Zeitschrift der Oldenburgischen Landschaft kulturland Ausgabe 4.2016 | Nr. 170 oldenburgische 0ldenburg landschaft

Frischer Wind aus Nordwesten – Neuer Blick – Plattdüütsche Beats – Denkfabrik BOREAS verknüpft Dialog über ungewöhnlichen Oldenburger bei „Plattsounds“ Deutsche und Niederländer Landschaftsgarten erfolgreich kulturland 4|16

Inhalt

2 Die Welt in diesen rauschenden 28 Architektonische Vielfalt ganz nah Farben Das Buch „Baudenkmäler im Oldenbur- Die Brücke in Oldenburg ger Land“ erscheint in Kürze 5 Ursprung Wasser 3 0 Miteinander die Stadtmuseen gestalten Sonderausstellung im Museum für Neue Amtsleiterin setzt auf Dialog Indus­trieKultur Delmenhorst mit den Bürgern 6 Lüpertz sieht Münstermann 32 Wie ein Erbe erfolgreich der Ausstellung im Rahmen des Allgemeinheit dient 10 Reformationsgedenkens 2017 Die „Jaspers-Hochkamp-Stiftung“ 7 „Wi kriegt dat hen“ in Westerstede 7 „Wie kommt Sprache an?“ 34 Warum Märchen wirklich wahr sind … 8 Jakobsweg vor der Haustür Gespräch mit Sabine Lutkat, Präsiden- 10 Plattdüütsche Beats in de Grafschaft tin der Europäischen Märchengesell- B e n t ­h e i m schaft e. V. Oldenburger Bands erfolgreich beim 36 Oldenburg und die „Operation Finale von „Plattsounds“ in Schüttorf Schwalbe“ 26 12 Die Jade verbindet! 37 KOSTBAR 2017 – Ein Geschenk für die Gewässerwoche Jaderegion Umwelt 13 Bei Gott ist kein Ding unmöglich 38 Neuer Blick auf eine vertraute 14 100 Jahre Landtagsgebäude in Umgebung Oldenburg Dialog über einen ungewöhnlichen 15 Frischer Wind aus Nordwesten Landschaftsgarten Denkfabrik BOREAS verknüpft 40 Entdecktes Land Deutsche und Niederländer Fotowettbewerb schließt Themenjahr 28 16 Arp-Schnitger-Orgel-Rekonstruktion 2016 ab soll den Ton angeben 44 Architekt August Georg Dinklage Original erhaltenes Gehäuse soll Ein Oldenburger plante und baute adäquates Innenleben bekommen evangelische Kirchen im kaiserlichen 18 Erfindergeist erlebbar machen Moor- und Fehnmuseum konzipiert 48 Binationales Geschichtsnetzwerk Sonderausstellung über Torfpioniere Wissenschaft auf den Spuren gemein- 21 Oldenburger Niederlandistik samer Lebenswelten 32 überschreitet Grenzen 50 Schenkung des Lebenswerkes von 22 Wenn Wöör us anröögt Detlef Kappeler an das Stadtmuseum 50 Literatur-CD zu Hein Bredendieks Oldenburg 110. Geburtstag erschienen 52 Wo Jahrmarkt ist, ist pures Leben 24 Auf den Spuren der Geschichte 54 Menschen verbinden Oldenburg mit 40 Jahre „Arbeitsgemeinschaft Breslau Archäologische Denkmalpflege“ 55 Grundlegende Arbeit zu Ludwig 25 Offizialatsgebäude in Vechta erhält Münstermann erschienen großherzogliche Plakette zurück 56 Landschaftsversammlung 25 Impressum 58 kurz notiert 26 Eröffnung mit 200 Gästen in der 61 Oldenburgische Landschaft schafft Kunsthalle Cloppenburg Beratungsstelle „KuBi Regio“ 50 Werke des Pop-Art-Künstlers 61 Gesundheit, Gesellschaft und Werner Berges Nationalsozialismus in der Region 61 Nächste Antragsfrist für Projekt­ Titelbild: förderung endet am 15. Januar Karl Schmidt-Rottluff, Deichdurchbruch, 1910, Brücke- 62 Neuerscheinungen Museum Berlin. Foto: Roman März, © VG Bild-Kunst, 63 Zum guten Schluss Bonn 2016

Inhalt kulturland 4|16

Foto: Elke Syassen

Wenn sich das Jahr geändert, und der Schimmer der prächtigen Natur vorüber, blühet nimmer der Glanz der Jahreszeit, und schneller eilen die Tage dann vorbei, die langsam auch verweilen.

(Friedrich Hölderlin, 1770–1843)

Liebe Leserin, lieber Leser Das Jahr 2016 neigt sich dem Ende zu. Unser Dank gilt den vielen Ehrenamtlichen in den Arbeitsge- meinschaften, Fachgruppen und Gremien der Landschaft, aber auch den zahlreichen ehrenamtlich Engagierten in den Vereinen und Initiativen des Oldenburger Landes und den Mitarbeitern der Ge- schäftsstelle. Sie alle tragen dazu bei, dass sich das Oldenburger Land durch eine kulturelle Vielfalt auszeichnet.

Für die kommenden Feiertage wünschen wir Ihnen wohlverdiente Erholung und eine stille, aber auch fröhliche Zeit mit Ihren Lieben. Möge das neue Jahr Ihnen alle Wünsche erfüllen und Sie mit viel Zufriedenheit beschenken.

Weihnachtliche Grüße an alle unsere Mitglieder, Freunde und Förderer sowie Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser,

Thomas Kossendey Dr. Michael Brandt Präsident Geschäftsführer

Editorial | 1 kulturland 4|16

Ernst Ludwig Kirchner, Liegender Akt vor Spiegel, 1909-10, Brücke-Museum Berlin. Foto: Roman März Die Welt in diesen rauschenden Farben Die Brücke in Oldenburg Von Gloria Köpnick und Rainer Stamm

2 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

it den Meisterwerken der Ernst Ludwig Kirchner Brücke-Maler Ernst Ludwig (Verso Postkarte). Brücke- Museum Berlin Kirchner, Karl Schmidt- Rottluff, Erich Heckel, Otto Erich Heckel, Karussell, Mueller und Max Pechstein 1909. Brücke-Museum Ber- lin, ©Nachlass Erich Heckel, aus dem Brücke-Museum Hemmenhofen Berlin ist die Große Galerie als Teil des Augus- teums wiedereröffnet und das Neue Augusteum Mvollendet worden. Nicht nur die vibrierende „Ekstase des ersten Sehens“ wird in hervorragen- den Arbeiten auf Papier veranschaulicht, es do- minieren – wie schon 1908 – wieder „rauschende Farben“. „Wer sieht denn von uns Laien so brausende Farbentöne, die wie ein Orchester daherschmet- tern? Es kommt mir vor, als ob nur aufgepeitsch- te, übererregte Nerven zu derartigen Sinnestäu- schungen führen könnten. Maleraugen sehen vieles, was unsere ungeübten Sehwerkzeuge nicht erkennen. Ich für meine Person wäre aber sehr unglücklich, wenn ich die Welt in diesen rauschen- den Farben sähe, und mir können die Abbilder solch starkgefärbter Vorstellungen auf die Dauer nicht sympathisch sein“, resümierte der Chef­ redakteur der Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land, Wilhelm von Busch (1868–1940), die erste Einzelausstellung der Brücke-Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff im Oldenbur- ger Augusteum. Dort stellten die beiden Maler im Herbst 1908 ihre jüngst in Dangast entstande- nen Werke aus – etwas irritierend Neues war im Begriff zu entstehen. 1907 ihre Lithografien in der Oldenburger Steindruckerei Julius Lambrecht Die diesjährige Ausstellung im Oldenburger und Sohn herstellen. Die Dangaster Aufenthalte der Brücke-Künstler waren Augusteum, ein Kabinettraum ist speziell diesem von bemerkenswerter Schaffenskraft gekennzeichnet: „Freilich: Malen Thema gewidmet, ist daher sowohl eine Hom- konnten auch sie nicht ohne Unterbrechung, aber dann wurde Holz geschnit- mage an den Aufbruch der Brücke-Maler in die ten, die Drucke selbst gedruckt, oder in der Platte radiert – oder Holzplas­ Moderne als auch an die einzigartige Geschichte tiken oft aus großen Klötzen herausgeholt“, erinnert sich die Weggefährtin des traditionsreichen Galeriebaus, der nach auf- Emma Ritter, „Skizzen auf Postkarten gingen in die Welt – und Schmidt- wendigen Sanierungsmaßnahmen im vergan­ Rottluff hat jahrelang auch Schmuck gemacht. Die Hände und der Geist genen Jahr wiedereröffnet wurde und seitdem in ruhten damals nie.“ Und Magdalena M. Moeller, Direktorin des Brücke- neuem Glanz erstrahlt. Museums Berlin, bekennt, dass die Höhepunkte der Malerei Schmidt-Rott- Von 1907 bis 1912 waren Schmidt-Rottluff luffs in die Dangaster Jahre des Künstlers fielen. und Heckel immer wieder nach Dangast gereist, Ab 1909 sandten die Brücke-Künstler zudem gemalte, gezeichnete und das zu einem der wichtigsten Sujets und zur gedruckte Postkarten von beziehungsweise nach Dangast an befreundete Wiege ihres epochemachenden Flächenstils wer- Maler, Sammler und Mäzene. Diesen flüchtigen Zeichnungen, Aquarellen den sollte. Hier vollzogen sie den Wechsel vom oder Ausschnitten von Holzschnitten, mit denen Schmidt-Rottluff, Heckel, pastosen, noch von van Gogh inspirierten Farb- Pechstein und Kirchner Auskunft über die Entwicklung ihres Schaffens auftrag des Spätimpressionismus zum Flächen- geben und versenden konnten, ist ein eigener Kabinettraum der Ausstellung stil, der auf jegliche Raumillusion verzichtet. gewidmet. Gestalterische Ideen und experimentelle Neuerungen in der Zahlreiche Teilnahmen an Ausstellungen in künstlerischen Ausdrucksweise werden hier auf kleinster Fläche erprobt Oldenburg zeugen davon, wie schnell sich Schmidt- und dokumentieren Themen und Motive en miniature. In dem spontanen Rottluff und Heckel mit dem Kunstbetrieb der Kommunikationsmittel verbinden sich Kunstwerk, Autograf und – häufig Region vernetzten: Beide wurden Mitglied des mit Poststempeln oder Tagesdaten – exakt datierbares Dokument. Zu den Oldenburger Künstlerbundes und ließen schon wichtigsten Empfängern der Künstlerpostkarten gehörte unter anderem

Museum und Ausstellung | 3 kulturland 4|16

Nach dem Ersten Weltkrieg – die Künstlergruppe hatte sich nach rund achtjähriger Zusammenarbeit 1913 aufgelöst – veränderte sich die Situation in Oldenburg: Der junge Freistaat hatte die Gründung eines Landesmuseums beschlossen und mit dem Frankfurter Kunsthis­to­ riker und -kritiker Walter Müller- Wulckow einen leidenschaftlichen Fürsprecher der Moderne zum Di- rektor ernannt. Unterstützung er- hielt er bei seinen Bestrebungen vor allem durch den jungen Oldenbur- Max Pechstein, Liegendes Ernst Ludwig Kirchner, ger Juristen Ernst Beyersdorff, mit Paar, 1909, Brücke-Museum Artistin – Marcella, 1910, dem er 1922 die Oldenburger Verei- Berlin. Foto Roman März Brücke-Museum Berlin. nigung für junge Kunst gründete. Foto: Roman März Konsequent arbeiteten der Grün- dungsdirektor und Beyersdorff am „Die Welt in diesen rauschenden Farben“ Ausbau der Sammlung des Landes- 22. Oktober 2016 – 22. Januar 2017 museums, die bis 1933 vier Gemälde Landesmuseum für Kunst und Kultur­geschichte Oldenburg sowie circa 17 Arbeiten auf Papier Augusteum, Elisabethstr. 1, 26135 Oldenburg, www.landesmuseum-ol.de von Heckel und Schmidt-Rottluff allein aus ihren Dangaster Jahren Begleitend findet im Prinzenpalais die Kabinettschau „Die Maler der Brücke in Dan- umfasste sowie Gemälde von Ernst gast“ mit Werken aus der Grafischen Sammlung des Landesmuseums statt. Ludwig Kirchner, Otto Mueller und Zur Ausstellung ist ein Katalogbuch erschienen, das sämtliche Werke der Ausstellung Emil Nolde. Doch im Rahmen der wiedergibt und sowohl die Geschichte der Künstlergruppe Brücke als auch die der nationalsozialistischen Ausstellung Brücke im Oldenburger Land, teilweise anhand von bislang unpublizierten Bildern und „Entartete Kunst“ 1937 wurden 103 Dokumenten, präsentiert. Museumspreis 24 Euro/im Buchhandel 34,90 Euro. Werke der Modernen Galerie des Landesmuseums konfisziert, darun- ter nahezu alle Gemälde der Brücke- die Hamburger Kunsthis­to­rikerin Rosa Schapire Künstler. Ein großer Teil dieser Werke gilt bis heute als verschollen. Durch (1874–1954). Auch neueste Erwerbungen des das stete Bemühen des Landesmuseums und seiner Förderer konnten in Brücke-Museums werden – teilweise erstmals – den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die erlittenen Verluste durch ge- gezeigt. zielte Ankäufe, Schenkungen und Dauerleihgaben zumindest teilweise Im Sommer 1910 war auch Max Pechstein nach kompensiert werden. Dangast gekommen, um hier gemeinsam mit Das Oldenburger Land, Dangast und Dangastermoor sind aus der Ge- Heckel und Schmidt-Rottluff zu arbeiten. Derselbe schichte des deutschen Expressionismus nicht wegzudenken: „Finger- bis Sommer, in dem Schmidt-Rottluff der entschei- handgroße Bäche eines blutigen Rot, knallenden Gelb und giftigen Grün dende Befreiungsschlag mit seinem in Ellen­ser­ [liefern sich] einen Kampf bis aufs Messer. (…) Wer noch starke Farben dammersiel entstandenen Gemälde „Deichdurch­ sehen kann, dem wird gerade dies die Quelle feinsten Genusses sein“, resü- bruch“ gelang, das einen Höhepunkt in seiner mierte einst Ernst Beyersdorff in seiner Ausstellungsbesprechung von künstlerischen Entwicklung markiert: in glühen- 1908 und erkannte als einer der Ersten, dass in den in Dangast entstandenen den Farben gestaltet, streift es haarscharf die Werken von Schmidt-Rottluff und Heckel der Durchbruch zu einer neuen Grenze zur Abstraktion, ohne jedoch das Motiv Ära der Kunst zu erleben war. aufzugeben. Seine künstlerische Suche hatte mit Nach über hundert Jahren kehren die Meisterwerke dieser Epoche nach dem programmatischen Bild einen neuen Lö- Oldenburg zurück – für einige ist es die Rückkehr in die Landschaft ihrer sungsansatz gefunden: Der impressionistische Entstehung. Eine „carte blanche“ der wichtigsten Brücke-Sammlung der Duktus war einer monumentalen Zweidimensio- Welt, des aus den Stiftungen von Heckel und Schmidt-Rottluff hervorge- nalität gewichen. Die Landschaft erfasste er nun- gangenen Brücke-Museums Berlin, ermöglichte es, für Oldenburg und zur mehr summarisch und in Farbflächen zerlegt. Einweihung der Ausstellungsräume des Augusteums die bedeutendsten Meisterwerke sowie die wichtigsten der im Oldenburger Land entstandenen Brücke-Werke für kurze Zeit an diesem Ort zu vereinen.

4 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

13. Jahrhundert bis hin in die Gegenwart. Um- fangreiches historisches und aktuelles Bildma- Ursprung Wasser terial sowie Originalobjekte aus dem alten Delmenhorster Wasserwerk an den Graften ver- Sonderausstellung „Delmenhorst – mitteln dem Besucher einen Eindruck von der Vielfalt des Themas. Wasserstadt in Geest, Marsch Die „Wasserstadt Delmenhorst“ liegt an den Flüssen Delme und Welse, inmitten eines geo- und Moor“ im Nordwestdeutschen grafisch interessanten Gebiets: In und um die Stadt ist direkt zu erleben, wie die Landschafts- Museum für Indus­trieKultur formen Geest, Marsch und Moor aufeinander- treffen. Größtenteils feuchte Böden vermischen Delmenhorst sich mit sandigen Geestabschnitten. Delmenhorsts Wassernetz hat mit den Graft- Von Jennifer Schröder anlagen im Zentrum der Stadt etwas Einzigartiges zu bieten. Sie stammen aus der Zeit der Burg Del- menhorst im 13. Jahrhundert. Diese ringförmige Anlage aus Wassergräben sollte das Bauwerk und seine Bewohner vor Eindringlingen schützen. Rund um dieses besondere Grabensystem befindet sich heute ein einmaliges Naherholungsgebiet mitten im Herzen von Delmenhorst. Die Graften selbst wurden Ende des 19. Jahr- hunderts von den Delmenhorster Bürgern als Schwimm- und Badeplatz entdeckt. Die Gründung des „Vereins für öffentliche Bäder“ 1885 und der Bau des Graftbads markieren den endgültigen Beginn einer bis heute andauernden Badekultur in der Stadt. Nicht weit vom ehemaligen Graftbad entfernt befindet sich das 1908 erbaute alte Delmenhors- ter Wasserwerk. Seit einigen Jahren offiziell nicht mehr in Betrieb, sicherte es nahezu hundert Jahre Ansichtskarte mit dem lang die Trinkwasserversorgung der Stadt. In Wasserwerk an den Graf- „Wasser ist der Ursprung von allem“, sagt schon Sichtweite zur Anlage steht der etwa zeitgleich ten kurz nach seiner Fer- der griechische Philosoph Thales von Milet im erbaute Delmenhorster Wasserturm am Rathaus. tigstellung. Foto: Stadt­ archiv Delmenhorst, 1909 7. Jahrhundert v. Chr. Und tatsächlich ist dieses Seine eigenwillige Form macht das 44 Meter Element für den Menschen seit jeher Lebensspen- hohe Bauwerk, das städtisches Wahrzeichen ist, der, Transportweg, Energieerzeuger sowie Nutz- zu einer architektonischen Besonderheit. und Trinkwasserlieferant. In einem Überblick über die Geschichte Del- Wenn man die Geschichte der Stadt Delmen- menhorsts muss auch die Nordwolle erwähnt horst betrachtet, so ist diese ein wunderbares werden. Deren wirtschaftliche Bedeutung spielte Beispiel für die bedeutende Rolle des Elements eine große Rolle für die Stadtentwicklung. Die Wasser für das Leben der Menschen und für die in einem Bogen der Delme errichtete Fabrik be- Entwicklung von Städten, Handel und Industrie. saß lange Zeit eine eigene Wasserversorgung Das Nordwestdeutsche Museum für Industrie- für das Werk, die Mitarbeiterwohnungen und Kultur Delmenhorst zeigte daher eine Sonderaus­ Einrichtungen. stellung mit dem Titel „Delmenhorst – Wasser- Die Sonderausstellung „Delmenhorst – Wasser- stadt in Geest, Marsch und Moor“, in welcher der stadt in Geest, Marsch und Moor“ wurde vom gemeinsamen Geschichte von Stadt und Wasser 25. September bis zum 6. November 2016 im Nord- nachgespürt wurde. westdeutschen Museum für Indus­trieKultur Del- Thementafeln bieten einen inhaltlichen Quer- menhorst gezeigt. Im Anschluss wird sie als schnitt durch die Stadtgeschichte mit Beginn Dauerausstellung im Wasserturm der Stadt Del- der Urbarmachung der Wesermarsch im 12. und menhorst eingerichtet.

Land der Entdeckungen | 5 kulturland 4|16

Lüpertz sieht Münstermann Ausstellung im Rahmen des Reformationsgedenkens 2017 Von Tom Oliver Brok

er Hamburger Bild- hauer Ludwig Müns- Lüpertz sieht Münstermann termann schuf im Schlosskirche Varel 12 Zeichnungen zum Apoll Jahre 1615 für die 17. März bis 7. April 2017 - tägl. 15 bis 19 Uhr Vareler Schlosskir- che einen Orgel- prospekt, der im Gesamtensemble von Altar, Kanzel, Taufe und Gra- Dfenstuhl sehr eindrücklich und figu- ral reich gestaltet gewesen sein muss. Einen Vergleichspunkt bietet der erhaltene Orgelprospekt (1608) nössischen Künstlern. Er gilt als Bewunderer der für die Scherer-Orgel in der Rotenbur- Kunst vergangener Jahrhunderte und zeigt sich ger Schlosskapelle, der heute im religiösen Themen aufgeschlossen. Lüpertz weiß Bremer Focke-Museum gezeigt wird. sich und seine Kunst auch provokant zu inszenie- Als sich die Vareler Orgel in den ren. Dass er in den Dialog mit Münstermann tritt, 1860er-Jahren in einem anhaltend ist eine glückliche Fügung – verbunden mit der schlechten Zustand befand, hat die Oben: Detail aus dem Altar – der „Apoll herausfordernden und begeisternden Extravaganz von Varel“. Foto: Tobias Trapp Kirchengemeinde ein neues Instru- der Figur des Vareler Apolls und dem Ort ihres ment in Auftrag gegeben. Die alte Rechts: Ausstellungsplakat. Zusammentreffens in Berlin. Orgel und der Münstermann-Pros- Mit Lüpertz’ Zeichnungen kommt der Apoll in pekt gingen leider in der Geschichte beiden Protagonisten. Wenn David zeitgenössischem Gewand nach Varel zurück. verloren. Neben zwei Wappen tra- (wie in Rotenburg) geistlich spielt „Nichts Neues“ – und doch ist alles anders. Seine genden Löwen in Varel hat sich in der und Apoll weltlich verzückt und ent- Werke treten am oldenburgischen Ursprungsort Skulpturensammlung der Staatli- rückt zuhört. von Apoll und David in direkten Dialog mit den chen Museen Berlin (Bode-Museum) Der Maler und Bildhauer Markus weiteren Kunstwerken Münstermanns. Besuche- einzig die Figur des Musengottes Lüpertz näherte sich 2014 dem rinnen und Besucher können im Chorraum der Apoll erhalten. Dieser „Apoll von Apoll und schuf neue Ansichten einer Schlosskirche über den Blickwinkel Lüpertz’ wie­ Varel“ entspricht mit seinem extrem alten Skulptur. Der Berliner Lüpertz derum Münstermann neu in den Blick nehmen. überlängten Körper und seiner in setzte 400 Jahre später die Kunst sich gedrehten Haltung, den Gestal­ des „Oldenburgers“ Münstermann tungskriterien­ der Figura serpenti- nach seinen Empfindungen ins Bild. nata, die die manieristische Kunst Die Zeichnungen waren bis Anfang Lüpertz sieht Münstermann Ludwig Münstermanns auszeichnet. 2016 unter dem provokanten Titel Ausstellung im Rahmen des Reformations­ Ursprünglich hielt Apoll das Attri- „Nichts Neues. Die Abstraktion hat gedenkens 2017 but des griechischen Gottes, die Lei- noch nicht begonnen“ im Bode- Chorraum der Schlosskirche Varel er. Er stand – wie in Rotenburg – im Museum ausgestellt. Seine Werke Vom 17. März bis 7. April 2017, 15 bis 19 Uhr musikalischen Wettstreit mit dem traten in direkten Dialog mit der biblischen König David. Münster- Originalfigur. 12 Zeichnungen von Markus Lüpertz zum mann verbildlichte die Wirkung der Lüpertz ist Jahrgang 1941 und ge- Berliner „Apoll von Varel“ Kirchenmusik im Gegenüber dieser hört zu den bedeutendsten zeitge-

6 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

„Wi kriegt dat hen“ gefördert PLATTart-Festival für neue niederdeutsche Kultur im Oldenburger Land durch die oldenburgische landschaft

SM. Us Heimat hebbt wi nich blots in Van’n 10. bit 19. Märzmaand geiht dat up Platt weer rund in’t us Hart, de dreggt wi ok up us Tun- Ollnborger Land! Science-Slams, Dinnerkrimis, Sünndags- gen. Wenn wi Norddütschen mit us versammeln, Musik, Theater, Rudelsingen, Film, Comedy un Fööt in’n Klei un mit de Nääs in’n veelns mehr steiht weer in’t Programm van d a t Festival för Heven verklaren wullt, wat us Hei- neie plattdüütsch Kultur. Van Seefeld bit Cloppenborg, van’t mat is, fallt us jümmers een ganzen Ammerland bit Lemwerder is för jedeen weer wat dorbi, to’t Bült in: De grönen Wischen, dat snüstern, kieken, kukeluren, snacken un mitmaken. Mit dat wiede Flach, de Stormwind an’t Water. Man ok de Stäe, wo man Café Leutbecher gifft’t ok weer een „Festival-Café“ wo jedeen upwussen is, dat grote Kulturangebot un vör all: us Spraak! Dag wat lopen deit. Mit Annie Heger as künstlerische Baas un Wie behauptet sich Plattdeutsch im globalisierten 21. Jahr- all de Mitstrieders van De Spieker, de AHB, kultur nord un all hundert und wie sieht neue niederdeutsche Kultur heute aus? PLATTart-Frünnen köönt wi wiesweern: Wat ok in een globa- Diese Fragen beantwortet nicht nur das PLATTart-Festival, es liseert Welt allns passeert un us Spraak angeiht: „Wi kriggt lädt auch ein, sich auf die Sprache einzulassen und sich spie­ dat hen!“ lerisch und künstlerisch mit ihr aus­einan­derzusetzen.

„Wie kommt Sprache an?“ Tagung zur Stellung des Niederdeutschen in der Katholischen Akademie Stapelfeld

SM. Wo süht dat mit Plattdüütsch ut? Un wat brukt de Spraak? Mit diesen Fragen beschäf- tigte sich das vom Niedersächsichen Heimatbund (NHB) initiierte Netzwerktreffen am 18. November in der Katholischen Akademie Stapelfeld. Gemeinsam mit der Oldenburgi- schen Landschaft und dem Heimatbund Oldenburger Münsterland (HOM) trafen sich In de Warkkoppels is över de Bedüden van auch Vertreter der Heimatvereine und Plattbeauftragte zu einem Symposium. Nach den Plattdüütsch in de enkelt Rebetten snackt Impulsreferaten, in welchen die aktuelle Umfrage des Instituts für niederdeutsche wurrn. Foto: Mary Cheung (NHB) Sprache, die Chancen zur frühen Mehrsprachigkeit und die Durchführung von „dei platt- dütsche Wäken“ im Mittelpunkt standen, trafen sich die Teilnehmer in einzelnen Ar- Darum ist es jetzt umso bedeutsa- beitsgruppen, um der Bedeutung des Plattdeutschen in verschiedenen Kultur- und Lebens- mer, mit Qualifizierungsangeboten bereichen nachzugehen. Wat löppt in de Scholen un in de Kinnergardens? Wat sind de und der Bereitstellung von Ressour- Upgaven van de Plattbeupdragten? Un wo steiht dat egens mit Platt in’t Theater? cen die Sprache weiter zu stärken, In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass Qualifizierung und Verläss- damit dieses identitätsstiftende Kul- lichkeit für alle Bereiche der niederdeutschen Sprache die Basis für eine erfolgreiche turgut auch zukünftig in seiner Be- Arbeit ist. Vor allem ist die Wertschätzung von Sprache und Ehrenamt wichtig, die ihren deutung erhalten bleibt und wieder Ausdruck in Politik, Kommunen und Verwaltung in der Unterstützung und Bereitstel- im selbstverständlichen Alltagsge- lung finanzieller und personeller Ressourcen findet. brauch Ausdruck findet. Mit een groot Wie bereits die Ergebnisse der Umfrage des Instituts für niederdeutsche Sprache zei- överregional Nettwark un een Tosa- gen, trägt der beginnende Imagewandel des Niederdeutschen bereits erste Früchte: Im menwarken twüschen Politik, Scho- Vergleich zur Umfrage von 2007 ist die Sprachkompetenz und das Sprachverständnis zu- len, Verwalten un överall, wo Platt mindest stabil geblieben beziehungsweise sogar leicht angestiegen. Von einem Rück- in’n Alldag höört, hett de Spraak ok gang der Bedeutung der Sprache, wie er im Vergleich zwischen den Umfragen von 1984 een Tokunft. und 2007 festzustellen war, kann nicht mehr gesprochen werden. Dies belegen auch die stetig steigenden Studierendenzahlen für Niederdeutsch an den Universitäten.

Platt:düütsch | 7 kulturland 4|16

Jakobsweg vor der Haustür Von Wolfgang Stelljes (Text und Fotos)

ilgern – da denken die meisten an den Jakobsweg bei der Hake-Tönjes. Immerhin kann die Gemeinde mit meh- und die berühmte Hauptverkehrsachse im Norden reren Großsteingräbern aus der Jungsteinzeit aufwarten, „Vis- Spaniens. Dabei führt eine Art Zubringer auch beker Braut“ und „Visbeker Bräutigam“ zum Beispiel. Gern quer durch das Oldenburger Münsterland: die Via auch weist die Gästeführerin darauf hin, dass Visbek um 800 Baltica, auch Baltisch-Westfälischer Jakobsweg Ausgangspunkt für die Christianisierung der Region war. genannt. Dieser folgt in weiten Teilen dem Picker- Und außerdem findet der geneigte Pilger in Visbek ja auch noch weg, einem alten Handels- und Heerweg. Wie in Spanien muss den Nachbau einer Grotte, die in Südfrankreich das Ziel von der Pilger auch im Oldenburger Münsterland ein paar Höhen- Millionen von Wallfahrern ist: der Lourdes-Grotte. Anfang des Pmeter überwinden, vor allem in den Dammer Bergen. Insge- 20. Jahrhunderts gab ein Visbeker Bürger in Lourdes ein Ver- samt – das haben fleißige Jakobsweg-Statistiker ausgerechnet sprechen ab: Für den Fall, dass seine erkrankte Frau genesen – geht es auf dem rund 180 Kilometer langen Teilstück zwischen sollte, wollte er in seinem Heimatort eine Kopie der Grotte er- Bremen und Osnabrück 987 Meter rauf und 930 Meter wieder richten. Der Mann hat Wort gehalten und dafür eigens Steine runter. Damit aber hören die Gemeinsamkeiten eigentlich aus den Pyrenäen heranschaffen lassen. Und dazu eine lebens- auch schon auf. große Muttergottesstatue aus Oberammergau, handgeschnitzt Der größte Unterschied: Auf dem spanischen Jakobsweg aus bestem bayrischen Holz. Eine solche Lourdes-Grotte gibt laufen die Pilger mitunter in Kolonne, 262.458 von ihnen kamen es übrigens nicht nur in Visbek, sondern auch gut einen Tages- 2015 in Santiago de Compostela an (und in diesem Jahr dürf- marsch weiter in Kroge bei Lohne, nur dass der Nachbau dort ten es noch ein paar mehr sein). In Visbek, Vechta oder Vörden deutlich kleiner ausgefallen ist. machen dagegen nur ein paar Dutzend pro Jahr Station. Dabei Kleine Schilder mit einer gelben Jakobsmuschel auf blauem ist gerade auch Visbek „steinreich und uralt, und das kann Grund sorgen dafür, dass der Pilger nicht vom Pfad abkommt. man durchaus wörtlich nehmen“, sagt Gästeführerin Ulrike Wer diesem Symbol folgt, trifft über kurz oder lang auch auf

8 | Pilgern kulturland 4|16 den Namensgeber des Jakobsweges. In Bremen steht eine steinerne Figur des Apostels Jakobus im Bibelgarten an der Südseite des Doms, un- schwer zu erkennen am breitkrempigen Hut so- wie Wettermantel, Pilgerstab und Pilgerflasche. Und in Lutten, einem Dorf kurz vor Vechta, begeg- net uns Jakobus als Patron der örtlichen Kirche gleich zweimal: als Bildnis im Fenster über dem Hauptportal und als Statue neben dem Altarraum im Inneren. „Wenn man schon den Jakobsweg geht, dann lohnt es sich auch, mal in eine der wenigen St.-Jakobus-Kirchen zu gehen“, findet Andrea Kathmann, die ehrenamtliche Vorsitzen- de des Pfarreirates. Und sollte jemand in Lutten ein Blasenpflaster benötigen: Auch die Apotheke ist nach Jakobus dem Älteren benannt. Zwei Dinge wünscht sich fast jeder Pilger: eine gute Herberge und einen Stempel für seinen Pass. Letzteren bekommt er unter anderem bei der Im Frühjahr säumen Buschwindröschen den Jakobsweg durch die Dammer Berge (linke Alexanderkirche in Wildeshausen, im Rathaus in Seite). Eine gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund weist den Weg. Die Statue des Apos­ Visbek, in der Kirche in Lutten oder im Museum tels Jakobus begegnet dem Pilger im Bibelgarten am Bremer Dom. Vechta. Das ehemalige Zeughaus der Zitadelle beherbergt zudem auch das wohl ungewöhn- Jürgen Göttke-Krogmann ist nicht nur Besitzer eines über 500 Jahre alten lichste Nachtlager auf der Via Baltica, denn hier Eschhofes. Er hat auch mit EU-Fördermitteln einen alten Schweinestall zu kann der Pilger seinen Schlafsack in einer ehe- einer Pilgerherberge umgebaut. Vor allem aber ist Göttke-Krogmann ein maligen Gefängniszelle entrollen. Wer sich wandelndes Lexikon in Sachen Geschichte und Natur. Landwirtschaft als rechtzeitig anmeldet und bis spätestens 18 Uhr Vollerwerb, dagegen hat sich der Naturschützer bereits vor langen Jahren Personal- und Pilgerausweis vorlegt, bekommt entschieden. Und so sehen die Wiesen und Weiden rund um seinen Hof auch heute noch so aus wie um 1970. Es ist eine Landschaft mit Hecken, Wällen, Pilgerpass Bachläufen und frei stehenden Bäumen. Dazwischen grasen Galloways. Diese „historische Weidelandschaft“ präsentiert er gern seinen Gästen, ob Den Antrag für einen Pilgerpass und weitere sie nun als Pilger, Schüler oder auch beim „Tag der offenen Gartenpforte“ Infos findet man online unter kommen. www.jakobswege-norddeutschland.de Ein paar Kilometer hinter Kroge beginnt der Anstieg. Der Jakobsweg – die Internetseite wird unterhalten vom durchquert die Dammer Berge der Länge nach von Nordost nach Südwest. Freundeskreis der Jakobswege in Norddeutsch- Wie immer bei erhöhter Warte hat man feine Ausblicke, zum Beispiel vom land. Von Bremen nach Osnabrück benötigt Mordkuhlenberg, der fast 142 Meter aus der Norddeutschen Tiefebene em- man etwa zehn Tage, für die Strecke durch das porragt. Dank eines hölzernen Aussichtsturms ist eine freie Sicht auf den Oldenburger Münsterland drei bis vier Tage. Dümmer garantiert. Hin und wieder gibt auch der Wald den Blick frei, zum Beispiel auf den Dammer Dom. Und ein Bergsee erinnert an jene Zeiten, in denen sich in Damme das nördlichste Eisenerzbergwerk Deutschlands von Museumsleiter Axel Fahl-Dreger einen Schlüs- befand. sel. Dass eine solche Nacht im Gefängnis einen Lange Jahre war das Benediktinerkloster in Damme für Pilger die Unter- tiefen Eindruck hinterlässt, ahnt man beim Blät- kunft schlechthin, weil sie hier nicht nur ein Bett bekamen, sondern auf tern im Gästebuch. Wunsch auch ein geistliches Gespräch, bei dem nicht selten auch einschnei- Hinter Vechta schlängelt sich der Weg am dende Erlebnisse zur Sprache kamen, so Bruder Isaak. Nur: Ende 2016 wird Rande ausgedehnter Moore gen Süden. Hof- und das Kloster geschlossen. Die sechs Benediktinerbrüder ziehen um in die Wegekreuze säumen die Strecke, über 100 hat Abtei Münsterschwarzach. Kurzstrecken-Pilger müssen sich dann mit dem eine Initiative vor Jahren allein in Lohne gezählt. Gedanken trösten, dass das vor ihnen liegende Bexaddetal zu den schöns- Geradezu schlicht ist das der Familie Krogmann ten Abschnitten auf der Via Baltica gehört und sie ein Bett und Lunchpaket im Ortsteil Kroge. Sollte jemand mehr über diese im „Hotel Café Wahlde“ bekommen. Wer dagegen ganz nach Santiago de Ecke des Oldenburger Münsterlandes wissen Compostela will, kommt auf den verbleibenden rund 2.700 Kilometern ja wollen oder gerade ein Dach über dem Kopf be- auch noch an dem einen oder anderen geöffneten Kloster vorbei. nötigen, dann empfiehlt sich ein Stopp. Denn

Pilgern | 9 kulturland 4|16

Plattdüütsche Beats in de Grafschaft Bent­heim Oldenburger Bands erfolgreich beim Finale von „Plattsounds“ in Schüttorf Van Stefan Meyer un

Albrecht Dennemann (Fotos)

gefördert durch die oldenburgische landschaft

10 | Platt:düütsch kulturland 4|16

en lütt Stadt twüschen Heide un Moor, old Kristie Berns mit „Wenn du prootst“ een Leev­ blots teihn Kilometer van de Grenz deverklaren an de Spraak geven. Kreativ sind to de Nedderlannen af, mit een Kark­ de Musikers mit Plattdüütsch ümgahn. Dat se dor toorn van de evangelsch-reformeert Vermaak an hatt hebben, dat is ankamen. Ok een Kark van över 80 Meter Höchte – dat Verbinnen twüschen Tradition un Vandagen is is Schüttrup. jümmers weer updükert, wenn de Deelnehmers Schüttrup in de Grafschaft Bentheim mit een de Heimatspraak in een neiet Rebett sett hebbt. komodig Stadtbild hett al 1295 dat Stadtrecht De Tokiekerpries stunn al vördem fast: Över de Ekregen un dat Schüttruper Platt is dor noch hoch websiet www.plattsounds.de harr jedeen över in’n Tell. Man an’n 19. November hett dat düchtig sien best Leed afstimmen kunnt. So is disse Pries, wummert un spektakelt in disse öllste Stadt van’n mit 350 Euro, an de Band „De Winnewupps“ Landkreis. In dat Jugendzentrum „Komplex“ is ut de Gemeen Stadland in’n Landkreis Werser- de Endutscheden van „Plattsounds“ över de Bühn marsch gahn. De Fackjury ut Insina Lüschen gahn. Ölven Deelnehmer , van’n Singer-Song- (Moderatorin), Jens Kramer (Sänger van „De writer bit to een Punkband, stunnen up de Bühn Schkandolmokers“), Edu Wahlmann (LAG Rock) un hebbt üm dat best Leed up Platt 2016 sungen. un Stefan Meyer (Ollnborger Landskup) hett dat De Utwahl weer wedder besünners groot: Van’t nich eenfach hatt, de Priesdrägers ruttofinnen. Leed över Leevde bit to een Ut’nannersetten mit De eerst Pries mit 1.000 Euro gung an Sebastian de Politik weer in de Texten allns dorbi. Wat för Baumert ut Hannover mit sien Leed „Anker“. een deepen Utdruck Plattdüütsch in de Musik Een deepföhlend Leed över Leevde un Vertroen. Baven links: „De Winne- hett un wo goot Junglüe de Spraak bruken köönt, Dorto steiht he ok glieks in’t Semifinal van de wupps“ ut de Werser- ehr Levensgeföhl över de Musik to wiesen, dor neddersassisch Bandcontest „Local Heroes“. marsch hebbt düchtig de steiht „Plattsounds“ för. Platz twee un dree gungen denn in’t Ollnbor- Bühn rockt un de Tokieker- pries wunnen. Al dat sesste Mal hett disse Wettstriet för mo- ger Land: De Band „Neonhandz“ ut Cloppenburg dern plattdüütsch Musik stattfunnen. Nach hebbt de tweide Platz mit 600 Euro maakt un de Ünnen links: De „Shanty- chor Lunzborg“ hett up Ollnborg un Ossenbrügg in’t verleden Jahr, weer mit ehrn Neontrashdance „Brangelina“ un een plääserlik Art un Wies Schüttrup nu an de Reeg. För de Land­skups­ver­ Uptritt mit lüchtend Körperfarv ok verdeent. 300 klarmaakt, wo modern de bännen in Neddersassen is de Wettstriet de rechte Euro un de darde Platz maakt hett de Alternative- plattdüütsch Shanty is. Padd jung Musikers över de Musik weer an de Rockband „Lighthouse-down“ ut Ollnborg mit Ünnen rechts: De darde Spraak to kriegen. Middewiel sind över 100 mo- ehr Leed „Dat löppt“. All Deelnehmers hebbt de Platz mit rockige Beats dern plattdüütsch Leders dorbi rutkamen. bunten Farven van Plattdüütsch in ehr Bidrägen hett de Band „Lighthouse down“ ut Ollnborg maakt. Een ganz neie plattdüütsch Musikszene hett sik brukt un mit Spaß an de Musik dat plattdüütsch tosamenfunnen. Musikleven grötter maakt. Mit veel Swung un Recht Siet: Mit veel Swung un Smüstergrienen hett As Uptakt hett de „Shantychor Lunzburg von Charme hett Annie Heger dör den Avend modere- Annie Heger modereert un 1922 e. V.“ speelt un wiesmaakt, dat de traditio- ert, so as se dat ok in de verleden Jahrn maakt de Musikers interviewt. Un nell Shanty ok goot in Verbinnen mit neie Texten hett. Nu köönt sik all weer kört verpusten – denn Jungmusikers an't Slagg- in de Tiet holt weern kann. „Der Holzfäller“ hett 2017 steiht „Plattsounds“ weer vör de Döör un tügg hebbt för gode Luun sorgt. mit sien Rap mit de Spraak speelt un de 14 Jahr de Wettstriet geiht nach Celle.

Platt:düütsch | 11 kulturland 4|16

die Schönheit und Naturreichtümer der Region erfahrbar zu machen und Erkenntnisse für zukünftiges gemeinsames Handeln abzuleiten. In erster Linie sind die Bürgerin- nen und Bürger aller Altersgruppen im Einzugsgebiet der Jaderegion angesprochen, an den zahlreichen Veranstaltungen teilzunehmen. Auf der eintägigen Jadekonferenz werden sich hauptamtlich tätige Fachleute aus Wasserwirtschaft, Naturschutz und Tourismus der Region und angrenzender Nachbar- regionen austauschen.

KONTAKT Für Ihre Fragen steht Ihnen als An- sprechpartner bei der Kommuna- len Umwelt-AktioN U.A.N. zur Verfügung: Fabian Wirth (M.Sc.) Telefon: 0511-30285-52 [email protected] www.gewaesserwoche.de

Initiator und Veranstalter der Ge- wässerwoche ist die Kommunale Umwelt-AktioN U.A.N. im Rahmen ihres Projektes „wib“ in Verbindung mit einer regionalen Steuerungs- gruppe, der folgende Institutionen angehören: Die Landkreise Fries- land, Wesermarsch und Wittmund, die Gemeinden und Städte Jade, Jever, Varel, Wilhelmshaven und Die Jade verbindet! Wangerland, Biologische Schutz­ gemeinschaft Hunte Weser-Ems e. V. Gewässerwoche Jaderegion BSH, Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände Wesermarsch, vom 14. bis 21. Mai 2017 Landesfischereiverband Weser-Ems – Sportfischerverband, National- Red. Über das Wasser und über die Gewässer ist alles in der Jaderegion mit­einander ver- parkverwaltung Niedersächsisches bunden: die Natur und Landschaften, die Siedlungen und Menschen, der Handel, die Wattenmeer, Oldenburgische Land- wirtschaftliche Tätigkeit und Landwirtschaft. Das soll im Jahr 2017 in einer Gewässer- schaft, Oldenburgisch-Ostfriesi- woche den Menschen in der Region erfahrbar gemacht werden: Zahlreiche Veranstaltun- scher Wasserverband OOWV und gen werden von lokalen Akteuren wie Kommunen, Verbänden, Schulen, Heimatvereinen, Umweltstation Iffens. Naturschutzverbänden, Sportvereinen angeboten. Aber auch zentrale Veranstaltungen, Möchten Sie noch etwas beitra- die durch eine Steuerungsgruppe organisiert und koordiniert werden. Dazu zählen die gen oder sich einbringen? Vorschlä- Auftakt- und Abschlussveranstaltungen sowie die zentrale Jadekonferenz. ge sind herzlich willkommen! Ziel der Gewässerwoche Jaderegion ist es, das Gefühl für die Verbundenheit über das Wasser zu wecken, über den Stellenwert und die Bedeutung der Gewässer zu informieren,

12 | Jaderegion kulturland 4|16

Der Engel Gabriel kündigt Maria die Geburt Jesu an. Ausschnitt aus dem Altar von Ludwig Münstermann (1599–1638), St.-Matthäus- Kirche Rodenkirchen/ Wesermarsch. Foto: Tobias Trapp, © Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

Bei Gott ist kein Ding unmöglich (Lukas 1,37)

Nur ein winziger Ausschnitt – aus dem groß­ Diese winzige Begegnung öffnet im Advent artigen Werk Ludwig Münstermanns, das seit dem eine Tür zur weihnachtlichen Begeisterung. Ga­ Reformationsfest 2016 dank der intensiven Ar- briel und Maria, Gott und Mensch besuchen ein- beit von Prof. Dr. Rolf Schäfer und Dr. Dietmar ander, begegnen, begrüßen sich. Beide wenden J. Ponert vollständig dokumentiert betrachtet sich ein­ander zu, fragen und antworten einander. werden kann. So bekommen Kontakt und Kommunikation Nur eine winzige Begegnung – in den Advents- zwischen Gott und Mensch eine neue Basis, weil geschichten der Bibel aus Lukas 1,26–38, die Gott von sich aus dem Menschen im Menschen Münstermann hier Anfang des 17. Jahrhunderts so nahe kommt. Diese Nähe kann nur ein Wun- in die Bildauswahl des Altars in Rodenkirchen/ der, eine Überraschung, ein Geistesblitz, ein Wesermarsch aufgenommen hat – gleich neben Jan Janssen. Foto: Ev.-Luth. Aha-Erlebnis sein. Geburt und Taufe Jesu. Kirche in Oldenburg Diese Nähe bloß biologisch beurteilen und als Der Engel Gabriel kündigt Maria die Geburt unmöglich bemäkeln zu wollen, zeigt unsere Jesu an. Vom rechten Bildrand – von draußen aus einer Land- traurige moderne Fantasielosigkeit. Doch diese Nähe geht viel schaft mit Feldern, Dächern und Kirchturm – kommt er zu weiter und tiefer, durchbricht unsere Kategorien, Maßstäbe Maria hinein in ein erstaunlich prächtiges Zimmer mit Säulen, und Berechnungen. Der Besuch Gottes – in Nazareth, Bethle- Fensterbögen und Himmelbett. Der große Schwung seiner hem, Jerusalem und anderswo – befreit Menschen von all Bewegung weht himmlische Wolken und Sonnenstrahlen mit den Mächten politischer oder religiöser Art, die sich zwischen unter ihr Dach. Gabriels Flügel bauschen sich noch, da geht Mensch und Gott aufbauen und aufspielen, und führt auch er schon vor Maria in die Knie, kommt an und findet die Ruhe uns ins Miteinander. Mach’s also wie Gott – werde Mensch! für seinen Gruß. Übrigens: Ob Maria wohl gerade im Buch der Psalmen liest? Du Begnadete! So gibt heute die Luther-Bibel seine Begrü- Die finden Sie in der Bibel jedenfalls genau in der Mitte, zum ßung wieder. Luthers anfänglicher Übersetzungsversuch Du Beispiel Psalm 40,8–11: Holdselige atmet noch weniger die Theologie als vielmehr die Zärtlichkeit seiner Zeit! Diese Szene zeigt kein Erschrecken Siehe, ich komme; im Buch ist von mir geschrieben: Marias, sondern ihr Erstaunen, Aufrichten und Umwenden Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz mitten aus der Beschäftigung heraus, in die sie gerade vertieft hab ich in meinem Herzen. ist: Maria kniet an einem kanzelartigen Pult und liest in einem Ich verkündige Gerechtigkeit in der großen Gemeinde. Buch! Deutlich ist das Detail zu erkennen, dass sie gerade Siehe, ich will mir meinen Mund nicht stopfen lassen; mittendrin ist, eine einzelne Seite hebt und umblättern will. HERR, das weißt du. Nicht einmal Maria – die belesene und gebildete Frau, die Deine Gerechtigkeit verberge ich nicht in meinem Herzen; offenbar in der Heiligen Schrift bewanderte Theologin – ver- von deiner Wahrheit und von deinem Heil rede ich. steht den Gruß, geschweige denn, was ihr mit Gabriels An- kündigung geschieht: Welch ein Gruß ist das? Wie soll das zu- Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und gehen? Es sind ausgiebige Hinweise des Gottesboten, dass Weihnachtszeit. es doch auch Sara mit Isaak (1. Mose 18,14) und Elisabeth mit Johannes (Lk 1,5–25) so ergangen sei, die Maria erst reagieren Jan Janssen lassen: dein Wille geschehe. Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

Geistliches | 13 kulturland 4|16

100 Jahre Landtagsgebäude in Oldenburg Von Jörgen Welp

Links: Das niedersächsi- sche Parlament würdigte das Jubiläum mit einer Sondersitzung im ehemali- gen Landtagsgebäude. Foto: Torsten von Reeken Rechts: Die Oldenburgi- sche Landschaft lud zu einem Festakt mit szeni- schen Lesungen. Foto: Oldenburgische Landschaft Mitte: Festschrift der Poli- zeidirektion zum 100-jäh- rigen Jubiläum.

Am 9. November 1916 wurde ein Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Alten Landtags neues Gebäude als Sitz für den in Oldenburg wurde in mehreren Veranstaltungen an dieses Landtag des Großherzogtums Ol- Jubiläum erinnert. Höhepunkt war sicherlich der Festakt des denburg eingeweiht. Damit besaß Niedersächsischen Landtags am 10. November, zu dem die das oldenburgische Parlament jetzt Landtagsabgeordneten unter Landtagspräsident Bernd Buse- einen eigens zu diesem Zweck errich- mann nach Oldenburg gekommen waren. Zuvor hatte das teten Bau. Zuvor hatte es seit 1848 Landeskabinett unter Ministerpräsident Stephan Weil im frü- in der Militärakademie am Pferde- heren Kabinettssaal im ehemaligen Staatsministerium getagt. markt getagt. Das neue Landtagsge- Den Festvortrag zur Geschichte des Oldenburgischen Land- bäude haben die Architekten Paul Bonatz und tags hielt der frühere Leiter des Staatsarchivs Oldenburg, Prof. Dr. Albrecht Friedrich Eugen Scholer entworfen. Vorausge- Eckhardt. Das Salonorchester des Oldenburgischen Staatstheaters gestalte- gangen war ein Wettbewerb, bei dem allerdings te den musikalischen Rahmen. nur zwei zweite Plätze vergeben worden waren. Fand der Festakt nur mit geladenen Gästen statt, hatte die Oldenburgi- Der Oldenburgische Alte Landtag ist nicht nur sche Landschaft bereits am 27. Oktober eine öffentliche Festveranstaltung ein bedeutendes Baudenkmal, sondern auch ein mit szenischen Lesungen aus historischen oldenburgischen Landtagsreden wichtiges Denkmal für die Demokratie, obwohl und musikalischem Rahmen organisiert. Moderiert von Albrecht Eckhardt er seinem Zweck als Parlamentssitz nur bis 1933 trug Schauspieler Ulf Goerges in entsprechender Kostümierung aus ausge- gedient hat. Damals lösten die Nationalsozialis- wählten Reden vor. Das Salonorchester Ungestüm aus Bad Zwischenahn ten, die bereits im Jahr zuvor mit einer absoluten unterhielt die Gäste mit dazu passender Musik. Mehrheit der Abgeordnetensitze die Alleinregie- Schließlich lud die EWE anlässlich des Landtagsjubiläums am Tag vor rung in Oldenburg stellten, den Landtag endgül- dem Festakt zu einem Empfang und Gesprächen ins EWE-Forum in der tig auf. In der Folgezeit diente das Gebäude ver- Alten Fleiwa ein. schiedenen Zwecken und wurde schließlich auch Die Polizeidirektion Oldenburg hat mit Polizeipräsident Johann Kühme entsprechend umgebaut. Heute verwaltet es die als Hausherr das Landtagsjubiläum in Oldenburg koordiniert. Ann-Christin Polizeidirektion Oldenburg zusammen mit dem Langer und Uta-Masami Münch von der Polizeidirektion haben zudem eine Gebäude des ehemaligen Staatministeriums, mit Festschrift erarbeitet, eine Ausstellung zum Landtagsjubiläum konzipiert dem das Landtagsgebäude ein Ensemble bildet. und ein Führungsprogramm durch Ausstellung und Landtagsgebäude Es dient für Veranstaltungen und Tagungen. gestaltet. Auch die Oldenburgische Landschaft hält im Das Landtagsjubiläum in Oldenburg war ein Fest nicht nur der oldenbur- ehemaligen Plenarsaal regelmäßig ihre Land- gischen und der niedersächsischen Demokratie, sondern auch eine Erinne- schaftsversammlung im Herbst ab. rung an die frühere Selbstständigkeit des Oldenburger Landes. Als Symbol dafür wehte die alte oldenburgische Landesflagge am Tag des Festaktes über dem ehemaligen Landtagsgebäude.

14 | Aus der Landschaft kulturland 4|16

Frischer Wind aus Nordwesten Denkfabrik BOREAS verknüpft Deutsche und Niederländer Von Uta Mense Die 55 halb niederländi- Boreas, das sind die winterlichen Nordwinde, ist. Wir wissen trotz der geografischen Nähe er- schen, halb deutschen Teil- die uns aktuell überall im Land und über Grenzen schreckend wenig über die aktuellen Entwicklun- nehmer der Arbeitskonfe- renz knüpften nicht nur hinweg entgegenwehen. Und genau so wie der gen, Angebote und Bedürfnisse des Nachbarlan- symbolisch ein Netz: In Wind hält es unsere Landschaft und ein Großteil des, geschweige denn über unsere gemeinsame konstruktiven Workshops unserer Tierwelt, denn Grenzen werden meist Geschichte, die länger als 80 Jahre zurück liegt. wurden viele neue Ideen nur von Menschen gezogen. Unter dem Titel Das Jahr 2018 kann hierfür jedoch einiges be- der kulturellen Zusammen­ arbeit generiert. Foto: Boreas beteiligt sich die Oldenburgische Land- reit halten, was als erster Anstoß zur Förderung Ostfriesische Landschaft schaft daher in dem Kulturnetzwerk Weser-Ems einer stärkeren regionalen Einheit gesehen wer- an einem Deutsch-Niederländischen EU-Projekt, den kann: Im Jahr 2018 wird die Stadt Leeuwarden das sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die den Titel der Kulturhauptstadt Europas tragen. Menschen, die eine ähnliche Landschaft bevöl- Mit großem Aufwand werden dort mehr als vier- kern, unbemerkt nicht auch eine regionale Iden- zig völlig unterschiedliche Projekte stattfinden, tität verbindet. mit denen sich die Provinz Friesland ganz Europa Denn aus der Geschichte lernen wir, dass sozi- präsentieren möchte. Zeitgleich mit der Ausrich- ale Experimente wie die Kolonien der Wohltä- tung des Kulturhauptstadtjahres in Leeuwarden tigkeit in der Provinz Drenthe, Entwicklungen sieht die EU vor, das Jahr 2018 zum Europäischen rund um die Entwässerung der Moorgebiete zur Jahr des Kulturellen Erbes auszurufen. Dieses Energiegewinnung, die Entstehungsgeschichte Jahr soll die europäische Bevölkerung zur Ausein- der Stadt Neustadtgödens durch niederländische andersetzung mit dem eigenen Kulturerbe, wie Flüchtlinge, der Emslandplan aus der Nachkriegs- auch mit seiner Diversität, auffordern. zeit oder der Ausruf der Friesischen Freiheit auf Das EU-Projekt „Boreas“ hat diese bevorstehen- beiden Seiten der Grenze Versuche darstellen, um den Ereignisse zum Anlass genommen, um unse- in einer natürlichen Umgebung mit großer Dy- re eigene regionale Identität und Kultur mit ihren namik auf neue Weise zusammenleben zu können: verbindenden Elementen sowie den sich ergeben- dort zu leben, wo niemand lebt, den Kampf mit den Herausforderungen innerhalb des EDR-Ge- der Natur aufzunehmen und sich als individuelle bietes auf den Prüfstand zu stellen. Neben dem Gemeinschaft zu prägen. zunächst eher etwas ernüchterndem Status Quo, Auf einer zweitägigen Arbeitskonferenz am in dem wir uns in der Region befinden, sind au- 8. und 9. Dezember 2016 haben sich nun rund ßerordentlich innovative, nachhaltige und zuge- 60 niederländische und deutsche Experten ge- geben – mitunter auch visionäre Ansätze zum troffen, die sich in einer interdisziplinären Zu- Aufbau eines stärkeren regionalen Mit- statt Ne- sammensetzung damit beschäftigt haben, wo beneinanders entstanden. Die Ergebnisse dieser wir als gemeinsame Region heute stehen. Dabei intensiven Arbeitskonferenz werden in den kom- hat sich gezeigt, dass es für manche als wahre menden Wochen ausgewertet und in einem mehr- Grenzgänger eine Selbstverständlichkeit gewor- seitigen Bericht zusammengefasst vorgestellt wer- den ist, sich als gemeinsame Region zu begrei- den. Und wie der winterliche Nordwind, der fen, während der europäische Gedanke einer nicht aufhört zu wehen, soll mit dieser Veranstal- Einheit im Verständnis der mehrheitlichen Bevöl- tung nur der Grundstein für weiteren Austausch kerung bis heute nur rudimentär angekommen gelegt worden sein.

Unsere Nachbarn | 15 kulturland 4|16

Arp-Schnitger-Orgel-Rekonstruktion soll den Ton angeben Original erhaltenes Gehäuse soll adäquates Innenleben bekommen – Förderverein wünscht sich Arp-Schnitger-Museum Von Katrin Zempel-Bley (Text und Fotos)

er Förderverein Arp-Schnitger- geboren und getauft bin, habe ich für dieses Orgel in Golz­warden im Land- Werk nicht mehr genommen, als es mich selbst kreis Wesermarsch hat sich viel gekostet hat, nämlich 380 Reichstaler.“ vorgenommen: 2019, zum 300. „Leider“, so bedauert Helmut Bahlmann, „ist Todestag des berühmten Orgel- von dieser Orgel bis auf das Gehäuse nichts er- bauers Arp Schnitger, soll der halten geblieben. 1912 erbaute der Oldenburger Bauauftrag für die Rekonstruktion der Arp-Schnit- Orgelbauer Johann Gerhard Schmidt im alten ger-Orgel in der Golzwarder St.-Bartholomäus- Gehäuse eine neue Orgel, die 50 Jahre später durch DKirche vergeben sein. „Noch besser wäre es, wenn eine Orgel des Wilhelmshavener Orgelbauers wir die Orgel mit 1470 Pfeifen dann schon ein- Alfred Führer ersetzt wurde.“ Auch Orgeln unter- weihen könnten“, sagt Helmut Bahlmann vom lagen Moden. 1912 favorisierten die Verantwort­ Vorstand des Fördervereins. lichen eine moderne Orgel mit pneumatischem Schließlich hat es mit der Kirche und der Orgel Innenleben. Der typische Klang der Arp-Schnit- eine besondere Bewandtnis. Es handelt sich im- Ein Ölbild von 1710 unter ger-Orgel war nicht mehr angesagt, der Musik- merhin um die Taufkirche des berühmten Orgel- der Barockorgel könnte die geschmack eben ein anderer. bauers Arp Schnitger, der 1648 in Schmalenfleth Orgel in Golz­warden dar- Weil die Golzwarder Orgel gegenwärtig stark stellen, vor der mit dem bei Brake geboren wurde, dort aufwuchs, bei Rücken zum Be­trachter reparaturbedürftig ist, musste sich die Kirchen- seinem Vater in die Tischlerlehre ging, danach möglicherweise der Orgel- gemeinde mit ihr befassen und kam zu dem Er- in Glückstadt den Orgelbau erlernte und sich bauer Arp Schnitger sitzt. gebnis, eine Rekonstruktion der Schnitger-Orgel schließlich als Orgelbaumeister selbstständig anzustreben. Also im Gehäuse Schnitgers wieder machte. Seine Orgeln sind nicht nur hier im norddeutschen eine adäquate Orgel zu haben, die sich dem Klang und der Bau- Raum und in den Niederlanden zu sehen, er baute sie auch in weise des Meisters weitgehend annähern soll. Was lag da nä- England, Russland, Spanien und Portugal. „Bis zu seinem Tod her, als 2015 auf Empfehlung des Gemeindekirchenrates der 1719 hat er 170 dieser faszinierenden Instru­mente entweder evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Brake den Förder- ganz neu gebaut oder aber wesentlich ergänzt und verändert. verein Arp-Schnitger-Orgel Golzwarden zu gründen, dessen Zu seinen bekanntesten Orgeln gehört die in der Hamburger Zweck die Förderung der Kultur und der Denkmalpflege ist. Nicolai-Kirche. Original erhalten sind weltweit noch etwa 45 „Sie wird verwirklicht durch die Beschaffung und Verwaltung Orgeln und Prospekte. So viele wie von keinem anderen Orgel- von Mitteln für die Rekonstruktion des Kulturdenkmals Arp- bauer seiner Zeit“, berichtet Helmut Bahlmann. Schnitger-Orgel von 1698 in der St.-Bartholomäus-Kirche zu In Golzwarden, seiner Tauf- und Heimatgemeinde, wo der Golzwarden“, heißt es in der Satzung. Ludwig-Münstermann-Taufstein von damals noch heute in der „Wir wissen, dass das ein Kraftakt ist“, sagen Helmut Bahl- Kirche zu bewundern ist, hat Arp Schnitger 1698 die vorgefun- mann und Dirk Jährig, Pfarrer in Golzwarden und Vorsitzender dene Orgel in der St.-Bartholomäus-Kirche erneuert, erheblich des Fördervereins. „Doch wir sind überzeugt davon, das Pro- vergrößert und mit einem neuen, bis heute erhaltenen Gehäuse jekt realisieren zu können.“ Konkret geht es um die Einwer- versehen. „Er war 50 Jahre, befand sich auf seinem beruflichen bung von mindestens 500.000 Euro. Parallel dazu arbeiten Höhepunkt und lieferte eine Orgel mit 20 Registern für zwei bereits ausgewiesene Fachleute an einer präzisen Projektbe- Manuale und einem Pedal“, erzählt Helmut Bahlmann. In spä- schreibung. „Zu 80 Prozent wissen die Organologen, wie die ter angefertigten Aufzeichnungen des Orgelbauers ist zu lesen: Orgel gebaut werden muss. Der Rest wird derzeit recherchiert. „In Golzwarden (habe ich) die Orgel umgestellt und einige Da könnte auch die Orgel der Dedesdorfer St.-Laurentius-Kir- neue Stimmen in dieselbe gemacht. Weil ich in diesem Dorfe che hilfreich sein. Sie wurde wie die Golzwarder Orgel 1698 von

16 | Baudenkmal kulturland 4|16

Links: 1698 hat Arp Schnit- Unten: Die Golzwarder St.- ger die Golzwarder Orgel Bartholomäus-Kirche. verbessert und erweitert. Helmut Bahlmann und Das Pfeifengehäuse der Dirk Jährig (von links) Orgel ist bis heute erhal- engagieren sich für die ten geblieben. Rekonstruktion der Arp- Schnitger-Orgel und hof- fen auf viele Unterstützer.

Arp Schnitger erbaut, und es gibt durchaus Analogien“, berichtet Helmut Bahlmann. Während eines Symposiums im Frühjahr im Arp-Schnitger- Centrum Golzwarden haben sich die Experten bereits ausgetauscht. Unter- stützung gibt es auch von der Arp-Schnitger-Gesellschaft, die 1999 von Geerd Dettmers (†) und Gerd Müller (†) gegründet wurde. Inzwischen hat sich Helmut Bahlmann gemeinsam mit den Mitgliedern des Fördervereins viele Gedanken darüber gemacht, wie das Geld zusam- menkommen kann. „Zunächst freuen wir uns über jedes neue Mitglied im Förderverein“, sagt er. „Außerdem haben wir Spendenaufrufe gestartet, spätestens Anfang 2018 der Fall ist und auf viele machen Verkaufsaktionen und Benefizveranstaltungen zu allen denkbaren Unterstützerinnen und Unterstützer aus nah und Anlässen, haben unsere Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und Kontakte zu fern, denn Arp Schnitger war nicht nur einer der Sponsoren, Stiftungen, Institutionen und Verbänden hergestellt.“ Ganz be- berühmtesten Orgelbauer seiner Zeit, sein Ein- sonders wichtig findet der Verein den Kontakt zu den Golzwarder Bürge- fluss wirkt bis in die Gegenwart. Das alles hat rinnen und Bürgern. „Wir hoffen, dass sie sich mit dem Projekt identifizie- der Orgelbauer aus Schmalenfleth vor 368 Jahren ren können und möglichst viele Patenschaften für die 1470 Orgelpfeifen nicht ahnen können, obwohl er damals schon übernehmen. Je nach Größe sollen sie zu einem erschwinglichen Preis an- verehrt und verewigt wurde. So vermutlich auch geboten werden.“ in der St.-Bartholomäus-Kirche in Golzwarden. Tatsächlich könnte Golzwarden schon bald einen ganz neuen kulturellen Wer die Kirche besucht, sollte eines von drei Stellenwert erhalten, nicht nur weil eines Tages die Rekonstruktion der Or- Ölbildern von 1710 unter der Barockorgel genau gel gelungen sein könnte, sondern weil die Gedanken schon weitergehen. betrachten. Es stellt eine Orgel dar, die große Auf einem freien Grundstück gegenüber des Arp-Schnitger-Centrums, das Ähnlichkeit mit dem Golzwarder Orgelprospekt sich wiederum direkt neben der Kirche befindet, könnte ein Arp-Schnitger- hat. Davor sitzt mit dem Rücken zum Betrachter Museum entstehen. „Gerne würden wir hier über Arp Schnitger sowie seinen ein Mann, bei dem es sich möglicherweise um besonderen Orgelbau berichten und erklären, warum er weltweit bis heute den Erbauer der Golzwarder Orgel handelt: Arp so bedeutsam ist und was ihn auszeichnet. Es geht also auch um einen kul- Schnitger. tursoziologischen Kontext“, macht Helmut Bahlmann die Absichten des Fördervereins deutlich. Wenn 350.000 Euro beisammen sind, kann die Kirchengemeinde den Bauauftrag vergeben. Helmut Bahlmann und Dirk Jährig hoffen, dass das

Baudenkmal | 17 kulturland 4|16

Erfindergeist erlebbar machen

Moor- und Fehnmuseum konzipiert gefördert durch die oldenburgische Sonderausstellung über Torfpioniere landschaft von Katrin Zempel-Bley (Text und Fotos)

as Moor- und Fehnmuseum Elisa­ die Sozialgeschichte der Moorsiedlungen sowie bethfehn ist seit seiner Neuge- die Kultivierung oder die Nutzung von Mooren staltung 2013 noch attraktiver geht – die Ausstellung mit ihren interessanten geworden und konzipiert derzeit Exponaten, wie eine Tjalk, ein Muttschiff (Nach- eine Sonderausstellung zur Fir- bau 2002) und eine Schute im Original, ist äußerst men- und Familiengeschichte lebendig und spannend gestaltet. Fotos und Be- von Oltmann Wurp Strenge und Gebhard Strenge, schreibungen informieren umfassend und ver- „die Torfpioniere aus Elisabethfehn“, wie Muse- mitteln den Besuchern jeder Altersgruppe eine Dumsleiterin Antje Hoffmann sie bezeichnet. „Mit Vorstellung vom Moor und seiner Bedeutung für der Ausstellung über die Firmengeschichte, die die Menschen, aber auch vom Leben und Arbei- 2018 eröffnet werden soll, möchten wir den Erfin- ten im Moor. dergeist erlebbar machen, mit den Lebensgeschich- Das Thema Moor, das ist das Besondere an ten berühren und faszinieren“, kündigt sie an. dem Museum, wird im Moorlehrgarten auch Das Moor- und Fehnmuseum liegt nicht nur sinnlich vermittelt. Typische Pflanzen aus Hoch- idyllisch auf einem 1,5 Hektar großen Areal, es und Niedermoor wachsen dort auf zahlreichen Oben: Wer auf die Moor- handelt sich geradezu um den perfekten Ort direkt Beeten. „Wir haben rund 100 Arten, fast die Hälfte pegel-Plattform steigt, am Elisabethfehnkanal mit einer Schleuse und davon gelten als gefährdet“, berichtet Antje Hoff- wird durch einen großarti- gen Blick über das gesamte Klappbrücken, dem ehemaligen Kanalwärterhaus mann. Der Besucher kann sie aus nächster Nähe Freigelände belohnt. Ganz und einem einstigen Stallgebäude. Dem großen betrachten und anfassen. Übri­gens gehört auch links im Bild befindet sich Enga­gement von Dr. Gustav Schünemann und ein Buchweizenfeld dazu. Schuhe und Strümp- die Weißtorfgrabmaschine, dem Orts- und Verschönerungsverein Elisabeth- fe aus, heißt es im Moortretbecken. Darin wird daneben der Sodensamm- ler „Hamster“. Er war bis fehn ist die Idee und die Umsetzung des Museums Moor spürbar und sorgt vor allem bei Kindern für 1985 in der Esterweger zu verdanken. 1986 wurde es eröffnet. Bis 2011 großen Spaß. Nachgebaute Bohlenwege, also be- Dose im Einsatz. Daneben war Gustav Schünemann ehrenamtlicher Muse- geh- und befahrbare Holzkonstruktionen, halfen ist der Große Strengebag- umsleiter und hat es zu einem professionell ge- den Menschen, sich im und durchs Moor zu be- ger zu bewundern. Die Stachelwalze wurde von führten Museum entwickelt, das auch überregional wegen. Wie sie sich anfühlen, dass kann auf der den Heseper Torfwerken als Kultureinrichtung des Oldenburger Landes Freifläche ausprobiert werden. gebaut. Das Sodensamm- längst bekannt ist. Wie mächtig das Hochmoor in Elisabethfehn ler-System Hespe wurde Inzwischen hat die Biologin Antje Hoffmann einst war, das vermittelt das neue Moorpegel-Pla- 1940 von den Heseper Torfwerken hergestellt. die hauptamtliche Leitung übernommen, und teau. Acht Meter misst es, genauso hoch wie hier nach 27 Jahren ist das Museum dank des großen einst das Moor in rund 8000 Jahren gewachsen Rechts: Museumsleiterin Antje Hoffmann konzipiert ehrenamtlichen Engagements und enga­gier­ter war. „Fünf Eichenstelen vor dem Plateau symboli- eine Sonderausstellung Sponsorenförderung neu gestaltet worden. Auch sieren den Prozess des langsamen Hochmoor- über die Torfpioniere im die Oldenburgische Landschaft hat den Prozess wachstums mit einer Torfablagerung von jähr- Großherzogtum Olden- burg. inhaltlich begleitet. Die Besucher erleben auf einer lich etwa einem Millimeter und den schnellen 300 Quadratmeter umfassenden Innenfläche Abbau durch die Kolonisten am damaligen Hun- Daneben: Solche Moor­ ein modernes, sehr ansprechendes Museum zum te-Ems-Kanal, dessen Teilstück heute Elisabeth- katen, wie auf dem Freige- lände zu sehen, wurden Anfassen, das nicht zuletzt wegen seines Freige- fehnkanal heißt“, klärt Antje Hoffmann auf. Wer von den Kolonisten als ländes besonders attraktiv ist. Hier erfährt man bis auf die Plattform steigt, wird durch einen Haus der ersten Stunde auf auf verständliche Weise alles über Moor, Torf großartigen Blick über das gesamte Freigelände dem Hochmoor errichtet. und Fehn sowie Moorkultivierung. mit einer alten Moorkate, einer kompletten Weiß- Ob es um die Entstehung der Moore, Moortypen, torffabrik, einer großen Anzahl von Torfgroß­ Flora und Fauna der Moore, die Moorarchä­o­logie, geräten, der Schmalspurdampflok „Katharina“

18 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

und einer gut erhaltenen, noch funktionsfähigen Lokomobile beeindruckende Torfbagger und andere Großgeräte zur ma- von 1904 belohnt. schinellen Torfgewinnung ausgestellt. Es sind Ausstellungs- Die in den kommenden zwei Jahren konzipierte Sonderaus- stücke zum Anfassen, die deutlich machen, was sich einst in stellung stellt eben jene bedeutenden Pioniere im Großher- diesem eher unscheinbaren Dorf durch genialen Erfindergeist zogtum Oldenburg in den Mittelpunkt, denen es gelungen ist, an bedeutsamer Entwicklung zugetragen hat. derartige bahnbrechende Maschinen zu entwickeln. Ein „In der neuen Ausstellung geht es um die Firmen- und Fami- Sammlungsschwerpunkt im Museum ist bereits die regionale liengeschichte von Oltmann Wurp Strenge und Gebhard Torfindustrie. Der Besucher erfährt allerhand über die Firma Strenge aus Elisabethfehn, die für die Entwicklung der indus­ Strenge, ihre Versuche zur Torfverkokung, die später durch triellen Brenntorfgewinnung in Europa eine herausragende den Chemiker Wilhelm Wielandt in der Torfkoksfabrik in Eli- Rolle spielen“, sagt Antje Hoffmann und fügt hinzu: „Elisa­ sabethfehn weltweit einmalig perfektioniert wurde. Hinzu beth­fehn galt diesbezüglich als das Innovationszentrum. Tat- gesellt sich auf dem Freigelände eben die einmalige Samm- sächlich haben die beiden Pioniere Brenntorfbagger entwi- lung dieser Maschinen. Hier werden sehr gut erhaltene und ckelt, die nicht nur in Elisabethfehn, sondern weltweit in der

Museum und Ausstellung | 19 kulturland 4|16

Rechts: Acht Meter misst Als Oltmann Wurp Strenge als das Moorpegelplateau, einer der ersten Siedler 1875 an den genauso hoch ist hier einst Elisabethfehnkanal kam, kaufte er das Moor in rund 8000 Jahren gewachsen. mehrere Kolonate, begann mit dem Abbau und Verkauf von Brenntorf Unten: Zwei eiserne Schne- und ahnte noch nicht, dass er eines cken im Einsatz. Das Tages mit seiner Erfindung die Welt Mischwerk ist nur ein klei- ner Teil des „Großen Stren- der Brenntorfgewinnung verändern ge-Baggers“, den Gebhard würde. Gemeinsam mit seinem Strenge ab 1945 baute. Sohn entwickelte er die besagten Ma- schinen, wofür sie zahlreiche Patente erhielten. 1904 auf der Weltausstel- lung in St. Louis in den USA erhielten sie den „Grand Prize“. Als ein Jahr später in Oldenburg auf dem Dob- ben die „Große Allgemeine Landes- Industrie-Gewerbe- und Kunstaus- stellung“ stattfand, erhielten sie von Großherzog Friedrich August die „Goldene Medaille“ für besag- ten Brenntorfbagger. „Er ermöglichte die Produktion von festem und transportfähigem Brenn- stoff in großen Mengen, der den Anforderungen der Industriekunden Moor- und Fehnmuseum Elisabethfehn entsprach“, macht Antje Hoffmann Oldenburger Straße 1, 26676 Elisabethfehn, Telefon 04499/2222 die Bedeutung der Erfindung klar. „So konnten durch die Industrialisie- Öffnungszeiten: rung der Torfgewinnung aber auch Das Museum ist Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr Torfkraftwerke wie in Wiesmoor ent- von März bis November geöffnet. stehen. Außerdem wurde eine zügi- Für angemeldete Besuchergruppen auch außerhalb dieser Zeiten. Museumsführer ge Abtorfung großer Hochmoorflä- geleiten die Besuchergruppen auf Anmeldung durch das Museum. chen möglich, die wiederum für die Kultivierung und letztlich Besiedlung zur Verfügung standen.“ aufblühenden Torfindustrie eingesetzt wurden.“ Antje Hoff- Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden Strenge- mann und ihr Team – bestehend aus Jürgen Günther, ehe­- Bagger nach Russland geliefert. „Gebhard Strenge war bei ma­li­ger Leiter der Torfforschung in Bad Zwischenahn, sowie Ausbruch des Krieges zur Montage dort und wurde interniert“, weiteren Fachwissenschaftlern, darunter Kollegen aus dem erzählt die Museumsleiterin. „Während seiner Haft lernte er museumspädagogischen Bereich des Museumsdorfes Cloppen- Russisch, baute eine kleine Holzschuhfabrik auf und sicherte burg, und Studierenden des Masterstudiengangs „Museum das Überleben seiner Mitgefangenen durch Bienenzucht und und Ausstellung“ der Universität Oldenburg – haben sich zum Schweinemästerei. 1918 konnte er aus Sibirien fliehen. Und über Ziel gesetzt, Erfindergeist erlebbar zu machen. ihn sagten die Leute: ‚Das ist ein fixer Kerl, der junge Strenge. Möglich wird die neue Ausstellung durch wertvolle Doku- Wenn einer von seinen Baggern stehen bleibt, nimmt er ein mente, die das Moor- und Fehnmuseum von Annemarie Liebau Stück aus seiner Uhrenkette und macht ihn wieder flott’.“ aus Ocholt, der Tochter von Gebhard Strenge, übereignet be- Die Ausstellung dokumentiert erstmals einen bedeutenden kam. „Es handelt sich um Patentschriften, Urkunden, Zeich- Abschnitt der landeskulturellen Entwicklung des Olden­burger nungen, Korrespondenzen, Medaillen und Fotos sowie ein Landes, der die Region vor allem im 20. Jahrhundert geprägt Tondokument über ein Interview mit ihrem Vater“, erzählt Antje hat und bis heute deutliche Spuren hinterlassen hat. Grund Hoffmann. „Diese Dokumente werden derzeit wissenschaft- genug für die Oldenburgische Landschaft, die Öffentlichen lich ausgewertet. Zeitgleich sichten wir in Archiven, bei Privat- Versicherungen, die EWE-Stiftung und private Förderer die personen und im Emsland Moormuseum Groß Hesepe vor- Ausstellung finanziell zu unterstützen. handenes Material über Oltmann Wurp Strenge und seinen Sohn Gebhard Strenge“, berichtet sie weiter.

20 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

Oldenburger Niederlandistik überschreitet Grenzen Von Tobias Pollok Oben: Die Eröffnungsver- anstaltung zur „globale°“ fand am 28. Oktober im Bremer Rathaus statt. Foto: Manja Herrmann ber 40 Schriftsteller innerhalb von drei Wo- Links: Abdelkader Benali chen – die zehnte Auflage von „globale°“ und Murat Isik beim Podi- wird zum größten Literaturfestival im Nord- umsgespräch mit Tobias westen und die Oldenburger Niederlandistik Pollok im Gerhard-Marcks- war hautnah dabei. Haus. Foto: Fabian Winkler Vom 25. Oktober bis zum 15. November hat „globale° – Festival für grenzüberschreitende Literatur“ zu ei- Oldenburger Studentinnen dann noch mal auf einem Überset- nem vielfältigen literarischen Programm eingeladen. Es gab zertag, ebenfalls ein Programmpunkt des „globale°“-Festivals. ÜLesungen in Bremen und Bremerhaven, in Berlin und Groningen. Unter dem Titel „Bildhafte Sprache“ tauschten sie sich mit Doch nicht nur zahlenmäßig hat sich die Jubiläumsausgabe Benali aus und diskutierten mit rund 30 weiteren Interessier- des Festivals selbst überboten, das seit 2007 den Blick seiner ten die Schwierigkeiten des literarischen Übersetzens. „Für literaturbegeisterten Besucherinnen und Besucher auf die unsere Studierenden ist es eine tolle Möglichkeit, so tief in die kulturelle Vielfalt der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur Praxis eintauchen zu können und auch mit dem Autor selbst lenkt: Auch Kooperationsprojekte im Oldenburger Land wa- in Kontakt zu kommen“, findet Janka Wagner, die das Überset- ren Teil des literarischen Spektakels. zungsseminar an der Carl-von-Ossietzky-Universität geleitet Die vier Oldenburger Niederlandistik-Studentinnen Jennifer hat. Und so kann man von einer wirklich vieldimensionalen Irmscher, Rachel Katharina Hänßler, Tomke Gummels und Grenzüberschreitung sprechen: Zwischen Oldenburg und Bre- Ann-Kathrin Kazperowski beschäftigten sich unter Leitung men, zwischen universitärer Theorie und der Praxis im Litera- ihrer Dozentin Janka Wagner mit dem niederländischen Er- turbetrieb, zwischen niederländischer und deutscher Sprache. folgsautor Abdelkader Benali, der ebenfalls auf dem Festival Die Zusammenarbeit der Oldenburger mit dem Bremer Lite- zu Gast war. Der aus Marokko stammende Autor ist in den raturfestival kann in jedem Fall als voller Erfolg verbucht wer- Niederlanden einer der bekanntesten Schriftsteller, er hat eine den. Auch für das kommende Jahr wurde bereits eine Zusam- eigene Fernsehshow und arbeitet auch als Moderator für ver- menarbeit zwischen Bremen und Oldenburg vereinbart. Das schiedene Formate. Seit seinem Debütroman „Hochzeit am Studentenwerk Oldenburg hat einen Hörspiel-Skript-Wettbe- Meer“ aus dem Jahre 1998 wurde jedoch keiner seiner Texte werb ausgerufen. Dieser wird in Kooperation mit dem Olden- mehr ins Deutsche übersetzt. Dieser Leerstelle nahm sich das burger Uni-Theater und dem Campusradio Oldenburg organi- Institut für Niederlandistik in Oldenburg an und arbeitete ein siert, das Preisgeld von 500 Euro stiftet „globale° – Festival Semester lang an der Übersetzung von „Das Blau des Meeres für grenzüberschreitende Literatur“. „Das Sieger-Skript wird und das Blau der Stadt“, einem Reisebericht Benalis, der sich im Herbst 2017 vom Ensemble des Uni-Theaters einstudiert im marokkanischen Tanger auf die Spurensuche des französi- und an vielen Hochschulstandorten der Region und auf dem schen Malers Henri Matisse begibt. ‚globale°-Literaturfestival‘ aufgeführt“, erklärt Jürgen Boese, Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Die Studierenden Kulturreferent des Studentenwerks Oldenburg. Mitmachen haben fantastische Arbeit geleistet“, findet Abdelkader Benali. kann jeder eingeschriebene Studierende. Der Einsendeschluss Rund 40 Gäste lauschten gebannt den Worten Benalis, als ist der 30. April 2017. Alle Infos dazu sind im Internet abruf- er gemeinsam mit seinem Schreiberkollegen Murat Isik am bar: www.theater-unikum.de/event/hoerspiel-preis-norwest 7. November im Gerhard-Marcks-Haus in Bremen aus der stu- dentischen Übersetzung las. Am Folgetag trafen sich die vier

Unsere Nachbarn | 21 kulturland 4|16

Wenn Wöör us anröögt Literatur-CD zu Hein Bredendieks 110. Geburtstag erschienen Von Stefan Meyer

gefördert durch die oldenburgische landschaft in Virtuose auf der Klaviatur der plattdeutschen Sprache ist er gewesen – use Hein Bredendiek. Das ausgesprochen reichhal- tige Œuvre, das er uns hinterlassen hat, zeigt die Entwicklung und Wandelbarkeit dieses Künstlers und Schrieverskeerl. Angefangen von ersten plattdeutschen Gehversuchen der Vor- kriegszeit in „De plattdüütsch Klenner“ über die Malerei des Informel in den 1950er-Jahren bis zu ausgefeilten und anregenden platt- deutschen Bildbetrachtungen zu den Werken Brueghels, Rembrandts und BarlachsE sowie tiefgründigen und kraftvollen Landschaftsportraits der oldenburgischen Heimat und farbprächtigen Malereien des Mittelmeeres zeigte er uns seine unerschöpfliche Schaffenskraft in eindrucksvollen Werken. Wenn’t dorum geiht, sik mit dat schreven plattdüütsch Woort ut’nanner to setten, geiht de Padd an Bredendiek nich vörbi. In sien 94. Jahr hett he veel beschickt. Nich blots Biller un Böker sind van em bleven. För de Rund- funk hett he snackt, weer bi’n Ollnborger Kring un bi De Spieker mit dorbi un ok bi de Ollnborgsche Landschupp weer he van 1961 bit 1980 de Baas van de Warkkoppel „Niederdeutsche Sprache un Literatur“. Bleven is ok sien Stimm, wenn he vördragen hett. Kant un klar, luut un düdelk, man liekers Bredendiek snackt – Auszüge mit veel Geföhl hett he de Tohörers mitnahmen un musenstill is dat denn aus einem literarischen Leben in’n Saal ween. Herausgeber: Mäuschenstill war es auch, als zum Andenken an seinen 110. Geburtstag Oldenburgische Landschaft im Audienzsaal des Schlossmuseums Jever am 18. September 2016 Familie, Ausführung: Freunde und Wegbegleiter andächtig seiner Stimme lauschten. Als „Geburts- CD mit Liveaufnahmen tagsgeschenk“ stellte die Oldenburgische Landschaft die Literatur-CD 1. Auflage: 2016 „Bredendiek snackt – Auszüge aus einem literarischen Leben“ vor, welche ISBN: 978-3-7308-1309-6 soeben im Isensee-Verlag in Oldenburg erschienen ist. 14 Euro Aus insgesamt 47 Stunden unveröffentlichtem Material wurde eine Aus- Isensee-Verlag wahl für die Literatur-CD erstellt. Das Material setzte sich zusammen aus alten Tonbandaufnahmen aus den 1960er-Jahren, welche Hein Bredendiek zum Teil mit seinem Tonbandgerät selbst aufgenommen hat, und vor allem aus den Lesungen der „Lüttje Kringabenden“ des Ollnborger Kring aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die Hartmut Ringleff auf Audiokassetten auf­ge­ zeichnet hat. Vorrangig ging es zunächst um eine Sichtung und Digitali­ sierung der Aufnahmen, welche auch die Hörspiele, Andachten und Vorträge Bredendieks umfasste. Entstanden ist auf der Doppel-CD ein Ausschnitt seines breiten literarischen Schaffens, welches mehrere Jahrzehnte um-

22 | Platt:düütsch kulturland 4|16

Daneben: Hein Bredendiek (1906–2001) is een feinsin- nigen Maler un deepsinni- gen Schrieverskeerl ween. Sien Wark hett us ok van- dagen noch veel to seggen. Foto: privat

Links unten: Zum 110. Geburtstag Hein Breden- dieks wurde die Literatur- CD „Bredendiek snackt – Auszüge aus einem litera­- rischen Leben“ im Audienz- saal des Schlossmu­seums Jever am 18. September vorgestellt. Thomas Kos- sendey (Präsident Olden- burgische Landschaft), Hartmut Ringleff, Dr. Wal- ter Müller, Elke Thuma (Tochter Hein Bredendieks), Verleger Florian Isensee, Prof. Dr. Antje Sander Linke Seite: Över Jahrteihnte hett Hein (Schlossmuseum Jever), Bredendiek ok sien Texten för den Rund- Stefan Meyer (Oldenbur­ funk insnackt. Hier is he 1985 in’t Tonstu- gische Landschaft) und dio. Foto: privat Hannelore Andrae (Witwe Diese Seite, links oben: Een groot Wark von Oswald Andrae). mit fein Bilders hett Hein Bredendiek Foto: Oldenburgische us achterlaten. Signiert oben links. Hein Landschaft

Bredendiek, ohne Titel (Brücke), Misch- technik, datiert 10.02.92.

fasst. Die Singkreise Debstedt und Neuenwalde sowie das Begleitet wurde das CD-Projekt von Anfang an von Elke Debstedter Kammerorchester haben unter der Leitung von Thuma, der Tochter Hein Bredendieks. Sie steuerte nicht nur Ulrich von der Reith zudem drei Titel mit Texten Bredendieks die originalen Tonbänder für die Aufnahmen bei, sondern beigesteuert. öffnete auch die privaten Fotoalben der Familie. Somit konnten Van Vertellsels to’n smüstergrienen över Geschichten, de in dem beigefügtem CD-Booklet viele eindrucksvolle Fotos em in’n Alldag in sien Familie in de Mööt kamen sind, bit to von Hein Bredendiek erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich eernsthaftig Literatur geiht dat wiede Flach van dat Breden- gemacht werden. dieksche Wark. Up een Kant lett he us mit Geschichten ut de Doch nicht nur Hein Bredendiek stand an diesem besonderen Familie in sien Binnerstes kieken, man he överrascht us ok Tag im Mittelpunkt. In diesem Jahr hätte auch ein anderer mit deegt plattdüütsch Humor bi de „Moorlandsblomen“ ut de plattdeutscher Autor aus Jever einen runden Geburtstag gefei- „Wienhuser Passion“, wo he 1959 de Freudenthal-Preis för ert: Am 25. Juni wäre der 1997 verstorbene Oswald Andrae 90 kregen hett. Een Sinnteken för grode Literatur hett he mit sien Jahre alt geworden. Seine Witwe Hannelore Andrae betonte Ut’nannersetten mit sien Rull in’t grulige „Dritte Reich“ in im Audienzsaal die besondere Verbindung und Freundschaft „Gang na güstern“ geven. zwischen den Familien Bredendiek und Andrae. Hein Breden- Hein Bredendiek hett nich över Helden un Dickdoon schreven. diek war auch ein wenig Mentor von Oswald Andrae, der – im De lüttjen Lüe, ehr Warken un wo se mit’t Leven togangen Gegensatz zu Bredendiek – in seinen Werken auch politische kamen sind, dat weer sien Rebett. Un sien Woort gellt ok noch Töne und Ermahnungen zuließ. Gemein ist beiden die Liebe vandagen, viellicht sogar noch mehr, as güstern. Dat sien zur friesischen Heimat, wobei beide auch die Bedrohung dieses Andachten al föfftig Johr oolt sind, is meist nich to glöven. Wat sensiblen und schützenswerten Lebensraums in ihrem künst­ he us dor seggt, is jümmers noch to’t Nadenken weert. lerischen Schaffen thematisiert haben. Wat för een groot Bedüden Bredendiek as eernsthaftig Schrie- Die kleine friesische Residenzstadt Jever kann sich rühmen, verskeerl ut Jever hat hett, dat maakde Dr. Walter Müller noch- zwei der heute noch bedeutendsten niederdeutschen Autoren mal klar. Sien Kuntakt to de jeversch Philosoph Karl Jaspers hervorgebracht zu haben, die beide – wenn auch mit unter- steiht ok vör dat philosophisch Ut’nannersetten van Breden- schiedlichen Schwerpunkten und Ausdrücken – heute noch diek mit de Welt um sik to. wegweisend für plattdeutsche Literatur sind.

Platt:düütsch | 23 kulturland 4|16

Auf den Spuren der Geschichte 40 Jahre „Arbeitsgemeinschaft Archäologische Denkmalpflege“ in der Oldenburgischen Landschaft Von Günter Alvensleben

Die Oldenburgische Landschaft hat als moderner Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und in Landschaftsverband mannigfaltige Aufgaben Schleswig-Holstein, nach Bremen und zu bewältigen, um einerseits das kulturelle, histo- sowie nach Holland. Einmal im Vierteljahr trifft rische und landschaftliche Erbe des Oldenburger man sich in Oldenburg, dabei werden Vorträge Landes weitestgehend zu bewahren und anderer- zur Information, Wissenschaftsvermittlung und seits gesellschaftliche Vorgaben und Gestaltungs- zur fachlichen Vertiefung angeboten. Eine kleine möglichkeiten zu fördern, ohne die gewachsenen Gruppe kommt regelmäßig im Oldenburger Do- überlieferten Traditionen zu vernachlässigen. mizil der Arbeitsgemeinschaft zusammen, um Dabei stehen Schwerpunkte und Ini­tiativen an, sich auszutauschen und neue Ausgrabungsfunde die in verschiedenen Bereichen der Kultur, der zu sichten, bevor diese dem Bestand des Landes- Landschaftspflege, der Geschichte, der Wirt- museums für Natur und Mensch zugeordnet schaft und der Archäologie immer wieder aufzei- werden. Oben: Dr. Jörg Eckert, Leiter gen, wie sich das Oldenburger Land über viele Seit 27 Jahren ist Dr. Jörg Eckert mit Freude der Arbeitsgemeinschaft Jahrhunderte von der Grafschaft bis zum Land und Herz als Leiter der Arbeitsgemeinschaft da- Archäologische Denkmal- Oldenburg zu einer aufstrebenden, einzigartigen bei und sorgt dafür, dass im Oldenburger Land pflege. Foto: Jörgen Welp Region mit Tradition entwickelt hat. das bürgerschaftliche Engagement in der Archä­ Rechts: Ausgrabung In diesem Zusammenhang sind die Aktivitä- o­lo­gie in Schwung bleibt. Der gebürtige Königs- Großenmeer mit Ofenfun- damenten im Vorder- ten der zwölf Arbeitsgemeinschaften der Olden- berger hat in Köln promoviert (Ur- und Frühge- grund. Foto: Jörg Eckert burgischen Landschaft besonders hervorzuhe- ben. Zahlreiche interessierte Bürger engagieren sich hier ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen für die Kultur, für die Geschichte und für den Naturschutz. Eine der größten und erfolgreichsten Arbeitsgemeinschaften, die Arbeitsgemeinschaft für Archäologische Denk­ malpflege, feierte jetzt mit einem Festakt im Niedersächsischen Landes- archiv ihr 40-jähriges Bestehen. Der Niedersächsische Landesarchäologe Dr. Henning Haßmann hob die große Bedeutung des Ehrenamtes gerade für das Gebiet der archäologischen Denkmalpflege hervor und Landschafts- präsident Thomas Kossendey würdigte die Verdienste der Arbeitsgemein- schaft, die seit 1989 von Bezirks­archäologe a. D. Dr. Jörg Eckert geleitet wird. Dazu ist auch die Broschüre „40 Jahre Arbeitsgemeinschaft ‚Archäo- logische Denkmalpflege‘ in der Oldenburgischen Landschaft 1976–2016“ im Verlag Isensee, Oldenburg, erschienen. Die aus allen Teilen des Oldenburger Landes stammenden circa 80 Mit- schichte), war unter anderem als Archäologe beim glieder der Arbeitsgemeinschaft, die bis 1988 von Dieter Zoller inspiriert Museum für Archäologie in Münster tätig und wurde, waren und sind immer wieder ehrenamtlich an bestimmten Projek- leitete von 1986 bis 2007 die Außenstelle Weser- ten beteiligt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in verschiedenen Ems des Niedersächsischen Landesamtes für Bereichen des Oldenburger Landes Ausgrabungen und Forschungen vorge- Denkmalpflege in Oldenburg. So kann Dr. Jörg nommen. So in Bad Zwischenahn-Aschhausen, Hude, Jever, Varel, Dötlin­gen, Eckert sein Fachwissen und seine Kontakte zu Vechta, Wildeshausen, Ovelgönne-Großenmeer und Bad Zwischen­ahn- den zuständigen Behörden und nicht zuletzt Specken. Dazu kommen Begehungen von historischen Plätzen, Fachsemi- zum Landesamt für Denkmalpflege nachhaltig nare und experimentelle archäologische Arbeiten. Aber die Arbeitsgemein- einbringen. schaft blickt auch über die Grenzen des Oldenburger Landes hinaus. Seit 1977 standen und stehen alljährlich Exkursionen im Arbeitsprogramm. Sie führten bereits zu interessanten archäologischen Zielen in Niedersachsen,

24 | Aus der Landschaft kulturland 4|16

Offizialatsgebäude in Vechta erhält großherzogliche Plakette zurück

Red. Das 1831 erbaute, denk- malgeschützte Gebäude des Bischöflich Münster- schen Offizialats in Vechta erhielt wieder ein gusseisernes Mono- gramm des Großher- zogs Paul Friedrich Au- gust von Oldenburg. Alle staatlichen Gebäude, die während seiner Regie- rungszeit (1829–1853) im Gebiet des Großherzogtums errichtet wurden, haben damals dieses Monogramm bekommen. Landschaftspräsident Thomas Kossendey (l.) übergibt Finanzdirektor Doch 1922, drei Jahre nach Auflösung des Groß- August Dasenbrock die Replik der Gusseisenplakette. Foto: Offizialat/ herzogtums, musste es auf Anordnung des Heuer staatlichen Hochbauamtes nach Oldenburg ge- schickt werden. mittlerweile abgerissenen Amtsgebäudes von 1836 abgeformt Landschaftspräsident Thomas Kossendey hat und nachgegossen, die Jahreszahl entsprechend auf 1831 dem Bischöflich Münsterschen Offizialat in angepasst. Vechta die Replik einer Gusseisenplakette über- Im Oldenburger Land finden sich noch an verschiedenen bracht. Die Plakette soll als Ersatz für das vor Gebäuden die Eisenplaketten mit dem Monogramm PFA, so mehr als 90 Jahren entfernte Original wieder am am Kulturzentrum PFL, an der Schlosswache und am Neuen Offizialatsgebäude angebracht werden. Rathaus in Oldenburg, am Telegrafen in Brake und am Museum Die Vorlage für das neue Vechtaer Monogramm Nationalparkhaus Fedderwardersiel. stammt von einem Exemplar am Katasteramt in Brake. Die Replik wurde von der Plakette des

Impressum Redaktionsschluss Redaktion: Druck: für Heft 171, 1. Quartal 2017, ist der verantwortlich i. S. d. P. Brune-Mettcker, 26382 Wilhelmshaven kulturland Oldenburg 15.02.2017 Michael Brandt (MB.) Zeitschrift der Erscheint vierteljährlich. Verlag: Oldenburgischen Landschaft Sarah-Christin Siebert (SCS.) Isensee-Verlag, 26122 Oldenburg ISSN 1862-9652 Für unverlangt eingesandte Manu- Stefan Meyer (SM.) Erscheint vierteljährlich. skripte wird keine Haftung übernom- Matthias Struck (MS.) © 2016 Oldenburgische Landschaft Herausgegeben von der men. Namentlich­ gekennzeichnete Alle Rechte vorbehalten. Oldenburgischen Landschaft, Artikel geben nicht unbedingt die Gestaltung: Jahresabonnement 15,- €, inkl. Versand. Gartenstraße 7, 26122 Oldenburg Auffassung der Redaktion wieder. mensch und umwelt Der Bezug kann mit einer Frist von Tel. 0441 - 77 91 80 Die Redaktion behält sich das Recht 26122 Oldenburg vier Wochen zum Jahresende gekün­ Fax 0441 - 7 79 18 29 auf Kürzungen der eingesandten digt werden. [email protected] Texte vor. www.oldenburgische-landschaft.de Einzelheft 3,80 €.

Aus der Landschaft | 25 kulturland 4|16

Eröffnung mit 200 Gästen in der gefördert durch die oldenburgische Kunsthalle Cloppenburg landschaft 50 Werke des Pop-Art-Künstlers Werner Berges

Martin Feltes und Sarah Siebert

ber 300 Gäste kamen am 8. No- künstlerisches Schaf- vember in die Kunsthalle Clop- fen. Die Landschaft penburg, um der Eröffnung der wird ein Thema und Ausstellung „50 Werke aus 50 die Farbigkeit ändert Jahren“ von Werner Berges beizu- sich. Die laute Buntheit wohnen. Der Kunsthistoriker wird durch zarte Grün- und ehemalige Leiter des Sprengel-Museums töne und monochrome Hannover, Prof. Dr. Ulrich Krempel, führte in Farbfelder abgelöst. Üdas vielschichtige Werk des Künstlers ein (Bild Immer deutlicher wen- Ausstellungseröffnung, Hinrichsmeyer). det sich Berges auch Werner Berges wurde 1941 in Cloppenburg ge- der Abstraktion zu. Im boren und studierte von 1960 bis 63 in Bremen Spannungsfeld von Gebrauchsgrafik und bis 1968 freie Malerei an der staatlichen Figuration und Abstraktion stehen die Arbeiten der 1980er- Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Schon im Jahr 1965 Jahre, wobei mit dem Aquarell auf in Cadaqués (Nordspanien) hat im Museumsdorf Cloppenburg eine erste Ausstellung mit hergestellten Büttenpapier eine neue Maltechnik auftaucht. frühen Werken des Künstlers stattgefunden. Beeindruckend sind das große Format sowie die malerische Für die aktuelle Ausstellung hat der Neffe des Künstlers, Sensibilität im zauberhaften Klang der Farben. „Jede Menge Dr. Robert Berges jun., stellvertretender Vorsitzender des Leute“ ist der Titel einer Werkgruppe, die die Zeit der 1990er- Kunstkreises, vor allem in Privatsammlungen in Cloppenburg Jahre prägt. Berges scheint sich hier selbst zu zitieren und an und Umgebung nach Bildern seines Onkels für die geplante seine frühen Arbeiten der Pop-Art anzuknüpfen. Werner Berges Ausstellung gesucht. Denn es galt, ein möglichst lückenloses überrascht durch seine variantenreiche Vielfalt an Techniken, Bild einer fünzigjährigen künstlerischen Arbeit von den An- was auch in dieser Ausstellung beobachtet werden kann. Und fängen bis zur Gegenwart nachzuzeichnen. Die früheste Ar- der Betrachter spürt besonders die Lust des Künstlers am Ma- beit stammt aus dem Jahr 1962. Das Gemälde steht noch ganz len. Berges ist Träger mehrerer nationaler und internationaler in der Tradition der sogenannten informellen (= formlosen) Preise. Seine Arbeiten waren in hunderten Einzel- und Gruppen- Malerei, in der auf gegenständliche Motive radikal verzichtet ausstellungen zu sehen. Auch stellte er 1972 auf der „docu- wird. In der weiteren Entwicklung des Künstlers sind immer menta 5“ in Kassel aus. Zuletzt waren Arbeiten von ihm 2014 deutlicher figürliche Assoziationen zu beobachten, bis dann in der „German-Pop“-Ausstellung in der Schirn Kunsthalle, zu Beginn der 1970er-Jahre eine deutliche Hinwendung zur , zu sehen. Zahlreiche Arbeiten befinden sich zudem figürlichen Malerei der Pop-Art stattfindet. Pop-Art ist die im öffentlichen Raum. So bereichert die Skulpturengruppe künstlerische Antwort auf die Konsumgesellschaft, auf die „Jede Menge Leute“ den Rathausplatz in Cloppenburg. durch Werbung, Filme, Comicstrips und Bilderflut geprägte Massenkultur. Aus diesen Vorlagen speist sich das Motiv- Kunsthalle im Kulturbahnhof repertoire, wobei Werner Berges vor allem das in den neuen Die Kunsthalle Cloppenburg befindet sich im 2015 eröffneten Medien hemmungslos vermarktete Frauenbild kritisch hinter- „Kulturbahnhof Cloppenburg“. Die neben einem Bistro einge- fragt. Der Mensch verliert seine Individualität. Er wird zur richtete Studiobühne ist Ort kultureller Veranstaltungen im Schablone. Bereich der Musik, des Theaters oder der Kleinkunst. Träger Mit dem Umzug von Berlin nach Schallstadt bei Freiburg des Kulturbahnhofs ist das Kulturforum Cloppenburg e. V., im Jahr 1977 folgt ein Bruch im Werk von Werner Berges. Die das sich als Dachverband der in Cloppenburg wirkenden Kul- ländliche Umgebung als Kontrast zur optischen und akusti- turinitiativen definiert. Das Kulturforum vergibt die städti- schen Reizüberflutung der Großstadt Berlin prägt nun sein schen Fördermittel, erarbeitet gemeinsame Werbestrategien

26 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

Linke Seite: Werner Berges und Prof. Dr. Ulrich Krem- pel (von links).

Links: Der Brief, Werner Berges, 1965

Darunter: Emma, Werner Berges, 1970

Fotos: Bernd Hinrichsmeyer

und führt auch selbst Veranstaltungen durch. Kultur zu verorten und zu vernetzen ist die Idee des Kulturbahnhofs. Mitglied im Kulturforum ist der Kunstkreis Cloppenburg e. V., dem ein Nutzungsrecht für eine dem historischen Bahnhof angegliederte Lagerhalle übertragen wurde. Mit eigenen Mit- teln und öffentlichen Zuschüssen wurde diese Halle zu einer attraktiven Ausstellungsarchitek- tur umgebaut. „Wir waren schon lange auf der Suche nach ei- nem adäquaten Ort, um zeitgenössische Kunst zu präsentieren“, erläutert der Vorsitzende des Kunstkreises, Dr. Martin Feltes. Durch die neue Kunsthalle können nun auch renommierte Künst- lerpersönlichkeiten für eine Ausstellung in Clop- penburg gewonnen werden. Feltes erinnert an die Präsentation der Malerei der Berliner Künst- lerin Elvira Bach, die auch ein überregionales Interesse gefunden hat. Neben Künstlern aus dem In- und Ausland werden auch Ausstellungen von regionalen Künstlern gezeigt, die zum kulturellen Profil der Region beitragen. Der Kunstkreis Cloppenburg hat zurzeit 220 Mitglieder. Über das Ausstellungsprogramm entscheidet der ehren- amtlich arbeitende Vorstand. „Architektur im Spiegel von Malerei und Fotografie ist das Jahres- thema 2018“, kündigt Feltes schon die nächsten Ausstellungen an. Aber bis Januar kann noch die Retrospektive von Werner Berges mit „50 Werken aus 50 Jahren“ gesehen werden. „Es sind Arbeiten dabei, die ich selbst 50 Jahre lang nicht mehr gesehen habe. Hier werde ich an sie erinnert. Es ist auch für mich ein besonderes Erlebnis“, so Werner Berges Die Ausstellung Werner Berges – 50 Werke aus 50 Jahren ist über die Begegnung mit seinen Bildern aus dem noch bis zum 8. Januar in der Kunsthalle Cloppenburg an der Beginn seiner Schaffenszeit. Bahnhofstraße 82 zu sehen. Öffnungszeiten: mittwochs und sonntags von 15 bis 18 Uhr, donnerstags von 18 bis 20 Uhr sowie nach Vereinbarung (Telefon 04471/188-1113)

Museum und Ausstellung | 27 kulturland 4|16

Architektonische Vielfalt ganz nah Das Buch „Baudenkmäler im Oldenburger Land“ erscheint in Kürze Von Sabrina Kolata

as Oldenburger Land hat architektonisch viel Auswahl der hiesigen Fülle von Denkmälern über Kurztexte zu bieten. Das neu entstandene Werk „Bau- und Farbabbildungen vor. denkmäler im Oldenburger Land“ mit beinahe Über vier Jahre brauchte das Buch, um von der Idee in den 750 Objekten zeigt die große Bandbreite his- Druck zu kommen. Die Initiative, den alten sogenannten „Bau- torischer Bausubstanz in dieser Region und denkmalführer“ neu herauszubringen, entstand in der Ar- kommt in Kürze auf den Markt. Entstanden beitsgemeinschaft Baudenkmalpflege im Hause der Oldenbur- ist es auf der Grundlage eines älteren, viel genutzten Buches, gischen Landschaft. Es entwickelte sich ein großer Kreis von das bereits den gleichen Titel trug. Das neue, völlig überarbei- Autoren, der schließlich an die 25 Mitwirkende umfasste, sodass Dtete Überblickswerk bietet viel Wissenswertes und stellt eine ein beachtliches Wissen aus unterschiedlichen Fachgebieten

28 | Baudenkmal kulturland 4|16

Von links: Palais Rastede. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven. Fassade der Nordwolle Delmenhorst. Fotos: Stefan Klink

zusammenkam. Nun finden sich im neuen Werk Kirchen und Kapellen, denburger Bahnhofs. Historische Bauten sind Zeugnisse der Burgen, Schlösser, Herrenhäuser, öffentliche Bauten, Banken, Büro- Geschichte. Sie verkörpern eine Funktion und mussten stets gebäude und Bauten des Gastgewerbes, ländliche Bauten, Mühlen, verschiedenen Ansprüchen gerecht werden – so auch heute Bauten der Technik und des Verkehrs, der Industrie und Produktion noch. Die Anforderungen wandeln sich und so stehen oftmals sowie Gärten, Parks, Friedhöfe, Alleen, Denk- und Erinnerungsmale. neue Ansprüche im Hinblick auf Modernität und Wirtschaft- Mit großem Engagement sind die Autoren das Oldenburger Land lichkeit im Raum. Diesen gilt es mit der Bereitschaft zu begeg- abgefahren, haben Texte verfasst und Bauwerke fotografiert. Darüber nen, die Besonderheit historischer Bausubstanz zu bewahren hinaus wurde in zahlreichen Arbeitssitzungen über Konzept und und gegebenenfalls Kompromisse zu finden. Doch um die Inhalt des Buches diskutiert, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzie­ Besonderheit des baulichen Erbes hier in der Region zu wissen, len. Alle Beteiligten legten einen bemerkenswerten ehrenamtlichen ist sicherlich der erste Schritt. Es ist die Intention des neuen Einsatz an den Tag, teilweise sogar noch neben dem vollen Berufs- Buches, dieses Wissen überblickhaft und in jeweils kurzer alltag oder trotz anderer großer Projekte. Hierfür sei an dieser Stelle prägnanter Form zu vermitteln. noch einmal ganz herzlich gedankt! Ein umfangreiches Fachwortverzeichnis macht das Archi- Während der Bearbeitungsdauer gab es in der Öffentlichkeit so tekturbuch für alle Interessierten zugänglich. Eine große manchen Streit und manche Diskussion um einige bedeutende Bau- eingelegte Faltkarte dient der Orientierung. Gedruckt wird denkmäler. Zu nennen wären hier die Wilhelmshavener Südzentrale, das Buch „Baudenkmäler im Oldenburger Land“ im Brune- der Braker Bahnhof, die Cäcilienbrücke sowie die Gleishalle des Ol- Mettcker-Verlag.

Baudenkmal | 29 kulturland 4|16

Miteinander die Stadtmuseen gestalten Neue Amtsleiterin setzt auf Dialog mit den Bürgern

m September hat Dr. Nicole Deufel die Nachfolge von Dr. Friedrich Scheele als neue Leiterin des Amtes für Museen, Sammlungen und Kunsthäuser in Oldenburg angetreten. Damit trägt sie Verantwortung für fünf tra- gende kulturelle Säulen unserer Stadt: Das Horst-Janssen- Museum, das Stadtmuseum, das Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, die Artothek und das Stadtarchiv. Die in Süd- deutschland geborene 42-jährige Expertin bringt internatio­ Inale Erfahrungen und vielseitige Qualifikationen mit. Gerade auch ihr „Blick von Außen“ soll dazu beitragen, die Stadtmu- seen mit frischen Impulsen in die Zukunft zu tragen.

Frau Dr. Deufel – Sie kommen sozusagen direkt aus den schottischen Highlands. Das klingt nach nebelverhangenen Landschaften, Single Malt und Legenden. Stimmt (sie lacht). Ich habe die Highlands auf einer Kultur­ reise kennengelernt und war begeistert! Da ich gerade im Um- bruch war und nach meinem langjährigen Aufenthalt in den USA ohnehin wieder nach Europa wollte, dachte ich mir: „Da ziehe ich hin.“

Sie haben erst Kunst in den Vereinigten Staaten studiert und anschließend noch in London am University College, einer der angesehendsten Universtitäten der Welt, in der Fachrich- tung „Heritage Studies“ promoviert. Was ist darunter zu verstehen? „Heritage Studies“ beschäftigt sich damit, wie Kulturerbe ent- steht und was es im Leben der Menschen bedeutet. Meine Doktorarbeit habe ich zum Thema Kulturinterpretation ge- schrieben, also die Präsentation und Darstellung von Kultur- erbe. Interpretation ist das zentrale Thema für jedes Museum und jede Kulturstätte und darin liegt meine Qualifikation.

Sie bringen aber auch internationale Praxiserfahrungen Attraktiver Arbeitsplatz: mit … Dr. Nicole Deufel hat Welche Unterschiede konnten Sie Ja, schon in den USA habe ich im musealen Bereich gearbeitet. ihr Büro in den histori- schen Villen von Theodor im Vergleich zu deutschen Museen Später dann, in Schottland, war ich in Midlothian bei Edin- Francksen bezogen. Sie feststellen? burgh für eine Unternehmensberatung tätig, die Kulturstätten möchte die Oldenburger Ich glaube, die Ausrichtung auf Be- und Museen in ganz Großbritannien betreut. Zum Beispiel Stadtmuseen noch stärker sucher ist in Großbritannien einfach die schottischen Nationalgalerien oder die bekannte Abtei- auf Besucherwünsche viel stärker. Dort sind die Museen für ausrichten. Foto: Karin kirche Bath Abbey. Ich habe mich dort mit Aufgaben der Pro- Peters die Besucher und die „community“ jektentwicklung, Finanzplanung und Wirkungsforschung da – deren Vorstellungen und Wün- beschäftigt. sche sind wichtiger, als museums­ eigene Ziele durchzusetzen. Deshalb

30 | Interview kulturland 4|16 werden Entscheidungen in der Regel auch auf der Basis von für den ich in meiner ersten Zeit als Learning Manager tätig Besucherumfragen getroffen. Hier, in Deutschland, scheint war. So schließen sich die Kreise. der Bildungsauftrag für Museen immer noch das Wichtigste zu sein, fachliches Wissen steht im Vordergrund. Das zeigt Wie liefen die ersten Kontakte mit den Leitern und sich auch bei den Stellenausschreibungen im Anforderungs- Mitarbeitern der fünf Häuser? profil für das Museumspersonal. Alle, die ich getroffen habe, sind sehr engagiert, und es ist ihnen wirklich wichtig, was hier passiert. Wir hatten schon viele San Fransisco, Midlothian und jetzt Oldenburg. Was hat Besprechungen, viel Austausch. Es gibt hier ein ganz tolles Sie dazu bewogen? Team. Es ist mir sehr wichtig, dass alle Häuser strategisch Nach zwanzig Jahren im Ausland hat sich abgezeichnet, zusammenarbeiten und dass wir einander unterstützen können. dass ich doch gern nach Deutschland zurückkehren möchte. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten, auch mal thematisch Ich bin in Albstadt in Baden-Württemberg geboren, da lebt übergreifend zu agieren. auch der größte Teil meiner Familie. Aber ich habe auch hier oben in Norddeutschland einige Verbindungen. Die ausge- Gibt es bereits Lösungsansätze, wie Sie die Oldenburger schriebene Stelle in Oldenburg hat dann den Ausschlag ge- Stadtmuseen nach vorn bringen wollen? geben. Bei meinen ersten Besuchen musste ich mich natür- Das ist eine Teamaufgabe, so wie eigentlich alles bei uns. Ideen lich fragen, ob ich mir vorstellen kann, an diesem Ort zu haben wir viele, aber wir stehen noch ganz am Anfang dieses leben. Ich hatte gleich einen tollen Eindruck. Als alte Resi- Prozesses. Für das Stadtmuseum steht jetzt erst mal die Bür- denzstadt hat Oldenburg kulturell einfach sehr, sehr viel gerbefragung an. Das Bürgerbüro hat bereits über tausend Ein- zu bieten. ladungen nach dem Zufallsprinzip verschickt.

Und wie sind die Vorstellungsgespräche im Stadtmuseum Wie wird diese Bürgerbefragung ablaufen? gelaufen? Anfang Dezember gibt es eine Fachkonferenz mit Vertretern Eine Frage, an die ich mich erinnere und die ich sehr schön aus Museen, Politik, Verwaltung und Kulturschaffenden. fand, war zur Integration von Flüchtlingen. Es wurde deutlich Mit deren Impulsen startet am zweiten Tag das sogenannte gemacht, dass es eine Integrationsaufgabe in Deutschland Stadtlabor im Stadtmuseum. Hier haben die geladenen Bür- und auch in Oldenburg gibt. Dass gewünscht ist, dass die Stadt- ger dann Gelegenheit, in Gruppen und Workshops zu dis­ museen dabei ein Rolle spielen. Und das ist mir persönlich kutieren, was das Stadtmuseum für sie sein soll, wie sie es sehr wichtig. Die Rolle von Kultur bei der Integration von Fücht- aktuell erleben, was ihnen gefällt oder fehlt und wie wir es lingen und Migranten. gemeinsam weiterentwickeln könnten. Die Ergebnisse werden anschließend reflektiert und fließen dann in die weiteren Am 19. September haben Sie nun offiziell Ihr neues Amt in Planungen ein. Oldenburg angetreten. Eine erste Bestandsaufnahme? Im Detail kann ich noch nicht viel sagen, dazu fehlen mir noch Ist das eine einmalige Aktion oder sollen die Oldenburger objektive Analysen. Fest steht, die Besucherzahlen im Horst- öfter einbezogen werden? Janssen-Museum und zum Teil auch im Stadtmuseum sind Auf jeden Fall. Die Interaktion, der Dialog mit den Bürgern, rückläufig. Aber sie schwanken auch, je nachdem, welche Aus- wird ein fester Bestandteil meiner Arbeit sein. Ich wünsche stellung gerade läuft. Dass hier etwas getan werden muss, ist mir, dass die Oldenburger sich in ihren Museen wiederfinden, offensichtlich. Deshalb wurde das Projekt zur Neustruktierung dass sie das Gefühl haben, sie können etwas dazu beitragen, des Stadtmuseums ja auch bereits in die Wege geleitet, noch dass es „ihr“ Museum ist. Es geht um ihre Stadt. Und wir bevor ich überhaupt angefangen habe. Das wird auch erst mal schrei­ben gemeinsam die Stadtgeschichte weiter. die größte Aufgabe sein. Wo und wie wären Sie denn ansprechbar? Theodor Francksen – Horst Janssen – Edith Russ: Welchen Am einfachsten per Mail unter [email protected] Bezug haben Sie zu diesen doch sehr unterschiedlichen oder per Post: Stadt Oldenburg, Am Stadtmuseum 4–8, Sammlungen? 26121 Oldenburg. Ich freue mich immer über Anregungen von In den USA habe ich meinen Master in „Interdisciplinary Arts“ Bürgerinnen und Bürgern, etwa zu Themen, die wir bearbei- gemacht, das ist vergleichbar mit einem Medienkunst-Studien- ten sollten, oder zu Orten, die wir uns mal ansehen sollten. gang. Insofern freue ich mich sehr, hier die Verantwortung für Kurz: Zu allem, was die Stadt Oldenburg und das Leben hier ein Haus der Medienkunst zu haben. Horst Janssen finde ich ausmacht. als zeitgenössischen Künstler und Persönlichkeit total span- nend. Und die Villen von Theodor Francksen erinnern mich Das Gespräch führte Karin Peters sehr an die historischen, oft noch original möblierten Gebäu- de, für die der National Trust for Scotland zuständig ist und

Interview | 31 kulturland 4|16

Wie ein Erbe erfolgreich der Allgemeinheit dient Die „Jaspers-Hochkamp-Stiftung“ in Westerstede

Von Günter Alvensleben

it Erbschaften und Erbschaftsangelegenheiten ist es oft so eine Sache. Doch wenn alles gut geht und der Erbschaftszweck zu sichtbaren, positiven Ergebnissen führt, wie derzeit in der Kreisstadt Westerstede, dann gibt es Anlass, auf die beispielhafte Verwirklichung einer Erbschaftsvorgabe stolz zu sein. Zweifellos ist die Erhaltung und Restaurierung des etwa aus dem Jahre 1898 stammenden Hofes Hochkamp („Jaspers-Hof“) mit seinen Gebäuden und ehemals land- Mwirtschaftlich genutzten Flächen gelungen, denn die gemäß der Erbschafts- bestimmung gegründete „Jaspers-Hochkamp-Stiftung“ hat bisher vorbild- liche Arbeit geleistet und beachtenswerte Initiativen angestoßen. war. Doch sie gab die Landwirtschaft auf und Aber bis dahin war es zunächst ein weiter, wechselvoller Weg durch die verpachtete zeitweilig die Wirtschaftsgebäude Geschichte. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war der auf einem Geestrücken und die Ländereien. Sie starb 2004 im Alter von gelegene südwestliche Bereich der Gemeinde Westerstede nicht bebaut. Der 78 Jahren und vermachte ihren Besitz, ihr Ver- „Hochkamp“-Bereich rückte als Besiedlungsland erst ins Blickfeld, nach- mögen der Stadt Westerstede, allerdings mit der dem sich Händler und Kaufmannsfamilien aus dem Württembergischen Auflage, auf und für ihren Hof innerhalb von und aus dem Rheinland in Westerstede niedergelassen oder ihr Geld in drei Jahren eine Stiftung zu errichten. Immobilien angelegt hatten. Da war zunächst die Familie Mayer, die sich Die Stadt Westerstede nahm das Erbe, dazu über mehrere Generationen unter anderem als Schlachter, Salz- und Getreide- gehörten die Gebäude (Wohnhaus und Wirt- händler, Bierbrauer und Landwirte in Westerstede einen guten Ruf erwor- schaftsgebäude) und die dazugehörigen Grund- ben hatte. Fritz Mayer (3. Generation) veräußerte seine im Westersteder stücke von fast 14 Hektar Größe, an. In der vom Ortskern gelegenen Lager und Werkstätten (heute Bereich Hotel Voss) und Rat der Stadt fristgerecht beschlossenen Satzung baute im Hochkamp ein neues „Platzgebäude“ (Bauernhof), eine Haus- zur „Jaspers-Hochkamp-Stiftung“ wurde be- mannsstelle, zu der seinerzeit 45 Hektar Land gehörten. In der Gemeinde- stimmt, dass die unselbstständige und selbstlos chronik findet sich dazu die Eintragung „Hof des Hausmanns Mayer“. tätige Stiftung von der Stadt Westerstede vertre- Aber auch ein Kaufmann und Industrieller aus dem Rheinland, aus Bonn, ten wird. Sie hat den unmittelbaren und aus- Johann Heinrich (Jean) Balthazar, der im Rheinischen und Mitteldeutschen schließlichen Zweck, die Unterhaltung einer Gar- an Kohle- und Kalibergwerken beteiligt war, fand an Westerstede Interesse tenanlage nach Art eines Landschaftsgartens und erwarb nicht nur Ländereien, sondern erbaute und sicherte einige Güter zu fördern und unter Einschluss der Gebäude im süd- und nordwestlichen Gemeindegebiet. 1918 übernahm er die Haus- die bildende und darstellende Kunst wie auch die mannsstelle Mayer im Hochkamp und errichtete hier 1919 ein neues, hoch- Gartenkunst unter besonderer Hervorhebung wertiges Gebäudeensemble. Sein Sohn August setzte nach dessen Tod des ländlich-bürgerlichen und bäuerlichen Gar- (1926) die Aktivitäten des Vaters fort, veräußerte aber auch Landflächen an tens zu unterstützen. die Gemeinde Westerstede. Zum Bereich der „Jaspers-Hochkamp-Stiftung“ Johann Heinrich Jaspers, Verwalter der Baltharz’schen Güter und Lände- gehören insgesamt 5,6 Hektar Fläche. Die Bemü- reien sowohl bei Jean Balthazar als auch bei dessen Sohn August, kaufte hungen der Stadt beziehungsweise der Stiftung, 1931 das Anwesen im Hochkamp mit den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden den Gebäudekomplex, dessen Bausubstanz sich und den Ländereien. Da seine beiden Töchter unverheiratet blieben, ging in einem recht guten Zustand (Baujahr 1919) be- das gesamte Hofensemble nach seinem Tod im Jahre 1962 in den Besitz der fand, im Urzustand zu erhalten und zu restaurie- Tochter Gertrud Dorothea über, die im elterlichen Betrieb tätig gewesen ren, sind inzwischen recht erfolgreich verlaufen.

32 | Historisches kulturland 4|16

Linke Seite oben: Der Jas- pers-Hof vor Jahrzehnten: Das Hauptgebäude ver- steckt hinter viel Grün. Foto: Stadtarchiv Wester­ stede

Linke Seite unten: Der Jas- pers-Hof heute – der helle, freundliche Eingangsbe- reich des Hauptgebäudes erwartet die Besucher. Foto: Günter Alvensleben

Links: Das historisch aus- gestattete Trauzimmer in einem der im Hauptge- bäude renovierten Räume. Foto: Günter Alvensleben

Unten links: Nicht wieder- zuerkennen – der ehemali- ge Stallbereich wurde für Veranstaltungszwecke umgestaltet. Foto: Günter Alvensleben

Unten rechts: Der vom „Küchengarten-Jaspershof- Verein“ gestaltete „Küchen­ garten“ im Blumenschmuck. Foto: Günter Alvensleben

Ein annähernd siebenstelliger Betrag wurde bis- garten und der mit viel Fachwissen und Fantasie von ehrenamtlichen Hel- her investiert, eine Summe, die aus dem Erlös fern angelegte 0,3 Hektar große Küchengarten zu erkennen. Der „Küchen- von zur Erbschaft gehörendem Bauland und aus garten-Jaspershof-Verein“, der auch die Remise betreut, hat hier bereits ein Sondermitteln eines EU-Programms zur Verfü- wahres Paradies geschaffen. Aber die Stiftung hat noch viel vor. Im Parallel- gung gestellt werden konnte. Das Hauptgebäude gebäude, in der ehemaligen Scheune, soll ein technisch modern ausge- mit dem ehemaligen Stall erhielt ein neues Dach, statteter Festsaal nach Möglichkeit mit Bewirtung und Cafébetrieb ent- der Stall wurde für kulturelle Veranstaltungen stehen.Im Hinblick auf die für das Jahr 2018 anstehende „RHODO“ (Europas und öffentliche soziale Zwecke hergerichtet und größte Rhododendronschau) ist auch die Einrichtung eines Landschafts­ diverse Räumlichkeiten im Erd- und Oberge- informationszentrums vorgesehen. Im Freigelände ist noch Raum für eine schoss erfuhren ebenfalls eine sorgfältige Restau- Festwiese und für eine Teichanlage; an dem das Gelände durchfließende rierung. Sehenswert ist vor allem das historisch Bachlauf soll eine begleitende Obstbaumwiese entstehen. Sorgfältig ange- ausgestattete Trauzimmer, an dessen Decke wie- legte, dem ländlichen Erscheinungsbild des Jaspers-Hochkamp-Geländes der die Originalbemalung bewundert werden angepasste Parkplätze stehen den Besuchern bereits zur Verfügung. Insge- kann. Und der Hof lebt, denn hier sind neben samt werden wohl noch einmal erhebliche Investitionen anfallen; aber sie dem Trauzimmer das Stadtarchiv, die Kostüm- sind hier mit Sicherheit vorbildlich und nachhaltig angelegt. schneiderei der Freilichttheatergemeinschaft Mit dem im Volksmund als „Jaspers-Hof“ bekannten Hochkamp-Ensem- Westerstede und der Paritätische Wohlfahrtsver- ble, mit der im Ortszentrum gelegenen, von der Stadt hergerichteten und band Wilhelmshaven als Mieter zu Hause. Auch von verschiedenen sozialen Einrichtungen genutzten „Apothekervilla“ und die Außenfront zeigt sich einschließlich Fenster, mit dem einzigartig restaurierten als Gasthaus bekannten „Krömerei“- Türen und Eingangsbereich jetzt von einer ein- Ensemble (Privatinitiative) kann die Kreisstadt Westerstede jetzt mit einer ladenden Seite. weiteren historisch-kulturell wertvollen Einrichtung aufwarten. Und draußen, im weiträumigen Freigelände, sind inzwischen ein landschaftsgerechter Bauern-

Historisches | 33 kulturland 4|16

Warum Märchen wirklich wahr sind … Gespräch mit Sabine Lutkat, Präsidentin der Europäischen Märchengesellschaft e. V. Von Karin Peters (Text und Fotos)

Hänsel und Gretel, der Froschkönig, Begegnungen erzählen. Sie sind Dornröschen, Frau Holle – fast jeder leicht verständlich und einfach kennt sie noch aus der Kinderzeit, strukturiert: Es gibt Gut und Böse, diese wunder­baren Geschichten von Arm und Reich, Schön und Hässlich. bösen Hexen, guten Feen und ver- Und zumindest in den Volksmär- zauberten Prinzen. Märchen sind chen siegt am Ende verlässlich das aber weit mehr als spannende Fan- Gute. tasiegeschichten. Ihre Schönheit, Solche Geschichten faszinieren Weisheit und Wahrheit hat uns auch seit ewigen Zei­ten. Sie gehören zu heute noch viel zu sagen. Diesen den ältesten mündlichen Überlie- jahrtausendealten Kulturschatz zu ferungen der Menschheit. „Wahr- Sabine Lutkat, Präsidentin erhalten, hat sich die Europäische scheinlich haben wir uns schon in der Europäischen Märchen- Märchengesellschaft zur Aufgabe der Steinzeit Märchen erzählt“, sagt gesellschaft e. V. gemacht. Allen voran deren Präsi- die Oldenburgerin und schmunzelt. Rechts: Märchen vorlesen dentin Sabine Lutkat aus Oldenburg. Im Unterschied zu Kunstmärchen, oder erzählen bedeutet Nein, wie eine „Märchentante“ die zumeist aus der Epoche der Ro- auch eine intensive Form der Zuwendung. Wie hier, wirkt sie nicht. Sabine Lutkat hat mantik stammen und von bestimmten Autoren verfasst wur- auf der KIBUM in Oldenburg. Erziehungswissenschaften, Germa- den, liegt der Ursprung echter Volksmärchen irgendwo im nistik und Psychologie studiert – Nebel der Vergangenheit. Sie wurden in einer Zeit, in der die beste Voraussetzungen für ein Fachgebiet, das alles andere als meisten Menschen weder schreiben noch lesen konnten, von „Kinderkram“ ist: Märchen. Ihr Terminkalender ist randvoll. Mund zu Mund, von Generation zu Generation weitergegeben Als Präsidentin der in Bent­lage/Westfalen sitzenden Europäi- und dabei immer wieder ein bisschen verändert. „Wie ein schen Märchengesellschaft ist sie in ganz Deutschland auf Edelstein, der geschliffen wird … Was überflüssig ist, fällt Reisen. Immerhin bietet ihr Verein, einer der größten literari- weg. Und was allgemeingültig ist und allen Menschen etwas schen Gesellschaften, jährlich mehr als 60 Seminare zum sagt, bleibt erhalten.“ Thema Märchenkunde und Erzählförderung an. Dazu inter- Für Sabine Lutkat sind Märchen Geschichten, die – in Bil- nationale Kongresse und Fachtagungen. Ziel ist es, die Mär- dern und Symbolen – Wahrheiten über das Leben erzählen. chenforschung zu unterstützen, das Märchengut aller Völker Und: „Märchen sind alles andere als rosa Zuckerguss!“ Viel- zu pflegen und damit letztendlich auch zur Verständigung der mehr würden sie das gesamte Spektrum menschlicher Erfah- Menschen untereinander beizutragen. Denn, so Lutkat, „wer rungen spiegeln, mit allen Höhen und Tiefen. Da ginge es um sich mit Märchen beschäftigt, wird entdecken, dass sie über- Freundschaft und Liebe, Sehnsüchte und Wünsche – aber all in Europa, ja in der Welt, ähnlich und verwandt sind – weil auch um Sorgen, Ängste, Hass und Gewalt. „Es gibt kein grund- auch wir Menschen, bei allen Unterschieden zwischen Kultu- legendes Lebensthema, das nicht in Märchen aufgegriffen ren, Völkern und Individuen, uns einander ähnlich sind“. wird“, so ihre Überzeugung. Wie im wahren Leben falle das Glück den Heldinnen und Kein rosa Zuckerguss Helden nicht einfach in den Schoß. „Die Botschaft lautet ja Aber was sind „Märchen“ überhaupt und was macht ihren nicht: Setz Dich hin und alles wird gut. Sondern die Märchen ganz besonderen Zauber aus? Ganz allgemein gesagt, sind sagen schon auch: Du musst Dich mit dunklen Dingen aus­ Märchen frei erfundene Erzählungen, die von wundersamen einandersetzen. Dich sozusagen am Leben abarbeiten.“ Ob

34 | Historisches kulturland 4|16

Sie bemerkten das allmähliche Verschwinden der Erzähltradition und ha- ben die alten Volksmärchen gesammelt, aufgeschrieben und „kindgerecht“ verändert. Heraus kam die wohl bekannteste Märchensammlung der Welt. Grimms „Kinder- und Hausmärchen“, erstmals 1812 in Berlin erschienen, liegen heute in über 170 Sprachen übersetzt vor und sind neben der Luther- bibel das am weitesten verbreitete Buch der deutschen Kulturgeschichte. Dennoch waren Märchen nicht immer unumstritten. In den 1970er-Jahren galten sie als geradezu verpönt, aggressiv und frauenfeindlich, weiß die Präsidentin. Und zudem für Kinder­ohren viel zu grausam. Damals habe es einen Trend gegeben, alles Bedrohliche von Kindern fern zu halten, sie in rosa Watte zu packen. „Es gibt auch heute noch Leute, die meinen, Märchen würden Kindern Angst machen“, erklärt sie, „aber das stimmt nicht. Die Angst gehört zum menschlichen Leben.“ Das Tolle an den Märchen sei – nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene – sie geben unseren Ängsten Bilder und somit eine Chance, sich mit ihnen auseinanderzuset- zen. Das Volksmärchen male ja, im Gegensatz zu vielen Kunstmärchen, nicht im Detail aus. Es gehe vielmehr darum, innere Bilder im Kopf entste- hen zu lassen, die auf den Boden der eigenen Erfahrungen fallen und sich damit verknüpfen. Märchen machen Mut Jedenfalls haben Märchen bis heute nichts von ihrer Kraft und Poesie verloren. Es sind aber nicht nur die Geschichten an sich, sondern es ist vor allem auch die Sprache, in der sie erzählt werden. „Märchensprache ist kei- ne Alltagssprache“, betont Lutkat. Allein schon der formelhafte Einstieg mit dem berühmten „Es war einmal“ wecke die Erwartung auf eine fantas- tische Reise in die Anderswelt, die man am Ende durch ein „Und wenn sie nicht gestorben sind …“ wieder auf gutem Wege verlassen könne. Außer- dem gebe es kaum abstrakte Worte: Statt „er war total verzweifelt“ heißt es eher „er setzte sich hin und weinte“. Die Inhalte werden also auf die Hand- lungsebene geholt. „Dadurch gewinnt das Märchen ganz viel an Bildaus- Schneewittchen, Hänsel und Gretel oder das tap- sagekraft und Tiefe.“ fere Schneiderlein, sie alle müssen sich auf den Und natürlich spielt es auch eine Rolle, wie Märchen präsentiert werden. Weg machen, viel Eigenverantwortung überneh- Die schönste Art und Weise ist und bleibt für die EMG-Präsidentin das Er- men und viele Gefahren bestehen. „Aber es gibt zählen. Besser noch als Vorlesen. „Da ist nicht die Trennwand des Buches eben auch immer wieder Hilfe“, betont Lutkat, zwischen uns. Ich bin mit meiner ganzen Gestik und Mimik dabei und „und diesen Grundoptimismus: Das Leben kann kann durch meine Stimme die Bilder entsprechend zum Klingen bringen.“ gelingen!“ Immer wieder stelle sie auf ihren Veranstaltungen fest, wie leicht die Leute auch heute noch mit Märchen zu erreichen seien. Sowohl Kinder als auch Ursprünglich Ratgeber für Erwachsene. „Sie spüren sofort, das hat was mit mir zu tun!“ Der Mensch Erwachsene hungere nach solchen Geschichten, die ihm ein bisschen das Leben erklä- ren und die eben auch Mut machen. Trotz allem Bösem, Schlimmem und Das klingt wie ein Wegweiser, eine Art „Anleitung Dunklem sagen sie einfach: „Gib nicht auf. Du bist nicht allein. Es hat einen zum Glücklichsein“ aus alten Zeiten. Tatsächlich Sinn.“ Zudem sei das Erzählen eine hochgradige Form von Zuwendung. waren Märchen ursprünglich für Erwachsene „Ich glaube, Eltern und Großeltern können ihren Kindern kein größeres gedacht, sozusagen als praktische Ratgeber in Geschenk machen, als sich mit ihnen hinzusetzen und Geschichten erzäh- allen Lebenslagen. Man saß beisammen und gab len. Das ist etwas ganz Besonderes!“ ihre Botschaft – auf mittelhochdeutsch „Mär“ – in geselliger Runde weiter. Kinder waren selbst- Weitere Infos zum Thema sowie das aktuelle Veranstaltungs­programm verständlich auch oft dabei. Aber erst im 19. Jahr- der Europäischen Märchengesellschaft im Internet unter: hundert, so Lutkat, rückten sie als Zielgruppe in www.maerchen-emg.de. den Mittelpunkt. Maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt waren die Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm.

Historisches | 35 kulturland 4|16

Oldenburg und die „Operation Schwalbe“ Von Hans-Ulrich Minke gefördert durch die oldenburgische landschaft

m September haben die Arbeitsgemeinschaft Vertriebene der Oldenburgischen Land- schaft und das Stadtmuseum Oldenburg in gut besuchten Vorträgen und mit einer Aus- stellung an die „Operation Schwalbe“ erin- nert, durch die 1946/47 alleine 65.000 Schle- sier ins Oldenburger Land kamen – zu den vielen, die darüber hinaus Zuflucht und Lebensmöglich- Ikeit in Oldenburg suchten. Landtagspräsident a. D. Horst Milde berichtete in seinem Referat über die alliierten Konferenzen, die sich schon vor Kriegsende mit der Zukunft des besiegten Deutschland beschäftigten und auf denen Stalin die Westverschiebung Polens an Oder und Neiße forderte – eine Forderung im Übrigen, die in Polen bereits in der Vergangenheit formuliert worden war. Jedenfalls wurde auf der Potsdamer Konferenz am 2. August 1945 protokolliert, dass die „Überführung“ der Deutschen in „ordnungsge- mäßer und humaner Weise“ erfolgen sollte – und Ein im Oldenburger Land angekommener Vertriebenentransport 1946. das obwohl die Wirklichkeit 1945 anders aussah Foto: Stadtmuseum Oldenburg und „wilde Vertreibungen“ (Aktion Honigbiene) und Flucht vor Drangsalierungen an der Tages- ordnung waren. mehr als 500 Reichsmark am Bahnhof einzufinden, wo man Die britische Militärregierung verlangte darauf- nach meist „gründlichen“ Kontrollen in Güterwagen nach hin für 1946 für ihre Besatzungszone, die neben Stettin befördert, und dort in Lagern untergebracht, mit DDT der russischen Zielregion für die Aussiedlung, die desinfiziert und entlaust wurde. Die Vertriebenen wuden dann sogenannte „Überführung“ der deutschen Bevöl- oft nach langen Wartezeiten den Briten übergeben. Sie ließen kerung war, organisierte, abgesprochene Trans- sie entweder per Schiff nach Travemünde oder per Bahn durch porte. Am 14. Februar 1946 vereinbarte man die Mecklenburg nach Bad Segeberg – also nach Schleswig-Hol- Modalitäten mit den polnischen Vertretern beim stein – bringen. Kontrollrat. Danach sollte für den Nordteil der Die Verhältnisse in Schlesien glichen denen im Norden. deutschen Ostgebiete im bereits polnisch verwal- Hier war – wie bereits genannt – das schlesische Kohlfurt, wo teten Stettin das Auffang- und Sammellager sein, eine britische Kommission stationiert war, Sammelort der für Schlesien zunächst Kohlfurt, ein Bahnkno- abgehenden Transporte. Erst in Marien­tal fand die endgültige tenpunkt westlich von Liegnitz, und endgültig Übernahme statt. Zur Durchführung der Transporte hatte Mariental – ein Ort nördlich von Helmstedt in Polen neun Güterzüge mit jeweils 55 Waggons bereitgestellt – der britischen Zone. in der Regel Vieh- und Kohletransportwaggons ohne sanitäre Auf dem Oldenburger Symposium im Stadt- Einrichtungen und ohne jegliche Kochmöglichkeit – für 30 museum berichteten Dr. Gisela Borchers über das Personen und auch mehr pro Waggon. Es überrascht deswegen nördliche Vertreibungsgebiet und Hans-Wolf- nicht, dass die Transportierten unter meist chaotischen Be- gang Pietsch über Schlesien. Die Ausweisung ging dingungen – oft ohne Verpflegung – die Fahrt nur mühsam in der Regel überall so vonstatten, dass dorf- und überstanden. Es kam durchaus vor – so berichten Augenzeu- stadtweise, aber auch straßenweise – meist sehr gen –, dass Verstorbene auf freier Strecke „entsorgt“ wurden. kurzfristig – die deutsche Wohnbevölkerung auf- Bei den Transporten wurde gegen die vereinbarten humani­ gefordert wurde, sich mit so viel Gepäck, wie tären Modalitäten gravierend verstoßen, was Fahrtdauer und man mit den Händen tragen konnte, und mit nicht Versorgung betrifft.

36 | Aus der Landschaft kulturland 4|16

So errechnete die britische Militärverwaltung, dass statis- Welche Situationen zu bewältigen waren, zeigt tisch im Allgemeinen pro Tag für jeden Vertriebenen zwischen ein Vorgang beim Jahreswechsel 1946/47, als der 33 und 38 Gramm Brot zur Verfügung standen – Verhältnisse, letzte gegen den ausdrücklichen Protest der briti- die auch die britische Presse beschäftigten und zu nachhaltigen schen Behörden am 2. Januar 1947 in Mariental Protesten führte, sodass die „Operation Schwalbe“ Mitte 1947 eintreffende Transport nach tagelanger Irrfahrt endgültig eingestellt wurde. bei klirrender Kälte in ungeheizten Waggons nach Die „Operation Schwalbe“ endete allerdings nicht mit Mari- Oldenburg weitergeleitet wurde, wo er am 8. Janu- ental. Hier verließen die Vertriebenen die polnischen Güter- ar in Ahlhorn eintraf. Um Heizung zu ermögli- züge, wurden registriert, medizinisch betreut, verpflegt und chen, hatte man den Zug zweigeteilt – freilich nur dann auf deutschen Zügen an Orte innerhalb der britischen mit begrenztem Erfolg. Die völlig unterkühlten Zone in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen weitertrans- und nur mangelhaft verpflegten Menschen wurden portiert. Auf diese Weise kamen etwa 43 Transporte ins Ol- auf Delmenhorst, Hude, Sandkrug, Wildeshau- denburger Land – etwa pro Transport 1500 Neubürger, insge- sen und Oldenburg verteilt. samt 65.000 Schlesier. Eine menschenwürdige Aufnahme und Derlei Vorkommnisse wie bei diesem Trans- Unterbringung war Aufgabe und Herausforderung, deren port signalisieren, welche Erlebnisse und Trau- Größe ergab sich daraus, dass etwa 50 Prozent davon Frauen mata die Vertriebenen in ihre neue Lebenswelt waren, 30 Prozent Kinder und nur 20 Prozent Männer, die mitbrachten, die sie bewältigen mussten, sollte fehlenden waren gefallen oder Kriegsgefangene. Keine Frage, ein Neuanfang gelingen. Unter diesen Gesichts- dass in dieser Situation Behörden und Zivilgesellschaft ge- punkten gehört die „Operation Schwalbe“ zur zwungen waren, jede sich bietende Gelegenheit der Unterbrin- deutschen Nachkriegsgeschichte – zum unerfreu- gung zu nutzen – privat und öffentlich in Notquartieren, Ba- lichen Thema Flucht und Vertreibung. racken und Sammellagern.

KOSTBAR 2017 – Ein Geschenk für die Umwelt Oldenburger Einkaufs- und Lebensstilkompass geht ins siebte Jahr

KOSTBAR ¤‚⁄‡ Red. Oberflächlich betrachtet ist KOSTBAR ein Und das offenbart der Blick unter die Oberflä- weiteres Gutscheinbuch. Aber wer die Macher des che: Es geht KOSTBAR darum zu zeigen, wie ein- Büchleins kennenlernt, die Menschen also, die fach es ist, anders zu konsumieren und zu leben. hinter dem Oldenburger Verein transfer stecken, Jede kleine Entscheidung, die jeder von uns jeden der weiß, dass der Blick nicht nur an der Ober­ Tag trifft, kann immer daran ausgerichtet sein, fläche hängen bleiben sollte. Für die stellvertre- ob sie dem Klimaschutz dient oder nicht. Um An- tende Vereinsvorsitzende Karin Rohé ist das Buch reize zu schaffen, diese alternativen Entschei- zum Beispiel ein sanfter Gradmesser dafür, wie dungen zu wählen, stellen die beteiligten Firmen REGIONAL. sich das Bewusstsein gegenüber der Umwelt ver- jeweils zwei Gutscheine für ihre Produkte oder Gutscheine BIO. aus Oldenburg ändert: „KOSTBAR ist ein gelungener Versuch, Dienstleistungen zur Verfügung. Darüber hinaus und umzu. FAIR. Wegweiser und Orientierungshilfe für ein umwelt- werden zahlreiche Initiativen aus Oldenburg vor- schonendes Handeln im Alltag zu sein.“ gestellt, die ebenfalls neue Wege für den eigenen Das zeigt schon der zweite Blick. Denn jedes Lebensstil aufzeigen. der 107 Unternehmen aus Oldenburg und dem Weil das Buch also vor allem ein Wegweiser mit Umland arbeitet nach den Kriterien regional, bio Zukunftscharakter ist, gehört die Oldenburgi- und/oder fair. Es geht also um Nachhaltigkeit, sche Landschaft neben der evangelisch-lutheri- darum, auch an die Auswirkungen für folgende schen Kirche in Oldenburg, der Stadt Oldenburg Generationen zu denken, wenn wir einkaufen, und anderen zu den Unterstützern des Projektes. essen gehen, uns neu einrichten, unterwegs sind oder Geld anlegen.

Aus der Landschaft | 37 kulturland 4|16

Neuer Blick auf eine vertraute Umgebung Dialog über einen ungewöhnlichen Landschaftsgarten

Von Norbert Ahlers

chaut man auf die Grodenlandschaft Dieser Sachverhalt ist insofern von Fotografie des Lothar-Meyer-Gym- zwischen Wapelersiel und Petersgro- Bedeutung, weil immer mehr Men- nasiums vorbereitet und ein Erzähl- den, so scheint man in eine inszenierte schen in der Region diese Groden- café, in dem die Geschichten vor Weite zu blicken. Inszeniert, weil tat- landschaft als Erholungsraum erle- Ort erzählt und gesammelt werden. sächlich die Grodenflächen von einer ben und nicht als Arbeitsraum. Bild- und Filmarbeiten sollen in ein überschaubaren Größe sind. Doch der Immer weniger Menschen arbeiten Archiv zusammengeführt werden, Blick des Betrachters scheint sich durch eine klu- unmittelbar in der Landwirtschaft und mit dem Vorstand des Heimat- ge Bepflanzung wie in einem Rahmen zu bewe- auf dem Feld, doch die Zahl der Er- vereins wurde auch schon über eine Sgen, so als könnte es hinter Bäumen und Strauch- holungssuchenden steigt von Jahr Kooperation verhandelt. Diese Ar- werk genauso aussehen. Selbst der Stadtrand von zu Jahr. Insofern ist ein neuer Blick beiten sind der Versuch einer ästhe- Varel bricht nicht jäh mit Bausiedlungen in dieses auf diese ungewöhnliche Landschaft tischen Vermittlung der Groden- Landschaftsbild, sondern verbirgt sich hinter am Jadebusen hilfreich. Vor diesem landschaft, die dem Blick auf das solch einem grünen Band. So gesehen ist der Gro- Hintergrund wird ein offenes Projekt scheinbar Selbstverständliche eine den nicht einfach nur eine landwirtschaftliche entwickelt, in dem ein neuer Blick neue Perspektive geben möchte. Es Nutzfläche, sondern eine Gartenlandschaft von auf diesen ungewöhnlichen Land- mag verwundern, doch im Grunde eigener Qualität und Geschichte. Was einmal schaftsgarten am Deich vermittelt ist es eine schlichte Tatsache, dass dem Meer mühsam abgetrotzt wurde, hat in einem werden möchte. So jedenfalls sieht der Groden zuvor Wattenmeer war Zeitraum von etwa 300 Jahren sukzessiv diese es eine Arbeitsgruppe innerhalb der und somit diese Landschaft nicht Gestalt gefunden. Mit anderen Worten: Über einen Gemeinschaft des Kunstraums im ohne diesen Zusammenhang verstan- langen Zeitraum ist hier eine Kulturlandschaft Zollamt am Vareler Hafen. Für das den und wertgeschätzt werden kann. gewachsen, die sich entsprechend der natürli- kommende Jahr wird eine am Thema Stimmt man dem zu, dann resultiert chen Möglichkeiten entwickeln konnte und nicht orientierte Fotoausstellung in Ko- daraus ein besonderer Anspruch auf nach dem Plan eines Landschaftsarchitekten. operation mit dem Seminarfach Landschaftsschutz. Begreift man

38 | Natur und Kunst kulturland 4|16

Links: Groden. Foto Helmut Wahmhoff

Rechts: Grodengeschichten (N. Ahlers).

Unten: Matthias Langer, Serie von 15 analogen Fotografien auf Positiv­ direktpapier, Baryt, Belich- tungszeit 1 min.

Groden. Zeichnung von Norbert Friebe.

Rechts unten: Matthias Langer, Wapelersiel, aus der Serie „Entschleierte Bil- der“.

diese Landschaft als Garten, so nutzt man ihn im gleichen Maße wie man ihn pflegt. Doch dieses Verständnis muss immer mehr ver- mittelt werden, je weniger Menschen im Groden unmittelbar arbeiten. Wer aber vor allem Erholung sucht, will einfach schnell diesen Ort errei- chen. Neue Straßenführungen, wie man sie plant, gefährden jedoch ge- rade diese faszinierende Landschaft. So soll über Kunst und Geschichte ein Dialog geführt werden, der für die Besonderheiten und die Zerbrech- lichkeit dieser Grodenlandschaft sensibilisieren und einen Raum für den Dialog über diesen bisher uner- kannten Garten eröffnen könnte. Jede und jeder, der Interesse an diesem Dialog hat, kann beim Kunstraum im Zollamt, am Hafen 1, 26316 Varel, oder auf der Internetseite kunstraum-dangast.jimdo.com Weiteres erfahren.

Natur und Kunst | 39 kulturland 4|16

a

40 | Land der Entdeckungen kulturland 4|16

b

Entdecktes Land Fotowettbewerb schließt Themenjahr 2016 ab

Red. 40 Partner im Weser-Ems-Gebiet haben ein Jahr lang Ver- Menschen dieser Region ermöglicht. Sie stehen damit in der anstaltungen aller Art zum Thema „Land der Entdeckungen“ Reihe der Themenjahre, die 2007 mit „Garten Eden“ in Ost- durchgeführt. Wie bereits in diesem Magazin berichtet, gab friesland begannen und sich bis heute vergrößerten und nun es ein breit gefächertes Angebot von Veranstaltungen, von das Emsland, die Grafschaft Bentheim, die gesamte Nordsee- Theateraufführungen über Ausstellungen bis hin zur Lyrik- küste und natürlich das gesamte Oldenburger Land umfass- werkstatt oder verschiedenen Exkursionen. Im Dezember 2016 ten. Zum Abschluss des diesjährigen Themenjahres wurde der enden die letzten Veranstaltungen, die das Kulturnetzwerk ausgelobte Fotowettbewerb prämiert. Weser-Ems initiiert hat. Es war gestartet mit dem Ziel, die Be- An dieser Stelle werden Ihnen nun die Gewinner des Foto- sonderheiten dieser Region hervorzuheben und neu zu ent- wettbewerbs zum Themenjahr vorgestellt. decken. Die vielfältigen Veranstaltungen zum „Land der Ent- Das ganze Jahr über waren Hobbyfotografen aufgerufen, deckungen“ haben einen neuen Blick auf das Land und die ihr schönstes Bild an die Koordinatoren des Kulturnetzwerks

Land der Entdeckungen | 41 kulturland 4|16

c

zu schicken, das die Besonderheiten und vor allem Schönheit der Region widerspiegelt. Mit über 70 Teilnehmern wurden dabei die Erwartungen nicht nur durch die Anzahl übertroffen, sondern vor allem durch die Vielzahl wunderbarer Aufnah- men. Die Entscheidung des Siegerfotos übernah- men die Bewohner und Besucher dieser Landstri- che selbst: Auf Facebook konnten die Menschen mittels des „Gefällt-mir“-Buttons abstimmen, und das Bild mit den meisten „Likes“ gewann den Hauptpreis. Außerdem wählte eine fachkundige Jury drei der schönsten Bilder aus. Die jeweils ersten drei Plätze gewannen: d 1. Preis: Gutschein für ein großformatiges Cewe-Acrylglasfoto Antje Fleßner mit „Frisia“ (Publikumspreis) 2. Preis: Gutschein für ein hochwertiges Cewe-Fotobuch und Karsten Mennenga mit „Wer steht hier Friedrich Musolf und Dominik Dietrich mit „Sonnenuntergang über Kopf?“ (Jurypreis) Ems-Jade-Kanal (Publikumspreis) und Martin C. Frebel mit „Sonnenauf- gang am Außenhafen Hooksiel“ (Jurypreis) 3. Preis: Gutschein für einen großen Cewe-Fotokalender 2017 Thomas Schwaak mit „Hafen Jemgum“ (Publikumspreis) und Jochen Beekhuis mit „Hoffmann-School-Brücke Spetzerfehn“ (Jurypreis)

42 | Land der Entdeckungen kulturland 4|16

a Martin C. Frebel mit „Sonnenaufgang am Außenhafen Hooksiel“ (2. Preis Jury)

b Karsten Mennenga mit „Wer steht hier Kopf?“ (1. Preis Jury­)

c Jochen Beekhuis mit „Hoffmann-School-Brücke Spetzerfehn“ (3. Preis Jury)

d Thomas Schwaak mit „Hafen Jemgum“ (3.Publi- kumspreis)

e Friedrich Musolf und Dominik Dietrich mit „Sonnenuntergang über Ems-Jade-Kanal (2.Publikumspreis)

f Antje Fleßner mit „Frisia“ e (1. Preis Publikum)

f

Land der Entdeckungen | 43 kulturland 4|16

Architekt August Georg Dinklage Ein Oldenburger plante und baute evangelische Kirchen im kaiserlichen Berlin

Von Hans-Martin Schutte (Text und Fotos)

m Jahr 1871 lebten in der neuen Reichshaupt- Drei Jahre später verließ er auf eigenen Antrag stadt Berlin auf einer Fläche von 59 Qua­drat­ den öffentlichen Dienst und war seitdem freibe- kilometern etwa eine Million Menschen. ruflich tätig. 1889 trat er als Partner in das Berliner Bis 1900 verdoppelte sich die Einwohnerzahl Architekturbüro Hans Grisebach (1848–1904) vor allem durch Zuwanderung auf fast zwei ein. Sein bekanntester Bau aus dieser Zeit ist die Millionen Einwohner. In hochverdichteten Hochbahnstation Schlesisches Tor in Berlin. Die Wohngebieten lebten die meisten Menschen unter Partnerschaft mit Grisebach endete 1901. unvorstellbaren sozialen Bedingungen. In dieser Am 1. Oktober 1901 gründete er in Berlin-Moa- IZeit entstanden zahlreiche neue – vor allem evan- bit zusammen mit dem 18 Jahre jüngeren Archi- gelische – Kirchengemeinden. Für diese mussten tekten Ernst Paulus als Partner ein „Atelier für in wenigen Jahrzehnten Kirchenbauten geschaf- Architectur“, das sich auf Kirchenbau speziali- fen werden. Diese sollten zugleich mit Gemein- sierte. 1904 trat in die Architektengemeinschaft deräumen und Pfarrhaus als Gemeindezentren in noch der Norweger Olaf Lilloe ein. Paulus und den neuen Stadtvierteln auch eine wichtige sozi­ Lilloe hatten vorher auch bei Grisebach gearbeitet. ale Aufgabe erfüllen. Die betrachteten Kirchenbauten wurden unter Diese Situation veranlasste den aus Oldenburg dem Namen dieser Architektengemeinschaft rea­li­ stammende Architekten August Georg Dinklage siert. Dabei muss offen bleiben, welchen Anteil in Berlin ein Architekturbüro mit dem Arbeits- am gemeinsamen Werk die jeweiligen Partner schwerpunkt Kirchenbau zu gründen. In zehn haben. Im Weiteren wird vereinfachend nur der Jahren, von 1901 bis 1911, plante und baute Dink­ Name Dinklage verwendet. lage in Berlin acht große evangelische Kirchen Die erste von Dinklage gebaute Kirche war die mit Gemeinderäumen und zwei weitere Gemein- 1904 geweihte Marthakirche in Berlin-Moabit. dezentren. Über die stadträumliche Einordnung Danach folgten weitere sieben Kirchenbauten. und die Architektur dieser Kirchenbauten soll an Außerdem errichtete er 1906 für die Heilands­ dieser Stelle berichtet werden. gemeinde in Moabit und 1911 für die Kapernaum- gemeinde in Wedding Pfarr- und Gemeindehäu- Lebensgang ser. Nur für die Heilige-Geist-Kirche erhielt das August Georg Dinklage wurde am 3. September Büro den Auftrag aufgrund eines gewonnenen 1849 in Oldenburg geboren. Seine Eltern lebten Wettbewerbs. Die übrigen Aufträge wurden wohl auf dem äußeren Damm, sein Vater war Rech- freihändig vergeben. Dabei dürften die Verbin- nungssteller im Großherzogtum. Nach dem Abi­ dungen Dinklages zu seiner ehemaligen Dienst- tur arbeitete Dinklage kurze Zeit im Büro des stelle hilfreich gewesen sein. Hofbaurats Ludwig Klingenberg (1840–1924) Im Jahr 1910 beendete Dinklage im Alter von in Oldenburg. Er nahm am Krieg 1870/71 teil. 61 Jahren wohl altersbedingt seine Tätigkeit. Bald Danach studierte er Architektur von 1872 bis darauf hat er vermutlich Berlin verlassen. Die 1873 an der Polytechnischen Schule in Hannover letzten drei Kirchen wurden erst nach seinem Aus- und von 1873 bis 1876 an der Bauakademie Ber- scheiden fertiggestellt. Das Büro wurde dann lin. Danach arbeitete er im preußischen Staats- von Paulus und Lilloe bis zum Ende des Ersten dienst im Dezernat für Kirchenbau des Minis­ Weltkriegs weitergeführt. teriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Das private Leben Dinklages liegt im Dunklen. Arbeiten. 1886 erhielt er den Titel Königlicher Ob er verheiratet war und ob es Verbindungen Regierungsbaumeister. zu seiner Familie in Oldenburg gab, ist nicht be-

44 | Architektur kulturland 4|16

Die Segenskirche (links) und die Marthakirche (unten), die nur eine Stra- ßenfront von 19 Metern hat, mussten als Hinter- hofkirchen gebaut werden.

kannt. Sein Sterbedatum ist ungewiss. Am 20. April 1920 trat er aus dem Architekten- und Ingenieur- verein zu Berlin aus. Dieses Datum wird fälschlich in der Literatur als sein Todesdatum genannt. 1924 war er noch in Magdeburg gemeldet, wo er vermutlich vor 1928 starb. Stadträumliche Lage der Kirchen und ihre Grundrissgestaltung Die Kirchen Dinklages lagen in der dichten Block- bebauung der Wohnungen. Die Grundstücke waren teuer. An den Bau freistehender Kirchen war zu dieser Zeit nicht mehr zu denken. Die Kir- chen mussten in die Straßenfluchten eingefügt werden. Auf beengten, oft ungünstig zugeschnit- tenen Flächen mit einer Größe von selten über 2.000 Quadratmetern sollten Kirchenräume mit 1.000 Sitzplätzen oder mehr entstehen. Diese Vorgabe war nur mit Emporen zu erfüllen, die manchmal zweistöckig oder auch an vier Seiten angeordnet wurden. Unter diesen Bedingungen war es für den Architekten eine anspruchsvolle

Architektur | 45 kulturland 4|16

Von links nach rechts: Die Erlöserkirche wurde eben- so wie die Adventskirche und die Reformationskirche nach Entwürfen von August Oetken ausgemalt. Am Prenzlauer Berg wurde die Adventskirche 1910/11 erbaut. Für die Heilige-Geist-Kir- che erhielt das Büro den Auftrag aufgrund eines gewonnenen Wettbe- werbs. Foto: Frithjof Stock- burger Die Reformationskirche aus Moabit nach einem Entwurf von Georg Schwarzkopf. Entwurfsaufgabe, ein Kirchengebäude mit einer gewissen Durch die Höhenbegrenzung drohten die Kirchenbauten in repräsentativen Wirkung im Stadtquartier zu schaffen. Außer­ den dichten Baublöcken „unterzugehen“. Mit der Wahl des dem waren die Gemeinden finanziell wenig leistungsfähig, so­ rotbraunen Backsteins und der architektonischen Gestaltung dass wirtschaftlich und zweckmäßig geplant werden musste. der Fassaden setzten sie sich aber deutlich von der umgeben- Für fünf der Kirchenbauten Dinklages standen Eckgrund- den Wohnbebauung ab. Vor allem die Kirchtürme waren von stücke an Straßenkreuzungen zur Verfügung. Dabei sind drei besonderer Bedeutung. Mit Höhen von 50 bis über 80 Metern dieser Kirchen mit ihrem Zugang auf die Spitze des Grund- ragten sie deutlich über die Traufhöhe hinaus und sind bis in stücks ausgerichtet. Die Osterkirche und die Erlöserkirche unsere Zeit städtebauliche Dominanten und Orientierungs- haben ihren Hauptzugang zu einer der kreuzenden Straßen. punkte in der Stadt. Besonders hervorzuheben ist der mehr- Die Marthakirche, die nur eine Straßenfront von 19 Metern hat, stufige, 78 Meter hohe Turm der Segenskirche: Auf quadrati- und die Segenskirche mussten als Hinterhofkirchen gebaut schem Grundriss, mehrfach abgestuft, folgt ein achteckiger werden. In den schmalen Straßenfronten konnten in diesen Aufsatz mit einer barocken geschwungenen Haube, darüber Fällen Pfarr- und Gemeindehaus untergebracht werden. Durch eine Laterne mit Spitzhelm. ein auffällig gestaltetes Tor in der Straßenflucht, das von der Straße einen Blick auf die Kirche erlaubt, erreicht man den Hof, Baustil an dem die Kirche liegt. Unter diesen Umständen musste die Im „Eisenacher Regulativ“ von 1861 wurde den Gemeinden Ausrichtung des Altarraumes nach Osten nebensächlich werden. empfohlen, bei der Wahl eines Baustils „die Würde des Kir- Der Gottesdienstraum im Blockinneren war in den meisten chenbaus am sichersten durch den Anschluss an die älteren Fällen über das Dach oder über eine frei stehende Seite der Kir- im Dienst der Kirche verwendeten Baustile, vorzugsweise die che zu beleuchten. Romanik und Gotik, zu erreichen“. Dinklage folgte dieser Im 19. Jahrhundert waren Regeln für Innenraumgestaltung Vorgabe weitgehend mit seinen Entwürfen und schuf Bauten und Architektur evangelischer Kirchen Gegenstand theore­- eines späten Historismus. Beispielgebend war vor allem die ­ti­scher Diskussionen. Die Entwürfe Dinklages wurden davon märkische Backsteingotik. In der Konstruktion wurden aber stark beeinflusst. Nach dem „Wiesbadener Programm“ von auch Stahl und Beton eingesetzt. Die Straßenfassade der Segens- 1891 sollten Chor und Schiff nicht mehr getrennt werden. Kan- kirche – ein Musterbeispiel des Eklektizismus – weist Elemente zel, Altar und die nach Osten verlegte Orgel sollten möglichst der Backsteingotik, des Barocks und der Renaissance auf. in einer Achse liegen. Daraus ergab sich eine Tendenz zu Zentralbauten.­ August Oetken Bei der Innenraumgestaltung der Dinklagischen Kirchen Architektur kam es zu einem Zusammenwirken zweier Oldenburger. Der Die Kirchenbauten waren in der Höhe begrenzt. Die aus feuer- in Oldenburg geborene Maler August Oetken (1868–1951) war polizeilichen Gründen in den Wohngebieten allgemein fest­ Anfang des 20. Jahrhunderts Professor für Ornamente und gesetzte Berliner Traufhöhe von 22 Metern musste auch von Dekoration an der Technischen Hochschule Berlin. Als jun- den Kirchenbauten eingehalten werden. So erklärt sich, dass ger Mann war er – wie fast 20 Jahre vorher Dinklage – im als Bauform fast ausschließlich Hallenkirchen oder Zentral- Architekturbüro Ludwig Klingenbergs in Oldenburg tätig. bauten entstanden. Die Basilikaform mit erhöhtem Mittelschiff Die gesamte Malerei in der Adventskirche, einschließlich kam unter diesen Bedingungen nicht in Betracht. der Fenstermalerei, ist das Werk Oetkens. Ebenso wurden

46 | Architektur kulturland 4|16

Höhe geteilt: im Erdgeschoss befindet sich der Gemeindesaal und im Obergeschoss der Kir- chenraum. In der Reformationskirche finden nur noch selten Gottesdienste statt, und die Galiläa- kirche wird heute als Ausstellungsraum genutzt. Zusammenfassung In nur knapp zehn Jahren, von 1902 bis 1911, plan- te und baute der aus Oldenburg stammende Ar- chitekt Georg August Dinklage acht Kirchen im Berlin der Kaiserzeit. Fast alle Bauten wurden jeweils in der unglaublich kurzen Bauzeit von etwas mehr als einem Jahr fertiggestellt. Heute die Reformations­kirche, die Osterkirche und die Erlöserkirche nach Ent- prägen die Kirchenbauten Dinklages noch im- würfen Oetkens ausgemalt. mer das Stadtbild einiger Arbeiterviertel der Gründerzeit. Die besondere baukünstleri- Kriegszerstörungen sche Leistung Dinklages lag darin, ein Kirchen- Alle acht Kirchen erlitten durch Bombenangriffe und Kampfhandlungen gebäude mit großer Sitzplatzzahl mit Pfarr- und am Ende des Krieges unterschiedlich schwere Schäden. Betroffen waren Gemeindehaus auf kleinen und ungünstig ge- vor allem Türme, Kirchendächer und das Innere der Gebäude. Schon im schnittenen Grundstücken auffällig in die enge Sommer 1945 begannen die Gemeinden mit der Trümmerbeseitigung und Blockbebauung einzufügen. Sicherungsarbeiten. Erstaunlich schnell, fast in allen Fällen schon zu Be- Alle acht Kirchenbauten Dinklages sind aus- ginn der Fünfzigerjahre, wurden die Kirchen wieder hergestellt. Dabei nahmslos in der Denkmalliste des Landes Berlin mussten aus finanziellen Gründen Kompromisse eingegangen und Verein- enthalten. Welchen Anteil Dinklage dabei in den fachungen vorgenommen werden. So wurde zum Beispiel bei der Refor- Architektengemeinschaften jeweils am Entwurf mationskirche der mit 82 Metern ursprünglich höchste Turm der Dinklage- und der Ausführung der acht Kirchenbauten im Kirchen auf 50 Meter verkürzt. Die Turmbekrönung der Osterkirche erhielt Einzelnen hatte, lässt sich heute nicht mehr mit anstelle von zwei schlanken spitzen Pyramidendächern ein flaches Walm- Sicherheit nachvollziehen. (Bei der Recherche dach, und bei der Marthakirche wurden die Kegeldächer ebenfalls durch in allen einschlägigen Berliner Archiven konnte flache Dächer ersetzt. sein Werknachlass nicht gefunden werden). Wenn Georg August Dinklage auch in der Bauge- Heutige Nutzung schichte als eigenständige Architektenpersön- Fast 100 Jahre nach der Errichtung der Kirchen wurde auf die stark schrump- lichkeit nicht besonders hervorgehoben wird, hat fenden Gemeinden reagiert. Bei der Adventskirche zum Beispiel wurden der aus Oldenburg stammende Architekt in Ber- unter den Emporen Gemeinderäume eingebaut und so der Kirchenraum auf lin ein beachtliches abgeschlossenes Werk der 500 Sitzplätze verkleinert. Ein besonders gelungenes Beispiel für die An- Baugeschichte des ersten Jahrzehnts des 20. Jahr- passung an den Bedarf ist die Marthakirche. Das Kirchenschiff wurde in der hunderts geschaffen.

Architektur | 47 kulturland 4|16

Binationales Geschichtsnetzwerk Wissenschaft auf den Spuren gemeinsamer Lebenswelten

Von Sarah-C. Siebert

Gebiet der regionalen Kultur und Geschichte zwischen Deutschland und den Niederlanden. Doch diese Initiative möchte einen Schritt weiter- gehen und die Zusammenarbeit weniger von einzelnen Individuen abhängig machen, sondern eine nachhaltige Struktur entwickeln. Projektleiter Dr. Marijn Molema, Historiker an der Fryske Akademy, koordiniert die gemein- samen Konferenzen und Workshops, pflegt die Webseite www.gesnet.eu und ist Ansprechpart- ner für die bisher vier kooperierenden Teilprojek- te. Die beteiligten Partner sind auf deutscher Seite das Emslandmuseum Lingen, die Emslän- dische Landschaft, die Ostfriesische Landschaft und auch die Oldenburgische Landschaft. Auf niederländischer Seite neben der genannten Fryske Akademy das Drents Archief und die Wadden­ m März 2016 gründete sich academie. Die Fryske Akademy ist ein Forschungs- das „Geschichtsnetzwerk/ zentrum in Leeuwarden, welches seine Forschung Geschiedenisnetwerk“ als der friesischen Sprache, Geschichte und Kultur zweisprachiges Gemein- sowie dem Zusammenleben in Friesland widmet. schaftsprojekt für die nördli- Das Drents Archief beherbergt die historischen chen Niederlande und den Dokumente der gesamten Provinz Drente. Die nordwestdeutschen Raum. Es wid- Waddenacademie hat das Ziel anwendbares und met sich der Geschichte und dem integrales Wissen über eine nachhaltige Ent- Ikulturellen Erbe in der Grenzregion wicklung des Küstengebietes zu erlangen und auf Oben: Junge Frau aus Lingen als Dienst- zwischen den Niederlanden und Basis eines interdisziplinären Wissensaustau- mädchen in Holland mit holländischen Deutschland. Es ging hervor aus ei- sches nachhaltige und innovative Lösungsansätze Freundinnen (gestelltes Erinnerungsfoto nem Historikertreffen im Jahr 2014, zu entwickeln. in „Holländischer Tracht“, um 1925). Foto: Emslandmuseum Lingen bei dem die nachhaltige Zusammen- Durch das Organisieren von gemeinschaftli- arbeit beschlossen wurde. Zwei Jahre chen Aktivitäten und Forschungsprojekten wer- Unten: Marijn Molema (Fryske Academy) erhält die Förderzusage für das Projekt darauf wurde die Förderung durch den Personen und Organisationen näher zuein­ „Geschichts­netzwerk/Ge­schiedenis­net­werk“ das „INTERREG VA-Koo­pe­rations­ ander gebracht. Die Zusammenarbeit trägt dazu von Hermann Wessels (Interreg-Geschäfts­ programm Deutschland-Neder- bei, die unterschiedlichen historischen Perspek- führer der EDR). Foto: Geschichtsnetzwerk land“ für dieses Projekt genehmigt. tiven auf die Geschichte des Nordens der Nieder-

Rechte Seite: Workshop zur Migrations­ Es gibt schon seit Jahren und vor lande und Nordwestdeutschlands miteinander geschichte 2016 in Groningen. Foto: allem in der letzten Zeit eine Viel- zu verbinden. Hierdurch entsteht gleichzeitig Geschichtsnetzwerk zahl von Projekten und Beispielen auch eine Agenda für die Zukunft. erfolgreicher Kooperation auf dem

48 | Unsere Nachbarn kulturland 4|16

Die gemeinsame Arbeit ist bereits in vollem Gange: Vier Teil- projekte zu zwei Themenbereichen werden derzeit bearbeitet. Themenbereich Migrationsgeschichte

1. Learning and working across the border Unter der Leitung von Maleen Knorr, Emsländische Landschaft, beschäftigen sich Historiker und Volkskundler mit individuel- len Migrations- und Grenzerfahrungen. Das Projekt umfasst das 19. und 20. Jahrhundert und beschäftigt sich zudem mit der aktuellen Situation grenzüberschreitender Arbeitnehmer und Studenten. Dabei werden verschiedene Berufsgruppen Themenbereich Digitalisierung betrachtet: von den deutschen Arbeitern und Angestellten der 1866 eröffneten Eisenbahnlinie Almelo-Salzbergen, über 1. HisGIS Leer & HisGIS Ostfriesland Schmuggler und Zöllner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun- Die beiden Historiker Dr. Paul Weßels von der Ostfriesischen derts bis hin zu deutschen Dienstmädchen in den 1920er-Jah- Landschaft und Prof. Dr. Hans Mol von der Universität Leiden ren. Außerdem werden Flüchtlinge und Zwangsarbeiter im initiierten ein Digitalisierungsprojekt von historischen Kar- Zweiten Weltkrieg, niederländische Arbeiter in den Grafschaf- ten. Das Projekt HisGIS Ostfriesland führt sämtliche vorhan- ter Textilfabriken und deutsche Traktatbauern, die nach dene Geodaten der Stadt Leer zusammen und unterlegt die Ende des Zweiten Weltkrieges um ihre enteigneten Ländereien modernen Ansichten mit den historischen Karten. So wird ein kämpften, behandelt. Ab den 1960er-Jahren entstanden dann Vergleich von historischen, teils nicht mehr vorhandenen Ge- zahlreiche Städtepartnerschaften zwischen niederländischen bäuden mit der aktuellen Beschaffenheit der Stadt geschaffen. und deutschen Orten, die den Austausch der Bevölkerung Zweck dieser Geoinformationssysteme (GIS) ist es, die räum- förderten. lichen, historischen und archäologischen Forschungsmöglich- Auch der jüngsten Vergangenheit von Pendlern, die die keiten mit einer Kombination von Datenbanken, Karten, Ge- Grenze für ihre Arbeit oder ihr Studium überqueren, wird Auf- schichte, Personennamen, Flurnamen, genealogischen Daten, merksamkeit geschenkt. Mit Hilfe eines Schreibaufrufes wer- Hausplätzen und Grundbesitz zu vergrößern. Auf der Website den derzeit individuelle Migrations- und Grenzerfahrungen in www.hisgis.nl können die bereits erfassten Daten abgerufen den nördlichen Niederlanden und Nordwestdeutschland ab- werden. gefragt, mehr dazu unter www.emslaendische-landschaft.de/ geschichte/migration-im-edr-gebiet. 2. Digitalization Frisian Law of the Middle Ages Dieses Projekt konzentriert sich auf das einflussreiche altfrie- 2. New perspectives on the history of migration sische Recht, das die Küstenregionen zwischen den Flüssen Meindert Schroor von der Waddenacademie leitet die Zusam- Vlie und Weser umfasst. Dieses Gebiet beinhaltet die heutigen menstellung bisher vorhandenen Materials auf beiden Seiten Provinzen Friesland und Groningen sowie die deutsche Regi- der Grenze zum Thema Migrationsgeschichte. Es wurde on Ostfriesland. In den Provinzen Groningen, Drente und bereits intensiv geforscht. Es fehlt jedoch eine Übersicht, die Friesland sind unabhängig voneinander digitale Infrastruktu- deutlich macht, welches Wissen über dieses Thema inzwi- ren für das Studieren der Rechtstexte entwickelt worden. Das schen vorhanden ist. Darüber hinaus wurde oft nur die natio- Recht ist der am besten dokumentierte Bereich der mittelalter- nale Perspektive betrachtet und der Emigration in den Grenz- lichen Gesellschaft und bietet dadurch die Möglichkeit zu gebieten wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zudem haben untersuchen, wie altfriesische Rechtstexte aus deutschen Ar- sich sowohl in der professionellen Migrationsforschung als chiven in dieses System integriert werden können und dieses auch beim Wissensbedarf der Öffentlichkeit Veränderungen somit ausgeweitet werden kann. ergeben. Um neue Impulse zu setzen, wird in diesem Projekt eine Zusammenstellung der jüngsten Untersuchungen ge- Kontakt (auch auf Deutsch möglich): macht. Zudem sollen die Ideen der beteiligten Historiker aus den Niederlanden und Deutschland gesammelt werden. Die Dr. Marijn Molema (Projektleiter) Resultate werden im Rahmen eines Workshops diskutiert, Geschichtsnetzwerk der außerdem eine Agenda für die Zukunft des Themas fest­ p/a Fryske Akademy legen soll. Postbus 54 8900 AB Leeuwarden Niederlande [email protected]

Unsere Nachbarn | 49 kulturland 4|16

Schenkung des Lebenswerkes von Detlef Kappeler an das Stadtmuseum Oldenburg Von Horst Milde

er 1938 in Stettin geborene Künstler Detlef Kappeler über- ließ am 7. Oktober 2016 dem Oldenburger Stadtmuseum eine umfangreiche Sammlung seines Werkes. Kappeler hat in seiner frühen künstlerischen Schaffens- phase kritische und engagierte Kunstwerke geschaffen, die auf konkrete gesellschaftspolitische Ereignisse Bezug nahmen. In den 1960er-Jahren hat er mit Stilmitteln der Pop Art – jedoch auf sehr eigenwillige Weise – gearbeitet. Später fanden in seinen Werken DAuseinandersetzungen mit Biografien von verfolgten und geächteten Perso- nen statt, deren Porträts er immer wieder von Neuem nachzeichnete. Daneben entstanden und entstehen Zeichnungen und Druckgrafiken von Architekturen in Barcelona, wo Kappeler ein zweites Atelier nutzt, Tier- und Landschaftsstudien sowie Akt- und Totentanzdarstellungen. Seine großformatige Malerei, in seinen Ateliers in Barcelona, Galizien und Butja- dingen geschaffen, wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten zuneh- mend abstrakter.

York oder einem Elendsviertel in Bombay. Dort, wo man das menschliche Leben in all seinen Höhen und Tiefen, in seiner Liebe und in seiner brutalen Grausamkeit erfahren kann. Mit 38 Jahren, im Jahr 1974, erhielt Kappeler Kappeler erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis der einen Lehrstuhl für Malerei und Grafik an der Ar- „Cité Internationale des Arts“ von Paris und den Lichtwark-Preis der Stadt chitekturabteilung der Universität Hannover als Hamburg. In Deutschland wie im Ausland ist Kappeler mit zahlreichen ordentlicher Professor. Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten und mit Preisen ausgezeich- Themen wie militärische Aufrüstung, Zerstö- net worden. rung der Umwelt, der Schutz demokratischer Kappeler wurde stark geprägt vom Zweiten Weltkrieg und der Flucht aus Rechte bildeten den Malgrund mit Zyklen für Stettin als Kind im Treck unter Tieffliegerbeschuss. Nach einem zweijähri- Theodor Lessing und besonders für Carl von Os- gen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Schleswig-Holstein machte er sietzky. Verbunden war das alles mit einer Reihe schließlich Abitur in Hamburg. Kappeler studierte von 1958 bis 1965 Archi- gesellschaftspolitischer Aktivitäten und Arbeits- tektur in Hannover und freie Malerei an der Hochschule für Bildende Küns- gesprächen mit Hans Mayer und Erich Fried. te in Hamburg bei Paul Wunderlich. Auch seine Studienaufenthalte in vie- Erste Arbeiten wurden 1971 im Haus der Kunst len Ländern prägten ihn sehr, beispielsweise in Biafra und Vietnam, New in München, in der Hamburger Kunsthalle und

50 | Museum und Ausstellung kulturland 4|16

Kappeler ist ein Künstler, der sich einmischt in den öffentlichen Diskurs und dabei durchaus auch pro- voziert. Einige der Radie- rungen beispielsweise, die er dem Stadtmuseum stif- tet, zeigen immer neu gezeichnete Biografien von verfolgten und geäch- teten Personen des Natio- nalsozialismus. Auch der Vietnam-Krieg oder der Streit um Atomkraftwerke thematisiert er. Kappeler stellt durch seine Werke die Frage nach dem Umgang mit historischer Verantwortung und dem Spannungsfeld zu künstle- rischer Freiheit.

Von links: Der Maler Kappeler stiftet Werke. Foto Stadtmuseum

Detlef Kappeler, Probe- druck von 1984. Foto: STM © VG Bild-Kunst

Detlef Kappeler, Zustands- druck von 1985. Foto STM © VG Bild-Kunst

1972 im Pariser „Salle de la cité international des arts“ gezeigt. Nachdem Kappeler einige Zeit in Butjadingen gelebt und Seine Bilder hängen in Museen, viele sind im privaten oder gearbeitet hat und dabei unter anderem die Ossietzky-Werke öffentlichen Besitz. So auch in der Carl-von-Ossietzky-Univer- geschaffen hat, ist er jetzt abwechselnd in Deutschland und sität Oldenburg. Beeindruckend und unübersehbar ist dort in Spanien, in Barcelona und an der Costa da Morte tätig. die frei schwebende Rauminstallation im Hörsaalzentrum. Nun hat der Künstler einen großen Teil seines Gesamtwerks Sie ist das Resultat einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Stadtmuseum Oldenburg vermacht. Seine gestifteten dem Schicksal des Namensgebers Carl von Ossietzky. Werke umfassen neben sechs Gemälden auch ein großes zeich- 2001 würdigte eine umfangreiche Werkschau unter dem nerisches Konvolut (1.100 Zeichnungen), das einen vertieften Titel „Transparenzen“ sein Schaffen im Stadtmuseum und Einblick in sein umfangreiches Schaffen ermöglicht. Horst-Janssen-Museum. Diese Ausstellung wurde anschließend in Polen im Städtischen Museum Breslau und im National- museum Stettin gezeigt.

Museum und Ausstellung | 51 kulturland 4|16

Wo Jahrmarkt ist, ist pures Leben Von Svea Bücker

uckerwatte, gebrannte Mandeln, viele bunte Marktes gilt Graf Anton Günther von Oldenburg mit einer Ver- Lichter und allerhand Karusselle. Schausteller, ordnung aus dem Jahre 1608. Fünf Tage lang wurden auf dem die ihre Waren anpreisen, und bekannte sowie Rathausplatz zum Abschluss der Erntezeit die eingeholten Er- unbekannte Gesichter unter den Besuchern. Der träge gehandelt. Als „Krahmer-Marckt“ waren die Marktbe- Jahrmarkt ist tief im volkstümlichen Brauchtum schicker hauptsächlich Krämer und reisende Händler. verwurzelt und lockt jedes Jahr Tausende Men- Das Feiern von Jahrmärkten, Messen, Kirmessen und Volks- schen in die unterschiedlichen Städte des Oldenburger Landes. festen hat in Deutschland viele Namen und eine lange Tradi­ Schon Pythagoras machte 570 v. Chr. mit dem Satz: „Wo Jahr- tion. Seit dem Mittelalter fanden jährlich mehrtägige Märkte Zmarkt ist, ist pures Leben“ den hohen gesellschaftlichen Stel- statt, die bei den Bürgern einen besonderen Stellenwert hat- lenwert eines Jahrmarkts deutlich. ten. Die Jahrmärkte gingen gewöhnlich aus religiösen Festen Zu den ältesten Volksfesten Deutschlands zählt beispiels- wie beispielsweise der Kirchweihe oder dem Namenstag des weise der Stoppelmarkt in Vechta, der auf der Westerheide, Kirchenpatrons hervor. Oftmals war aber auch der Beginn des nahe dem gleichnamigen Stadtteil Stoppelmarkt, Mitte August Frühjahrs oder Herbstes Anlass eines Marktes. An solchen stattfindet. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Markt im Tagen versammelten sich alle Dorfbewohner und Menschen Jahre 1298. In diesen Zeiten wurde der Markt noch in den Stra- aus angrenzenden Ortschaften meist auf dem Dorfplatz, um ßen der Stadt innerhalb der Festungsmauern abgehalten. Und gemeinsam zu feiern, zu tanzen und zu essen. So wurden die schon damals kamen Kaufleute aus vielen europäischen Staaten Volksfeste zu einem wirtschaftlich bedeutsamen Ereignis, zum Markt nach Vechta, um ihre Waren anzupreisen. Ein an- denn die Waren der Speisen- und Getränkeanbieter fanden si- deres großes Volksfest ist der Kramermarkt in Oldenburg, der cheren Absatz. Ihnen schlossen sich bald Händler verschie- 2017 zum 410. Mal gefeiert wird. Als Begründer des heutigen denster Waren an, und so entstanden vielseitige, ausgedehnte

52 | Brauchtum kulturland 4|16

Märkte. Bald kam, nach dem anstrengenden Han- schaftsfaktor. In ganz Deutschland werden jähr- del, der Wunsch nach Erheiterung und Leichtig- lich 9900 Volksfeste und mehr als 1400 Weih- keit auf. So reisten immer häufiger Schausteller nachtsmärkte ausgerichtet. Über 230 Millionen des „Fahrenden Volks“ von Ort zu Ort und unter- Besucher machen dabei einen Umsatz von etwa hielten mit verschiedensten Vorführungen. Fort- 3,7 Milliarden Euro. Um das Brauchtum zu schüt- an sorgten Bärenführer, Gaukler, Musikanten zen, fordert der Deutsche Schaustellerbund, dass und viele mehr für die Unterhaltung der Bürger. deutsche Volksfeste Unesco-Weltkulturerbe wer- Von 1830 bis 1880 trat der kirchliche und kauf- Linke Seite: Wellenreiter den. Der entsprechende Antrag wurde 2012 ein- männische Charakter der Jahrmärkte immer der Familie Hempen auf gereicht und von vielen Politikern wie Manuela mehr in den Hintergrund. Zentraler Aspekt wurde dem Kramermarkt in Schwesig oder Andrea Nahles unterstützt. Eine Oldenburg im Jahr 1955. die Belustigung des Volkes, was immer bessere Foto: Archiv KH.Hempen/ Entscheidung wurde bisher nicht getroffen. technische Attraktionen unterstützten. Das erste Ride-Index transportable Karussell stand um 1835 auf den Oben: Die russische Schau- Jahrmärkten. Im 20. Jahrhundert hieß es im Fahr- kel auf dem Kramermarkt geschäftssektor: schneller, höher, weiter. Die in Oldenburg im Jahr 1943. Foto: www.alt-oldenburg.de klassischen Schaustellungen verschwanden immer mehr und die spektakulären Karusselle wurden Darüber: Marktaufsicht immer wichtiger. des Stoppelmarktes in Vechta aus dem Jahr 2014. Auch in der heutigen Zeit sind Jahrmärkte ein Foto: Kokenge/Stadt bedeutendes Ortsereignis und wichtiger Wirt- Vechta

Brauchtum | 53 kulturland 4|16

die preußische Armee. Somit leisteten eine ganze Reihe von Oldenburger Offizieren in schlesischen Menschen verbinden Garnisonen ihren Dienst. Es sind jedoch nur wenige Namen von Menschen bekannt, die aus anderen beruf­lichen Gründen nach Breslau zo- Oldenburg mit Breslau gen. Dazu gehörte unter anderem der Präsident Von Svea Bücker des Breslauer Appellationsgerichts Georg Ludwig Hundrich oder der Schriftsteller Dr. Hugo Har- tung. Diesem wurde als Chefdramaturg der städ- tischen Bühnen in Breslau eine Erinnerungstafel ldenburg und Breslau – zwei am Breslauer Rathaus gewidmet. Städte, die im Laufe der vergan- Oldenburg und Breslau sind zwei Städte, die genen 70 Jahre immer näher rund 800 Kilometer voneinander entfernt liegen. zusammengerückt sind. Doch Die gefühlte Entfernung ist bei denjenigen, die in was verbindet diese beiden Schlesien geboren wurden, aber ganz nah. Heute Städte, die auf jahrhunderte­alte liegt Breslau im Südwesten von Polen und ist die Stadtgeschichten zurückblicken? Die Antwort ist Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien, klar: Es sind die Menschen! einer der jetzigen drei Woiwodschaften Schlesiens. OBereits weit vor den Jahren des Zweiten Welt- Bis zum Zweiten Weltkrieg war Breslau die Haupt- krieges gibt es einige Hinweise zur Verbindung stadt von Schlesien. Bis zum Ende des Krieges Oben: Die Elisabethkirche wurde die Stadt jedoch zu 80 Prozent in Breslau vom Ring aus zerstört. Die verbliebenen Reste der gesehen mit den beiden Stadt haben die neuen Bewohner Altaristenhäusern (rechts) und dem Greifenhaus durch eine bemerkenswerte Leistung (ganz links). Foto: Horst baulich gerettet, sodass in diesem Milde Jahr Breslau von der Europäischen Links: Dr. h.c. Wolfgang Union zur Kulturhauptstadt Europas Thierse, Prof. Dr. Gunilla ernannt worden ist. Budde, Dr. Rafał Dutkie­wicz, Ende 1944 begann die Flucht der Jürgen Krogmann (von links). Foto: Tobias Weger Ostdeutschen vor der Roten Armee, Mitte 1945 begann die sogenannte „Wilde Vertreibung“, die sich zur Or- ganisierten Vertreibung hauptsäch- der beiden Städte. Im Bürgerbuch der Stadt Olden- lich im Jahr 1946 entwickelte. Zur Überwindung burg ist am 20. Juni 1702 der Rademacher Johann der Strecke brauchten die Vertriebenen in der Hinrich Fleischer aus Breslau aufgeführt. Er ist Regel acht bis zehn elende und schmerzvolle Tage sehr wahrscheinlich der erste Breslauer, der in mit der Eisenbahn in überfüllten Personen- oder der Stadt Oldenburg das damals geltende Bürger- sogar in dreckigen Viehwaggons. Dabei ging es recht erhielt. In den Jahren des 19. und 20. Jahr- nur in eine Richtung, nämlich nach Westen. Aus hunderts findet man die Daten einiger bekannter dem Statistischen Monatsheft für Niedersachsen Persönlichkeiten Oldenburgs, die in Breslau ge- aus dem Jahr 1947 geht hervor, dass in der Stadt boren wurden. Wie zum Beispiel der Gründer des Oldenburg rund 14.000 Schlesier und davon 5.061 Oldenburger Landesmuseums für Kunst und Kul- Breslauer aufgenommen wurden. turgeschichte, Dr. Walter Müller-Wulckow. Ohne Seit 1977 wird jährlich der Kulturpreis Schlesi- den Kunsthistoriker wäre das Museum nicht en des Landes Niedersachsen vergeben. Im Jahr denkbar gewesen. Oder der ehemalige Oberbür- 1999 fand die Preisverleihung in Oldenburg statt. germeister der Stadt Oldenburg, Dr. Theodor Deut­scher Preisträger war der in Oberschlesien Goerlitz, der in seiner Amtszeit von 1921 bis 1932 geborene Schriftsteller und Maler Horst Eckert. prägende Spuren hinterlassen hat. Im Jahr 2004 Er hatte nach dem Krieg bis 1949 in Oldenburg wurde ihm zu Ehren sogar eine Büste vor dem gearbeitet und wurde unter dem Namen „Janosch“ Oldenburger Rathaus aufgestellt. mit seinen Figuren „Tiger“, „Bär“ und „Tigerente“ Über den Weg von Oldenburg nach Breslau gibt weltbekannt. Ein Jahr später bei der Preisverlei- es keine ergiebigen Materialien. Seit 1867 erfolgte hung in Breslau brachte der damalige Marshall der Übergang der oldenburgischen Truppen in von Niederschlesien, Prof. Jan Waszkiewicz, die

54 | Unsere Nachbarn kulturland 4|16

Beziehung von Oldenburg und Schlesien auf den Punkt: „Als Bei dem Podiumsgespräch „Oldenburg und Breslau – zwei ich genau vor einem Jahr in Oldenburg zu Gast war, hatte ich Städte in Europa“ am 28. September 2016 gingen der gebürtige begriffen, wie nahe sich Schlesien und Niedersachsen sind. Breslauer Wolfgang Thierse, Stadtpräsident Rafał Dutkiewicz Ich habe verstanden, dass wir gemeinsam einen besonderen und Oberbürgermeister Jürgen Krogmann auf die Chancen kulturellen Wert tragen. Einen Wert, der auf Vergangenheit und Herausforderungen ein, vor denen Städte in Europa heute und Gegenwart gestützt ist und den andere Regionen nicht stehen. besitzen.“ Die Veranstaltung war die zweite der 2015 begonnenen jähr- Diesen Wert haben auch das Bundesinstitut für Kultur und lichen Reihe „Oldenburg und Europa“. Im Oktober wurde Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), die diese Reihe fortgesetzt mit dem Dokumentarfilm „Wir sind Carl-von-Ossietzky-Universität und die Stadt Oldenburg in Juden aus Breslau“, die unter der Schirmherrschaft des Stadt- Kooperation mit der Oldenburgischen Landschaft verstanden. präsidenten Rafał Dutkiewicz stand.

Grundlegende Arbeit zu Ludwig Münstermann erschienen

Publikation zum Werk des bedeutenden Bildhauers des Manierismus

Red. Monatelang haben Dr. Dietmar einen wichtigen Bei- Ponert und Prof. Dr. Rolf Schäfer an trag zur Forschung dem umfassenden Werkverzeichnis zum Manierismus so- gearbeitet. Nun ist die zweiteilige wie zu konfessioneller Buchausgabe zu den Arbeiten des Ikonografie dar. Bildhauers und Bildschnitzers Lud- Das Projekt ist eine wig Münstermann erschienen. Es Gemeinschaftsarbeit enthält ein vollständiges Verzeich- des Oberkirchenrats nis aller Werke Münstermanns, der und der Oldenburgi- im 16. Jahrhundert vor allem im schen Landschaft, die norddeutschen Raum tätig war und die Forschungen und reich verzierte Altäre, Taufbecken, Fotodokumentation Kanzeln und vieles andere hinter- jeweils zur Hälfte finan- Präsentieren das neue ließ. Die fotografische Dokumenta- zierten. Die Drucklegung des Werkes im Schnell-&-Steiner- Buch zum Werk Ludwig tion bildet die Werke im Gesamt Verlag in Zusammenarbeit mit dem Isensee-Verlag ermöglich- Münstermanns (von links): Landschaftspräsident Tho- und im Detail ab. Verfasser sind der ten Sponsoren wie die EWE-Stiftung, der Oldenburgische mas Kossendey, Pastorin Theo­loge Oberkirchenrat i. R. Prof. Landesverein e. V., die Barthel-Stiftung, der Förderkreis zur Brigitte Gläser, Verfasser Dr. Rolf Schäfer und der aus Olden- Erhaltung der Schlosskirche e. V., die evangelisch-lutherische OKR i. R. Prof. Dr. Rolf burg stammende Kunsthistoriker Kirchengemeinde Varel und Dr. h.c. Peter Waskönig. Schäfer, Bischof Jan Jans- sen, Verfasser Dr. Dietmar Dr. Dietmar J. Ponert. Die Fotogra­ Zur Feier des Reformationstages 2016 fand die Buchprä- Ponert, Fotograf Tobias fien wurden eigens von dem Olden- sentation dieser theologischen und kunstwissenschaftlichen Trapp, Geschäftsführer der burger Fotografen Tobias Trapp Erschließung im Beisein der Autoren und Herausgeber im Oldenburgischen Land- angefertigt. Oldenburger Schloss statt. schaft Dr. Michael Brandt. Foto: ELKiO/D.-M. Grötzsch Münstermann, der seine Werk- statt in Hamburg hatte, arbeitete Dietmar J. Ponert – Rolf Schäfer: Ludwig Münstermann. Der fast ausschließlich für Auftraggeber Meister – die Werkstatt – die Nachfolger; Bildhauerkunst des gefördert in der Grafschaft Oldenburg-Delmen- durch die Manierismus im Dienste lutherischer Glaubenslehre in Kirchen oldenburgische horst. Als Künstler war er ein Ver­ der Grafschaft Oldenburg, 2 Bde., 672 und 336 S., zahlr. Abb., landschaft treter der späten Renaissance (Manie- ISBN 978-3-7954-3166-2, Oldenburg/Regensburg 2016, Preis: rismus). Das vorliegende Werk stellt 99,- Euro.

Unsere Nachbarn | 55 kulturland 4|16

Kossendey als Landschaftspräsident bestätigt 78. Landschaftsversammlung der Oldenburgischen Landschaft im ehemaligen Landtag Oldenburg

Red. Etwas später im Jahr als gewöhnlich fand die Förderpreise Landschaftsversammlung am 9. Dezember im Mit dem jeweils mit 1.000 Euro dotierten Förderpreis der Olden- Alten Landtag in Oldenburg statt. Aufgrund der burgischen Landschaft wurden die Musical-AG des Gymna­ Kommunalwahlen in Niedersachsen mussten siums Lohne und die Theatergruppe „Tusculum“ der Nieder- für die Neubesetzung der Mitgliedervertretungen deutschen Bühne Nordenham ausgezeichnet. Die Musical-AG, die Ergebnisse abgewartet werden. Auf dieser die 1994 gegründet wurde, besteht aus circa 140 Schülerinnen Versammlung wurden der Nachtragshaushalt 2016, und Schülern und wird von acht Lehrpersonen betreut. Zu den der Haushalt und der Stellenplan 2017 verabschie- zwölf bis 15 Aufführungen pro Schuljahr kommen pro Saison det, ein Rückblick auf die bisherigen Tätigkeiten circa 7.000 Besucher. Die Theatergruppe „Tusculum“ besteht in diesem Jahr geworfen und der Förderpreis der seit sieben Jahren und spielt Stücke auch in plattdeutscher Landschaft vergeben. Wichtigste Tagesord- Sprache. Ihre Stücke befassen sich mit aktuellen Inhalten, die nungspunkte waren die Wahlen des neuen Vor- die Lebenssituation junger Menschen abbilden. standes und Beirats und des künftigen Land- schaftspräsidenten. Rückblick auf 2016 In ihren Reden lobten der Geschäftsführer und der Präsident die vielfältigen kulturellen Aktivitäten im Oldenburger Land. Besonders betonten sie dabei die derzeitige Gremienvertre- tung in der Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Land- schaftsverbände in Niedersachsen (ALLviN) und des

56 | Aus der Landschaft kulturland 4|16

notwendig, um auch auf wissenschaftlicher Ebene die Interessen der einzelnen Sprachregionen auf der Grundlage der europäischen Sprachencharta umzusetzen und damit auch dem Niederdeutschen eine Perspektive bieten zu können. Wahlen Neuwahl des Präsidenten Bei einer Enthaltung wurde Thomas Kossendey als Präsident der Oldenburgischen Landschaft von den Mitgliedern im Amt bestätigt. Kossendey bedankte sich für das Vertrauen.

Wahl der Mitglieder des Vorstandes Nachdem die scheidenden Mitglieder des Vorstands Jörg Bensberg (Vertreter der Einzelmitglieder), Ernst-August Bode (Landkreis Oldenburg), Werner Bohlen-Janßen (Stadt Wilhelmshaven), Uwe Burgenger (Landkreis Friesland), Hartmut Frerichs (Landkreis Cloppenburg), Gerd Langhorst (Land- kreis Ammerland) und Hans-Richard Schwartz (Stadt Oldenburg) verabschiedet worden waren, Oben: Förderpreisverlei- wählte die Versammlung die folgenden Personen hung (von links): Land- Arbeitskreises Kultur der Metropol- in den neuen Vorstand: schaftspräsident Thomas region Nordwest. Ihre Hauptaufga- Ursula Glaser (Vertreterin der Stadt Wilhelmsha- Kossendey, Laudatorin Karin Logemann und ben sehe die Oldenburgische Land- ven). Bernd Pauluschke (Vertreter des Landkreises Andrea Thormählen (Tus- schaft nach wie vor in der Beratung Friesland), Ulf Prange MdL (Vertreter der Stadt culum). von Kulturakteuren, in der Vernet- Oldenburg), Stefan Schute (Vertreter des Land- Links: Förderpreisverlei- zung und in der Förderung, so Ge- kreises Cloppenburg), Dirk Vorlauf (Vertreter des hung (von links): Laudator schäftsführer Dr. Michael Brandt. Landkreises Oldenburg), Johann Wimberg (Ver- Benno Dräger, Sarah Mit Mitteln der Regionalen Kultur- treter der juristischen Personen) und Barbara Kowalski, Alexander Eik (beide Musical-AG), Land- förderung hat die Oldenburgische Woltmann MdB (Vertreterin des Landkreises Am­ schaftspräsident Thomas Landschaft im Jahr 2016 108 Projekte merland). Erneut in den Vorstand wählte die Kossendey, Stefan Midden- mit insgesamt 310.700 Euro gefördert. Landschaftsversammlung Benno Dräger (Vertre- dorf und Rainer Eschner ter der Heimatvereine und –verbände), Arnold (beide Musical-AG). Fotos: Katrin Zempel-Bley INS Eckardt (Vertreter der Stadt Delmenhorst), Karin Mit großer Sorge beobachtet die Logemann MdL (Vertreterin des Landkreises Oldenburgische Landschaft die Ent- Wesermarsch), Dr. Stephan Siemer MdL (Vertreter wicklung um das Institut für Nieder- des Landkreises Vechta) sowie Björn Thümler MdL deutsche Sprache in Bremen. Nach- (Vertreter der Einzelmitglieder). dem die sogenannten Geberländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Wahl der Mitglieder des Beirates Hamburg und Bremen die Finanzie- Die Landschaftsversammlung wählte 26 Persön- rung dieses Instituts aufgekündigt lichkeiten aus dem Oldenburger Land zu Mit­ haben, ist davon auszugehen, dass gliedern des Beirates der Oldenburgischen Land- dieses Institut in dieser Form Ende schaft. Zum Beirat gehören ferner alle Leiterinnen 2017 Geschichte sein wird. Für die und Leiter der Arbeitsgemeinschaften und Fach- Oldenburgische Landschaft ist es gruppen der Oldenburgischen Landschaft als ge- wichtig, dass es eine länderübergrei- borene Mitglieder. Als Beiratsvorsitzender wurde fende Koordinierungsstelle für die Dr. Christian-A. Fricke verabschiedet. Pflege der niederdeutschen Sprache auch in Zukunft gibt. Dieses über­ regionale wissenschaftliche Netz- werk für Niedersachsen ist dringend

Aus der Landschaft | 57 zusammengestellt kurz notiert von Matthias Struck

Ulrike Petruch wurde am 26. September Unter dem neuen Namen KlassikFreunde 2016 zur neuen Vorsitzenden des Vereins Oldenburg e. V. und mit neuen Zielen Kulturgenuss – Vortragsvereinigung setzt der bisherige Verein Gemeinschaft Westerstede e. V. gewählt. Ihr Vorgänger der Freunde der Kammermusik in Dr. Jan-Freerk Müller kandidierte nach Oldenburg e. V. seine 20-jährige erfolg- 15 Jahren nicht wieder. reiche Arbeit unter der bewährten Lei- tung der Pianistin Elena Nogaeva fort. Der Verein Heimatmuseum Wiefelstede e. V. Nach Beendigung der Musikveranstal- wählte am 27. September 2016 Herbert tungsreihe „Oldenburger Promenade“ im Heinen zum neuen 1. Vorsitzenden. Sein Juni 2016 werden die Schwerpunkte künf- Vorgänger Wolfgang Hase war am 1. Mai tig auf dem Internationalen Wettbewerb 2016 verstorben. für Nachwuchsmusiker, dem Schul­ musik-Projekt „School Goes Music“ und Der neue Verein Stiftungshaus Olden- der Reihe besonderer Konzerte in histo­ burg e. V. unter Vorsitz von Dr. Stephanie rischen Gebäuden des Oldenburger Lan- Abke stellte sich am 29. September 2016 Foto: Klassik-Freunde Oldenburg e. V. des liegen. Unter der neuen Homepage in der Alten Kaiserlichen Post in Oldenburg www.klassik-freunde-oldenburg.de fin- der Öffentlichkeit vor. den Interessierte weitere Informationen. Der Arbeitskreis Accumer Mühle e. V. löste sich zum 30. September 2016 auf. Er wurde 1987 als Sparte des Heimatvereins Der Oldenburger Kartograf Michael Remmers und seine Auf der 69. Bevensen-Tagung vom 16. bis Schortens e. V. gegründet, war seit 1993 Frau Magdalena eröffneten am 27. Juni 2016 das Kultur- 18. September 2016 wurde der Bad-Beven- selbstständig und betreute die Accumer haus am Wattenmeer in Langwarden (Butjadingen). In sen-Preis 2016 der Stadt Bad Bevensen Mühle, einen Galerieholländer aus dem nur 101 Tagen gestalteten sie die verwaiste frühere Gast- (Landkreis Uelzen) an den niederdeutschen Jahre 1746 im Eigentum der Stadt Schortens. stätte Störtebeker zum neuen Kulturhaus um. Das Kul- Gitarristen und Sänger Gerrit Hoss aus turhaus zeigt Exponate zum Mathematiker Carl Friedrich Münsterdorf bei Itzehoe verliehen. Neuer Redaktionsleiter der Wardenbur- Gauß, der sich 1825 in Langwarden aufhielt, und zum ger Zeitschrift Der Gemeindespiegel ist Thema Kartografie, bietet Veranstaltungen und Ausstel- Prof. Dr. Joachim Kuropka, Historiker seit September 2016 Hans-Günther lungen an, stellt Künstlern Atelierräume zur Verfügung und Hochschullehrer an der Universität Gramberg. Sein langjähriger Vorgänger und verfügt über ein eigenes Café. Geöffnet ist das Kultur- Vechta, feierte am 20. September 2016 Werner Cordes gab die Redaktionslei- haus donnerstags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr. seinen 75. Geburtstag. tung ab.

Am 18. Juli 2016 starb im Alter von 82 Jahren unser lang- jähriges Mitglied Prof. Dr. Dieter Schuller, Hochschul- lehrer an der Universität Oldenburg und Begründer der Ökochemie + Umweltanalytik Oldenburg GmbH.

Der Förderverein Kultur-Bahnhof Cloppenburg e. V. wählte am 6. August 2016 Christian Francke zum neuen 1. Vorsitzenden. Seine Vorgängerin Mechthild Antons leitete den Verein seit der Gründung im Januar 2013 und kandidierte nicht wieder, weil sie den Vorsitz des Kultur­ forums Cloppenburg e. V. übernommen hat.

Am 30. August 2016 erhielt der Oldenburger Hörforscher Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier den „Oldenburger Bullen“ der Stadt Oldenburg für besondere Verdienste um den Die Oldenburger Geschäftshäuser in der Achternstraße 15/16 (früher Musikhaus Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Oldenburg. Die Sprenger, zuletzt Buchhandlung Thalia) aus den Jahren 1816 bzw. 1868 wurden ab Ende Laudatio hielt Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Jo- September 2016 abgerissen. Es soll ein Neubau für ein Textilgeschäft mit 1.300 Qua­ hanna Wanka. dratmeter Fläche im Erdgeschoss entstehen. Foto: Nordwest-Zeitung, Oldenburg

Am 31. August 2016 gründete sich der Geschichtsverein Das 14. Treffen der Heimatbibliotheken In der letzten Ausgabe Nr. 169 (3.2016) Samtgemeinde Harpstedt. Vorsitzender ist der ehemali- und -archive fand am 22. September 2016 unserer Zeitschrift kulturland oldenburg ge Samtgemeindebürgermeister Uwe Cordes. im Heimat- und Stadtarchiv Varel am berichteten wir über Blindenführhunde. Neumarktplatz statt. Dabei stellten wir auf Seite 35 f. den Blin- Neue Leiterin der Stadtbücherei Delmenhorst ist seit denführhund von Dr. Jutta Engbers aus September 2016 Anika Schmidt. Nachdem der langjähri- Der Ganderkeseer Verein GanterART e. V. Friesoythe vor. Die zehnjährige Schäfer- ge Leiter Günther Wetzig 2015 in den Ruhestand getreten unter Vorsitz von Eckhard Eichhorn feier- hündin Jylie starb kurz nach Erscheinen war, wurde die Stadtbücherei kurzzeitig von Petra Beck te am 23. September 2016 sein zehnjäh­ des Heftes. und dann kommissarisch von Birgit Hoferichter geleitet. riges Bestehen. Sein Anliegen besteht in der Förderung von Kunst, Sozialem und Am 1. Oktober 2016 starb im Alter von 95 Am 5. September 2016 starb Forstoberrat Uwe Homann Stand­ortmarketing in der Gemeinde Jahren Heinrich Kröger, Altbürgermeis- im Alter von 64 Jahren in Oldenburg. Er war der stellver- Ganderkesee. ter und Ehrenbürger der Gemeinde Sater- tretende Leiter der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, land sowie Mitbegründer und früherer Landschaftspflege und Umweltfragen (NLU) in der Olden- Vorsitzender des Heimatvereines Sater- burgischen Landschaft. land „Seelter Buund“.

58 | kurz notiert kulturland 4|16

Am 9. Oktober 2016 wurde das 250-jährige Gunda und Werner Kleinschmidt aus Jubiläum der Klapmeyer-Orgel in der Steinhausen (Gemeinde Bockhorn) sind evangelisch-lutherischen Friedenskirche am 27. Oktober 2016 in Neuenburg mit in Kirchhammelwarden (Brake) gefeiert. dem Friesland-Taler des Landkreises Fries- land ausgezeichnet worden. Das Ehepaar Die Gesellschaft für Naturschutz Wil- hat fast 30 Jahre lang eine Pfadfinder­ deshausen e. V. unter Vorsitz von Bernd bildungsstätte betrieben. Werner Klein- Lögering hat auf ihrer außerordentlichen schmidt ist außerdem als Gästeführer in Mitgliederversammlung am 13. Oktober Neustadtgödens, Jever und Neuenburg 2016 beschlossen, den Verein aufzulösen. aktiv. Grund sind mangelnder Nachwuchs und fehlende Leute für die Vorstandsarbeit. Mit einer Konzertreihe vom 27. bis 30. Okto- ber und vom 7. bis 8. Dezember 2016 feier- Neuer Weihbischof und Bischöflicher Offi- te der Oldenburger Verein oh ton e. V. zial im Oldenburg Land wird Wilfried sein 25-jähriges Bestehen. Seit 1991 hat oh Theising, bisher Weihbischof in Xanten ton über 800 Konzerte mit Neuer Musik am Niederrhein. Am 21. Oktober 2016 Am 13. Oktober 2016 entschied der Rat des Fleckens veranstaltet. stellte Bischof Felix Genn im Vechtaer Harp­stedt positiv über die Schenkung der früheren Kolpinghaus den Amtsnachfolger von Kultdisco „Am Sonnenstein“ aus den 1960er-Jahren Die niederdeutsche Sängerin und Schau- Heinrich Timmerevers, der als Bischof an das Museumsdorf Cloppenburg. Foto: Museumsdorf spielerin Annie Heger erhielt am 4. No- nach Dresden wechselte, vor. Weihbischof Cloppenburg vember den 26. Niederdeutschen Litera- Theising wird sein neues Amt im Januar turpreis der Stadt Kappeln (Schleswig- 2017 antreten. Zu seinem Stellvertreter Der ehemalige Niedersächsische Landwirtschaftsminis- Holstein). wurde Prälat Bernd Winter ernannt. Der ter und frühere Vechtaer Bürgermeister bisherige Stellvertreter Prälat Peter Kossen Uwe Bartels erhielt am 26. Oktober 2016 wechselte zum 27. November 2016 als den „Oldenburger Wirtschaftspreis – im Pfarrer nach Lengerich (Westfalen). Gedenken an Dr. Hubert Forch“ der Wirt- schaftlichen Vereinigung Oldenburg „Der Das denkmalgeschützte Stellwerkge- kleine Kreis“. bäude mit Wasserturm an der Bahnstrecke Oldenburg-Osnabrück in Ahlhorn wurde Anlässlich des 200-jährigen Bestehens nach kompletter Sanierung am 21. Oktober des Gefängnisses in Vechta (heute Jus- 2016 offiziell eingeweiht. tizvollzugsanstalt für Frauen) fand am 27. Oktober 2016 ein Empfang statt. Nach Die Schlaraffia Oldenburgia e. V. feierte Auflösung des 1640 errichteten Franziska- am 22. Oktober 2016 ihr 125-jähriges Be- nerklosters wurden die Gebäude 1816 zum stehen. An der Feier nahmen auch der Ol- Gefängnis umgebaut, zunächst überwie- Die Rasteder Gemeindearchivarin und Regionalhistorike- denburger Oberbürgermeister Jürgen gend für Männer. Erst seit 1941 dient es als rin Margarethe Pauly erhielt am 15. Oktober 2016 das Krogmann und Landschaftspräsident Tho- reines Frauengefängnis und hat heute 132 Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Ver- mas Kossendey teil. Haftplätze, 79 Haftplätze in der offenen dienstordens. Landrat Jörg Bensberg nahm die Auszeich- Abteilung und 124 Bedienstete. nung im Palais Rastede vor. Foto: Gemeinde Rastede Die Freunde des Klosters Hude e. V. wählten am 25. Oktober 2016 Wolfgang Am 27. Oktober 2016 verabschiedete die Landessparkasse Der Niedersächsische Heimatbund und Schaller zum neuen 1. Vorsitzenden. Sein zu Oldenburg (LzO) Udo Unger, Geschäftsführer der Stif- der Archäologische Arbeitskreis Nieder- Vorgänger Gabriel Theermann hatte tung Kunst und Kultur der LzO, in den Ruhestand. Seine sachsen (ArchAN) veranstalteten am 29. bereits im März nicht wieder kandidiert. Nachfolge trat sein bisherigen Stellvertreter Hans-Gün- Oktober 2016 im Landesmuseum Natur ter Rostalski an. und Mensch in Oldenburg den 4. Tag des Heimatwissens zum Thema „Amateur­ archäologie in Niedersachsen – Chancen, Leistungen, Beispiele“. Der Herbartgang in der Oldenburger Innenstadt feierte am 23. Oktober 2016 Am 5. November 2016 fand in Steinfeld sein 55-jähriges Bestehen. Das 1961 ge- der diesjährige Münsterlandtag des Hei- schaffene Gesamtkunstwerk wurde von matbundes für das Oldenburger Münster- den Architekten Hans Latta und Hajo land statt. Auf der Veranstaltung wurde Hölscher geplant und mit Kunstwerken Uwe Bartels für seine besonderen Ver- von Udo Reimann, Georg Schmidt-Wes- dienste mit dem Ehrenring des Oldenbur- terstede und Anna-Maria Strackerjan ger Münsterlandes ausgezeichnet. ausgestattet. 2002 übernahm Monika Schnetkamp den Herbartgang und konzi- Am 5. November 2016 jährte sich zum 150. pierte ihn gemeinsam mit dem Architek- Mal der Todestag des Jeveraner Gelehrten ten Prof. Volker Droste und dem Hotelier- Heinrich Georg Ehrentraut (1798– Ehepaar Andrea und Michael Schmitz 1866), der den friesischen Dialekt auf der neu. Auf der Jubiläumsfeier sprachen Insel Wangerooge erforschte. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann, Betonrelief von 1965 an der Fassade eines Geschäfts- Landschaftspräsident Thomas Kossendey hauses von Georg Schmidt-Westerstede. Foto: Olden- und Eigentümerin Monika Schnetkamp. burgische Landschaft Zum Jubiläum erschien eine Festschrift.

kurz notiert | 59 kulturland 4|16

Im November 2016 wurde Dr. Horst Freels zum neuen Am 29. November 2016 feierte Prof. Dr. Direktor des Amtsgerichts Oldenburg ernannt. Sein Peter Schmid, früherer Leitender Wis- Vorgänger Jürgen Possehl war Ende September 2016 in senschaftlicher Direktor des Niedersäch­ den Ruhestand getreten. sischen Instituts für historische Küsten- forschung in Wilhelmshaven, seinen 90. Die Universität Vechta und der Heimatbund für das Olden- Geburtstag. burger Münsterland veranstalteten vom 11. bis 13. Novem- ber 2016 in der Katholischen Akademie Stapelfeld die Am 1. Dezember 2016 starb Hans Behrens Tagung „Zwischen Seelsorge und Politik – Katholische aus Tweelbäke, früherer Präsident der Bischöfe unter dem NS-Regime“. Im Rahmen dieser Ta- Landwirtschaftskammer Weser-Ems, im gung wurde der Historiker Prof. Dr. Joachim Kuropka Alter von 89 Jahren. aus Vechta geehrt. Am 11. Dezember 2016 feierte der nieder- deutsche Schriftsteller Dr. Paul Brägel- mann aus Vechta seinen 90. Geburtstag. Auf der Feier auf Gut Welpe zeichnete Dr. Stephan Siemer als Vizepräsident der Oldenburgischen Landschaft ihn mit der Landschaftsmedaille aus.

Vor 350 Jahren, am 22. Dezember 1666, schlossen Graf Anton Günther von Olden- burg und Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland einen Grenzvertrag. In die- Vor 50 Jahren wurde die katholische St.- sem Vertrag wurde die Goldene Linie als Josef-Kirche an der Bauordenstraße in Grenzziehung zwischen Ostfriesland und Oldenburg-Bümmerstede errichtet. Sie dem Jeverland in der durch Eindeichun- liegt in der Siedlung St. Peter, die um 1949 gen verlandeten Harlebucht festgelegt. durch die Bautätigkeit überwiegend katho- Wegen anhaltender Grenzstreitigkeiten lischer Heimatvertriebener entstand. Ihr Am 28. Oktober 2016 starb der Wiefelsteder Künstler trat der Vertrag jedoch erst 1743 in Kraft. Heinrich (Heinz) Schüler im Alter von 81 Jahren. Der aus spitzer weißer Kirchturm mit 37 Metern Königstein im Taunus gebürtige Künstler und Kirchenres- Höhe ist ein markantes Wahrzeichen. Das taurator schuf Aquarelle, Ölbilder und Holzschnitte mit Kirchenjubiläum wurde mit Gottesdiens- Landschaften und figürlichen Darstellungen. In seinen ten und Veranstaltungen vom 15. bis 20. Holzschnitt-Zyklen setzte er sich stark mit den manieris- November 2016 gefeiert. Foto: Oldenbur- tischen Bildwerken Ludwig Münstermanns auseinander. gische Landschaft Wir berichteten über sein Werk in der Ausgabe 4/2015. Holzschnitt von Heinrich Schüler, Foto: Heinrich Schüler Der in Bookholzberg aufgewachsene nie- derdeutsche Autor Bolko Bullerdiek erhielt am 12. November 2016 den Borsla- Preis der Borsla-Vereinigung in Bösel.

Am 12. November 2016 starb der Olden- burger Journalist Torsten Thomas, der auch für kulturland oldenburg schrieb, unerwartet im Alter von 50 Jahren.

Am 18. November 2016 starb Peter Her- zog von Oldenburg im Alter von 90 Jah- ren. Er war der Enkel des letzten regieren- den Großherzogs Friedrich August von Oldenburg und der Bruder des 2014 ver- storbenen Anton Günther Herzog von Oldenburg. Das Landesmuseum für Kunst und Kultur- Am 18. November 2016 starb im Alter von geschichte Oldenburg präsentierte am 22. 86 Jahren Dieter Schlecht, einst langjäh- November 2016 das Gemälde Amaryllis riger Vorstandsvorsitzender der Landes­ von Christian Rohlfs (1849–1938) aus sparkasse zu Oldenburg, Präsident der dem Jahre 1925. Das Gemälde war 1937 als Anlässlich des 300. Geburtstages des Land- und Regie- Oldenburgischen Industrie- und Handels- sogenannte „entartete“ Kunst von den rungsrates Eberhard Schreber (1716–1788, seit 1755: von kammer und Beiratsmitglied der Olden- Nationalsozialisten konfisziert worden Schreeb) aus Kirchhatten organisierte Wolfgang Mar- burgischen Landschaft. und konnte kürzlich vom Museum zurück- tens am 19. Oktober 2016 eine Gedenkveranstaltung. erworben werden. Foto: Oldenburgische Landschaft Am 20. November 2016 feierte Dr. Gustav Christian Rohlfs, Amaryllis, 1925, Landes- Schünemann, Gründer und ehemaliger museum Oldenburg, Foto: Sven Adelaide Leiter des Moor- und Fehnmuseums Elisa- bethfehn, seinen 85. Geburtstag.

60 | kurz notiert kulturland 4|16

Oldenburgische Landschaft schafft Beratungsstelle „KuBi Regio“

Red. Für die Stärkung und zur nachhaltigen Entwicklung regiona­ inhaltliche Aspekte zur Partizipation und Inte­gra­tion junger ler Strukturen der kulturellen Bildung für Kinder und Jugend- Menschen wie auch die strukturelle Unterstützung bei der liche hat die Oldenburgische Landschaft seit dem 15. November Antragsstellung um Drittmittel. eine Beratungsstelle geschaffen. Initiativen und Einrichtun- gen im Wirkungsbereich der Oldenburgischen Landschaft können dieses Beratungsangebot ab sofort nutzen. Zielset- Ansprechpartner: zung des durch das Niedersächsische Ministerium für Wissen- Tobias Pollok schaft und Kultur geförderten Modellprojekts ist insbesondere Di–Mi: 10-17 Uhr, 0441-7791825 oder die Förderung und Vernetzung der Akteure im ländlichen [email protected] Raum. Die fachliche Beratung und Begleitung umfasst sowohl

Gesundheit, Gesellschaft und Nationalsozialismus in der Region

Red. Die Arbeitsgemeinschaft Landes- und Regio- insgesamt zwölf Vorträgen befassten sie sich mit nalgeschichte der Oldenburgischen Landschaft ganz unterschiedlichen Aspekten des Tagungs- veranstaltete am 28. und 29. Oktober 2016 ihre themas. So wurden am ersten Veranstaltungstag vierte Tagung. Thema der Tagung war „Gesund- die Themenblöcke Psychiatrie und Euthanasie so- heit, Gesellschaft und Nationalsozialismus in der wie Sozialpolitik und Fürsorge behandelt. Am Region“. Die Tagung leiteten die beiden AG-Leiter zweiten Tag lagen die Bereiche Gesundheitsvor- Dietmar von Reeken (Universität Oldenburg) stellungen und gesellschaftliche Konzepte sowie und Gerd Steinwascher (Niedersächsisches Lan- Umgang mit „Randgruppen“ im Fokus. desarchiv) sowie Malte Thießen (Universität Der Vortrag von Antje Sander, Schlossmuseum Oldenburg). Jever, zu „Die Malerin Josefa Egberts (1893–1941) Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerin- – ein Opfer der NS-Krankenmorde aus Friesland“ nen haben sich im Rahmen der Tagung intensiv wurde als Abendvortrag für eine breitere Öffent- mit dem Thema der Gesundheits- und Gesell- lichkeit veranstaltet. Die Folgen dieser menschen- schaftspolitik des NS-Unrechtsstaates in unserer verachtenden Politik wurden am Schicksal der Region auseinandergesetzt und deren Auswir- Malerin Josefa Egberts, die 1941 in Hadamar er- kungen in Nordwestdeutschland erarbeitet. In mordet worden ist, exemplarisch deutlich.

Nächste Antragsfrist für Projektförderung endet am 15. Januar

Die Oldenburgische Landschaft vergibt im Rahmen der Regionalen Kulturförderung Mittel des Landes Niedersachsen für Kulturprojekte.

Die Antragsfrist für Projekte, die im II. bis IV. Quartal 2017 durchgeführt beziehungsweise angefangen werden, endet am 15. Januar 2017. Die Oldenburgische Landschaft entscheidet über Landesmittel bis zu einer maximalen Höhe von 10.000 Euro. Nähere Informationen zur Antragstellung finden Sie auf unserer Internetseite zum Stichwort > Fördermöglichkeiten > Regionale Kulturförderung.

Aus der Landschaft | 61 Neuerscheinungen

Lieblingsstücke – Orgelwerke des Barock Die 1699 erbaute Arp-Schnitger-Orgel in der St.-Cyprian- und-Cornelius- Kirche in Ganderkesee überstand die letzten 300 Jahre so, dass man heute von einem authentischen Klangbild ausgehen kann. Kreiskantor Südzentrale Wilhelmshaven Thorsten Ahlrichs spielte an dieser Orgel Werke barocker Komponisten Der Verein zum Erhalt Wilhelmshavener Baukultur stellte ein. Die CD ist unter dem Titel „Lieblingsstücke – Orgelwerke des Ba- am 20. November 2016 in der Kunsthalle Wilhelmshaven rock“ am 11. August 2016 von der evangelisch-lutherischen Kirchen­ ein reich illustriertes Buch über die Südzentrale vor. Das gemeinde Ganderkesee und dem Verein Nomine e. V. (Norddeutsche Ende 1908 errichtete Kraftwerk an der Kaiser-Wilhelm- Orgelmusikkultur in Niedersachsen und Europa) der Öffentlichkeit Brücke war ein herausragendes Baudenkmal und wurde vorgestellt worden. Sie ist zum Preis von 9,80 Euro in der Kirche und im August 2015 abgebrochen. Das Buch dokumentiert im Kirchenbüro in Ganderkesee erhältlich. Planung, Bau und Nutzung der Südzentrale, den Verfall CD „Lieblingsstücke – Orgelwerke des Barock“. Thorsten Ahlrichs an der seit der Schließung 1993, die erfolglosen Bemühungen Arp-Schnitger-Orgel von 1699 in Ganderkesee, Kompositionen von um den Erhalt und den Abbruch. Der Druck wurde von Matthias Weckmann, Franz Tunder, Georg Böhm, Dietrich Buxtehude, der Oldenburgischen Landschaft gefördert. Heinrich Scheidemann, Hieronymus Praetorius, Melchior Schildt, Vincent Südzentrale, Herausgeber: Verein zum Erhalt der Südzen­ Lübeck und Georg Dietrich Leyding, Folge 3 aus der Reihe „Lieblingsstü- trale e. V. – Verein zum Erhalt Wilhelmshavener Bau­ cke“ von Nomine e. V., Stade 2016, Gesamtspielzeit: 75:18 min, 16-seitiges kultur, Brune-Mettcker Druck- und Verlagsgesellschaft, Booklet, Preis: 9,80 Euro. Wilhelmshaven 2016, 148 S., über 200 Abb., Hardcover, ISBN 978-3-941929-71-5, Preis: 24,90 Euro.

De plattdüütsch Klenner up dat Jahr 2017 Mit einer Fülle niederdeutscher Geschichten, Gedichte, Rezepte und Termine wartet der neue „plattdüütsch Klenner up dat Jahr 2017“ auf. Über 30 Autoren unterhalten und informieren mit ihren kurzweiligen Texten auf fast 200 Seiten. Die „Klennermakers“ Elfriede Coburger, Detmar Dirks, Dieter Helms, Hilke Helms-Slagelambers, Rita Kropp, Karin Linden, Elke Meiertöns und Stefan Meyer belegen damit die Lebendigkeit der plattdeutschen Sprache und Kultur. Am 24. Novem- ber 2016 wurde der Klenner im Heinrich-Kunst-Haus in Ofenerfeld vorgestellt. De plattdüütsch Klenner up dat Jahr 2017, rutgäven to’n 84. Maal. Rutgävers: De Spieker – Heimatbund für niederdeutsche Kultur e. V. un Oldenburgische Landschaft, Isensee Verlag, Oldenburg 2016, 192 S., Abb., ISBN 978-3-7308-1299-0, Preis: 5,95 Euro.

Übrigens: Neue Publikationen zu oldenburgischen Themen finden Sie auf der Homepage der Landesbibliothek Oldenburg unter: www.lb-oldenburg.de/nordwest/neuerwer.htm

62 | Neuerscheinungen LegendäreLokale Ein weiteres Kapitel aus der traurigen Endlosserie Wir führen Buch und schreiben Verluste Von Klaus Modick

So richtig dabei gewesen ist man immer erst in narischen Reich waltete er auch wie ein energi- der Erinnerung. Und das liegt unter anderem an scher, umsichtiger Herrscher. Auf den Simsen dem nur allzu bekannten Umstand, dass früher der Holzvertäfelungen prangten Zinnbecher, grundsätzlich alles besser war. Deshalb war früher Bierhumpen und Sammelteller. Unter den vom das Essen nicht nur billiger, sondern es schmeckte Tabaksrauch der Generationen geschwärzten selbstverständlich auch besser. Und das wieder- Deckenbalken, von denen Segelschiffmodelle um hing ursächlich mit den legendä­ren Restau- hingen, wurde gutbürgerlich gegessen. Wie es Klaus Modick wurde 1951 in rants zusammen, in denen das Essen gekocht sich so gehörte, gab es im Winter selbstverständ- Oldenburg geboren. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und und serviert wurde. Auch aus Oldenburg sind die lich und alle Jahre wieder Grünkohl, im Früh­ lebt in Oldenburg. Modick Lokale jenes märchenhaften Damals längst ver- sommer Spargel. In den Hinterzimmern trafen veröffentlichte zahlreiche Romane, Erzählungen und schwunden, doch je länger sie verschwunden sind, sich die üblichen Geschlossenen Gesellschaften, Gedichtbände. Für sein desto legendärer werden sie. Zwecks mentaler Hochzeiten, Vereine, Jubiläen, Schüler­verbin­ umfangreiches literarisches Schaffen erhielt er mehrere Wiederbelebung ihrer Atmosphären und Speise- dungen. Preise und Auszeichnungen, karten, ihres Personals und ihrer Publikums Als der Stedinger Hof im Jahr 1973 für immer unter anderem 1990/91 den Rom-Preis der Villa Massimo und kann man sich folgender alt­bewährter Rezeptur schloss, fand das trauernde Stammpublikum den Bettina-von-Arnim-Preis. bedienen: Man nehme einen Esslöffel voll Es-war- Asyl in der Gaststätte Steffmann in der Kurwick- Für die Zeitschrift kulturland oldenburg schreibt Klaus einmal-Körnchen, vermische diese mit einer groß- straße, eine zwar nicht ganz so altehrwürdige Modick jeweils unter der Rubrik zügigen Prise pulverisierter Nostalgie-Knolle Variante gutbürgerlicher Gastronomie wie der „Zum guten Schluss“ eine Kolumne. und einer Messerspitze zartbitterer Nie-wieder- Stedinger Hof, aber das Speisenangebot war ähn- Foto: Peter Kreier Schote und mische und zermahle das Ganze in lich solide und das Ambiente ähnlich robust. In einer gedächtnisüblichen Erinnerungsmühle. Zeiten von Sushi und Döner, Fast- und Designer- Die Mixtur kann dann als Déjà-vu-Tee aufgegos- Food, hatte die gute alte Hausmannskost jedoch sen oder in einer langstieligen Pfeife der Firma einen immer schwereren Stand, sodass vor einigen Vergissmeinnicht geraucht werden. Außer tempo- Jahren auch Familie Steffmann den Betrieb ein- rären Anfällen von Vergangenheitswahn und stellen musste und das Haus verkaufte. Es steht Früher-Fieber sind bislang keine Risiken und übrigens noch, wenn auch ungenutzt und offen- Nebenwirkungen beobachtet worden. bar rein spekulativ. Als letzte Bastion traditioneller Und so sehen wir uns dann plötzlich am Lef- deutscher Küche und einer Dekorations-Gemüt- fers-Eck eine Schwingtür aufstoßen und, da es lichkeit, die zwar längst obsolet geworden ist, in Winter ist, den schweren, grünen Filzvorhang der aber Ratsherrenpfannen und Kohlrouladen beiseite schieben, hinter dem sich die holzvertä- einfach besser schmecken als unter Neonlicht, felten Räume des Stedinger Hofs auftun. Dies Kunstleder und Spiegelglas, erwies sich der (bis- Restaurant, das anfangs im ersten Stock auch lang!) unverwüstliche Ratskeller. Verschwunden Hotelzimmer angeboten hatte, war seit etwa 1800 ist jedoch auch unter dessen altdeutschem Tonnen- eine Institution – sozusagen das gastronomische gewölbe – wie überall – der graublaue Dunst aus Wahrzeichen des ehemaligen Duodezfürstentums Pfeifen und Zigarren, der einst zu solchen Loka- Oldenburg. Herr Rave, der Inhaber, hörte auf len gehört hatte wie dicke Bohnen mit Speck, Le- den stolzen Vornamen Cäsar, und in seinem kuli- ber Berliner Art oder Hirschgulasch mit Rotkohl.

Zum guten Schluss | 63 kulturland 4|16

Zu jenen märchenhaften Zeiten, da ein allgemeines Rauch- verbot so unvorstellbar gewesen wäre wie der Grünkohl ohne Pinkel, gab es allerdings ein Restaurant, das wie eine alkohol- und nikotinfreie Insel in einem Meer von Qualm und Bier di- rekt gegenüber dem Theater lag. Das Ottilie-Hoffmann-Haus, ein Überbleibsel der jugendbewegten Reform- und Abstinenz- bestrebungen um 1900, war ein vegetarisches Gasthaus, in dem sehr energische Damen – ganz in weiß gekleidet und somit Krankenschwestern ähnlich – Sellerieschnitzel, Hirse- bratlinge, Rote-Bete-Ragout, Linsensoufflés und Sauerkraut- saft kredenzten. Einmal pro Woche kreuzte meine Oma zum Mittagstisch im Ottilie-Hoffmann-Haus auf; zwar war sie we- der Vegetarierin noch Temperenzlerin, hatte aber eine Jugend voller Reformbegeisterung und Wandervogelseligkeit hinter sich, deren Geist im Ottilie-Hoffmann-Haus noch umging und meine Oma daran erinnerte, dass sie auch einmal jung gewe- sen war. Das Stammlokal meiner Großmutter war jedoch das Café Hassenbürger in der Raiffeisenstraße. Dort traf sich in der Beletage unterm Walmdach einer romantischen Fachwerkvilla das weibliche Element des Oldenburger Groß- und Bildungs- bürgertums zum Kaffeeklatsch bei Tee und Mokka, Schwarz- wälder Torte und Windbeuteln, Baumkuchen und Plunderge- bäck. Im Sommer fanden Klatsch und Tratsch im prächtigen Garten statt. Meine Oma und ihre Freundinnen feierten hier auch ihre runden Geburtstage als geschlossene Gesellschaf- ten. Heute gehört die Villa zum Ensemble des Stadtmuseums, wo einst der Garten lag, steht jetzt das Horst-Jansen-Museum. Wenn man ganz leise durch die Räume wandelt, kann man vielleicht noch aus einem vergessenen Irgendwo gedämpftes Plaudern hören, leises Lachen, das matte Klacken von Kuchen- gabeln auf edlem Porzellan und das feine Knistern des im heißen Ostfriesentee zerspringenden Kandis. Was meiner Oma das Hassenbürger, war meiner Generation das Café Bär, gelegen auf mehreren Etagen eines Betonneu- baus im Herbartgang. Besonders beliebt war bei gutem Wetter die Dachterrasse. Rammelvoll wurde es hier immer an Sams- tagen, wenn nach Schulschluss die Schülerinnen und Schüler der Oldenburger Gymnasien das Café Bär zu einem Flirtbasar machten. Auf dem kleinen Platz vor dem Café stand im Som- mer ein Softeis-Wagen, vor dem sich lange Schlangen bildeten. Die Tatsache, dass Schüler mit ihrem kargen Taschengeld we- nig Umsatz brachten und nicht einmal das Eis im Café, son- dern an der Bude davor kauften, mag dazu bei­getragen haben, dass das Café Bär Ende der 70er-Jahre schloss. Ein paar Ecken weiter am Heiligengeistwall, gegenüber dem Art-Deco-Gebäude der Wall-Lichtspiele, ging es beson- ders volkstümlich zu. Dort befand sich nämlich die legen- därste aller Oldenburger Gastronomielegenden: der Wurst- Maxe. In einer für die 50er-Jahre typischen Kurve spannte sich dieser 1953 erbaute Stehimbiss zwischen dem Teppich- haus Ullmann und einer Bedürfnisanstalt. Im Winter wurde der zur Straße offene Tresen durch ein Vorzelt geschützt. Die Speisekarte war übersichtlich: Rostbratwurst mit Weiß-

64 | Zum guten Schluss kulturland 4|16 brot und Senf (eine Mark), Schaschlick (einsfuff- zig), Currywurst (einszwanzig), Bockwurst (80 Pfennig), Stück Astra Flaschenbier (90 Pfennig), Sinalco und Apfelsaft (je 70 Pfennig). Trotz die- ses kargen Angebots erfreute sich der Wurst- Maxe enormer Beliebtheit, nicht nur weil die Rost- bratwurst als unschlagbar delikat galt, sondern besonders auch bei sogenannten Nachtschwär- mern, weil die Bude bis 5 Uhr morgens geöffnet hatte. 1991 wurden Wurst-Maxe samt Bedürf­ nisanstalt gnadenlos abgerissen. Wo warst du, Denkmalschutz? Diese Frage, die sich in Oldenburg leider an viel zu vielen Ecken und Enden aufdrängt, ließe sich auch und besonders an den Stau, den Olden- burger Stadthafen, richten, an dessen Rand Han- delshof und Kunstgewerbemuseum dem Moderni- sierungswahn der Nachkriegszeit zum Opfer fielen. Der gastronomische Supergau war jedoch der Schiffbruch der schwimmenden Fischbrat- küche, die dort in einem umgebauten Alsterdamp- fer am Kai lag. Eine schwankende Gangway führte an Bord, wo es zwischen allerlei maritimem Dekorationsschnickschnack à la Steuerruder, Rettungsringen und Haifischflossen preiswerte, aber üppig portionierte und enorm schmack- hafte Fischgerichte gab. Scholle, Kabeljau, Rot- barsch, Brathering, Aalsuppe, dazu hausgemach- ten Gurken-, Kartoffelsalat und Bratkartoffeln. Die Getränkeauswahl erschöpfte sich in Kaffee und Flaschenbier für die Erwachsenen, Fassbrau- se und Bluna für die Kinder. Mitte der 50er-Jahre brannte das Schiff aus, wurde aber in einer Em- dener Werft repariert und renoviert und erfreute Klaus Beilstein wurde 1938 in sich weiterhin größter Beliebtheit. Als der Stau Delmenhorst geboren. Von 1959 bis 1963 studierte er an der 1962 im vorderen Bereich als Verkehrsknoten- Staatlichen Kunstschule in punkt überbaut wurde – eine von vielen Bausün- Bremen bei Jobst von Harsdorf. Als Maler und Zeichner hat er den Oldenburgs – verlor auch die Fischbratküche mit viel Humor das kulturelle ihren Liegeplatz. Der Kahn musste aufgegeben Leben in Stadt und Land begleitet. Er lebt und arbeitet werden, und das Lokal zog in ein Haus am Stau um. in Oldenburg. Für die Zeitschrift Ohne Wasser unterm Kiel erging es der Fisch- kulturland oldenburg zeichnet er jeweils zur Kolumne von bratküche allerdings schon bald wie einem Fisch Klaus Modick. auf dem Trockenen. Bei meinem letzten Besuch Foto: Peter Kreier wurde auf einem Schild die bevorstehende Schlie- ßung des Lokals angekündigt. Mein Vater warf noch einmal 20 Pfennig in die Spendendose der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrü- chiger, und auf dem Nachhauseweg summte und brummte er melancholisch Freddy Quinns See- manslied „Vergangen, vergessen, vorüber“.

Zum guten Schluss | 65 Kultur fördern Isensee Verlag, 26122 Oldenburg Tradition pflegen PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, Heft 7259 Natur schützen