Heinrich Schreiber Und Ignaz Heinrich Von Wessenberg - Spätaufklärer
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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg KARL-HEINZ BRAUN Heinrich Schreiber und Ignaz Heinrich von Wessenberg - Spätaufklärer Originalbeitrag erschienen in: Achim Aurnhammer (Hrsg.): Poeten und Professoren: eine Literaturgeschichte Freiburg in Porträts. Freiburg: Rombach, 2009, S. 169-191 Karl-Heinz Braun Heinrich Schreiber und Ignaz Heinrich von Wessenberg - Spätaufklärer Spätaufklärer, eine gemeinsame Charakteristik. Sie erschließt eine Geistes- verwandtschaft als Verbundenheit beider, als beachtliche Schnittmenge ihres Denkens und Auftretens, die jedoch ihre Grenzen durch persönliche Zu- gangsweisen konturiert. Beide Persönlichkeiten gehören zur Geschichte der Freiburger Universität. Beide erlangten von ihr die Doktorwürde; Heinrich Schreiber durch die Philosophische Fakultät 1821 und 1829 den theologischen Doktor wegen seiner aufgeklärten theologischen Wissenschaftlichkeit. Seine philosophi- sche Habilitation war noch im gleichen Jahr seiner Promotion 1821 ge- schehen.' Ignaz Heinrich von Wessenberg hatte den theologischen Doktor ehrenhalber 1815 erhalten. 2 Schreiber gehörte der Universität als akade- mischer Lehrer in der Theologischen und in der Philosophischen Fakultät an, wirkte sogar als Prorektor. Freiherr von Wessenberg, nicht minder ge- bildet, lehrte nie an der Universität, er stand ihr eher als Gönner im Sinne der Aufklärung gegenüber. Wessenberg - hier muss man ihn zuerst nennen - und Schreiber stehen für eine bestimmte geistige Wachheit, um nicht zu sagen intellektuelle Erwe- ckung, die ihren Nährboden in der katholischen Aufklärung Josephinischer Prägung besaß.' Dies ist zunächst der Hintergrund, vor dem sich beide Persönlichkeiten durchaus eigen und eigenwillig entwickelten. 1 DIETER SPECK, »... von einiger Heftigkeit und Rechthaberei in Meinungen nicht ganz freigesprochen.« Heinrich Schreiber und die Albert-Ludwigs-Universität, Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins Schau-ins-Land< 115 (1996), S. 71-117, hier S. 79-83. 2 WOLFGANG MÜLLER, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion an der Universität Frei- burg im Breisgau, Freiburg 1957 (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitäts- geschichte 19), S. 96, Nr. 635 bzw. S. 46. 3 Zum Kontext: HARM KLUETING (Hg.), Katholische Aufklärung — Aufklärung im katholi- schen Deutschland, in Zusammenarbeit mit NORBERT HINSKE und KARL HENGST, Ham- burg 1993 (Studien zum achtzehnten Jahrhundert 15) (Lit.); ACHIM AURNHAMMER/WIL- HELM KÜHLMANN (Hg.), Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus. Literarisches Leben in Südbaden um 1800, Freiburg 2002. Karl-Heinz Braun 1. Was ist Josephinismus? Ein schillernder Begriff des frühen 19. Jahrhunderts, eben jener Zeit, in der Wessenberg und Schreiber wirkten. 4 Er versucht die Reformen, die im spät- barocken Österreich des 18. Jahrhunderts angeordnet und irgendwie auch rezipiert worden waren, in den Griff zu bekommen. Bereits die gewaltigen Unterschiede so genannter »österreichischer Länder«, die sich »von der belgischen Kanalküste bis nach Siebenbürgen, von Böhmen bis Mailand und von Freiburg im Breisgau bis Galizien« 5 erstreckten, lassen erahnen, dass die Vorgaben Maria Theresias und Josephs II. auf unterschiedlichen Boden und Verständnis fielen und in den differenzierten Gegebenheiten dementsprechend andere Valenz erhielten. Im politisch hochdifferenzierten Vorderösterreich traf diese Politik auf eine stete Opposition der Stände. Ihre Taktik bestand darin, »sich mit stillem Widerstand bis zum Tode des Kaisers zu gedulden«. 6 Erst recht bei den ein- fachen Leuten fehlte die Begeisterung für Josephs Reformpolitik. Lediglich eine bestimmte Intelligenz begrüßte die Flut an Reformen, Führungsper- sönlichkeiten etwa, die an Neugestaltungen interessiert waren und - wie hier an der Universität Freiburg - Professoren. Die zum Tod von Joseph II. 1790 gehaltene Trauerrede des Freiburger Universitätsrektors, des Juristen Franz Xaver Jellenz, 7 an seine Kollegen dokumentierte dies: »Väter der 4 HARM KLUETING, Einleitung, in: Der Josephinismus. Ausgewählte Quellen zur Geschich- te der theresianisch-josephinischen Reformen, hg. von DEMS., Darmstadt 1995 (Aus- gewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit 12a), S. 1; ELISABETH KovÄes (Hg.), Katholische Aufklärung und Josephinismus, Wien 1979; DEREK BEALES, Joseph II., Bd. 1, In the Shadow of Maria Theresia 1741-1780, Cambridge 1987, S. 439: »The origins of the term [josephinism] seem never to have been studied in detail, and in any case would interest us mainly as an element in the mythology that grew up around the emperor after his death«, hier in Distanz zu Elisabeth Koväcs. Auf jeden Fall muss die hohe Wertschätzung Josephs II. bereits zu dessen Lebzeiten angesetzt werden, sie wird nicht erst durch die Begrifflichkeit geschaffen; siehe auch PAUL VON MITROFANOV, Joseph II. Seine politische und •kulturelle Tätigkeit. Aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt von VERA VON DEMELId. Mit einem Geleitwort von DR. HANNS ScHui-ihR,Wien/Leipzig 1910; RUDOLF ZINNHOBLER, Josephinismus, 3LThK, Bd. 5, 1996, Sp. 1008-1010, wobei der Hochjosephinismus zwischen 1780 und 1790 anzusetzen ist (nicht 1740-1780). 5 KLUETING [Anm. 4], S. 1. 6 EBERHARD GOTHEIN, Der Breisgau unter Maria Theresia und Joseph II., Heidelberg 1907 (Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission NF 10), S. 30. 7 Die Matrikel der Universität Freiburg i.Br. von 1656-1806. Im Auftrage der Archivkom- mission bearb. und hg. von FRIEDRICH SCHAUB, Freiburg i.Br. 1955, S. 892-893, Nr. 1: geboren 1749 in Selzach/Krainjurastudium in Wien, Militärdienst, Prof. iur. can. in Inns- bruck, 1782 Prof. des bürgerl. Rechts in Freiburg, 1797 Direktor der Juristischen Fakultät 170 Heinrich Schreiber und Ignaz Heinrich von Wessenberg - Spätaufklärer Hohenschule! [...] Gott gebe der Erde mehr Fürsten wie Joseph, und den Fürsten mehr solcher Unterthanen wie Ihr!« 8 Dabei stellten die Reform- maßnahmen im Bereich öffentlicher Religionsausübung die markantesten Weichenstellungen dar, hinter denen vor allem aufgeklärte Intellektuelle ihre Anliegen verwirklicht sahen. Scharf konturiert sprach Jellenz dies in seiner Trauerrede an: Gelebte Religiosität bestehe nicht in Gelderpressungen, im Müssiggange, in zeit- und sittenverderbenden Wahl- farten, in Bruderschaften, in lächerlichen Vorstellungen, und Verkleidungen hölzerner Bilder, in der Hersagung geist- und herzloser Gebetformeln, in der ei- teln Hofnung auf Wunderwerke, in abergläubischen Andächteleyen, wodurch der Verstand nicht belehrt, das Herz nicht gebessert wird, wenn sage ich, die katholische Religion darinn besteht, so hab ich auch keine, und Joseph hat sie mit Recht vertilgt. 9 Damals ging es um eine Veränderung des gesamten Staatswesens mit sei- ner ökonomischen Ordnung, seinen sozialen Strukturen, seinen Verwal- tungseinheiten und vielem mehr." Für die Religion bedeutete dies eine energische Forcierung einer reduktiven Frömmigkeit, weg von barocker Lust an Effekten. Bei diesem auch auf anderen Gebieten zu beobachtenden Rationalisierungsprozess, bei der Effizienz einen primären Rang einneh- men sollte, stand im religiös-sittlichen Bereich ein gewisser Jansenismus Pate, der sich in der österreichischen Rezeption als »Rigorismus«," Nüch- ternheit, Strenge und als moralische Kontrolle präsentierte. Hinter dem Bestreben nach Reform stand das Interesse an neuen Wertigkeiten. Ne- bensächliche religiöse Formen, die im Barocken durchaus Lebensqualität in Innsbruck, [gestorben 1805]; abweichende Daten: FRANZ QUARTI-JAL/GEORG WIELAND, Die Behördenorganisation Vorderösterreichs von 1753 bis 1805 und die Beamten in Ver- waltung, Justiz und Unterrichtswesen, Bühl 1977 (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts Freiburg i.Br. 43), S. 288, Nr. 1594. 8 Franz Xaver Jellenz, Trauerrede auf Joseph den Zweyten, Röm. Kaiser, und König. Als die Hoheschule zu Freyburg im Breisgau Ihm ihre lezte Pflicht erwies, Freyburg im Breis- gau 1790, S. 65. 9 Ebd., S. 38. 10 KARL OTMAR FREIHERR VON ARETIN, Der Josephinismus als Problem des katholischen aufgeklärten Absolutismus, in: Österreich im Europa der Aufklärung, Bd. 1, hg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der Österreichischen Akade- mie der Wissenschaften, Wien 1985, S. 509-524, hier S. 518; KLUETING [Anm. 4], S. 6: »[...] erst in ihrer Summe machen sie das aus, was wir Josephinismus< oder >theresianisch- josephinische Reformen< nennen«. 11 PETER HERSCHE, Der Spätjansenismus in Österreich, Wien 1977 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 7; Schriften des Dr. Franz Josef Mayer-Gunthof- Fonds 11), S. 27. 171 Karl-Heinz Braun bedeuten konnten, wurden als petites de'votions, als >Andächteleien< an den Rand gedrängt. Das Wesentliche des Glaubens, eine innerlich-persönliche Gottesbeziehung, hatte im Vordergrund zu stehen. »Im Extremfall« war das Kirchengebäude der Jansenisten »ein kahler Raum ohne Schmuck, Bil- der oder Skulpturen, ihr Altar ein bloßer Tisch oder Block, auf dem es weder Kreuz, noch Leuchter, noch Reliquien gab«.' 2 Solche Reduktionen passten zum josephinischen Programm einer Effizienz- steigerung, und das nicht nur, aber auch aus ökonomischen Gründen. Ein Vortrag der Wiener Hofkanzlei vom 16. Mai 1781 mag programmatisch die Einstellung darlegen: Die katholische Religion gewinnt ungemein vieles, wenn sie nach und nach in ihre ernsthafte, einfache und mit dem vorhabenden Endzwecke eines öffentli- chen Gebethes zu Gott übereinstimmende Verfaßung bey dem culto externo wie- derum zurückgeführet wird; denn eben derley übertriebene Anwendung des unschicksamen Gepränges ist