Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 349

JOHANNES PREISER–KAPELLER / WIEN

MAGISTER MILITUM PER ARMENIAM (Ο ΤΩΝ ΑΡΜΕΝΙΑΚΩΝ ΣΤΡΑΤΗΓΟΣ) Überlegungen zum armenischen Kommando im 6. und 7. Jahrhundert

Es darf mittlerweile als gesicherter Stand der Forschung gelten, dass die kleinasiatischen Themen, die in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts in den byzantinischen Quellen auftauchen, aus den spätrömischen Militär- kommandos des Feldheeres, denen nach dem Verlust ihrer ursprünglichen Verteidigungsbezirke an die Araber neue Territorien zugewiesen wurden, hervorgingen.1 Im folgenden sollen Stationen auf diesem Weg vom magister militum zum Themenstrategen im Bezug auf das armenische Kommando im 6. und 7. Jahrhundert beleuchtet werden. Der Kommandobezirk von Römisch-Armenien war das jüngste der spät- römischen Kommandos der comitatenses im Osten. 528 ernannte Kaiser Justinian den Feldherrn Sittas zum magister militum per Armeniam et Pon- tem Polemoniacum et gentes. Seine Befehlsgewalt erstreckte sich nicht nur über die beiden seit langem bestehenden armenischen Provinzen westlich des Euphrats sowie Pontus Polemoniacus am Schwarzen Meer, sondern auch über die im 3. und 4. Jahrhundert an das Imperium gefallenen groß- armenischen Gebiete östlich des Flusses, also interior und die sogenannten Satrapien an Euphrat und Arsanias. Die autonomen armeni- schen Naχarare in diesen Gebieten hatten ihre Fürstentümer im Rahmen der Heerfolge gegenüber dem Kaiser selbst verteidigt; nun errichtete Jus- tinian eine Reihe von Festungen mit Garnisonen der regulären Feldarmee in ihren Territorien. Der magister militum per Armeniam schlug sein Haupt- quartier in Theodosiupolis (armenisch , heute Erzurum) mitten im Gebiet dieser Fürsten in Armenia interior auf. Sein Heer setzte sich aus neuaufgestellten Einheiten sowie Detachements von den magistri militum praesentales, dem magister militum per Orientem, von dessen Kommandobe-

1 J. KODER, Zur Bedeutungsentwicklung des byzantinischen Terminus Thema. JÖB 40 (1990) 155–165; J. F. HALDON, Warfare, State and Society in the Byzantine World 565–1204. London 1999, 73–75. Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 349 zirk das byzantinische Armenien nun getrennt wurde, und anderen Kom- mandos zusammen.2 Malalas berichtet, dass Sittas gestattet wurde, unter den einheimischen Armeniern Soldaten zu rekrutieren. Die Armenier zogen also nicht mehr unter ihren eigenen Fürsten in den Krieg, taten aber in den regulären Truppen Dienst.3 536 folgte der militärischen Eingliederung die administrative Integra- tion; Justinian unternahm eine umfassende Neuordnung der armenischen Gebiete des Imperiums und schuf vier Provinzen: Armenia prima mit dem Hauptort Iustinianupolis (heute Cimin) in Armenia interior, Armenia se- cunda mit der Hauptstadt Sebasteia, Armenia tertia mit der Metropolis Melitene und Armenia quarta im Gebiet der Satrapien mit dem Hauptort Martyrupolis. Die Macht der Naχarare ging in die Hände der Statthalter des Kaisers über.4 In den Jahren 528 bis 591 herrschte nur für 18 Jahre Frieden an der byzantinisch-persischen Grenze. Dann schien Kaiser Maurikios die langen Auseinandersetzungen mit der Einsetzung des Xosrau II. als Großkönig von Roms Gnaden im Sasanidenreich 591 zu einem für Byzanz siegreichen Ende gebracht zu haben. Als Preis für die militärische Hilfeleistung trat der Sasanide unter anderem den Großteil von Persarmenien bis nahe der Hauptstadt Dvin ab. Der Kompetenzbereich des magister militum per Ar- meniam, dessen Truppen Persarmenien besetzten, wurde auf die persarme- nischen Gebiete bis zur neuen Grenze, die vom Sevansee entlang den Flüs-

2 Codex Justinianus 1, 29, 5 (ed. P. KRÜGER, Codex Justinianus. Berlin 1892–1895); Pro- kop, De aedificiis 3, 1, 16 (ed. J. HAURY – G. WIRTH, Procopii Caesariensis, Opera omnia. Leipzig 1962–1964); N. ADONTZ, Armenia in the Period of Justinian. The political Con- ditions based on the Naχarar System. Translated with partial revisions, a bibliographi- cal note and appendices by N. G. GARSOÏAN. Lissabon 1970, 107–110; G. GREATREX, Rome and Persia at War 502–532 (ARCA, Classical and Medieval Texts, Papers and Monographs 37). Leeds 1998, 154; Sittas 1, PLRE III B. Zum Festungsausbau an der armenischen Grenze: E. HONIGMANN, Die Ostgrenze des byzantinischen Reiches von 363 bis 1071 nach griechischen, arabischen, syrischen und armenischen Quellen. Brüssel 1953, 11–19. 3 Malalas 18, 10 (ed. I. THURN, Ioannis Malalae Chronographia [CFHB 35]. Berlin 2000); ADONTZ, Armenia 108–110; GREATREX, Rome and Persia at War 154. 4 Novella Justiniani 31, 1 (18. März 536; Corpus Iuris Civilis, III: Novellae, ed. R. SCHÖLL – W. KROLL. Berlin 1892–1895); ADONTZ, Armenia 130–139; J. KARAYANNOPOULOS, Die Entstehung der byzantinischen Themenordnung. München 1959, 63–64; The Geogra- phy of Ananias of Širak (Ašχarhac‘oyc‘). The long and the short Recension. Introduc- tion, Translation and Commentary by R. H. HEWSEN. Wiesbaden 1992, 18, 22 (Map III) und 61 A (Map XIII). Justinianupolis: Prokop, De Aedificiis 3, 5, 13–15; ADONTZ, Armenia 116–117. 350 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 351 sen Razdan und Azat bei Dvin über den Araxes nach Südwesten hin zum Vansee verlief, weit nach Osten ausgedehnt.5 Maurikios veränderte die justinianische Provinzordnung und gliederte auch die persarmenischen Gebiete in drei Provinzen. Wie weit der Aufbau einer geordneten (zivilen) Verwaltung im ehemals persarmenischen Bereich in den 10 Jahren byzantinischer Herrschaft tatsächlich gelang, ist fraglich. Bei der zeitlich den Ereignissen am nächsten stehenden armenischen Quel- le – Sebēos – treten nur Militärs und als ihr höchstrangiger Vertreter der magister militum per Armeniam als Repräsentanten byzantinischer Autori- tät auf. Es verwundert aber nicht, dass in Persarmenien, der ersten großen Eroberung nach den justinianischen Feldzügen in Afrika und Italien, wie in den westlichen Gebieten der militärische Befehlshaber (Narses in Italien, Solomon in Afrika) auch die zivile Macht übernahm. Die Byzantiner kon-

5 Die genaueste Schilderung der 591 zwischen Byzanz und dem Sasanidenreich verein- barten Grenze bietet Sebēos, während Theophylaktos Simokattes nur überliefert, dass Chosrau II. zustimmte, neben Dara und Martyrupolis auch auf Persarmenien zu ver- zichten. Ergänzt werden können diese Angaben durch die geographischen Beschreibun- gen des Ašχarhac‘oyc‘, dessen Territorialgliederung HEWSEN mit der byzantinischen Provinzeinteilung nach 591 verknüpft: Sebēos 76 und 84 (ed. G. V. ABGAREAN, Patmut‘iwn Sebēosi. Erewan 1979). The Armenian History attributed to Sebeos. trans., with notes by R. W. THOMSON. Historical Commentary by J. W. HOWARD - JOHNSTON. Assistance from T. GREENWOOD. Liverpool 1999, 18–19 und 28–20 sowie Karte 3; The- ophylaktos Simokattes 4, 13, 24 (ed. C. DE BOOR – P. WIRTH, Theophylacti Simocattae Historia. Stuttgart 1972); P. GOUBERT, Byzance avant l’Islam I: Byzance et l’Orient. Paris 1951, 291–295; N. G. GARSOÏAN, L’église Arménienne et le grand schisme d’orient (CSCO 574). Louvain 1999, 264–267; Ašχarhac‘oyc‘ 5, 22 (ed. A. SOUKRY, Géographie de Moïse de Corène d’après Ptolémée. Venedig 1881). HEWSEN, Geography 63–70, 162–167 und 210–220; Narratio de rebus Armeniae § 104 (ed. G. GARITTE, La Narratio de Rebus Armeniae [CSCO 132, Subsidia 4]. Louvain 1952); E. HONIGMANN, Ostgrenze 28–29. Für die Grenze südlich des Vansees und nördlich des Tigris gibt Sebēos keine Angaben. Hier kann das Werk des Georgios Kyprios aus der Zeit um 604 herangezogen werden; daraus ergibt sich, dass Martyrupolis und die Sophanene mit Teilen Ober- mesopotamiens um Amida und Dara und der 591 hinzugewonnenen Arzanene zu einer Provinz Mesopotamia superior beziehungsweise Armenia quarta zusammengeschlossen wurde, während die restlichen Satrapien Teil der nun als Armenia quarta altera be- zeichneten Provinz blieben; diese Ansicht teilt auch HEWSEN, da im Ašχarhac‘oyc‘ Np‘rkert, die Region um Martyrupolis, ebenfalls Teil der Region Ałjnik (Arzanene) ist, während die übrigen Satrapien zusammen die Region Cop‘k‘ bilden: Georgios Kyprios 905–965 (ed. H. GELZER, Georgii Cyprii descriptio orbis Romani. Leipzig 1890); H. HÜBSCHMANN, Die altarmenischen Ortsnamen. Straßburg 1904, 229–230; Ašχarhac‘oyc‘ 5, 22, 2 (Cop‘ k‘) und 3 (Ałjnik). HEWSEN, Geography 59, 154–156 und 158–160; GOU- BERT, Byzance 297–298; HONIGMANN, Ostgrenze 32–37 (mit divergierender Ansicht zum Grenzverlauf südlich des Vansees) und Karte 1. 350 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 351

zentrierten sich in den folgenden Jahren in Armenien auf die Anwerbung und Rekrutierung von Truppen für den Krieg gegen die Awaren und Sla- wen auf der Balkanhalbinsel. Daneben mußte man sich mit den mächtigen Häusern des persarmenischen Adels auseinander setzen. Während einige mit den neuen Oberherren – auch bei der Aushebung von Truppen – koo- perierten, reagierten andere Fürsten mit Rebellion. Neben den Rekrutie- rungskampagnen erzwang die kaiserliche Herrschaft die Wiederherstellung der Kirchenunion, die aber zu einem Schisma innerhalb der armenischen Kirche führte.6 Die byzantinische Herrschaft war in Armenien also vermutlich nicht besonders populär, als der Sturz des Maurikios 602 dem Großkönig Xosrau II. die Gelegenheit gab, die territorialen Konzessionen an das Imperium rückgängig zu machen. Von 603 bis 607 drängten die sasanidischen Feld- herrn allmählich die Byzantiner aus den ehemalig persarmenischen Gebie- ten zurück. 607 eroberten die Perser dann Theodosiupolis, in der Folge weitere von Justinian ausgebaute Festungen und fügten so der byzantini- schen Grenzverteidigung schwere Schläge zu.7 Ab 610 schien die Wider- standskraft der Byzantiner gebrochen, die Sasaniden stießen tief nach Kleinasien und Syrien vor; 613 fiel auch Melitene.8

6 Zur Provinzeinteilung des Maurikios in Armenien: Yovhannēs Drasχanakertc‘i 16, 43–46 (ed. Yovhannēs Drasχanakertc‘i, Patmagrut‘iwn. Nachdruck Tbilisi 1965). K. H. MAKSOUDIAN, Yovhannēs Drasχanakertc‘i: . Atlanta 1987, 94 (Drasχanakertc‘i ist ein Autor des 10. Jahrhunderts; er vermengt z. T. die 536 von Justinian eingeführte Provinzeinteilung mit den Maßnahmen des Maurikios.); GOUBERT, Byzance 295–298; H. OHME, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste. Stu- dien zum Konstantinopeler Konzil von 692 (Arbeiten zur Kirchengeschichte 56). Ber- lin–New York 1990, 278–287; HEWSEN, Geography 19–25, besonders 23 (Map IV). Zur byzantinischen Herrschaft und der Rolle des Heeres: Sebēos 86, 89 und 105. THOMSON, Armenian History 31–35 und 56; J. DURLIAT, Magister militum – στρατηλάτης dans l’Empire byzantin (VIe–VIIe siècles). BZ 72 (1979) 306–314; J. FERLUGA, Exarch, Exarchat. LexMA IV, 151–154; Narses 1, PLRE B; Solomon 1, PLRE III B; H. DITTEN, Ethnische Verschiebungen zwischen der Balkanhalbinsel und Kleinasien vom Ende des 6. bis zur zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts (BBA 59). Berlin 1993, 134. Zur Kirchen- union: Sebēos 91. THOMSON, Armenian History 37; GOUBERT, Byzance, 211–214; GAR- SOÏAN, Schisme 267–274 7 Sebēos 107–112. THOMSON, Armenian History 59–63 und 199–202; B. FLUSIN, Saint Anastase le Perse et l’histoire de la Palestine au début du VIIe siècle, II: Commentaire. Paris 1992, 79–80; A. N. STRATOS, Byzantium in the 7th Century I. Amsterdam 1968, 62–63; Narratio de rebus Armeniae § 112–115; C. FOSS, The Persians in Asia Minor and the End of Antiquity. The English Historical Review 357 (1975) 721–747. 8 Sebēos 113. THOMSON, Armenian History 66 und 203; FOSS, Persians 723. W. E. KAEGI, Heraclius, Emperor of Byzantium. Cambridge 2003, 67. 352 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 353

Den magister militum per Armeniam und die Reste seiner Armee finden wir nach dem Verlust ihrer wichtigsten Stützpunkte in Ankyra wieder. Als Herakleios Phokas stürzte, so berichtet die Vita des Theodoros von Sykeon, erhob sich der Phokas-Bruder Komentiolos, der mit seinem Heer im Winter 610/611 nach der Rückkehr von der Ostgrenze im Quartier in Ankyra lag, gegen den neuen Kaiser. Einer seiner Offiziere aber, der πατρίκιος τῶν Ἀρμε- νίων Iustinos, tötete Komentiolos und beendete so die Rebellion. Man kann aufgrund des hohen Rangtitels vermuten, dass Iustinos das Amt eines magister militum per Armeniam bekleidete.9 Herakleios konnte also auf Reste der Armee des magister militum per Armeniam zurückgreifen, als er seine – anfangs wenig erfolgreichen – Ge- genoffensiven begann. In den Jahren 622 bis 628 operierte der Kaiser dann vornehmlich in Armenien und Transkaukasien und stieß von dort in die Kerngebiete des Sasanidenreiches vor. Dabei war der Kaiser bestrebt, die byzantinische Macht in den armenischen Gebieten wieder aufzurichten; ihm gelang es auch, die Unterstützung des armenischen Adels sowie arme- nische Truppen für seinen Feldzug zu gewinnen.10 Für 626 nennt Theopha- nes einen στρατηγός Mezezios im Heer des Kaisers. Bei Sebēos wird dieser Mezezios oder Mžēž aus dem Haus der Gnuni etwa fünf Jahre später als General des byzantinischen Armenien erwähnt. Man geht wohl nicht fehl, in dem armenischen Naχarar Mezezios den magister militum per Armeniam oder Inhaber eines vergleichbaren Kommandos zu sehen.11 Im selben Jahr

9 Vita des Theodoros von Sykeon, 152–153 (ed. A.-J. FESTUGIÈRE, Vie de Théodore de Sykéon I [Subsidia Hagiographica 48]. Brüssel 1970); E. KAEGI, New Evidence on the Early Reign of Heraclius. BZ 66 (1973) 308–330; KAEGI, Heraclius 53–54; C. FOSS, Late Antique and Byzantine Ankara. DOP 31 (1977) 68–69; Iustinus 14, PLRE III A, wo er ebenfalls als magister militum per Armeniam bezeichnet wird. 10 Theophanes A.M. 6113–6119 (ed. C. DE BOOR, Theophanis Chronographia. Leipzig 1883); Sebēos 124–127. THOMSON, Armenian History 80–85 und 213–221; J. - B. CHABOT, Anonymi auctoris chronicon ad annum Christi 1234 pertinens (CSCO 109). Louvain 1937 (Nachdruck 1965), 233. The Seventh Century in the West-Syrian Chronicles, in- trod., transl. and annotated by A. PALMER. Including two seventh-century Syriac Apocalyptic Texts, introd., transl. and annotated by S. BROCK with added Annotation and an historical Introduction by R. HOYLAND. Liverpool 1993, 137; G. GREATREX – S. N. C. LIEU, The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars. Part II: A.D. 363–630. A narrative Sourcebook. London–New York 2002, 200–223; C. ZUCKERMAN, Heraclius in 625. REB 60 (2002) 189–197. KAEGI, Heraclius 126–133 und 141–145. 11 Theophanes A.M. 6118; Sebēos 131. THOMSON, Armenian History 91; Mezezios, PLRE III B. Schon in der Zeit Justinians verliert der terminus magister militum – στρατηλάτης seine verwaltungstechnische Signifikanz und begegnet als Bezeichnung verschiedener Funktionäre, während στρατηγός ein griechisches Äquivalent des magister militum wird: DURLIAT, Magister militum 318–319. Auch Theophylaktos Simokattes bezeichnet 352 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 353

626 erwähnt Theophanes einen Georgios als τουρμάρχης τῶν Ἀρμενιάκων im Heer des Herakleios. Der Turmarch Georgios diente – wie spätere Themen- turmarchen – wohl als Kommandant einer Untereinheit (Theophanes nennt 1000 Reiter) des Heeres des magister militum per Armeniam.12 Für die Truppen des magister militum per Armeniam setzte sich offenbar all- mählich die griechische Bezeichnung Ἀρμενιάκοι durch. Als Truppenattri- but finden wir das lateinische armeniacus schon in der Notitia Dignitatum: Eine legio I Armeniaca und eine legio II Armeniaca dienten im Heer des magister militum per Orientem. Malalas berichtet über den Einsatz des ἀριθμὸς τῶν Πριμοαρμενιακῶν im Perserkrieg Julians 363. Aus dem Edikt Justinians von 528 wissen wir, dass Abteilungen aus der Armee des magis- ter militum per Orientem dem neuen Heer des magister militum per Armeni- am unterstellt wurden. Vielleicht waren die beiden legiones der Ἀρμενιάκοι darunter und wurden in gewissem Maße mit namensgebend für die Armee vom Römisch-Armenien.13 Nach dem Sieg des Herakleios über die Sasaniden 628 legte man laut Sebēos die Grenze im armenischen Raum entsprechend der zwischen Mau- rikios und Xosrau II. 591 fixierten fest.14 Mžēž Gnuni rückte aus Römisch- Armenien vor und besetzte erneut das Gebiet bis Dvin. Über das Land wurden Abteilungen der Armee und štemarank‘– armenisch für Speicher oder Lagerhäuser – verteilt. Die Errichtung dieser štemarank‘ diente ver- mutlich der Besteuerung der armenischen Bevölkerung zur Versorgung der

u. a. den magister militum per Armeniam Johannes Mystakon (582) als στρατηγός der Truppen in Armenien: Theophylaktos Simokattes I, 9, 4; Ioannes 101, PLRE III A. 12 Theophanes A.M. 6118. Themen und Turmen als Einheiten der Armee: KARAYANNOPOU- LOS, Themenordnung 20–22 und 31, wo er u. a. darauf hinweist, dass Theophanes im diesem Weltjahr auch Turmarchen für das persische Heer erwähnt, und die frühere Ansicht, dass aufgrund der Nennung des Turmarchen der Ἀρμενιάκοι ein voll ausgebil- detes Thema schon 626 zu vermuten sei, zurückweist; J. F. HALDON, Warfare 112–114; R. SCHARF, Foederati. Von der völkerrechtlichen Kategorie zur byzantinischen Trup- pengattung (Tyche. Supplementband 4). Wien 2001, 115–121; Georgius 49, PLRE III A. 13 legio I und II Armeniaca: Notitia Dignitatum Oriens VII, 49–50 (ed. O. SEECK, Notitia Dignitatum accedunt Notitia Urbis Constantinopolitanae et Latercula Provinciarum. Nachdruck Frankfurt am Main 1962); D. HOFFMANN, Das spätrömische Bewegungsheer und die Notitia Dignitatum (Epigraphische Studien 7). Düsseldorf 1969, 405, 412 und 420; Malalas 13, 23; B. BLYSIDU – E. KUNTURA-GALAKE – S. LAMPAKES – T. LUNGES – A. SABBIDES, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων. Athen 1998, 114. 14 Sebēos 129–131. THOMSON, Armenian History 88–91 und 227; C. MANGO, Deux études sur Byzance et la Perse Sassanide. TM 9 (1985) 91–118; FLUSIN, St. Anastase II 289– 291. 354 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 355

Garnisonen der byzantinischen Feldarmee, vergleichbar der Institution der ἀποθήκη. Die Byzantiner versuchten sich also an der Etablierung einer geordneten Verwaltung und einer dauerhaften militärischen Stationierung in Großarmenien. Diese Maßnahmen mussten die Autorität des armeni- schen Adels beschnitten haben, der bald Widerstand leistete.15 Daneben bedienten sich die Byzantiner erneut Armeniens als Rekrutierungsbasis. Vor der Schlacht am Yarmuk 636 befahl Herakleios die Verlegung und Aushebung von Truppen aus Armenien; ein nicht unbeträchtliches arme- nisches Kontingent kämpfte in der byzantinischen Armee gegen die Ara- ber.16

Als wohl ein Großteil der byzantinischen Truppen zur Bekämpfung der Araber abgezogen wurde, war die Kontrolle der Byzantiner über Großar- menien in der Zeit der beginnenden Bedrängnis durch die Araber nicht von langer Dauer. Der General Mžēž Gnuni unterlag 636/637 dem aufständi- schen armenischen Adel unter der Führung des Naχarar Dawit‘ Saharuni und verlor sein Leben. Die armenischen Fürsten wählten Dawit‘ Saharuni zum išχan Hayoc‘– also Fürst Armeniens. Der Kaiser durfte immerhin als nomineller Oberherr diesen išχan bestätigen und verlieh ihm die Titel eines Kuropalates und Patrikios.17

15 Sebēos 131–132. THOMSON, Armenian History 91–92; GARSOÏAN, Schisme 385–388; Me- zezius, PLRE III B. Zu den štemarank‘: W. E. KAEGI, The annona militaris in the early seventh Century. Byzantina 13 (1985) 589–596; W. BRANDES, Finanzverwaltung in Krisenzeiten. Untersuchungen zur byzantinischen Administration im 6.–9. Jahrhun- dert (Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte 25). Frankfurt am Main 2002, 296–299. BRANDES, der die Apotheken als “fest etablierte Versorgungsinstitutionen des byzantinischen Heeres in den Ostprovinzen“, die im Rahmen der Themen „in Kleina- sien wiederbelebt wurden“, bezeichnet, sieht – ebenso wie HOWARD-JOHNSTON in seinem Kommentar zu Sebēos (THOMSON, Armenian History 228) – die štemarank‘ als vergleich- bare Speicher für die Lagerung der Naturalabgaben zur Heeresversorgung. Zur byzan- tinischen Herrschaft im Osten nach dem Sieg über die Sasaniden 628 (allerdings ohne Berücksichtigung der Verhältnisse in Armenien): O. SCHMITT, Untersuchungen zur Or- ganisation und zur militärischen Stärke oströmischer Herrschaft im Vorderen Orient zwischen 628 und 633. BZ 94 (2001) 197–229. 16 CHABOT, Chronicon ad annum Christi 1234, 240. PALMER, West-Syrian Chronicles 156; Sebēos 136. THOMSON, Armenian History 97; Theophanes A.M. 6125 und 6126; W. E. KAEGI, Byzantium and the early Islamic Conquest. Cambridge 1993, 186–187. 17 Sebēos 133. THOMSON, Armenian History, 94 und 230–231; David 1242 und 1243, PMBZ 1; David Saharuni 6, PLRE III A, wo (wohl fälschlich) vermutet wird, dass er magister militum per Armeniam war. Eine mit dem išχan Hayoc‘, dem „regierenden Fürsten“, später auch išχan išχanac (Fürst der Fürsten), der – dem Kaiser als Ober- herrn und zur Heerfolge verpflichtet – den anderen Adeligen vorstand, vergleichbare Institution hatte Maurikios bereits 588 in Iberien (ebenfalls auf Initiative des dortigen 354 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 355

Während sich Großarmenien der unmittelbaren kaiserlichen Kontrolle entzog, drangen die Araber von Süden in die armenischen Provinzen des Reiches ein. 636 eroberten sie zum ersten Mal Melitene, der Unterwerfung der Provinz Mesopotamia folgte nach den Angaben bei Baladhuri schon 640 die Einnahme von Martyrupolis, Arzanene und Amida, also der Pro- vinz Armenia quarta in ihrer Ausdehnung seit Maurikios.18 Über byzanti- nische Feldzüge hören wir nach 636 bis zum Beginn der 640er Jahre nichts. Syrische Chroniken überliefern den schriftlichen Befehl des Herakleios an seine Truppen nach der Niederlage am Yarmuk, ihre Garnisonen zu sichern und sich weiterer Offensiven gegen die Araber zu enthalten. Die Byzantiner scheinen im armenischen Raum in den nächsten Jahren dieser Strategie gefolgt zu sein.19 Nach dem Tod des Herakleios 641 leistete sich das Impe-

Adels) geschaffen. TOUMANOFF zieht eine Parallele zu den etwa gleichzeitig eingerichte- ten Exarchaten von Karthago und Ravenna, in denen die magistri militum als nunmeh- rige Exarchen das militärische Kommando mit der Oberaufsicht über die Zivilverwal- tung vereinten: C. TOUMANOFF, Caucasia and Byzantium. Traditio 27 (1971) 118–121 und 139. Die Ernennung Saharunis ging allerdings auf armenische Initiative zurück und war von der byzantinischen Regierung so nicht geplant. Vorbilder sind daher auch in der Zeit der sasanidischen Oberhoheit über Armenien zu suchen, als Vahan Mamiko- nean nach dem erfolgreichen Aufstand 484 das erbliche Amt des sparapet (und somit des Oberbefehlshabers des armenischen Adelsaufgebots) mit der Funktion des marzpan (des Vertreters des persischen Großkönigs) vereinte. Eine Inschrift in der von Saharuni gestifteten Kirche von Mren nennt Dawit‘ patrik und kiwrapałat sowie sparapet von Armenien und Syrien. Dawit‘ Saharunis Macht beruhte auf der Gefolgschaft der arme- nischen Fürsten; sie endete nach drei Jahren, als die Einigkeit der Fürsten zerbrach und sie ihm das Vertrauen versagten: K. H. MAKSOUDIAN, Yovhannēs Drasχanakertc‘i: History of Armenia. Atlanta 1987, 253, A.2 (Inschrift von Mren); TOUMANOFF, Caucasia and Byzantium 139; The Epic Histories Attributed to P‘awstos Buzand (Buzandaran Patmut‘iwnk‘), trans. and comm. N. G. GARSOÏAN. Cambridge, Mass. 1989, 544 (marz- pan) und 560–561 (sparapet); K. YUZBASHIAN, Les titres byzantins en Arménie, in : L’Arménie et Byzance. Histoire et culture (Byzantina Sorbonensia 12). Paris 1996, 213–221. 18 Zur Eroberung von Melitene 636: The Origins of the Islamic State. Being a Translation of Kitâb Futûh al – Buldân of Abu-l Abbas Ahmad ibn Jabir al - Baladhuri. Transla- ted by P. K. HITTI. Nachdruck Piscataway, New Jersey 2002, 289; W. BRANDES, Die Städte Kleinasiens im 7. und 8. Jahrhundert (BBA 56). Berlin 1989, 52; KAEGI, Early Islamic Conquest 288; A. BEIHAMMER, Nachrichten zum byzantinischen Urkundenwesen in arabischen Quellen vom Jahr 565 bis zum Jahr 811 (Poikila Byzantina 17). Berlin 2000, 143 (Nr. 104). Zu Martyrupolis, Arzanene und Amida: HITTI, Baladhuri 274–275; CHABOT, Chronicon ad annum Christi 1234, 257. PALMER, West–Syrian Chronicles 163; E. W. BROOKS, The Arabs in Asia Minor (641–750). JHSt 18 (1898) 205–206; BEIHAMMER, Urkundenwesen 234–235, 261–263 (Nr. 190, 191, 216, 219). 19 CHABOT, Chronicon ad annum Christi 1234, 251. PALMER, West–Syrian Chronicles 158; BEIHAMMER, Urkundenwesen 136–138 (Nr. 108); F. DÖLGER, Regesten der Kaiserurkun- 356 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 357 rium einen Nachfolgestreit, der zuerst mit der Einsetzung von Konstans II. 641 und schließlich mit dem Scheitern des Usurpationsversuches des mächtigen armenischstämmigen Feldherrn Valentinos 644/45 entschieden wurde. Valentinos führte noch 643/644 erstmals wieder einen Feldzug nach Syrien in Kooperation mit einem byzantinischen Befehlshaber namens David, der in die Gegend von Edessa vorstieß, durch, wobei beide den Ara- bern unterlagen und David fiel. Die Quelle bezeichnet David als einen Armenier aus Bēth Ūrtōyē - dies ist die syrische Bezeichnung der Landschaft Anzitene (um Harput) in der seit Maurikios bestehenden Provinz Armenia quarta altera. Vielleicht war David der Befehlshaber in dieser Provinz – wie der für 702 bei Theophanes erwähnte Armenier Baanes mit dem Spitzna- men „Heptadaimon“; möglicherweise hatte er aber das weitreichendere Kommando eines magister militum per Armeniam inne.20 Im selben oder folgenden Jahr unternahmen die byzantinischen Feld- herrn Prokopios und Theodoros einen Vorstoß gegen das südwestlich von Edessa gelegene Batnai, der mit einem beutebeladenen Rückzug offenbar erfolgreicher endete als jener des Valentinos und David.21 Dieser Theodoros könnte ident mit dem bei Sebēos erwähnten General T‘ēodoros sein, einem Armenier aus dem Reichsgebiet, den Konstans II. 644/645 mit dem Kom- mando über die Truppen der byzantinischen Feldarmee, die wieder nach Großarmenien vorrückten, betraute. In seinem Heer waren nach Sebēos auch chalkedonensische, also auf altem Reichsboden rekrutierte Einheiten. Wir dürfen mit regulären byzantinischen Truppen rechnen, vielleicht sehen wir hier die Ἀρμενιάκοι unter Theodoros im Einsatz.

den des Oströmischen Reiches, 1. Teil: 565–1025, München 1924, Regest 210; KAEGI, Heraclius 253. Auch bei der Abwehr der ersten arabischen Einfällen nach Großarmeni- en 640 und 643 werden keine regulären byzantinischen Truppen erwähnt: Sebēos 138 und 146. THOMSON, Armenian History 101 und 111. 20 J.-B. CHABOT, Incerti auctoriis chronicon anonymum Pseudo-Dionysianum vulgo dic- tum II (CSCO 104). Louvain 1933, 151. PALMER, West–Syrian Chronicles 57; CHABOT, Chronicum ad annum Christi 1234, 257–259. PALMER, West–Syrian Chronicles 164–165; Identifikation von Bēth Ūrtōyē mit Anzitene: E. HONIGMANN, Évêques et évêchés mono- physites d’Asie antérieure au VIe siècle (CSCO 127, Subsidia 2). Louvain 1951, 236. Zu den Feldherren: Ualentinos 8545, PMBZ 5; David Saharuni 6, PLRE III A; David 1243, PMBZ I; die dort geäußerte Vermutung, Dawit‘ Saharuni seit mit diesem David ident, scheint unwahrscheinlich. Saharuni war zu dieser Zeit (643/644) als išχan Hayoc‘ bereits gestürzt. Außerdem lagen die Güter der Saharuni in Ayrarat im Norden Großarmeni- ens, nicht in den südwestlichen Satrapien: GARSOÏAN, Epic Histories 404 (Saharuni). 21 CHABOT, Chronicon anonymum 151. PALMER, West-Syrian Chronicles 57; Prokopios 6353, PMBZ 4; Theodoros 7298, PMBZ 4. 356 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 357

Byzantinische Einheiten blieben in den nächsten Jahren in Großarme- nien. Ihr Feldherr Prokopios unterlag 652 den Arabern in Kogovit nord- östlich des Vansees, nachdem er sich mit dem Nachfolger Saharunis als isχan Hayoc‘, T‘ēodoros Rštuni, überworfen hatte.22 Ein gemeinsamer Feld- zug der Byzantiner unter dem Befehl eines „Kommandanten von Kilikien“ mit den Aufgeboten des armenischen Adels im Frühjahr 653 nach Mesopo- tamien scheiterte; Vard, der Sohn des T‘ēodoros Rštuni, verriet die Byzan- tiner.23 Ein Teil des armenischen Adels um T‘ēodoros Rštuni gelangte 653 zu einer Übereinkunft mit dem arabischen Statthalter von Syrien Mu‘āwiya. Großarmenien löste sich aus der byzantinischen Oberhoheit und erkannte jene der Araber an.24 Konstans II. reagierte auf die Abfallbewegung in Armenien 653 mit einem großangelegten Feldzug, der ihn zuerst nach Theodosiupolis führte. Dort konnte Konstans II. nach den Angaben bei Sebēos Ergebenheitsbe- kundungen der Fürsten und Truppen der Armenia quarta (also der Satra- pien an Euphrat und Arsanias), von Sper, Mananalis, Daranalis, Akilisene und Karin (dem Gebiet von Armenia interior) sowie der übrigen Fürsten aus dem Westen Großarmeniens entgegennehmen. Der armenische Histo- riker zeichnet ein Bild der Herrschaftsverhältnisse in den armenischen Reichsgebieten östlich des Euphrat, das dem vor der Provinzialisierung der Fürstentümer durch Justinian entspricht. Wenn wir nicht eine patriotisch

22 Sebēos 165. THOMSON, Armenian History 136–137 und 268–269; Theodoros 7296, PMBZ 4. Es ist möglich, dass neben dem Feldherrn T‘ēodoros weitere chalkedonensi- sche Armenier aus den armenischen Provinzen des Reiches unter diesen Truppen wa- ren, dazu: V. A. ARUTJUNOVA-FIDANJAN, The Ethno – Confessional Self-Awareness of Armenian Chalcedonians. Revue des Études Arméniennes 21 (1988–1989) 345–363; N. G. GARSOÏAN, The Problem of Armenian Integration into the Byzantine Empire, in: H. AHRWEILER – A. E. LAIOU (Hrsg.), Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire. Washington D.C. 1998, 66 und 103. Zur Niederlage des Prokopios: Łewond 2 (ed. Patmut‘iwn Łewondeay meci vardapeti Hayoc‘. St. Petersburg 1887). History of Lewond. The Eminent Vardapet of the Armenians. Translation, Introduction and Commentary by (Rev.) Z. ARZOUMANIAN, Philadelphia 1982, 50–51. Die Datierung in das Jahr 652 erscheint aufgrund des Zusammenhangs mit dem Zerwürfnis mit T‘ēodoros Rštuni, der kurz danach mit den Arabern paktierte, wahrscheinlich. Außerdem berich- tet Łewond im entsprechenden Abschnitt vorher von der Niederlage und dem Tod des letzten Sasanidenkönigs Yazdagird III. (651/652); Theodoros Rštuni 7293, PMBZ 4. 23 Łewond 4. ARZOUMANIAN, History of Lewond 53; Anonymus 10771 und 10772, PMBZ 5. Dieser „Kommandant von Kilikien“ könnte im Zusammenhang mit dem bei Theopha- nes erwähnten κλεισουροφύλαξ von Arabissos stehen. Siehe unten A. 33. 24 Sebēos 164. THOMSON, Armenian History 136 und 267; Theophanes A.M. 6143. BEIHAM- MER, Urkundenwesen 293–294 (Nr. 255). 358 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 359 motivierte Idealisierung der tatsächlichen Verhältnisse vermuten wollen, scheint es, dass die Naχarare ihre alte Autorität in diesen Territorien nach dem Verfall der byzantinischen Macht zum Teil wiedergewinnen konn- ten.25 Von Theodosiupolis marschierte das Heer des Kaisers weiter nach Dvin. Mit der Funktion des išχan von Armenien betraute Konstans II. dort einen byzantinischen Feldherrn mit Namen Maurianos. Nach dem Abzug des Kaisers nach Westen konnte die proarabische Adelspartei mit arabischer Unterstützung die Byzantiner aber wieder zurückdrängen.26 Die Byzanti- ner unter Maurianos unternahmen 655 noch einen Gegenstoß nach Arme- nien, eroberten Dvin und belagerten Naχčavan. Hier unterlagen sie aber dem arabischen Feldherrn Habib ibn Maslama und mussten sich nach Ge- orgien zurückziehen. Dieser Feldzug wird auch bei Baladhuri erwähnt, der Maurianos als batriq Armaniyakus tituliert. KAEGI sieht deshalb in Mauri- anos den ersten sicher belegten Strategen der Ἀρμενιάκοι, eine Deutung, die die Verwendung des Terminus Armaniyakus durch Baladhuri als allgemei- ne Bezeichnung des byzantinisch beherrschten Teils Armeniens auch für die Zeit lange vor der arabischen Eroberung kaum zulässt. Maurianos war sicher der Feldherr des byzantinischen Armenien, ob er offiziell nun noch als magister militum oder schon als στρατηγός τῶν Ἀρμενιάκων fungierte, bleibt offen.27 Insgesamt sollte aber letzterem Terminus – ähnlich wie dem des τουρμάρχης τῶν Ἀρμενιάκων im Jahr 626 – keine allzu große Aussage- kraft über den tatsächlichen Stand der Entwicklung des Themas Arme- niakon zugewiesen werden.

25 Sebēos 165. THOMSON, Armenian History 137–138 und 270; J. LAURENT, L’Arménie entre Byzance et l’Islam. Paris 1919 (Neued. M. CANARD Lissabon 1980), 242. Tatsäch- lich sind auch die zwei Vertreter byzantinischer Autorität, die für diese Gebiete in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts überliefert sind, ausschließlich Vertreter des arme- nischen Adels, so David, der Armenier aus Bēth Ūrtōyē und der für 702 bei Theophanes erwähnte Armenier Baanes mit dem Spitznamen „Heptadaimon“. 26 Sebēos 169. THOMSON, Armenian History 142–143 und 271–273; LAURENT, L’Arménie 242 und 401; Maurianos 4876, PMBZ 3. Mit der Vereinigung des höchsten Kommandos der Reichsarmee in Armenien und des Vorsitzes über die armenischen Fürsten als išχan in der Hand eines byzantinischen Funktionärs war wohl eine Stärkung der byzantini- schen Kontrolle über Armenien intendiert. 27 Sebēos 166 und 168. THOMSON, Armenian History 139, 142 und 270–271; Theophanes A. M. 6145; HITTI, Baladhuri 305 und 309–312. Baladhuri nennt auch den Gatten der Qali, der fiktiven Gründerin von Qaliqala (Theodosiupolis/Erzurum), den Herrn über Armaniyakus. Diese Episode datiert er in eine Zeit lange vor der arabischen Eroberung Armeniens; W. E. KAEGI, al-Baladhuri and the Armeniak Theme. Byz 38 (1969), 273– 277; KAEGI, Early Islamic Conquest 201. 358 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 359

Die Araber marschierten nach dem Sieg über Maurianos nach Westen und eroberten Theodosiupolis. 656 fiel auch Melitene erneut den Arabern zu und wurde zu einem Hauptquartier ihrer Sommerfeldzüge ausgebaut.28 Eine Pause in den arabischen Einfällen brachte der Bürgerkrieg zwischen Mu‘āwiya und ‘Ali 656 – 661. In diesen Jahren erkannten die Naχarare Großarmeniens unter dem išχan Hamazasp Mamikonean wieder die byzan- tinische Oberhoheit an; ganz Transkaukasien unterstellte sich kurzfristig Konstans II., der 659/660 weit in den Osten vorstoßen konnte. 661 wurde aber Armenien erneut von den Arabern unterworfen, 662 führte ein Feld- zug wieder nach Kleinasien.29 Die Byzantiner sahen sich also hinter den Euphrat zurückgeworfen; HALDON und HENDY vermuten, dass die Etablie- rung der Ἀρμενιάκοι in den Gebieten im Nordosten Kleinasiens, die später als dem Thema der Ἀρμενιάκοι zugehörig bezeichnet werden, in diese Jah- re nach dem Ende des byzantinischen Engagements in Großarmenien, das erst 685 unter Justinian II. erneuert werden konnte, zu datieren ist; diese Ansicht scheint plausibel, kann sich aber auf keinerlei Quellen stützen.30 Wenige Jahre später – 666/667 – erhob sich Σαβώριος Περσογενής („von persischer Abstammung“, nach TOUMANOFF als [pers]armenisch zu verste- hen) ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός gegen den Kaiser. Saborios konnte die Hilfe der Araber erlangen, starb aber bei einem Reitunfall, worauf hin die Rebellion zusammenbrach.31 Dieser Aufstand gilt in der Forschung als der

28 Sebēos 174. THOMSON, Armenian History 150 und 278; Theophanes A. M. 6145; LAU- RENT, L’Arménie, 409–410; KAEGI, Early Islamic Conquest 196–197; HITTI, Baladhuri 289; BEIHAMMER, Urkundenwesen 295–296 (Nr. 257, Kapitulationsvertrag mit Theodo- siupolis); F. HILD – M. RESTLE, Kappadokien (Kappadokia, Charsianon, Sebasteia und Lykandos) (TIB 2). Wien 1981, 234. 29 Sebēos 175. THOMSON, Armenian History, 153 und 282–283; KAEGI, Early Islamic Con- quest, 185 und 197; LAURENT, L’ Arménie 242 und 402 30 J. F. HALDON, Byzantium in the Seventh Century: The Transformation of a Culture. Cambridge 1990, 216, A. 30; M. HENDY, Studies in Byzantine Monetary Economy, c. 300 – 1450. Cambridge 1985, 621 und 625. Die für die armenischen Provinzen erhalte- nen Siegel belegen eine intensivere Verwaltungstätigkeit (im Rahmen der ἀποθήκη), die nach BRANDES, Finanzverwaltung 307, mit einer Neuordnung der Miltärverwaltung verknüpft werden könnte, erst ab der Herrschaft Justinians II, ein erstes Siegel ist allerdings schon in die Zeit 672 bis 681 zu datieren (s.u.). 31 Theophanes A.M. 6159; CHABOT, Chronicon ad annum Christi 1234, 282–286. PALMER, West–Syrian Chronicles, 189–193; Saborios 6476, PMBZ 4; TOUMANOFF, Caucasia and Byzantium 149; Sergios 6534, PMBZ 4; A. KAPLONY, Konstantinopel und Damaskus. Gesandtschaften und Verträge zwischen Kaisern und Kalifen 639–750. Untersuchungen zum Gewohnheits-Völkerrecht und zur interkulturellen Diplomatie. Berlin 1996, 51–75, sowie BEIHAMMER, Urkundenwesen 320–323 (Nr. 278 – 279a) mit weiteren arabischen und syrischen Quellen; W. E. KAEGI, Byzantine Military Unrest 471–843. An Interpre- tation. Amsterdam 1981, 166–167. 360 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 361 früheste Beleg des Themas Armeniakon; über dieses Thema oder Zuwei- sungs- und Operationsgebiet der Ἀρμενιάκοι ist aufgrund von Theophanes zu vermuten, dass es das Gebiet um Melitene, einen Teil des alten Vertei- digungsbezirkes des magister militum per Armeniam, einschloss.32 Schon der erste gesicherte Stratege der Ἀρμενιάκοι war vermutlich ein Armenier, des- gleichen der erste im 8. Jahrhundert belegte Stratege Artabasdos. Das armenische Element blieb auch nach dem Verlust Großarmeniens stark in den Truppen der Ἀρμενιάκοι.33 Bei dem von Theophanes erwähnten κλεισουροφύλαξ von Arabissos – also dem Befehlshaber der Passübergänge im Taurusgebirge – ist unklar, ob er ein direkt dem Kaiser unterstelltes Kommando innehatte oder dem Strategen Saborios unterstand. Arabissos (in der justinianischen Armenia prima, also dem Bereich des magister mi- litum per Armeniam) wurde vermutlich schon von Herakleios als Stütz- punkt zur Überwachung der Tauruspässe eingerichtet; ein erster arabischer Angriff auf die Stadt ist aus der Zeit des Kalifen ‘Umar (634–644) über- liefert.34 Insgesamt verrät aber auch die Darstellung der Erhebung von 667 nicht, wie weit die Entwicklung hin zum Thema der Ἀρμενιάκοι in seinen später belegten Grenzen gediehen war. Es ist aber zu vermuten, dass die Reste des alten justinianischen Verteidigungsbezirks (die vier armenischen Provinzen) des magister militum per Armeniam im Lauf der zweiten Hälf-

32 A. PERTUSI, Costantino Porfirogenito, De Thematibus. Introduzione – Testo critico – Commento. Vatikanstadt 1952, 117; BLYSIDU, Μικρά Ασία των Θεμάτων 113 (Wertung als erste sichere Erwähnung des Themas); KODER, Thema 155–165; V. TOURNEUR, L ’Hexapolis arménienne au VIIe siècle et au VIIIe. Annuaire de l’Institute de Philologique et d’Histoire Orientales (Melanges Bidez II). Brüssel 1934, 947–952; HILD – RESTLE, Kappadokien 71. 33 BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 114–115 und 373–376. Dort finden wir in der Liste der Strategen des Armeniakons im 7. und 8 Jahrhundert sechs armenischstäm- mige Feldherrn. Konstantinos Poryphyrogennetos, De Thematibus 17 (ed. PERTUSI), leitet den Namen des Themas Armeniakon von den angrenzend und auf dem Gebiet des Themas wohnenden Armeniern her und dokumentiert so ein Bewusstsein für das armenische Element in der Bevölkerung und dem Personal des Themas; dazu auch GARSOÏAN, Integration 53–55. 34 Herakleios traf sich im Juli 629 mit dem sasanidischen Feldherrn Šahrvaraz in Arab- issos, das in der Quelle als Pass (also griechisch Kleisura) bezeichnet wird: J. B. CHABOT, Chronicon miscellaneum ad annum domini 724 pertinens (CSCO 4). Paris 1903–1907, 147. PALMER, West-Syrian Chronicles 18. Bei der Schilderung des arabischen Angriffes wird die Bedeutung von Arabissos als Wachposten der Byzantiner betont: HITTI, Ba- ladhuri 241–242; J. FERLUGA, Le clisure bizantine in Asia Minore. ZRVI 16 (1975) 9–23; HALDON, Warfare 79 und 114; HILD – RESTLE, Kappadokien 144–145; F. HILD – H. HELLENKEMPER, Kilikien und Isaurien (TIB 5). Wien 1990, 44–45. 360 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 361

te des 7. Jahrhunderts von den Ἀρμενιάκοι besetzt und ihr Zuweisungsge- biet nach Westen um Teile von Paphlagonien und Kappadokien nördlich des Halys sowie die Provinz Helenopontus erweitert wurde. In einer Liste des 9. Jahrhunderts in De Cerimoniis werden die aus diesem alten Groß- thema Armeniakon hervorgegangen Themen als τὰ Ἀρμενιάκα θέματα be- zeichnet.35

Zeitgenössische Hinweise auf die allmähliche Etablierung der Truppen in den kleinasiatischen Provinzen und den tatsächlichen Umfang byzanti- nischer Autorität in diesen Gebieten gewähren die Siegel der Kommerkia- rier. Nach Ansicht von Brandes „reflektiert das Auftreten der ἀποθήκαι und der γενικοὶ κομμερκιάριοι die Neuordnung der byzantinischen Militärverfas- sung in dieser Zeit.“ Das erste Kommerkiarier–Siegel einer der armenischen Provinzen – es ist nicht mehr zu erkennen, welcher – ist in die Jahre 672 bis 681 zu datieren.36 Die ἀποθήκη der Provinz Armenia secunda (Hauptort Sebasteia) findet sich auf einem Siegel des Jahres 688/689; das Gebiet die- ser Provinz blieb großteils von dauerhafter arabischer Besetzung ver- schont.37 Anders verhielt es sich mit der östlich angrenzenden Armenia magna (der justinianischen Armenia prima), deren militärisches Zentrum Theodo- siupolis 655 und dann wieder 700 verloren ging. Seinen Platz nahm in ge- wissem Umfang Koloneia ein. So nennt ein Siegel aus dem Jahr 713/715 erstmals eine ἀποθήκη von Koloneia, ein Siegel von 717/18 die ἀποθήκη von Koloneia und aller Provinzen der Ἀρμενιάκοι, deren Mittelpunkt offenbar in dieser Stadt lag.38 Neben der ἀποθήκη von Koloneia war in dieser Provinz

35 Konstantinos Porphyrogennetos, De Thematibus 17–22 (ed. PERTUSI, 118 zur Ausdeh- nung). Liste des 9. Jahrhunderts: Constantine Porphyrogenitus, Three Treatises on Imperial Military Expeditions, ed. J. F. HALDON (CFHB 28). Wien 1990, 80. Zur Aus- dehnung der Themas auch: BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 130 und 135–136; HILD – RESTLE, Kappadokien 76; K. BELKE, Paphlagonia und Honōrias (TIB 9). Wien 1996, 69–70; M. HENDY, Byzantine Monetary Economy, 625; HALDON, Warfare 86; HONIG- MANN, Ostgrenze 49–53. 36 Brandes, Finanzverwaltung 307; G. ZACOS – A. VEGLERY, Byzantine Lead Seals I. Ba- sel–Bern 1972, Nr. 155; W. SEIBT, Besprechung zu: G. Zacos – A. Veglery, Byzantine Lead Seals. Basel und Bern 1972. BSl 36 (1975) 208–213. 37 J. C. CHEYNET, Sceaux de la collection Zacos (Bibliothèque nationale de France) se rapportant aux provinces orientales de l’Empire byzantin. Paris 2001, 70, Nr. 36. 38 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 219 (Siegel von 713–715) und Nr. 222 (Siegel von 717/18); R. J. LILIE, Die zweihundertjährige Reform: Zu den Anfängen der Themenor- ganisation im 7. und 8. Jahrhundert. BSl 45 (1984) 27–39; HILD – RESTLE, Kappadoki- en 207; HONIGMANN, Ostgrenze 52; Auch die ersten Paulikianer flüchteten in der Zeit von Konstans II. aus Mananalis in Armenia interior in die Gegend von Koloneia: N. G. 362 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 363 an der Schwarzmeerküste die ἀποθήκη von Lazike, Kerasus (Giresun) und Trapezus (auf Siegeln aus den Jahren 689/690, 691–693 und 692/693) bzw. von Lazike (auf Siegeln von 702–704, 710/711, 711/712 und 717) aktiv.39 Im Osten, in der ehemaligen Armenia interior blieben trotz des Verlus- tes von Theodosiupolis die unmittelbar am Euphrat gelegenen Gebiete noch einige Zeit unter byzantinischer Kontrolle. Die Festung Kamacha (Kemah) scheint mit Koloneia auf dem Siegel von 713/715 auf. Nach den Akten des Konzils von 680 waren Daranalis mit Kamacha und Akilisene (Ekełeac‘) mit der Provinzhauptstadt Justinianupolis (Cimin) von den Gebieten der Armenia interior den Byzantinern noch verblieben.40 Im Süden des alten Verteidigungsbezirks des magister militum per Ar- meniam findet sich auf einem Siegel von 687/688 die ἀποθήκη der Armenia prima, die nach der Provinzeinteilung des Maurikios mit der Provinz von Melitene zu identifizieren ist. Als Grenzgebiet wurde die Armenia prima oft Ziel arabischer Einfälle. Der Osten der Provinz ging mit Beginn des 8. Jahrhunderts den Byzantinern verloren, Melitene und das nordwestlich gelegene Taranta (Darende) wurden mit arabischen Garnisonen besetzt.41 Im Gebiet östlich des Euphrat hielt sich in der Armenia quarta altera noch einige Zeit byzantinische Autorität. Šimšāt (Asamosata), der Hauptort der Satrapie Balabitene, fiel allerdings schon in der Zeit des Kalifen ‘Utmān (644–656) in die Hände der Araber.42 Auf dem Konzil von 692 war Elias,

GARSOÏAN, The Paulician Heresy. A Study of the Origin and Development of Paulicia- nism in Armenia and the Eastern Provinces of the Byzantine Empire. Paris 1967, 116–117. 39 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 164, 178 und 179 (ἀποθήκη von Lazike, Kerasus und Trapezus) und Nr. 204, 2764, 208 und 221 (ἀποθήκη von Lazike); BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 154–155; W. SEIBT, Westgeorgien (Egrisi, Lazica) in frühchristlicher Zeit, in: R. Pillinger (Hrsg.), Die Schwarzmeerküste in der Spätantike. Wien 1996, 139–142. 40 Daranalis: ACO II, 2, 2, 786 (Konzil 680); J. B. MANSI, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio XI. Florenz–Venedig 1759, 994 (Konzil 692). Kamacha wechselte häufig den Besitzer: 679 eroberten es kurzfristig erstmals die Araber, 710 erneut durch Verrat, 723/724 und 727 wieder: HONIGMANN, Ostgrenze 56–57. Justinianupolis: ACO II, 2, 2, 786. H. OHME, Armenia magna und die armenischen Reichsprovinzen am Ende des 7. Jahrhunderts. Byzantina 16 (1991) 341 und 346–348; BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 158–159. 41 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 162 (Armenia I 687/688); SEIBT, BSl 36, 209; Zu Bischöfen aus dieser Provinz auf dem Konzil 680: ACO II, 2, 2, 782 und 792 und auf dem Konzil 692: MANSI XI, 999; OHME, Armenia magna 345. Zum Territorialverlust an die Araber: HILD – RESTLE, Kappadokien 72–74 und 234; BRANDES, Städte Kleinasiens 75–78 (Liste der Einfälle). 42 HITTI, Baladhuri 287; HEWSEN, Geography 155–156. 362 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 363

der Bischof von Dadima, der Metropolis der Armenia quarta altera, ver- treten, ihn begleitete Bischof Marianos von Kitharizon. Der Großteil der Armenia quarta altera war offenbar unter byzantinischer Kontrolle.43 694/ 695 wurde die Region laut Theophanes Ziel eines arabischen Angriffes; auf einem Siegel aus dem Jahr 695/696 scheint noch die ἀποθήκη von Armenia quarta auf. 701/702 übergab dann nach Theophanes der Armenier Baanes Heptadaimon die Armenia quarta den Arabern. Doch weist ein Siegel aus den Jahren 713–715, das die ἀποθήκη von Koloneia, Kamacha und Armenia quarta nennt, darauf hin, dass zumindest Teile der Provinz (vielleicht die unmittelbar südlich an das Gebiet von Kamacha angrenzenden Regionen wie Muzuron, Digesine und nördlich des Arsanias) wieder unter byzantinische Kontrolle gelangten oder blieben.44 Während die Gebiete östlich des Euphrat verloren gingen, wurde das Gebiet der Ἀρμενιάκοι im Nordwesten um die Provinzen Helenopontus und Paphlagonia erweitert. Das erste Kommerkiariersiegel auf dem später belegten Gebiet der Ἀρμενιάκοι findet sich für die Zeit von 659 bis 668 in Helenopontus. Ein Siegel aus dem Jahr 688/689 nennt die Apotheke von Helenopontus gemeinsam mit der südlich angrenzenden Armenia secun- da.45 In Helenopontus – interessanterweise nicht im römisch-armenischen Bereich – befand sich das spätere Themenzentrum Amaseia. Dieses Gebiet stellte auch nach den Teilungen des Großthemas im 9. Jahrhundert weiter den Kernbereich der Ἀρμενιάκοι dar.46 Für die Ausdehnung des Themas der Ἀρμενιάκοι nach Paphlagonien geben die Siegel im 7. und frühen 8. Jahrhundert keine eindeutigen Hin- weise. Die Provinz scheint stets gemeinsam mit dem westlich benachbarten Honorias (zuerst 692/693), das an das Thema Opsikion fiel, später in Ge- stalt der ἀποθήκη von Honorias, Paphlagonia und der gesamten Pontusküs- te bis Trapezus (720 – 741), die Provinz- und Themengrenzen überschrei- tet, auf. Theophanes belegt für die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts die Ausdehnung des Themas Armeniakon bis Paphlagonia: 788/89 verheiratete Irene ihren Sohn Konstantin VI. mit Maria aus dem Ort Amnia (in der

43 MANSI XI, 992 (Dadimon) und 1005 (Kitharizon); OHME, Armenia magna 341. 44 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 191 (Siegel 695/696) und Nr. 219 (Siegel 713–715); SEIBT, BSl 36, 109; Theophanes A.M. 6187 (arabischer Angriff) und A.M. 6194 (Über- gabe der Armenia quarta). 45 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 155; CHEYNET, Sceaux de la collection Zacos 70, Nr. 36 ; BRANDES, Finanzverwaltung 307. 46 BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 140–144; HENDY, Byzantine Monetary Economy 621 und 625; LILIE, Die zweihundertjährige Reform 37. 364 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 365

Gegend von Gangra), das nach den Angaben in der Chronik im Thema Armeniakon lag.47

Diese Siegel geben zwar Hinweise auf die Aktivität der byzantinischen Verwaltung in der Zeit der arabischen Vorstöße nach Kleinasien und der beginnenden Neugliederung in Themen, aber keine gesicherten Informati- onen darüber, wann welche Provinz den Ἀρμενιάκοι zugewiesen wurde; wahrscheinlich vollzog sich die Etablierung der Ἀρμενιάκοι im Nordosten Kleinasiens in den letzten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts. Dies ist auch mit den politischen und militärischen Ereignissen der Zeit in Übereinstimmung zu bringen: ein letztes Mal konn- ten die Byzantiner unter Justinian II. 685 bis 692 den Großteil Großarme- niens unter ihre Kontrolle bringen und das Land für einige Jahre auch besetzen.48 Nach 700 blieb den Byzantinern weitere Einflussnahme in Ar- menien jenseits des Euphrat für längere Zeit verwehrt. Ein Aufstand des großarmenischen Adels um den isχan Armeniens Smbat Bagratuni schei- terte 703 trotz der Unterstützung durch Kaiser Tiberios-Apsimar, Smbat flüchtete auf byzantinisches Gebiet und wurde mit seinen Getreuen im Gebiet von Phasis in Lazika angesiedelt.49 Die arabische Kontrolle über Armenien wurde durch die Entsendung eines ostikan als Statthalter des Kalifen neben dem weiter von den Fürsten gewählten isχan verstärkt. Ara- bische Garnisonen sicherten das Grenzgebiet zum Imperium, auch Theo- dosiupolis erhielt 700 erneut eine arabische Besatzung, desgleichen Melite- ne und 702 Taranta (Darende) im Nordwesten Melitenes.50 Die Festigung

47 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 180; F. ŠANDROVSKAJA, Die Funde der byzantinischen Bleisiegel in Sudak. SBS 3 (1993) 88; Theophanes A.M. 6281; BLYSIDU, Η Μικρά Ασία των Θεμάτων 149 und 153; BELKE, Paphlagonien 70 und 170–171. 48 Theophanes, A.M. 6178; Łewond 4–5. ARZOUMANIAN, History of Lewond 54–56; LAU- RENT, L’Arménie 236–237, 243 und 402; C. HEAD, Justinian II. of Byzantium. Madison, Wisconsin 1972, 33–34; C. TOUMANOFF, Studies in Christian Caucasian History. Washing- ton D.C. 1963, 450, A. 53; KAPLONY, Konstantinopel und Damaskus 123–124 und 129–130; W. SEIBT – D. THEODORIDIS, Das Rätsel der Andrapoda–Siegel im ausgehenden 7. Jahrhundert. Waren mehr Slawen oder Armenier Opfer dieser Staatsaktion? BSl 60 (1999) 398–406. 49 Łewond 8–10. ARZOUMANIAN, History of Lewond 59–66. 50 HITTI, Baladhuri 289–290. Zur Konzentration der militärischen Aktionen der Araber auf die Grenzgebiete zum Imperium ab dem Ende des 7. Jahrhunderts: J. F. HALDON – H. KENNEDY, The Arab-Byzantine Frontier in the eighth and ninth Centuries. Milita- ry, Organisation and Society in the Borderlands. ZRVI 19 (1980) 80–82; HILD – RESTLE, Kappadokien 72–74. 364 Johannes Preiser–Kapeller Magister Militum per Armeniam – ὁ τῶν Ἀρμενιάκων στρατηγός 365

arabischer Herrschaft in Armenien und die Verstärkung ihrer militärischen Präsenz an der Grenze zu den Byzantinern – zur selben Zeit auch an der Südostgrenze in Kilikien – wird die Etablierung der Autorität des Strategos der Ἀρμενιάκοι in den und über die ihm zugewiesenen Provinzen bestärkt haben. Allmählich entstand auch entlang der byzantinisch-arabischen Grenze ein Gürtel verwüsteten, entvölkerten Niemandslandes, wie er in einer syrischen Chronik im Zusammenhang mit dem muslimischen Vorstoß nach Kleinasien 716/717 beschrieben wird; er umfasste demnach auch das Gebiet von Melitene und die Region entlang des Arsanias in Armenien.51 Ein Siegel von 717/18 nennt die Apotheke von Koloneia und aller ἐπαρχίαι, also Provinzen der Ἀρμενιάκοι; es belegt die beginnende Entwicklung des Themas der Ἀρμενιάκοι von einem mehrere Provinzen umfassenden Aufstel- lungs– und Zuweisungsgebiet hin zu einer administrativen Einheit im frü- hen 8. Jahrhundert52

51 CHABOT, Chronicon anonymum 156–157. PALMER, West-Syrian Chronicles 62; HILD – HELLENKEMPER, Kilikien 46–47. 52 ZACOS – VEGLERY, Lead Seals I, Nr. 222 (Siegel von 717/18); LILIE, Zweihundertjährige Reform 33–34.