Sonderparteitag (im steirischen Knittelfeld), der im Kern einen Konflikt zwischen Jörg Haider, der zurück an die Spitze der Bundespartei wollte, und der Regierungsmannschaft bedeutete. Für massive Spannungen sorgte allen voran Haider selbst, der mit angesprochener Doppelstrategie von Kärnten aus weiter selbst die Bundespolitik beeinflussen wollte (Sickinger, 2008, S. 202ff).

Hinzu kam, dass Haider als charismatischer Leader kein Teamplayer war. Die Emanzipierung ehemaliger „Untertanen“ schadete der Partei, die bis dato keine demokratischen innerparteilichen Strukturen kannte. Nach Haiders Rücktritt im Jahr 2000 war unklar, wer die Partei wirklich führen sollte. „Being the creation of a charismatic leader, the Austrian Freedom Party was unable to resolve the question of leadership effectively, once Jörg Haider stepped down as chairman in 2000“, schrieb dazu Reinhard Heinisch (Heinisch, Success in opposition – failure in government: explaining the performance of right-wing populist parties in public office, 2003, S. 113). Haider, das „einfacher Parteimitglied“, war eben kein einfaches Parteimitglied.

Schlussendlich war es die ÖVP, die der Implosion der FPÖ zuvor kam und in Anbetracht guter Umfrageergebnisse 2002 Neuwahlen forderte, welche in Folge einen Absturz für die FPÖ (minus 16,9 Prozent) und einen Triumph für die ÖVP (plus 15,39 Prozent) bedeutete. Die FPÖ setzte die Regierung fort, war nun jedoch klar als Juniorpartner degradiert worden. Die darauf folgende Regierung ÖVP-FPÖ (2) – beziehungsweise später ÖVP-BZÖ, Schüssel II – nahm am 28. Februar 2003 ihre Arbeit auf und blieb die gesamte Legislaturperiode über im Amt.

Allerdings vollzog sich zur Halbzeit ihrer Regierungstätigkeit eine Parteispaltung ab: Die FPÖ zerfiel in die weiter bestehende FPÖ und das von Jörg Haider 2005 neu gegründete BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), welches die

162 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsgeschäfte übernahm. Dieser Zerfall ist ein Indiz für die These, wonach Rechtspopulisten eben nur bedingt regierungsfähig sind. Das BZÖ sprach im Zusammenhang selbst davon, man wolle „zerstörerische Kräfte“ (derStandard.at, 2005) durch die Neugründung hinter sich lassen.

Schüssel II war die gesamte Legislaturperiode über im Amt, jedoch waren die Koalitionspartner (Parteien) zum Ende nicht dieselben wie zu Beginn. Unter diesem Aspekt kann von keiner Vollendung der Legislaturperiode gesprochen werden. Zu den Gründen, warum es überhaupt zu ÖVP-FPÖ (II) kam, schreibt Pelinka: a. „Die Spitze der FPÖ hatte am Regieren an sich Gefallen gefunden. [...] Diese Neigung, auch auf Kosten einer plausiblen Strategie der Stimmenmaximierung, an der Regierungsmacht festzuhalten, weist die FPÖ wiederum als ‚Normalpartei’ aus. b. Die FPÖ sah keine wirkliche Perspektive, wieder dort zu beginnen, wo sie durch ihren Stilwechsel 1986 begonnen hatte. Die Wiederaufnahme eines populistischen Oppositionskurses hätte wohl Glaubwürdigkeitsprobleme aufgeworfen [...]. c. Die FPÖ ist nicht auf das Charakteristikum ‘Populismus’ zu reduzieren. Der traditionelle Kern der FPÖ – vor allem das deutschnationale Verbandswesen – stellt einen Beharrungsfaktor dar. Dieser Kern, der in Parteien fehlt, die dem Idealtypus einer populistischen Partei zur Gänze entsprechen, musste in der Regierungsbeteiligung an sich die Chance sehen, Zugänge zu gesellschaftlichen Schaltstellen zu sichern.“ (Pelinka, 2005, S. 101)

Politics: Prozesse innerhalb der Partei

Die FPÖ war gleich zu Beginn in einer Zwickmühle: Würde sie sich davor scheuen, unpopuläre Themen wie Einschnitte im Sozialsystem anzugehen, würde sie als Chaospartei wahrgenommen werden, welcher der Mut zum Handeln fehlt. Umgekehrt bringt sie genau solch ein Handeln in Bedrängnis, haben ihre Wähler sie doch genau des Gegenteiles wegen gewählt (Heinisch, 2004, S. 257-258).

Sprich: Nun war die FPÖ selbst Teil des von ihr angeprangerten Establishments. Wenngleich die Führungsspitze der Partei um Riess-Passer, Grasser und Westenthaler sich nicht um Entscheidungen drückte. Reformen im Sozialsystem und bei den Pensionen wurden mit hohem Tempo angegangen.

163 Fallstudien: Parteien in Regierung

Inhaltlich bleibt die dünne Personaldecke in Erinnerung, die in einem ständigen Wechsel von Ministern mündete. Während die ÖVP in der ersten Regierungsperiode von Anfang bis zum Ende mit derselben Mannschaft im Amt blieb, wechselte die FPÖ in vier von sechs Ressorts die Minister (während Schüssel I). Im Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie wurde gleich zwei Mal die Führungsperson ausgetauscht. Am kürzesten war Justizminister Michael Krüger im Amt: Keine vier Wochen zählte seine Dauer als Minister. In der zweiten Regierungszeit stabilisierte sich jedoch die personelle Konstanz.

Die angesprochenen Sanktionen der EU 14 wurden zwar innerhalb Österreichs als übertrieben und nicht gerechtfertigt aufgefasst; in der Rückschau schadeten sie jedoch der FPÖ, welcher dieser wegen in ihrer Entfaltungskraft stark eingeschränkt war. Dies in Kombination mit der dünnen Personaldecke der FPÖ führte dazu, dass die ÖVP als führende Regierungspartei wahrgenommen wurde (Sickinger, 2008, S. 190ff). Jörg Haider agierte in dieser Zeit mit einer Rückbesinnung nach rechts, was die Außenwirkung der FPÖ weiter verschlechterte.

Zu einer gewissen Popularität schafften es Vizekanzlerin Susanne Riess- Passer, die sich von Leader Haider emanzipierte, sowie Finanzminister Karl-Heinz Grasser, welcher mit seiner Fixierung auf das Nulldefizit den Zeitgeist traf: Das Ende neuer Schulden. Wenngleich das Ziel seiner Finanzpolitik begrenzt war (und es im Folgejahr wieder neue und höhere Schulden gab), wurde Grasser zu einem Society- Star der Politik, der mit Gattin Fiona Pacifico Griffini-Grasser zum Liebling der Klatschpresse aufstieg. In der Folgeregierung wechselte er von der FPÖ zur ÖVP und wurde parteiloser Finanzminister.

Das Image von Grasser erlitt jedoch bereits ab 2003 Schaden, als auf Initiative der Grünen eine Negativkampagne gegen KHG (so nannte sich Grasser selbst) in Gang gesetzt wurde (Filzmair, 2006, S. 42ff). Die Vorwürfe sind so weitreichend, dass sie bis heute Staatsanwälte und Richter beschäftigen. Im Zentrum stehen Anschuldigungen (es gilt die Unschuldsvermutung) des Amtsmissbrauchs, etwa im Zusammenhang mit dem Verkauf der Bauen und Wohnen GmbH (Buwog) (derStandard, 2013). Nach jahrelangen Ermittlungen muss sich Grasser wegen des Verdachts der Untreue einem Gerichtsverfahren stellen. „Ex-Finanzminister Karl-

164 Fallstudien: Parteien in Regierung

Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte müssen daher in Sachen Buwog und Terminal Tower vor Gericht.“ (Seeh & Schneid, 2017)

Das Ende der ersten Regierungsperiode war auch mit inhaltlichen Gründen verbunden, die in personellen Spannungen innerhalb der Freiheitlichen mündeten: Haider forderte (indirekt über Volksanwalt Ewald Stadler) die FPÖ-Bundesspitze (während Schüssel I) auf, sie möge eine Steuersenkungsreform vorziehen; der EU- Osterweiterung nur zustimmen, wenn Tschechien die Beneš-Dekrete fallen lasse und das Atomkraftwerk Temelín schließe und eben Haider an die Parteispitze zurück hole. Die Forderungen entsprachen zwar Parteilinie und waren auch im Koalitionsübereinkommen festgeschrieben worden; sie waren jedoch zu dieser Zeit nicht durchsetzbar. Haider kalkulierte damit einen Bruch ein, der – wie beschrieben – in vorgezogenen Neuwahlen endete (Sickinger, 2008, S. 202-203). Schüssel I scheiterte damit auch an Verhaltensmustern innerhalb der Freiheitlichen.

Inhaltlich (policies) wurde die EU-Osterweiterung vollzogen, das Atomkraftwerk Temelín ist nach wie vor am Netz und die Beneš-Dekrete, welche die Vertreibung aller Deutschsprachiger nach Ende des Zweiten Weltkrieges legitimierten, sind nach wie vor in Kraft. Dies sind zwar nur punktuell beleuchtete Themen; sie zeigen jedoch, wie sehr die rechtspopulistische Rhetorik und die praktisch mögliche Politik auseinander drifteten. Die FPÖ scheiterte damit nicht nur aus zeitlicher, sondern auch aus inhaltlicher Sicht.

Die Freiheitlichen konnte sich in manchen Punkten aber auch durchsetzen. So wurde beispielsweise das Fremdengesetz überarbeitet, Asylbestimmungen wurden strenger und – wie von der FPÖ gefordert – wurde die Sozialgesetzgebung überarbeitet und liberalisiert (beispielsweise im Bezug auf die Arbeitszeiten).

Ähnlich, wenn auch ein wenig anders, ist das Scheitern von Schüssel II zu bewerten, das innerer Spannungen wegen in einer Parteispaltung mündete. Jene, welche am Regieren Gefallen gefunden hatten, trennten sich vom deutschnationalen Kern der FPÖ, der den oppositionellen Kurs früherer Tage bevorzugte. Ein anderer Grund war die wachsende Schuldenlast der FPÖ, deren Wahlkampf und Kampagnen sehr teuer waren. Die FPÖ ist gewissermaßen auch finanziell und strukturell an sich selbst gescheitert.

165 Fallstudien: Parteien in Regierung

Das BZÖ, welches 2005 aus der FPÖ hervor ging, versuchte nach außen hin, einen neuen Kurs zu wählen: Jenen einer verantwortungsvollen Regierungspartei. Das BZÖ ist damit eine direkte Nachfolgeorganisation der FPÖ. Bei den Nationalratswahlen 2013, ihren zweiten Nationalratswahlen, scheiterte es an der Vier- Prozent-Hürde und ist damit nicht mehr Teil des Nationalrats. Die von Parteiobmann Josef Bucher suggerierte Neuausrichtung als wirtschaftsliberale Partei (derStandard.at, 2013) stieß offenkundig auf begrenzte Resonanz.

Verhaltensmuster und auslösende Ereignisse

Untersuchungsausschüsse und Gerichtsverfahren nach der sogenannten schwarz-blauen Wenderegierung zeichnen ein Bild, das gegenteilig zu jenem war, wie es die FPÖ/das BZÖ selbst propagiert hatte: Es ging nicht immer um eine Veränderung, sondern oft nur um eine Verschiebung des Einflussbereichs. Herbert Obinger und Emmerich Tálos sprechen im Zusammenhang mit den Sozialversicherung von einer „Umfärbung der Mehrheitsverhältnisse“ zu Gunsten von FPÖ und ÖVP (Obinger & Tálos, 2006, S. 83).

Interessant ist der Umstand – um den Fokus auf den Erfolg der Regierung zu legen –, dass nach dem Unfalltod von Jörg Haider 15 das Potenzial für rechtspopulistische Politik aufrecht blieb. FPÖ, BZÖ 16 und das Team Stronach 17 bekamen zusammen bei den Nationalratswahlen 2013 29,7 Prozent der Stimmen (Bundesministerium für Inneres, 2013).

Die FPÖ, welche nach ihrer ersten Regierungsbeteiligung auf 10,01 Prozent (2002) abgestürzt war, arbeitete sich unter Heinz-Christian Strache wieder auf 20,51 Prozent hoch (2013) und steht nun wieder dort, wo sie Mitte der 1990er unter Jörg Haider stand. Anders als Haider ist jedoch der Rechtspopulismus von Strache weit weniger wandlungsfähig; wenngleich er sich nicht dem Regieren stellen musste.

15 Haider starb im Oktober 2008 bei einem Autounfall 16 Das BZÖ verpasste mit 3,5 Prozent den Einzug in den Nationalrat 17 Das Team Stronach ist populistisch, nicht rechtspopulistisch, spricht jedoch ähnliche Wählergruppen an.

166 Fallstudien: Parteien in Regierung

In der Bewertung der FPÖ muss den beiden Regierungsbeteiligungen Schüssel I wie auch Schüssel II, ein graduelles Scheitern im Sinne der Verhaltensmuster attestieren werden, zumal die Partei an sich nie vier Jahre funktonal war:

• Die FPÖ von Schüssel I zerbrach nach rund zwei Regierungsjahren, wie erklärt, am Parteitag von Knittelfeld. • Die FPÖ von Schüssel II spaltete sich erst in FPÖ und BZÖ, dem kurz vor Ablauf der Regierungstätigkeit der Koalitionspartner ÖVP die Zusammenarbeit aufkündigte.

Bezogen auf die Wahlergebnisse, erlebte die FPÖ von Schüssel I einen Absturz von 26,9 auf 10,01 Prozent, was einer Implosion gleich kommt und als Scheitern gilt (Bundesministerium für Inneres, 2002).

Die „Regierungs-FPÖ“ der Wahlen von 2006 war das von Jörg Haider gegründete und von Peter Westenthaler geführte BZÖ, das im April 2005 gegründet wurde, während die bisherige FPÖ sich um Heinz-Christian Strache (FPÖ Wien) sammelte. Nimmt man das Wahlergebnis von 2003 (10,01 Prozent) als Referenz, waren 4,11 Prozent des BZÖs ein weiterer Absturz. Zählt man jedoch die 11,5 Prozent der „anderen“ FPÖ hinzu, konnte die Partei jedoch zulegen (Bundesministerium für Inneres, 2006); wenngleich sich nicht beide Ergebnisse addieren lassen.

Will man jedoch Regierungspartei mit Regierungspartei vergleichen, ist der Bezug von der FPÖ von 2003 zum BZÖ 2006 treffender. 4,11 Prozent sind weniger als die Hälfte des Ergebnisses von 2003, was erneut als ein Scheitern zu bewerten ist. In Summe stieg die „Haider-Partei“ von 9,73 Prozent (1986) auf 26,9 (1999) Prozent und fiel erst auf 10,01 (2002) und dann auf 4,11 Prozent (BZÖ, 2006). Das Regieren wirkte sich demnach negativ auf die Wahlergebnisse aus.

167 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bewertung der FPÖ

Schüssel I (2000-2002)

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit: Das Drängen der FPÖ nach rechts schob auch die bürgerliche ÖVP nach rechts – was es gleichzeitig der FPÖ erschwerte, sich gegenüber der ÖVP nach außen hin abzugrenzen. Die Konsequenz des Rechtsrucks war beispielsweise eine gewisse Verschärfung in der Ausländergesetzgebung, wie sie im Wahlkampf angekündigt worden war. Die FPÖ tat sich jedoch schwer mit dem Regieren an sich: Einerseits trat Jörg Haider, damals Landeshauptmann von Kärnten, staatsmännisch auf (Besuche im Ausland, etwa bei Saddam Hussein) und begab sich selbst in Opposition zur Bundesregierung (im Stile der deutschen CSU zur CDU); andererseits war die FPÖ nun selbst regierende Partei – mit dem Selbstverständnis einer Oppositionspartei (Heinisch, Right-Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 50ff). Darüber hinaus musste sich die FPÖ per Unterschrift beim Bundespräsidenten dazu verpflichten, die EU als wesentliche Instanz zu akzeptieren und war musste im Sinne der Realpolitik handeln, die alltägliche Probleme aufwirft. Es war schwierig, den rhetorisch formulierten Forderungen des Wahlkampfs nachzukommen, was zu einer Enttäuschung bei Wählern führte. Zusammenfassung: Die FPÖ hatte starken Einfluss auf die Gesetzgebung und machte Druck bei Sozial-, Pensions- und Wirtschaftsthemen. Die Partei brach mit den Sozialpartnern, was sie im Wahlkampf in Aussicht gestellt hatte. Hinzu kam eine Verschärfung beim Fremdenrecht. Die harte Rhetorik aus dem Wahlkampf und die tatsächliche Politik waren jedoch nicht deckungsgleich. Insofern kann der Partei ein graduelles Scheitern unterstellt werden, wenngleich die FPÖ auch viele Punkte aus ihrem Wahlkampfprogramm in Politik umsetzen konnte. Die Partei hielt war damit erfolgreich und erfolglos zugleich, wenngleich sie die Härte aus dem Wahlkampf nicht in die Regierung mitnehmen konnte.

168 Fallstudien: Parteien in Regierung

II. Personelle Ressourcen und Konstanz: Die Personalfluktuation während Schüssel I war, wie bereits erläutert, sehr hoch bei der FPÖ. Bei vier von sechs Ministerposten wurde im Kabinett Schüssel I (Anmerkung: Wolfgang Schüssel von der ÖVP bekleidete das Amt des Bundeskanzlers) ein Tausch vollzogen. Im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie wurden gleich zwei Wechsel vollzogen. Zum Vergleich: Beim Kollationspartner ÖVP blieben alle Minister bis zur Neubestellung der Regierung im Amt. Die FPÖ von 1999 bis 2002 scheiterte damit, was ihre personelle Konstanz betrifft.

III. Verhaltensmuster: Die Regierung Schüssel I endete faktisch bei der Knittelfelder FPÖ-Versammlung (7. September 2002). Zuvor hatte sich ein Teil der FPÖ verselbstständigt und sich den Ordnungsrufen von Jörg Haider entzogen. Die FPÖ von Schüssel I scheiterte, was ihre Beständigkeit betraf.

IV. Auslösende Ereignisse: Die FPÖ erreichte bei den Wahlen 1999 26,91 Prozent und fiel 2002 auf 10,01 Prozent (siehe Abbildung 13). Ein Verlust von mehr als der Hälfte aller Stimmen wird als Scheitern betrachtet.

Zusammenfassung: Die FPÖ konnte rasch inhaltlich Erfolge erzielen, setzte eine Hand voll an Wahlversprechen um und konnte markante Politiker an der Spitze positionieren, die rasch populär wurden. Die Partei war jedoch nicht jene, wie sie sich ihre Wähler vorgestellt hatten: Es fehlte beispielsweise eine harte Haltung gegenüber der EU, damit verbunden fehlte der Österreich-Patriotismus (den die ÖVP demonstrierte) und es distanzierte sich Jörg Haider, der Leader, von der Bundespartei.

Die Partei rieb sich in Folge an innerparteilichen Streitigkeiten auf. In Folge dessen verlor die FPÖ bei den vorgezogenen Neuwahlen, welche von der ÖVP gefordert wurden, mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Die Freiheitliche Partei war mit ihrer Arbeit in der Regierung Schüssel I gescheitert.

169 Fallstudien: Parteien in Regierung

Schüssel II (2003–2006)

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit: Die FPÖ von 2002/2003 war ihren Inhalten zufolge nicht mehr die Partei von 1999, die einen scharfen Bruch mit der Konkordanz verlangt hatte. Die Partei setzte jedoch fort, womit begonnen worden war: Einer Reform des Sozialwesens, der Pensionen und des Bundesheers. In Folge war die Partei erfolgreich, was ihre policies betrifft; wenngleich viele Anhänger nach wie vor die Partei von 1999 im Kopf hatte, welche Österreich substantiell verändern wollte. II. Personelle Ressourcen und Konstanz: In der Regierung Schüssel II (2003 bis 2007) war die personelle Beständigkeit in der FPÖ größer als während Schüssel I. In dieser Regierungszeit vollzog auch die ÖVP personelle Wechsel. Es kann von keiner Unbeständigkeit bei der FPÖ gesprochen werden, was eine Folge von Haiders Personalpolitik zu betrachten ist: Regierungsmitglied wurde nur, wer sich loyal dem Leader gegenüber zeigte. 2005 trennte sich die Regierungsmannschaft jedoch als BZÖ, eine von Jörg Haider neu gegründete Partei, von der FPÖ ab. Wenngleich die FPÖ während der Regierungszeit in zwei Parteien zerfiel, war die Stabilität im „Haider’schen Part“ (BZÖ) höher als in der FPÖ von Schüssel I. Im Sinne der Konstanz kann von einem partiellen Erfolg gesprochen werden. III. Verhaltensmuster: Verglichen zur FPÖ von Schüssel I war in der zweiten Regierungsperiode Jörg Haider erneut der Leader der Partei (wiederum von Kärnten ausgehend). Im April 2005 spaltete sich die Partei jedoch nach internen Konflikten in die FPÖ (der Name blieb bestehen) und das BZÖ („Die Freiheitlichen - Liste Westenthaler - BZÖ“ bei der Nationalratswahl 2006). „As a consequence, the old FPÖ was split at every level, with bitter infighting over party resources. Although the BZÖ stayed on in the coalition, serving out the remainder of the legislative term, it lacked a following, electoral legitimacy, and a clear programmatic orientation“, schreibt dazu Heinisch (Heinisch, Right-Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 51). Die FPÖ, zieht man ein Fazit, zerbrach damit in beiden Regierungszeiten, wenngleich dies nur bedingt etwas über die Stabilität der Partei aussagt: Innerhalb der Partei sammelten sich zwei Strömungen, die

170 Fallstudien: Parteien in Regierung

zusehends im Konflikt zueinander standen. In Summe scheiterte Partei, die FPÖ, jedoch zum zweiten Mal, was ihre Beständigkeit betrifft. Sie bleib jedoch in der Regierung, wenngleich mit neuem Namen (BZÖ). Zum Ende der Regierungszeit hin schied die ÖVP jedoch aus der Regierung aus, was Neuwahlen zur Folge hatte. IV. Auslösende Ereignisse: Nach einem vorzeitigen Ende der Regierung mussten sich FPÖ und BZÖ 2006 Neuwahlen stellen. Die FPÖ (unter Heinz- Christian Strache) „erholte“ sich leicht und erreichte rund 11 Prozent der Stimmen, während das neue BZÖ (als quasi Regierungspartei) nur 4,11 Prozent der Wähler für sich gewinnen konnte (Bundesministerium für Inneres, 2006). Es scheiterte damit im Sinne der Erhaltung der Stimmen, wenngleich der Einzug in den Nationalrat des BZÖ, einer neuen Partei, als Teilerfolg betrachtet werden kann. In Summe war die Wahl 2006 jedoch ein Scheitern für die Regierungspartei.

Zusammenfassung: Die FPÖ beziehungsweise das BZÖ arbeitete konstanter an Themen; die Partei tat so, als zeige sie Führungsstarke und sie setzte das „realpolitische“ Parteiprogramm von 2002 um. Wenngleich dies nicht mehr jene Politik war, welche die FPÖ 1999 26,9 Prozent stark machte. Bei der FPÖ beziehungsweise dem BZÖ trennten sich der Anspruch an sich selbst, die Erwartungshaltung der Wähler zur Partei andere und selbst innerhalb der Partei waren die Vorstellungen, wer die Freiheitliche Partei nun sein soll, völlig unterschiedliche. Die Konsequenz war der Zerfall der FPÖ in zwei Parteien und eine von der ÖVP vorzeitig herbei geführtes Ende der Regierung.

In Anbetracht dieser Faktoren scheiterte die FPÖ/das BZÖ auch in der zweiten Regierung, wenngleich weniger intensiv als dies während Schüssel I der Fall war. Jörg Haider gab der Partei mehr Stabilität. Er konnte die Lager der Partei jedoch nicht zusammenhalten, wie er dies bis zum Wahlerfolg von 1999 konnte.

171 Fallstudien: Parteien in Regierung

Fazit der zwei Regierungsperioden

Die FPÖ beziehungsweise das BZÖ scheiterten zwei Mal, wenngleich aufgrund unterschiedlicher Ursachen:

I. Seitens ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit war die Partei um eine Umsetzung ihrer Ideen bemüht und setzte ihr Programm partiell um, wenngleich sie es verabsäumte, ihre Wähler mit dem Kernthema glücklich zu stimmen: Dem Österreichisch-Patriotischem (Identitätspolitik) und der vertikalen Abgrenzung, insbesondere auf die EU bezogen. Die FPÖ war weit weniger eine „Anti-Partei“, wie sie es versprochen hatte.

II. Bezogen auf das Personal und ihre Konstanz fehlte es der Freiheitlichen Partei an einer Vielzahl an fähigen Leuten, die ein Ministerium leiten konnten. Der Minister, um nochmals rückzugreifen, ist politische Entscheidungsträger in der österreichischen Republik mit hohen Kompetenzen (Pelinka, Legacies of the Schüssel Years, 2010).

III. Die Verhaltensmuster innerhalb der Partei waren um den Leader Jörg Haider aufgebaut, welcher sich anfangs nach Kärnten zurück zog, um – vermutlich – beim nächsten Wahlgang Kanzler der Republik zu werden (soweit das Kalkül). Während Schüssel I war die Parteiführung schwierig, zumal Haider von außen immer eingriff. Später, in der zweiten Regierung, kam der Druck von anderen Parteimitglieder, die mit der politischen Linie unzufrieden waren. Die Folge war die Abspaltung des BZÖ.

IV. Bei beiden Wahlen – wie erklärt – scheiterte die FPÖ beziehungsweise das BZÖ massiv und verlor an Zustimmung.

Auffallend war und bleibt, wie die FPÖ mit ihrer rechtsgerichteten Politik ÖVP und zu Teilen die SPÖ beeinflusste. Sie hat beide Parteien oder ihre Akteure nach rechts bewegt, was man als „Erfolg“ in ihrem Sinne bewerten kann; jedoch ist dies kein Erfolg im Sinne der Kriterien dieser Arbeit.

172 Fallstudien: Parteien in Regierung

Niederlande

Geschichte und politische Kultur

Die Niederlande sind ihrer großen Küstenlänge (in Relation zur Landesgröße wegen) ein Land mit großer Seefahrertradition, was dazu beitrug, dass die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen (Schäfer C. , 2004) in der Neuzeit zu einer maßgeblichen wirtschaftlichen Macht aufstieg. Wichtig zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) und der Niederländischen Westindien-Kompanie (WIC) – zwei Aktiengesellschaften, die erfolgreich Kolonien gründeten und Handel betrieben.

Ein Erbe dieser Weltoffenheit ist eine liberale Kultur mit ausländischen Mitbürgern. Als ehemaliger Kolonialstaat sind die Niederlande von fremden Einflüssen mitgeprägt. Zum niederländischen Kolonialreich zählten Gebiete rund um den Globus. Südafrika ist wohl jenes Land, wo der Kolonialismus am nachhaltigsten Wirkung zeigt, ist doch die dortige Sprache – das Afrikaans – ein Erbe des Niederländischen.

Interessant an den modernen Niederlanden ist, wie evolutionär Umbrüche erfolgten. Anders als in der überwiegenden Anzahl an Staaten in Europa, die nach Kriegen neu geformt wurden, waren die Niederlande im Ersten Weltkrieg neutral, im Zweiten wurden sie durch Deutschland besetzt. Wenngleich es in den 1960ern und 1970ern in Folge der 1968er-Bewegung zu einer Zäsur in der politischen Kultur kam, welche insbesondere Auswirkungen auf die christdemokratischen Parteien hatte, setzten sich die Kontinuitäten im konsensual – beziehungsweise: pragmatisch – orientieren politischen System der Niederlande fort (Wielenga, 2008, S. 10). Diese Kontinuität bestand aus einem Miteinander aus christdemokratischen Parteien (beziehungsweise den vielen christlichen Parteien untereinander) und den Liberalen, welche die meiste Zeit über eine Koalition bildeten. Vier Mal nach 1944 fanden auch Christdemokraten und Sozialdemokraten zueinander und bildeten eine Koalition.

173 Fallstudien: Parteien in Regierung

Zu einer bemerkenswerten Änderung kam es 1994, als erstmals seit 1918 die christdemokratischen Parteien auf der Oppositionsbank Platz nehmen mussten, nachdem die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Liberalen ein alternatives Kabinett auf die Beine stellen konnten. Es war das erste Mal in der neueren Geschichte der Niederlande, dass eine christliche Partei nicht bestimmende Kraft war.

„Acht Jahre drauf, im Jahre 2002, nahmen sie (die Christdemokraten, Anmerkung) wieder am Regierungstisch Platz, und inzwischen scheinen sie ihre traditionelle Position als ‚selbstverständliche Regierungspartei’ wieder eingenommen zu haben.“ (Wielenga, 2008, S. 10)

Anders als in Österreich, das überwiegend katholisch ist (beziehungsweise war, legt man den Fokus auf die Nachkriegsjahrzehnte), teilt die Niederlande ein konfessionelles cleavage: Während der Norden evangelisch geprägt ist, leben im Süden überwiegend Katholiken. Dieses konfessionelle cleavage findet Ausdruck in einigen Parteien, welche sich explizit einer Religion zuordnen. Die Trennung ist jedoch nicht derart tiefgreifend wie beispielsweise im Nachbarland Belgien, wo praktisch jede politische Richtung eine flämische und eine wallonische Partei kennt, wenngleich dort die Sprache, nicht die Religion zentraler Faktor ist.

Interessant ist die Kooperation der christlichen Parteien, welche ihrer unterschiedlichen Konfessionen wegen des Öfteren nicht denselben Standpunkt teilen. In den 1980ern fanden das Gros der konfessionellen Parteien dennoch zu einer Sammelpartei zusammen (Wilp, 2012, S. 215ff), der Christen Democratisch Appèl (CDA). Sie stellte von 2002 bis 2010 mit den Ministerpräsidenten, war jedoch gemessen an ihren Stimmanteilen bei Wahlen nicht mehr so mächtig als die frühere Kooperation aus den christlichen Einzelparteien.

Anders als in vielen anderen Ländern Westeuropas, wo die maßgeblichste aller Trennlinie des 20. Jahrhunderts jene zwischen Links (Arbeiter) und Rechts (Kapital, Bauern, Aristokratie) war, waren/sind die Niederlande ein tripolares System: Neben christlichen Parteien und Sozialdemokraten spielen auch die Liberalen eine maßgebliche Rolle. Darüber hinaus haben Minderheitenparteien, Splitter- und One- Issue-Parteien (beispielsweise Tierschutzparteien oder die Seniorenpartei) Tradition

174 Fallstudien: Parteien in Regierung in den Niederlanden, was zu einem komplexen politischen Prozess führt, wie Historiker Friso Wielenga erläutert:

„Die Niederlande, und auch das ist ein Charakteristikum, das Aufmerksamkeit verdient, waren ein Land vieler Minderheiten, die sich in religiöser bzw. weltanschaulicher Hinsicht oft diametral gegenüberstanden, aber dennoch Zusammenarbeit vielfach nicht ausschlossen. Dem lag nicht politischer Konsens, sondern Pragmatismus zugrunde, ein Umstand, der für das richtige Verständnis der politischen Geschichte und Kultur der Niederlande des 20. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung ist.“ (Wielenga, 2008, S. 12)

Kleinparteien haben insofern leichteres Spiel, als dass im politischen System der Niederlande geringe Einstiegshürden für den Einzug ins Parlament vorgesehen sind. 0,67 Prozent der Wählerstimmen genügen, um einen Abgeordneten stellen zu können (Bruff, 2003, S. 157).

In Summe sind die Niederlande geprägt von tiefen Spaltungen (Religionen, Minderheiten, Links/Rechts) und dennoch einem gleichzeitig hohen Maß an Stabilität im politischen System. Der politische Prozess war von einem Elitenkonsens geprägt, wenngleich die Konflikte in der Basis weiterhin bestand hatten. Der Elitenkonsens war jedoch anderer Natur als beispielsweise in Österreich, wo sich das politische Spektrum auf zwei maßgebliche Parteien reduziert hatte. Dennoch gelten auch die Niederlande als eine Konkordanzdemokratie.

Das, was in Österreich die Sozialpartnerschaft ist, wurde in den Niederlanden als „Poldermodell“ (Wilp, 2012, S. 147) bekannt, das auch als „Säulenmodell“ bezeichnet wird. Wenngleich mit dem Unterschied, dass die Niederländer in den 1980ern unter Regierungschef Wim Kok (Sozialdemokraten) verstärkt wieder auf diese Form der Kooperation setzten – als Folge der anhaltenden Wirtschaftskrise. Ein weiterer Unterschied zum österreichischen Modell ist eine abweichende Form der Institutionalisierung:

Während in Österreich die Sozialpartnerschaft vorrangig mit Experten aus Parteien und parteinahen Organisationen besetzt ist, gliedern die Niederländer auch unabhängige Fachleute in die Kommission mit ein. Ein Meilenstein ist das Abkommen von Wassenaar (1982), wo Gewerkschaften einen Verzicht auf Lohnerhöhungen

175 Fallstudien: Parteien in Regierung erklärten und Arbeitgeber ihrerseits versprachen, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zur Maxime zu erklären (Wielenga, 2008, S. 344).

Eine Besonderheit der Niederlande ist die – bereits angesprochene – frühe Emanzipierung der Wähler: Während in den 1950ern sich noch 91 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die maßgeblichen Großparteien fokussierten, fiel dieser Wert binnen weniger Wahlen auf 71,8 Prozent (1971/72). „Nie zuvor in der parlamentarischen Geschichte der Niederlande hatten die großen und etablierten Parteien so wenige Stimmen erhalten wie in den Jahren 1967 bis 1971/72 und nie zuvor waren umgekehrt neue und kleine Parteien so erfolgreich gewesen“, schreibt dazu Wielenga (Wielenga, 2008, S. 313). Dieses Wahlverhalten war auch eine frühe Form der Kritik am Elitenkonsens, der zu sehr starren Formen des Regierens führte.

Dieser plötzliche Verlust von Stammwählern bei den dominierenden Großparteien war – verglichen mit anderen politischen Systemen Europas – geradezu spektakulär für die späten 1960er und 1970er. Im Lichte der politischen Kultur kann man daraus folgern, dass in den Niederländer die participant political culture sich früher als in anderen Ländern entwickelte. Das Gedankengut der 1960er floss in die Regierungstätigkeit ein. Es kam zu einer „Entsäulung“ der Politik, wenngleich sie später wieder mehr an Konkordanz fand.

Mit den „Säulen“ ist eine Form der Stabilität politischer Strukturen gemeint, welche die Bevölkerung nicht länger mittragen wollte. Die Säulen waren in den Niederlanden wohl das, was man in Österreich als Sozialpartnerschaft bezeichnete. Die Säulen betrafen nicht nur das Politische – sie durchdrangen auch alle Subkulturen wie beispielsweise Medien, Freizeitgestaltung und Wohnen.

Politikwissenschafter Markus Wilp schrieb dazu:

„Im Lauf der nachfolgenden Jahrzehnte verloren die Säulen sukzessive an Bindungskraft, was sich unter anderem darin ausdruckte, dass die Trennungslinien zwischen ihnen verschwammen und sich auch die zuvor entsprechend der Säulenstruktur gestaffelten Organisationen (Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände usw.) in verschiedenen Bereichen aufeinander zu bewegten und sich in manchen Fällen sogar zusammenschlossen. Das schleichende Ende der versäulten Strukturen kann auf verschiedene

176 Fallstudien: Parteien in Regierung

(vornehmlich langfristig wirkende) Trends zurückgeführt werden, deren Bedeutung zum Teil unterschiedlich bewertet wird. Hinzuweisen ist sicherlich auf den Anstieg des Bildungsniveaus, das allgemeine Wohlstandswachstum, die einsetzende Säkularisierung, die immer größere Mobilität, den Wandel der Medienlandschaft und die Modernisierungen in der Berufswelt sowie im privaten Bereich.“ (Wilp, 2012, S. 40ff)

Wenngleich die Reformen teils zögerlich voranschritten und die politische Kultur konfrontativer wurde, waren die Niederländer anderen europäischen Ländern anderen Konkordanzdemokratien um einige Schritte voraus. In Österreich, um ein Beispiel zu nennen, setzte ein vergleichbarer Prozess erst zwei bis drei Jahrzehnte später ein. Wenngleich sich die politische Kultur in den Niederlanden sehr rasch änderte, hinkte jedoch die politische Realität diesem Modernisierungsprozess hinterher. Den neuen Bewegungen fehlte es an Kraft, die klassischen cleavages zu überwinden und dauerhaft mitbestimmend zu sein. Des Umbruches zum Trotz blieben christliche, liberale und sozialdemokratische Parteien weiterhin an der Regierung.

Diese Veränderung der politischen Landschaft in den Niederlanden war jedoch eine wichtigen Voraussetzung zur Gründung neuer Parteien. Der niedrigen Einstiegshürde von 0,67 Prozent erleichterte es neuen Bewegungen und Parteien, den Einzug ins Parlament zu schaffen.

177 Fallstudien: Parteien in Regierung

Früher Populismus und die Lijst Pim Fortuyn (LPF)

Bereits in den 1960er, 1970ern und 1980ern gab es in den Niederlanden Vorboten des Rechtspopulismus, deren Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen. Diese ersten Versuche des Rechtspopulismus waren Folgen der zuvor angesprochenen Tendenzen zur Entsäulung der niederländischen Gesellschaft. Die ersten Bewegungen mit populistischen Zügen waren von ihrer Art und Ausrichtung anders als moderne rechtspopulistische Parteien: Sie stammten aus der politischen Linken.

„Der niederländische Populismus kam erst 2002 zum Durchbruch. Die SP (Socialistische Partij, SP, Anmerkung) kehrte mit neun Abgeordneten ins Parlament zurück und zwei Neulinge, Leefbaar Nederland (Lebenswerte Niederlande, LN) und Lijst Pim Fortuyn (Liste Pim Fortuyn, LPF) gewannen aus dem Stand zwei beziehungsweise 26 Mandate im Unterhaus, das insgesamt 150 Sitze hat. Fast ein Viertel der niederländischen Wähler hatte sich für eine dieser drei Parteien entschieden (Lucardie, 2007).“ Das Jahr 2002 war unter diesem Gesichtspunkt das entscheidende für den niederländischen Rechtspopulismus. Während die zuvor angesprochene Socialistische Partij eine ideologisch stark aufgeladene Linkspartei mit populistischen Tendenzen war und Leefbaar Nederland einem sozial-liberalen Milieu entstammt, entsprach die Liste Pim Fortuyn 18 viel mehr dem, was in dieser Arbeit als eine rechtspopulistische Bewegung/Partei verstanden wird, wenngleich auch sie dem liberal-linken Lager näher stand als dem bürgerlichen (Dorussen, 2007, S. 138ff).

Die Socialistische Partij ist dennoch ein interessanter Fall in der Populismus- Forschung, begann ihr Erfolg doch mit der Abkehr vom Populismus. War sie anfangs als Social Populist Party (March, 2008) klassifiziert und errang damit mäßige Erfolge. In Folge wandelte die Partei mit der Jahrtausendwende ihr Agieren hin zu einer Mainstream-Partei, welche dadurch massentauglich wurde. Während sich die Partij van de Arbeid, die sozusagen klassisch sozialdemokratische Partei der Niederlande, hin zur politischen Mitte orientierte, nutzte die Socialistische Partij diese aufklaffende

18 Leefbaar Nederland und Liste Pim Fortuyn sind insofern verknüpft, als dass Pim Fortuyn für kurze Zeit Spitzenkandidat von Leefbaar Nederland war. Noch vor den Wahlen im Jahr 2002 kam es jedoch zum Bruch und Fortuyn gründete seine eigene Liste.

178 Fallstudien: Parteien in Regierung

Lücke und positionierte sich als neue linke Kraft. Bei den Wahlen im Jahr 2006 erreichte sie mit 16,58 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis. Die Socialistische Partij ist damit ein interessantes Beispiel dafür, dass auch eine erfolgreiche Abkehr von Populismus erfolgreich sein kann (Meijer, 2015, S. 74ff).

Zurück zum großen Bild über den Rechtspopulismus in den Niederlanden: Der Umstand, dass mehr als eine populistische Partei in die politische Arena des Landes drängte, macht die Niederlande zu einem interessanten Fallbeispiel, wie Politikwissenschafter Stijn van Kessel betont:

„The , thus, lends itself as a case in which successful and unsuccessful manifestations of populism can be compared, providing an ideal ‘laboratory’ environment for learning about the electoral performance of populist parties in general.“ (Van Kessel, 2011, S. 69)

Wenngleich natürlich unter dem Vorwand, dass diese neuen politischen Gruppen sehr unterschiedlichen Typs waren.

Pim Fortuyn, die maßgebliche Figur des niederländischen Rechtspopulismus, war Soziologe und sorgte mit seinen islamkritischen Aussagen, die insbesondere den politischen Islam betrafen, ab 2001 für Aufsehen. Nach einer kurzen Zeit an der Spitze von Leefbar Nederland, einer liberalen Partei, kam es zum Disput mit Jan Nagel, erster Parteivorsitzender der Partei, und Fortuyn gründete seine eigene Liste, die auch seinen Namen trug: Lijst Pim Fortuyn.

Interessant und untypisch für Rechtspopulisten war nicht seine Homosexualität an sich, sondern, dass er sich offensiv für deren Rechte einsetzte und diese neben der Bekämpfung von Kriminalität und dem fundamentalen Islam zum zentralen Thema erklärte (Eckardt, 2003). Nach Fortuyns Ermordung im Jahr 2002 – unmittelbar vor den Wahlen – durch einen militanten Tierschutzaktivisten fiel LPF jedoch in die Bedeutungslosigkeit und wurde nach 2006 aufgelöst.

Die Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit), geführt von Geert Wilders (zuvor kein Mitglied der LPF), ist eine indirekte Nachfolgekraft, stand jedoch bislang nicht in Regierungsverantwortung. Er spricht ähnliche Wähler an, wenngleich Wilders’ politischer Background ein anderer ist (Vossen, Populism in the Netherlands after Fortuyn: Rita Verdonk and Geert Wilders Compared, 2010).

179 Fallstudien: Parteien in Regierung

Abbildung 11: Wahlergebnisse der Lijst Pim Fortuyn zwischen 2002 und 2010. Quelle: http://www.verkiezingsuitslagen.nl/Na1918/Verkiezingsuitslagen.aspx?VerkiezingsTypeId=1

18,0% 17,0% 16,0%

14,0%

12,0%

10,0%

8,0% 5,7% 6,0%

4,0%

2,0% 0,2% 0,0% 2002 2003 2004 2005 2006

Der Aufstieg der LPF war geradezu spektakulär, wie Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. zeigt: Aus dem Nichts heraus konnte die Partei bei den Wahlen 2002 17 Prozent der Stimmen erreichen. Zur Verdeutlichung: 17 Prozent bedeuten im stark fragmentierten politischen System der Niederlande bedeuteten einen Erdrutschsieg.

180 Fallstudien: Parteien in Regierung

Abbildung 12: Ergebnis der Wahlen zur Zweiten Kammer im Jahr 2002 (Einschränkung: Parteien mit >1%). Die LPF wurde mit 17 Prozent zweitstärkste Kraft. Quelle: http://www.verkiezingsuitslagen.nl/Na1918/Verkiezingsuitslagen.aspx?VerkiezingsTypeId=1

30,00%

25,00%

20,00%

15,00%

10,00%

5,00%

0,00% CDA LPF VVD PvdA GL SP D66 CU SGP LN

Sucht man Gründe für den spektakulären Aufstieg der LPF und ihrer indirekten Nachfolgeorganisation – der Partij voor de Vrijheid –, findet man sie in zwei maßgeblichen Umständen, wie Van Kessel argumentiert: (Van Kessel, 2011)

• Zur Jahrtausendwende verdichteten sich in den Niederlanden Bedenken gegenüber der liberalen Einwanderungspolitik. Die traditionellen Parteien reagierten nicht oder nur unzureichend auf diese Bedenken. Fortuyn erklärte diesen Issue zu seinem zentralen Thema und erzeugte damit elektorale Nachfrage.

• Die neuen populistischen Organisationen waren erstmals in der Lage, glaubhafte Strukturen aufzubauen, welche den elektoralen Durchbruch auch absicherten.

Die zweite These mag in Anbetracht des raschen Zusammenbruchs der LPF absurd klingen – nach zwei Wahlniederlagen löste sich die Partei 2008 in ihrer landesweiten Form auf. Betrachtet man das rechtspopulistische Potenzial in den Niederlanden in seiner Gesamtheit, so konnte sich diese Form der Politik nachhaltig festigen. Bei den Wahlen 2010 konnte die Partij voor de Vrijheid 15,5 Prozent der Stimmen erringen und damit fast wieder jene 17 Prozent der LPF von 2002 erreichen. Wenngleich sie 2012 nach innerparteilichen Querelen wieder auf 10,1 Prozent fiel,

181 Fallstudien: Parteien in Regierung scheint sich die PVV beziehungsweise der Rechtspopulismus dauerhaft im politischen System der Niederlande gefestigt zu haben. Bei den Parlamentswahlen 2017 stieg die Partei auf 13,06 Prozent, was den im Parlament festigte.

Zurück in die späten 1990ern: 1994 erlebte die niederländische Politik eine Zäsur, welche das Land nachhaltig verändern sollte. Sowohl der Christen Democratisch Appèl (CDA), als auch die Partij van de Arbeid (PvdA) verloren massiv an Stimmen. Dennoch nutzte die PvdA unter Wim Kok den Umbruch zu einer Koalition mit der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD; rechtsliberale Partei) und den Democraten 66 (D66; sozialliberale Partei). Dieser Pakt aus Sozialdemokratien, Links- und Rechtsliberalen wurde als „violette Koalition“ (Wilp, 2012, S. 245) bezeichnet. Es handelt sich dabei um jene Koalition, welcher Fortuyn in Folge stark kritisieren würde.

Diese erste violette Regierung machte durch ihre guten Wirtschaftsdaten national wie auch international auf sich aufmerksam. Begünstigt von der allgemein guten Konjunktur konnte ein Haushaltsüberschuss erzielt werden und gleichzeitig sank die Arbeitslosenrate auf einen historischen Tiefstand. Begleitet wurde diese erfolgreiche Wirtschaftspolitik von gesellschaftspolitischen Reformen, etwa bei der Homo-Ehe und die Legalisierung von Sterbehilfe (Lucardie, 1999).

Diese Erfolge der Parteien wurden auch von der Bevölkerung als solche wahrgenommen, was bei den Wahlen von 1998 zu einer Wiederwahl der violetten Koalition führte, wenngleich die rechtsliberalen D66 Stimmen verloren, was jedoch durch Zugewinne von der PvdA kompensiert wurde.

Der Christen Democratisch Appèl stürzte derweil 1998 weiter ab: Von 22,23 Prozent (1994) auf nun 18,37 Prozent. Die Wahlen von 1998 waren unter diesem Gesichtspunkt eine Fortsetzung von einem Prozess, der 1994 eingesetzt hatte: Der endgültigen Loslösungen alter Binden. Friso Wielenga schreibt dazu:

„Die Wahlen von 1994 beendeten das, womit die Entsäulung in den 1960er Jahren begonnen hatte: den Verlust der selbstverständlichen und dauerhaften Bindung zwischen politischen Parteien und ihren Wählern.“ (Wielenga, 2008, S. 349)

182 Fallstudien: Parteien in Regierung

1994 lag der Stimmanteil, den Sozialdemokraten und Christdemokraten gemeinsam erringen konnten, bei gerade einmal 45 Prozent. Zu Zeiten der Versäulung konnten sie sich auf eine Machtbasis von mehr als 80 Prozent stützen. Dies zeigt auf, wie früh, entschlossen und nachhaltig sich die Niederländer von einer traditionellen Parteibindung verabschiedeten. Gerade dieses ausgeprägte Wechselwählertum sollte bei der Wahl 2002 den Erfolg von Pim Fortuyn erst ermöglichen. Es gab eine Manövriermasse an Wählern, die bereit war, andere und auch neue Parteien zu wählen.

Anders als die erste violette Regierungszeit, die ihrer Erfolge wegen Akzeptanz bei den Wählern fand, kämpfte die zweite Purple Coalition mit Problemen im öffentlichen Ansehen. Es mag auf den ersten Blick kurios klingen, wenn eine Regierung trotz herausragender Wirtschaftsdaten und niedriger Arbeitslosigkeit unter Beschuss gerät. Gerade diese Konkordanz wurde jedoch als ein Regieren hinter verschlossenen Türen interpretiert:

„Weiterhin wurde die Regierung vor der Wahl 2002 kritisiert, weil sie Sorgen und Probleme der Bürger in bestimmten Politikfeldern, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Verkehr, Bildung, Sicherheit, Zuwanderung und Integration, nach verbreiteter Auffassung verpasste beziehungsweise nicht ernst genug nahm.“(Wilp, 2012, S. 248)

Hinzu kam ein außenpolitisches Problem, das schließlich das Ende der Violetten Regierung bedeutete: 2002 wurde ein Untersuchungsbericht zu einer UN- Mission in Srebrenica (Bosnien und Herzegowina) veröffentlicht, welche unter der Federführung der Niederländer scheiterte und in einem Völkermord, ausgeführt von bosnisch-serbischen Kräften, endete. Rund 8000 muslimische Zivilisten flüchteten auf das Gelände von niederländischen UN-Soldaten, von wo aus sie deportiert wurden: „A thorough study by the Dutch Institute for War Documentation had led him (Premierminister Wim Kok, Anmerkung) to the conclusion that the Dutch government shared responsibility for the disaster, even if the crimes had been committed by Serbian Bosnians (Lucardie, The Netherlands, 2003, S. 1033).“

Pim Fortuyn nutzte die angesprochenen politischen Fehler beziehungsweise Umstände, die zu latentem Unmut führten. Einerseits sprach er in Zusammenhang mit Srebrenica und ungelösten Fragen in Politikfeldern wie Einwanderung und

183 Fallstudien: Parteien in Regierung

öffentlicher Verwaltung von einem „heillosen Durcheinander“ (Van Kessel, 2011, S. 73), das die Violette Regierung aufgebaut habe. Andererseits übte Fortuyn massive Kritik an der Konkordanz der Niederlande.

Dies unterstreicht, dass Fortuyn die politische Klasse wie auch die Bürokratie ablehnte. Er betonte, im Namen des Volkes zu handeln und es solle fortan jenen zugehört werden, welche die wahren Experten seien: Einfache Arbeiter und Angestellte, welche nah dran am Leben sind. Diese könnten die Dinge besser einschätzen als Bürokraten und Berufspolitiker (Fortuyn, 2002).

Fortuyns Einstellung gegenüber Berufspolitikern war durchwegs negativer Natur – besonders der Violetten Regierung warf er eine Missachtung der wahren Volksinteressen vor. Diese horizontale Ablehnung ist als Indiz zu werten, dass es sich bei der LPF um eine populistische Partei handelte.

Das Programm der LPF war derweil diffus und ohne klare Struktur. „Fortuyn generally promoted a freemarket economy, tough measures with regard to law and order issues and stressed the need to cut red tape in the healthcare and education sectors. At the same time, however, his position on moral or cultural issues like drugs and traditional marriage was very liberal“, (Van Kessel, 2011, S. 74) schreibt dazu Politikwissenschafter Van Kessel.

Das Programm war vielmehr gelenkt von Empfindungen, die aufgesogen und in politische Statements umgemünzt wurden. Es war zu Teilen auch widersprüchlich, war doch Fortuyn einerseits sehr liberal, andererseits restriktiv und anti-pluralistisch. Politikwissenschafter Markus Wilp schreibt dazu weiters:

„Ein weiterer wichtiger Punkt zur Erklärung der Wahlerfolge der LPF und der PVV seit 2002 besteht darin, dass sowohl Fortuyn als auch Wilders als Sprachrohr politischer Unzufriedenheit fungieren konnten. In inhaltlicher Hinsicht war dies besonders in den Bereichen der Immigration und Integration zu beobachten. Aber auch auf anderen Feldern konnten Fortuyn und Wilders Punkte sammeln – erinnert sei in diesem Zusammenhang an Fortuyns Kritik am niederländischen Gesundheitssystem, an den Problemen im Bildungssystem sowie an den Schwierigkeiten im öffentlichen Nahverkehr oder an Wilders’ Politische Kultur im Wandel Plädoyers für die Beibehaltung sozialer Leistungen und für

184 Fallstudien: Parteien in Regierung

Verbesserungen im Bereich der inneren Sicherheit. Den Protagonisten der LPF und der PVV gelang es mit diesen Inhalten, Probleme aufzuzeigen, die viele Menschen bewegten, und den Unmut über die Regierungspolitik für sich zu nutzen.“ (Wilp, 2012, S. 61-62)

Das Ausländerthema, insbesondere die ablehnende Haltung gegenüber dem Islam, war aus inhaltlicher Sicht die Kernbotschaft der LPF. Bereits 1997 brachte Fortuyn unter dem Titel Gegen die Islamisierung unserer Kultur – Niederländische Identität als Fundament ein Buch heraus, in dem er seine Thesen proklamierte. Islam und westliche Kultur seien einander nicht kompatibel, argumentierte Fortuyn.

Mehr zum Programm und seinen Inhalten im Kapitel: Umrisse des Wahlprogramms auf Seite 189ff.

185 Fallstudien: Parteien in Regierung

Als Politiker spitzte er seine Thesen noch zu, wie Politikwissenschafter Hans- Georg Betz schreibt:

„Fortuyns anti-islamische Angriffe verschärften sich nach dem 11. September zusehends. Nachdem er im Zuge des Kosovokonflikts vom ‚Kalten Krieg mit dem Islam’ gesprochen hatte, sprach er sich nach dem Angriff auf die World Trade Towers in New York dafür aus, die niederländischen Grenzen für moslemische Neuzuwanderer/innen zu schließen, um die Niederlande vor deren rückständigen Kultur zu schützen.“ (Betz, 2002, S. 254)

Anders als jedoch die österreichische FPÖ, welche das Wir auf Österreicher bezog, definierte die LPF ihr Wir auf die niederländische beziehungsweise die westliche Lebensweise. Fortuyn grenzte sich scharf gegenüber der Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft ab. Dies bedeutet aus politikwissenschaftlicher Sicht eine starke horizontale Abgrenzungsachse gegenüber einem äußeren Feind, konkret gegenüber dem Islam. Dies in Verbindung mit einem dünnen, kaum ideologisch aufgeladenen Programm legt den Schluss nahe, dass es sich bei der LPF um eine rechtspopulistische Partei handelte.

Neben dieser ideologischen Beurteilung passen auch Stilmittel (Brechen von Tabus, harsche Rhetorik) und Art der Organisation (beispielsweise ein starker Führer, welcher der Partei auch den Namen gab) mit ins Bild einer rechtspopulistischen Partei. Atypisch für einen Rechtspopulisten ist hingegen seine Lebensweise. Es ist unüblich, dass sich Rechtspopulisten zur Legalisierung von Drogen bekennen und ihre Homosexualität öffentlich kundtun.

Kurz vor den Wahlen fiel einem Attentat zum Opfer. Ein damals 33-jähriger Tierschutz-Aktivist tötete Fortuyn mit drei Schüssen auf einem Parkplatz in Hilversum, eine Stadt in den Niederlanden. Er habe ein zerstörerisches Zeichen setzen wollen, erklärte der Täter gegenüber den Ermittlern (Wiedemann, 2003). Warum jedoch ausgerechnet ein Tierschutzaktivist Fortuyn ermordete, diese Frage blieb bis heute unklar, zumal der Täter keine tieferen Einblicke in seine Motive zuließ. Nach dem Tod kam es jedoch zu einer breiten Solidarität mit dem ermordeten Fortuyn, dessen Politik viele ablehnten, ihn als Politiker jedoch respektierten. Die Berichterstattung darüber dominierte das Fernsehprogramm (Pantti & Wieten, 2006).

186 Fallstudien: Parteien in Regierung

In Folge des Mordes wurde die Wahlkampagne der LPF abgebrochen, die Partei blieb jedoch zur Wahl weiter im Register eingetragen. Unter neuer personeller Führung erhielt sie einen Zuspruch von 17 Prozent der WählerInnen – ein Wert, den nie zuvor eine neue Partei bei Parlamentswahlen erzielen konnte. Rund einen Monat nach den Wahlen trat die LPF in eine Regierung, geführt von Jan Peter Balkenende (CDA), ein. Zweiter Partner waren die Rechtsliberalen unter (VVD).

Wie die Wahlergebnisse ausgeschaut hätten, wäre Fortuyn nicht ermordet worden, darüber kann heute nur spekuliert werden. In Umfragen vor den Wahlen waren 17 Prozent jedoch ein realistisches Szenario. Bezüglich der Wählerschaft der LPF gab es deutlich mehr Männer als Frauen (Irwin & Van Holsteyn, 2003).

Die LPF profitierte mitunter auch von den Emotionen, die nach der Ermordung Fortuyns aufkochten. „Die Niederlande standen unter Schock und erlebten beispiellose politische Emotionen. Eine Welle von Hass gegen ‚links’ ging durch das Land, das durch die harte Vorgehensweise gegen Fortuyn ein Klima geschaffen habe, in dem dieser politische Mord hatte stattfinden können“, schreibt Politikwissenschafter Friso Wielenga (Wielenga, 2008, S. 358).

Was Fortuyn rückblickend von anderen Rechtspopulisten unterscheidet, sind seine gemäßigten Positionen in Ausländerfragen und sein liberaler Blick. „Anders als manche der Rechtspopulisten im europäischen Ausland war Fortuyn beispielsweise eine Überbetonung des Nationalen ebenso fremd wie das Denken in rassistischen Strukturen oder die (Über-)Betonung konservativer und familiärer Werte“, schreibt dazu Wilp (Wilp, 2012, S. 60).

187 Fallstudien: Parteien in Regierung

Partei, Parteiprogramm und Wahlforderungen

Die LPF war zum Zeitpunkt der Wahl eine sehr neue Partei, welche sich aus und um die Forderungen von Pim Fortuyn formte. Das Wahlprogramm der LPF war – im Grunde – das Buch De puinhopen van acht jaar Paars (Fortuyn, 2002), das einerseits eine Abrechnung mit der bestehenden Regierung war (purple coalition von Sozialdemokraten und Liberalen); andererseits zu Umbrüchen und Neugestaltungen aufrief. Zwar fokussierte sich der mediale Blick auf die islamkritischen Äußerungen; auf Fortuyns Kritik am Tierschutz und den Aufruf, die Kriminalität einzudämmen. Andererseits war das Programm sehr themenreich und kümmerte sich etwa um Issues wie die Altenpflege (Fortuyn, 2002, S. 19ff) oder die landwirtschaftliche Versorgung der Niederlande (Fortuyn, 2002, S. 105ff). Diese Topics standen jedoch nur an zweiter Stelle in der öffentlichen Wahrnehmung.

Mit rund 4100 Mitglieder im Jahr 2003 (Documentatiecentrum Nederlandse Politieke Partijen, 2012) handelte es sich um keine Massenpartei (zu 2002 existierene keine Zahlen), wenngleich Fortuyn viele Anhänger forcieren konnte. Die Partei war jedoch sehr neu. Die LPF hatte deutlich mehr Anhänger als Mitglieder und kann als Bewegungspartei bestimmt werden.

Seitens ihrer Statuten regelte die Partei auf sieben Seiten die Abläufe innerhalb der Organisation. Im Papier fehlen Themen. Als Vorsitzender der Partei wurde W.S.P. Fortuyn genannt. Sitz der Partei war Rotterdam (Lijst Pim Fortuyn , 2002).

Ein umfangreicheres Organisationspapier mit mehr an Inhalt und Strukturen wurde erst zwei Jahre später nachgereicht. Im Statuut Tweede-Kamerfractie Lijst Pim Fortuyn (Lijst Pim Fortuyn, 2004) wurde tiefer geregelt, wie die Partei in Detail funktioniert; wie Aufgaben verteilt werden und wie sich Arbeitskreise zusammen setzen. Dies war allerdings rund zwei Jahre nach Beendigung der Regierungsbeteiligung. Es muss allerdings ergänzt werden, dass der Entschluss, bei den Wahlen 2002 anzutreten, kurzfristig fiel. Es fehlte an Zeit, Inhalte tiefgreifend auszuarbeiten. In Folge diente Statuut Tweede-Kamerfractie Lijst Pim Fortuyn in Folge als programmatischer Faden des Wahlkampfs.

188 Fallstudien: Parteien in Regierung

Umrisse des Wahlprogramms

Im angesprochenen Buch De puinhopen van acht jaar Paars (Fortuyn, 2002) gibt Fortuyn selbst Empfehlungen für den Wandel in den Niederlanden ab. Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, welche erst Probleme schildern; in Folge die Schuldigen benennen und in Konsequenz Nummernlisten mit Lösungsvorschlägen präsentieren. Beziehungsweise werden Lösungen angedeutet mit dem Vermerkt, dass über das Thema an sich wiederum ein Buch geschrieben werden könnte.

Markant beziehungsweise thematisch hervorstehend sind:

• In der Krankenbetreuung forderte Fortuyn eine Vereinfachung des Systems mit der Förderung von unternehmerischen Anreizen; er regte eine Veränderung des Versicherungssystems (der Versicherer ist der Vertreter des Patienten) an und forderte mehr Wettbewerb zwischen den Versicherern (Fortuyn, 2002, S. 45-47). Das damals aktuelle System, folgerte Fortuyn, sei fehlerhaft.

• Im Polizei-System kam Fortuyn zum Schluss, dass die Organisationsform (zwischen lokaler und überregionaler Polizei) nicht ideal sei. Zudem verlangt er nach mehr Kontrollen und schiebt Beispiele in seine Analyse ein. So stellt er die Frage in den Raum, ob nicht etwa überprüft werden solle, wie junge Leute ihren BMW bezahlen, die sie vor den Einrichtungen sozialer Dienste parkten (Fortuyn, 2002, S. 91). Die Schlussfolgerung Fortuyns ist, mehr Polizisten und Richter einzustellen, die sich auf die wesentlichen Fälle konzentrieren – und in Folge effizient arbeiten würden. Hinzu käme eben die Kontrolle des Wesentlichen.

• Seitens der Grenz- und Zureisefragen forderte Fortuyn den Austritt aus dem Schengen-Raum verbunden mit der Wiedereinführung von steten Grenzkontrollen. Hinzu kommt, dass die Aufnahme von Flüchtlingen stark begrenzt werden solle und alle Fracht-Container (primär auf die niederländischen Frachthäfen bezogen) mit modernen Scannern auf Drogen untersucht werden müssten. Des Weiteren solle die Familienzusammenführung eingeschränkt werden (künftig strengere Kriterien) und wer sich nicht integrativ zeige, dem würden Nachteile drohen (Fortuyn, 2002, S. 145ff). Interessant ist, dass sich Fortuyn explizit für die

189 Fallstudien: Parteien in Regierung

Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Zuwanderern und bei in den Niederlanden lebenden Ausländern aussprach.

• Die Europäische Union lobt Fortuyn als Garanten für Frieden auf dem Kontinent; gleichzeitig betont er jedoch, die EU sei ein Spielball politischer Eliten und Beamten geworden. Große Unternehmen würden von der EU mehr profitieren als die Bürger, welche ihre Gigantomanie ablehnen würden. In Konsequenz stand Fortuyn zwar zur EU, er wollte viele Punkte jedoch neu verhandelt wissen, etwa die Höhe des Beitrags der Niederlande. Zudem sollten Subventionen gestrichen werden (in der Landwirtschaft etwa). Darüber hinaus war Fortuyn die Souveränität der Niederlande ein Anliegen.

Neben dem Buch De puinhopen van acht jaar Paars legte die Partei das Papier Zakelijk met een hart (Rijksuniversiteit Groningen, 2002) auf, welches – in Ergänzung – als Wahlprogramm diente. Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung von Fortuyns Buch. Es wird darin gefordert, die „illegale Zuwanderung“ zu begrenzen, das Gesundheitssystem zu reformieren sowie die EU zu entbürokratisieren. Des Weiteren wird – wie in Fortuyns angesprochen – eine Polizei-Reform gefordert. Polizisten sollten ihren Dienst nicht am Schreibtisch verrichten, sondern auf den Straßen, um so für Ordnung und Sicherheit zu sorgen (Rijksuniversiteit Groningen, 2002, S. 3).

Bezüglich ausländischer Bevölkerung erklärte die LPF – ohne dabei Moslems als solche zu benennen –, würden sozio-kulturell rückständische Kulturen die Werte niederländischer Städte bedrohen. Integration müsse mit Nachdruck gefordert werden und Missstände wie die Beschneidung von Frauen müssten per Gesetz verboten werden (Rijksuniversiteit Groningen, 2002, S. 5). Darüber hinaus seien die Niederlande jetzt bereits sehr dicht besiedelt und in Folge kein Einwanderungsland.

Des Weiteren fordert die LPF – wie bereits Fortuyn in Fortuyns Buch niedergeschrieben – die Entbürokratisierung der Niederlande. Analog zur geforderten Polizei-Reform schlägt die Partei vor, die Organisation des Staats zu überarbeiten.

190 Fallstudien: Parteien in Regierung

Wahlen, Koalitionsvertrag und Regierungserklärung

Nach den für die LPF erfolgreichen Parlamentswahlen in den Niederlanden (17 Prozent der Stimmen) am 15. Mai 2002 formte sich am 21. Juli 2002 die Regierung um Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Nach der Ermordung von Fortuyn war Edward Bomhoff als stellvertretender Ministerpräsident und Gesundheitsminister der höchstrepräsentierte Vertreter der LPF, der zuvor der Partij van de Arbeid, eine sozialdemokratische Partei, angehörte. Er war kurz vor der Wahl zur LPF gewechselt (Parlament & Politik, 2002).

In der Regierungserklärung sprach Balkenende gleich zu Beginn die Ermordung Pim Fortuyns an und betonte, dass Gewalt keinesfalls ein Mittel zur Beseitigung von unterschiedlichen Ansichten sein darf (Tweede Kamer, 2002).

Thematisch ist auffallend, dass viele Issues, die Fortuyn aufrollte, ihren Eingang in die Regierungserklärung fanden. So sprach beispielsweise Balkenende Probleme im Gesundheitssektor an; er griff die Polizei-Reformierung auf und kündigte an, für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum zu sorgen.

Verglichen zu Fortuyns Buch sind Balkenendes Ankündigungen jedoch weniger straff formuliert. Balkenende, ein Christ-Demokrat, nimmt gewohnte Begriffe wie jenen der Sozialpartner in den Mund. Fortuyn, zum Vergleich, stand bestehenden Strukturen skeptischer bis ablehnend gegenüber.

Auch bei strittigen Punkten, etwa der Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union, ein nicht unwesentliches Thema in den Niederlanden, forderte Balkenende eine Lösung im gemeinschaftlichen, Staaten-übergreifenden Interesse und nicht eine Abschaffung von Förderungen, wie sie Fortuyn kund machte.

In Summe gelang es jedoch Fortuyn in seinem Wahlkampf, Probleme zu wirklichen Themen zu machen, welche in die Regierungserklärung – verlesen vom Ministerpräsidenten einer anderen Partei – einflossen. Die in Fortuyns Buch De puinhopen van acht jaar Paars (Fortuyn, 2002) angesprochenen Issues Krankenversorgung, die Polizei und das Rechtssystem, Zuwanderung und das Verhältnis zur Europäischen Union spiegeln sich in der Regierungserklärung wider.

191 Fallstudien: Parteien in Regierung

In Anbetracht dessen kann von einem Erfolg gesprochen werden, was die – temporäre und kurzzeitige – inhaltliche Durchsetzung von Themen betrifft.

Seitens der inhaltlichen Durchsetzungsfähigkeit ist die LPF anfangs auf Kurs (Parlament & Politik, 2002):

• Sicherheit ist ein zentrales Thema in der Regierung Balkenende I • H.P.A. Nawijin von der LPF wird Minister für Immigration und Integration, eine neu geschaffenes Ministerium • Die Diskussion zur Polizei-Reform wird weiter geführt

Im Koalitionsvertrag mit dem Titel Strategisch Akkoord voor Kabinet CDA, LPF, VVD (Ministerie van Financiën, 2002) fand das Kernthema der LPF, die Sicherheit, maßgeblichen Einfluss. Darin wurde die Polizei-Reform angekündigt; eine Aufstockung bei den Kräften wurde angekündigt; Prävention vor Gewalt war ein Thema und eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Exekutivkräften wurde angekündigt (Ministerie van Financiën, 2002, S. 7ff).

Zusammenfassend:

Im Vertrag der Regierung findet sich viel von dem, was Fortuyn in seinem Buch gefordert hatte. Dies ist, will man es so betrachten, ein inhaltlicher Durchsetzungserfolg innerhalb der Koalitionsverhandlungen. Inhaltlich an erster Stelle findet sich das Thema der Sicherheit:

• Einerseits sollten die Niederlande an sich sicherer werden. • Andererseits sei Sicherheit mehr, als die Abwesenheit von Gewalt. Neben aktiv geschaffener Sicherheit sei die Gewaltprävention ein Baustein für ein Land, in dem man sich behaglich fühlen solle.

In Summe hätte die Regierung Balkenende I – hätte sie länger bestanden – 700 Millionen Euro mehr für Sicherheit ausgeben wollen. Hinzu kam, dass im Jahr vor dem Regierungsantritt die Flugzeuganschläge (11. September) in den USA verübt wurden, was dem Thema Terrorismus einen neuen Stellenwert gab.

192 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierung und Zerfall der LPF

Die Beurteilung der LPF an der Regierung ist schwierig, zumal ihr Gründer, Spitzenkandidat und Wortführer Pim Fortuyn – wie bereits angesprochen – kurz vor den Wahlen ermordet worden war. Zentraler Issue der Partei war jedoch weiterhin die Abgrenzung gegenüber dem Berufspolitikertum (respektive der Konkordanz) und die Abwehrhaltung gegenüber dem Islam. Sofern die Partei klare ideologische Ziele hatte, war es ein Stopp von weiterer Zuwanderung aus islamischen Ländern und eine Begrenzung der Einflussnahme von bereits in den Niederlanden lebenden Ausländern, die nicht einen liberalen Lebensstil pflegten.

Vorrangiges Problem der LPF nach Pim Fortuyn war jenes nach dem Führer der Partei. Zwar einigte man sich intern auf Matt Herben, der die LPF in den Koalitionsverhandlungen vertrat; rasch traten jedoch Spannungen in der Partei auf:

Einige der LPF-Parlamentarier sprachen sich gegen eine Regierungsbeteiligung mit Christdemokraten (CDA) und Liberalen (VVD) aus. Schlussendlich setzten sich jedoch jene durch, die sich für ein Mitregieren aussprachen: Am 1. Juli 2002 verkündeten die Führer der drei Parteien, dass ein Strategisches Agreement geschlossen wurde. Darin festgeschrieben:

„The emphasis on public safety and a tough immigration policy as well as the idea of electing rather than appointing Mayors and the proposal to abolish education in immigrant languages at primary school reflect the demands of the LPF.“ (Lucardie & Voerman, 2007, S. 252-253)

Wenig später, bei dem ersten Parteikongress nach der Wahl, zeigten sich erste Spannungen mit der Basis: Während Herben einen pragmatischen Kurs wählte und sich in den Koalitionsverhandlungen kompromissbereit zeigte (was der Wahlkampf- Rhetorik widerstrebte), war dies einigen einfachen Mitgliedern wie auch einigen Parlamentariern der LPF zu wenig nachdrücklich. Sie forderten eine schärfere Gangart. Trotz Prosteten und erster Rochaden konnte Herben die LPF jedoch geeint aus diesem Kongress führen. Noch waren die Kritiker nicht mächtig genug.

193 Fallstudien: Parteien in Regierung

Am 22. Juli 2002 wurde die Regierung aus LPF, CDA und VVD von der Königin der Niederlande angelobt. Die LPF stellte vier Minister und fünf Staatssekretäre. Bereits nach wenigen Stunden ließ die LFP jedoch mit einem Skandal aufhorchen: Staatssekretärin Philomena Bijlhout, erste dunkelhäutige Regierungspolitikerin der Niederlande, war Mitglied einer Miliz, die in den 1980ern in der niederländischen Kolonie Surinam gegen die Regierung putschte und Kritiker ermorden ließ (Parlament & Politik, 2002).

Bijlhout, das einzige im Wahlkampf aktive Parteimitglied (L. de Lange & Art, Fortuyn versus Wilders: An Agency-Based Approach to Radical Right Party Building, 2011, S. 1242), hatte vor den Angelobung versichert, sie sei nach Bekanntwerden der Morde aus der Miliz ausgetreten – ein niederländischer Fernsehsender konnte mit Archivbildern, die sie Monate später noch in Miliz-Uniform zeigten, das Gegenteil beweisen. Bijlhout war für die LPF insofern von Wichtigkeit, als dass sie das Bild der fremdenfeindlichen Partei widerlegen sollte:

„Auf der LPF-Liste wurde Bijlhout ins Parlament gewählt und von ihrer Partei als einziges Parlamentsmitglied in die Regierung entsandt. Die geschiedene Mutter erregte Aufsehen, als sie ihre Kinder mit in die Fraktionssitzungen nahm. Am Montagabend [den 22. Juli 2002, Anmerkung] wurde sie als Staatssekretärin für Emanzipation und Familienpolitik im Kabinett vereidigt.“ (Bachmann, 2002)

Der Umstand, dass Bijlhout die einzig gewählte Parlamentariern der LPF in der Regierung war, zeugt bereits von personellen Querelen innerhalb der Partei.

Nach einer Rede zum Regierungsprogramm im August 2002 kritisierten Mitglieder seiner Parlamentsgruppe ihren Vorsitzenden Herben. Die Einheit der Partei begann zu bröckeln. Kurz darauf entschloss sich Herben zum Rücktritt. Ihm folgte Harry Wijnschenk, Herausgeber einer Motorradzeitschrift von Zivilberuf, als neuer Parteichef der LPF (Van Holsteyn & Galen, 2003).

194 Fallstudien: Parteien in Regierung

„Doch auch unter Wijnschenks Führung kam die LPF-Fraktion nicht aus den turbulenten Fahrwassern heraus. Es rächte sich die wenig umsichtige Kandidatenauswahl der LPF. Sogar strafrechtliche Verwicklungen von Fraktionsmitgliedern machten der Fraktion zu schaffen. Außerdem stellte sich heraus, daß ein Fraktionsmitglied durch J.H. Boiten, einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen Centrumpartij bzw. der inzwischen verbotenen CentrumPartij’86, beraten worden war.“ (Reuter, 2009, S. 199)

Es folgte der Ausschluss von zwei Kabinettsmitgliedern und es verschärfte sich ein Machtkampf innerhalb der Parteiführung der LFP. Wirtschaftsminister und Vize-Premier Eduard Bomhof brachten sich als wesentliche Kontrahenten in Stellung. Als beide den Führungsstreit nicht beilegen und andererseits selbst nicht zurücktreten wollten, kündigten CDA und VVD am 16. Oktober die Koalition mit der LPF auf.

Am selben Tag traf sich die Parteiführung der LFP ohne ihren Vorsitzenden Wijnschenk, der in Abwesenheit abgewählt wurde. Herben, der ehemalige Vorsitzende, wurde wieder an die Spitze der Partei gewählt. Wijnschenk trat nach massiver Kritik an der LPF aus der Partei aus und gründete gemeinsam mit Heinsbroek eine neue Partei: die List New Politics. Seinen Sitz im niederländischen Parlament behielt Wijnschenk (Lucardie & Voerman, 2007, S. 255)

Nachdem die Regierung bereits zerbrochen war, fokussierte die LPF ihre Aktivitäten auf den anstehenden Wahlkampf. Im Parlament versuchte die Partei, quasi auf die Oppositionsbank zu wechseln und mit hochtrabenden Forderungen Zuspruch zu gewinnen. Bei den Wahlen Anfang 2003 konnte die LPF 5,7 Prozent der Stimmen beziehungsweise acht Sitze im Parlament erringen (Reuter, 2009, S. 201). In Anbetracht der desaströsen Regierungsarbeit ein Achtungserfolg.

Die Regierung Balkenende II, am 27. Mai 2003 von der Königin angelobt, kam ohne die LPF aus. An ihre Stelle traten die Democraten 66, eine sozialliberale Partei, die rund drei Jahre später die Koalition aufkündigen sollten. Die LPF versank derweil in der Bedeutungslosigkeit. Versuche, die Partei unter einer neuer Führung zu einen, scheiterten. Einer Umbenennung von Lijst Pim Fortuyn in schlicht „Fortuyn“ folgte eine Wahlniederlage 2006. Die Partei beschloss 2007, sich selbst im Folgejahr aufzulösen (Hetzel, 2007).

195 Fallstudien: Parteien in Regierung

Zwischenbilanz

„Der Zerfall der LPF begann schon unmittelbar nach dem Mord ihres Gründer- und Übervaters Fortuyn, dem nicht genug Zeit blieb, eine funktionierende Parteiorganisation aufzubauen. Es brachen Diadochenkämpfe um die Nachfolge Fortuyn aus. Die LPF zerfiel und sündigte gar gegen das Königshaus, die Pietät und die guten Sitten, als sie ausgerechnet an dem Tag, dem 5. Oktober 2002, an dem Königin Beatrix ihren verstorbenen Gatten Prinz Claus beisetzte, eine Regierungskrise in Den Haag auslöste.“ (Hetzel, 2007)

Dieses Zitat aus der Welt veranschaulicht knapp, woran die LPF primär scheiterte: Die Partei war voll und ganz auf ihren wortgewaltigen Leader Pim Fortuyn ausgerichtet, der es verstand, sich als Mann des Wandels zu präsentieren. Der ehemalige Soziologie-Professor prangerte die Versäulung des Landes an – die Analogie zur österreichischen Sozialpartnerschaft – und traf damit den Nerv der Zeit. Fortuyn hatte die Partei drei Monate vor den Wahlen gegründet. Parteiprogramm war ein Buch, das er kurz zuvor veröffentlicht hatte.

„The 186-page book was a rather idiosyncratic blend of autobiographical elements, dry statistics and political demands. It was demolished by all other political leaders, but became a political besteller – it would be sould out within a few days.“ (Lucardie & Voerman, 2007, S. 256)

Die LPF war unter diesem Gesichtspunkt ein Senkrechtstarter. Sie kam aus dem Nichts, stieg auf zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit im Wahlkampf und verwirrte: Fortuyn war einerseits für schärfere Asylgesetze, für Law & Order und für den Abbau für Bürokratie – und gleichzeitig setzte er sich für die Rechte von Homosexuellen ein. Dies war ungewöhnlich für einen rechtspopulistischen Politiker. Fortuyn war so gesehen als Person eine Erscheinung auf den politischen Parkett der Niederlande. Er war anders als alles andere vor ihm. Seine Politik war rechtspopulistisch, wenngleich anders als on anderen Parteien bekannt.

Nach seiner Ermordung fand sich in der LPF kein charismatischer Führer, der in Fortuyns Rolle hätte schlüpfen können. Mat Herben war nicht von jenem Format

196 Fallstudien: Parteien in Regierung wie sein Vorgänger. Und auch dem Kurzzeit-Vorsitzenden Harry Wijnschenk fehlte es an Größe, um die Reihen geschlossen zu halten. Hinzu kam, dass es der Partei an erfahrenem Personal für die Partizipation an der Regierung fehlte. Von den vier Ministern und fünf Staatssekretären war nur eine ins Parlament gewählt worden; der Rest wurde aus der Basis rekrutiert. Und diese einzig gewählte, Staatssekretärin Philomena Bijlhout, musste am Tag ihrer Angelobung wieder zurücktreten.

Die Bewertung der LPF an der Regierungen nach Policy-Gesichtspunkten ist in zweierlei Hinsicht schwierig:

• Einerseits war die Regierung nur kurz im Amt. Zwischen Angelobung und der Ankündigung der Auflösung vergingen gerade einmal drei Monate. Zwar blieb die Regierung noch bis zur Angelobung von Balkenende II (der Nachfolgeregierung) im Amt; die LPF konzentrierte sich in dieser Zeit jedoch bereits auf den Wahlkampf.

• Während dieser kurzen Regierungszeit wurde nicht tiefgreifend an neuen Gesetzen gearbeitet. Zwar wurden in der Koalitionsübereinkunft eine Veränderung bei Immigrationsgesetzen angekündigt (Ministerie van Financiën, 2002); für weitreichende Reformen dürften drei Monate jedoch nicht ausreichend gewesen sein.

Die LPF zerbrach an ihrer eigenen Unfähigkeit, interne Konflikte in Zaum zu halten. Neben Führungsstreitigkeiten zwischen Herben und Wijnschenk war die Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftsminister Heinsbroek und Vize-Premier Bomhof schließlich jener Reibungspunkt, an den die Koalition platzte.

Zu diesen Spannungen an der Spitze kamen Konflikte an der Basis hinzu. Von unten herauf kam das Verlangen, die harten Forderungen aus dem Wahlkampf auch im praktischen Regieren nun umzusetzen. Herben hingegen setzte auf einen pragmatischen, realpolitisch umsetzbaren Kurs, der auf den Widerstand vieler seiner Parteigänger und Kollegen stieß. Dieser Konflikt führte mehrfach zu einem Richtungsstreit, der anfangs noch begrenzt gehalten werden konnte, später jedoch an die Oberfläche und in die Spitze der Partei drang.

Politikwissenschafter Gerd Reuter schlussfolgert über die Regierungsbeteiligung der LPF:

197 Fallstudien: Parteien in Regierung

„Aus dem Zuspruch der Wähler und der raschen Regierungsbeteiligung konnte kein Kapital geschlagen werden. Schulden, Zwistigkeiten und Abspaltungen machten der LPF das politische Leben schwer. Beides kann auf die Unfähigkeit ihrer in politischer Arbeit unbedarften Mitstreiter zurückgeführt werden. Gleichzeitig ist indes herauszustellen, dass über diese Unfähigkeit hinaus strafrechtliche Verwicklungen und die Nähe zu rechtsextremen Organisationen den Versuch seriöser politischer Arbeit untergruben. Im Ergebnis lässt sich für den Bereich der politics kein nachhaltiger Erfolg der LPF konstatieren.“ (Reuter, 2009, S. 203)

Lucardie und Vorman betonen, allein der Umstand, dass kein charismatischer Nachfolge-Leader gefunden werden konnte, sei zu wenig, um den Niedergang der LPF zu erklären. Bei der LPF sei es vielmehr ein Zusammenspiel mehrerer Variablen, die zum konfliktreichen Ende geführt hätten:

Neben dem Fehlen eines Leaders, der Furtuyn hätte ersetzen können, seien fehlende Parteiinstitutionen ein zentraler Punkt: Die LPF existierte vor ihrer Regierungsbeteiligung erst drei Monate. Es fehlte schlichtweg die Zeit, um Organisationen aufzubauen. Es fehlten Mittel und Wege, wie Konflikte hätten abgebaut werden können (Lucardie & Voerman, 2007, S. 259).

Was für die LPF respektive für Fortuyn spricht, ist die Fähigkeit, Themen zu Diskussionspunkten zu machen. Ausschnitte, wenngleich in ihrer Schärfe reduziert, finden sich in der Regierungserklärung wieder und sie hielten strukturellen Einzug, etwa in der Schaffung eines neuen Ministeriums. Neben der Ausländerpolitik war Sicherheit (und mit ihr eine Reform des Polizei-Systems), die Europäische Union (beziehungsweise das Verhältnis zu ihr) und die Debatte zum Krankensystem zog vom Wahlkampf in die Regierungsarbeit Einzug.

198 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bewertung der LPF

Die Frage nach dem Scheitern der LPF ist schwierig in zu beantworten, zumal die Partei eben erst vor der Wahl als Bewegungspartei entstanden war und unmittelbar zuvor ihren Leader verlor. Leefbaar Rotterdam, eine ebenfalls 2001 von Pim Fortuyn gegründete Lokalpartei, ist bis heute im Rotterdammer Lokalparlament vertreten. „Meiner Meinung nach hätte die LPF mit Fortuyn schon überlebt, wenn auch mit Streit und Abspaltungen. Interessant ist der Vergleich mit der lokalen Partei Leefbaar Rotterdam, die faktisch auch von Fortuyn gegründet wurde, aber etwas früher; die hatte Zeit sich zu festigen und existiert noch immer, als zweitgrößte oder größte Partei im Gemeinderat“, schlussfolgert Paul Lucardie, Politikwissenschafter der University of Groningen (Lucardie, Rechtspopulismus: LPF, 2017). Der LPF, folgert man, fehlte mitunter die Zeit, sich in ihren Strukturen zu festigen.

Zur Bewertung der LPF:

1. Die Durchsetzungsfähigkeit kann mit zweierlei Maß gemessen werden:

a. Einerseits finden sich in den Regierungspapieren sowie in der Regierungsansprache von Ministerpräsident Balkenende jede Menge an Forderungen, die Pim Fortuyn in seinem Buch (De puinhopen van acht jaar Paars) sowie in seinem Wahlkampfpapier ausformuliert hatte, was temporär als Erfolg in der inhaltlichen Durchsetzungsfähigkeit zu bewerten ist. Hinzu kam, dass Ministerien gegründet wurden, die sich Themen widmeten, welche die LPF als änderungswürdig empfand (beispielsweise das neue Minister für Immigration und Integration).

b. Demgegenüber stand, dass die LPF gerade einmal drei Monate im Amt war. Es wurde zwar viel gefordert, jedoch fehlte die Zeit, die Dinge umzusetzen. Die kurze Zeit in der Regierung war primär mit Vorbereitungen für den bereits nächsten Wahlkampf geprägt. Betrachtet man die tatsächliche, vollbrachte Umsetzung, scheiterte die LPF in ihrer kurzen Regierungstätigkeit.

199 Fallstudien: Parteien in Regierung

2. Die personellen Ressourcen und Konstanz der LPF war gering. Aus der ursprünglichen Mannschaft des Wahlkampfs wurde lediglich Philomena Bijlhout als Staatssekretärin vereidigt – und musste am Tag der Angelobung wieder zurücktreten (Parlement & Politik, 2002). Alle anderen Regierungsmitglieder stießen erst nach der Wahl zur Partei hinzu. Die LPF wurde gewissenmaßen von ihrem Wahlerfolg regelrecht überrollt. In dieser Bewertung muss jedoch berücksichtigt werden – wie angesprochen –, dass Leader Pim Fortuyn, Anführer der Bewegungspartei, kurz vor der Wahl ermordet worden war. Vermutlich wäre die Partei unter Fortuyn konstanter in ihre erste Amtszeit, sofern sie sich einer Regierung angeschlossen hätte, eingezogen. Fortuyn folgten zwei Nachfolger, die jeweils nur kurz im Amt waren. Weitere Funktionäre der Partei mussten aus diversen Gründen, unter anderem strafrechtlicher Verwicklungen, wieder zurück zu treten. Kurzum: Es fehlte an Personal. Die Partei hatte keine Struktur und scheiterte in diesem Punkt.

3. Die Verhaltensmuster bei der LPF waren konfliktreich und führten bereits vor der Angelobung der Partei zu massiven Spannungen. Neben Führungsstreitigkeiten (pragmatischer versus konfliktreicher Kurs) drängte die Basis zu mehr Durchsetzung der Versprechen im Wahlkampf (bezogen auf mehr Härte gegenüber Ausländern und der Kriminalität). Es fehlte an einem starken Nachfolger Fortuyns, der die Abläufe innerhalb der Partei ordnen hätte können.

Die Verbindungen zu anderen Parteien war kaum aufgebaut. Man fand in Anbetracht des starken Wahlergebnisses zueinander; es gab jedoch keine traditionsreichen politischen Strukturen, noch Bekanntschaften, welche die Zusammenarbeit erleichtert hätten.

4. Als Scheitern im Sinne eines auslösenden Ereignisses kann der Absturz bei den folgenden Wahlen gewertet werden: Wenige Monate nach den erfolgreichen 17 Prozent (2002) fiel die Partei auf 5,7 Prozent (2003). Dies ist ein massiver Fall, wenngleich in Anbetracht der Krise der Partei ein solides Ergebnis, zumal die Partei am zerfallen war. 2006, bei den nächstfolgenden Wahlen, stürzte die Partei auf 0,2 Prozent ab. Hinzu kam, dass 2004, also zwischen den beiden Wahlen, die Parlamentsfraktion aus der Partei austrat und parallel dazu ein Konkursantrag gestellt wurde (Reuter, 2009, S. 201), der abgelehnt wurde.

200 Fallstudien: Parteien in Regierung

Hinzu kamen Versuche der „Neuerfindung“ unter dem Namen „Fortuyn“, die kein nachhaltiges Echo fanden. Kurzum: Die Partei zerfiel in der Zeit zwischen 2003 und 2006 und konnte – ohne charismatischen Führer – nicht vor dem langsamen Untergang gerettet werden. Als indirekte Nachfolgepartei kann die Partij voor de Vrijheid betrachtet werden, die unter Gründer Geert Wilders bei den Wahlen 2006 ins Parlament einzog und dort ihren Platz festigte.

Zusammenfassung:

Die LPF ist im Grunde (im Sinne der policy, der Inhalte) absolut gescheitert; wenngleich sie sich inhaltlich – zumindest programmatisch – anfangs durchsetzen und ihr wichtige Themen in die Regierungsarbeit einbringen konnte. Die Frage, wie sich die Partei unter Leader Pim Fortuyn entwickelt hätte, ist eine fiktive – vermutlich jedoch besser und nachhaltiger. Er war nicht nur ihr Gründer, sondern auch die schöpferische Kraft des Programms.

Ein indirektes Erbe der LPF ist jedoch die Partij voor de Vrijheid unter Geert Wilders, die bei den Parlamentswahlen 2010 beachtliche 15,5 Prozent erzielen konnte. Die LPF war damit Wegbereiterin für eine neue Partei beziehungsweise für eine Richtung an rechtspopulistischer Politik, die sich im politischen System festigen konnte. Dieser Aspekt ist jedoch ein Hinweis und hat keinen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis dieser Untersuchung.

Verglichen zu Pim Fortuyn decken sich Wilders Ablehnung gegenüber des Islams. Wilders konnte die Diskussion zur nationalen Debatte erheben, wie Koen Vossen schlussfolgert: „In the Netherlands the attempts to put Wilders in an ideological category have even become something of a national debate, in which journalists, politicians, intellectuals and even television celebrities readily engage.“ (Vossen, 2011, S. 180) Wilders wird jedoch als offener, als weniger fundamental beschrieben. In vielen Punkten wird er als konservativ, weniger als rechtspopulistisch in seinem Handeln beschrieben.

201 Fallstudien: Parteien in Regierung

Italien

Geschichte und politische Kultur

Das politische System Italiens ist seit dem Zusammenbruch des Parteienstaates (Erste Republik) von ständigen Umbrüchen geprägt. Einerseits begann die Parteienbindung der Wähler – wie in vielen anderen Ländern Europas – ab den 1970ern zu erodieren (Bulli & Tronconi, 2012, S. 51). Andererseits brachen in den 1990ern die beiden Großparteien Democrazia Cristiana (DC) und Partito Socialista Italiano (PSI) in Folge von Schmiergeldskandalen zusammen, was zu einer Neuordnung des politischen Systems führte beziehungsweise neuen Bewegungen/Parteien den Einzug in die Arena ermöglichte.

Die Zersplitterung der zerfallenen Großparteien begünstigte die Ausdifferenzierung und Instabilität der politischen Landschaft. Diese Übergangsphase respektive Neuordnung vollzog sich zwischen 1992 und 1995. Beschleunigt wurde sie durch das Ende des Sowjetkommunismus: Italien war bis dorthin von einem starken Konflikt zwischen Katholizismus und Kommunismus geprägt. Mit dem Ende des bipolaren Systems fiel dieses zentrale cleavage weg (Köppl, 2007, S. 67ff).

Hinzu kommt die Staatsferne der Italiener. In kaum einem Land Europas ist das Vertrauen der Bürger in ihren Staat und seine Politiker geringer als in Italien. Nur 27 Prozent der Italiener glauben laut Eurobarometer (European Commission, 2017), dass sie mit der Demokratiequalität in ihrem Land zufrieden sind. Zum Vergleich: Der EU-27-Schnitt liegt bei 49 Prozent.

„Lange Zeit der Fremdherrschaft und Unterdrückung (besonders im Süden) sowie die Installation des Nationalstaates von oben (in Verbindung mit den Brigantenkriegen und neuen Steuern) führten dazu, dass der Großteil der Italiener dem Staat traditionell skeptisch und reserviert, ja distanziert gegenübersteht. Hinzu kommt, dass der Staat durch die faschistische Erfahrung weiter diskreditiert wurde.“ (Köppl, 2007, S. 32)

202 Fallstudien: Parteien in Regierung

Dies hatte in Summe zur Folge, dass der italienische Staat nie jene Akzeptanz erreichte, wie es in Mittel- und Nordeuropa der Fall war.

Ähnlich schlecht ist es mit dem Vertrauen der Italiener in die Europäische Union bestellt (Europäische Kommission, 2012). Diese Vertrauenskrise in die Institutionen ist ein wichtiger Auslöser für den rasanten Fall und den gleichzeitig kometenhaften Aufstieg von neuen Gruppierungen in der Zweiten Republik.

Eine Besonderheit des italienischen politischen Systems ist die Bedeutung des cleavages Katholizismus versus Kommunismus. Beide Bewegungen spielten in der Resistenza, der italienischen Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkrieges, eine maßgebliche Rolle. Nach Ende des Krieges tat sich jedoch ein ideologischer Graben auf, der die ersten Jahrzehnte des Nachkriegsitaliens bestimmen sollte. Hinzu kam, dass sich die italienische Politik nie von Extremismen befreien konnte. Sowohl die extreme Linke, als auch die extreme Rechte in Form der Postfaschisten spielten und spielen bis heute eine nicht unmaßgebliche Rolle im politischen System des Landes.

Dieser Problematik der eigentlich unüberwindbaren Gegensätze wurde in der Tagespolitik mit dem so genannten Transformismo entgegnet: „Trotz aller Gegnerschaft wurde ein modus vivendi gefunden: war man auf den Gegner angewiesen, wurden in der Tradition des Transformismo ideologische Vorbehalte verdrängt und Kompromisse geschlossen. In der Politik wirkten diese Elitenkompromisse im positiven Fall konfliktdämpfend, im negativen Fall führten sie zu Elitekartellen.“ (Kneisler, 2011, S. 175) Es bildete sich, ähnlich wie in Österreich oder den Niederlanden, ebenfalls eine Form von Konkordanz aus.

Man erkennt in Folge den Nährboden für Populismus: Wenn Konflikte an der Basis tief sind, die Eliten sich jedoch auf Kompromisse einigen können, entsteht eine Konkordanzdemokratie. Sie ermöglicht es rechtspopulistischen Bewegungen, Einstieg aufs politische Parket zu finden. In Italien entstand beim Umbruch ein Betätigungsfeld für System-skeptische Parteien, welche die Praktik des Transformismo kritisieren und damit Wählerstimmen sammeln konnten. Der Transformismo ist, wie angesprochen, der österreichischen Sozialpartnerschaft nicht unähnlich, wenngleich die Konfliktlinie in Österreich zwischen Sozialismus und Katholizismus verlief.

203 Fallstudien: Parteien in Regierung

Der Transformismo kann als eine Entfernung der Politik von den Bürgern verstanden werden. Andererseits ermöglichte er die Regierbarkeit eines Landes, das von tiefen ideologischen und einen territorialen (Nord-Süd) Konflikten gespalten war.

Insofern ist es schwierig, eine Wertung abzugeben, wie sinnvoll der Transformismo für Italien war; beziehungsweise war er eine Notwendigkeit für die Regierbarkeit Italiens. Fakt ist: Er führte zu einer ausgeprägten Form der Konkordanz, die wie kaum in einem anderen Land scheinbar unüberwindbare Gräben überspringen konnte. Andererseits ermöglichte der Transformismo, dass sich Extremisten behaupten konnten und später Populisten eine Bühne fanden.

Das große Problem des Transformismo war die Schwierigkeit, Italien beständig zu regieren. Die Großparteien Democrazia Cristiana (DC) und Partito Socialista Italiano (PSI) konnten ein praktisch bipolares System entwickeln, das bei gleichzeitiger Ausgrenzung der Kommunisten (Links-Extreme) und Postfaschisten (Rechts-Extreme) zu keinem faktischen Regierungswechsel führte.

Sprich: Es wechselten mitunter zwar temporär die Personen an der Spitze; im Grunde bildete sich jedoch eine Machtelite, welche stets – in unterschiedlichen Positionen – an der Spitze des Landes stand. So bildete sich ein Kreislauf, der den angesprochenen Stillstand auslöste, welcher erst von Mitte-Links-Bündnis zu Beginn der 1990er durchbrochen werden konnte.

„Die zahlreichen Regierungswechsel wurden im Ausland als Ausdruck der Instabilität gewertet. Die Realität war jedoch von einem undurchschaubaren Geflecht zwischen politischem und ökonomischem Establishment geprägt, welches durch Begünstigungen, Korruption, mangelnder Rechtsgrundlagen und einer breiten Akzeptanz halb- und illegaler Machenschaften getragen wurde. Trotz permanenter Koalitionskrisen und Regierungswechsel gab es deshalb nie einen realen Machtwechsel, und Italien war eine blockierte Demokratie“, schreibt dazu Christian Christen (Christen, 2001, S. 20).

204 Fallstudien: Parteien in Regierung

Abbildung 13: Die Zufriedenheit mit den nationalen Demokratien im Vergleich. Italien rangiert. Quelle: Eurobarometer

Der Zusammenbruch der Ersten Republik begann, nachdem die Staatsanwaltschaft in den 1980ern Ermittlungen aufnahm und 1992 Mario Chiesa, Mailänder Lokalpolitiker des PSI, „bei der Annahme von Schmiergeldern in flagranti erwischt und verhaftet wurde“ (Köppl, 2007, S. 232). Er war zwar nur ein kleines Rad im Getriebe, setzte aber durch seine Aussagen einen Prozess in Bewegung, der schließlich zum Ende der ersten Republik führte.

„Auf dem Höhepunkt wurde gegen zahlreiche Minister, Parlamentarier, Parteigrößen, Manager, Bankiers, aber auch gegen Angehörige der Justiz und der Medien strafrechtlich ermittelt, viele von ihnen wurden rechtskräftig verurteilt. Am Ende der 11. Legislaturperiode im März 1992 liefen gegen insgesamt 447 Parlamentarier (354 aus dem Abgeordnetenhaus und 92 des Senats) Ermittlungsverfahren. Darüber hinaus wurden zahlreiche Politiker in den Regionen und Kommunen der unterschiedlichsten Vergehen, von illegaler Parteienfinanzierung, Bestechung, Korruption bis hin zur Verwicklung mit der Mafia beschuldigt.“ (Christen, 2001, S. 21ff)

„Mit der Erschöpfung der alten gesellschaftlichen Konfliktlinien (cleavages) und der Krise der traditionellen Parteien ist ein neuer Parteientypus entstanden, das als ‚Bewegungspartei’ bezeichnet kann“, schreibt Italienexperte Günther Pallaver (Pallaver & Gärtner, 2006, S. 103). Dieser suggerierte Wert, eine Bewegung und keine

205 Fallstudien: Parteien in Regierung

Partei zu sein, soll abgrenzend wirken und einen Kontrast zu den etablierten Parteien erzeugen. Forza Italia propagierte besonders zu Beginn genau dieses Schema (Raniolo, 2006, S. 440). Leader Silvio Berlusconi schuf gewissermaßen einen neuen Typus von Partei (Unternehmerpartei), dessen Öffentlichkeit das Fernsehen war, genauer gesagt die Sender von Berlusconi selbst. Als Medienunternehmer verfügte er über die notwendigen Ressourcen, solch eine unkonventionelle, mächtige Partei ohne die üblichen Strukturen aus der Taufe zu heben.

Berlusconi kam neben des gerade stattfindenden Zerfall der Ersten Republik und dem Überdruss am Transformismo die Fernsehkultur der Italiener zu Gute. In kaum einem anderen Land Europas kam es zu einer vergleichbaren Trivialisierung des Programms. „Bis heute lesen die Italiener verhältnismäßig wenig und informieren sich hauptsächlich über das Fernsehen. Das heißt, mehr oder weniger, dass das, was nicht im Fernsehen gesagt oder gezeigt wird, mit sehr wenigen Ausnahmen, nicht existiert“, schreibt der italienische Schriftsteller Gianluca Falanga (Falanga, 2012, S. 158).

Die zweite, in dieser Untersuchung zentrale Partei, ist die Lega Nord (LN). Sie ist, verglichen mit Forza Italia, ein anderer Typus von Partei. Das Ziel bei ihrer Gründung19 war die Sezession, die Loslösung von Norditalien aus dem italienischen Staat (Gomez-Reino Cachafeiro, 2000, S. 86ff). „Die Lega Nord greift in ihrer Programmatik und der teilweise aggressiven Rhetorik ihres Parteivorsitzenden Umberto Bossi kleinbürgerliche Ressentiments auf und schürt sie systematisch“, schreibt dazu Kneisler (Kneisler, 2011, S. 128). Die Ausrufung von Padanien, im Grunde die Poebene zuzüglich den italienischen Alpen, stand in der Agenda der Lega Nord an erster Stelle. Zu Beginn war von einer Sezession die Rede.

Von Forza Italia unterscheidet sich die Lega Nord ganz grundlegend in Stil und Programmatik: Während Forza Italia eine Partei/Bewegung völlig neuen Typus ist – Frank Decker spricht von einer Unternehmerpartei (Decker, Bundeszentrale für politische Bildung, 2014) –, steht hinter der Lega Nord der proklamierte Wunsch nach Sezession, später nach Autonomie. Die Lega war unter diesem Standpunkt für lange Zeit eine One Issue Partei.

19 Anmerkung: Die Lega Nord wurde nicht als eine Partei gegründet. Es waren viele kleine Parteien, die sich später zur Lega Nord, der Sammelpartei, einten.

206 Fallstudien: Parteien in Regierung

Forza Italia: Partei eines speziellen Typs

Italien ist schwierig zu bewerten, sind die beiden ehemals in Regierungsverantwortung stehenden Parteien Forza Italia und Lega Nord doch ein Sonderfall unter Europas Populisten. Während die Lega Nord, gegründet 1989, primär eine Regionalpartei ist, die – insbesondere zu Beginn – für die Sezession Norditaliens (Padanien, im Deutschen besser bekannt als Poebene inklusive dem Trentino und Südtirol laut Eigendefinition der Lega Nord) kämpft, ist Forza Italia, 1994 gegründet, keine rechtspopulistische Partei im Sinne der erarbeiteten Definition.

Forza Italia steht ideologisch rechts der Mitte und vertritt wirtschaftsliberale Standpunkte, präsentiert in populistischer Rhetorik; Ausländerthemen und Regressionen gegen Minderheiten zählen jedoch nicht zu ihren Kernthemen beziehungsweise werden sie nicht in der Manier von Rechtspopulisten angepackt.

Forza Italia ist ein Beispiel für eine Bewegungspartei beziehungsweise einer Unternehmerpartei, die sich rund um einen Geldgeber aufbaute beziehungsweise von ihm finanziert wurde. Die Forza Italia, kurz FI, war vielmehr eine Besonderheit des italienischen politischen Systems und ihres Führers Silvio Berlusconi, einem bedeutenden italienischen Medienunternehmer. Anfangs war die Rede von einer virtuellen Partei, so sehr setzte Berlusconi auf das Fernsehen (Urbat, 2007, S. 202). Klassische Parteistrukturen sowie autonom agierende Mitstreiter lehnte Berlusconi anfangs ab (Raniolo, 2006, S. 445).

Die Forza Italia, speziell in den Anfangsjahren, definierte sich als Bewegung, die sich vom etablierten – und oft kritisierten – italienischen Parteiensystem abgrenzen wollte. Zudem war sie stark auf ihren Leader und Finanzier Silvio Berlusconi zugeschnitten, der immer wieder kein Hehl daraus machte, auch beziehungsweise besonders im Eigeninteresse zu handeln, wetterte er als Großunternehmen doch gegen die italienische Steuergesetzgebung (Mascitelli & Zucchi, 2007).

207 Fallstudien: Parteien in Regierung

„Auffällig war, dass er zu Beginn seiner Amtszeit eine Reihe von Arbeitsfeldern in Angriff nahm, die zumindest indirekte Auswirkungen auf sein Firmenimperium und seine Position in verschiedenen strafrechtlichen Verfahren hatten. Das betraf etwa die Abschaffung von Besteuerung von Profiten, wenn sie wieder investiert worden (wovon sein Medienunternehmen Mediaset profitierte), die Abschaffung von Erbschafts- und Schenkungssteuer und die Reform des Gesellschaftsrechts (Umwandlung der strafrechtlichen Bestimmungen in verwaltungsrechtliche, Reduzierung der Verjährungsfristen bei Vergehen im Gesellschaftsrecht). Der Justizpolitik wurde ebenso hohe Priorität eingeräumt. Unter den diesbezüglichen Maßnahmen zu erwähnen sind z.B. die Einführung der Immunität zugunsten der fünf höchsten Staatsträger, die später als verfassungswidrig wieder aufgehoben wurde, die Verzögerung der Übernahme des europäischen Haftbefehls oder der Versuch, das Rechtshilfeabkommen mit der Schweiz zu sabotieren“, schreiben dazu die Politikwissenschafter Günther Pallaver und Reinhold Gärtner (Pallaver & Gärtner, 2006, S. 106).

Die Form, wie Berlusconi regierte, wurde als Berlusconismus bezeichnet (Melzer & Serafin, 2013, S. 121). Damit ist primär gemeint, die Meinung und das Wahlverhalten der Bürger durch triviales Fernsehen zu beeinflussen.

Versucht man Forza Italia nach Kriterien der vertikalen und horizontalen Abgrenzung zu definieren fällt auf: Sie passt nur partiell in das Schema einer rechtspopulisitischen Partei. Zwar sind ihre Sprache, die mangelnde innerparteiliche Demokratie und der ausgeprägte Leader-Kult ein Indiz für rechtspopulistische Kultur – folgende Punkte zeigen jedoch, wie sich FI von „richtigen“ rechtspopulistischen Parteien wie etwa der österreichischen FPÖ abgrenzt:

208 Fallstudien: Parteien in Regierung

Vertikale Abgrenzung:

• Zwar wurde FI anfangs auch als Bewegung gegründet, also gewissermaßen als Anti-Partei; zunehmend wuchs aus dem FI jedoch eine Partei mit klassischen Strukturen, professionellen Akteuren und regionalen Niederlassungen. • Forza Italia ist nur bedingt eine Anti-Establishment-Partei, entstammt sie doch der wirtschaftlichen Elite (Mascitelli & Zucchi, 2007). Sowohl mit ihrer Wirtschaftsgesetzgebung, als auch mit ihrer späteren Nähe und Vertrautheit zur Macht spricht die gelebte Praxis dafür – wenngleich Berlusconi, wenn notwendig, ab und an die Anti-Eliten-Karte zog. Was FI jedoch zeigt, ist eine starke Ablehnung gegenüber traditionellen Parteien (Urbat, 2007, S. 204) und bedingt auch gegen gesellschaftliche Institutionen, insbesondere gegen die Justiz (wenngleich hierbei ein Eigeninteresse der Akteure zu vermuten ist). • Was FI wiederum als rechtspopulistisch kennzeichnet, ist die Berufung auf das Volk. Besonders nach 2001 machte sich die Partei um mehr plebiszitäre Elemente stark und verstärkte gleichzeitig ihre Anti-Establishment-Haltung, also die Ablehnung der Institutionen des Staates (Urbat, 2007, S. 204). • Die FI ist keine anachronistische Partei, die sich gegen Modernisierung wehrt oder diese als ein Projekt der Eliten verteufelt. Ganz im Gegenteil: Sie brandmarkt den italienischen Parteienstaat als Verhinderer des Fortschritts. Forza Italia, was so viel bedeutet wie Vorwärts Italien!, will bereits mit seinem Namen unterstreichen, wohin der Weg gehen soll (Croci, 2001, S. 356). Wenngleich das Problem ist, dass die Entwicklungsrichtung vom Leader bestimmt wird und der innerparteiliche Abstimmungsprozess nur bedingt bis nicht demokratisch war, ist FI nicht oder nur in sehr geringem Maße rückwärtsgewandt. Das unterscheidet sie ganz maßgeblich von den meisten anderen rechtspopulistischen Bewegungen. • Anti-Pluralistisch ist FI nur bedingt: Zwar skizziert sie politische Feindbilder, allen voran die Kommunisten (Orsina, 2017, S. 9ff); bei der Suche nach Koalitionspartnern und der Integration von Politikern anderer Parteien zeigte sich die Partei jedoch pragmatisch. Dies unterstreicht die These, dass FI primär ein Instrument des Leaders Berlusconis war, als ein Sammelbecken von Idealisten im Sinne einer bestimmten Ideologie.

209 Fallstudien: Parteien in Regierung

Horizontale Abgrenzung:

• Die klassischen Anti-Positionen sind nur bedingt ideologischer Wesensinhalt der FI. Sie sind vielmehr ein Spielball, je nach interpretierter Stimmungslage. Ein Muster, das die FI beziehungsweise ihr Leader Berlusconi jedoch durchzog, ist die markige Sprache gegenüber Eliten. „In Italien wird gerade ein Film über die Nazi-Konzentrationslager gedreht, ich schlage Sie für die Rolle des Lagerchefs vor“, erklärte beispielsweise Berlusconi 2003 in Straßburg gegenüber Martin Schulz, dem damals stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (Spiegel Online, 2003). • Ein Anti-Amerikanismus lässt sich bei der FI nicht festmachen. Als etwa die USA 2003 die so genannte Koalition der Willigen zusammenstellte und den Feldzug gegen den Irak plante, reihte sich auch Berlusconis Italien willig in die Reihe der Unterstützer ein (Romano, 2009, S. 11). • Eine Stigmatisierung beziehungsweise Abgrenzung gegenüber Ausländern zeigt sich in der Forza Italia nur bedingt. Berlusconi plädierte für eine marktgerechte Zuwanderung. Also nicht des Humanismus wegen, sondern aus Gründen der Wirtschaftlichkeit (Urbat, 2007, S. 204). Dies unterscheidet ihn von klassischen Rechtspopulisten wie etwa Jörg Haider, der eine Zuwanderung – zu dieser Zeit – per se ablehnte. Dies soll jedoch umgekehrt nicht den Schluss nahe legen, Berlusconis Ausländerpolitik sei liberal und humanistisch. Ihr fehlt es jedoch an der Radikalität rechtspopulistischer Parteien.

Worin Silvio Berlusconi durchaus mit Jörg Haider verglichen werden kann, ist seine Wandlungsfähigkeit. Er legt ein Gespür an den Tag wenn es darum geht, die richtigen Themen aufzugreifen und sich als Opfer der Institutionen zu inszenieren. Auch Berlusconi kann man als ein Chamäleon des Politischen bezeichnen.

Was Forza Italia jedoch einmalig macht in der jüngeren politischen Geschichte, ist die Verschmelzung von Leader und Partei. Berlusconi als Leader ist absolut und unantastbar. Zwar lebte auch die FPÖ in Österreich von ihren Wortführer Jörg Haider. Wie die Geschichte zeigte, war jedoch auch dieser ersetzbar und die Partei existierte fort. Forza Italia hingegen war auf ihren Leader, den Finanzier, zugeschnitten, der sie als Instrument nutzte, den Staat seinen Interessen gemäß zu verändern. Als Gegenleistung finanzierte Berlusconi die Partei.

210 Fallstudien: Parteien in Regierung

Folgt man diesem Gedanken, war Forza Italia zu gewissem Maße eine Partei des Selbstzwecks. Und so gesehen nicht typisch rechtspopulistisch, sondern populistisch in ihrer Sprach- und Wortwahl (Verbeek & Zaslove, 2015, S. 306). Berlusconi beziehungsweise Forza Italia proklamierten zwar – typisch für Rechtspopulisten – ein Mehr an plebiszitärer Demokratie; dahinter steckt jedoch kein demokratischer Fundamentalismus. Forza Italia war eine Partei, welche zu Gunsten ihres Leaders Silvio Berlusconi handelte.

Unterm Strich agierte Forza Italia zu Teilen populistisch; in vielerlei Hinsicht war die Partei jedoch ein eigenständiger Typus an politischer Interessensvertretung. Mit Aussagen wie: Als Regierungschef sei er „wie von Gott gesalbt“ (Der Spiegel, 1994), unterstrich Berlusconi einen Leader-Kult, der sich grundlegend von der „Ich bin einer von Euch“-Inszenierung von Rechtspopulisten unterscheidet. Während beispielsweise Jörg Haider stets so tat, als stehe er auf Augenhöhe mit dem „kleinen Mann“, mimte Berlusconi stets den großen Unternehmer, den großen Politiker und den großen Frauenhelden.

Forza Italia wird daher als Partei mit populistischen Zügen, jedoch nicht als rechtspopulistische Partei aufgefasst. Was ihr fehlt, ist eine horizontale Abgrenzung. Wenngleich sie den Anti-Ausländer-Kurs der Lega Nord (zusammen mit dem MSI) duldete und zu Teilen auch unterstützte, ist das Ausländerthema keines, das bei Forza Italia eine zentrale Rolle spielen würde.

211 Fallstudien: Parteien in Regierung

Lega Nord: Partei von Padanien

Wie bereits einleitend vermerkt, war das Gründungsziel der Lega Nord beziehungsweise ihren Vorgängerorganisationen die Loslösung (anfangs die Sezession, später Autonomie) von Italien und damit verbunden die Erklärung von Rom als Einverleiber beziehungsweise als Feind der nördlichen Region (Bulli & Tronconi, The Lega Nord, 2011). Den Parteien war es zwar wichtig, regionale Eigenständigkeit zu demonstrieren; noch zentraler war ihr jedoch die Stilisierung eines äußeren Feindes, gegen den es sich abzugrenzen gelte. Und dieser war zu Beginn Rom, mit dem man einerseits die zentrale Herrschaft Italiens verband und andererseits die politische Verfilzung20, von der es sich zu lösen galt (Bulli & Tronconi, 2012, S. 53ff).

Die Parteien beziehungsweise die später geformte Lega Nord erfand beziehungsweise inszenierte in den Folgejahren Padanien: Eine Region, die sich über Norditalien erstreckt und deren Einwohner sich von jenen in Mittel- und Süditalien unterscheiden würden. Bildhaft verweist die Lega Nord auf einen keltischen Reiter, der das Logo der Partei füllt. Damit unterscheide man sich vom restlichen Italien, dessen Ursprünge auf romanischer Kultur beruhen würden.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Partei mehrere Wurzeln hat, die sich später einten. Sechs Autonomiebewegungen, entstanden im Italien der 1970er, verschmolzen zur Lega Nord (1991 gegründet), die bei regionalen, nationalen und europäischen Wahlen antrat (Passarelli, 2013, S. 55ff). Einer der Gründer einer Sub-Partei war Umberto Bossi, der in den 1980ern die Lombardia Autonomista ins Leben rief (Coluzzi, 2008, S. 460). Er sollte in den 1990ern zum Leader der Lega Nord aufsteigen und die Partei zur Lega Nord einen, wenngleich die Sub-Parteien weiterhin bei regionalen Parteien antraten und antreten.

Ihr vorausgegangen war die Alleanza Nord (Lega Lombarda, Alleanza Nord), die 1989 bei den Wahlen zum Europaparlament antrat und zwei Sitze gewinnen konnte – beide zu Gunsten Bossis Lega Lombarda (Cachafeiro, 2000, S. 81ff).

20 Die Erste Republik wurde in Folge von Schmiergeld-Skandalen erschüttert, an denen sie in Folge zusammen brach.

212 Fallstudien: Parteien in Regierung

Die Lega Nord beruft sich auf die kulturelle wie wirtschaftliche Stärke Norditaliens und grenzt sich von Rom ab, das – bezogen auf den politischen Apparat und den Herrschaftsanspruch – als korrupt bezeichnet wird. Der Süden sei rückständig, der die Stärken des Nordens nur ausnützen würde. In der Programmatik der Lega Nord ist der Norditaliener der Fleißige, der für Arbeit und Wohlstand steht, wohingegen Süditaliener als faul stigmatisiert werden (Schmid, 2009).

Eine noch härtere Ablehnung, wenngleich erst später ins Programm beziehungsweise in die Agenda der Partei mit aufgenommen, äußert die Lega Nord gegenüber Immigranten (Perlmutter, 2015). Oder anders ausgedrückt: Anfangs wehrte sich die Partei gegen den Zuzug vom Süden Italiens; später wurde die Anzahl an potentiellen Feinden der norditalienischen Ordnung auf das Ausland, speziell aus dem Süden (Maghreb-Staaten), erweitert.

Die Abgrenzung gegenüber des Südens sei eine Säule der Lega Nord, schreiben Giorgia Bulli and Filippo Tronconi. Die andere sei die Ablehnung gegenüber des politischen Diskurses an sich:

„However, the leghe (with increasing emphasis from the early 1990s onwards) were the first to exploit this general tendency for political gain. They were able to do so when public dissatisfaction with established politics was reaching unprecedented levels, which eventually led to a general crisis of legitimisation of the party system. (Bulli & Tronconi, 2012, S. 52)“

Die Lega Nord zeigt damit horizontale Ablehnung gegenüber anderen Regierungen Italiens; zum anderen ließ sie die Staatsfeindlichkeit, ein Relikt der späten Einigung Italiens, wieder aufleben und stellte sich vertikal in eine Ablehnende Haltung gegenüber des Staats. In Summe ihrer Eigenschaften sei die Lega Nord eine autonomistische und eine populistische Partei.

„Das Emblem der Lega Nord ist, vereinfacht gesagt, ihr Programm“, beschreibt Politikwissenschafterin Karin Priester sinnbildlich den Anspruch der Lega Nord. „Es zeigt zwei symbolträchtige Abbildungen, ein keltisches Sonnenrad und einen mittelalterlichen Ritter. Aber anders als die Waliser oder die Basken können die Bewohner der nord- und nordöstlichen Provinzen (Ligurien, die Lombardei, das Veneto Friaul) sich weder auf eine ethnische noch auf eine sprachliche Besonderheit

213 Fallstudien: Parteien in Regierung gegenüber anderen Italienern berufen. Der Versuch der Lega Nord, für die Bewohner dieser Regionen eine keltische Abkunft zu reklamieren, ist pure Mythologie, ein künstlicher Versuch, sich ethisch von der romanischen Bevölkerung der restlichen Landesteile abzuheben.“ (Priester, Populismus: Historische und aktuelle Erscheinungsformen, 2007, S. 165)

Seitens ihres Programms wandelte sich die Partei in ihrer Geschichte. War sie anfangs primär auf die Sezession Norditaliens konzentriert mit einer Fokussierung dieses Standpunkts in den 1990ern, kam mit der Jahrtausendwende verstärkt die Ausländerpolitik (zweiter Issue) verstärkt mit ins Programm auf. Die Lega Nord zeigt sich dabei äußerst radikal indem sie faktisch eine gesetzlich legitimierte Jagd nach illegalen Einwanderern vorantrieb. So forderte die Lega Nord beispielsweise, Ärzte als „Grenzwächter“ einzusetzen: Wer Illegale medizinisch behandle, solle den Patienten anzeigen. Zwar scheiterte die Lega Nord mit diesem Vorhaben, Ärzte zur Denunziation zu bewegen; unter Innenminister Roberto Maroni (LN) trat jedoch eine massive Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Kraft (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1327ff).

Die Neue Züricher Zeitung schrieb nach den Verschärfungen des Bossi-Fini- Gesetzes von 2002, die im Jahr 2008 folgte:

„Wer sich illegal in Italien aufhält, muss fortan nicht nur mit einer Ausweisung, sondern auch mit einer Busse in der Höhe von 5000 bis 10.000 Euro rechnen. Haftstrafen von 6 Monaten bis 3 Jahren drohen jenen, die den Clandestini, wie die illegal Eingewanderten auch genannt werden, Wohnungen vermieten. Ferner sind Staatsbeamte verpflichtet, widerrechtliche Aufenthalter anzuzeigen.“ (Neue Züricher Zeitung, 2009)

Der Lega Nord gelang es in den vergangenen zwei Jahrzehnten, eine italienweite Sorge vor einer Überfremdung zu schüren. Sie griff politisch geschickt das Thema des wachsenden Anteils an Ausländern auf. Dieser legte in den vergangenen Jahren rasant zu, wenngleich Italien jedoch in Summe ein Land mit einem moderaten Anteil an Ausländern ist: 7,5 Prozent sind es im Mittel in Italien (Österreich: 8,9 Prozent; Niederlande: mehr als 20 Prozent). 2001, zum Vergleich, waren es lediglich 0,6 Prozent (Deutsche Botschaft Rom, 2012).

214 Fallstudien: Parteien in Regierung

Sie schaffte es damit, auch in jenen Gegenden gehört zu werden, die nicht zur Kernwählerschaft der Lega Nord zählen: Gebiete in Mittel- und Süditalien. Insbesondere dort wird die Zuwanderung als Problem wahrgenommen, gab es dieses Phänomen doch bis vor Kurzem noch gar nicht: Mittel- und Süditalien war bis dato Regionen, in denen Abwanderung das dominante Thema war, während der industriell entwickelte Norden seit den Anfangszeiten Italiens von Zuwanderung geprägt ist – wenngleich primär einer Zuwanderung aus Italien selbst. Die Lega Nord verfolgte beharrlich dieses Thema und trug zu einer Stimmung bei, die sich zu Ungunsten der Zuwanderer – allen voran jenen aus Afrika – entwickelte.

Die Lega Nord ist unter Europas Rechtspopulisten zudem eine Besonderheit, da sie im Grunde eine Regionalpartei ist – wenngleich sie begonnen hat, thematisch nach Italien auszustrahlen. Ihr Kernthema ist jedoch weiterhin die Eigenständigkeit des Nordens – in verschiedenen Bandbreiten: Während der harte Flügel nach einer Loslösung aus dem italienischen Staat ruft (beziehungsweise dies die Politik bis zur Jahrtausendwende war), begnügt sich der pragmatische Flügel mit einer Autonomielösung oder zumindest bestimmten lokalen Sonderrechten. Beziehungsweise war dies die Strategie der Lega Nord nach den Parlamentswahlen von 2001, die in einer Niederlage für die Partei endeten.

Die Frage der Forderung variierte zudem mit der Frage der aktuellen politischen Rahmenbedingungen: In der Regel war der Ruf nach Autonomie oder Sezession in der Opposition stärker als während Regierungszeiten. Beziehungsweise rettete ein Fokus auf die Sezession die Partei nach der ersten Regierungsbeteiligung 1994, als die Partei zu zerfallen drohte. Umgekehrt schadeten Sezessionsforderungen auch der Partei, etwa bei den Parlamentswahlen 2001.

Ebenfalls erwähnenswert sind die Grünhemden, eine militante Bürgerwehr der Lega Nord (Römer, 2009). Erwähnenswert deshalb, da die Zeiten von parteinahen Kampfgruppen und Bürgerwehren im Grunde gezählt sind in der Europäischen Union, wo der Staat das Gewaltmonopol ausübt. Der Umstand, solch eine militante Gruppe zu führen, zeigt von einer gewissen Ablehnung gegenüber dem Staat beziehungsweise einem fehlenden Vertrauen.

215 Fallstudien: Parteien in Regierung

Abgesehen von ihrem Regionalismus und der Rezessionsbemühungen, die im Vordergrund stehen, ist die Lega Nord ohne Zweifel eine rechtspopulistische Partei mit einer starken Abgrenzung gegenüber den Eliten sowie auch gegenüber dem Staat sowie einer wortgewaltigen Sprache ihres Parteiführers Umberto Bossis. „Bossi used the language of the bars in the Milan hinterland“, schreibt dazu Patrick McCarthy (McCarthy, 1997, S. 343). Oder anders ausgedrückt: Bossi redet so, wie die Leute reden. Er wird verstanden. Der Bezug auf das Volk passen ebenso ins Bild wie ihre anti-pluralistischen Elemente (zum Beispiel Ablehnung der Linken) und ihre – bereits erwähnten – Abwehr gegen Zuwanderer aus dem Ausland.

An die Stelle des Sozialprotektionismus passt bei der Lega Nord besser der Begriff des „Regionalprotektionismus“: Die eigene Heimat – Padanien, die mythisch- stilisierte Region der Partei – gegen die gefühlte Ausbeutung durch angeblich arbeitsscheue Süditaliener und Immigranten zu schützen.

Umberto Bossi, Mitbegründer und über Jahre Stimme der Lega Nord, verstand es geschickt, seine Forderungen der vorherrschenden Stimmungslage anzupassen. Er war über lange Zeit Leader der Partei. Seine Idee nach mehr regionaler Unabhängigkeit wandelte sich mehrfach: Während die Gründungsparteien der Lega Nord anfangs eine Sezession forderten, radikalisierten sie Ende der 1980er ihren Kurs und noch mehr nach dem Regierungsaustritt 1994. Der postfaschistische MSI (später die Alleanza Nazionale), der Koalitionspartner in LN-Regierungen, setzte sich für den Fortbestand Italiens ein und war gegen eine Loslösung Padaniens; gleich wie auch Forza Italia (später: Popolo della Libertàunter) unter Silvio Berlusconi. Diesen Kreislauf der Radikalisierung und der Pragmatik der Denkmuster durchlebte die Lega Nord mehrfach seit ihrem Bestehen (Urbat, 2007, S. 209-210), wenngleich sie später für eine Föderalisierung Italiens eintrat.

Wirtschaftspolitisch zeigt die Lega Nord starke Ähnlichkeiten zu Berlusconis Forza Italia, die beide als Parteien des Nordens im Wettbewerb zueinander standen: Beide Parteien sprechen sich für mehr Marktwirtschaft und einem Mehr an individueller Verantwortung aus. Primär will die Lega Nord eine Partei des Mittelstandes sein. Der „ordentliche Geschäftsmann“ ist ihr Kernwähler – zumindest laut ihrer Programmatik.

216 Fallstudien: Parteien in Regierung

Ihren elektoralen Höhepunkt erlebte die LN bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer 1996, als sie 10,1 Prozent der Stimmen erhielt. Dies war kurz nach der gescheiterten Regierungsbeteiligung mit Berlusconi (Berlusconi I), als sie sich verstärkt um eine Sezession bemühte, wenngleich ohne Verantwortung.

Allerdings muss ergänzt werden, dass binnen 15 Jahren zwei wesentliche Wahlrechtsreformen stattfanden, welche die Grundregeln massiv veränderten (Bulli & Tronconi, 2012, S. 59). 1996, als die Lega Nord ihr bestes Ergebnis bei den Parlamentswahlen erzielten, waren a) Gegenden mit proportional vielen Wählern wichtig für das Gesamtergebnis; und b) stellte Italien von einem proportionalem zu einem pluralistischem System um, was Kleinparteien wie beispielsweise die Lega Nord begünstigte. Es war nicht mehr nötig, breite Koalitionslisten bereits vor der Wahl zu bilden, was Bündnisse schwächen sollte.

Abbildung 14: Wahlergebnisse zur Abgeordnetenkammer (Camera dei deputati) der Lega Nord.

LEGA NORD

% 10 ,

10

% % % 70 , 40 30 , 8 , 8 8

% % % 10 10 , , 90 , 4 4 3

1992 1994 1996 2001 2006 2008 2013

Seitens ihrer Führung war die Lega Nord föderalistisch organisiert (was der Logik einer regionalistischen Partei entspricht), wenngleich es ohne Umberto Bossis Zustimmung keinen Zugang zu wesentlichen Positionen innerhalb der Partei gab. Wenngleich auch Bossi innerhalb der Partei (einer moderaten) Kritik ausgesetzt war und vom „Roman swamp“ (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in

217 Fallstudien: Parteien in Regierung

Government, 2010, S. 1333) gesprochen wurde, konnte sich der Leader bis zum Finanzskandal im April 2012 an der Spitze der Lega Nord halten. Im Anschluss wurde er Ehrenpräsident (Presidente onorario); er wurde also nicht verstoßen, sondern blieb mit einem Amt der Partei erhalten.

Was Bossi dabei half was der administrativ strikte Aufbau seiner Partei. Es gab zwei Arten von Mitgliedern (Lega Nord, 2002):

• Socio sostenitore • Socio ordinario

Während erstere einfache Mitglieder ohne Funktion waren, mussten ordinario sich vorab für die Partei engagieren, um eine Stufe höher gehoben zu werden. Es gab allerdings auch den Weg zurück: Aus ordinatore konnten auch wieder sostenitore werden. Dies erlaubte es der Lega Nord, Druck auf Mitglieder auszuwirken, die gegen die Partei rebellierten (Bulli & Tronconi, 2012, S. 62ff). Diese Art des Aufbaus der Partei schützte die Lega Nord und in Folge ihren Leader Umberto Bossi, von Newcomern übernommen zu werden.

In Konsequenz war die Lega Nord nie auf eine maximale Anzahl an Mitgliedern angelegt. Von den 1990ern bis heute bewegte sich die Partei zwischen 110.000 bis 170.000 Mitgliedern. In Krisen, etwa nach der gescheiterten ersten Regierungsbeteiligung, sank die Anzahl der Mitglieder erheblich.

218 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungszeiten der Lega Nord

Insgesamt vier Mal, drei Mal davon nach Wahlen, bildeten Lega Nord und Forza Italia (zu Teilen in Bündnissen, etwa im Popolo della Libertà) gemeinsam und mit noch weiteren Partnern eine Regierung. In der vierten Regierung behielt die Lega Nord ihren Namen, während sich die Alleanza Nazionale (AN) zusammen mit Forza Italia (FI) im Jahr 2009 zum Popolo della Libertà (PdL) verschmolz.

• Erste Regierungszeit: Mai 1994 bis Jänner 1995 • Zweite/dritte Regierungszeit: Juni 2001 bis April 200621 • Vierte Regierungszeit: Mai 2008 bis November 2011

Berlusconi I

Mai 1994 – Jänner 1995

Der Einstieg der Lega Nord (beziehungsweise ihres Bündnisses Polo delle Libertà) war – seitens der Ergebnisses – fulminant: „Bei den Parlamentswahlen 1994 schaffte es die Forza Italia nur zwei Monate nach ihrer Gründung, aus dem Nichts zur stärksten politischen Kraft Italiens aufzusteigen und die Machtverhältnisse in Italien völlig neu zu gestalten“, beschreibt Isabel Kneisler den Beginn von Silvio Berlusconis Bewegung, später Partei (Kneisler, 2011, S. 121).

Dahinter stand einerseits ein Medienapparat der Unternehmensgruppe Fininvest, deren Fernsehsender den politischen Wandel begünstigten. Die Bewegung oder Partei, je nach Betrachtungsweise, war ein Unternehmen, wie Kneisler schreibt: „Hinter der Kampagnenentwicklung standen Marktforscher die Raum für eine neue politische Bewegung im Mitte-Rechts-Spektrum sahen.“ Andererseits war das italienische Parteiensystem nach einem Korruptionsskandal zusammen geborchen. Gemeinsam mit Berlusconis Medienmaschinerie schaffte es die Lega Nord, die zuvor aus regionalen „Ligen“ unter Umberto Bossi zu einer Liga vereint wurde, in ihre erste

21 2005 trat Berlusconi zurück, wurde kurz darauf allerdings wieder als Ministerpräsident vereidigt. Streng formell handelt es sich somit um zwei Regierungszeiten.

219 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsperiode. Im Jahr zuvor trat sie noch als Lombardische Liga bei den EU- Wahlen an und gewann dabei Abgeordnetenplätze. Nach den Parlamentswahlen 1994 gelang der Lega Nord der Sprung in die nationale Repräsentanz.

Für die Lega Nord war die erste Regierungsbeteiligung ein sensibler Akt, denn sie befand sich seitens der Wahlergebnisse im Steigflug, wenngleich sie mit dem MSI, den Post-Faschisten, einen programmatisch ungewöhnlichen Koalitionspartner hatte:

„In this, the party never had much of a coherent belief system, but rather tried to rally its support around common enemy groups (the government in Rome, southern Italians, the European Union, foreign immigrants). Yet later, the Lega showed enough ‘ideological flexibility’ to enter into cooperation with Gianfranco Fini’s Movimento Sociale Italiano (MSI), which, despite being also right-wing, represented Roman centralism, italianità and southern dominance, and thus the opposite of what the Lega had always stood for“, schrieb dazu Politikwissenschafter Reinhard Heinisch (Heinisch, 2003, S. 97-98).

Kurzum: Die Ideologie der Lega Nord war in gewissem Maße „flüssig“. Einerseits sprach sie sich gegen den Zentralismus, gegen Süditalien und die Regierung in Rom aus; andererseits bildete sie mit dem MSI eine Regierung. Dies unterstreicht, dass es sich der der Lega Nord um eine rechtspopulistische Partei handelt, die ihre weiche „Ideologie“ dem Nutzen anpasste.

220 Fallstudien: Parteien in Regierung

Programm der LN 1994

Zu Beginn der 1990er Jahre wandelte die Lega Nord ihr politisches Kernthema zu Gunsten ihres Territoriums. Im Juni 1991 rief Umberto Bossi bei seiner Tour durch Padonien, einer fiktiven Region, Bezug nehmend auf Kaiser Barbarossa, die Repubblica del Nord aus. Zudem erklärte die Lega Nord, keine Partei im klassischen Sinne zu sein. Man sei weder links, noch rechts und definiere sich territorial, womit man sich von anderen Parteien abgrenze, erklären die Politikwissenschafter Giorga Bulli und Filippo Tronconi (Bulli & Tronconi, 2012, S. 68). Damit gewann die Lega Nord 1992 Regionalwahlen, weshalb dieses Konzept der Separation von Italien ins Parteiprogrammatik und in den Wahlkampf von 1994 mit einfloss.

Wirft man einen Blick auf das Wahlprogramm der Lega Nord von 1994, dann fällt auf: Es ist sehr mächtig! Aufgrund ihrer Organisation aus vielen Einzelparteien, flossen viele Themenfelder in das Programm ein. Es umfasst beispielsweise Wirtschaftspolitik genauso wie die bäuerliche Vertretung oder die Kulturpolitik (Volkens, Lehmann, Theres, Merz, & Regel, 2016). In bestimmten Punkten ist es überpunktiert: Es wird beispielsweise beschrieben, wie in Zukunft der Umgang mit Risikokapital (Ventrue Capital) von Statten gehen soll.

Hervor zu heben beziehungsweise für diese Arbeit von Interesse sind laut Wahlprogramm von 1994 (entnommen von den manifesto-Seiten):

• Bezug nehmend auf den Vertrag von Maastricht fordert die Lega Nord eine massive Reduktion der öffentlichen Schulden. • Öffentliche Unternehmen sollten – zu weiten Teilen – privatisiert werden, was den Wettbewerb fördere. • Es brauche Schnittstellen zwischen Forschung und Industrie, um die Entwicklung (des Nordens) zu fördern. • Neben der Zuwanderung aus dem Süden Italiens, wird auch die Einwanderung von Nordafrikanern und Albanern als Problem genannt, das es zu begrenzen gelte. • In vielen Punkten ist das Programm – wie angerissen – sehr detailreich verfasst. So wird beispielsweise eine Erleichterung im Vergabewesen von Krediten oder die Senkung spezieller Sozialkosten verlangt.

221 Fallstudien: Parteien in Regierung

Ein anderer, zentraler Punkt des Wahlkampfs war Padanien: Eine Region, die sich von Italien lösen solle. „As a matter of fact, the Romans took advantage of this love for autonomy and independence, of this unwillingness to be organised into a solid structure, eventually exploiting their lack of organise action to subjugate them“, schreiben dazu die Politikwissenschafter Isabell Fremeaux und Daniele Albertazzi (Fremeaux & Albertazzi, 2002). Die Lega Nord sei eben jene Partei, welche diesen Wunsch, sich los zu lösen, in Politik umsetze und forderte Sezession. Der Norden sei eine homogene Kraft, welche sich nie dem römischen Reich zugeordnet gefühlt habe.

Als weitere Gründe für die Abgrenzung des Norden, Bezug nehmend auf den Sprachdiskurs der Lega Nord, nennen Fremeaux und Albertazzi:

• Eine große Kluft zwischen dem Norden und dem Süden Italiens was Modernisierung, Industrie und Wohlstand betrifft. • In Folge seien finanzielle Probleme Italiens dem Süden, nicht dem Norden, zuzuordnen. • Die Christdemokraten, die zuvor den Norden Italiens dominierten, waren von der Korruptionsaffäre in den 1980ern und 1990ern mehr erfasst als andere Parteien, was politischen Raum öffnete. • Die Lega Nord schuf eine Art esoterische Sprache, die von Umberto Bossi gesprochen wurde und sich in den Köpfen der Leute einbrannte. Sie sei, wie angerissen, mit der Sprache in Bars rund um Mailand verwandt.

Wenngleich die Lega Nord – wie beschrieben – viele Issues in den Wahlkampf brachte, wurde sie dennoch als eine One-Issue-Partei wahrgenommen: Sie verlangte nach einer Loslösung vom Süden beziehungsweise von Rom. Also einer Sezession. Die territoriale Frage wurde mit Klischees untermauert, wie Politikwissenschafterin Patricia Chiantera-Stutte beschreibt:

„The juxtaposition of the honest and hard-working North with the lazy South was the pre-condition for the integration of the different Leagues into the Lega Nord in 1991. (Chiantera-Stutte, 2005, S. 116)”

Parteiobmann war zu jener Zeit bereits Umberto Bossi. Er hatte die Legas kurz zuvor geeint und war 1994 in den ersten Parlamentswahlkampf gezogen. Zuvor konnte die Lega Nord Mandate im Europaparlament für sich gewinnen.

222 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsprogramm 1994

Das Bündnis der Lega Nord mit Berlusconis Forza Italia war beeinfluss durch ein neues Mehrheitswahlrecht, das zu Vorab-Koalitionen aufrief. So kam es dazu, dass die Lega Nord, bis dorthin eine aufstrebende Partei, plötzlich in einer Koalition mit dem postfaschistischen MSI (umbenannt in Alleanza Nazionale) saß. Andernfalls hätte keines der politischen Lager eine Mehrheit gehabt.

Mit landesweit 8,36 Prozent wurde die Lega Nord eine beachtliche Kraft im Parlament (Camera dei deputati). Zum Vergleich: Die stimmenstärkste Forza Italia kam auf 21,01 Prozent. „As a consequence, the party entered the first Berlusconi government with three important portfolios (Interior Affairs, the Budget and Industry), and a more minor portfolio (Institutional Reform) (Bulli & Tronconi, 2012, S. 57).“

In der Regierungserklärung (Camera dei Deputati, 1994), die am 16. März 1994 von Ministerpräsident Silvio Berlusconi verlesen wurde, musste die Lega Nord Kompromisse hinnehmen:

• „Die Einheit des Landes und seine Unteilbarkeit“ sei ein Grundprinzip des Landes, erklärte Berlusconi. Dies widersprach dem Wunsch der Lega Nord nach Sezession. Beziehungsweise war Italien für die Lega Nord keinesfalls „ein Land“, sondern ein künstliches Konstrukt. • Im Gegenzug kündigte Berlusconi an, eine Verfassungsreform anzustreben, was den Regionen mehr Eigenständigkeit bieten könnte. Darauf bauten spätere Autonomiebestrebungen auf. • Die Staatsschulden sollen eingegrenzt werden, was sowohl Berlusconi, als auch die Lega Nord im Wahlkampf forderten. Dies solle passieren, indem primär öffentliche Ausgaben verringert werden sollten. • Die Bürokratie solle in der Industrie und im Gewerbe weniger werden und gleichzeitig sollen viele Staatsbetriebe privatisiert werden – ein weiterer neoliberaler Punkt, den die Lega Nord im Wahlkampf, als auch Berlusconis Forza Italia propagierten.

223 Fallstudien: Parteien in Regierung

• Im Regierungsprogramm wird des Weiteren erklärt, dass im Gesundheitsbereich mehr Wettbewerb entstehen soll, was die öffentlichen Ausgaben senken soll. Diese Forderung findet sich ebenfalls im Programm der Lega Nord.

In Konsequenz konnte die Lega Nord viele Forderungen in gemeinsame Ziele umsetzen, wenngleich ihr Core Issue, die Sezession von Italien, geopfert werden musste. In Koalitionsverhandlungen einigten sich Berlusconis Forza Italia, die Lega Nord sowie die weiteren Parteien innerhalb der Regierung, den Kurs in Richtung Autonomie zu legen. „Moreover, as a consequence of cooperating with its state-wide rivals, the LN’s image as a party fighting against the corrupted system of the ‚Roman’ parties risked being undermined“, schreiben dazu Bulli und Troncini (Bulli & Tronconi, The Lega Nord, 2011).

Kurzum: Die Lega Nord konnte zwar viele Punkte im Regierungsprogramm einfordern, wenngleich es nur jene waren, für welche auch Forza Italia stand. Ihr Kernthema, die Ablösung von Italien, wurde auf die Warteliste gesetzt, was zwar den politisch möglichen entsprach, viele Anhänger der Partei jedoch enttäuschte.

224 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsperiode 1994/95

Die erste Regierungszeit währte mit rund acht Monaten nur kurz. Während Berlusconi ein „neues italienisches Wunder“ (Pallaver & Gärtner, 2006, S. 105) proklamierte, geriet die Lega Nord zunehmend in Bedrängnis, waren doch die Interessen der beiden Partner nicht deckungsgleich: Während Berlusconi sich selbst und seine Herrschaft „vermarktete“, kam es zwischen der Lega Nord und dem Co- Bündnispartner Movimento Sociale Italiano (MSI) beziehungsweise der Alleanza Nazionale (AN; der Name änderte sich) unter Gianfranco Fini zu Spannungen.

Während den Postfaschisten der AN die Einheit des italienischen Staats ein hohes Gut war und auch Berlusconis FI eine solche einforderte (siehe Regierungserklärung im Kapitel zuvor), wollte die Lega Nord genau diese zu Gunsten von mehr Föderalismus (eine abgemilderte Form der verlangten Sezession) beschneiden; wenngleich ihre Wähler sich weiterhin nach einer Sezession sehnten. Zudem war MSI-AN genau gegenteilig aufgestellt als die Lega Nord: Während die Lega Nord vorwiegend im Norden des Landes gewählt wurde, war MSI-AN im Kern eine (Regional-)Partei des Südens (Christen, 2001, S. 120).

Seitens der politischen Abläufe gab es Spannungen zwischen Forza Italia und der Lega Nord. Einerseits kam es zu Reibungen zwischen Berlusconi (FI) und Umberto Bossi (LN); andererseits zeigten die Europawahlen 1994, dass Forza Italia auf Kosten der Lega Nord Stimmen gewinnen konnte. Beide Parteien haben ihren Ursprung im Norden Italiens und konkurrierten dabei um Wähler. Inhaltlich waren sich beide Parteien über eine anstehende Pensionsreform nicht einig.

Dieser unüberwindbare Graben zwischen Parteiführung und Anhängern, die thematischen Gräben und eine Wahlniederlage bei den Europaparlaments-Wahlen im Jahr 1994 führten dazu, dass die Lega Nord aus der Regierung austrat und so das Kabinett von Berlusconi keine Mehrheit mehr hinter sich wusste (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 35).

Die Lega Nord kam zudem von unten in Bedrängnis, also von ihren Funktionären und Anhängern aus, welche die ausbleibenden Sezessionsbestrebungen kritisierten. Deren Ziel war es, wie beschrieben, sich von Italien zu lösen. Neben anderen Spannungen innerhalb der Partei führte dieses Sezessions-Issue zum Ende der

225 Fallstudien: Parteien in Regierung ersten Regierungszeit von Berlusconi I. Hierbei ist ein Widerspruch zwischen Rhetorik (Loslösung von Italien) und der tatsächlichen Politik (es war in der Koalition keine Loslösung von Italien möglich) zu beobachten.

Hinzu kam allerdings ein Faktor, der mehrere Regierungen ab 1994 zu Fall brachte: ein neues Wahlrecht. Während es früher einen maßgeblichen Regierungsblock aus einer geringen Anzahl an Parteien und die Opposition gab, bestanden Regierungen von nun an aus mehreren Parteien – mit teils maßgeblich abweichenden Einstellungen, Absichten und Zielen. „When these government coalitions are oversized, the unnecessary member(s) are retained. This is exactly what happened in Italy in 1994, 2001 and 2008 (de Lange, 2012, S. 912).“

Sprich: Auch linke Regierungen scheiterten an diesen neuen Regeln des Wahlrechts, die in Folge wieder modifiziert wurden. Dies relativiert das Ende von Berlusconis erster Amtszeit als Ministerpräsident. Wenngleich, zur Ergänzung, dies nicht die Fragestellung vorliegender Arbeit ist.

Allerdings, und dies ist wesentlich für diese Betrachtung, stellt sich die Frage, welche Art von Partei die Lega Nord seitens ihrer Typologie von 1994 war? Bis Ende der 1990er, das zeigt die Betrachtung im Detail, war die Lega Nord primär für die regionale Unabhängigkeit Padaniens. „[...] since 1999 the party has put aside references to secession in favour of a more moderate and credible demand for federal reform“, schreiben dazu Giorgia Bulli and Filippo Tronconi in ihrer Bewertung zur Lega Nord (Tronconi & Bulli, 2011, S. 71ff). Wenngleich es zu betonen gilt, dass die Lega Nord sich ablehnend gegenüber Zuzugs und gegenüber der Staatsmacht zeigte, von der er sich zu lösen galt.

226 Fallstudien: Parteien in Regierung

Folgen der Regierung

In der folgenden Oppositionszeit (Ende 1994 bis 2001) unterstrich die Lega Nord ihre Sezessionsbestrebungen. Sie gründete unter anderem das Parlament des Nordens, das seinen Sitz in Mantua hatte (Bulli & Tronconi, 2012, S. 81). Die Partei unterstrich damit die gefühlte Eigenständigkeit gegenüber Italiens und inszenierte, wie der Norden sich selbst verwalten könne. Gleichzeitig sank die Anzahl an Parteimitgliedern (beziehungsweise wurden sie ausgeschlossen), während Masseninstrumente wie eine Zeitung und ein Radiosender gegründet wurden.

Inhaltlich setzte die Partei, wie beschrieben, 1994 und noch mehr in Folge auf die Unabhängigkeit des Nordens und auf eine wachsende Ausgrenzung von Migranten. Das Resultat war, wie die Bulli und Tronconi schreiben, die stärkste Oppositionsphase, welche die LN bis 2001 zeigte. Dies unterstreicht, wie wandlungsfähig sich die Partei zeigen kann; was zu diesem Zeitpunkt auch notwendig war, um die Spannungen zwischen Parteiführung und Anhängern zu glätten.

Summiert man diese Faktoren zusammen, liegt der Schluss nahe, dass die Lega Nord der ersten Regierungszeit (1994) bis hin zur Jahrtausendwende zweifelsohne rechtspopulistisch war, jedoch sehr stark auf die Sezession fokussiert war. Es handelte sich primär um eine regionalistische Partei mit Umberto Bossi als klaren Anführer, der alle wesentlichen Entscheidungen kontrollierte:

„From its origins, and especially during a delicate period of institutionalisation, the LN has been heavily dependent on its leader Umberto Bossi. Bossi has been responsible for all the major decisions made by the party, and has tightly controlled access to the inner circle of the dominant coalition. Moreover, loyalty to the leader has always been a necessary requirement to remain within the party elite (Tronconi & Bulli, 2011, S. 72).“

Politikwissenschafter Gianluca Passarelli (Sapienza University of Rome) ergänzt beziehungsweise argumentiert, dass sich die Wähler der LN selbst erst ab 2001 verstärkt rechts der Mitte positionierten. Zuvor betonte die Partei stets, dass Rechts oder Links Propagandabegriffe seien, von welchen sie sich nicht vereinnahmen lasse, wie Bossi in einer Beschreibung seiner Lega Nord erklärte (Lega Nord, 2001).

227 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bezogen auf die Daten der Italian National Election Studies, Bezug nehmend auf die Untersuchungen Passarellis, glaubten die Wähler der Lega Nord (Selbstbild) der Partei 1999, in der Mitte der Links-Rechts-Skala zu liegen (5 Punkte in der Selbsteinschätzung auf der 10-teiligen Skala), während sie im Jahr 2001 auf 7 und später auf 8 Punkte nach rechts rutschten:

„Therefore, on this dimension, the party’s electorate has clearly moved to the extreme right, and its radicalization has meant an increasing gap between LN voters’ self-placement scores on the left-right dimension vis-a’- vis the electorates’ as a whole. In particular, the LN passed from a mean score of 5 to more than 8, while the Italian electorate remained at about 5 (Passarelli, 2013, S. 60ff)“

Erst rund die Jahrtausendwende, argumentiert Passarelli, habe sich die Lega Nord klar als eine rechts-positionierte Partei deklariert und nennt in diesem Zusammenhang vier zentrale Indikatoren:

1. Autoritarismus und der Wunsch nach einem starken Anführer werden spürbare Werte 2. Anti-Immigrations-Tendenzen werden nachgefragt 3. Es wird zwischen „Wir“ und „Die anderen“ getrennt; im Speziellen bezogen auf die Finanzierung von Wohlfahrtsleistungen 4. Politische Unzufriedenheit mit staatlichen Einrichtungen werden zum Ausdruck gebracht

Fazit: Die erste Regierungsperiode (Berlusconi I) scheiterte an der Lega Nord, die zu dieser Zeit sehr stark auf das Sezessions-Thema fokussiert war. Wenngleich Bossi in der Regierung um einem Kompromiss rang, musste er schlussendlich gegensteuern: Er löste die Regierung auf und konnte ein Zerbrechen der Partei verhindern, in dem er in Opposition das Sezessionsthema vertiefte.

Dank seines Managements konnte die Lega Nord als eine Partei bestehen bleiben (und zerfiel nicht wieder in die einzelnen Ligen), wenngleich die sie inhaltlich scheiterte. Die Konsequenz war der Fokus auf das Kernthema und die Bildung von Massenmedien wie einer Zeitung oder einem Radiosender.

228 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bilanz: Berlusconi I

I. Seitens ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit hatte die Lega Nord von 1994 zwar einen großen Katalog an Forderungen (Privatisierungen, mehr Effizienz im Gesundheitswesen, Reformen in der Industrie, usw.), sie wurde von ihren Anhängern jedoch primär als One-Issue-Partei wahrgenommen, die anfangs weder links, noch rechts stünde: Die Bemühungen, sich von Italien zu lösen (Sezession), waren zentral für ihre Wähler, woran sie bereits in der Regierungserklärung scheiterte. Dieses Scheitern führte zu Unruhen innerhalb der Lega Nord, welche wenige Jahre zuvor genau aus diesem Kernthema heraus entstanden war. Inhaltlich, in Konsequenz, scheiterte die Lega Nord in ihrer ersten Regierungszeit und musste um den Fortbestand der Partei kämpfen. II. Die personellen Ressourcen und Konstanz sind in diesem Fall eng mit Verhaltensmustern verknüpft, zumal die Partei mit dem Ende der (sehr kurzen!) Regierungstätigkeit beinahe zerfallen wäre: „On the other hand, an all too successful adaptation to these new roles and requirements always contains the danger of alienating core supporters, who can no longer distinguish the previous anti-system opposition from the political establishment. This may also lead to an identity crisis within the party, impairing its political performance – this was essentially the reason for the Lega’s decision to pull out of the first Berlusconi administration, resulting in the collapse of that coalition government”, kommentiert Heinisch das Ende von Berlusconi I (Heinisch, 2003, S. 102). Die Lega Nord verlor dabei nicht nur Anhänger, sondern auch ein Drittel ihrer Abgeordneten innerhalb des Parlaments: „[...]an extremely turbulent and short-lived administration characterised by almost constant clashes between the LN and its partners, with the prime minister bearing the brunt of the party’s attacks“, schreiben die beiden Politikwissenschafter Albertazzi und McDonnel das Jahr 1994 (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010).

229 Fallstudien: Parteien in Regierung

III. Die Verhaltensmuster waren, wie beschrieben, konfliktreich, führten die Spannungen zwischen Parteiführung und grassroots zum Ende der ersten Regierungsbeteiligung. Allerdings konnte Leader Bossi die Partei – trotz Abspaltungen – vor dem Zerfall retten und gründete Massenbewegungen wie Zeitungen, einen Radiosender und veranstaltete Kundgebungen zu Gunsten von Padanien, was die Anhänger einte und seine Stellung festigte (Albertazzi & McDonnell, 2010, S. 1322). Die Konflikte durchzogen auch die Führung der Partei, von welcher sich rund ein Drittel der Abgeordneten trennte. IV. Ein Mitauslöser des Scheitern waren die Wahlen zum Europaparlament 1994 (6,6 Prozent), bei denen die Lega Nord Stimmen verlor und an Popularität einbüßte. Bis zu den nächsten Parlamentswahlen wurde der Kurs grundlegend verändert (Fokussierung auf die Opposition und die Sezession), was zu einem Wachstum führte: von 8,4 auf 10,1 Prozent (1996), wenngleich mit leicht verändertem Wahlrecht. Dieses Wachstum an Stimmen stabilisierte den Leader Umberto Bossi.

In Summe scheiterte die Lega Nord während der Regierung von 1994 in allen Punkten, wenngleich sich die Partei in der darauf folgenden Oppositionszeit stabilisieren konnte. Die Partei stärkte in der Folge ihren Medienapparat und reduzierte gleichzeitig die Mitgliederzahl.

230 Fallstudien: Parteien in Regierung

Berlusconi II

Programm der LN 2001

Anfangs feierte die Lega Nord mit ihrer extremen Fokussierung auf das Thema Sezession Wahlerfolge wie etwa 1996, als sie bei den Parlamentswahlen 10,1 Prozent erringen konnte. Die Stimmung drehte sich rasch und die Wahlergebnisse der Partei implodierten in der Oppositionszeit. Ihren Tiefstand hatte die Lega Nord 1999, also sie bei den Europawahlen weniger als die Hälfte der Wähler gewinnen konnte und bei 4,5 Prozent landete.

In Folge entschloss sich die Partei, ihr Programm radikal, wenngleich wenig sichtbar, zu wandeln – und das, nachdem Umberto Bossi 1996 noch in Venedig die Republik Padanien ausgerufen hatte (Lega Nord, 1996), die jedoch von keinem Land akzeptiert wurden. Die Lega Nord gab nun den Anspruch auf Sezession auf und forderte fortan mehr an Autonomie (Bulli & Tronconi, 2012, S. 58).

„Separatism proved to be an unsuccessful and expensive gamble, however, and the productive North from which the Leg had emerged showed little interest in Padania, especially after the Prodi government had piloted successful Italian entry into EMU. As a result, the late 1990s were years of dwindling electoral fortunes for the Lega, characterised by bitter internal splits and disillusionment among its support base“, schreiben Albertazzi und McDonnel über die Lega Nord zur Zeit vor Berlusconi II (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 955).

Die Lega Nord selbst schrieb zu den Wahlen von 2001 in ihrem Programm:

„The message conveyed was simple to understand: the Regions of the North need greater autonomy from Rome. If Italy is to become a truly modern State, we must introduce a new Constitution based on federalism; models to look at are the US (at least, the ideas behind their Constitution), Switzerland, Spain (where the Region of Catalunya is largely autonomous from Madrid), Belgium, Australia. Federalism means sovereign powers for the local communities and the faculty of investing locally most of the money collected locally; it also allows the local traditions and languages to be appreciated.“ (Lega Nord, 2001)

231 Fallstudien: Parteien in Regierung

Dieser Umbruch hin zur Forderung nach Autonomie erfolgte seitens der Kommunikation primär jedoch nach den Parlamentswahlen (Abgeordnetenkammer) von 2001, bei denen die Lega Nord den Tiefststand der Zustimmung erreichte: 3,9 Prozent der Stimmen. Der Anspruch, den die Partei weiterhin vor der Wahl suggerierte, war jener einer Republik Padoniens, die es aus Sicht der Lega Nord ja bereits gab. Beziehungsweise schritt sie auf dem schmalen Grat, einerseits die Anhänger zufrieden zu stellen und andererseits neue Wähler zu gewinnen.

Zur Zeit der Parlamentswahl sprach sich die Lega Nord jedoch auch gegen Zuwanderung aus. Also einerseits gegen jene aus dem Süden Italiens; andererseits – per Gesetzesentwurf mit Unterschriftslisten – auch gegen Zuzug von Ländern außerhalb der Europäischen Union (Lega Nord, 2000).

Betrachtet man die Website der Partei vom April 2001 und folgt man der Literatur, zeichnet sich ein ambivalentes Bild:

• Der Lega Nord war bewusst, dass es einen Wandel innerhalb des Parteiprogramms braucht und stellenweise zeichnete sich dieser bereits ab. • Nach außen hin suggerierte die Partei, vorrangig eine Partei der Republik Padaniens zu sein, welche sie im September 1996 in Venedig ausgerufen hatte; gleichzeitig forcierte sie bereits die Autonomie (fiscal federalism), zumal eine Sezession politisch nicht durchsetzbar war.

Seitens ihres Programms für die Wahlen von 2001 suggerierte die Lega Nord auf ihrer Website (Lega Nord, 2001):

• Weiterhin eine Single-Issue-Partei zu sein, welche sich – allen voran – für die Loslösung Padaniens (beziehungsweise der Republik Padaniens) vom Rest Italiens („Für die Unabhängigkeit von Padanien“) – mit dem Hinweis auf die Autonomie, sozusagen den Plan B. • Parallel dazu grenzte die Partei Ausländer aus; insbesondere jene, die aus Staaten außerhalb der Europäischen Union einreisen wollen (Gesetzesentwurf mit Unterschriftenlisten lag ab März 2000 zum Unterschreiben auf) • Neben dem Parlament des Nordens, das die Lega Nord mit der Gründung der Republik ins Leben rief, betrieb die Partei einen Medienapparat, der etwa Radio Padania Libera Online (Lega Nord, 2001) umfasste, einen Radiosender, und eine Zeitung.

232 Fallstudien: Parteien in Regierung

Zusammenfassend: Bezogen auf die Inhalte, welche die Lega Nord vor den Wahlen veröffentlichte, war sie jene Partei, welche sich aus der Regierung Berlusconi I zurück zog: Eine regionalistische Partei mit wirtschaftsliberalen, rechtspopulistischen Zügen, die sich für eine Abgrenzung gegenüber des Südens und gegenüber Ausländern stark machte. Sie propagierte eine selbst geschaffene Welt aus einer Republik, die es nur in ihrer Vorstellung gab.

Die Lega Nord setzte gleichzeitig jedoch auf die Autonomie, die realistischer und mitunter durchsetzbar erschien. Die norditalienische Partei suggerierte, dass eine Sezession nur schrittweise zu erreichen sei: Erst komme die Autonomie und in einem weiteren Schritt könne eine komplette Abtrennung von Italien möglich werden. Man müsse geduldig sein, erklärte die Partei ihren Mitgliedern, denen die Sezession ein Anliegen war beziehungsweise immer noch ist.

„An agreement was reached which saw the LN give up the issue of secession and promise loyalty to the centre-right coalition, in exchange for federal reforms to be approved in the legislature following the 2001 general election“, schreiben Bulli und Troncini zu den Bedingungen vor den Parlamentswahlen 2001 (Bulli & Tronconi, The Lega Nord, 2011). Das Glas war weder voll, noch leer, aber diese Lösung schien der beste Kompromiss für die Lega Nord und ihre möglichen Koalitionspartner, allen voran Berlusconis Wahlbündnis zu sein.

233 Fallstudien: Parteien in Regierung

Wahlergebnis, Regierungsprogramm 2001

Die Bezugnahme auf das Wahlprogramm der Lega Nord ist eine schwierige, zumal es a) mit dem Ergebnis von gerade einmal 3,9 Prozent für die Partei ums Überleben ging und b) der Kompromiss, die Überarbeitung der Verfassung, eine Absprache der Partei-Leader war, also kein Wahlkampf-Issue. Das Thema eines eigenständigen Padaniens, einer unabhängigen Republik, war nach den Wahlen vom Mai 2001 ein historisches. Die Lega Nord musste sich nun auf die Durchsetzung der Autonomie fokussieren – mit Umberto Bossi, der als Minister für Verfassungsreformen bestellt wurde.

„In terms of numbers, the 2001 general election was a disaster for the Lega Nord as it confirmed the declining trend in the party’s vote seen in European and local elections over the previous five years“, kommentieren Albertazzi und McDonnell die Situation von 2001 (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord in the second Berlusconi government: In a league of its own, 2006). Statt 180 Parlamentarier nach Rom senden zu können (1994), waren es nun nur mehr 43 Abgeordnete.

Eine erneute Flucht in eine Opposition, wie sie Umberto Bossi 1994 forcierte, war der Wahlniederlage von 2001 nicht machbar: Die Lega Nord war bereits in Opposition. Zudem hatte die Lega Nord bereits die Minderheitsregierung von Giuliano Amato (Mitte-Links) unterstützt. In Folge wählte Bossi den durchaus mutigen Schritt, seine Partei in Regierungsverantwortung zu führen – erneut unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Das Regierungsprogramm verkündete dieser am 18. Juni 2001.

Die Niederlage der Lega Nord hatte allerdings, wie Albertazzi und McDonnel argumentieren, noch weitere inhaltliche Gründe (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord in the second Berlusconi government: In a league of its own, 2006, S. 955):

• Die Föderalismus- und Steuerfrage wurde von der links-stehenden Regierung vereinnahmt und in Angriff genommen. • Es war ein Ziel der Lega Nord, dass Italien den Einzug in die Europäische Währungsunion verfehlen würde, was nicht eintrat und was der norditalienischen Industrie großen Schaden zugefügt hätte

234 Fallstudien: Parteien in Regierung

• Die Kampagne zu Gunsten von Separatismus war medial groß angelegt und sollte spektakulär sein, um Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In Folge war ihr Misserfolg auch für viele ein spürbares Thema.

Wichtige Punkte Bezug nehmend auf das Regierungsprogramm (policy) von Berlusconi II, welcher die Lega Nord angehörte, waren laut der Regierungsansprache von Silvio Berlusconi (Camera dei Deputati, 2001):

• Die Regierung bekennt sich zur Europäischen Union, zur Mitgliedschaft in der NATO und befürwortet eine Erweiterung der EU (dem hatte die Lega Nord im Wahlkampf widerstrebt). • Berlusconi kündigte an, die Machtfülle in Rom zu verkleinern und Italien stärker zu förderalisieren (ein Kompromiss mit der Lega Nord, die in Folge ihre Forderung nach Sezession aufgab). Der Föderalismus soll besser und damit die Subsidiarität gestärkt werden. Bossi selbst solle als Minister eine Reform erarbeiten. • Die öffentliche Verwaltung soll effizienter werden, was ein besseres Wirtschaftswachstum ermöglichen solle. • Die Wirtschaft, erklärt Berlusconi, sei in Italien in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt weniger stark gewachsen als jene in der Europäischen Union. Er verspricht Maßnahmen, steuerlich wie seitens der staatlichen Verwaltung, welche dies verbessern sollten. • Um das Wirtschaftswachstum in Schwung zu bringen, sollen Aufträge für öffentliche Bauwerke wie Brücken oder Straßen in Auftrag gegeben werden. • Schulen sollten modernisiert werden. Eine EDV-Ausbildung solle Pflicht werden. • Mit Recht und Sicherheit verknüpft Berlusconi die Frage der Zuwanderung von Immigranten. Er spricht sich gegen illegale Einwanderung aus.

Wichtig ist, wie angesprochen, dass die Lega Nord ihre Bestrebung um Sezession – in Folge der Wahlniederlage von 2001 – aufgeben musste und sich für eine stärkere Autonomie einsetzte, was in Folge natürlich den Vorstellungen von loyalen Anhängern widerstrebte. In Folge musste die Partei Mitglieder, welche an die Sezession glaubten, besänftigen und gleichzeitig neue Anhänger für sich gewinnen.

235 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bezüglich der Ankündigung, die Bürokratie abzubauen, Staatseigentum zu privatisieren (neoliberalistische Ansätze) und gleichzeitig Ausbildungseinrichtungen zu modernisieren – das waren auch Punkte, welche die Lega Nord seit Jahren in ihrem Programm stehen hat. Verglichen mit anderen rechtspopulistischen Parteien, etwa der FPÖ, zeigte sich die Lega Nord laut Regierungsprogramm nicht EU-skeptisch.

Mit drei Ministern war die Lega Nord in der Regierung Berlusconi II vertreten:

• Roberto Castelli (Justiz) • Roberto Maroni (Arbeit und Soziales) • Umberto Bossi (Verfassungsreformen); 2004 musste er nach einem Herzinfarkt und einem Schlaganfall das Amt an Roberto Calderoli

Bis auf den gesundheitsbedingten Wechsel war die Lega Nord eine stabile Fraktion innerhalb der Regierung. Bei Forza Italia und der Alleanza Nazionale, zum Vergleich, waren Personalwechsel häufiger der Fall.

Wichtig war, zusammenfassend, dass die Lega Nord Königsmacherin innerhalb der Regierung war. Ohne sie hätte Berlusconi keine Mehrheit hinter sich gewusst, was der Partei – wenngleich sie bei der Wahlen massiv an Stimmen verloren hatte – Macht gab, was sie zu nutzen wusste.

236 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsperioden Berlusconi II

Juni 2001 – April 2005

Nach mehreren inkonstanten Mitte-Links-Regierungen zwischen 1994 und 2001, in denen auch die Kommunisten – links außen – Platz fanden, konnte Forza Italia bei den Wahlen 2001 erneut einen großen Erfolg feiern: Mit einen Plus von 8,86 Prozent stieg sie zur stimmenstärksten Partei (Formal genommen damals ein Verband) auf und wurde mit rund 29,4 Prozent die stärkste Kraft im Parlament. Es bildete sich eine von Berlusconi geführte Koalition, die zwischen Juni 2001 und April 2005 im Amt war. Die Lega Nord erzielte 2001 gerade einmal 3,9 Prozent und verlor gegenüber 1996 mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Der zuvor geschilderte Sezessionskurs in der Opposition schien ihr geschadet zu haben (siehe Kapitel zuvor).

Den Wahlen voraus gegangen war eine Werbekampagne von Berlusconi mit einer Broschüre, einem „Vertrag mit den Italienern“, die er an jeden Haushalt versendet hatte (Köppl, 2009, S. 166). Der Politiker und Unternehmer versprach, Italien grundlegend zu verändern und schaltete dazu eine Werbekampagne auf seinen Fernsehsendern. Hinzu kam ein Streit innerhalb des breiten Spektrums an Linksparteien, welcher Berlusconi dienlich war.

Die Rolle der Lega Nord war nun, wie Albertazzi und McDonnel argumentieren, eine andere als während der ersten Regierung: 1994 konnte Bossis Partei zwar deutlich mehr an Stimmen sammeln; dafür war sie nun jedoch der Königsmacher: Mit ihr konnte Silvio Berlusconis Wahlbündnis Casa delle Libertà die nötigen Stimmen sammeln, um eine Regierungsmehrheit zu bilden. Des weiteren verband Bossi und Berlusconi nun eine Art politische Freundschaft:

„This decline in its public mandate and parliamentary representation was offset, however, by the second major difference: the privileged relationship which Umberto Bossi seemed to enjoy with the Forza Italia Prime Minister, Silvio Berlusconi, and Finance Minister, Giulio Tremonti (who had helped bring the Lega back into the centre-right fold and is perceived as being very close to the party) (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord in the second Berlusconi government: In a league of its own, 2006, S. 956).“

237 Fallstudien: Parteien in Regierung

Aus diesem Zirkel heraus bildete sich, wie Albertazzi und McDonnel argumentieren, ein Norditalienischer Kreis an führenden Politikern mit Bossi, Berlusconi und Tremonti, welcher stark Business-orientiert war. Der Macht, die Berlusconi der Lega Nord zugestand, stand Bossis Hilfe gegenüber, der den Regierungs-Chef als Verteidiger gegenüber den „richtigen Politikern“ – den System- Professionalsten – darstellte. Dies ist, in populistischer Analyse betrachtet, die Rechtfertigung einer vertikalen Abgrenzung.

Dem norditalienischen Zirkel standen – in derselben Koalition – ein nach Süden orientierter Kreis rund um Christdemokraten und der Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini. Die Lega war insofern wichtig, als dass sie die Gespräche zwischen beiden Gruppen stets aufrecht hielt und die Regierung damit arbeitsfähig hielt. Gegen Ende der Regierungszeit sollte dieses Bündnis enden, was der Rücktritt von Finanzminister Giulio Tremonti einläutete (Bull A. , 2009).

Die Regierung Berlusconi II, welche sich nach der Wahl formte, hielt vier Jahren lang, wenngleich sie keinesfalls konfliktfrei ablief. Einerseits festigte sie sich, in dem Bossi und sein politischer Counterpart Fini eine Art Frieden fanden und Bossi stark mit Berlusconi kooperierte. Andererseits spielte die Lega das Spiel, eine Oppositionspartei innerhalb der Regierung zu sein und Berlusconi vertikal abzugrenzen, was andere Regierungsparteien als störend empfanden.

Die Lega Nord war in Institutionen zwar vertreten, stand gleichzeitig aber auch außerhalb. Sie wollte einerseits Einfluss nehmen; wollte sich andererseits aber auch zurückziehen können, um die Schuld weiter zu reichen, sollten die Dinge nicht nach ihren Vorstellungen laufen. Es war, zusammengefasst, eine Art Doppelspiel, das die Lega Nord betrieb (Albertazzi & McDonnell, 2006, S. 958ff).

Bezogen auf die Inhalte scheiterte die Regierung (während Berlusconi II) an einer Verfassungsreform – im Grunde die zentrale policy-Forderung der Lega Nord–, welche die Koalition zu Beginn ohne Bildung einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit durchsetzen wollte. Dieses sollte mehr Kompetenzen auf die Regionen übertragen, wie Bossi als Verfassungsminister angekündigt hatte: „Bossi’s ‘devolution’ bill, announced publicly at the beginning of July 2001, promised to transfer healthcare, education and training, and even some aspects of policing, to sub- national tiers of government“, schreibt Anna Cento Bull zu den Plänen der Lega.

238 Fallstudien: Parteien in Regierung

Um die Verfassung zu ändern, braucht es jedoch eine Zwei-Dritte-Mehrheit im Parlament oder – alternativ – eine einfache Mehrheit innerhalb der Zweiten Kammer und eine Mehrheit bei einer Volksbefragung (sofern eine Partei Einspruch erhebt, was geschah). Hierfür zuständig war Minister Bossi, der bis 2004 für Verfassungsreformen zuständig war (2004 schied er gesundheitsbedingt aus der Regierung aus).

„Im Oktober 2003 brachte sie [Lega Nord, Anmerkung] einen entsprechenden Gesetzesentwurf ins Parlament ein, in dem nicht weniger als die Staats- und Regierungsform, das Gesetzgebungsverfahren sowie das Verhältnis sämtlicher Verfassungsorgane zu einander verändert werden sollten. Hierbei ging es beispielsweise um die Föderalisierung Italiens und die Stärkung des Regierungschefs.“ (Kneisler, 2011, S. 189)

Zum Ende der zweiten Regierungsperiode wurde beschlossen, eine Volksbefragung zur Verfassungsreform durchführen zu lassen, was als Teilerfolg der Lega Nord gewertet werden kann.

Die Abläufe innerhalb der Lega Nord stabilisierten sich, vergleicht man die zweite mit der ersten Regierungsperiode. Die Partei wandelte ihren Kurs von einer Loslösung von Italien hin zu einer Autonomisierung aller Provinzen innerhalb Italiens. „[...] the LN carefully picked friends and foes among its allies – doubling its vote in the process (from 3.9 per cent in 2001 to over 8 per cent in 2008)“, schreibt dazu Albertazzi (Albertazzi, Reconciling ‘Voice’ and ‘Exit’: Swiss and Italian Populists in Power, 2009, S. 4). Während Forza Italia Unruhe innerhalb der Koalition ausstrahlte, fand die Lega Nord damit hin zu einer Stabilität.

Ein anderer wichtiger Themenpunkt war mit Fragen der Einwanderung verbunden. Hierbei wollte und musste die LN gegenüber ihren Anhängern „Härte“ zeigen (wie zwischen 1996 und 2001 propagiert), was zwar entgegen der Interessen der Europäischen Union stand, für ihr Image aber ein wichtiger Schritt war.

Im Programm der Lega hieß es dazu, dass die politischen, historischen und kulturellen Anliegen der Norditaliener („wir“) ein höheres Anliegen genießen als die Interessen des Südens und jener, die von außen in das Land strömten (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 43).

239 Fallstudien: Parteien in Regierung

Ein für diese Untersuchung maßgeblicher Schritt ist das Bossi-Fini-Gesetz, das die Lega Nord zusammen mit der Alleanza Nationale (unter Gianfranco Fini) während Berlusconi II durchsetzen konnte: Die Regeln sahen vor, dass eine Einreise nach Italien nur bezogen auf eine spezielle Arbeitstätigkeit vorgesehen war (ein Kompromiss mit Industriebetrieben, die mehr Zuwanderer forderten). Nachdem die Joberlaubnis jedoch abgelaufen war oder man die Arbeit wechseln wollte, drohte die Ausweisung. Wer sich illegal im Land aufhielt, dem drohte eine Gefängnisstrafe samt Abschiebung (Bull, 2010, S. 412). Die Entscheidungen, ob man bleiben dürfte oder gehen müsse, trafen lokale Entscheidungsorganisationen in ganz Italien (Di Muzio, 2012), was ein Stück weit ein autonomistischer Baustein war.

Wie Anna Cento Bull beschreibt, seien daraus rechtspopulistische Einflüsse ableitbar, welche von der Lega Nord vorgegeben wurden. Die Partei verbinde Einwanderung mit Kriminalisierung und versuche damit, weiterer Einwanderung einen Riegel vorzuschieben. „Überrollt“ wurde das Gesetz von den Flüchtlingswelle nach dem Arabischen Frühling und dem Syrien-Konflikt.

Während Berlusconi II wandelte die Lega Nord, wie angesprochen, ihre Autonomie-Bestrebungen. Nachdem die Partei bei den Parlamentswahlen 2001 auf 3,9 Prozent gefallen war, änderte sie den Blickwinkel: Während sie bislang primär gegen Süditalien wetterte, erklärte sie fortan – verstärkt – Immigranten zu Freinden des Staats. Das Bossi-Fini-Gesetz war ein erster Schritt hierzu.

Während der Regierungszeit konnte Bossi durch ein geschicktes Spiel aus Freund-und-Feind-Politik eine akzeptable Beziehung zu süd- und mittelitalienisch orientierten Parteien aufbauen. Bossi unterstrich gegenüber seinen Anhängern, mit der Lega Nord eine Außenseiterstellung zu vertreten, während der politische Tagesprozess zu einer arbeitsträchtigen Normalität fand. In diesem Fall war es der Leader, Umberto Bossi, der Gesagtes und Gemachtes voneinander trennte und so das Bild eines glaubwürdigen Politikers (für seine Anhänger) vermittelte.

240 Fallstudien: Parteien in Regierung

Während Berlusconi II erlitt Bossi im März 2004 jedoch einen Herzinfarkt und Gehirnschlag. Er zog sich in Folge aus der italienischen Politik zurück und wurde nach seiner Genesung, die einiges an Zeit in Anspruch nahm, Abgeordneter im EU- Parlament. Die Stelle des Vorsitzenden der Partei behielt er weiter, wenngleich ihm auf Bundesebene Roberto Calderoli ersetzte.

Die Regierung Berlusconi II endete nach Verlusten von Berlusconis Partei (Forza Italia) bei den Regionalwahlen 2005. Innerhalb der Amtszeit wurde die Regierungsmannschaft mehrfach umgeformt, wenngleich die Mannschaft der Lega Nord (mit Ausnahme von Bossis Erkrankung, welcher durch Roberto Calderoli ersetzt wurde) dieselbe blieb.

Im politikwissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs prägte sich, bezogen auf Forza Italia, der Begriff einer „Plastikpartei“ ein (Raniolo, 2006, S. 439): Berlusconi war der Lenker und Bestimmer einer Partei mit sehr geringen Graswurzel-Einflüssen. Die Lega Nord hingegen war eine regionale Partei mit starker lokaler Präsenz und einer beachtlichen Zahl an Mitgliedern. Umberto Bossi, Vorsitzender der Partei, verkörperte die Partei und agierte klar als Führer. Verglichen zur Forza Italia war Bossis Einfluss auf die Partei ein anderer als im Falle von Berlusconis.

Die Lega Nord strahlte mit wortgewaltigen Reden von Bossi zwar Unruhe aus; faktisch war sie jedoch, verglichen zu Berlusconis Forza Italia, der Ruhepol innerhalb der Koalition. Das angesprochene Geschick Bossis, Worte und Taten voneinander zu trennen und dritte als Schuldige zu benennen, führte zu einem Zustand der (vermeintlichen) Ruhe innerhalb der Regierung.

241 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bilanz: Berlusconi II

I. Seitens ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit war die Lega Nord ein Stück weit im Wandel gefangen: Einerseits hatte sie im Wahlkampf die Kampagne um Sezession vorangetrieben; andererseits war eine solche nicht durchzusetzen, was die Partei dazu bewog, die Strategie auf die Forderung nach mehr Autonomie zu verändern, was zuvor bereits die Mitte-Links- Regierung voran trieb. In Konsequenz gab es für die Partei, welche ihre Inhalte stets groß inszenierte, kein eigenständiges Thema mehr, mit welchem sie sich von anderen Parteien abheben konnte. Wenngleich sie mit ihrer Anti-EU-Politik in Summe scheiterte (dagegen sprach sich die Regierungspartner aus), konnte sie sich mit ihrer Forderung nach einer Verschärfung des Einwanderungsrechts durchsetzen, das sich im Bossi-Fini-Gesetz äußerte, das schärfere Regeln vorsah, wenngleich es mit den Vorstellungen der Industrie kollidierte (diese forderte nach Arbeitskräften aus dem Ausland, die notwendig seien). In Konsequenz ist das policy-Resümee der Lega Nord nach Berlusconi II gemischt: Einerseits scheiterte die Partei, etwa in Bezug auf die Verfassungsreform oder der Position Italiens innerhalb der Europäischen Union; andererseits konnte sie die Einreisebedingungen verschärfen, was aus ihrer Sicht als inhaltlicher Erfolg zu bewerten ist. Die Verfassungsreform konnte sie nicht durchsetzen, wenngleich sich das Parlament unter Berlusconi II auf die Durchführung einer Volksabstimmung einigte und den Termin ansetzte. II. Verglichen zu anderen rechtspopulistischen Parteien, die schnell eine Regierungspartei wurden, hatte Bossi mehr Zeit, um die Lega Nord zu formen. Die personellen Ressourcen und die Konstanz waren hoch, was unter anderem das Jahr 2004 bewies, als Bossi gesundheitlich schwer erkrankte und sich zurück ziehen musste: Die Partei blieb während dessen bestehen und setzte seinen Kurs fort.

242 Fallstudien: Parteien in Regierung

III. Ruhe herrschte bezüglich der Verhaltensmuster der Partei. Einerseits konnte Bossi – wie zuvor bereits beschrieben – mit klaren Hierarchien seine Partei vorab ordnen und Streitigkeiten klein halten. Andererseits war die „Nordachse“ (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord in the second Berlusconi government: In a league of its own, 2006, S. 956) ein Garant für eine stabile Zusammenarbeit, welche erst mit dem Rücktritt von Finanzminister Giulio Tremonti endete. Politisch fanden auch Lega Nord und Alleanza Nazionale, zwei im Grunde entgegengesetzt aufgestellte Parteien, mit dem Bossi-Fini-Gesetz zueinander, das die Zuwanderung von Ausländern erschwerte und stark in Kritik geriet. In Summe konnte die Lega Nord durch ein geschicktes Freund-Feind-Spiel Erfolge feiern. Die Partei habe gelernt, in Rom zu bleiben, kommentiert Albertazzi die zweite Regierungsperiode der Lega Nord seitens ihrer Verhaltensmuster (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1318). IV. Bezogen auf auslösende Ereignisse konnte sich die Lega während der zweiten Regierungszeit stabilisieren. Bei den Europawahlen stieg sie von 3,9 Prozent (Parlamentswahlen 2001) auf 5,0 Prozent. Bei den Parlamentswahlen 2006 (Anmerkung: dazwischen lag die kurze Berlusconi-III-Regierung) errang die Partei 4,6 Prozent (Abgeordnetenkammer) beziehungsweise 4,5 Prozent (Senat). Kurzum: Die Zugewinne sind gering, wenngleich es um einen kleinen Erfolg handelt. Der Fall, der 2001 mit dem Tiefststand auf 3,9 Prozent zu beobachten war, wurde von der Partei gestoppt.

243 Fallstudien: Parteien in Regierung

Berlusconi III

Parteiprogramm, Regierung 2005

Der Regierungsbildung 2005 war keine Wahl voraus gegangen: Berlusconi II endete nach Regionalwahlen, welche für Forza Italia nicht mit dem erhofften Ergebnis zu Ende gingen, wenngleich die Lega Nord ihren Zuspruch stabilisieren konnte (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord in the second Berlusconi government: In a league of its own, 2006, S. 956ff). Der Freifall, in dem sich die Partei nach den Parlamentswahlen von 2001 befand (3,9 Prozent), war bei den Regionalwahlen 2005 gestoppt worden. Und dies, obwohl Leader Umberto Bossi 2004 einen Herzinfarkt und Gehirnschlag erlitten hatte, was die Lega Nord in ihrem Auftreten schwächte (wenngleich er 2004 als Abgeordneter ins EU-Parlament einzog).

Seitens ihres Auftretens, betrachtet man die Website der Partei (Lega Nord, 2005), sprach sich die Lega Nord zwar weiterhin für ein freies Padanien aus; sie schuf jedoch das Parlament des Nordens ab und hinterlegte Dokumente zum neuen Ziel: einem verstärkten Föderalismus. Das unabhängige Padanien war eine Fassade, der inhaltlich die Parteispitze nicht folgte. Wenngleich es bestehen blieb und im Kleinen immer wieder gefordert wurde beziehungsweise der Konflikt nach dem Ende von Berlusconi II und die Diskussion über die Haushaltsverteilung bestehen blieb.

Wesentliche Änderungen zur Zeit von Berlusconi II waren, dass sich Umberto Bossi 2004 – wie angerissen – gesundheitsbedingt zurück ziehen musste und der Süden an politischem Einfluss gewann. Dies war eine Folge an der Kritik der Alleanza Nazionale, welche die Haushaltspolitik von Finanzminister Giulio Tremonti (FI) in Frage stellte, was zu seinem Rücktritt führte (Albertazzi & McDonnell, 2006, S. 958), was den Einflusskreis des Nordens („Sub-Gouvernant“ des Nordens) schwächte.

In Folge konnte die Lega Nord jedoch ein ihr vertrautes Thema reaktivieren: Die wirtschaftliche Schwäche des Südens, den es weiterhin zu fördern gelte, während der Norden die Kosten dafür aufbringe.

244 Fallstudien: Parteien in Regierung

Seitens der Regierungserklärung, erklärte Silvio Berlusconi erneut, setzte Berlusconi III fort, was Berlusconi II begonnen hatte beziehungsweise umsetzen wollte (Camera dei Deputati, 2005):

• Das Programm für Stabilität und Wachstum solle fortgesetzt werden. • Laufende Reformen sollen fortgesetzt werden; darunter eben auch die Verfassungsreform, der die Lega Nord vorsaß (Minister). • Die Unternehmensbesteuerung solle reduziert werden. • Berlusconi kündigte an, einen Investitionsfonds für den Süden einzurichten, um Wirtschaftsprojekte voran zu bringen (was dem Willen der Lega Nord widersprach, jedoch im Sinne der AN war). • Eine Schuldgrenze von maximal zwei Prozent solle eingeführt werden, um eine Überschuldung, wie sie in den 1990ern eintrat, zu verhindern.

Wie angerissen war Berlusconi III jedoch keine grundlegend neue Regierung, sondern die Fortführung von Berlusconi II mit denselben Mehrheitsverhältnissen. Giulio Tremonti, der als Finanzminister und Mitglieder der Nordachse zurückgetreten war, wurde im September 2005 erneut Finanzminister. Damit war der Nordkreis wieder geschlossen, wenngleich Bossi aus Gesundheitsgründen nicht in der italienischen Politik aktiv war, sondern in EU-Parlament wechselte.

245 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsperiode Berlusconi III

April 2005 – Mai 2006

Berlusconi III („House of Freedoms“) war eine Regierung, der keine unmittelbaren Wahlen bevor gegangen waren. Sie ging nach dem Ende von Berlusconi II aus denselben Parteien hervor und es war im Grunde eine Fortsetzung der bisherigen Arbeit. Berlusconi selbst war Ministerpräsident und zum Ende der Amtszeit hin parallel Gesundheitsminister. Die Regierung begann im April 2005 zu arbeiten und sie endete im Mai 2006, was einer Dauer von rund 13 Monaten entspricht.

Ein wesentlicher Schritt dieser Regierung war die Änderung des Wahlrechts im Jahr 2005, welches mit den Wahlen 2006 Einzug hielt. „Mit dem neu eingeführten Wahlrecht, dem porcellum, erhielt das italienische Parteiensystem im Prinzip ein Verhältniswahlrecht, welches jedoch als zentrale Komponente eine Mehrheitsprämie beinhaltete“ (Kneisler, 2011, S. 198). In Summe begünstigte das neue Wahlrecht die Bildung von größeren Parteien, wenngleich Ausnahmen für kleine Parteien in Regionen mit Autonomie gewährt wurden (was der Lega Nord zu Gute kam). An der Wahlrechtsreform wurde die Begünstigung der Mitte-Rechts-Parteien kritisiert, wenngleich bei der ersten reformierten Wahl Effekte zu beobachten waren, die auch für Mitte-Links von Vorteil waren (Stimmen von Italienern im Ausland).

Die Lega Nord an sich war nach wie vor geschwächt durch den gesundheitsbedingten Ausfall von Umberto Bossi. Nach seiner Erholung war er vier Jahre im Europaparlament tätig, ehe er später (nach den Wahlen 2008) wieder in die italienische Politik zurück kehrte. Der Partei fehlte es an einem innenpolitischen Leader mit dem Gespür von Bossi, der die Kommunikation zwischen Regierungspartnern und den Gras Roots in ein glaubhaftes Gleichgewicht lenken konnte; wenngleich sich die Partei nicht grundlegend änderte und in Konsequenz die Politik Bossis, der ja an sich „greifbar“ war, fortsetzte.

Der politische Fokus der Lega Nord war während Berlusconi III, ihrer dritten Regierungsbeteiligung, jedoch auf ein Referendum gesetzt, das einen Monat nach ihren Amtstätigkeiten stattfand: Eine nationale Abstimmung zu Gunsten von mehr regionaler Entscheidungskompetenzen was unter anderem Gesundheitsversorgung, Ausbildung und öffentliche Sicherheit betraf. Die Grundidee war, den Anteil an

246 Fallstudien: Parteien in Regierung

Steuern, der in der Region erwirtschaftet wurde, zu einem höheren Prozentsatz dort zu belassen, was einer Ent-Solidarisierung entspricht. Bei der Abstimmung im Juni 2006 erlebte die Lega Nord jedoch eine herbe Niederlage: 62 Prozent der Italiener stimmten gegen eine Verfassungsänderung (ZEIT Online, 2006).

Zwei Regionen, die mit einem Ja stimmten und im Einflussbereich der Lega standen (Veneto und Lombardei), wurden in der neuen Mitte-Links-Regierung keine lokalen Sonderrechte eingeräumt: „The Prodi government, then back in power, rejoiced at these results, but did very little to implement its own reform of the constitution, let alone address the thorny issues around fiscal federalism and the amount of the equalising fund (Bull A. , 2009, S. 141).“

Abseits des Versuchs, Steuereinnahmen zu regionalisieren, mussten sich die Minister der Lega Nord unpopulären Fragen stellen. Roberto Castelli war als Justizminister in einer schwierigen Position, zumal seine Staatsanwälte gegen Silvio Berlusconi ermitteln wollten oder sollten; und Roberto Maroni hatte als Wohlstandsminister die Aufgabe, das Pensionssystem zu reformieren (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1324).

Bei den Wahlen in Italien zeigte sich 2001 und noch mehr 2006 eine sehr hohe Fragmentiertheit im politischen Angebot, was spätere Koalitionsbildungen erschwerte. Die Anzahl der Parteien welche gewählt wurden, stieg von 14 auf 17. 2008, zum Vergleich, sank die Anzahl auf acht gewählte Parteien (Kneisler, 2011, S. 96). Der Grund dafür sind die Zusammenschlüsse zu Bündnissen wie dem genannte Popolo della Libertà (Das Volk der Freiheit, Mitte-Rechts) und Partito Democratico (Mitte-Links unter Romani Prodi).

Diese bis 2007 bestehende Zersplitterung führte dazu, dass Koalitionen mit Pragmatismus gebildet wurden: Die Ansichten der Koalitionspartner waren nicht durchwegs auf Linie, wie beispielsweise Lega Nord und AN zum Ausdruck bringen (deren Verhältnis nach dem Budgetstreit um Finanzminister Giulio Tremonti wieder verschlechterten). Dies bedeutet, dass der Begriff des so genannten Scheiterns näher erklärt werden muss. Die Rahmenbedingungen waren in dieser Transitionsphase (bis 2008) der italienischen Politik keine einfachen. Auch Mitte-Links-Bewegungen scheiterten in Anbetracht der hohen Fragmentiertheit des politischen Angebots.

247 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bilanz: Berlusconi III

I. Seitens ihrer inhaltlichen Durchsetzungsfähigkeit war die Lega Nord während Berlusconi III auf die Steuerreform fokussiert, die einen Monat nach dem Ende ihrer Regierungstätigkeit stattfinden sollte. Dort scheiterte sie jedoch eindeutig: Rund 62 Prozent der Italiener stimmten gegen das Verfassungsreferendum, was ein erster Sieg für die neue Mitte-Links- Regierung von Romano Prodi war. Bei der Reform des Wahlrechts war die Partei insofern erfolgreich, als dass autonome Sonderrechte gewährt wurden, wenngleich die Lega Nord eine solche Reform nicht einforderte. II. Seitens der personellen Konstanz waren keine Unruhen innerhalb der Partei zu beobachten. III. Bezogen auf die Verhaltensmuster kam es gegen Ende von Berlusconi II zu Spannungen mit der Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini, der bei Ministerpräsident Berlusconi Entwicklungsgelder für den Süden forderte, was in der Regierungsrede angesprochen wurde. Diese Spannungen setzten sich in der dritten Regierungszeit fort. Die Regierung an sich blieb stabil, wenngleich die Zusammenarbeit schwieriger und komplexer wurde. Dem gegenüber steht jedoch das mit der Alleanza Naionale erarbeitete Bossi-Fini-Gesetz (2002), das die Einwanderung neu (strenger) regelte und in dessen Grundzügen sich beide Parteien einig waren. Bezogen auf die Regierung an sich, führte die Lega Nord Bossis Freund-Feind-Spiel – auch ohne Bossi – fort. IV. Innerhalb der Regierungen Berlusconi II und III konnte die Lega Nord ihren Stimmen-Freifall, der zwischen 1996 und 2001 bei den Parlamentswahlen zu beobachten war, stoppen beziehungsweise leichte Zugewinne erzielen. Nach der Regierung Berlusconi III kam die Partei bei den Parlamentswahlen 2006 auf 4,6 Prozent (im Parlament), was gegenüber 2001 einer leichten Steigerung (+0,7 Prozent) entspricht. Wenngleich sich das Wahlrecht änderte, kann von einem kleinen Erfolg gesprochen werden.

248 Fallstudien: Parteien in Regierung

In Folge sorgte Lega Nord für Aufsehen, als sie Berlusconis 2007 neu gegründeter Popolo della Libertà, einem Mitte-Rechts-Bündnis, nicht beitrat, was gewissermaßen der Logik des neuen Wahlrechts widerstrebte. „Die Stärke der Lega Nord liegt vielleicht in ihrem Habitus zwischen Politik und der Anti-Politik. Umberto Bossi schafft es, an den Instinkt der Wähler zu appellieren, der oftmals nicht rational ist und vor der eigentlichen Politik liegt. Als Beispiele könnten hier vor allem Themen genannt werden, die in irgendeiner Weise mit Ängsten und Sorgen der Bevölkerung zu tun haben “, schreibt Isabel Kneisler über die Abgrenzung der Lega Nord gegenüber anderen italienischen Parteien mit ähnlicher, aus dem Kleinbürgertum entstammender Wählerschaft (Kneisler, 2011, S. 129).

In Summe war die Lega Nord während Berlusconi III durchaus erfolgreich, wenngleich nicht inhaltlich: Mit ihrer Bemühung um eine Fiskalreform, welche mehr Autonomie bedeutet hätte, scheiterte sie bei der Volksbefragung. Allerdings konnte die Partei das gesundheitsbedingte Ausscheiden ihres Leaders Bossi verkraften. Es gab weder personelle Turbulenzen, noch innerparteiliche Spannungen, welche die Partei hätten zu Fall bringen können. Zwar wurde nach Bossis Ausscheiden und dem Ergebnis bei der Volksbefragung mit einem möglichen Ende der Lega-Bewegung gerechnet; die Partei konnte sich jedoch behaupten.

Zusammenfassend: Zieht man die inhaltlichen Misserfolge ab, konnte sich die Lega Nord in der Regierung behaupten. Dies zeigen auch die Wahlen nach Ende der Regierungstätigkeit, bei denen die Lega Nord stimmen für sich gewinnen konnte. „By this, we mean that it had neither suffered a split, nor lost electoral support, nor found itself in a position whereby it felt it had to leave government or was forced by ist partners to do so“, schreiben dazu Albertazzi und McDonnel (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1319).

Die Regierung konnte jedoch nicht fortgesetzt werden, was am Wahlerfolg von Romano Prodis L’Ulivo lag: Das Mitte-Links-Bündnis konnte einen kleinen Vorsprung erkämpfen, der ihr eine Mehrheit in der zweiten Kammer sicherte. In Folge musste die Lega Nord in Opposition gehen.

249 Fallstudien: Parteien in Regierung

Berlusconi IV

Programm der LN 2008

Das Wahlprogramm der Lega Nord umfasste bei den Wahlen 2008 mehrere Punkte, wenngleich es sich auf wenige Issues fokussierte (Lega Nord, 2008):

• Mehr Autonomie beziehungsweise die Durchsetzung der 2006 gescheiterten Steuerreform waren der Lega Nord wichtig. Wenngleich, nach außen hin, ein unabhängiges Padanien (im Sinne der Sezession) verkündet wurde. Auf der Website der Lega Nord stand jedoch weiterhin die Unabhängigkeitserklärung Padaniens zum Download bereit (Lega Nord, 2002). • Damit verbunden war die Forderung, Ausgleichssteuern (zwischen Nord- und Süditalien) zu reduzieren. Man sei nicht das reiche Huhn, das goldene Eier Richtung Rom lege, plakatierte die Partei im Wahlkampf. Die Rhetorik bezüglich dieses Themas war gegen Rom gerichtet: Man lasse sich nicht ausbeuten und sei um Eigenständigkeit bemüht. • Die Partei nahm Bezug auf das Bossi-Fini-Gesetz von 2002 und erklärte sich zur Law-and-Order-Partei, die Italien sicherer gemacht habe. „Nicht für neue Einwanderer abstimmen. Wähle die Lega Nord! (Lega Nord, 2008)“ – Dies war ein Slogan des Wahlkampfs 2008. Illegale Migration und die Kriminalität von Immigranten waren zentral im Wahlkampf 2008 (Perlmutter, 2015).

Bei den Parlamentswahlen von 2008 waren weiterhin die Parteistatuten von 2002 in Kraft, welche im März des Jahres 2002 beschlossen worden waren (Statuto Della Lega Nord per l’Indipendenza Della Padania). Darin wurde festgelegt, dass die Partei fortan Lega Nord per l'Indipendenza della Padania heiße, was ein zentrales Thema für die Parteipolitik festlegte: die Unabhängigkeit Padaniens (Lega Nord per l'Indipendenza della Padania, 2002), wenngleich die Form der Unabhängigkeit nicht im Detail definiert wurde.

250 Fallstudien: Parteien in Regierung

Seitens der Organisation der Partei gab es weiterhin die Möglichkeit, einfache Mitglieder zu Socio Ordinario Militante aufzustufen oder umgekehrt aus beförderten Mitgliedern wiederum einfache Mitglieder zu machen. Dies festigte die Stellung der Parteispitze, zumal Vorstände (erste Entscheidungsstufe) und in nächster Konsequenz der Nationalrat der Lega Nord mit der Entscheidung betraut war und ist (Lega Nord per l'Indipendenza della Padania, 2002, S. 11ff).

Im Parteiprogramm der Lega Nord ist das Ziel, die Unabhängigkeit Padaniens, festgelegt, wenngleich nicht die Art und Weise: Ob per Autonomie oder per Sezession, dies lässt das Parteiprogramm offen. Festgelegt sind jedoch die Regionen, in welchen die Lega Nord aktiv ist. Ebenfalls beschrieben ist das Logo der Partei: Ein keltischer Krieger mit einem Schwert in der Hand, umfasst von einem Kreis; im Hintergrund sind sechs Blätter, eingeschlossen von einem weiteren Kreis, zu sehen.

Nach der Wahl, als die Lega Nord der Berlusconi IV beitrat, öffnete sie ihren Blickwinkel und wurde liberaler, wie Anna Cento Bull beschreibt: „In 2008 the Lega came out openly in favour of a fiscal mechanism and an equalising fund which appeared to reduce to a bare minimum the transfer of resources from the richer to the poorer regions and make it subject to the southern regions attaining a series of established targets. (Bull A. , 2009, S. 141)“ Neu an diesem Konzept war nun, dass die Regionen einen bestimmten Prozentsatz ihrer Steuern behalten durften. Dies war ein weiterer Kompromiss zu früheren Forderungen.

Andere und weitere Teile des Wahlkampfs wurden in den Medien der Lega Nord verkündet. Dazu zählten neben dem Radiosender eine Zeitung (la Padania) sowie soziale Medien, die aufkamen. Die Lega Nord zählte zu einer der ersten Parteien in Italien, die auf YouTube, Twitter und Facebook vertreten war.

Ein prinzipielles Problem – vorab – ist jedoch, dass die angekündigte und die tatsächliche Politik (policy) bei der Lega Nord voneinander abwichen. Die Partei lässt in vielen Fragen die tatsächliche Bedeutung offen. Der mehrfach genannte Issue ist die Unabhängigkeit, welche einerseits eine Sezession (welche das Parteiprogramm suggeriert), andererseits mehr Autonomie bedeuten kann. Die Lega Nord verwendet im Tagesgeschäft – je nach Möglichkeit und Forderungen – den passenden Begriff.

251 Fallstudien: Parteien in Regierung

Wahlergebnis, Regierungsprogramm 2008

Der Regierungsbildung 2008 war eine Neuwahl voraus gegangen, die ausgerufen wurde, als die Mitte-Links Regierung unter Romano Prodi zerbrochen war. Bei den Parlamentswahlen – nach zwei Jahren in Opposition –, konnte die Lega Nord in der Abgeordnetenkammer stark zulegen: Sie landete bei 8,3 Prozent, was einer Verdopplung des Stimmanteils gegenüber 2006 entspricht. Nach diesen Wahlen ging die vierte Regierung von Berlusconi hervor, welcher die Lega Nord erneut angehörte (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1322ff).

Vor der Wahl hatte sich die Lega Nord entschieden, sich Berlusconis neuem Wahlbündnis Popolo della Libertà nicht anzuschließen, wenngleich sich die Partei vorab mit einer Zusammenarbeit mit dem – damals möglichen – Regierungschef entschied. Der Lega war es wichtig, als eigenständige Partei wahrgenommen zu werden, forcierte sie doch erneut den Padanien-Issue.

Der Erfolg der Lega Nord bei diesen Wahlen kann einerseits durch die Turbulenzen in der Regierung von Prodi II erklärt werden; zum anderen durch die Schärfe gegenüber Immigranten während Berlusconi II/III, als das Bossi-Fini-Gesetz 2002 verabschiedet wurde. Viele Italiener, schreiben Bulli und Tronconi, hätten die Maßnahmen als richtigen Schritt im Hinterkopf gehabt. Man habe sich nach Härte gegenüber illegalen Einwanderern gesehnt gehabt (Bulli & Tronconi, 2012, S. 82).

Hinzu kommt das akute Müllproblem von Neapel, wo der Abfall sich auf den Straßen türmte. Die Lega Nord verkündete im Wahlkampf, dass dies ein Problem des Südens, nicht des Nordens sei (Lega Nord, 2008).

Während der Regierungserklärung zählte Silvio Berlusconi (dem sich die LN anschloss), zum vierten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt, auf, was in der neuen Regierungsphase zu erledigen sei (Camera dei Deputati, 2008):

• Das Müllproblem von Neapel – damals ein Skandal, über den europaweit berichtet wurde –, müsse gelöst werden. • Die Einkommen seien partiell zu stark besteuert. Das müsse im System korrigiert werden.

252 Fallstudien: Parteien in Regierung

• Berlusconi spricht das Thema der Sicherheit an und fordert insbesondere für Frauen und ältere Menschen mehr Schutz. Sicherheit, sagt der Regierungs- Chef, sei notwendig für Freiheit.

Darüber hinaus plante Berlusconis Regierung zum Beginn ihrer Amtsgeschäfte im März 2008:

• Mehr Geld in die Bildung zu investieren. • Es spricht den Steuerföderalismus (fiscal federalism) an, ein Thema der Lega Nord, der nach der Wahl eine Überarbeitung erfahren hat (Camera dei Deputati, 2008, S. 19): Anstatt dem Süden – wie gefordert – von Grund auf das Geld zu entziehen, soll nun ein Teil der Steuern in jener Region bleiben, wo sie geleistet wurden. • Gleichzeitig sollen die Entwicklungsmittel für den Süden erhöht und die dortige Kriminalität noch schärfer bekämpft werden. Kriminalität, so Berlusconi, sei der Feind von Freiheit, Sicherheit und Zukunft. • Die „Last an Steuern“ müsse reduziert werden, erklärte Berlusconi, wenngleich die Steuerhinterziehung noch stärker bekämpft werden müsse. • Öffentliche Ausgaben müssten effizient sein. Geldverschwendung, wie sie vorherrsche, müsse gestoppt werden, erklärte der Regierungs-Chef. In Summe sollten die Ausgaben für die öffentliche Verwaltung sinken.

Vergleicht man die Forderungen der Lega Nord im Wahlkampf mit dem Regierungsprogramm, ist es schwierig eine Trennlinie zu ziehen, zumal die Partei ihr Programm den Möglichkeiten anpasste. Eine Reduktion der Forderungen im Steuerföderalismus wurde in dieser Form nicht im Wahlkampf geforderte. Eine Erhöhung der Förderungen für den Süden ebenfalls nicht, wenngleich dieser Punkt – seitens der Regierungsübereinkunft mit FI und der Alleanza Nazionale, ein Bündnispartner im Il Popolo della Libertà –, offenbar abgemacht war.

Themen, welche die wirtschaftliche Liberalisierung und die staatliche Ausgabenreduzierung betrafen, wurden von der Lega Nord jedoch begrüßt. Sowohl die Senkung der Steuern, als auch der von Berlusconi geforderte Stopp bezüglich der Verschwendung von Steuergeldern wurde seitens der LN-Mandatare mit Applaus begrüßt. Ebenfalls die Frage der Sicherheit – eine zentrale der Lega Nord –, fand Platz in der Regierungserklärung.

253 Fallstudien: Parteien in Regierung

Regierungsperiode 2008 bis 2011

Mai 2008 – November 2011

Mit der Verdopplung ihrer Stimmanteile bei den Parlamentswahlen 2008 stieg der Einfluss der Partei innerhalb der Koalition und der Lega Nord wurden wichtige Ministerien zugesprochen: Roberto Maroni wurde Innenminister; Umberto Bossi (zurück in der italienischen Innenpolitik) erneut Verfassungsminister; Luca Zaia war zuständig für Landwirtschaft und Roberto Calderoli zeichnete verantwortlich für die Rechtsvereinfachung.

„Crucially, the first two offered the Lega the opportunity to be seen as leading government policy and actions on both ‘la sicurezza’ and federal reform. The other ministries were also important as the Agriculture portfolio allowed Zaia to stand as the defender of northern farmers against EU cuts and interference (the EU being an important target of the LN’s attacks) as well as championing traditional Italian food products, while Calderoli’s ministry of ‘legislative simplification’ appeals to the populist view of politics as being full of arcane rules which get in the way of the expression of the people’s will and has allowed the minister to make frequent announcements of the large numbers of apparently unnecessary laws he has managed to abolish in record time“, schreiben dazu Albertazzi und McDonnel (Albertazzi & McDonnell, 2010, S. 1323-1324).

Umberto Bossi war nach den Wahlen 2008 wieder in die italienische Innenpolitik zurück gekehrt. In Folge ihrer größeren Stimmlast hatte die Lega Nord eine höhere Bedeutung als in den beiden Vorgängerregierungen. Zudem war sie erneut die Königsmacherin, indem sie als dem Parteibündnis außenstehende Partei Berlusconi zum Ministerpräsidenten wählte. Darüber hinaus war die Lega Nord, wie angesprochen, weniger restriktiv in ihren Forderungen: Anstatt die Umverteilung in Italien komplett anschaffen zu wollen, genügte ihr nun eine Reform der Verteilungsgerechtigkeit. Die Regierung einigte sich vorab auf eine Steuerreform.

Die Lega Nord blieb ihrem zweiten Main Issue, der Ausgrenzung von Zuwanderern, treu und setzte im Wahlkampf auf den Spruch: „Let us close our borders!“ (Bull, 2010, S. 419) Im kurz darauf geformten Sicherheitspaket von

254 Fallstudien: Parteien in Regierung

Innenminister Roberto Maroni ist die Rede von der Kriminalisierung versteckter Zuwanderer und der Erschwerung von Zuwanderung an sich. Das Gesetz trat im August 2009 in Kraft und verschärfte das Bossi-Fini-Gesetz von 2002.

Darüber hinaus schloss Italien ein bilaterales Abkommen mit Libyen welches es erlaubte, Flüchtlinge aus Afrika – aufgegriffen auf See – außer Landes beziehungsweise zurück nach Libyen zu weißen (United Nations: Human Rights Council, 2013, S. 13). Nachdem Libyen über keine Asylgesetzgebung verfügt und keine ordnungsgemäßen Verfahren garantiert waren, kam es zu einer Diskussion über diese Art der Politik, die primär von der Lega Nord initiiert wurde. Umgekehrt ist die Gesetzgebung ein politischer Erfolg für die Lega Nord, die ihre klaren Wort in politische Praxis (politics) umsetzen konnte.

Bei Reden sprach Bossi von luxuriösen Bedingungen im italienischen Aufnahmezentrum in Lampedusa, einer Insel zwischen Afrika und Italien. Gleichzeitig sei es seiner Partei unter Innenminister Maroni gelungen, die Ankunftszahlen an Bootsflüchtlingen massiv zu verringern, sagte Bossi. Die Flüchtlinge in Lampedusa hätten es besser als die eigenen Leute, verkündete er. Die Lega wehre sich jedoch gegen diese Zustände (Bobba & McDonnell, 2016, S. 292).

In Folge dieser harten Politik kam es bei den Regionalwahlen zu einem Zuspruch der Wählerschaft. „The following year, the 2010 regional elections delivered the party’s best subnational performance to date across the Nord, with LN candidates for regional presidencies securing victory in two key regions (Piedmont and Veneto)“, schreiben dazu Albertazzi und McDonnel (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 37). Im angesprochenen Venetien erreichte die Partei bei Regionalwahlen 35,2 Prozent der Stimmen.

Gleichzeitig widersprüchlich, wenn rhetorisch durchgängig, war die Lega Nord in Fragen der angesprochenen Zuwanderung: Als Partei des Mittelstands und Gewerbetreibender ist ihren Wählern Zuwanderung wichtig – sie sind wichtige Arbeitskräfte –, wenngleich das Thema schwierig in der Handhabe ist. Die Lega Nord sprach sich klar gegen Zuwanderung aus, was inhaltlich konsistent ist, wenngleich nicht immer im Tenor zu den Interessen ihrer Wählerschaft (Arbeitskräfte). Gleichzeitig verband die LN Zuzug mit Kriminalität; sie setzte ihr ein negatives Dogma auf, welches sie inhaltlich Kund machte.

255 Fallstudien: Parteien in Regierung

Auffallend ist, dass die Lega Nord vor und während der Regierungszeit ihre Sprache und Inhalte – erneut als Exekutivkraft – kaum änderte. Einerseits sprach die Partei den „normalen Bürger“ an; andererseits sei der Norden weiterhin umschlungen vom italienischen Staat und seinen Eliten (Bobba & McDonnell, 2016, S. 289ff). Damit blieb die Forderung nach mehr Eigenständigkeit des Nordens erhalten; kombiniert mit einer Sprache, welche trennte in jene aus dem Norden, jenen aus dem Süden und den Eliten in Rom, welche dies auszunutzen wüssten. Die „anderen“, das sind in der Sprache der Lega Nord neben Immigranten auch Süditaliener und Homosexuelle. Als Bedrohung wurden beispielsweise auch Lehrer aus Süditalien stilisiert, welche in Norditalien unterrichten würden.

Im Jahr 2008 wurde auch Italien von der Wirtschaftskrise erfasst, welche sich 2009 und 2010 zunehmend auswirkten. Wenngleich auch das Thema der (illegalen) Immigration Bestand hatte, war auf die Wirtschaftslage das primäre Interesse gelegt. Der Fokus der Lega Nord, die Zuwanderung aus dem Ausland, wurde verlor in den Jahren 2011 und 2012 an Bedeutung. Mit dem Rücktritt 2011 endete die vierte Regierung unter der Führung von Berlusconi mit der Beteiligung der Lega Nord. Der Regierungs-Chef musste auf Drängen anderer EU-Staaten zurück treten, nachdem Italien die Staatsschulden nicht in den Griff bekam. Berlusconis Regierung folgte jene von Mario Monti, deren Minister parteilos waren. Während Berlusconis Partei Montis Regierung unterstützte, ging die Lega Nord in Opposition.

Kurz nach dem Rücktritt der Regierung Berlusconi IV nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Lega Nord wegen unrechtmäßiger Parteienfinanzierung auf. In Folge stellte sich 2012 heraus, dass Bossis Söhne Geld von der Partei erhalten hatten, was zu einem Rücktritt des langjährigen Leaders führte. 200.000 Euro hätte Schatzminister Francesco Belsito an seine Söhne weiter gegeben. In Konsequenz trat Bossi zurück (Die Welt, 2012).

Bei den Parlamentswahlen 2013 sankt die Zustimmung zur Lega Nord auf die Hälfte der Stimmen von 2008: Sie fiel von 8,3 auf 4,1 Prozent in der Abgeordnetenkammer. Nach Bossis Rücktritt als Parteivorsitzender im Jahr 2012 übernahm der ehemalige Innenminister Roberto Maroni den Vorsitz; Bossi wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt (Die Zeit, 2012).

256 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bilanz: Berlusconi IV

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit: a. Während des Wahlkampfs 2008 war sich die Lega Nord noch unschlüssig bezüglich der Forderungen für die Steuerreform zugunsten mehr autonomer Rechte. Sie konnte während der vierten Regierung jedoch den Kompromiss des vorigen Kompromisses durchsetzen; wenngleich auch mit Zugeständnissen, zumal – parallel damit – für den Süden Italiens Förderpakete beschlossen wurden. „Given the party’s constant commitment to self-government for the North of Italy (whether defined over time as federalism, secession or devolution), the main policy achievement of the party to date in government has been the passing of a fiscal federalism reform (30 April 2009) which has been hailed by the LN as an enormous success, albeit one which will require time to implement and will have to be accompanied by complementary federal reforms“, kommentieren Albertazzi und McDonnel die Regierungsarbeit (Albertazzi & McDonnell, The Lega Nord Back in Government, 2010, S. 1324- 1325). Wenngleich, wie beschrieben, nur die halbe Forderung durchgesetzt werden konnte: Das Resultat war weder eine vollständige Föderalisierung, noch eine Sezession, wie sie nach der ersten Regierung gefordert wurde. b. Ebenfalls erfolgreich war die Partei beim Durchsetzen einer härten Gangart gegenüber Immigranten: Einerseits kamen weniger Flüchtlinge per Boot nach Italien; andererseits wurde diese strikte Politik bei den Regionalwahlen mit Stimmgewinnen belohnt: Bei den Regionalwahlen 2010 konnte die Lega Nord deutlich zulegen. „In addition to these initiatives“, schreiben Albertazzi und McDonnel, „the party has also made proposals that have yet to be approved, such as the introduction of special classes in schools for immigrant children, local referendums on the construction of mosques and the establishment of nomad camps and a halt to all immigration for two years. (Albertazzi & McDonnell, 2010, S. 1326)“

257 Fallstudien: Parteien in Regierung

c. Die Lega Nord verschärfte unter Innenminister Roberto Maroni Sicherheitsvorkehrungen im öffentlichen Raum. Davon betroffen waren in erster Linie Randgruppen wie Moslime oder Immigranten. Dies würde ebenfalls während des Wahlkampfs versprochen. Zählt man diese Aspekte zusammen, setzte die Lega Nord um, was sie im Wahlkampf versprochen hatte. Einzige Unschärfe: Die Bedeutung der Steuerreform, welche im Wahlkampf nicht treffend vorab definiert wurde. II. Die personellen Ressourcen und ihre Konstanz: Die Lega Nord hatte mehrere Flügel, wenngleich sich die Partei innerhalb der Regierung Berlusconi IV stabil zeigte. Sie konnte politische Erfolge vorweisen, welche sich gut auch innerhalb der Partei vermarkten ließen. III. Verhaltensmuster: Die Regierung Berlusconi IV kam im Jahr unter Druck, da a) Futuro e Libertà per l’Italia (FLI) und Movimento per le Autonomie (MpA) aus der Regierung austraten und b) Silvio Berlusconi sich weigerte, Einsparmaßnahmen der Europäischen Union umzusetzen. Diese Maßnahmen führten jedoch zu keinen Spannungen innerhalb der Lega Nord. Nach dem Rücktritt von Berlusconi ging die Lega Nord in die Opposition. IV. Bezüglich auslösender Ereignisse ist beides zu beobachten: Während die Lega Nord bei den Europawahlen 2009 (10,2 Prozent) und bei den Regionalwahlen 2010 Stimmen gewann – mitunter massiv –, verlor sie bei den Parlamentswahlen 2013 massiv an Zuspruch: Sie fiel von 8,3 (2008) auf 4,1 Prozent. Wenngleich ergänzt werden muss, dass zwischen dem Regierungsende von Berlusconi IV und den Neuwahlen Mario Monti eine Übergangsregierung bildete, die knapp zwei Jahre im Amt war. In Summe lässt sich bezüglich auslösender Ereignis kein Urteil darüber fällen, ob die Lega Nord dabei erfolgreich war oder scheiterte. Es trat sozusagen beides ein.

258 Fallstudien: Parteien in Regierung

Zwischenbilanz

Die Bewertung der Lega Nord in ihrem politischen Output ist komplex, zumal das politische System Italiens seit dem Umbruch zu Beginn der 1990er viel an Dynamik und Umbruch erlebt hatte. Zudem zog Silvio Berlusconi mit seiner politisch- untypischen, medienzentrierten Art das Land zu regieren, die Aufmerksamkeit auf sich. In Konsequenz war es für andere, nicht so medial dominante Parteien gar nicht so einfach, sich nach außen hin zu positionieren.

In Konsequenz ist die Lega Nord jedoch mehr als nur eine neue Partei. Sie drückt aus, dass:

• Der Wechsel von der Ersten auf die Zweite Republik in Italien die Gründung von neuen Parteien begünstigte, wie auch andere Parteien zeigten (etwa Berlusconis Forza Italia). • Der italienische Staat Spannungen in sich aufweist. Italien ist einerseits eine verhältnismäßig junge Nation (1861 gegründet); andererseits ist das Wahlverhalten unterschiedlich je nach Region. • Bestimmte Regionen genießen Sonderrechte mit hohen lokalen Befugnissen. Dazu zählen Sizilien, Sardinien, Friaul-Julisch Venetien, Trentino-Südtirol und das Aostatal.

Die Lega Nord fokussierte sich anfangs auf die Loslösung (Sezession) von Italien, änderte jedoch mit der Zeit ihren Standpunkt. Im fortschreitenden Zeitverlauf, mit Ausnahme von 1996 bis 2001 (Sezessions-Issue in der zentralen politics), legte sie ihren Fokus a) auf den Föderalismus und b) auf Immigranten, worin sie einen Konsens mit dem MSI/der AN finden konnte – und sich später das Thema der Ausgrenzung (unter Berlusconi IV) einverleibte.

Seitens ihrer Sprache war sie auf „die anderen“ fokussiert und präsentierte sich als die Partei, die im Namen des normalen Bürgers rede. Während ihrer Regierungszeit gelang es der Lega Nord gut, sich als Durchsetzerin des „Richtigen“ zu präsentieren, wenngleich sie in wichtigen Ministerien vertreten war und dabei auch unangenehme Themen abarbeiten musste (Bobba & McDonnell, 2016, S. 294ff).

259 Fallstudien: Parteien in Regierung

Darüber hinaus verstand und versteht es die Lega Nord gut, die Politik in zwei Sichtweisen zu teilen: Man habe die Dinge ändern wollen; die Richterschaft, die Europäische Union oder die Opposition habe sich dem jedoch widersetzt und daran seien die Vorhaben gescheitert. Dies war beispielsweise der Tenor der Partei bezüglich eines strengeren Vorgehens bezüglich von Immigranten. „Nonetheless, this lack of concrete outcomes does not necessarily impact on the party’s electoral fortunes, because, as we have seen above, the party is able to shift the blame for the non- implementation of its policies to the left-leaning judiciary, the medical profession, the opposition parties, the EU and even its allies in government, and hence to claim that it’s efforts at reversing undesirable trends are being thwarted by its (real and imaginary) adversaries (Bull, 2010, S. 429).“

Verglichen zu anderen rechtspopulistischen Parteien verstand es die Lega Nord gut, sich dauerhaft und kontinuierlich richtig zu verkaufen. Das eigene Scheitern wird als das Scheitern der anderen tituliert. Man habe, so der Tenor, die Dinge ändern wollen, aber es sei nicht möglich gewesen. Die Qualität der Inszenierung nahm mit der Dauer der Regierungsbeteiligung zu.

Insbesondere Bossi verstand es gut, mit harten Worten und der richtigen Sprache seine Anhänger und Wähler zufrieden zu stellen und gleichzeitig den Dialog mit Freund und Feind im Parlament zu wahren. Die „Qualität der Kommunikation“, will man es so betiteln, war an Umberto Bossi geknüpft, der sich geschickt darin zeigte, Wählerwillen (Befriedigung von Forderungen) und politisch Mögliches miteinander zu verbinden beziehungsweise die Unverbindlichkeit zu inszenieren.

Während die Lega Nord in der ersten Regierung (Berlusconi I, 1994-1999) noch in Anbetracht der Sezessionsbestrebungen Wirbel in die Koalition und in die eigene Partei brachte, besänftigten sich ihre Sezessionstöne zu Gunsten einer stärker ausgebauten Autonomie in den folgenden Partnerschaften. Die Lega Nord, will man es zusammenfassen, zeigte sich geschickt darin, nur jenes zu fordern, das auch durchsetzbar war. Oder, umgekehrt, sie inszenierte die Problematik in der nicht möglichen Durchsetzbarkeit von Forderungen als ein Problem der anderen, die den „richtigen“ Weg verhindern würden. Ausgenommen davon die Politik gegen Immigranten, mit der sie auch außerhalb von Norditalien Anhänger finden konnte und zusammen mit dem MSI einen Partner gewann.

260 Fallstudien: Parteien in Regierung

Einen Fehlschlag erlitt sie bei den Parlamentswahlen 2001, als sie in der Oppositionszeit zuvor die Unabhängigkeit Italiens mit eigenen Medien und Aufmärschen inszenierte. Die Lega Nord hatte ein Regionalparlament gegründet und demonstrierte eine Eigenverwaltung, was den Anhängern gefiel, die breite Wählerschaft jedoch nicht gut hieß. Einerseits war die Inszenierung der Sezession für die Partei wichtig, um das eigene Überleben zu sichern. Andererseits fiel die Partei bei den Wahlen 2001 auf 3,9 Prozent, was für sie ein Debakel darstellte, wenngleich sie Berlusconi zum Ministerpräsident machte, was ihr wiederum Macht gab.

Bezogen auf ihr Abschneiden bei Wahlen, erlebte die Lega Nord ihre stärksten Ergebnisse in Nicht-Regierungs-Zeiten. Ihr bislang bester Wert bei Wahlen zur Abgeordnetenkammer waren 10,1 Prozent im Jahr 1996 – zwei Jahre nach dem Austritt aus der Koalition mit der Forza Italia (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 35). Die Wahlergebnisse helfen in der Beurteilung jedoch nur bedingt weiter, denn sie streuen und variieren stark. Im Folgekapitel wird gezeigt, dass sie um den Faktor 2.59 pendelten (1992 bis 2013).

Abbildung 15: Wahlergebnisse der Lega Nord seit 1992.

Die Lega Nord bei Wahlen

12,0% 10,1% 10,2% 10,0% 8,7% 8,4% 8,3% 8,0% 6,6%

6,0% 5,0% 4,5% 4,6% 3,9% 4,1% 4,0%

2,0%

0,0% 1992 1994 1996 1999 2001 2004 2006 2008 2009 2013

Parlamentswahlen Europawahlen

261 Fallstudien: Parteien in Regierung

Bewertung der Lega Nord

Verglichen zur FPÖ (Österreich) und der (Niederlande) kann die Lega Nord auf drei beziehungsweise, je nach Definition, vier beziehungsweise für diese Untersuchung drei wichtige Regierungszeiten zurückblicken. Die Datenlage ist dichter, wenngleich der politische Wandel (Erste auf Zweite Republik) einen guten, fundierten Blick erfordert.

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit: Während die Lega Nord in der ersten Regierungszeit (Berlusconi I) zu sehr auf das Thema der Abspaltung (Sezession) setzte und dies in der Opposition noch vertiefen musste, veränderte sie in den Folgeregierungen ihren Blick. Beziehungsweise war sie zu einer Veränderung gezwungen, nachdem der Ruf nach Sezession zu einer Niederlage bei den Parlamentswahlen 2001 (3,9 Prozent) geführt hatte. Erfolgreich, wenngleich nur zu Teilen, war die Partei bezüglich des Steuerförderalismus (Bobba & McDonnell, 2016): Die Lega bekam zwar nicht das, wonach sie forderte; es war jedoch ein Erfolg, den sie erzielte. 2009 stimmte das Parlament zu Gunsten mehr regionaler Kompetenzen ab. Ein wenn nicht das Thema der Folgejahre (ab Berlusconi II) war die härtere Gangart gegenüber Immigranten; insbesondere von solchen, die illegal nach Italien gekommen waren. Als Meilenstein, bewertet man es als inhaltlichen Erfolg der Lega Nord, kann das Bossi-Fini-Gesetz von 2002 bezeichnet werden, das Einreisebestimmungen klar beschränkte, Strafen – monetär wie Haftstrafen – festlegte und eine Ausreise von Flüchtlingen ohne Anhörung in Italien ermöglichte. Hinzu kam ein Abkommen mit Libyen, das eine einfach Abschiebung ermöglichte. Während Berlusconi IV konnten die Bestimmungen gegenüber Immigranten nochmals verschärft werden. Geschadet hat der Lega Nord hingegen ein zu starkes Fordern von Sezession. Zusammenfassend: Der Lega Nord kann – in Abschnitten ihrer Amtszeit in Berlusconis Regierungen – ein gradueller Erfolg zugesprochen werden. Ihr Bestreben um Sezession verringerte die Zustimmung in der Breite, wenngleich es auch Spannungen innerhalb der Partei abbaute.

262 Fallstudien: Parteien in Regierung

II. Konstanz: Die Lega Nord war mit einem starken, anerkannten Leader (Umberto Bossi) ausgestattet; gleichzeitig war sie jedoch keine ausschließliche Leader- Partei, wie dies beispielsweise die Liste von Pim Fortuyn (Niederlande) war. Die Lega Nord wuchs von 1992 mit 112.400 Mitgliedern auf 173.044 Mitglieder im Jahr 2011 (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 39). In Folge gab es Personal für politische Ämter. Darüber hinaus unterteilte die Lega Nord ihre Mitglieder in zwei Gruppen (Lega Nord per l'Indipendenza della Padania, 2002): In a) einfache Mitglieder, die keine Ämter ausführen durften, und in b) Mitglieder mit vollem Stimmrecht und mehr Rechten. Innerhalb der Hierarchie konnten Mitglieder auch wieder zurück gestuft werden, was ein Machtinstrument der Parteiführung war. Verglichen zu Berlusconis Forza Italia, später Popolo della Libertà, sorgte die Lega Nord für personelle Konstanz innerhalb der Regierung. Dafür sorgte unter anderem die straffe Organisation der Partei. Auch das gesundheitsbedingte Ausscheiden von Umberto Bossi als Folge einer schweren Erkrankung (2004) schien der Lega Nord nicht geschadet zu haben. Nach dem Ausscheiden der Lega Nord und dem Aufkommen des Schmiergeldskandals von Bossi (2012; die Söhne von Bossi sollen 200.000 Euro angenommen haben), übernahm Roberto Maroni den Parteivorsitz, der zuvor Innenminister Italiens war. Bossi selbst fiel jedoch nicht in Ungnade, sondern wurde Ehrenpräsident der Partei. Verglichen zu anderen rechtspopulistischen Parteien, war der Kontakt zwischen Leader und Gras Roots durchgängig und Konstant. Ein Wechsel in hohen politischen Ämtern war unüblich beziehungsweise mit gesundheitlichen Problemen verbunden (Anmerkung: Umberto Bossi musste 2004 nach einem Hirnschlag und Herzinfarkt zurücktreten). In Folge kann der Lega Nord kein Scheitern in Fragen der personellen Konstanz vorgeworfen werden. Im Gegenteil: Berlusconis Forza Italia (beziehungsweise die ihr folgenden Wahlbündnisse) waren fragiler als die Lega Nord.

263 Fallstudien: Parteien in Regierung

III. Verhaltensmuster: Wie angesprochen, war und ist die Lega Nord eine Partei mit einer beachtlichen Anzahl von Mitgliedern; derzeit sind es rund 170.000. Wenngleich es zu Spannungen kam, etwa während Berlusconi I bezüglich der Zusammenarbeit mit dem MSI (den Postfaschisten), war die Partei gut organisiert und Führungspersönlichkeiten blieben in ihrer Funktion. Als Folge der Krise von 1994 schloss die Partei jedoch Mitglieder aus beziehungsweise sie wurden in ihrem Mitgliedsstatus zurück gestuft. Anders als die FPÖ, die an solch einer Krise zerbrach, konnte die Lega Nord so ihr Fortbestehen sichern. Eine gute Leistung demonstrierte Umberto Bossi vor und währen seiner Regierungstätigkeit, indem er Freund und Feind definierte und Bündnisse pflegte. Während Berlusconi II/III kooperierte er einerseits mit der Alleanza Nazionale, mit welcher er das Bossi-Fini-Gesetz ausarbeitete; andererseits bildete er den norditalienischen Kreis aus Silvio Berlusconi, Giulio Tremonti (Wirtschaft und Finanzen) sowie ihm, der sich wöchentlich traf und Pläne besprach. Diese Verbindungen waren partiell konstant, wenngleich es auch Konflikte gab. Probleme erlebte die Partei im Jahr 2012, als eine Prüfkommission illegale Parteienfinanzierung sowie eine private Unterschlagung von Geldern feststelle (die Lega Nord war zu dieser Zeit in Opposition). In Folge trat Bossi zurück. Während der Regierungszeit war die Lega Nord jedoch eine Konstanz in der zweiten Republik Italiens. Rhetorik wie politics waren einander oft widersprüchlich, wenngleich dies ein taktisches Thema war: Es ließ sich nicht immer umsetzen, was man forderte. „In conclusion, the findings confirm that the gap between policy rhetoric and outcomes in relation to immigration is indeed wide in Italy, but also show that the gap is not necessarily apparent in the disparity between party ‘talk’ and the actual text of the legislation, as argued by Andrew Geddes in relation to the Bossi-Fini law“, schreibt dazu Bull (Bull, 2010, S. 431).

264 Fallstudien: Parteien in Regierung

IV. Auslösende Ereignisse: Bezogen auf Wahlergebnisse zeigte sich die Lega Nord sehr wechselhaft, wenngleich neben ihrer Politik der Umbruch von der Ersten auf die Zweite Republik samt neuen Wahlrechten die Betrachtung verkompliziert. Hinzu kommt: Die Lega Nord erlitt Wahlniederlagen während Regierungszeiten; gleichzeitig aber auch in Opposition. Die These, wonach eine Beteiligung in der Regierung zu einem Scheitern führt, lässt sich am Beispiel der Lega Nord nicht oder nur mit Abstrichen untermauern. Auffallend sind jedoch die hohen Schwankungen im Ergebnis: Bei der besten Wahl erzielte die LN 2,59 Mal so viel Stimmen als bei der schlechtesten Wahl (Abgeordnetenkammer). Die Lega Nord konnte während ihrer Regierungszeit, als auch in Opposition, Stimmen dazu gewinnen; allerdings auch verlieren. Ihren größten Verlust musste sie 2001 verbuchen, als sie – in Opposition – das Sezession-Thema forcierte und damit zunehmend Anhänger verlor. Von 10,1 Prozent (1996) der Zustimmung fiel sie bei den Parlamentswahlen (Abgeordnetenkammer) von 2001 auf 3,9 Prozent. Während der Regierung konnte sich die Partei – mit einer Fokussierung auf den Migrations-Issue – wieder stabilisieren und gewann langsam wieder an Zuspruch.

Zusammenfassung: Der Lega Nord kann keineswegs ein absolutes, noch ein durchgängig graduelles Scheitern unterstellt werden. Bezüglich der Durchsetzung von Themen war die Partei beharrlich, was ihr Teilerfolge bescherte. Durchgängig erfolgreich war sie Sicherheitsthemen, womit sie wohl den Zeitgeist traf.

Ihre personelle Konstanz war – verglichen zu anderen Parteien zu jener Zeit in Italien – hoch und ihrer strukturierten Kommunikation mit ihren Mitgliedern beziehungsweise die streng gegliederten Regeln brachten Konflikte innerhalb der Partei sie nicht zu Fall. Wenngleich, das muss ergänzt werden, die Lega Nord nach der Regierungsperiode Berlusconi I an der Kippe stand.

Die Lega Nord ist die Gegenthese zur Forschungshypothese H1, wonach Rechtspopulismus eine Politik der Opposition sei, die nicht länger in Regierungsverantwortung bestehen können. Die Partei zeigt, dass durch eine gute Organisation innerhalb der Partei, einer guten Führung und einer Politik, die gewissermaßen geschickt und flexibel ist, nachhaltig erfolgreich sein kann.

265 Fallstudien: Parteien in Regierung

Allerdings, dies zeigt die Lega Nord, gilt es Feingefühlt anzuwenden: Ein zu starker Fokus auf die Sezession Norditaliens (Padania) war zwar bei einer bestimmten Schicht an Wählern und zu einer gewissen Zeit erfolgreich; ihre Sezessionsbemühungen stürzten gleichzeitig jedoch die Regierung Berlusconi I. Im Anschluss rettete eine verstärkte Sezessions-Kampagne die Partei, wenngleich diese Bestrebungen die Partei wiederum in eine Wahlkrise führte.

Ohne Umberto Bossi zum Messias des Rechtspopulismus zu erklären, schien dieser die Partei gut gelenkt zu haben: Wie Gespräche mit Anhängern der Lega Nord zeigten, war er einerseits das lebende Symbol der Partei, dessen Einstellung und Parteiprogramm sich zu decken schienen; andererseits war er der Leader, dessen Argumente bei den Gras Roots und seinen Kollegen mit politischer Verantwortung akzeptiert wurden (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 38ff).

Probleme bereitete der Partei, wie ausgeführt, der starke Fokus auf den Main Issue: die Sezession. Einerseits rettete das Thema die Partei 1994 vor dem Untergang; andererseits begrenzte es die Dauer einer länger anhaltenden Koalition. Die Antwort der Partei war so zu tun, als streben man die Loslösung von Italien an; andererseits forderte die Lega Nord jedoch eine Steuerreform ein, die der erste Schritt zu einer Autonomie sein sollte. Diesen Schritt konnte die Lega Nord 2009 setzen. Bezüglich ihrer Unabhängigkeitsbemühungen setzte die Partei in allen Regierungsperioden zusammen nur einen halben Schritt nach vorne.

Erfolgreicher war die Lega Nord als „Law & Order“-Partei. Einerseits wurde das Immigrationsrecht verschärft; andererseits verschärfte man Sicherheitsregeln innerhalb Italiens. Damit konnte die Partei, das zeigten Wahlen während der Regierungszeit, Wähler für sich gewinnen.

„In Italy today, almost a third of the electorate votes for forces belonging to this family. This remains true even if we exclude from the category the supporters of a centre-right which, though appearing fragmented and uncertain about what precise strategy to adopt, seems to be on the road to an at least provisional integration into the institutional structures it had previously contested“, schlussfolgerte Marco Tarchi 2015 über den Populismus in Italien (Tarchi, 2015, S. 282-283). Es scheint eine Möglichkeit für einen „funktionierenden Populismus“ zu gegeben.

266 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zur Methodik

Diese Untersuchung ist mit dem Problem einer geringen Datendichte mit wenigen Parteien (Fälle) und einer geringen Anzahl an Regierungen konfrontiert. Als Folge wählte der Autor das Most Different Systems Design (MDSD) als Grundlage (siehe Theoretischer Rahmen, Seite 18ff).

„Finally, all scholars are faced with important case and data problems: there are few cases of large populist radical right parties, let alone governments with populist radical right participation, and we lack reliable comparative cross-national and cross- temporal data on many crucial aspects (most notably, public attitudes)“, beschreibt Cas Mudde das Problem (Mudde, 2013, S. 5). Hinzu kommen politische Umbrüche, etwa in Italien, und Unterschiede in der politischen Kultur der Länder.

Nachdem rechtspopulistische Parteien in Regierungsverantwortung ein verhältnismäßig neues Phänomen sind – beginnend mit der der Lega Nord 1994 in Italien (bezogen auf diese Untersuchung) – und sich die Parteien währenddessen in ihren Verhaltensmustern änderten, verweist der Autor auf sich weiter entwickelnde Strukturen. Während früher von episodischem Auftreten die Rede war (vgl. Taggart 2000), festigten sich rechtspopulistische Parteien im politischen Gefüge. Niederlagen bei Wahlen bedeuteten selten das Ende einer politischen Strömung.

Hinzu kommen externe Faktoren wie beispielsweise eine Wirtschaftskrise, ein Flüchtlingsstrom (zum Beispiel in Folge des Arabischen Frühlings) oder die Entfernung von traditionellen politischen Ordnungen (beispielsweise das Ende der Ersten Republik in Italien), die rechtspopulistische Parteien beflügeln (können).

267 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Kurzum: Diese Untersuchung kann in kurzer oder mittlerer Zeit als überholt gelten – das Schicksal eines sich schnell wandelnden Themas. Dies soll aber nicht davon abhalten, den aktuellen Stand gut und tiefgreifend zu beurteilen. Beziehungsweise kann die bisherige Entwicklung neue Strömungen erklären.

Bewertet werden, wie bereits ausführlich beschrieben, die Regierungstätigkeiten und die Folge deren von drei Parteien:

a) Die FPÖ (beziehungsweise BZÖ) aus Österreich, die sich an zwei Regierungen beteiligte:

i) Schüssel I von Februar 2000 bis Februar 2003

ii) Schüssel II von Februar 2003 bis Jänner 2007

b) Die Lijst Pim Fortuyn, die 2002 für kurze Zeit Bestandteil des Kabinetts von Balkenende I war.

c) Die Lega Nord, die in vier Regierungen vertreten war:

i) Mai 1994 bis Januar 1995 in Berlusconi I

ii) Juni 2001 bis April 2005 in Berlusconi II

iii) April 2005 bis Mai 2006 in Berlusconi III

iv) Mai 2008 bis November 2011 in Berlusconi IV

Die Lega Nord blickt damit auf die längste Regierungszeit der zu untersuchenden rechtspopulistischen Partei zurück; die LPF auf die kürzeste. Mit Ausnahme der LPF, die sich 2008 auflöste, sind alle genannten Parteien nach wie vor politisch und parlamentarisch präsent.

268 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zusammenfassung der Bewertungskriterien

Sich rückbeziehend auf die Fallstudien wählte der Autor vier Kriterien (siehe

269 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Die vier Kriterien des Scheiterns, Seite 30ff), die zur Bewertung der Parteien herangezogen werden. In dieser Übersicht gilt es, die drei Länder beziehungsweise drei Parteien in Bezug zueinander zu bringen und die untersuchten Kriterien in Bezug zueinander zu bringen:

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit II. Personelle Ressourcen und Konstanz III. Verhaltensmuster IV. Auslösende Ereignisse

Die Bewertung baut auf der Analyse von Wolfgang C. Müller, Kaare Strøm und Torbjörn Bergman auf, die sich mit dem Scheitern von Regierungen beschäftigten (Müller & Strøm, 1997). Hinzu kommen Aspekte, die vom Autor – entsprechend der zu untersuchenden Partei – entwickelt wurde. Mehr dazu ebenfalls auf Seite 30ff.

Die Analysen zu den einzelnen Parteien und Regierungen sind im Kapitel Fallstudien nachzulesen:

• Österreich, FPÖ: Seiten 129ff • Niederlande, LPF: Seiten 173ff • Italien, Lega Nord: Seiten 202ff

Eine Gesamtanalyse beziehungsweise eine abschließende Bewertung ist im Abschnitt: Untersuchungsergebnis, Seite 284ff nachzulesen.

270 Vergleich: Analogien und Unterschiede

I. Politische Durchsetzungsfähigkeit

Aus politischer Sicht spannend ist die Frage, was rechtspopulistische Parteien in Regierungsverantwortung wirklich erreichen oder ändern konnten? Cas Mudde spricht hierbei von einem Widerspruch bezogen auf gefühlte und gemessene Daten (Mudde, Three decades of populist radical right parties in Western Europe: So what?, 2013, S. 7ff): Während beispielsweise Rechtspopulisten durch die Bank ihre EU- Ablehnung propagieren, lässt sich dies via Eurobarometer nicht belegen. Zudem, schreibt Mudde, sei in der Ausländerpolitik, insbesondere bezogen auf Flüchtlinge, kein signifikanter Wandel in Ländern mit Rechtspopulismus zu beobachten.

Bezogen auf Asylwerber zeigen sich national-konservative Regierungen wie beispielsweise Fidesz – Ungarischer Bürgerbund unter Viktor Orbán oder die polnische Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit) wesentlich restriktiver als westeuropäische Länder unter Regierungen mit rechtspopulistischer Regierungsbeteiligung. Wenngleich es einen Drift nach rechts zu beobachten gibt und beispielsweise in Österreich ein Verschärfungen in Schüssel-Regierungen (Preglau, Universität Innsbruck, 2016, S. 122ff), erfolgte keine prinzipielle Systemänderung.

Bei den untersuchten Beiträgen widerspricht die Lega Nord diesem Mudde’schen Denkansatz, wonach keine ersichtlichen Änderungen passierten: Mit dem Bossi-Fini-Gesetz und einem daran geknüpften Abkommen mit Libyen schuf Italien die Möglichkeit, am Meer gefasste Flüchtlinge direkt nach Afrika – ohne Anhörung bei einer italienischen Behörde – abschieben zu können. Dies führte zu Kritik der Vereinten Nationen (United Nations: Human Rights Council, 2013).

Gemeinsam mit der AN und den Stimmen der FI konnte die Lega Nord illegal in Italien befindliche Flüchtlinge kriminalisieren und Strafen auferlegen. Diese restriktive Haltung schien sich bei den italienischen Parlamentswahlen (Abgeordnetenkammer) 2008 bezahlt gemacht zu haben, als die LN von zuvor 4,6 auf nun mehr als 8 Prozent sprang.

271 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Ein für Bossi sehr schwieriges Thema wie die Sezession Padaniens, welche die Lega Nord bis zu den Wahlen 2001 zum Main Issue erklärte (dieses Thema einte alle Ligen zu einer Partei). Im Wahlkampf kampagnisiert, führte es die Lega Nord, betrachtet man die Wahlergebnisse, erst zu Erfolgen (1996: 10,1 Prozent in der Abgeordnetenkammer) und dann zur wohl größten Niederlage: 3,9 Prozent bei den Parlamentswahlen 2001. Einerseits kam es nie zur Loslösung von Italien, weshalb die Partei zwar weiterhin eine Sezession verlangte, im politischen Diskurs jedoch ein Mehr an Autonomie verlangte; andererseits war das Thema der Reduzierung und der Anzahl von Flüchtlingen bei Wahlen erfolgreicher als Sezessionsbestrebungen.

In Summe erzielte die Lega Nord mit der Forderungen nach mehr Unabhängigkeit einen Teilerfolg: Der Wunsch nach einer Sezession blieb unerfüllt, wenngleich die Partei eine sanfte Autonomisierung durchsetzen konnte. Dies war zwar nicht, wofür die Lega Nord gegründet wurde beziehungsweise wofür sich die Partei ursprünglich eingesetzt hatte; es war jedoch mehr als nichts. Insofern kann man von einem partiellen Erfolg sprechen.

Die FPÖ schuf, was die Inhalte betrag, eine Politik der Identität (Heinisch, Right-Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 49ff), die glaubhaft eine Bereitschaft zur Veränderung des (vermeintlich?) festgefahrenen Staats suggerierte. Die Partei legte Wert auf österreichischen Patriotismus und inszenierte sich als die Partei der kleinen Leute, was sie in ihrer Sprache unterstrich.

Bezüglich ihrer rhetorisch geäußerten Versprechen und der tatsächlichen Politik (politics), war die FPÖ rasch und effizient, was die Umsetzung von Wahlzielen betraf. Sie scheiterte zwar an Forderungen wie der stark propagierten Flat Tax oder der Reduzierung von Mieten (während Schüssel I). Sie konnte umgekehrt jedoch das Kindergeld einführen, sie liberalisierte Staatsbetriebe und modernisierte das Bundesheer22. FPÖ und ÖVP vertraten neoliberale Standpunkte, welche sie nun durchsetzen konnten. Die Freiheitlichen konnten das, was sie propagierten, in einigen Bereichen wirklich durchsetzen, was in Bewertungen häufig verschwiegen wird.

22 Einige dieser Punkte sind mit einem Vorgehen verknüpft, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einläuteten.

272 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Worin die FPÖ jedoch schwächelte und was ihr ihre Wähler übel genommen haben, war ihr Einknicken bezüglich der Beziehungen zur EU und ihren Mitgliedern: Anders als angekündigt, sich – wenn notwendig – gegen die Macht der EU zu stellen, unterschrieb die Partei noch vor Regierungsantritt eine Erklärung (unterzeichnet von Schüssel und Haider), wonach sich beide Parteien zur EU und ihren Werten bekennen würden. Die FPÖ war für viele Wähler nun nicht mehr die Trumpfkarte gegenüber der gefühlten Zentralmacht aus Brüssel, für die man die Partei gehalten hatte.

Bei den Sanktionen der EU-14, eine Folge des Regierungsantritts der FPÖ, konnte die Kanzlerpartei (ÖVP) nun selbst die Patriotismus-Karte ausspielen und war darin glaubwürdiger als die Freiheitlichen, welche sich plötzlich europafreundlich zeigen mussten. Zudem war nach außen hin stets klar: Wenngleich mit nahezu derselben Stimmenzahl ausgestattet, war die Freiheitliche Partei der Juniorpartner in der Koalition. Wolfgang Schüssel war Kanzler.

Verglichen mit der Lega Nord, die lange Zeit von Umberto Bossi repräsentiert wurde (wenngleich auch Bossi gesundheitsbedingt pausieren musste), fehlte der Haider-losen FPÖ der Frontmann, der die Anhänger hinter sich vereinte. Die zuvor erwähnte Rückkehr Haiders zum BZÖ mit einer Verdopplung der Stimmenzahl (2008) bringt zum Ausdruck, wie sehr Wähler eine personell gute Inszenierung schätzen. Haider, zur Erklärung, zog sich aus taktischen Gründen zurück: Er wollte erst abwarten, um im zweiten Schritt selbst das Amt des Bundeskanzlers zu erobern.

Die Lijst Pim Fortuyn war, verglichen zur Lega Nord und der FPÖ, faktisch ohne nachhaltige Errungenschaften innerhalb der Regierung. Heinisch bezeichnet die LPF als „overnight phenomenon” in der westeuropäischen Politik (Heinisch, Right- Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 52). Nach wenigen Wochen im Amt wurden Neuwahlen ausgerufen.

Es muss jedoch ergänzt werden, das zeigten die Untersuchungen des Wahl- und Regierungsprogramms, dass viele Inhalte aus Fortuyns Buch De puinhopen van acht jaar Paars (Fortuyn, 2002) in die Vorhaben von Balkenende I einflossen. Die LPF hatte in Konsequenz maßgeblichen Einfluss auf das Regierungsvorhaben, der ihr zuerkannt werden muss. Die Partei scheiterte jedoch an sich selbst – und nicht an ihren Inhalten. Dieses Bild spiegelte sich auch bei der Untersuchung des Wahlkampfs wider, dem die LPF einen Rahmen gab (Van Holsteyn & Galen, 2003, S. 59ff).

273 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zusammenfassung:

Im Vergleich war die Lega Nord die Partei mit dem stärksten Einfluss auf das politische System des Landes, wenngleich sie in Fragen der Sezession scheiterte beziehungsweise es in Richtung einer Autonomie wandelte. Thematisch war sie jedoch insofern flexibel, als dass sie – sozusagen als Ergänzung – den Fokus auf Immigranten lenkte, die es zu maßregeln gelte. Hierbei war die Lega Nord durchaus erfolgreich: 2002 wurde das Bossi-Fini-Gesetz beschlossen, das nach 2008 in Berlusconi IV nochmals verschärfte wurde. Bezüglich mehr Unabhängigkeit gibt es einen halben Erfolg: 2009 konnte die Lega Nord ein Gesetz zur Steuerautonomie durchbringen, das sie als ersten Schritt in Richtung höherer Autonomie betrachtete.

Die FPÖ sorgte ebenfalls, wie im Wahlkampf angekündigt, für Verschärfungen im Immigrationsrecht (Rhetorik und politisches Produkt waren, so weit wie machbar, deckungsgleich) und mit der ÖVP fand sie gemeinsame Themen, die sich durchsetzen ließen. Ein markantes Problem war jedoch ihr Bekenntnis zur Europäischen Union, womit sie der ÖVP, ihrem Koalitionspartner, die Patriotismus- Karte zuspielte. In Konsequenz scheiterte die FPÖ jedoch weniger an ihren Inhalten, als mehr an der Frage, wer die Partei denn führen solle.

Die LPF war nach der Ermordung von Fortuyn so gut wie ausschließlich mit sich selbst beschäftigt wenngleich, wie ausgeführt, die Partei einen maßgeblichen Einfluss auf das Regierungsprogramm hatte. Pim Fortuyn setzte Themen und beeinflusste damit die politische Stimmung und das Verlangen nach Veränderungen in den Niederlanden. Es fehlte – nach der Ermordung von Fortuyn – jedoch an politischer Entscheidungsgewalt innerhalb der LFP und sehr rasch wurden Neuwahlen ausgerufen. Anstatt sich am Regierungsprozess zu beteiligen, suchte die LPF einen Vorsitzenden und musste parallel dazu den Wahlkampf organisieren.

274 Vergleich: Analogien und Unterschiede

II. Personelle Ressourcen und Konstanz

Bezogen auf die vorliegende Untersuchung waren die Beziehung zwischen Leader und Gras Roots bei der Lega Nord sehr stark ausgeprägt. Die Partei lud wöchentlich – regional – zur Kommunikation mit ihren Mitgliedern (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 39ff); darüber hinaus erforderte es an Einsatz, ein ordentliches Mitglied zu werden: Man musste sich dazu ein halbes Jahr lang engagieren und es braucht ein Folge den Zuspruch eines lokalen Parteimitglieds, ein Vollmitglied zu werden (Kneisler, 2011, S. 157).

Dem vorgelagert gab es unterstützende Mitglieder (ohne spezielle Rechte innerhalb der Partei) und Aktivisten (am Weg zum Vollmitglied). Was der Partei fehlte, waren im Statut vorgesehene Jahrestagungen, bei denen die Spitzen der Partei gewählt werden hätten sollen. Umgekehrt war und ist die Spitze der Lega Nord jedoch mächtig, indem sie das oberste Entscheidungsorgan bei Auf- oder Abwertungen von Mitglieder war (Lega Nord per l'Indipendenza della Padania, 2002).

Bei der Lijst Pim Fortuyn waren die Kommunikationsprozesse äußerst schwach ausgeprägt. Die niederländische Partei wurde neu gegründet, befand sich im Aufbau und kurz vor der Wahl wurde der Gründer ermordet. Die Liste, will man es positiv formulieren, gewann zu schnell an Einfluss, als dass die Struktur hätte entsprechend mitwachsen können. Die LPF war stark auf jenen fokussiert, der ihr vorstand: ihren Gründer Fortuyn. In Folge kam es nach der Ermordung des Vorsitzenden zu Problemen und Kontroversen bezüglich seiner Nachfolge.

Während ihrer kurzen Regierungszeit kam es zu Streitigkeiten innerhalb der Führungsspitze und zu Rücktritten (unter anderem der Vorsitzender Harry Wijnschenk und Staatssekretärin Philomena Bijlhout).

Die Lijst Pim Fortuyn fand im Folgejahr zu keiner innerparteilichen Ruhe, was sich ein Jahr später bei den – notwendigen – vorgezogenen Neuwahlen auf das Ergebnis niederschlug: Die Zustimmung zur Partei sank von 17 Prozent (2002) auf 5,7 Prozent (2003). Bei den übernächsten regulären Parlamentswahlen im Jahr 2006 fiel die Partei auf 0,2 Prozent der Wählerstimmen, wenngleich im selben Jahr mit der

275 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Partij voor de Vrijheid unter Geert Wilders eine neue rechtspopulistische Partei die Bühne betrat, die 5,9 Prozent der Stimmen erreichte (Van Kessel, 2011, S. 179). Dieser Prozess der Kontinuität der LPF kann als Scheitern betrachtet werden.

Bei der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) endete die erste Regierung (Schüssel I) mit einem Parteitag in Knittelfeld, den Jörg Haider, der Leader im Hintergrund, initiiert hatte. Der Landeshauptmann Kärnten war im Jahr 2000 vom Bundesparteivorsitz zurück getreten, agierte als so genanntes „einfaches Parteimitglied“ (Decker, 2013, S. 304), Haider war allerdings der Strippenzieher im Hintergrund und wollte die FPÖ zur „Ordnung“ zurück rufen; in Folge zerbrach die Regierung nach dem Rücktritt von führenden FPÖ-Politikern.

Bereits zuvor hatte die FPÖ mit Personalknappheit zu kämpfen: Michael Krüger, Justizminister für nur 25 Tage, musste nach einer Dienstwagenforderung (er verlangte nach einen Jaguar) aus „gesundheitlichen Gründen“ zurück treten (Mayr W. , 2000). Ähnlich kurz war die Ministerkarriere von Elisabeth Sickl (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales; bis Oktober 2000); etwas länger blieb Michael Schmid als Verkehrsminister (bis 2002) im Amt.

Das Besondere an der FPÖ war der starke persönliche Bezug aller Spitzenpolitiker zu Jörg Haider. Anders als beispielsweise bei der Lega Nord, wo sich neue Mitglieder erst für die Partei persönlich einsetzen mussten, wurde das Führungspersonal primär durch eine Auswahl des Leaders rekrutiert. „The long history of recruiting and promoting party officials based on their personal popularity and loyalty to Haider meant that many of them lacked substantive political skills, leading to a shortage of competent policymakers“, schreibt dazu Heinisch (Heinisch, 2008, S. 50). Die Zahl von rund 50.000 Mitgliedern (Wiener Zeitung, 2014) entsprach einem 25-fachen ihrer Wählerschaft (1,24 Millionen) im Jahr 1999.

In der zweiten Regierungszeit (Schüssel II) spaltete sich nach internen Streitereien die Partei in die FPÖ (geführt von Heinz-Christian Strache; rechtspopulistisch, nationalistisch) und dem von Jörg Haider gegründeten Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das die Koalition mit der ÖVP fortsetzte. In Folge trennte sich die Partei auf allen Ebenen, was zu jahrelangen Streitigkeiten über beispielsweise die Tilgung von Schulden führte. Die FPÖ war in Folge lokal besser aufgestellt als das BZÖ, das stark an Haiders als Person geknüpft war.

276 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Kurz nach den Nationalratswahlen 2008, als das BZÖ seine Stimmen unter Jörg Haiders Führung verdoppeln konnte (Preglau, 2016, S. 304), kam Jörg Haider bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Die Kanzlerschaft wechselte 2008 von Alfred Gusenbauer auf Werner Faymann, beide von der SPÖ.

Zusammenfassung:

Die Bindung ihrer Mitglieder war bei der Lega Nord stark ausgeprägt (mit einer Krise nach den Parlamentswahlen von 1994), wenngleich Umberto Bossi, der Leader, als unumstößliche Größe Bestand hatte. Die FPÖ hingegen zählte 50.000 Mitglieder (die Partei war bereits einige Jahrzehnte im Geschäft), wenngleich (fast) jegliche Form von Aufstieg in der Bundespolitik an eine Bekanntschaft mit Jörg Haider geknüpft war. Die Partei war lokal und regional organisiert, wenngleich der Leader der Partei ein Mitspracherecht hatte. Im darauf folgenden BZÖ war die Bindung an Haider, den Leader, noch stärker als im BZÖ ausgeprägt.

Umberto Bossi hingegen stabilisierte die Lega Nord, während Haider aus der zweiten Reihe abwarten wollte, bis ihn die Österreicher sowie die Europäische Union als Kanzler akzeptieren würden („Stoiber-Modell“). Aus der zweiten Reihe, als „einfaches Parteimitglied“, destabilisierte er jedoch mit Zurufen und einer Oppositionshaltung die FPÖ.

Anders als bei der FPÖ hatten Mitglieder der Lega Nord mehr Mitbestimmungsrecht, wenngleich für praktisch alle klar war: Bossi verkörpert die Partei – er war der Leader. Die Folge war beispielsweise, dass Parteitage mit der Wahl eines Vorsitzenden nicht abgehalten wurden. Der Leader war der Leader der Partei (Albertazzi & McDonnel, Populists in Power, 2015, S. 41ff).

Die Lijst Pim Fortuyn war hingegen eine kurz vor den Wahlen gegründete Partei, die – wie der Name erahnen lässt – um die Soziologen Fortuyn geknüpft war. Nach dessen Ermordung konnte sich die Partei nicht neu ordnen, was zu ihrem Untergang führte. Der Aufstieg der Liste erfolgte zu schnell, als dass die Partei in selber Geschwindigkeit hätte mitwachsen können. Es fehlte der Partei nach der Wahl nicht nur an einem Leader, sondern auch an Struktur, um unter den neuen Rahmenbedingungen überleben zu können. In Konsequenz zersplitterte sich die Partei.

277 Vergleich: Analogien und Unterschiede

III. Verhaltensmuster

Die Frage nach der Kommunikation mit anderen Parteien geht der Frage nach, wie sehr sich die Partei am politischen Geschehen, also an der Interaktion, beteiligt. Nachdem rechtspopulistische Parteien in der Regel mehr direkte und weniger repräsentative Politik fordern, so die These, könnten sie – als Grundsatz – tiefgreifende Kommunikation mit anderen Parteien einschränken. Andererseits bedarf es einer Gesprächsbasis, um Argumente miteinander austauschen zu können und politische Prozesse ins oder am Laufen zu halten.

Wenngleich in ihrer Rhetorik harsch und stark fordernd, verstand es die Lega Nord unter Umberto Bossi gut, den Dialog mit Freund und Feind aufrecht zu erhalten. Ein Beispiel hierzu sind gemeinsam erarbeitete Gesetze mit der AN (Bossi-Fini-Gesetz von 2002), den Postfaschisten, deren Basis Süditalien ist. Beide Parteien fanden sich in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Immigranten aus Afrika (Maghreb-Staaten) zueinander. Gleichzeitig könnte sich die Lega Nord (mehr oder minder gut) an die jeweilige Situation anpassen.

Wie bereits ausgeführt, relativierte die Lega nach dem vorzeitigen Ende der ersten Regierung (Berlusconi I, 1994 bis 1995) ihren Loslösungsanspruch von Italien. Statt eine Autonomie von Padanien forderte sie mehr Eigenständigkeit für alle Gebiete ein; wenngleich es auch eine thematische Rückkehr zum Sezessionsgedanken gab beziehungsweise dieser in den Programmen bestand hat.

Was ebenfalls für die Lega Nord spricht, war ihre Smartheit, sich als Königsmacherin zu präsentieren: In den Regierungen Berlusconi II/III und Berlusconi IV war sie die unabhängige Partei, deren Stimmen dem Ministerpräsidenten die Mehrheit gaben. Das gab ihr mehr Macht, als es ihr Stimmgewicht erlaubt hätten. Hinzu kam ihr Mitwirken im Kreis der Führungskräfte des Nordens (Berlusconi, Bossi und Giulio Tremonti) und die Fähigkeit der Lega Nord, mit der Alleanza Nazionale, der an sich gegnerischen Kraft im Parlament, einen Pakt einzugehen. Das Resultat war das bereits erwähnte Bossi-Fini-Gesetz, das 2002 Immigranten die Einreise nach Italien erschwerte und ihre Anwesenheit in Italien subtil mit Kriminalität in Verbindung brachte.

278 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Die FPÖ war nach dem Aufstieg von Haider eine lange Zeit isolierte Kraft im österreichischen Parlament. Während die Zweite Republik stark vom Proporz geprägt war (Zusammenarbeit von Vorfeldorganisationen von SPÖ und ÖVP) und die FPÖ vor Schüssel I und Schüssel II nur drei Jahre an der Regierung war (1983-1986 mit der SPÖ), trat die FPÖ – rhetorisch – genau gegen diese Art der Konkordanz an. Darüber hinaus war die FPÖ das Sammelbecken für nationalistische Kreise, die man – in anderen Parteien – auf Distanz halten wollte.

Während die SPÖ nach dem Führungswechsel hin zu Jörg Haider den Kontakt mit der FPÖ gering hielt, nutzte die ÖVP unter ihrem Vorsitzenden Wolfgang Schüssel (ab 1999) die Gelegenheit und eroberte mit der Partei, die mehr Stimmen als sie selbst gewinnen konnte, das Bundeskanzleramt. Die Absicht der ÖVP war es, sich geschickt gegenüber zu FPÖ zu positionieren, ihren Anspruch als dominierend Partei zu unterstreichen und damit auf ein besseres Ergebnis bei den nächsten Wahlen zu hoffen (L. de Lange, 2012, S. 913).

Seitens der Kommunikation mit anderen Parteien hatte die FPÖ das (bewusst herbeigeführte) Problem, dass der Leader, Jörg Haider, sich nach Kärnten zurückzog; gleichzeitig aber die dominierend Kraft blieb (wie bereits ausgeführt). Vizekanzler Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubobmann Peter Westenthaler gewannen an Einfluss innerhalb der FPÖ und der österreichischen Innenpolitik, wenngleich nicht in der Dimension von Jörg Haider. Parallel dazu lehnten die Grünen und die SPÖ die FPÖ ab. Es kam zu keiner tiefgreifenden Kommunikation zwischen Opposition und den Freiheitlichen – im Gegenteil: Das Misstrauen vertiefte sich.

In den Niederlanden waren politische Konkurrenten nach den Wahlen 2002 erstaunt über das Abschneiden der LPF mit mehr als 17 Prozent der Stimmen – und das ohne ihren Leader Pim Fortuyn. Ihrer Größe wegen (sie war zweitstärkste Kraft in den Niederlanden) wurde sie Teil der Koalition unter der Führung der Christdemokraten unter Jan Pieter Balkenende.

Die Kommunikation zu anderen politischer Parteien waren, wie bereits ausgeführt, gering, zumal die neue Partei mit internen Konflikten beschäftigt war. Nach rund elf Wochen war die Regierung am Ende: Es wurden Neuwahlen ausgerufen, bei denen die LPF nahezu von der politischen Bühne verschwand.

279 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zusammenfassung:

Die Kommunikation mit anderen politischen Parteien unterstreicht die Wichtigkeit innerhalb des Systems. Eine Positionierung als politischer Außenseiter birgt Gefahren in sich, wie der Zerfall der FPÖ (hinzu kommt die Außenseiterrolle Jörg Haiders) zeigte. Die Freiheitlichen scheiterten daran, sich innerhalb des politischen Systems Österreichs mit anderen Parteien zu vernetzen. Keine andere Partei außer der ÖVP hätte mit ihr eine Regierung bilden wollen.

Ein geschickter Player war hierbei die Lega Nord, die sich gut in der Inszenierung von Rhetorik und Kommunikation zeigte; wenngleich sie dadurch Teil des „Systems“ wurde, was sie jedoch gut überdecken konnte und äußere Feinde inszenierte, die sie an der Durchsetzung des Richtigen hindern würde. Die Lega Nord war unter den untersuchten Parteien am besten, was die Vernetzung innerhalb des politischen Systems betraf. Sie definierte Freund und Feind und beteiligte sich an Inszenierungen von „politischen Spielen“, die im Vorteil für beide Parteien waren (beispielsweise die Kooperation mit Berlusconi).

Die LPF war, kurzum, während der Regierungszeit faktisch nicht präsent auf der politischen Bühne. Die Partei hätte unter ihrem Führer Pim Fortuyn vermutlich anders agiert; er fiel allerdings einem Mordanschlag zum Opfer. Jegliche Mutmaßung ist eine Spekulation, die in dieser Arbeit nicht beleuchtet wird.

280 Vergleich: Analogien und Unterschiede

IV. Auslösende Ereignisse

Verglichen zur FPÖ und der LPF hatte die Lega Nord eine regional bestimmte Basis hinter sich: Padanier, sie sich von ihrer Partei gegenüber Süditalien und von Rom „verteidigt“ fühlten. Diese Verbundenheit ihren thematisch stark mit der Unabhängigkeit verbundenen Wähler hatte allerdings auch Risiken, denn der Anspruch an eine Sezession war definiert. Hinzu kommt, dass die Sezession und in Folge die Autonomie lokale Themen sind, die nie im landesweiten Interesse Italiens standen. Ihre Wähler hatte die Lega Nord primär in Norditalien, wenngleich die Partei mit ihrem zweiten Issue, der Immigrationspolitik, ihre Basis ausweiten konnte.

In Konsequenz stand die Zustimmung für die Lega Nord auf wackeligen Beinen: Eine Sezession von Italien, die anfangs lautstark und wiederkehrend gefordert wurde, war nicht durchsetzbar. Andererseits schwächte eine Abschwächung der Forderungen ihre Graswurzel-Aktivisten, war doch die Sezession und die Ausrufung Padaniens bereits vollzogen worden. Die im Anschluss geforderte Autonomie, die zunehmend weniger Tiefe hatte, war nicht, was die Anhänger wollten.

In Konsequenz waren die Wahlergebnisse starken Schwankungen ausgesetzt, wenngleich der Immigrations-Issue die Nachfrage nach der Lega Nord stabilisierte. Die Regierungsbeteiligung an sich lässt keine Schlüsse zu: Die Lega Nord verlor und gewann stimmen nach einer Periode im Amt. Wahlen, um zum Schluss zu kommen, war bei der Lega Nord nicht mit einem zwingenden Scheitern verbunden.

Die LPF war hingegen nur zweieinhalb Monate im Amt und sank in Folge bei den Neuwahlen auf weniger als ein Drittel der Zustimmung als bei den Parlamentswahlen zuvor. Ihr schadete die Regierungszeit, wenngleich sie nicht ernsthaft regierte: Personelle Streitigkeiten innerhalb der Lijst Pim Fortuyn und Fehlentscheidungen bei der Besetzung von Ministerposten standen im Vordergrund.

In Konsequenz läuteten die ersten und noch mehr die zweiten Wahlen das Ende der LPF ein: Nachdem sie 2006 nicht mehr ins Parlament gewählt wurde, löste sich die Partei 2007 auf. Ihr indirekter Nachfolger ist die Partij voor de Vrijheid (unter Geert Wilders), die jedoch andere Ursprünge hat.

281 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Die erste FPÖ-Regierung (Schüssel I) scheiterte an parteiinternen Streitigkeiten (Parteitag in Knittelfeld im September 2002), welche zu Neuwahlen führten. Jörg Haider, der eigentliche Leader der Partei, wollte die Macht innerhalb der Partei zurück gewinnen, was zu einem Bruch mit der Regierungsspitze führte.

Bei den Neuwahlen verlor die FPÖ massiv an Stimmen (minus 16,9 Prozent der gezählten Stimmen); sie konnte allerdings gemeinsam mit der ÖVP, die massiv gewann (plus 15,39 Prozent) die Mehrheit im Parlament stellen, was zur Bildung von Schüssel II führte. Die FPÖ ist damit die einzige Partei, die im Untersuchungsfeld eine Regierung nach Wahlen fortsetzen konnte. Allerdings muss ergänzt werden, dass die Partei (nach ihrem Zerfall in der ersten Regierung) sich rund zwei Jahre später spaltete: In die bisherige FPÖ und das BZÖ, dem alle Regierungsmitglieder angehörten.

Das BZÖ war eine von Haider gegründete Partei, die primär in Kärnten, Haiders Bundesland, eine mächtige Kraft wurde. Auf Bundesebene kam es erst mit der Rückkehr des Leaders auf mehr Einfluss. Kurz nach den Nationalratswahlen 2008, bei denen das BZÖ mehr als 10,7 Prozent der Stimmen kam (zum Vergleich: die FPÖ kam auf 17,54 Prozent), starb Jörg Haider bei einem Autounfall in Kärnten.

Wie angesprochen muss jedoch ergänzt werden, dass die FPÖ im österreichischen Parlament eine isolierte Kraft war: Die ÖVP war die einzige Partei, die mit ihr eine Koalition bilden wollte. Wahlen waren für die Freiheitlichen in Konsequenz stets mit einem Scheitern verbunden. In Folge waren sie für die Partei ein Ereignis des Scheitern als Regierungspartei. Auch das BZÖ, die Nachfolgepartei der FPÖ, schaffte es gerade so über die Sperrklausel von vier Prozent und wäre beinahe am Einzug in den Nationalrat gescheitert.

282 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zusammenfassung:

Die Fälle der LN, der LPF und der/des FPÖ/BZÖ sind seitens ihrer Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich. Die Lega Nord scheiterte, was eine erneute Regierung nach einer Wahl betraf; im politisch unruhigen Systems Italiens ist dies allerdings weniger die Ausnahme als mehr die Regel. Demgegenüber hatte Berlusconi II/III die längste Regierungszeit in Italien nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies kann als Erfolg betrachtet werden.

Der FPÖ gelang ein erneuter Einzug in die Regierung, wenngleich die Regierung zuvor parteiintern niedergestoßen und indirekt zum Rücktritt gezwungen wurde. Und beide Wahlen waren für die FPÖ mit massiven Verlusten verbunden was den Schluss nahe legt, dass die Wahlen ein Scheitern bedeuteten.

Während der zweiten Amtszeit spaltete sich die Partei in FPÖ und BZÖ, was ebenfalls als massiver Konflikt verstanden werden kann. Beziehungsweise relativiert es die Kategorisierung des Erfolgs der Nachfolgeregierung. Das (neue) BZÖ schaffte es bei seiner ersten Wahl knapp über die Sperrklausel von vier Prozent.

Die LPF war hingegen auf gesamter Breite gescheitert. Die Partei führte zum Ende der ersten Regierung, der sie angehörte. Bei der Neuwahl verlor sie mehr als zwei Drittel ihrer Stimmen und bei den wiederum nächsten, regulären Wahlen sank sie auf 0,2 Prozent, was das Ende der Partei bedeutete.

Ihr „Erbe“ ist die Partij voor de Vrijheid, die aktuell (Stand: 2017) mit 13,06 Prozent in der Zweiten Kammer vertreten ist. Geert Wilders, ihr Vorsitzender, war zuvor jedoch Mitglieder der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie und kein Mitglieder der Lijst Pim Fortuyn.

283 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Untersuchungsergebnis

Bewertung der Parteien

Alle der untersuchten rechtspopulisitischen Parteien waren mit Formen des Scheiterns konfrontiert, wenngleich sich Größe beziehungsweis die Dimension des Scheiterns stark voneinander unterscheiden:

• Die FPÖ war schwach was ihre personellen Ressourcen betraf; sie hatte wenig Erfahrung mit dem Regieren und es fehlte der Leader an der Spitze, den ihre Anhänger als Wahlargument betrachteten. Beziehungsweise gab es einen Führungsstreit, für den es keinen Lösungsmechanismus gab. Jörg Haider wollte im Hintergrund ausharren, um im nächsten Schritt selbst Kanzler zu werden.

Die FPÖ war jedoch die einzige Partei, die erneut nach Wahlen (wenngleich sie verloren wurden) in eine Regierung eintrat. Das kann, mit Abstrichen, als Erfolg gewertet werden. Die Konsequenz war jedoch das Zersplittern in zwei Parteien: In die FPÖ und das BZÖ. Vorrangig scheiterte die FPÖ an ihren Ressourcen und an Verhaltensmustern, welchen Wahlniederlangen folgten.

• Die LPF kam, wie Heinisch schrieb, als „Über-Nacht-Phänomen“ (Heinisch, Right-Wing Populism in Austria: A Case for Comparison, 2008, S. 52) verstanden werden; und sie verschwand auch über Nacht wieder. Die Partei scheiterte im Speziellen an ihrer Organisation, wenngleich sie die politische Kultur änderte und der Rechtspopulismus dauerhaft in den Niederlanden Einzug hielt. Die Frage, wie die Partei sich unter Pim Fortuyn entwickelt hätte, ist eine hypothetische.

Inhaltlich setzte die Partei durchaus Akzente und viele Forderungen von Fortuyn flossen in das Regierungsprogramm von Balkenende I ein. Der maßgebliche Punkt ihres Scheiterns waren Spannungen innerhalb der Partei, die zu einem Verhaltensmuster führte, das zum Ende der Regierung führte. In Konsequenz verlor auch die LPF die folgende Parlamentswahl.

284 Vergleich: Analogien und Unterschiede

• Wenngleich die Lega Nord nie bei Wahlen in der Regierung bestehen konnte, gilt sie als die erfolgreichste Partei in vorliegender Untersuchung. In Italien, zur Erklärung, ist ein häufiger Wechsel an Regierungen, insbesondere in der Zweiten Republik, nahezu die Regel. Als regionalistische Partei, welche anfangs die Sezession Padaniens fordert, zeigte sie sich sehr flexibel bezüglich ihres Programms. Die Forderung nach einer Sezession wurde in den Ruf nach mehr Autonomie umgewandelt. Hinzu kam das Thema der Immigration sowie der Ruf nach mehr öffentlicher Sicherheit.

Eine besondere Qualität der Lega Nord waren die Kommunikationsfähigkeiten Umberto Bossis, ihr Leader, der die Partei mit seiner Einstellung und Rhetorik verkörperte und gleichzeitig Wege fand, wie er mit anderen Parteien – gemäßigt beziehungsweise intensiv – kommunizieren konnte.

Bezogen auf die Forschungsthese (H1, siehe Seite 21), wonach Rechtspopulismus eine Politik der Opposition sei, ist die Lega Nord – zu Teilen – ein Widerspruch, zumal sie ihre harten Töne in Politik umsetzte und gleichzeitig deswegen wiedergewählt wurde (Wahlen 2008 mit kurzer Mitte-Links-Regierung zwischen Regierung und erneuter Wahl). Das Agieren der Lega Nord entspricht vielmehr der Nullhypothese, wonach sich Rechtspopulisten ihrer Wendigkeit wegen gut an

Stimmungslage anpassen können (siehe H0, Seite 21). Die nie an eine Regierung folgende Regierung kann allerdings auch als Abwahl verstanden werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Qualität des Führers: Er bestimmt den Kurs und muss ihn glaubhaft seinen Anhängern und Mitgliedern verkaufen. Umberto Bossi (Lega Nord) zeigte sich hierbei geschickte. Erst nach der Regierungszeit, im Jahr 2011, kam er wegen illegaler Parteienfinanzierung zu Fall.

Bei der FPÖ ist der Blick gespalten: Einerseits konnte sie die erste Regierung mit einer zweiten fortsetzen, wenngleich dem ein Bruch innerhalb der Partei zuvor gegangen war. Andererseits rieb sich die Partei in Konflikten auf: Erst wollte Jörg Haider, der Leader im Hintergrund, die Macht zurück gewinnen, was zu einem Rücktritt der FPÖ-Minister führte. Danach, während der zweiten Regierung, kam es zur Trennung der FPÖ in FPÖ und BZÖ.

285 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Wie Politikwissenschafter Heinisch schreibt, war die FPÖ für jede andere Partei die zweite Option (Heinisch, 2008, S. 52), was ihre Fähigkeiten zu agieren einschränkte. Die Freiheitlichen hatte interne Probleme, kommunizierte nur bedingt mit anderen Parteien (Ausnahme: mit ihrem Koalitionspartner, der ÖVP); ihre Wahlergebnisse waren stark wechseln und die politischen Umsetzungen (politics) deckten sich nur bedingt mit der Rhetorik des Wahlkampfs.

Die von der FPÖ im Wahlkampf angekündigte Politik entsprach in der Rhetorik einer Oppositionspartei. Die FPÖ kann in Folge – trotz (bedingter)

Wiederwahl – der Nullhypothese (H0) zugeordnet werden. Ihre Wiederwahl war nicht auf den eigenen Erfolg, sondern aufgrund eines Zuwachses beim Koalitionspartner, der ÖVP, zurück zu führen.

Die niederländische LPF war beeinflusste mehr den Wahlkampf als die Tagespolitik nach Bildung der Regierung (Van Holsteyn & Galen, 2003). Der Abgang von Pim Fortuyn riss ein Loch in die Partei, von dem sie sich nicht mehr erholen konnte. Nach dem Mord an Fortuyn wurde die LPF mit rund 17 Prozent in die Zweite Kammer gewählt; sie konnte jedoch nicht umsetzen, was Fortuyn angekündigt hatte (beziehungsweise wurden viele seiner Forderungen ins Regierungsprogramm geschrieben, die Amtszeit währte jedoch nur kurz). Das geäußerte politische Verlangen und das Handeln waren in Folge nicht deckungsgleich.

286 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Grafische Darstellung

Tabelle 2: Erfolge und Scheitern der Parteien je nach Themenfeld.

Personelle Politische Ressourcen und Auslösende Durchsetzungsfähigkeit Konstanz Verhaltensmuster Ereignisse FPÖ o - - - LPF o - - - LN o + + o

Die Tabelle darüber zeigt, wie erfolgreich eine Partei bei welchen Kriterien agieren konnte. Wie angesprochen, konnte keine der untersuchten Parteien sich thematisch durchsetzen, wenngleich es – bezogen auf die Durchsetzung von politischen Inhalten – massive Unterschiede gab:

• Die FPÖ war erfolgreich bezüglich ihres Regierungsprogramms, wenngleich sie bei „populären Punkten“ wie einer EU-kritische Haltung scheiterte.

• Die LPF bewirkte wenig an Änderungen, wenngleich sie mit ihren Forderungen den Wahlkampf aufmischte und die Punkte Fortuyns im Regierungsprogramm Platz fanden.

• Die Lega Nord war erfolgreich in Immigrationsfragen und erzielte bezüglich einer stärkeren Autonomisierung einen Teilerfolg.

In allen anderen Punkten konnte lediglich die Lega Nord überzeugen. Einzig bei den auslösenden Ereignissen fehlt es an Konstanz: Sie gewann und verlor Parlamentswahlen, wenngleich kein direkter Konnex zur Regierungstätigkeit feststellbar ist. Auch Bestrebungen um eine Sezession wirkten sich positiv und negativ aus. Die Frage nach Wählerstimmen bei Neuwahlen lässt sich bei der Lega Nord nicht einer Beteiligung bei einer Regierung zuordnen.

287 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Gesamtbetrachtung zur Forschungsthese

Die vorliegende Untersuchung entgegnet – zu Teilen – Taggarts These der Self- Limiting Mobilisation (Taggart, Populism, 2000, S. 100): Parteien wie beispielsweise die Lega Nord sind in der Lage, dank breiter Parteibasis, strengen Regeln innerhalb der Partei, einer guter Kommunikation zu anderen Parteien und einem starken Leader Rechtspopulismus und Regierungsbeteiligung miteinander vereinen zu können. Die Partei scheiterte, was eine Wiederwahl in einer Regierung betraf; sie war jedoch erfolgreich seitens ihrer politics bezogen auf das Immigrationsthema.

Es muss allerdings ergänzt werden, dass die Regeln in Italien nach dem Zusammenbruch der Ersten Republik andere waren als in anderen Staaten Europas: Viele Bürger hatten als Folge der Korruptionsskandale (und aufgrund weiterer Punkte) das Vertrauen in die Politik verloren. Die Zeit verlangte nach neuen Parteien, die sich abseits bekannter und bislang etablierter Muster bewerten.

Die FPÖ und noch mehr die LPF unterstreichen hingegen Taggarts These, wonach rechtspopulistische Parteien sich selbst begrenzen. Die FPÖ verlor zwar eine Wahl, trat im Anschluss nochmals in eine Regierung ein. Von einem Erfolg kann jedoch nicht gesprochen werden, zumal die Partei zwei Mal in sich zerbrach. Sie scheiterte laut Definition in mehrfacher Hinsicht, wenngleich sie sich in Opposition immer wieder aufrichten konnte. Dies entspricht, folgert man Taggart, der Ansicht der zyklischen „Hypes“ des Rechtspopulismus entspricht.

Bezogen auf die Qualität der Inszenierung, den Ansturm gegen Eliten und festgefahrene Strukturen, verlor die FPÖ rasch an Dynamik: Als Regierungspartei verpufften die Töne des Wahlkampfs und sie wurde „Systempartei“. Jörg Haiders Bemühungen, von Kärnten aus gegen die eigene Bundespartei in Opposition zu gehen, lösten einen Führungskonflikt aus, als dass sie seitens der Inszenierung ein Nutzen gewesen wären. Auch die Gründung einer neuen Partei, des BZÖ, konnte keine Kampagnenqualität mehr erreichen, wie sie im Wahlkampf 1999 zu beobachten war, als Haider sich als bürgernahen, freiheitlichen Politiker darstellte, der sich von den bisherigen Eliten grundlegend unterschied.

288 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Von zentraler Bedeutsamkeit, das zeigt diese Untersuchung, sind die Führungsqualität des Leaders und die Organisation der Partei. Ein guter Parteiführer muss eine Basis aufbauen und seine Anhänger mit Inhalten (mitunter immer wieder dieselben Inhalte) versorgen, die sie hören wollen. Es braucht Personal, das Führung übernehmen und sinnvolle Entscheidungen treffen kann.

In Folge ist eine gewisse Zeitspanne vor einem Regierungseintritt, in dem eine Partei aufgebaut werden kann, ein wesentliches Gut: Alle Parteien, nicht nur rechtspopulistische, die sprungartig aus dem Boden schießen und eine beachtliche Größe erreichen, sind rasch überfordert mit dem Erfolg. Dies unterscheidet beispielsweise von der Lega Nord von der LPF.

Gleichzeitig bedarf es eines Kompromisses im Tagesgeschäft, der eine funktionierende Kommunikation mit anderen Parteien voraussetzt. Sich zu isolieren und als Macht der Ausgeschlossenen (Verschwörungstheorien, Ausschluss aus dem Dialog, etc.) zu präsentieren ohne den Schritt zu anderen zu wagen, ist keine nachhaltige Strategie: Es braucht einen Mittelweg im politischen Dialog.

Zudem muss man als rechtspopulistische Kraft den Eindruck vermitteln, ein verlässlicher Partner zu sein. Dies klingt trivial, jedoch ist Rechtspopulismus eine Politik des Widerstand gegen die politische Ordnung. Es braucht in Folge eine gute Trennung zwischen dem, was man seinen Wählern sagt (Rhetorik) und dem, wie man sich mit anderen Politikern bespricht und was man tut (politics). Ein guter Rechtspopulist (betrachtet als Führungspersönlichkeit oder Leader), will man ihn qualitativ bewerten, provoziert mit harschen Thesen und aktiviert damit seine Anhänger; er darf aber nicht übertreiben, um gleichzeitig noch ein Partner in einer Regierung sein zu können. Polarisierung erzeugt auch Ablehnung.

289 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Zusammenfassend:

Rechtspopulistische Regierungsparteien sind keinesfalls zwingend zum Scheitern verurteilt. FPÖ und LPF sind vorrangig an Spannungen innerhalb der Partei und in Folge an Regierungskonflikten gescheitert. Dem gegenüber steht jedoch die Lega Nord, die 1995 ebenfalls fast zerfallen wäre, im Anschluss jedoch flexibler wurde und sich seitens ihrer Themen ausgeweitet hat.

Worin sich die Lega Nord von der FPÖ und der LPF unterschied:

• Die Regeln bezüglich einer Mitgliedschaft waren strikter. Mitglieder konnten auf- und abgewertet werden 23 . Der Parteivorstand besitzt damit ein reglementierendes Machtinstrument, das von den Mitgliedern akzeptiert wird. • Die Lega Nord wird von einer kollektiven Idealvorstellung geeint: der Unabhängigkeit Padaniens. Damit ist einerseits ein Ziel definiert und andererseits sind die Feinde klar abgesteckt: Süditalien, das elitäre Rom und – später ergänzt – angebliche Systemprofiteure wie Zuwanderer. • Innerhalb der Lega Nord war der Leader stets der Leader und blieb der Leader24: Mit Ausnahme seiner Erkrankung war Umberto Bossi stets präsent innerhalb der Lega Nord. Er schuf Beständigkeit und festigte die Einheit. • Die Welt der Lega Nord bestand nicht nur aus Feinden: Bossi schmiedete Bündnisse und kooperierte auch mit jenen, die er als Gegner beschimpft hatte; der Alleanza Nazionale etwa. Die angesprochene harte Rhetorik war vielfach nur eine Fassade, hinter der ein Dialog stand. • Seitens seiner Logik ist der Begriff der Glaubwürdigkeit ein schwieriger bei einer Partei, die häufig ihre Linie ändern. Ihre Anhänger müssen jedoch das Gefühl haben, dass die Partei das Richtige tut.

Es ist allerdings, um Missverständnissen vorzubeugen, die Lega Nord alles andere als eine ideale rechtspopulistische Partei. Der Vergleich zeigt allerdings, in welchen Punkten eine rechtspopulistische Partei Stärken zeigen muss, um für längere Zeit in der Regierung bestehen zu bleiben.

23 Aufgewertete Mitglieder konnten wichtige Posten und Regierungsämter besetzen 24 Mit Ausnahme des Korruptionsskandals von Bossis Söhnen nach Ende der bislang letzten Regierungszeit

290 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Ausblick

Aus Sicht der Nachfrage betrachtet, ist Rechtspopulismus nichts Absurdes. Wie die Wahlen in Frankreich 2017, bei den Marine Le Pen (Front National) in die Stichwahl kam, zeigte, ist diese Richtung nach wie vor präsent.

Dazu ein paar Beispiele:

• Traditionelle Parteibindungen lösen sich zusehends auf. Die postmoderne Welt lässt sich nicht mehr nach moderner Blickweise in Rot (Arbeiter) und Schwarz (Bürgertum, Unternehmer) trennen. Das Umfeld wurde komplexer und eine gewisse Schicht an Wählern sucht einfache Antwort, welche ihnen Rechtspopulisten liefern. • In weiten Bereichen entfernte sich Ideologie aus dem Alltagsleben. Konsum rückte in der Vordergrund. Hinzu kommen neue Entwicklungen und Veränderungen in der Arbeitswelt, die schneller als zuvor voranschreiten. Rechtspopulisten liefern keine detaillierten Antworten; sie suggerieren jedoch, die Welt solle werden, wie sie es sagen, was viele Wähler als Anreiz verstehen. • Ein Anteil an Menschen interpretiert Veränderung als Gefahr. Insbesondere dort, wo wenige Ausländer leben, werden diese bei Zuzug umso mehr als Gefahr wahrgenommen. Wer ankündigt, verstärkt gegen (illegale) Ausländer vorzugehen, verringert die gefühlte Angst vor dem Unbekannten und sammelt Wählerstimmen. • Wirtschaftliche Probleme verändern die Rangordnung in der Gesellschaft. Der so genannte Mittelstand verändert sich. Während es in den 1970ern, 1980ern in das wirtschaftliche System einzuordnen, ist dieser Prozess in den 2010ern erheblich schwieriger geworden.

291 Vergleich: Analogien und Unterschiede

• In einem komplexen System aus globaler Wirtschaftsverflechtung, einem schrumpfenden Einfluss des Staates auf Konzerne, Geld von Wohlhabenden außerhalb des Zugriffs von Staaten, in denen sie leben, und einer sich zuspitzenden Ungleichverteilung des Vermögens ist die Frage, was nun fair sei, eine sehr komplexe. Vielen Leute sind die Sachverhalte zu abstrakt. In Anbetracht dessen sind vereinfachte Inhalte komplex genug. Die Leute mögen die einfache Darstellung von Rechtspopulisten.

Rechtspopulismus, das zeigt diese Studie, ist keine Antwort zur Beseitigung der genannten Probleme. Zuwanderung zu bremsen und dadurch eine höhere Sicherheit zu suggerieren, bedeutet keine Lösung der gesellschaftlichen Grundprobleme. Die Bildung einer fairen, sicheren Gesellschaft ist weit komplexer.

Ein wenn nicht das Problem unserer Zeit ist die Vermögensverteilung (siehe Einkommensverteilung und Rechtspopulismus, Seite 102ff), die sich massiv zu Gunsten der Wohlhabenden und Reichen verlagert. Es lässt sich nicht errechnen oder prognostizieren, ab wann eine Gesellschaft revolutionär wird oder sie gegebene Zustände nicht mehr akzeptiert. Zudem soll es natürlich jedem möglich sein, mehr oder weniger als andere zu besitzen. Natürlich ist es erlaubt und sogar wichtig, durch Fleiß und Ideen sein Einkommen aufzubessern. Fortschritt wird angetrieben durch Menschen, die Dinge in die Hand zu nehmen und auf Entdeckung zu gehen.

Möglichkeiten und tatsächlich Greifbares müssen allerdings getrennt werden. Wenn einem von Geburt an allerdings finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, verzerrt sich das Gesellschaftsmodell, das in seiner Theorie jedem die gleichen Rechte zuspricht. Kapital sammelt und akkumuliert sich. Dies ist einerseits gut, denn dies begünstigt die Gründung von Unternehmen. Andererseits verschiebt es jedoch die Möglichkeit der Teilnehmer am Markt: Jene, die Geld bekommen oder viel erben, sind im Vorteil gegenüber jenen, die sich alles selbst erarbeiten müssen.

Es braucht ein politisches, ideologisches Modell, die Gesellschaft fairer zu gestallten. Hierzu fehlt es jedoch klassischen Parteien, als auch rechtspopulistischen an den Möglichkeiten, dieses Thema anzupacken. Zudem braucht es an starken Ideologien an sich. Vielfach wird auf Kooperationsmodelle verwiesen, welche die Welt fairer gestalten könnten. Oder auf Lernprozesse im Einkauf von Produkten; also auf nachhaltig, fair produzierte Güter zurück zu greifen.

292 Vergleich: Analogien und Unterschiede

Wir leben in einer vom Konsum dominierten, „iPhone-isierten“ Welt, der womöglich die großen Ideen, die ideologischen Ziele ausgegangen sind. Beziehungsweise kommen große Ideologien nur unregelmäßig und Menschen sind latent stets von Unzufriedenheit geplagt, zumal Gesellschaftsordnungen nie in letzter Konsequenz ausgeglichen und fair sind.

Die Antwort zur Fragestellung dieser Arbeit? Rechtspopulistische Parteien scheinen zunehmend besser in ihrer Methodik zu werden. Will man als rechtspopulistische Partei erfolgreich sein, lohnt sich:

• Der Aufbau einer guten Parteistruktur mit klaren, gut durchsetzbaren Regeln (siehe Lega Nord).

• Eine thematische Flexibilität und eine Wandelbarkeit.

• Eine „Leidenschaft“ zur Inszenierung von politischen Themen.

• Eine gute politische Kommunikation, die Freund, Feind und politische Anhänger mit einbindet.

Ein liberaler Populismus, mutmaßt Grahame F. Thompson, könne die Antwort auf eine „straightforward liberal democracy“ sein (Thompson, 2017). Politik müsse in weiterer Folge populistischer werden, um Populisten den Stimmenfang zu erschweren. Dem gegenüber steht die These, wonach ein viel an Populismus die Gesellschaft protagonistisch mache.

„Populism is part of the toolbox, not the central issue“, vermuten Maxine Molyneux und Thomas Osborne (Molyneux & Osborne, 2017). Demzufolge ist Populismus nicht der Kern des Handelns sondern nur eine Möglichkeit, dem Gesagten mehr Anstrich zu verleihen. In Folge kann die tatsächliche Politik populistische Politiker dazu zwingen, weniger populistischer zu werden.

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vertikale und horizontale Orientierung rechtspopulistischer Ideologien. Quelle: (Rensmann, 2006, S. 65) ...... 59

Abbildung 2: Exklusivkriterien nach Minkenberg. Entnommen aus: (Minkenberg, 2013, S. 12) ...... 90

Abbildung 3: Rechte Parteien samt Vorfeldorganisationen und Wählerschaft in Europa, geordnet nach der Typologisierung von Minkenberg. Quelle: (Minkenberg, 2013, S. 15) ...... 91

Abbildung 4: Die Anteil des Einkommens der Topverdiener (ein Prozent) in englischsprach Ländern seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Quelle: Atkinson and Piketty (2007, 2010)...... 105

Abbildung 5: Das öffentliche Defizit bezogen auf das Bruttoinlandsproduktes in Österreich seit 1975. Quelle: Statistik Austria (2013) ...... 107

Abbildung 6: Die Staatsverschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsproduktes in Österreich seit 1980. Quelle: Statistik Austria (2013) ...... 108

Abbildung 7: Wirtschaftswachstum in Österreich seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Quelle: WKO ...... 109

Abbildung 8: Entwicklung der Beschäftigungen nach Sektoren in Großbritannien. Quellen: Albers (1980), CIA (2012) ...... 110

Abbildung 9: Idealtypen politischer Kultur mit den jeweils vorhandenen Bezugsobjekten individueller Orientierungen. (Barrios, 2006) ...... 119

Abbildung 10: Die Stimmanteile der FPÖ seit ihrer Gründung. Quelle: BMI ...... 139

Abbildung 11: Wahlergebnisse der Lijst Pim Fortuyn zwischen 2002 und 2010. Quelle: http://www.verkiezingsuitslagen.nl/Na1918/Verkiezingsuitslagen.aspx?Verkiezi ngsTypeId=1 ...... 180

Abbildung 12: Ergebnis der Wahlen zur Zweiten Kammer im Jahr 2002 (Einschränkung: Parteien mit >1%). Die LPF wurde mit 17 Prozent

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zweitstärkste Kraft. Quelle: http://www.verkiezingsuitslagen.nl/Na1918/Verkiezingsuitslagen.aspx?Verkiezi ngsTypeId=1 ...... 181

Abbildung 13: Die Zufriedenheit mit den nationalen Demokratien im Vergleich. Italien rangiert. Quelle: Eurobarometer ...... 205

Abbildung 14: Wahlergebnisse zur Abgeordnetenkammer (Camera dei deputati) der Lega Nord...... 217

Abbildung 15: Wahlergebnisse der Lega Nord seit 1992...... 261

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die Begriffe „Erfolg“, „Scheitern“ und „Misserfolg“ geordnet nach der Häufigkeit an Suchergebnissen auf google.at (deutschsprachige Suche, Zahlen in Millionen Hits)...... 25

Tabelle 2: Erfolge und Scheitern der Parteien je nach Themenfeld...... 287

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