SO FLIEGEN WIR MORGEN In 90 Minuten von Europa nach Australien, E -Turbinen, Nurflügler: Alles über die Luftfahrt -Technik der Zukunft

AM RANDE DES WAHNSINNS Die abenteuerliche Reise ins Innere eines Vulkans ALLE GEGEN GOLIATH Warum der größte Frosch der Welt in Kamerun bedroht ist FASZINATION OUTBACK  Das harte Leben im wilden Herzen Australiens

AUSGABE 06 − OKTOBER & NOVEMBER 2015 EINE PUBLIKATION VON

001-Cover 1 12.10.15 12:03 HOL´ DIR EXTRAS ZU DEINEM TASCHENGELD!

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Stand: 2. März 2015, Änderungen vorbehalten

002-Bawag_112125R379_Vorteilspost_Oktober_RGB_230x300_151007_1518_RZ.indd 2 1 12.10.1507.10.15 12:1215:24 Editor ’s Letter

TERRA MATER | OKTOBER & NOVEMBER 2015

ERZLICH WILLKOMMEN! Wir freuen uns, Ihnen eine Kost- 4 7 ERSTAUNLICHE BILDER probe des Natur- und Wissensmagazins Terra Mater überreichen von Mutter Erde und ihren Bewohnern. zu dürfen. Wir wollen Sie damit verführen, einen genaueren Blick H auf die Wunder unserer Welt zu werfen. Alles, was Sie dazu brauchen, ist ein 16 EIN MENSCH IN SWASILAND bisschen Zeit. Sibongile Zwane ist Korbflechterin, Tochter, Als wir im Jahr 2012 auf die kühne Idee kamen, eine neue Zeitschrift auf Mutter, Großmutter, und – Sängerin. den Markt zu bringen, hatten wir von Anfang an das Ziel, einen Gegen- 18 EIN WUNDER NAMENS entwurf zu schaffen zur Atemlosigkeit und der Oberflächlichkeit unserer heu- TEUFELSBLUME tigen Zeit. Bewusst langsam und ein bisschen altmodisch sollte das Heft ge- Ein Insekt, das sich tarnt und uns täuscht. staltet sein, mit langen, sorgfältig recherchierten und liebevoll geschriebenen 20 AUF DEM HOLZWEG Storys. Traditionell auch unser journalistischer Ansatz: Wir spannen erstklas- Welche Länder exportieren wie viel Tropenholz? sige Fotografen mit hervorragenden Autoren zusammen und schicken sie in Und wo landet der Rohstoff? alle Teile der Welt, damit sie von dort mit authentischen und zeitlos gültigen 22 EIN ORT ZUM Geschichten zurückkehren – um dem Untertitel des Magazins gerecht zu ENTDECKEN werden: „Die Welt entdecken und begreifen“. Ein Kloster auf 4.116 Meter Seehöhe. Doch nun wünschen wir Ihnen viel Vergnügen mit diesen 48 Seiten aus 24 DIE EDEL-ENTDECKER dem Terra Mater Magazin (eine komplette Ausgabe hat einen Umfang von Die Royal Geographic Society schickt seit 1830 Expeditionen in alle Welt. Das Portrait 148 Seiten). Und sollten Sie auf den Geschmack kommen: Alle zwei Monate iner sehr britischen Institution. erscheint ein neues Heft und liegt dann beim Zeitschriftenhändler Ihres Ver-

38 VISION SAUBERER OZEAN trauens um 5 Euro auf. Noch bequemer ist nur noch ein Abo: Details dazu Ein junger Mann will die Weltmeere vom gibt’s auf Seite 37. Plastikmüll befreien. Ein Interview über große Ideen, große Hindernisse und die Kraft der Naivität. Die Redaktion 46 TERRA MATER IM ÜBERBLICK Vier spannende Geschichten, die Sie im gedruckten Heft erwarten.

Alles Gescheite ist schon einmal gedacht worden. Man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken.

Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichterfürst (1749–1832)

IMPRESSUM: HERAUSGEBER: Karl Abentheuer CHEFREDAKTEUR: Andreas Wollinger CREATIVE DIRECTION: Christine Eisl ART DIRECTION: Mag. (FH) Isabel Neudhart CHEF VOM DIENST: Mag. Gottfried Derka FOTOREDAKTION: Mag. Isabella Russ (Ltg.), Thomas Kronsteiner REDAKTION: Ivo Filatsch, Mag. Andrea Gastgeb, Sebastian Grübl, Sabine Holzer, Dr. Walter Köhler, Mag. Martin Mészáros, Andrea Pascher GRAFIK: Isabel Erlebach, B.A. AUTOREN: Kathrin Brandstätter, Alexandra von Quadt, Manfred Sax FOTOGRAFEN: Mark Brodkin, Réhan Hoian, Mian Khursheed, Alessandra Meniconzi, Jon Nazca, Richard Schabetsberger, Lynn Wu ILLUSTRATOREN: Paul Butt/Section Design, Andreas Leitner LEKTORAT: Hannes Hessenberger (Ltg.) PRODUKTION: Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Michael Menitz HERSTELLUNG: Michael Bergmeister LITHOGRAFIE: Clemens Ragotzky (Ltg.) OFFICE MANAGEMENT: Manuela Gesslbauer (Assistentin der Geschäftsführung), Kristina Krizmanic VERLAGSLEITUNG: Franz Renkin ANZEIGEN: Gerald Daum, Thomas Hutterer MARKETING&KOMMUNIKATION: Mag. Barbara Kaiser ABO&VERTRIEB: Mag. (FH) Peter Schiffer (Ltg.) GENERAL MANAGER: Wolfgang Winter REDAKTIONS- ANSCHRIFT: Heinrich-Collin-Straße 1/1, 1140 Wien, Tel.: +43/1/90 221-0, Fax-DW: 27930, E-Mail: [email protected], www.terramatermagazin.at MEDIENINHABER, EIGENTÜMER & VERLEGER: Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, 5071 Wals bei Salzburg , FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU: 63611700 Ein Produkt aus dem

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003-Editorial_Inhalt_Impressum 3 12.10.15 12:04 WELTBILD

SCHATTEN IHRER SELBST

DEADVLEI, NAMIBIA. Einst bewässerte der Landstrich von der Wasserversorgung ab. Das ist Fluss Tsauchab diese Tiefebene, damals waren jetzt 700 Jahre her, schätzen Experten. Dass die die Kameldornakazien noch voll grüner Blätter toten Bäume immer noch vor den im Abendlicht und spitzer Dornen. Doch dann kamen bis zu leuchtenden Dünen stehen, liegt daran, dass sie 400 Meter hohe Sanddünen und schnitten den völlig ausgetrocknet und somit konserviert sind.

Foto: Mark Brodkin

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Erstaunliche Momentaufnahmen von Mutter Erde Foto: Mark Brodkin/HGM-Press Foto:

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005-Weltbild 5 12.10.15 12:08 6

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STARKER JAHRGANG

LAGUNA DE FUENTE DE PIEDRA, SPANIEN. Die Menschen in Andalusien sind stolz darauf, dass die flache Lagune nahe Málaga Heimat der größten Flamingo-Population Europas ist. Jeden Sommer feiern sie ein Fest, in dessen Verlauf sie die Jungvögel – erkennbar am dunklen Gefieder – registrieren und mit einem leichten Metallring ums Bein markieren. Der ausgewachsene Flamingo bekam, obwohl er sich angestellt hatte, keinen zweiten.

Foto: Jon Nazca s r azca/Reute N Foto: Jon Foto:

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KOPF HOCH

BEZIRK DARGAI, PAKISTAN. Kein ­einziger Strohhalm sollte zurückbleiben, wohl deshalb hat der Fahrer seinen Lastwagen ein ­wenig mit dem Futtermittel überladen. Der äuß­ erste Norden Pakistans ist so trocken, dass Land­wirte besonders effizient arbeiten müssen. Ob schließlich noch mehr Stroh von der Ladefläche rutschte oder ob es den Männern ­gelang, die Schwerkraft zu besiegen, ist nicht überliefert.

Foto: Mian Khursheed

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008-Weltbild 8 12.10.15 12:08 euters R Foto: Mian Kursheed/ Foto:

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AUFSTIEG UND LANDUNG EINES ROBOTERS

SEOUL, SÜDKOREA. 1.200 Arten von Die Wissenschafter haben Insekten mit Hoch­ Lebewesen haben die Fähigkeit entwickelt, über geschwindigkeitskameras gefilmt und dabei Wasser zu laufen oder gar von der Wasserober­ ­gelernt, die Kraft beim Absprung so zu dosieren, fläche in die Luft zu springen. Nun haben korea­ dass die Oberflächenspannung des Wassers nische Forscher 13 Millimeter kleine Rob­ oter nicht überfordert wird. In einem nächsten Schritt konstruiert, die das ebenfalls schaffen. Die Inspi­ sollen die Maschinen noch eine weiche Landung ration für die Maschinen kam aus der Natur: schaffen. Das Vorbild auch hier: die Natur.

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010-Weltbild 10 12.10.15 12:08 ZÄHNE GM-Press H / n ZEIGT MAN NICHT oia H

n ehah

R VIETNAM. Ein schönes Beispiel für das landestypische Lächeln – eine Hand bedeckt den Mund. Was aber nicht verdecken kann, iversity, iversity,

Un dass die Menschen hier zu den glücklichsten des Planeten gehören. al n Das zumindest behauptet das Ranking des Happy Planet Index – eine Maßzahl, die Faktoren wie Lebenszufriedenheit und Ressourcen- eoul Natio eoul S verbrauch in Relation stellt. Der Fotograf bestätigt den Befund: In

Fotos: Fotos: Vietnam sei er ständig glücklich lächelnden Menschen begegnet.

Foto: Réhahn Hoian

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011-Weltbild 11 12.10.15 12:08 WELTBILD

LICHTGESTALT

BALI, INDONESIEN. Diese Meeresschnecke, genannt Costasiella kuroshimae, ist nur wenige Millimeter groß und verfügt über eine erstaunliche Fähigkeit: Sie frisst Algen zwar, verdaut sie aber nicht vollständig. Die Chloroplasten genannten Partikel, die in der Alge für das Einfangen von Sonnenenergie zuständig sind, werden in ihrem Organismus gespeichert und in der Folge zur Energiegewinnung genutzt. So kann sich die Schnecke gleichsam von Licht ernähren.

Foto: Lynn Wu Foto: Lynn Wu/HGM-Press Lynn Foto:

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EIN FOTO und seine GESCHICHTE

ICH SEH, ICH SEH, WAS DU NICHT SIEHST

„ES WAR EIN STÜRMISCHER Wintertag auf meinen Füßen faszinierende Muster entdeckte, die den Lofoten in Nordnorwegen. Eigentlich wollte die Wellen in den Sand gezeichnet hatten. Sie sahen ich Landschaftsaufnahmen machen, doch das Licht aus wie Bäume eines verwunschenen Märchenwal- spielte nicht mit. Aber auch in solchen Fällen packe des. Mit jeder Welle wurde die Zeichnung gelöscht, ich die Kamera nicht weg, sondern versuche, ande- und eine neue entstand. Am Ende hatte ich wirklich re Motive wie Algen oder Muscheln zu finden. Ich außergewöhnliche Bilder im Kasten – Gemälde, die wanderte also den Strand entlang, als ich unter sich die Natur ausgedacht hat.“ Meniconzi

Die Schweizer Fotografin Alessandra Meniconzi ist bevorzugt a

in extremen Gegenden dieser Welt unterwegs. ndr a BRENNWEITE: m 32 m BELICHTUNGSZEIT: 1/25 sec

BLENDE: f/11 Aless Fotos: ISO/ASA: 100 BLITZ: nein ZEITPUNKT: 9.02 Uhr

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016-Mensch 16 12.10.15 12:00 EIN MENSCH IN Malkerns

Sibongile Zwane Korbflechterin in Swasiland

Was hatten Sie heute zum Frühstück? Einen sauer fermentierten Brei mit Maismehl und eine Tasse Tee. Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus? Ich flechte Körbe, ungefähr fünf Stunden pro Tag, mal mehr, mal weniger, das hängt von der Nachfrage ab. Jeden Dienstag gehe ich hierher in die Stadt Malkerns, liefere fertige Körbe ab und hole mir Grasfasern und Drähte für neue Körbe. Ich arbeite für Gone Rural, eine Organisation, die Frauen in Swasiland Arbeit gibt und unsere Handwerksprodukte vertreibt. Was haben Sie heute noch vor? Ich werde eine Stunde nach Hause gehen und danach für meine Mutter, meine zwei Kinder und mein Enkelkind kochen. Heute gibt es Hühnchen mit Reis. Wie sieht Ihr Zuhause aus? Es ist ein kleines Haus. Wir haben ein Solarpaneel am Dach und einen Wasserhahn vor der Tür. Das Haus ist sehr einfach eingerichtet. Was ist Ihr wertvollster Besitz? Ich besitze nicht viel. Das Wichtigste sind mir meine Gesundheit und meine Hände, mit denen ich arbeiten kann. Was ist Ihr größter Wunsch? Ein großes Haus, in dem wir genug Platz haben. Das Haus sollte an das Stromnetz angeschlossen sein. Und ein kleines Auto wäre toll! Was bedeutet ein erfülltes Leben für Sie? Wenn mich meine Kinder als eine liebende Mutter in Erinnerung behalten. Ihr bisher größter Fehler? Die Schule abzubrechen. Da hätte ich jetzt deutlich mehr Möglichkeiten. Und wäre meinen Kindern ein besseres Vorbild. Ihre größte Leidenschaft? Singen! Ich singe in einem Chor mit 15 anderen Frauen. Wir singen Swasi-Lieder, sie handeln vom Leben, von der Liebe, unserer Arbeit und unseren Wünschen. Wenn Sie nicht selbst singen: Welche Musik mögen Sie? Ich liebe die Musik von Miriam Makeba. Sie ist „Mama Afrika“ für uns. Und ich höre sehr gerne Gospelmusik aus Swasiland. Wovor haben Sie Angst? In Swasiland sind fast 30 Prozent der Bevölkerung HIV-positiv. Vor einer Infektion habe ich die meiste Angst, deshalb halte ich Abstand zu Männern. Was werden Sie nächsten Sonntag tun? Ich bin Christin und gehe so oft wie möglich in die Kirche. Für danach hat sich Besuch angekündigt. Ein paar Frauen wollen sehen, wie wir hier Körbe flechten.

Richard Schabetsberger und Kathrin Brandstätter wollten Swasiland im Süden Afrikas nur rasch durch- queren, blieben dann jedoch fasziniert hängen. Als sie dem Geruch von trocknendem Lutinzi-Gras folgten, lernten sie die 42-jährige Sibongile Zwane kennen. Er fotografierte, sie stellte die Fragen und hörte zu.

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017-Mensch 17 12.10.15 12:00 WELTBILD

EIN WUNDER NAMENS

Teufelsblume lat.: Idolomantis diabolica

Fühler Sie verleihen dem Tier einen Tastsinn – und sehen teuflisch gut aus. Weibchen haben längere Antennen als Männchen.

Besteck Spitze Dornen helfen beim Fangen und Fixieren der Beute.

Zwei Flügelpaare Fliegen kann das Insekt damit nicht – aber immerhin ziemlichen Lärm machen, indem es die oberen Flügel an den unteren reibt. Das schnarrende Geräusch soll Gegner verschrecken.

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018-Tier 18 12.10.15 12:01 AN SOLLTE JA NICHTS und niemanden anhand des Erschei­ M nungsbildes beurteilen. Bei der Teu­ felsblume liefert das zerfleddert wirkende Aus­ sehen aber doch einen Hinweis auf ihre beiden doch eher disparaten Überlebensstrategien. Einer­ seits sieht das bis zu 13 Zentimeter lange Tier wie Blattwerk aus. So sitzt es unbewegt im Gebüsch seiner ostafrikanischen Heimat und wartet, bis eine­ nichtsahnende Fliege in Greifweite gerät und schnappt dann blitzschnell zu. Nicht erkannt zu werden ist also die Bedingung für einen gefüllten Verdauungsapparat. Facettenaugen Wenn die Teufelsblume aber doch von einem Die gebündelten Signale Feind entdeckt wird, tut sie alles, um möglichst im­ hunderter Lichtrezeptoren posant zu erscheinen. Ein Teil dieser Drohgebärde verschaffen dem Insekt ein ist es, die Flügel – wie hier im Bild – zu spreizen. Abbild seiner Umwelt. In einer weiteren Eskalationsstufe hebt sie ihre ­langen Greifarme und entblößt dabei die bunt schillernden Schenkel-Innenseiten. Das Insekt sieht dann ­einer Blume so ähnlich, dass es Forscher im 19. Jahrhundert in die Irre führte: Die Experten dachten, die Teufelsblume würde mit der Blumen­ gestalt Beute anlocken. Hinweis aus der Quantenphysik an die Insek­ tenforscher: Schon durch das Beobachten verän­ dert der Beobachter das Beobachtete. Vermutlich Fangarme wollte die verschreckte Teufelsblume seinerzeit nur Mit ihnen holt sich die die neugierigen Forscher verjagen. Teufelsblume blitzschnell vorbeifliegendes Futter aus der Luft. An ihren Innenseiten sind die Arme schillernd bunt, das Teufelsblume (Idolomantis diabolica) wird erst sichtbar, wenn sie in einer

Drohgebärde gehoben werden. Systematik

Klasse Insekten (Insecta) Ordnung Fangschrecken (Mantodea) Familie Unterfamilie Blepharodinae Allradantrieb Gattung Idolomantis Die vier hinteren Beine dienen Art Teufelsblume vor allem der Fortbewegung. Bei Bedarf verwendet das Insekt auch die Fangarme, etwa zum

y Erklimmen höher gelegener Zweige. oda T Foto: Your Photo Photo Your Foto:

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019-Tier 19 12.10.15 12:01 Auf dem Holzweg Die wichtigsten Produzenten von Tropenholz – und ihre Kunden

Exporteure

Brasilien 29.445.877*

Kongo 94.444

Indonesien 20.522.779

Madagaskar 15.744

Papua-Neuguinea 1.263.665

Illustration: Section Design

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020-Infografik 20 12.10.15 12:07

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*

Weißrussland2.184 Barbados 13.164 Barbados 1.388.599 Belgien

Bangladesch 145.522 Bangladesch Belize 1.151

Bahrain41.500 Benin 5.327

Bahamas 1.790 Bahamas Bolivien 107.171

Aserbaidschan 204 Aserbaidschan Bosnien und Herzegowina 1.330

Österreich 69.507 Österreich Brasilien 61.840

Australien 390.109 Australien Brunei 2.372

Armenien 9.590 Armenien Bulgarien 16.211

Argentinien 1.284.861 Argentinien Burkina Faso 1.375 Angola 5.049 Angola Burundi 150

Kambodscha 33.020 Algerien 58.862 Algerien

Albanien 2.911 Albanien Kamerun 17.244 Afghanistan 411 Afghanistan Kanada 578.444 Kapverden 2.302 Zentralafrikanische Republik 1.109 Tschad 150 Chile 286.948 China 8.424.376 Kolumbien 181.239 Republik Kongo 3.309 Demokratische Republik Kongo 913 Importeure Costa Rica 33.698 Elfenbeinküste 26.017 Kroatien 8.335 Kuba 45.227 Top 10 Zypern 16.045 Tschechische Republik 81.530 Dänemark 34.534 Dschibuti 50.317 Dominica 512 Dominikanische Republik 81.530 Ecuador 87.579 Ägypten 272.309 El Salvador 19.687 Äquatorialguinea 196 Eritrea 1.153 Estland 10.394 Äthiopien 43.242 Fidschi 788 Finnland 505.315 Frankreich 1.178.058 Französisch-Polynesien 2.910 Gabun 347 Gambia 2.105 Georgien 1.473 Deutschland 2.398.373 Ghana 21.232 Griechenland 156.570 Guatemala 38.222 Guinea-Bissau 4 Guinea 6.882 Guyana 416 Haiti 6.510 Honduras 33.378 Ungarn 131.867 Island 550 Indien 557.999 Indonesien 285.378 Iran 420.757 Irak 80 Irland 23.348 Israel 33.666 Italien 3.220.615 Jamaika 28.862 Japan 3.707.853 Jordanien 100.400 Kasachstan 7.083 Kenia 27.643 Nordkorea 1.304.592 Südkorea 2.366.432 Kuwait 91.206 Kirgisistan 281 Laos 247 Lettland 3.897 Libanon 40.627 Liberia 3.351 Libyen 11.212 Litauen 4.288 Luxemburg 1.243 Madagaskar 4.908 2.901 Malaysia 2.421.093 Mali 2.107 Malta 3.091 Mauretanien 3.510 Mauritius 36.215 Mexiko 835.305 Moldavien 525 Mongolei 211 Marokko 34.503 Mosambik 3.477 Myanmar 85.182 Nepal 385 Niederlande 811.696 Kleine Antillen 7.521 Neukaledonien 5.479 Neuseeland 185.731 Nicaragua 17.222 Niger 2.561 Nigeria 243.068 Norwegen 36.765 Oman 26.024 Pakistan 200.674 Panama 21.446 Papua-Neuguinea 5.737 Paraguay 112.088 Peru 162.329 Philippinen 184.708 Polen 234.488 Portugal 205.062 Katar 57.146 Rumänien 6.595 Russland 100.201 Ruanda 351 St. Vincent und die Grenadinen 940 Samoa 150 São Tomé und Príncipe 206 Saudi-Arabien 477.986 Senegal 20.065 Serbien 248 Sierra Leone 2.810 Singapur 528.791 Slowakei 9.892 Slowenien 115.206 Salomonen 100 414 Südafrika 224.377 Spanien 772.010 Sri Lanka 157.051 Sudan 22.961 Surinam 2.643 Schweden 105.915 Schweiz 143.679 Syrien 121.629 Tansania 6.212 Thailand 331.527 Togo 4.427 Tonga 222 Trinidad und Tobago 153.357 Tunesien 40.351 Türkei 373.266 Turkmenistan 29Turkmenistan 6.485 Ukraine 25.803

Vereinigte Arabische Emirate 341.941

Simbabwe 3.719 Simbabwe Vereinigtes Königreich 1.069.844

Sambia 805 Sambia USA 8.469.160

Jemen60.080 Uruguay 114.868 Vietnam 674.574 Vietnam 159 Vanuatu Venezuela 176.410Venezuela

Quelle: World Wide Fund For Nature (WWF) * Vergleichszahl: Hektar Wald pro Jahr Nicht erfasst: illegaler Handel

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021-Infografik 21 12.10.15 12:07 WELTBILD

EIN ORT ZUM ENTDECKEN

32° 17' 51" N, 78° 0' 43" O Kye-Kloster, Indien

IN MEHR ALS TAUSEND JAHRE altes Juwel, eingefasst Beste Reisezeit Juni bis Oktober vom Himalayagebirge – so wirkt das Kloster Kye, errichtet auf Wie komme ich hin? Per Flugzeug nach Chandigarh, 4.116 Meter Seehöhe im Spiti-Tal im Norden Indiens, im Grenz- von dort aus etwa 210 km E mit dem Mietwagen oder dem gebiet zu Tibet. Vom tibetischen Buddhisten Drom Tönpa im 11. Jahr- Bus über Manali nach Kaza hundert gegründet, ist das Kloster bis heute ein bedeutendes buddhisti- zum Kloster. sches Ausbildungszentrum für derzeit 40 bis 50 Mönche. Das Prunkstück Tipp Wanderungen empfohlen: In dem Gebiet finden sich

des dreistöckigen Hauptgebäudes ist das mit uralten Wandgemälden ge- es Meeres­fossilien, die mehr als g schmückte Tengyur-Zimmer. Dazu gibt es wertvolle Bücher, Skulpturen 250 Millionen Jahre alt sind. und Thangkas zu bestaunen – Rollbilder, die unter anderem Buddha bei

der Meditation zeigen. Und auch der Blick nach draußen ist bezaubernd: Getty Ima Foto: Indien Er bietet die Aussicht auf eine schroffe, fast unirdische Wüstenlandschaft. Kye-Kloster

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022-Ort 22 12.10.15 12:01 VÖLKERKUNDE

Traditioneller Schmuck, geflochten aus Pflanzenfasern 1998

Marsch. In mitgebrachten Alutöpfen, extra für uns gekauft, vergammeln. Drinnen stehen ein paar verschlis- Der stille Bürgerkrieg beginnt er, Gemüse und Reis zu kochen. Das ist das Essen sene Möbel. Sie passen so gar nicht zu den Papuas, Warum die Papuas für die von auswärts. Die Einheimischen essen Süßkar­ also werden sie auch nicht benutzt. Man isst, sitzt, Indonesien als feindliche toffeln und deren spinatartige Blätter. Eine Pflanze als schläft auf dem Holzboden. Besatzungsmacht sehen. Als sich in der Mitte des Hauptnahrungsmittel, Kohlehydrate und Gemüse – genial. Die Häuser sind Geschenke der Regierung 20. Jahrhunderts die Am nächsten Tag erreichen wir nach einem drei­ in Jakarta. Wer seine alte Hütte aufgibt, bekommt Kolonialmächte England und die Niederlande von stündigen Marsch Karubaga, so etwas wie das Bezirks­ das Bauholz für eine neue gratis. Doch das ver- der Insel Neuguinea hauptdorf. Es gibt einen Markt, eine grasbewachsene meintlich bessere Leben darin ist ein Trugbild. zurückzogen, strebten die einheimischen Völker die Landebahn für kleine Flugzeuge und eine aufgelassene Kultur und Identität der Lani sind untrennbar Unabhängigkeit an. Missionsstation, in der wir Quartier beziehen. Nach zwei mit ihren Hütten verbunden. Das Leben in diesen Doch während der britische Ostteil 1975 zum Staat Nächten in Rundhütten sind die Blockhütten eine will­ Häusern, in dieser Stadt, hat nichts mehr mit ihrer Papua-Neuguinea wurde, kommene Abwechslung. Tradition zu tun. Manche deuten das als bewusste besetzten indonesische Truppen 1963 den Kipenus spricht mit großem Respekt über die ersten Strategie: als eine Art Sozialisierungsversuch, um niederländischen Westteil. Seither tobt im Untergrund Missionare, die bei seinem Volk aufgetaucht sind: Bru­ die Papuas mit sanfter Gewalt in die indonesische ein blutiger Krieg zwischen der Filipus und Bruder Darius begannen in den 1960er­ Gesellschaft einzugliedern. Papuas und den indone si- schen Besatzern. Jahren von Karubaga aus, die Lani zu missionieren. Die Es ist ein ungleicher Kampf: beiden wurden später von den benachbarten Yali getötet Wir brechen auf nach Alobaga, dem Heimatort von Ki­ 30.000 bis an die Zähne bewaffnete Soldaten und verspeist. Kipenus sagt, bei den Lani hätte das nie penus. Wir sind den vierten Tag unterwegs, das lange ersticken brutal jeden passieren können: Hier esse man zwar Schweine, aber doch gemeinsame Wandern hat unsere Truppe zusammen­ Widerstand im Keim. Über 100.000 Tote soll der keine Menschen! geschweißt. Nur Kipenus spricht englisch, mit allen ande­ Konflikt bereits gefordert Tags darauf beim Frühstück erzählt er dann, er und ren verständigen wir uns über Körpersprache. Die fröhli­ haben. Seit Jahrzehnten versucht die indonesische seine Truppe hätten in der Nacht kein Auge zugetan: Ein che Gelassenheit der Papuas geht langsam auch auf uns Regierung außerdem, Papua, der schon früher einen Weißen getötet habe – kein über. Wir durchwandern üppige Täler und Hänge, mit Indonesier in Westpapua anzusiedeln: War das Mensch wisse, warum –, sei plötzlich aufgetaucht, und sie Süß kartoffelfeldern, Bächen und Quellen, grün überall, es Gebiet vor 40 Jahren fast hätten vor unserer Tür Wache gestanden, damit sich das regnet jeden Tag. ausschließlich von Papuas bewohnt, stellen sie heute nicht wiederhole. Plötzlich bricht ein Schwein aus dem Unterholz und nur noch die Hälfte der blickt uns verdutzt an. Kipenus klärt uns auf: Die zahmen Bevölkerung. Und warum das alles? In weiten Serpentinen schraubt sich die Straße Tiere laufen tagsüber frei herum und kommen abends ins Westpapua ist unermesslich den Berg hinauf. Schon erreichen wir den Nebel- Dorf zu ihren Besitzern zurück. Sie schlafen zum Teil in reich an Rohstoffen – und wenn es um Gold, wald und kurz darauf den Pass. Auf beiden Seiten denselben Hütten wie jene, und es kommt schon einmal Öl oder Holz geht, sind Menschenrechte des Grates unberührte Natur bis zum Horizont. vor, dass eine Menschenfrau ein Ferkel säugt, wenn die kein Thema mehr. Nur die Straße schneidet brutal durch die Anmut. Schweinemutter verstorben ist. Und pumpt wie eine Arterie die Zivilisation in al- Kurz vor dem Dorf erwartet uns einmal mehr eine te Stammesverbände. Wo eine Straße ist, ist auch lachende nackte Kinderschar, aber auch Erwachsene kom­ ein Weg. Und die Indonesier sind gute Geschäfts- men uns entgegen, ein Teil von ihnen ist traditionell geklei­ leute: Überall im Tal sieht man die Reflexionen det, die anderen tragen lumpige Shorts. „Wah, wah, wah“ glänzender Aludächer – Karubaga ist inzwischen – jetzt wissen wir schon, wie man hier „Sehr erfreut, Sie zu einer Stadt geworden: Stein- und Holzhäuser, zu treffen“ sagt, und jeder will begrüßt werden. Als wir Straßen, Autos, Mopeds, Strommasten und Satel- schließlich die Siedlung erreichen, ist es schon fast dunkel. litenschüsseln. Mittendrin, als dominierendes Ele- Wir beziehen unsere Hütte, unsere Träger sind schon ment, hat sich die frisch asphaltierte Landebahn da, scherzen unermüdlich, schenken Tee aus, rauchen. Seit ausgebreitet, die aber nicht nur von Flugzeugen vier Tagen stehen wir unter ständiger Beobachtung. Wir genutzt wird. Sie ist auch Promenade, Kinderspiel- sind Wundertiere, weißhäutige Exoten, Cathrine ist die platz, Fitnessmeile. Wenn ein Flieger kommt, heult erste weiße Frau hier. Alles, was wir tun, wird von neu­ eine Sirene, dann wird die Piste freigemacht. gierigen Blicken verfolgt. Wir übernachten in einem der neuen Holz- Dann kommen die Kinder. Sie schlüpfen nachein­ häuser, die bei genauer Betrachtung schon wieder ander durch die Tür, bis die Hütte aus allen Nähten

023-Bawag_4_Polster 23 13.10.15 10:41 K a p p e m i t G o l d b a n d Getragen von David Livingstone. Archiv der Royal Geographical Society, London

„Dr. Livingstone,

E i n e l e g e n d ä r e B e g e g n u n g Henry Morton Stanley (li.) trifft im November 1871 den verschollenen ­ David Livingstone im Dorf Ujiji am Tanganjikasee. Ob Stanley den berühmten Begrüßungssatz tatsächlich gesagt hat, ist bis heute nicht geklärt. Zeichnung des französischen Illustrators Émile Bayard, 1871

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024-RoyalSociety 24 12.10.15 12:09 ENTDECKER

T r o p e n h e l m Getragen von Sir Henry Morton Stanley, angefertigt von Hawkes, einem Maßschneider in der Londoner Savile Row. Archiv der Royal Geographical Society, London

I presume“

Als Napoleon endlich besiegt war, gingen die Briten daran, ihre neu gewonnene Rolle als Weltmacht zu zelebrieren. Ruhm und Ehre versprach etwa die Aufgabe, die letzten weißen Flecken

.com auf der Landkarte zu beseitigen. Eine Schlüsselrolle edesk r spielte dabei die 1830 gegründete Royal Geographical Society: Sie führte Regie im Jahrhundert der Entdecker. ciety, www.pictu ciety, o S aphical gr Text: Manfred Sax Fotos: Royal Geo Royal Fotos:

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025-RoyalSociety 25 12.10.15 12:09 Z ü n d h o l z s c h a c h t e l „ S wa n V e s t a s “ ( g e f u n d e n a n G e o r g e M a l l o r y s L e i c h n a m ) Die britischen Bergsteiger George Mallory und Andrew Irvine verschwanden am 8. Juni 1924 spurlos bei ihrem Versuch, den Gipfel des Mount Everest zu erreichen. 75 Jahre danach, am 1. Mai 1999, wurde Mallorys Leiche in 8.170 Meter Höhe entdeckt – von der Kälte hervorragend konserviert. Es wurde nie restlos geklärt, ob Mallory den höchsten Berg der Welt bezwungen hat. Man vermutet aber, dass es ihm nicht gelang: Mallory hatte versprochen, ein Bild seiner Frau am Gipfel zu deponieren. Es wurde dort aber nie gefunden. Tibet, Artefakt, 1924

„T h e S o u t h P o l a r T i m e s “ Als die „Discovery“ unter Kapitän Scott 1901 zu einer ersten Antarktis-Expedition aufbrach, war auch Ernest Shackleton an Bord. Er betreute als Unteroffizier unter anderem die Bordzeitung. Seite 45 der Ausgabe von Mai 1902

E i s b e r g g r o t t e i n d e r A n t a r k t i s

Am 5. Jänner 1911, als dieses Foto aufgenommen wurde, war die Welt des Polarforschers Robert F. Scott noch in Ordnung. Er war eben mit der „Terra Nova“ (im Hintergrund) in der Antarktis vor Anker gegangen. Nächstes Projekt: Eroberung des Südpols. Und dann ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Fotografie von Herbert Ponting, 1911 S o n n e n b r i l l e d e r I n u i t Anfang des 19. Jahrhunderts unternahm Leutnant William Parry fünf Reisen in die Arktis, um eine Nordwestpassage zwischen Atlantik und Pazifik zu finden. Erfolglos. Was davon blieb, sind wertvolle Alltagsgegenstände der Inuit, die er von seinen Expeditionen mitbrachte. Diese „Sonnenbrille“ schützte etwa vor Schneeblindheit. Ältestes Artefakt der Royal Geographical Society, 1823

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026-RoyalSociety 26 12.10.15 12:09 ENTDECKER

AS ARTEFAKT auf dem Präsentations- dahin waren es Geologie und Biologie, nun war tisch der Londoner Royal Geographical Geographie die Sache schlechthin.“ Männer wie DSociety ist gut 200 Jahre alt – ein Stück Parry – zuvor Offiziere, nun Entdecker von Beruf gekrümmtes Holz mit zwei feinen Sehschlitzen, – waren die neuen Helden. Die Geschichten ihrer die Enden durch ein Band aus Rentierleder ver- Taten belebten die Dining Clubs der Städte und bunden. „Sonnenbrille der Inuit“ steht auf dem erreichten die Öffentlichkeit. Zeitungen sollten Schild daneben. Eugene Rae, Bibliothekar der bald von Massenhysterien berichten, verursacht ­Royal Geographical Society, fasst das Objekt mit wei- durch Expeditionen. ßen Samthandschuhen an. Hautkontakt verboten, sagt er, das könnte Bakterien übertragen. Die Brille ist nur eines der über 2.000 Arte- Die größte Stärke der fakte, die sich im Laufe der bislang 185-jährigen Geographical Society war Existenz der Society in ihren Archiven angesam- melt haben. Es ist auch das älteste. Zusammen mit das gut geölte, einem aus Rentierfell gefertigten Paar Inuit-Schu- ehemals militärische hen war die Brille eine Gabe des damaligen Leut- nants – und späteren Admirals und Sirs – William Netzwerk ebenso gut Parry, ein Mitbringsel von der dritten seiner fünf betuchter wie Forschungsreisen in die Arktis. Wie viele Män- einflussreicher Menschen. ner vor und nach ihm scheiterte er in den 1820er-­ Jahren am Versuch, eine Nordwestpassage zu finden, die den Atlantischen mit dem Pazifischen Einer dieser Clubs war der elitäre Raleigh Ozean verband und einen kürzeren Handelsweg Club, wo Staatsmänner wie Sir John Barrow und mit den asiatischen Ländern erschließen sollte. Navy-Offiziere wie Sir John Franklin und Sir Fran- Was davon blieb, war die – immerhin nach seinen cis Beaufort speisten – und Pläne schmiedeten. beiden Schiffen benannte – Fury-und-Hecla-Straße. Alle drei hatten bereits Verdienste: Beaufort war Und die beiden Inuit-Artefakte. 1805 an der Entwicklung der 13-teiligen Beaufort- Sie erzählen allerdings auch eine andere Ge- Skala zur Klassifikation der Windgeschwindigkeit schichte. Ohne es wissen zu können, wurde Sir beteiligt, Franklin hatte 1804 in einer Seeschlacht William Parry zu einem der Pioniere dessen, was ein Franzosenschiff verscheucht. Und Barrow war später als „ Jahrhundert der Entdecker“ in die bri- immerhin 1815 die Idee zuzuschreiben, Napoleon­ tische Geschichte einging. Es begann mit dem En- auf St. Helena zu verbannen. Alle drei waren auch Royal-Geographical- Society-Hauptquartier de der Napoleonischen Kriege (1815) und endete von der Leidenschaft für neue Ufer beseelt. 1830 Von 1870 bis 1912 mit dem Ersten Weltkrieg. wurden sie Mitbegründer der (bald royalen) Geo- residierte man an der noblen Adresse 1, Savile Row im Mit dem Sieg der Europäischen Allianz über graphical Society zur „Förderung der geographischen Zentrum Londons. Napoleon nach der Schlacht von Waterloo war Wissenschaft“. Die Society finanzierte Expeditio- das British Empire die führende Weltmacht. Die nen, etablierte aber auch Lehrstühle für Geogra- Briten herrschten über mehr als ein Fünftel der phie in Oxford und Cambridge. Ihre größte Stärke Weltbevölkerung und über ein Viertel der Erd- war das gut geölte ehemals militärische Netzwerk oberfläche. Allerdings gab es noch immer einige ebenso gut betuchter wie einflussreicher Men- ciety o S Winkel der Welt, die weder erforscht noch karto- schen, das nun für zivile Zwecke zum Einsatz graphisch erfasst waren. Es gab Schiffe, die nach kam. Wie in Kriegszeiten ging es in erster Linie aphical gr dem Krieg unbenützt in den Häfen vor Anker la- um Ruhm und Ehre: Auf den Landkarten, die gen. Und es gab viele Männer, die vom Frieden dank Mithilfe der Society entstehen sollten, waren deutlich unterfordert waren. bald neue Gebiete wie Point Barrow, die Beaufort-

Fotos: Royal Geo Royal Fotos: „Die Zeit stand plötzlich ganz im Zeichen der See, die Beaufort-Insel, die Franklin-Insel, der Franklin- Geographie“, meint Bibliothekar Eugene Rae. „Bis Sund und andere mehr zu finden. Zwar gab es

027-RoyalSociety 27 12.10.15 12:10 B a r o m e t e r v o n C a p t a i n F i t z R o y Robert FitzRoy brachte als Kapitän der „Beagle“ nicht nur den jungen Charles Darwin auf die Galapagosinseln, er war auch der Vater der ­englischen Wettervorhersage: Er konstruierte etwa diesen Barometer. Artefakt, 1860

diese Gebiete auch schon vorher, aber nach Mei­ schlecht verschlossen und vergifteten die Nahrung. nung der neuen Geographen existierten sie erst Ein Wasserdestillationssystem war zwar neu, die wirklich, wenn es eine gute Landkarte dazu gab. Leitungen waren aber aus Blei, was ebenfalls zur Damals wie heute finanzierte sich die Royal Vergiftung beitrug. Die beiden Schiffe endeten im Geographical Society aus Mitgliedsbeiträgen sowie­ Eis vor King William Island. Franklin und seine ge­ aus den Zuwendungen schwerreicher Industrieller. samte Crew von 128 Mann verschwanden spurlos. Die Society war die Plattform, über die man als Seine Ehefrau Jane machte in den Jahren darauf im­ ambitionierter Abenteurer an deren Geld kam: mensen Druck, ihn zu finden. Sie selbst finanzier­ Wessen Projekt es schaffte, Zustimmung in dem te sieben Expeditionen, eine von der Admiralität elitären Kreis zu finden, der hatte alle Chancen, versprochene Belohnung von 20.000 Pfund (nach die Reise in noch unentdeckte Gebiete antreten heutigem Maßstab 2 Mio. Euro) sorgte dafür, dass zu können. Anfangs residierte die Organisation in 40 Jahre lang nach Franklin gesucht wurde. der Regent Street, später am Whitehall Place, ab Neben anderen machte sich auch der hoch­ 1870 dann in der Savile Row im Zentrum Lon­ dekorierte Sir James Clark Ross 1848 auf die Su­ dons, heute für seine Maßschneider berühmt; che. Er hatte 1831 den magnetischen Nordpol Anfang des 20. Jahrhunderts übersiedelte man in entdeckt, seinen Namen tragen heute die Ross- ­einen Backsteinbau in Kensington in der Nähe des Robbe, das antarktische Ross-Meer und sogar Regent’s Park, wo die Society bis heute daheim ist der Ross-Krater auf dem Mond. Die Suche endete – in unmittelbarer Nachbarschaft des Science Mu­ 1849 erfolglos im Eis vor Port Leopold in Kanada. seum und des Victoria and Albert Museum. Im Vor seiner Rückkehr hinterließ er dort ein Stück Garten verraten Wegweiser mit Entfernungsan­ Schiffszwieback, das 1873 vom späteren langjähri­ gaben zu allen wesentlichen Punkten dieser Erde gen Präsidenten der Royalen Geographen, Robert das Selbstverständnis der erlauchten Gesellschaft: Markham, gefunden und zurückgebracht wurde. Exakt hier befindet sich der Nabel der Welt. Nach Parry war es weiterhin die Arktis, die die Fantasie der Öffentlichkeit beflügelte. Die Aufzeichnungen Parrys schürten die Faszination. Wegweiser zu allen Demnach hielten Inuit die Schiffe der fremden wesentlichen Punkten Erforscher für lebende Kreaturen, die unter dem der Erde verraten Druck des Eises ächzten. Ein Grund, sich an den „naiven Eingeborenen“ zu belustigen. das Selbstverständnis Doch die Inuit verbrachten ihr ganzes Leben der Society: in einer arktischen Zone, deren pures Erreichen Hier befindet sich ­einen britischen Entdecker zum Helden stempelte. Das führte aber kaum je zu dem Bedürfnis, vom der Nabel der Welt. „Lifestyle“ der Bewohner etwas lernen zu wollen. Speziell die ehemaligen Offiziere unter den nun­ mehrigen Entdeckern waren vom Glauben an die Nicht nur auf den Weltmeeren, auch in überlegene Anpassungsfähigkeit des weißen und ­Afrika gab es noch jede Menge geographische vor allem britischen Mannes überzeugt. Das – Rätsel zu lüften. Mitte des 19. Jahrhunderts ver­ später­ als „viktorianisch“ bezeichnete – Motto war: breitete sich in London die Kunde, dass deut­ „Streben, suchen, finden und nicht nachgeben“. sche Missionare am afrikanischen Bergmassiv Als Sir John Franklin 1845 zur Nordwestpas­ Kilimand­scharo Schnee gesehen hätten. Das ließ sage aufbrach, war er fast 60 Jahre alt. Die Schiffe dem irischen Schreibtischgeographen William hießen „Erebus“ und „Terror“, und die Hast, mit Desborough Cooley keine Ruhe: Er hatte bereits der sie ausgerüstet wurden, sollte zum späteren einige Theorien über Zentralafrika veröffentlicht, Desaster beitragen: Tausende Konserven waren unter anderem die Annahme, dass dort nur ein

028-RoyalSociety 28 12.10.15 12:10 ENTDECKER

R o b e r t F . S c o t t a m S ü d p o l Als der britische Polarforscher mit seinen vier Gefährten nach etlichen Pannen und einem strapaziösen Fußmarsch endlich am Südpol eintraf, erwartete ihn eine böse Überraschung: ein Zelt mit einer norwegischen Flagge. Konkurrent Roald Amundsen war ihm um etwa einen Monat zuvorgekommen. Foto von Henry Robertson Bowers, 17. 1. 1912

Z w i e b a c k Auf der Suche nach dem in der Arktis vermissten RGS-Gründungsmitglied John Franklin ließ Kapitän James Ross in Kanada ein Stück Zwieback zurück. Es wurde 1873 vom S k i zz e späteren RGS-Präsident v o n A m u n d s e n s Z e l t Robert Markham gefunden Trotz der großen Enttäuschung nahm und nach London gebracht. sich Dr. Edward A. Wilson Zeit, das Artefakt, 1849 Zelt von Konkurrent Roald Amundsen am Südpol wissenschaftlich genau zu dokumentieren. Auch er kam, wie alle anderen der Gruppe, zwei Monate später auf dem Rückweg ums Leben. Zeichnung von Edward A. Wilson, 1912

einziger See existiere und jedenfalls garantiert liche Überfälle von Einheimischen, denen die kein Schnee. Cooley begann ein emsiges Lobby­ ­Karawane nicht gefiel. Das hier bereiste Afrika ing, das die RGS schließlich veranlasste, den Cha­ war Terra incognita, und Speke verwendete einen rismatiker Richard Francis Burton nach Afrika zu sogenannten künstlichen Horizont, ein dreieckiges schicken. Ziel der Expedition war es, die afrika­ Winkelwerkzeug, das auch im Dschungel, wo nische Seenlandschaft zu erforschen und damit die kein Horizont zu sehen ist, die Orientierung er­ Quelle des Nil zu finden. Eine Absicht, die bereits möglicht. Das Gerät wurde unvermutet zum kost­ rund 2.000 Jahre früher die Römer gehegt hatten. baren Artefakt, weil Speke es war, der letztlich die Lesesaal der Royal Insofern passte es auch ins Programm der nun­ Quellen des Nil fand. Geographical Society Er war das Herz der mehrigen Weltmacht Großbritannien und ihrer Burton und Speke waren die ersten Europäer, Gesellschaft in der Savile Regentin Queen Victoria,­ deren Name in der Fol­ die den Tanganjikasee erreichten, von dem Burton Row. 1874 wurde hier der Leichnam von David ge Seen und Wasserfälle schmücken sollte. annahm, er könnte die Quelle des Nil sein. Livingstone aufgebahrt. Burton war bereits berühmt, er hatte in Ver­ kleidung Mekka bereist und das arabische Zen­ tralwerk „Tausendundeine Nacht“ ins Englische übersetzt. Er war Armeeoffizier der East India Company, Übersetzer (angeblich beherrschte er mehr als 20 Sprachen), Orientalist, Linguist und einiges mehr. Nach Aufstellung seiner Crew fehlte ihm noch ein Mann, also akzeptierte er auf des­ sen Drängen einen jungen Mann namens John ­Hanning Speke, einen Armeesoldaten mit Afrika- Erfahrung, für den Job. Die Reise zu den Großen Seen Afrikas be­ gann 1856. Zu dieser Zeit bedeutete das einen beschwerlichen Fußmarsch in einer großen Kara­ wane aus Kamelen, Ochsen, Eseln, Trägern und musketenbewaffneten Soldaten. Und es bedeutete Malaria und andere Krankheiten und gelegent­

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029-RoyalSociety 29 12.10.15 12:10 AUFBRUCH INS UNGEWISSE

Bis heute hat die Royal Geographical Society über tausend Expeditionen unterstützt. Hier eine Auswahl der wichtigsten Entdeckungsreisen ihrer 185-jährigen Geschichte.

DIE FÖRDERUNG der geographischen Wissen- gen. An dieser Stelle zeigen wir – stellvertretend für schaften hatten sich die Gentlemen der Geographi- die Bemühungen der RGS, die Welt zu entdecken – cal Society bei der Gründung der Organisation im die Meilensteine im Katalog, allesamt von großer Jahre 1830 auf ihre Fahnen geschrieben, doch in historischer Bedeutung. Sie erzählen Geschichten Wahrheit ging es immer um Abenteuer, um helden- von Mut und Übermut, von Tapferkeit und hafte Pioniertaten und um den Kitzel, in zuvor noch ­Ignoranz, von Hartnäckigkeit und grandiosem vollkommen unbekannte Gebiete der Erde vorzu- Scheitern. Manche von ihnen endeten mit einem dringen. Von König William IV. bald zur royalen Triumph und machten ihre Protagonisten zu Gesellschaft geadelt, unterstützte die Society im ­gefeierten Helden, andere wieder führten zu D a s Wa p p e n Lauf ihrer Geschichte über tausend Expeditionen, Tragödien mit hunderten Toten. In jedem Fall der Royal Geographical Society zeigt den globalen die in fast alle Länder der Erde führten – eine voll- aber sind es Zeugnisse einer Zeit, in der die letzten Anspruch auf einen Blick. ständige Liste würde mühelos jeden Rahmen spren- weißen Flecken von der Landkarte verschwanden.

1831–1836 1845 1867–1872 Captain Robert FitzRoy unternimmt mit seinem Admiral Sir John Franklin, Gründungsmitglied der Viele Expeditionen werden gestartet, um den ab- Schiff ­„Beagle“ eine Weltumsegelung. Mit an Bord: RGS, bricht mit den Schiffen „Erebus“ und „Terror“ gängigen Livingstone zu finden. Henry Morton der junge Charles Darwin, der auf eigene Kosten und 128 Mann Besatzung zur Nordwestpassage auf. Stanley stöbert ihn schließlich am 10. November reist. Die Reise führt auch zu den Galapagos­ Die Schiffe enden im Eis der Victoria Strait im 1871 in Ujiji am Tanganjikasee auf. [ J ] inseln, die Darwin schließlich zu seinem Schlüssel- kanadischen Archipel. Niemand überlebt. [ G ] werk „On the Origin of “ inspirieren. [ A ] 1875–76 1852 Vizeadmiral George Nares bricht mit der HMS 1832 Der Finne Georg Wallin schafft als erster Europäer Discovery zum Nordpol auf und navigiert als Erster Der junge Schiffskommandant George Back wird die Durchquerung der Arabischen Wüste. [ H ] durch das Eismeer zwischen Grönland und der in den Norden Kanadas geschickt, um das vermisste Ellesmere-Insel. [ M ] Schiff „Victory“ mit Kapitän John Ross zu finden. 1853 Er findet ihn nicht, dafür aber den Great Fish Mit seiner ersten Afrika-Expedition gelingt David 1887–1888 River, eine Schlüsselstelle zur späteren Entdeckung Livingstone die Überquerung des Kontinents vom Mit der Emin-Bey-Expedition gelingt Stanley die der Nordwestpassage. [ B ] Sambesi bis Luanda und wieder zurück. Dabei Kartographie von Nil und Äquatorialafrika. [ N ] entdeckt er die Victoriafälle. [ I ] 1833 1891 Navy-Offizier John Biscoe bricht mit dem Zweimas­ Die RGS unterstützt die Karakorum-Expedition ter „Tula“ zum südlichen Polarkreis auf. Er entdeckt des britischen Bergsteigers William Conway und in- das Enderbyland in der Ostantarktis. Sein Lohn: teressiert sich damit erstmals für den Himalaya. [ O ] Die Biscoe-Inseln werden nach ihm benannt. [ C ] 1899–1904 1834–1839 RGS-Präsident Sir Clements Robert Markham Der deutsche Forscher Robert Hermann Schom- sammelt in einer massiven Aktion 50.000 Pfund burgk segelt von der Karibik aus nach Guayana, und lässt damit das berühmte Schiff RRS Discovery um das Gebiet zu kartographieren. [ D ] bauen, mit dem er 1901 Captain Robert Falcon Scott in die Antarktis schickt. Es ist die wichtigste, 1837 je von der RGS initiierte Expedition. [ P ] Der junge Leutnant George Grey will im Nord­ westen Australiens die Shark Bay erforschen und 1907–1909 einen vermuteten großen Fluss finden. Der Fluss Ernest Shackleton bricht mit der Nimrod zum zwei- existiert nicht, Grey erleidet Schiffbruch. [ E ] ten großen britischen Antarktis-Unternehmen auf, bricht Scotts Süd-Rekord, erreicht aber den Südpol 1842 Gefangen im Packeis knapp nicht. Es fehlen 180 Kilometer. [ Q ] Afrikaforscher Charles Tilstone Beke wird Eines der vielen Opfer der Antarktis: von der RGS unterstützt, um den Blauen Nil die „Endurance“ von Ernest Shackleton. zu erforschen. [ F ] Das Schiff sank 1915.

Wie Richard F. Burton Afrika sah 1856 Ein Stich, angefertigt nach einer Zeichnung des Sir Richard Francis Burtons Suche nach der Quelle Henry Morton Stanley Forschers: zu sehen ist ein Opferhaus in Nigeria. des Nil führt zur Entdeckung des Tanganjikasees, Dem Journalisten und sein Begleiter John Hanning Speke entdeckt einen Abenteurer gelang es, den See, den er nach der Königin Victoriasee tauft. [ J ] vermissten Afrikaforscher Livingstone am Tanganjika- 1860–1863 see aufzustöbern. Die RGS schickt Speke noch einmal nach Afrika, um das Rätsel der Nilquelle endlich zu lösen. Er ­findet 1862 die Ripon Falls – die aus dem Victoria- see kommen und den Nil speisen. [ K ] 1866 1910–12 David Livingstone bricht erneut nach Afrika auf. Scotts legendäre Arroganz wird heute dafür verant- Er soll feststellen ob John Speke die Nilquelle wortlich gemacht, dass die „Terra Nova“-Expedition tatsächlich gefunden hat. Er entdeckt zwar den mit einer Katastrophe endet. Zuvor erreichte er zwar Bangweulusee, den Malawisee und den Fluss den Südpol, muss aber dort erkennen, dass der Nor- Lualaba, kehrt jedoch nie wieder zurück. [ L ] weger Roald Amundsen schon vorher da war. [ R]

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030-RoyalSociety 30 12.10.15 12:10 M

G B

O V S

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Y N K

J A L X T

I E

C

Q P R Weltkarte aus dem Jahr 1839 Bei der Gründung der RGS 1830 gab es noch jede Menge unerforschte Zonen. Auf dieser Karte ist zwischen Assam und Tibet. Er wird etwa von der Antarktis noch keine Spur. wegen illegaler Einreise verhaftet, muss aber freigelassen werden, weil die Briten in einer Nachforschung zum Grenzsta- tus entdecken, dass das Gebiet ohnehin britischer Oberhoheit unterliegt. [ U ] 1953 Ein codiertes Telegramm vom Mount Everest kommt in London an: „SNOW CONDITION BAD HENCE EXPE- DITION ABANDONED“, übersetzt „Expedition wegen schlechter Schnee- verhältnisse abgesagt“. Es war der ver- einbarte Text für den Fall, dass Edmund Hoher Besuch zum 100. Geburtstag 1930 Hillary es auf den Gipfel schafft. So Zu den Feierlichkeiten anlässlich des RGS-Jubiläums kam der Herzog von York, später König George VI. konnte die RGS den Triumph in aller Ruhe vermarkten. [ S ] 1914–1917 1956 Ernest Shackleton fährt abermals in die Antarktis, Major Wilfred Thesiger erforscht den

ction diesmal mit der Absicht, sie zu durchqueren. wenig bekannten Hindukusch und Das Unternehmen scheitert mit dem Untergang kehrt mit einer wertvollen Kartographie olle C der Endurance im Packeis. Die Durchquerung der und einer Pflanzensammlung zurück. Antarktis gelingt erst Mitte der 1950er-Jahre. 1961

avid Rumsey avid 1921 John Baird Tyson kartographiert den D Der britische Offizier Charles Howard-Bury Kanjiroba Himal, den am wenigsten [ W ] .com, .com, findet anlässlich seiner Reconnaissance genannten bekannten Berg des Himalaya. Everest-Expedition eine praktische Route über

edesk [ S ] r die Nordwand des Berges. 1967–1969 Die Mato-Grosso-Expedition nach Bra- 1924 silien unter Leitung von Dr. Iain Bishop, Ein verschlüsseltes Telegramm erreicht das RGS- kofinanziert vonRGS und Royal Society, Hauptquartier in London: Es enthält die traurige bringt die detaillierte Analyse einer ciety, www.pictu ciety,

o Nachricht, dass die Bergsteiger George Mallory und „von Zerstörung bedrohten Ökologie“ S Andrew Irvine am Everest vermisst werden. [ S ] im Herzen Südamerikas. [ X ]

aphical 1925 1977–1978 gr Trotz Zweifel ob seiner wahren Ziele sponsert Die Forschungsreise von Robin die RGS eine Brasilien-Expedition des Armee­ Hanbury-Tenison zum Berg Mulu in offiziers Percy Fawcett mit dem Ziel, „Z“ zu finden. Malaysia entwickelt sich zur größten „Z“ ist der Code für das mystische, goldschwangere je von der RGS eingefädelten Expedi­ „Dorado“. Fawcett verschwindet spurlos. [ T ] tion. Sie bringt eines der ersten Kon­ Fotos: Royal Geo Royal Fotos: Eine Expedition der RGS macht Schlagzeilen zep­te zur Erhaltung von Regenwäldern. Als John Hanning Speke und James Augustus Grant vor 1935 Hanbury-Tenison ist heute Präsident der Royal Geographical Society erzählen, wie sie die Botaniker Francis Kingdon-Ward unternimmt der Menschenrechtsorganisation legendäre Quelle des Nil entdeckten, ist das der Zeitung eine Expedition in den unbekannten Landstrich Survival International. [ Y ] „The London Illustrated News“ die Titelseite wert.

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031-RoyalSociety 31 12.10.15 12:11 ENTDECKER

Weil Burton von Krankheiten zu erschöpft war, bei einer Anhörung zu dem Streitfall Stellung neh- forschte Speke im Alleingang weiter und erreichte men konnte, verunglückte er bei einem Jagdunfall Mitte 1858 nach einem 47-tägigen Fußmarsch über tödlich – bis heute ist übrigens nicht geklärt, ob er 700 Kilometer einen See, den die Einheimischen Selbstmord begangen hatte. Nalubaale nannten. Speke taufte ihn Lake Victoria Also engagierte die RGS einen gewissen und vermutete gleich, dass sich der Nil aus diesem Doktor David Livingstone, um Licht in die Sache riesenhaften Gewässer speiste. Gewissheit wurde zu bringen – der nahm die Aufgabe freudig an. daraus allerdings erst vier Jahre später, als Speke Living­stone war Mediziner und Missionar, seine bei einer weiteren durch die RGS finanzierten Ex- respektvolle Haltung gegenüber den Afrikanern, pedition 1862 die Ripon Falls, den Abfluss des Sees denen er begegnete, wurde gerühmt. Seine Reise in den Nil, gefunden hatte. zur Nilquelle begann im Jänner 1866 auf der In- Allerdings wollte Burton diesen Umstand nie sel Sansibar. Der Kontakt zur europäischen Welt akzeptieren. Zurück in London, bezweifelte er öf- brach bald ab, von seinen 44 Briefen erreichte nur fentlich, dass Speke die Nilquelle entdeckt habe. einer sein Ziel. In Europa galt er als verschollen. Und just einen Tag bevor John Speke 1864 selbst Die Ambition, Livingstone zu finden, ver- sprach allerdings weltweit Schlagzeilen. Dem „New York Herald“ war es die Investition wert, ­eine Expedition zu finanzieren – für die Henry Morton Stanley beauftragt wurde, ein in Wales geborener Journalist, der sich in Amerika einen Namen als Kriegsreporter gemacht hatte. Stanley fuhr nach Sansibar und organisierte eine Crew aus 200 Trägern. Seine Attitüden sorgten bald für ein miserables Image. Zeitgenosse Burton kolportier- te einmal, Stanley „schießt auf Schwarze, als wä- ren sie Affen“. Trotz allem fand er im November 1871 am Tanganjikasee Livingstone. Und begrüß- te ihn mit den Worten, die heute symbolisch für das Jahrhundert der britischen Entdecker stehen: „Doctor Livingstone, I presume?“ Jedenfalls stand es so in der „New York Times“ vom 2. Juli 1872. In den Tagebüchern von Livingstone und Stanley war nichts dergleichen vermerkt. Hat Stanley den

L e t z t e s L ebenszeichen Satz tatsächlich gesagt? Nun, die Geschichte zeigt, Dieses Foto zeichnet den Weg nach, den George Mallory und dass es immer die guten Sager sind, die am Ende Andrew Irvine am 8. Juni 1924 am Mount Everest nahmen, überdauern – und demnach wahr sind. ehe sie spurlos verschwanden. Das letzte Mal wurde Mallory etwa 200 Meter unter dem Gipfel lebend gesehen. Die Hüte von Stanley und Livingstone sind Foto von John B. Noel, 1924 heute im Besitz der RGS. In der Lobby des So- ciety-Gebäudes steht außerdem – an prominen- ter Stelle, gleich beim Eingang – die Rinde eines Mpundu-Baumes, datiert mit 1873. Unter dem Baum, unweit des Bangweulusees in Zentralafri-

M a ll o r y s U h r ka, ruht seit dem 3. oder 4. Mai 1873 das aus dem Diese Armbanduhr wurde Körper geschnittene Herz von David Livingstone bei George Mallorys Leiche gefunden, die in einer Zinnbox. Forscher 1999 am Mount Selbst Entdecker, die schon lange tot sind, Everest entdeckten. Artefakt, 1924 haben in Großbritannien eine Art Kurswert.

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032-RoyalSociety 32 12.10.15 12:11 E v e r e s t -B e z w i n g e r E d m u n d H i l l a r y Der Neuseeländer posiert mit seinem Markenzeichen, einer blau gestreiften Expeditionsmütze, in Camp IV am Mount Everest, ein paar Tage vor ­seinem großen Triumph. Am 29. Mai 1953 erreichte er mit Tenzing Norgay als erster Mensch ­nachweislich den höchsten Punkt der Erde. Foto von George Lowe, Nepal, 1953 es g ma I ciety, Getty ciety, o S aphical gr Fotos: Royal Geo Royal Fotos:

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033-RoyalSociety 33 12.10.15 12:11 ENTDECKER

G ipfelstürmer Mallorys Crew für die Expedition auf den Mount Everest im Basislager. Andrew Irvine und George Mallory stehen in der zweiten Reihe ganz links. Foto von John B. Noel, 1924

1901 brach das Schiff „Discovery“ unter Füh- rung des damals 33-jährigen Scott Richtung Südpol auf. Als Unteroffizier mit dabei war der 27-jährige Shackleton, dessen Aufgabe unter anderem war, Meerwasser zu destillieren und die eigens ins Le- ben gerufene Bordzeitung „South Polar Times“ zu betreuen. Die Expedition war, in Scotts Worten, „eine Mischung aus Erfolg und Pech“. Ein langer, kräfteraubender Fußmarsch hatte die Tour immer- hin auf eine südliche Breite von 82° 17´ gebracht, man war nur noch 850 Kilometer vom Südpol

H i l l a r y s entfernt. Auf dem Rückweg brach Shackleton er- S auerstoffflasc h e n schöpft zusammen und wurde auf Scotts Befehl mit Mit dieser Rückentrage, dem Zweitschiff „Morning“ 1903 nach England bestückt mit zwei Sauerstoff- flaschen, schaffte es zurückgeschickt. Die „Discovery“ kehrte 1904 zu- Edmund Hillary auf den Mount Everest. rück, und Scott war ein Held. Die patriotische Attitüde 1907 brach Shackleton, finanziert vom Indus- durfte natürlich auch hier nicht fehlen. triellen William Beardmore, mit dem Schiff „Nim- Artefakt, 1953 rod“ auf, um vielleicht den Südpol zu erobern, je- denfalls aber Scotts Süd-Rekord zu brechen, was mit Erreichen einer Breite von 88° 23´ S auch ge- lang. Man war nur noch 180 Kilometer vom Pol entfernt. Vor allem aber half ihm sein Ruf bei der Crew, ein hervorragender Kommandant zu sein. Nun war es Shackleton, der als Held gefeiert wur- de, wenngleich ausgerechnet seine Ehefrau ver- merkte, dass er sein eigentliches Ziel, den Südpol, nicht erreicht hatte. Worauf Shackleton erwiderte: „Ein lebendiger Esel ist besser als ein toter Löwe.“ Dieser Kurs ist etwa in der Liste der „100 größten Ein weiterer historischer Satz war geboren. Briten“ nachzulesen. Demnach ist Charles Dar- Bibliothekar Eugene legt nun ein paar ver- win mit seinem vierten Rang (hinter dem Politiker gilbte Säcke auf den Tisch des Leseraums. Säcke Winston Churchill, dem Ingenieur Isambard Bru- für Proviant von Scotts letztem Camp, gefunden K ü n s t l i c h e r H o r i z o n t nel und Lady Diana) der größte aller Ent­decker, neben den Leichen der „Terra Nova“-Expedition Das Navigieren im Dschungel Afrikas ist schwierig, weil was verständlich ist. Überraschender dagegen ist (1910 – 1912). Die Reise stand von Anfang an unter man den Horizont nicht sehen kann. John Hanning Speke, der der Aufstieg von Sir Ernest Shackleton, der mit einem schlechten Stern: mangelhafte Vorbereitung, Mann, der die Quelle des Nil seinem elften Platz nun Captain Robert Falcon verspäteter Beginn; und als Scott in Begleitung von entdeckte, orientierte sich mithilfe dieses praktischen Geräts. Scott (Platz 54) weit hinter sich gelassen hat. vier Männern am 17. Jänner 1912 den Südpol er- Artefakt, 1860 Sowohl Shackleton als auch Scott waren ge- reichte, erlebte er die Enttäuschung seines Lebens. lernte Navy-Offiziere, beide haben sich um die „Dort ist was am Südpol“, notierte er, „eine norwe- ciety o Erforschung des Südpols verdient gemacht. Aber gische Flagge.“ Konkurrent Roald Amundsen hatte S während Shackleton heute in Managementschulen den Pol bereits am 14. Dezember 1911 erreicht. aphical als Musterbeispiel für gute Teamführung geführt Scott sollte England nicht mehr wiedersehen. gr wird, gilt Scott als ignoranter Snob, der glaubte, Sein letztes Lebenszeichen ist eine Tagebucheintra- mit britischer Hartnäckigkeit allein die Elemente gung vom 30. März 1912. „Schickt dieses Tagebuch

bezwingen zu können – und so seine Crew in eine meiner Gattin“, schrieb er. Dann strich er das Wort Geo Royal Fotos: vermeidbare Katastrophe führte. „Gattin“ und ersetzte es durch „Witwe“.

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034-RoyalSociety 34 12.10.15 12:11 Foto-Wettbewerb „Wahre Schönheit“ 2015

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035-TM_1506_Fotowettbewerb_1x1 35 12.10.15 12:05 ENTDECKER

DIE VERMESSER DER WELT

Was die Royal Geographical Society heute macht

QUEEN ELIZABETH II. ist nach wie vor die Schutzherrin der ehr- würdigen Society, und immer noch ist es das Ziel der Organisation, die vermesser in Indien, den Bergriesen nach seinem Welt zu erforschen und zu vermessen Vorgänger Sir George Everest zu taufen. Und Mal- und darüber hinaus das Erbe aus lory sollte den Mount Everest bezwingen. 185 Jahren zu bewahren. Der 1886 geborene Mallory war eine blen- Doch die Themen, denen sich die dend aussehende Frohnatur. Schon als junger 28 Forschungsgruppen derzeit widmen, zeigen, dass sich die Welt Mann erkletterte Mallory den Mont Blanc. Im seit dem „ Jahrhundert der Entdecker“ Ersten Weltkrieg meldete er sich zur Front und weitergedreht hat: Die weißen Flecken kehrte lebendig zurück. Wesen, Aussehen und auf den Landkarten sind längst Bekanntschaften (zum Beispiel mit dem Dichter verschwunden, heute geht es um Klimawandel, Umweltschutz, Gender- und Bildungsforschung Sitz der Society 2015 Exploration der Die Frage, Der beeindruckende Backsteinbau oder um die in London atmet Geschichte. Ozeane – kurz: um die ungelösten warum er den Probleme unserer Zeit. 2014 unter- stützte die Society 66 Projekte in 41 Ländern. Finanziert werden diese höchsten Berg der Welt Aktivitäten sowie die 55 Angestellten wie eh und je: zu einem Drittel erobern wolle, aus den Beiträgen der Mitglieder – 15.600 members aus 100 Ländern zahlen 130 Pfund pro Jahr. Dazu kommen noch Zuwendungen reicher beantwortete Mallory Gönner, was etwa 11 Prozent des Budgets deckt, die Einnahmen aus der Verwertung der Sammlung (24 Prozent) sowie Geld aus Fundraising mit den Worten: (16 Prozent). Mitglied kann jeder werden, den Titel Fellow muss man sich „Weil er da ist.“ mit einschlägigen Forschungsergebnissen verdienen. Die Royal Geographical Society residiert seit 1913 in einem vom schot­ tischen Architekten Richard Norman Shaw erbauten Backsteingebäude. Robert­ Graves) sorgten dafür, dass ihn Zeitungen Besuchern zugänglich ist allerdings nur der – Kleinstausstellungen als Celebrity behandelten. Aufgrund seiner Kletter- gewidmete – Pavillon und der gebührenpflichtige Foyle Reading Room. leidenschaft war es nur eine Frage der Zeit, bis er am Everest anlangte, wo er Sauerstoffflaschen an- Royal Geographical Society: 1, Kensington Gore, London, SW7 2AR, fangs als „gegen den Geist des Kletterns“ ablehnte. geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr. Die Frage, warum er den höchsten Berg der Welt erobern wolle, beantwortete er mit „Weil er da ist“ – heute noch berühmte Worte in der Kletterszene. Nach einigen erfolglosen Versuchen in den Die konservierende Qualität des Eises schafft Jahren zuvor wollte er es 1924 ein letztes Mal ver- für Historiker eine seltsame Zeitlosigkeit: Im Jahr suchen. Am 4. Juni brach er mit Freund Andrew 1999 fand der amerikanische Bergsteiger Conrad Irvine vom Base Camp auf, am 8. Juni wurde er Anker am Mount Everest eine Leiche, die so frisch ein letztes Mal an der Wand gesichtet. Bald war wirkte, als läge sie erst seit gestern da. Es dauerte, er „der Mann, dessen Tod eine ganze Nation zum bis man erkannte, dass es sich um George Mal- Weinen brachte“. lory handelte, der zuletzt 1924 am Nordostgrat Von da an sollte es noch fast drei Jahrzehn- des Mount Everest gesichtet worden war. England te dauern, bis der Neuseeländer Edmund Hillary, trauerte, wie es nur um einen Held trauert. ebenfalls unterstützt von der RGS, am 29. Mai In gewissem Sinne war der Everest die letz- 1953 als erster Mensch nachweislich den höchsten te Etappe des goldenen Zeitalters der englischen Punkt der Erde erreichte. es

Entdecker. Indien war das Kronjuwel des Kolo- Für die öffentliche Wahrnehmung in Eng- g nialreiches. Ein neues trigonometrisches Vermes- land jedoch blieb George Mallory der wahre Held sungssystem hatte es schon 1858 erlaubt, die Höhe des Everest. Warum? Glorios gescheiterte Helden

des höchsten Berges der Welt zu bestimmen, 1865 rühren britische Herzen noch eine Spur Getty Ima Foto: empfahl Andrew Waugh, hauptamtlicher Land- mehr als solche, die ihr Ziel erreichen.

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036-RoyalSociety 36 12.10.15 12:11 Holen Sie sich Ihre Vorteile nach Hause!

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038-Interview 38 12.10.15 12:06 INTERVIEW

„Einige Professoren an der Uni haben mir gesagt, dass es nach heutigem Wissensstand keine Möglichkeit gibt, den Meeresmüll aufzuräumen. Doch ich habe mich davon nicht beirren lassen. Wirklich losgegangen ist es aber erst durch die Verbreitung meiner Idee im Internet – damit bekam ich Aufmerksamkeit.“

Boyan Slat

Der Niederländer Boyan Slat ist erst 21, dreht aber schon an ganz großen Rädern. Der charismatische Student hat sich nichts Geringeres in den Kopf gesetzt, als die Weltmeere vom Plastikmüll zu befreien – mit einer von ihm erdachten Technologie. Und bis jetzt sieht es ganz so aus, als könnte ihm das tatsächlich gelingen. Wir sprachen mit ihm über den Zustand der Ozeane, den Umgang mit Bedenkenträgern und den Vorteil, keine Erfahrung zu haben.

Interview: Alexandra von Quadt Foto: Tracy Wright-Corvo

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039-Interview 39 12.10.15 12:06 „Es ist ganz einfach: Wenn wir nichts gegen den Müll in den Ozeanen tun, dann haben wir ein richtig großes Problem. Das Plastik ist eine tickende Zeitbombe.“

S IST EIN TRAUMHAFTER Morgen — Plastikmüll im Ozean ist ein Thema, das in letzter Ende Juli in Honolulu: Die Sonne scheint, Zeit immer häufiger diskutiert wird. Warum ist es aus E das Meer glitzert sauber und blau, und Ihrer Sicht so wichtig, jetzt zu handeln? drüben am Diamond Head Beach sieht man ein paar Die überwiegende Mehrheit des Kunststoffs Surfer über die Wellen reiten. in den Ozeanen ist derzeit großteilig, also Boyan Slat ist gestern Abend angekommen, noch intakt in ihrer ursprünglichen Form. Da aber selbstverständlich ist er nicht auf Hawaii, um treiben unzählige Eimer, Plastikflaschen, Bojen Ferien zu machen. Es steht ein weiterer Meilenstein oder sogenannte Ghost Nets herum. Das sind in seinem Projekt Ocean Cleanup an: In den nächsten Fischernetze, die verloren wurden und nun Wochen wird unter dem Codewort Mega Expedition herumtreiben. Fische und andere Meeresbe- eine Flotte aus über 30 Booten von Honolulu nach wohner bleiben in ihnen hängen und verenden San Francisco fahren, um genauere Daten über den elendig darin. Durch das Salz der Meere und Pacific Garbage Patch zu sammeln, jenen gigantischen das UV-Licht zerfällt das Plastik, was in den Strudel aus Plastikmüll, der nur wenige hundert nächsten Jahrzehnten zu einer wachsenden Meilen nördlich von Hawaii im Meer treibt. Masse an Mikroplastik führen wird. Dieses Mikroplastik geht in die Organismen der T e r r a M at e r: Wenn von Ihnen die Rede ist, Meeres­fauna ein und ist nicht mehr aus unserer fällt den meisten Menschen als Erstes dazu ein, wie Nahrungskette herauszuhalten. Das ist aber noch jung Sie sind. Ist das ein Problem für Sie? nicht alles: Meeresmüll verursacht jedes Jahr B oya n Sl at: Für mich ist Alter als Messlatte allein im pazi­fischen Raum schätzungsweise über grundsätzlich kein Thema. Ich denke aber, eine Mil­liarde Dollar Schäden in der Fischerei. neue Ideen sollten aus den Köpfen von jungen Außerdem kostet die Entfernung des Mülls Menschen stammen. Als ich die Idee hatte, den von Küstenstreifen bis zu 25.000 Dollar pro Ozean aufzuräumen, hatte ich keine Ahnung Tonne. Es ist also ganz einfach: Wenn wir nichts von Meerestechnik, es war eher eine Art Intui- dagegen tun, dann haben wir ein richtig großes tion. Ich habe mich einfach unvoreingenommen Problem. Das Plastik ist eine tickende Zeitbombe. mit dem Thema auseinandergesetzt. Meiner Meinung nach verhält sich Kreativität umgekehrt — Von welchen Mengen sprechen wir, und woher proportional zu Erfahrung. kommt der ganze Müll? Jede Woche landet das Volumen von ungefähr — Was genau meinen Sie damit? zwei Empire State Buildings an Plastik in den Na ja, Erfahrung zu sammeln bedeutet oft, Weltmeeren. 80 Prozent des Mülls kommen vom zu lernen, was alles nicht möglich ist. Das Land, 20 Prozent werden durch Fischereibetriebe behindert. verursacht. Vergangenes Jahr haben wir eine

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Machbarkeitsstudie durchgeführt, durch die wir grob kalkuliert und herausgefunden, dass man herausgefunden haben, dass wir mit unserer etwa 79.000 Jahre und Milliarden von ­Dollar Technologie in zehn Jahren fast die Hälfte dieses ­benötigen würde, um mit herkömmlichen ­Mitteln Plastiks in den Ozeanwirbeln entfernen könnten. wie Booten und Netzen das Plastikproblem zu Die Frage, die wir uns allerdings ­anschließend ­beseitigen. Also absolut aussichtslos. gestellt haben, lautet: „Die Hälfte von was?“ Wenn zehnmal so viel Plastik im Meer schwimmt — Aber wie sind Sie dann auf die zündende wie erwartet, wird sich das natürlich auf die Idee gekommen? Kosten für die Räumung pro Kilo Plastik Ungefähr ein Jahr nach dem Schulprojekt habe auswirken. ich einen Dokumentarfilm über denUS -Meeres­ biologen Charles Moore gesehen, der den — Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Garbage Patch als Erster näher untersucht die Ozeane dieser Welt aufzuräumen? und publik gemacht hat. Er hat eine Computer­ Ich war immer schon ein Geek. Als ich zwei animation gezeigt und erklärt, wie der Müll Jahre alt war, habe ich Möbel oder Baum­ sich bewegt und dass er wegen der Strömungen häuser gebaut. Ich habe Computer und Drucker nicht an einem Ort bleibt. Seiner Aussage zufolge aus­einandergenommen, weil mich interessiert sei deshalb ein Aufräumen unmöglich. Aber hat, was darin ist. Mit 12 Jahren habe ich dann genau diese Strömungen waren in meinen Augen einen Weltrekord aufgestellt – auf dem Sportplatz die Lösung! der Uni in Delft haben mehr als 200 Studenten aus ihren Händen genau zum gleichen Zeitpunkt — Wie funktionieren diese Strömungen? Boyan Slat wird am 27. Juli 1994 Luftdruckraketen losgelassen. Das war zwar voll­ Die Weltmeere werden an bestimmten Stellen in der niederländischen kommen sinnlos, aber ich habe so schon recht durch Ozeanwirbel bewegt. Diese Wirbel sind Stadt Delft geboren. Ein Tauchurlaub in früh gelernt, meine Ideen umzusetzen, Sponsoren durch die Drehung der Erde und die Winde Griechenland inspiriert zu finden und Finanzierungen aufzustellen. Es ständig in Bewegung. Die fünf großen Ozean­ ihn mit 16 dazu, über die Säuberung der Meere hat mich ein wenig auf das, was jetzt passiert, wirbel sind der Wirbel im Indischen Ozean, der nachzudenken. Zwei Jahre vorbereitet. Nordatlantikwirbel, der Nordpazifikwirbel, der später, im Oktober 2012, präsentiert er erstmals Süd­atlantikwirbel und der Südpazifikwirbel. seine Idee des Ocean — … und dann kam das Meer ins Spiel. Meine Idee basiert auf der einfachen Annahme, Cleanup im Rahmen eines TED Talks im Internet, der Mit 10 habe ich angefangen zu tauchen, mit dass sich der Müll genauso wie das Meereswasser Beitrag wird 1,6 Millionen Mal geteilt. Slat studiert 16 habe ich meinen Tauchschein gemacht – und stets nach vorhersehbaren und wetterbedingten an der Uni Delft Luft- und dann habe ich in Griechenland auf Lesbos beim Mustern bewegt. Raumfahrttechnik, bricht aber nach nur einem Tauchen anstatt Fischen nur Müll gesehen. Ich Semester ab, um sich habe mir damals gedacht, dass man das doch — Die meisten solcher Geistesblitze von Teenagern nur noch seinem Projekt widmen zu können. beseitigen können müsste. Und diese Idee hat bleiben allerdings auf ewige Zeiten ohne Wirkung. Mit rund 90.000 Euro mich nicht mehr losgelassen. Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Idee umzusetzen? von Investoren aus dem Internet startet er 2013 Allein kann man nicht sehr viel schaffen, das ist die Pilotphase. — Wann wurde daraus ein konkretes Konzept? richtig. Auch für uns kam der Durchbruch, als Als Erstes erstellt er mit Wissenschaftern eine Wir haben in der Schule eine Aufgabe be­kom­ wir eine kritische Masse erreichten. Ich habe ein Machbarkeitsstudie, mit der men. Wir sollten ein wissenschaftliches Projekt Semester Raumfahrttechnologie studiert. Doch er ab Juni 2014 eine Crowdfunding-Kampagne planen. Und ich hab mir gedacht, super, da ich habe die ganze Zeit nur daran gedacht, wie durchführt – sie spült nutze ich einfach die von der Schule vorgegebene ich den Lehrstoff für meine Erfindung nutzen 2,2 Millionen US-Dollar von 38.000 Menschen in Zeit, um mir über den Ozeanmüll Gedanken zu könnte. Also habe ich die Uni geschmissen und 160 Ländern herein. machen. Vorgegeben wurden rund 80 Stunden. gedacht: Okay, ich versuche das jetzt einmal ein Obwohl die erste Anlage erst 2020 in Betrieb Wir sind dann aber etwa 800 Stunden ­daran halbes Jahr, und dann sehen wir weiter. Einige gehen soll, ist der Visionär ­gesessen. Wir haben das Müllproblem unter­ Professoren an der Uni haben mir dann gesagt, bereits 2014 von der UN zum Champion of the sucht und erste Hochrechnungen gemacht, haben dass es nach heutigem Wissensstand keine Earth ernannt worden.

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041-Interview 41 12.10.15 12:06 Möglichkeit gibt, den Meeresmüll aufzuräumen. angewachsen, bestehend aus etwa 25 An­ Doch ich habe mich davon nicht beirren lassen. gestellten und rund 100 bis 120 Freiwilligen. Ich habe 300 Euro Taschengeld und ein paar ­Einen Großteil meiner Zeit nutze ich für Wochen Zeit investiert, bin herumgefahren meine Geschäftsführerrolle, kümmere mich und habe mit vielen Leuten gesprochen. Wirk- um Strategie, Investoren, Finanzierung und lich losgegangen ist es aber durch die Verbrei- ­natürlich um das Team. Außerdem macht es tung meiner Gedanken im Internet – die Idee mir sehr viel Spaß, mir immer wieder neue wurde millionenmal geteilt –, damit bekam ich Dinge einfallen zu lassen und diese weiterzu­ Aufmerksamkeit. Plötzlich ist es losgegangen. entwickeln. Es gibt so viele unterschiedliche Wir haben im März 2013 an die 90.000 Euro von ­Bereiche innerhalb des Cleanups, und wir Investoren bekommen. Damit sind wir gestartet. ­müssen innovativ sein, da wir Dinge tun, für die es keinerlei Vorbilder gibt.

— Können Sie kurz erklären, wie die Ocean-Cleanup- „Man hört zwar immer, Technologie genau funktioniert? dass die Menschen offen für Es geht bei meiner Idee darum, die Meeres- neue Ideen sind. strömung zu nutzen. Anstatt Boote und Netze Wenn diese aber ihre eigenen werden wir lange schwimmende Barrieren Theorien widerlegen, verwenden, die an den Ozeanwirbeln instal- sieht das gleich ganz anders aus.“ liert werden. Diese sind wie ein V geformt. Die Ausleger liegen so in der Meeresströmung, dass sich durch die natürliche Bewegung des Wassers der Kunststoff sammelt. Innerhalb des — Gab es viel Kritik oder Zweifel? Vs entsteht so ein dichter Plastikmüllteppich, 99 Prozent aller Menschen, denen ich von meiner den man ganz einfach abschöpfen und in der Idee erzählt habe, waren sofort begeistert. Es gab Folge abtransportieren kann. aber natürlich auch einige Kritiker – vor allem jene, die seit vielen Jahren an einer Lösung für — Und in der Weiterverwendung des Plastiks liegt dann das Plastikproblem forschen. Einerseits wurde auch die wirtschaftliche Grundlage des Projektes? mir gesagt, dass unsere Lösung nur eine weitere Ja, natürlich ist es unser Ziel, den Ocean Cleanup unüberlegte Idee sei, andererseits wurde darauf zu einem funktionierenden Geschäft zu machen. gepocht, dass es bereits bewiesen sei, dass man Es gäbe für mich nichts Cooleres, als dass sich das Plastik nicht beseitigen könne und man sich das Modell zumindest selbst trägt. Wir haben eher auf die Vermeidung von Plastik an Land bereits einige Recyclingmöglichkeiten auspro- konzentrieren solle. Man hört zwar immer, dass biert. Die Qualität des Plastiks aus dem Ozean Menschen offen für neue Ideen sind. Wenn diese ist ganz erstaunlich. Es ist etwa 80 Prozent so gut aber ihre eigenen Theorien widerlegen oder in wie neues Plastik. Man kann daraus zum Beispiel Frage stellen, sieht das gleich ganz anders aus. Möbel oder Kleidung machen – wir liegen damit Dabei sollte es doch nicht Ziel eines Forschers voll im Trend. Viele Firmen verstehen den Mar- sein, an pessimistischen Ergebnissen festzuhalten, ketingwert von Ozeanplastik und sind ganz heiß wenn man durch neue Ideen etwas zum Positiven darauf. Kunden zahlen gern mehr für ein nach- verändern kann, oder? haltiges Produkt. Es gibt vonseiten der Industrie also eine hohe Nachfrage, nur kann bis jetzt noch — Nach der ersten Finanzspritze konnten Sie immer mehr niemand das Plastik aus dem Meer herausholen. Leute ins Boot holen. Wie sieht nun Ihr Tag aus? Wir sind jetzt aus der One-Man-Show mittler­ — Das heißt also, Sie wollen das Plastik an die weile zu einer richtigen Forschungsstation Industrie zurückverkaufen …

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042-Interview 42 12.10.15 12:06 INTERVIEW

Das ist die Idee. Wir wollen uns über den Es werden rund 30 Boote den Garbage Patch Verkauf des Plastiks und dessen Wiederverar- durchqueren und insgesamt etwa 10 Millionen beitung finanzieren. Neben der Entwicklung der Plastikteile sammeln – von kleinen mikroskopi- Cleanup-Technologie kümmern wir uns jetzt schen Teilen bis hin zu großen. Wir werden etwa auch um alle Fragen rund um das Recycling. 60.000 Luftaufnahmen machen. Die Boote sind Und wir werden genau herausfinden, wie man mit sogenannten Manta Trawls – auf dem Wasser das Meeresplastik am besten weiterverarbeitet. schwimmenden Netzkonstruktionen – ausge- Wir glauben zwar nicht, dass damit unsere stattet, die jeden Tag mehrere Stunden durch Anfangsinvestitionen abgedeckt werden können, das Wasser gezogen werden, um kleine Teile zu aber wir werden es versuchen! sammeln. Jedes Boot hat ein oder zwei Mobil­ telefone mit einer speziellen App, die vormittags — Haben Sie schon eine konkrete Vorstellung, wie viel und nachmittags jeweils 30 Minuten von unseren Plastik da draußen im Meer schwimmt? Volontären gefüttert wird. Jein. Wir können es noch nicht beweisen. Es gibt zwar Hochrechnungen, aber wir wissen nicht, — Könnte man für diesen Zweck nicht auch mit wie vielen Tonnen wir es zu tun haben. Satelliten einsetzen? Die einen sagen, dass da draußen 10 Millionen Die meisten Menschen stellen sich den Garbage Tonnen schwimmen, es gibt andere, die 100 Patch als eine Art Teppich vor, man hat die Millionen Tonnen vermuten. Deshalb führen Bilder oft in den Medien gesehen. Die größte wir jetzt auch die Mega-Expedition durch. Ziel Fläche des Patches besteht jedoch nicht aus groß- der Aktion ist es, beweisen zu können, wie viel teiligem Müll, sondern aus bereits zerkleinertem und welche Art Plastik sich im Meer befindet. Mikroplastik, das sich teilweise unter der Wasser- Am Anfang des Jahres wurde uns klar, dass wir oberfläche befindet. Ein kommerzieller Satellit einfach noch nicht genug über den Pacific kann einen halben Meter pro Pixel abbilden, das Garbage Patch wissen. Die Daten, die uns jetzt ist für unsere Zwecke viel zu ungenau. Während vorliegen, sind 40 Jahre alt und bei weitem nicht der Mega-Expedition benutzen wir einen Blimp, schlüssig. Nur mit der großen Expedition können einen Ballon, der über dem Mutterschiff fliegt. Er wir herausfinden, womit wir es genau zu tun kann drei Zentimeter pro Pixel abbilden und ist haben. Nur so können wir im Anschluss exakte damit viel genauer. Berechnungen für unser Projekt durchführen. — Gab es in den Jahren seit dem Start des Projekts — Wer unterstützt diese Expedition? Momente, die Ihre ursprüngliche Idee verändert haben? Hauptsächlich Freiwillige. Wir haben einen Wer neue Technologien erfindet und entwickelt, großen Aufruf gemacht, und das Feedback war muss andauernd Probleme lösen – das ist ein Ocean Cleanup unglaublich. Neben unserem Mutterschiff, das natürlicher Nebeneffekt. Und wer Grenzen über- zum Weiterlesen die großen Untersuchungen durchführen wird, schreitet, wird auf neue Grenzen treffen, das Wer ganz genau wissen will, wie Boyan Slats konnten wir rund 30 Segelboote und ihre Skipper liegt in der Natur der Sache. Diesen Umstand Müllmaschine funktioniert gewinnen, die die drei Wochen lange Reise versuche ich auch meinem Team immer wieder und wie abgesichert die Konstruktion aus wissen­ nutzen werden, um Proben zu nehmen. Wissen- zu vermitteln. Es ist ein stetiger Kampf – von schaftlicher Sicht ist, schaftlich ausgebildete Volontäre fahren auf einem Problem zum nächsten. Ich hoffe, dass kann sich die 536 Seiten dicke Machbarkeitsstudie, diesen Booten von Hawaii nach Kalifornien mit es eines Tages eine Art finales Problem geben verfasst in englischer und senden dann die gesammelten Proben gleich wird, auf das wir geradewegs zusteuern können. Sprache, kostenlos aus dem Internet herunter­ nach der Ankunft an unser Labor. So können wir gewinnen. Natürlich hat sich laden. Der Link: das Ocean-Cleanup-Konzept ein wenig verän- www.theocean­cleanup. com/fileadmin/media- — Wie geht die Datenerhebung auf See vor sich? dert. Eine Idee, die sich nicht weiterentwickelt, archive/theocean­cleanup/ Wir werden in drei Wochen mehr Daten sam­ ist eine tote Idee. Wenn man sich meinen origi- press/downloads/TOC_ Feasibility_study_lowres_ meln als in den letzten 40 Jahren zusammen! nalen TED Talk vom Oktober 2012 ansieht, V2_0.pdf

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043-Interview 43 12.10.15 12:06 erkennt man die Unterschiede zu heute. Aber das — Dann verändert sich die Aufgabenstellung auch Fundament der Idee hat sich nicht verändert – es für das gesamte Projekt? geht immer darum, die Strömungen der Ozeane Wenn es dann an die Umsetzung geht, stehen zu nutzen, um den Plastikmüll einzusammeln. wir vor Themen wie Lieferkette, Management und Herstellung, Logistik und Vertrieb. Das wird — Gelegentlich gibt es Kritik von Meeresbiologen, wieder spannend, vor allem weil wir bestimmte die sich um die Tiere Sorgen machen … Dinge auslagern müssen beziehungsweise voll- Unsere Antwort an sie ist: Es gibt noch keinen kommen neue Leute engagieren müssen, die die Beweis dafür, dass unsere Technologie für entsprechenden Fähigkeiten mitbringen, um die Meerestiere gefährlich ist. Wir verwenden keine nächsten Schritte im Cleanup-Prozess zu gehen. Netze, sondern schwimmende Barrieren, um die große Tiere herumschwimmen können. Plankton — Sie haben wahrscheinlich anhand der Müllberge und kleine Tiere werden durch physikalische im Meer ein Bild davon, wie schlimm es um unseren Gegebenheiten um die Barriere herumgespült. Planeten steht. Glauben Sie eigentlich noch daran, dass Wir haben bereits ein paar Tests gemacht und die Menschheit eine Überlebenschance hat? keine negative Auswirkung auf die Tiere fest- Wir sollten es auf jeden Fall versuchen! Ich bin stellen können. Allerdings ist das Thema für uns ein großer Optimist, kann aber nicht in die sehr wichtig, und wir werden immer wieder Tests Zukunft sehen. Wir sollten auf jeden Fall Tech- machen – vor allem bevor wir nächstes Jahr das nologie nutzen. Viele Menschen, die sich mit der erste Pilotprojekt in Japan starten. Erhaltung unserer Umwelt beschäftigen, sehen Technologie als Feind, als den Ursprung allen Übels. „Ändert das System“ ist ein Satz, den ich oft höre. Ich sehe das anders: Technologie an sich „Viele Menschen, ist neutral. Sie stellt eine Erweiterung mensch­ die sich mit der Erhaltung licher Fähigkeiten dar, die wir nutzen sollten. Es unserer Umwelt geht darum, Technologien zu entwickeln, die beschäftigen, sehen Technologie unsere Probleme lösen. Und dabei handelt es sich als Feind. Ich sehe das anders.“ um exponentielle Technologien, die sehr schnelle Veränderungen möglich machen. Es geht im Grunde darum, dass wir Menschen unseren Lebensstil des vergangenen Jahrhunderts zu — Gutes Stichwort: Sie wollen im Frühling 2016 bei einem Lebensstil machen, den wir auch im der Insel Tsushima in Japan Ihre erste Versuchsanlage nächsten Jahrhundert leben können. Und dafür installieren. Läuft bis jetzt alles nach Plan? gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Ich denke, Es ist alles im Entstehungsprozess. Der Bürger- die meisten Dinge, die erfunden werden könnten, meister von Tsushima und ich haben bereits die sind noch nicht erfunden worden. rechtlichen Themen geklärt, und wir freuen uns sehr über die Unterstützung Japans. Die Insel leidet unter unheimlich viel Plastikmüll, der täglich an ihre Ufer und Strände geschwemmt wird. Jetzt untersuchen wir gerade die Strö- mungen rund um die Insel, um die beste Posi- tion für die Installation der Barriere zu finden. Außerdem testen wir das alles anhand von maßstabsgetreuen Modellen, um ihr Design zu optimieren. Im Frühling 2016 sollten wir so weit sein, dass wir in Produktion gehen können.

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044-Interview 44 12.10.15 12:06 INTERVIEW

WIE KOMMT DAS PLASTIK AUS DEM MEER?

So funktioniert Boyan Slats Idee zur Müllabfuhr in den Ozeanen.

Die V-Form der Anlage bewirkt, dass sich der Müll an deren Spitze sammelt.

50 km 50 km

Die Förderplattform schafft den Förderplattform Müll aus dem Wasser. Die dafür Sie schöpft das Plastik ab nötige Energie bezieht sie und füllt es in Container. aus Solarzellen auf dem Dach.

Die Meeresströmung Die Barriere sorgt dafür, dass der Die Funktionsweise ist sturmfest und im Plastikmüll an die Barriere der von Boyan Slat erfundenen Meeresboden verankert. gedrückt wird. Anlage auf einen Blick. Springender Punkt: Die Meeresströmung erledigt die Hauptarbeit.

Pilotprojekt Vor der Insel Tsushima, gelegen zwischen Südkorea und Japan, wird im kommenden Frühjahr eine Versuchsanlage installiert – mit identer Funktionsweise, aber deutlich kleiner. Boyan Slat hofft auf Lerneffekte.

Müllkippen der Weltmeere Das Plastik sammelt sich in fünf gigantischen Müllwirbeln. Der größte von ihnen befindet sich im Nordpazifik. Um den gesamten Abfall aus den Ozeanen zu holen, bräuchte man etwa 24 Anlagen, schätzt Ocean Cleanup. Gesamtkosten: 7,6 Milliarden Euro. Gemessen an der Bedeutung für die Welt: ein Sonderangebot.

EINES KANN MAN Boyan Slat ganz trotz Strömung, Wind und Wellen an 50 Euro; das etwa zu Möbeln oder bestimmt nicht nachsagen: dass er seine Ort und Stelle bleibt. Nicht die leichteste Kleidung recycelte Endprodukt wäre Ideen zu klein denken würde. Die An­ Übung, wenn man bedenkt, dass der pro Tonne etwa 400 bis 500 Euro wert. lage, die 2020 im Great Pacific Garbage ­Pazifik dort draußenrund 4.000 Meter Zuvor ist allerdings die Anfangs­ Patch installiert werden soll, wäre die bei tief ist. Wenn die Anlage einmal aufge­ investition zu stemmen: Laut Weitem größte Struktur, die je im Meer baut ist, erledigt die Meeresströmung Machbarkeitsstudie kostet eine Anlage errichtet worden ist. Das gigantische V, den Rest: Der Plastikmüll sammelt sich geschätzt immerhin 317 Millionen das die schwimmende Barriere aus an der Spitze der Barriere und bildet Euro – und noch weiß kein Mensch, ob einer aufgeblasenen Kunststoffwurst mit dort einen dicken Teppich, der dann nur das Ding auch wie geplant funktioniert. einem drei Meter langen Vorhang unten mehr von einer turmartigen Förder­ ­Aufschluss darüber soll eine Versuchs­ plattform anlage

anup dran bildet, soll laut Plan aus zwei Aus­ abgeschöpft werden muss. geben, die im Frühjahr 2016 le C legern mit je 50 Kilometer Länge Alle paar Wochen kommt ein Schiff bei der japanischen Insel Tsushima auf­

cean ­bestehen, im Abstand von drei bis vier und holt den gesammelten Abfall ab. gebaut wird, freilich in deutlich ver­ O

he recycelt T Kilometern unterbrochen von Bojen, die In der Folge wird der , worauf kleinertem Maßstab: mit je drei Seilen aus reißfestem Fiber­ auch das Geschäftsmodell von Ocean Ihre Ausleger sind nur je zwei Kilometer Fotos: Fotos: glas und schweren Gewichten auf dem Cleanup basiert: Das Sammeln des Mülls lang und das Meer in Küstennähe ist Meeresgrund verankert sind. Das soll kostet pro Tonne knapp 5 Euro; natürlich auch nicht so tief. Aber jeder dafür sorgen, dass die Konstruktion Ankäufer zahlen für diese Menge fängt schließlich einmal klein an.

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045-Interview 45 12.10.15 12:06 Vorgeschmack auf das Heft Weltreise zum Blättern

Hat Ihnen die Story über die britischen Entdecker gefallen? Wir haben noch mehr solche Reportagen! Hier ein Ausblick auf weitere spannende Geschichten, die Sie in der aktuellen Ausgabe von Terra Mater erwarten.

TECHNIK SO FLIEGEN

Luftige Vision.Die Ausführung entspringt der Fantasie des Illustrators, doch das Konstruktionsprinzip Nurflügler ist keine Science-Fiction. Beinahe hätte der Luftfahrtkonzern Airbus schon so ein WIR MORGEN Flugzeug gebaut, entschied sich dann aber für ein konventionelles Design, den heute weitverbreiteten A380. Schneller, höher, weiter ist das Ziel jener Konstrukteure, die am Flugzeug der Zukunft tüfteln. Fest steht schon jetzt: Die Maschinen müssen viel leiser und effizienter sein. Ein Blick über die Schultern So der wichtigsten Vordenker in fliegen wir morgen der Luftfahrtbranche. Schneller, höher, weiter. Dazu auch noch weniger

ages Lärm und Abgase. Noch sind die Ingenieure damit ausgelastet, herkömmliche Flugzeuge weiterzuverbessern. etty I M g : Doch schon jetzt ist absehbar, dass sie damit schon bald an die Grenzen der Physik stoßen werden. Deshalb D ntergrun

c; H I entwickelt eine kleine Schar von Vorausdenkern schon heute Konzepte für die Luftfahrt in einer fernen Zukunft. I s Mujakov on: Den I I Illustrat Text: Roland Wengenmayr

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062-Fliegen 62 21.09.15 17:45063-Fliegen 63 21.09.15 17:45

LEBENSRAUM DIE REINE LEERE Das Outback, die gewaltige Landmasse im Herzen Australiens, hat den Menschen Die reine Leere das Leben noch nie leicht

Das Outback, die gewaltige Landmasse in der Mitte Australiens, hat den Menschen das Leben noch nie leicht gemacht – gemacht. Trotzdem wurzelt seine Herausforderungen sind nichts für schwache Typen. Trotzdem wurzelt in der Einsamkeit des kargen Buschlands das Selbstverständnis einer ganzen Nation. Und ihre Erbsünde: hier das Selbstverständnis der bis heute ungelöste Konflikt mit den Ureinwohnern. einer ganzen Nation. Und ihre Erbsünde: der bis heute ungelöste Konflikt mit den Ureinwohnern.

Text: Andreas Wollinger Fotos: Palani Mohan

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046-Terra Mater Ueberblick 46 12.10.15 12:05 ZOOLOGIE ALLE GEGEN GOLIATH Im Regenwald Kameruns lebt der größte Frosch der Welt. Der Goliath-Frosch wird bis zu 85 Zentimeter Alle gegen Goliath lang und bis zu vier Kilo-

Im Regenwald Kameruns lebt der größte Frosch der Welt: gramm schwer. Doch sein Er misst von Kopf bis Fuß bis zu 85 Zentimeter, die schwersten Exemplare wiegen an die vier Kilo. Doch lange wird es den Goliath-Frosch wohl nicht mehr geben: Sein Lebensraum schrumpft, er wird gnadenlos gejagt und mit Pestiziden vergiftet. Lebensraum wird zerstört und sein Fleisch gilt regional als Delikatesse. Ein Besuch bei den letzten Exemplaren einer

Text: Fabian von Poser Fotos: Cyril Ruoso ganz besonderen Tierart.

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076-Riesenfroesche 76 18.09.15 17:21077-Riesenfroesche 77 18.09.15 17:22

VULKANOLOGIE AM RANDE

Zeltlager auf Terrasse 1 im Krater des aktiven Vulkans Benbow: DES WAHNSINNS Hier muss man selbst zum Schlafen eine Gasmaske tragen. Schauplatz Südsee: Im Vulkankrater brodelt ein Am Rande offener Lavasee und des Wahnsinns spuckt bis zu 30 Meter

Der Vulkankomplex auf der Südseeinsel Ambrym ist einer der wenigen Orte der Erde mit einem aktiven Lavasee. hohe Fontänen. Ein Team Einem Team um den französischen Vulkanologen Thomas Boyer ist es nun erstmals gelungen, sich bis zu seinen Ufern 350 Meter tief im Krater abzuseilen. Die deutsche Fotografin um den Vulkanologen Ulla Lohmann hat den Höllenritt dokumentiert. Thomas Boyer hat sich vom Kraterrand 350 Meter in die Tiefe ab- geseilt. Und hat das Naturschauspiel beinahe

Fotos und Text: Ulla Lohmann hautnah beobachtet.

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110-Vulkan 110 21.09.15 12:18 111-Vulkan 111 21.09.15 12:18

SO FLIEGEN WIR MORGEN In 90 Minuten von Europa nach Australien, E -Turbinen, Nurflügler: Alles über die Luftfahrt -Technik der Zukunft Lust bekommen?

Terra Mater ist überall im Zeitschriftenhandel erhältlich AM RANDE DES WAHNSINNS Die abenteuerliche Reise ins Innere eines Vulkans ALLE GEGEN GOLIATH Warum der größte Frosch der Welt in Kamerun bedroht ist FASZINATION OUTBACK Das harte Leben im wilden Herzen Australiens oder auf www.terramatermagazin.com AUSGABE 06 − OKTOBER & NOVEMBER 2015 EINE PUBLIKATION VON

047-Terra Mater Ueberblick 47 12.10.15 12:05 NOCH FRAGEN

Ungelöste Rätsel der Wissenschaft

Wer hat uns das Wow! -Signal geschickt?

m Morgen des 15. August 1977 packte Jerry nau so einen Verlauf erwarten Experten, wenn Ehman einen Stapel Papier, vollgedruckt eine punktförmige Signalquelle im fernen All A mit einer scheinbar end- und sinnlosen liegt. Flugzeuge oder Satelliten kommen damit als Abfolge von Ziffern und wenigen Buchstaben. Signal­geber nicht infrage. Überdies lag die Fre- Diese repräsentierten die Veränderungen im Rau- quenz des Signals bei 1.420 Megahertz; da darf schen, die das Radioteleskop Big Ear in der Nacht kein Erdling funken, dieser Teil des Spektrums ist zuvor aus dem All empfangen hatte. Ehman war für astronomische Untersuchungen reserviert. ein freiwilliger und routinierter Analytiker. Mit In der folgenden Nacht standen die Radio­ geübtem Blick überflog er Seite für Seite, bis er astro­nomen gespannt am Drucker, als die Erd­rota­ auf etwas stieß, wonach er und seine Kollegen tion Big Ear wieder dem Schützen zuwandte. Doch seit Jahren Ausschau gehalten hatten: Inmitten da kam nichts mehr. Bis heute konnte kein ver- von Einsern und Zweiern stach eine Sequenz her- gleichbar starkes Signal mehr aufgefangen werden. vor, „6EQUJ5“. Ehman markierte sie mit rotem Big Ear wurde im Jahr 1997 abgerissen, die D a s O r i g i n a l des Stift und notierte zwischen den Zeichen und dem Universität hatte den Grund verkauft, der benach- Computerausdrucks mit der Anmerkung von ­perforierten Blattrand in kürzestmöglicher Form barte 9-Loch-Golfplatz verfügt seither über 18 Lö- Jerry Ehman wird bis heute seine aktuelle Gemütslage: „Wow!“ cher. Radioteleskopie kam bei der Suche nach im Archiv der Ohio Historical Society aufbewahrt. Seither rätseln Ehman, seine Kollegen, UFO- Außer­irdischen ein wenig aus der Mode. Gläubige und mit ihnen der einschlägig interes- Der aus Russland stammende Philanthrop sierte Teil der Menschheit, wie dieses Signal aus Juri Milner will es dabei nicht bewenden lassen. dem Sternzeichen des Schützen zu deuten wäre. Ende Juli kündigte er an, in den kommenden zehn

Ein Lebenszeichen von Aliens? Ein Messfehler? Jahren 100 Millionen US-Dollar in einen großen vatory er s b Ein Hinweis auf ein neues astrophysikalisches Lauschangriff auf Außerirdische zu stecken. Dabei O io d a

Phänomen? Oder ein Scherz? werden pro Tag so viele Daten anfallen wie früher R ity ity Die Faktenlage ist übersichtlich: Der ­Fokus in einem Jahr. Werden die Forscher etwas hören, s von Big Ear wanderte mit der Erdrotation über etwa aus der Richtung des Schützen? Milner ist den Himmel. Das Wow!-Signal war zunächst das – nach eigener Auskunft – egal. „Wenn nicht, hio State Univer hio State

schwach, wurde stärker und ließ dann ­wieder können wir uns eine neue Strategie für die fol- O

nach, der Spuk dauerte exakt 72 Sekunden. Ge- genden zehn Jahre überlegen.“ hman, E . R Foto: Dr. Jerry Dr. Jerry Foto:

Die nächste Ausgabe von TERRA MATER erscheint am 1. Dezember 2015.

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048-Noch Fragen 48 12.10.15 12:02