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Rundbrief Nr. 51 August 2005 ______

60. Jahrestag der Priesterweihe Karl Leisners Christen aus vier europäischen Ländern am Altar vereint

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Zum Umschlagbild: Vorne von links: KZ-Priester Jean Kammerer und Hermann Scheipers, Bischöfe Franz Dietl, Benoît Rivière, Engelbert Siebler, Hippolyte Simon, , Ignacy Je Ŝ, Adrianus van Luyn und Reinhard Lettmann, Diakon Peter Pfister. Hinten: Karl Leisner-Büste in Rees.

Impressum: Herausgeber: Internationaler Karl-Leisner-Kreis e.V. Kleve (IKLK) Redaktion: Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel Geschäftsstelle: Wasserstraße 1, 47533 Kleve Telefon 02821/92595; Telefax 02821/980331

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Bildnachweis: Umschlagbild vorne Damien Hubert, hinten u. S. 74 Ewald Kersten; S. 6 Maria Penz; S. 7 Magnus Heckt; S. 12, 91, 93 Archiv Latzel; S. 15, 26 Jürgen Kappel; S. 30 Florence Grall; S. 37, 41, 55, 61, 64 Archiv IKLK; S. 38 Manuel Rispal; S. 40 Klaus-Reiner Klebe; S. 76 Gottfried Evers; S. 83 Benedikt Elshoff; S. 90 Prospekt „Porta itineris sancti Jacobi“; S. 97 Butzon & Bercker; S. 123 Hermann van de Sandt.

Satz: Hans-Karl Seeger Druck: Massing GmbH, Emmerich

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Inhalt Seite An die Freunde von Karl Leisner 3 Karl Leisners 60. Todestag 5 60. Jahrestag der Priesterweihe des seligen Karl Leisner 7 12. Dezember – Gaudete – 2004 in Xanten 8 19. Dezember – 4. Advent – 2004 in Dachau 11 Streiflichter 27 „Sie sind in dieser Hölle frei geblieben“ 27 Zeugnis eines Überlebenden aus dem KZ Dachau: Joseph Urien 28 Eine faszinierende Begegnung in Planegg 30 Keine Zukunft ohne Erinnerung 33 19. Dezember 2004 in München – Aufnahme von Sr. Imma Mack in die französi- sche Ehrenlegion und Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 36 Clemens August Graf von Galen und Karl Leisner 41 Der Kotten in den Bockholter Bergen 55 „Was mir Karl Leisner bedeutet“ 70 Straßen und Gebäude benannt zu Ehren Karl Leisners 72 Einladungen: Mitgliederversammlung 78 Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg in Frankreich 79 Nachrichten aus aller Welt (Deutschland, Frankreich, Niederlande, Spanien) 80 Veröffentlichungen über Karl Leisner 94 Glossar 98 Fragen zur Kommentierung der Tagebücher 123 Informationsmaterial über Karl Leisner 126 Beitrittserklärung 129

2 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde von Karl Leisner!

Anläßlich des 60. Jahrestages der Priesterweihe und Weiterhin finden Sie die Einladung zur Mitglie- Primiz Karl Leisners gab es zwei offizielle Gottes- derversammlung am Gaudetesonntag, dem 11. dienste. Am Sonntag Gaudete, am 12. Dezember Dezember 2005, in Xanten und zu einer Pilgerfahrt 2004, feierte der ehemalige Regionalbischof für den auf dem Jakobsweg von Vézélay nach Clermont- Niederrhein mit Sitz in Xanten Alterzbischof Dr. Ferrand im Mai 2006. Ludwig Averkamp den Gedenkgottesdienst unter Teilnahme zahlreicher Christen aus Nah und Fern Der letzte Teil des Rundbriefes bringt wie immer im Xantener Dom. Nachrichten und Neuigkeiten aus aller Welt. Am 4. Advent, dem 19. Dezember 2004, fand in Dachau ein festlicher Gottesdienst mit acht Bischö- Im Februar 2006 erhalten die Mitglieder des IKLK fen aus vier Nationen und Hunderten von Pilgern, statt eines Rundbriefes eine Biographie über Karl darunter circa 300 Franzosen, statt. Unter anderem Leisner, die in der TOPOS-Reihe erscheint. Für sind die Ansprachen dieser Gottesdienste in diesem eine Spende für den Druckkostenzuschuß sind wir Rundbrief dokumentiert. sehr dankbar. Am Nachmittag des 19. Dezember wurde Schwester Imma Mack in einer festlich gestalteten Unser Mitglied Gerhard van Ackeren schrieb einen Feier in München am Mariahilfplatz im Kloster der Bericht über die Lesung zu Karl Leisner und Edith Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau vom Stein von Gregor Bohnensack und Silvia Steinberg französischen Botschafter in die französische in Haus Aspel. Ehrenlegion aufgenommen. Die Organisation „Kirche in Not“ führte anläßlich Die bevorstehende Seligsprechung Kardinal von des Weltjugendtages in Köln das Musical „Pelikan“ Galens ist Anlaß, über Karl Leisners Beziehung zu auf, in dem unter anderen Heiligen und Seligen seinem Bischof nachzudenken. In Tagebuchauf- unserer Zeit auch Karl Leisner erscheint. zeichnungen und Briefen wird deutlich, was ihm der „Löwe von Münster“ bedeutete. Ein Glossar erläutert wichtige Begriffe aus diesem Rundbrief. Manche Recherchen sind von Ortskundigen leichter zu machen als von Ortsfremden. So hat unser Mit- Bei der Kommentierung der Tagebücher Karl Leis- glied Christa Bockholt erkundet, was es mit dem ners tauchen immer wieder Fragen auf. Diese fin- Kotten auf sich hat, den Karl Leisner oft in seinen den Sie unter der Rubrik „Fragen zur Kommentie- Fahrtenberichten erwähnt. rung der Tagebücher“. Über Rückmeldungen mög- lichst direkt an meine Adresse freuen wir uns sehr. Die Städte Rees und Goch erinnern sich an Karl Leisner, der in ihrer Stadt gelebt hat. Ihren irdischen Pilgerweg vollendet haben: Theo Giesen, Dr. Paul Hellbernd und Erzbischof Jean

3 Dardel. An dieser Stelle gedenken wir auch unseres Im Namen des Präsidiums grüße ich Sie und wün- verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Sie mögen sche Ihnen eine gute Zeit ruhen in Frieden! In einem Gespräch mit „Kirche + Leben“ sagte Bischof Dr. Reinhard Lettmann: „Die Seligspre- chung von Karl Leisner ist maßgeblich dem Papst zu danken, weil er unsere Argumentation unter- Meine Adresse: Hans-Karl Seeger, Postfach 1304, stützte, dessen Leiden im KZ als Martyrium zu 48723 Billerbeck werten.“ E-Mail: [email protected]

4 12. August 2005 – Karl Leisners 60. Todestag

Karl Leisner wollte beim Sterben mit seinem Es ist etwas Wunderbares um den Primiztag. Es Freund Otto Pies allein sein. Als er am Sonntag, ist ein Tag, an dem der neugeweihte Priester in dem 12. August 1945, morgens gegen 5.00 Uhr seine Heimatgemeinde kommt, der Tag, auf den unruhig wurde, betete Otto Pies mit ihm die Sterbe- Eltern und Angehörige jahrelang mit Freude ge- wartet haben, an dem sie ihre Opfer und Mühen gebete und reichte ihm ein Kreuz zum Kuß. Dann gekrönt sehen. Es ist der Tag, an dem der Neu- wurde Karls Atem kurz und oberflächlich. priester zum ersten Mal am heimatlichen Altare Da Mutter Leisner und Karls Schwestern in der im heiligen Opfer die Verbindung zwischen Gott Nähe waren, holte die Nachtwache Schwester Ju- und den Menschen herstellt. Eine freudeerfüllte venalis sie an das Bett des eben Verstorbenen. Ne- Gemeinde, Glockengeläute, Straßen und Häu- ben der Trauer, den Sohn und Bruder verloren zu ser im Festschmuck, Banner der Jugend, das ist haben, waren sie aber erleichtert, daß sein Lei- der würdige Rahmen einer Primizfeier. densweg zu Ende war. Mutter Leisner erinnerte sich Auch heute hat ein Neupriester Heimkehr in an das, was Karl ihr etwa 14 Tage vor seinem Tod seine Heimatpfarre gehalten. Doch alles ist so gesagt hatte: „Mutter, ich muß Dir etwas sagen, ganz anders. Wo sind die frohen Glocken- klänge? Wo ist der Primizaltar? Wo das strah- doch Du darfst nicht traurig sein. Ich weiß, daß ich lende frohe Antlitz des jungen Priesters? Wo bald sterben werde, doch ich bin froh dabei.“ sind die glücklichen Angehörigen? Und wo ist Die Schwestern des Waldsanatoriums in Pla- die jubelnde Gemeinde? – Wohl läuten die negg legten Karl ein rotes Meßgewand an. Damit Glocken, doch ach, es sind Totenglocken. Wohl deuteten sie an, daß er ein Martyrer war, denn steht die Gemeinde da, doch es ist eine Trauer- letztlich war er wegen seiner Glaubensüberzeugung gemeinde. Die Jugend ist angetreten, doch ihre gestorben. Banner senken sich in Trauer. Der Primizkelch Mit einigen Schwierigkeiten erhielten Karls ist da, doch er steht auf dem Sarge des Primizi- anten. Und der Altar, der Primizaltar sein sollte, Schwestern von der amerikanischen Verwal- ist Opferaltar im wahrsten Sinne geworden. tungsbehörde den für die Überführung der Leiche Häuser und Straßen, die Stadt, die Festgewand nach Kleve notwendigen Leichenpaß, denn der anlegen sollte, das alles liegt in Trümmern. Ja, Transport ging durch die amerikanische, französi- es ist alles so ganz anders gekommen, und sche und britische Besatzungszone. bange und schmerzlich erhebt sich aus unseren So gelangte Karls sterbliche Hülle mit einem Herzen die Frage und Klage: Herrgott, warum von Pfarrer Josef Neunzig organisierten Treck in hast du alles so ganz anders geschehen lassen? die Heimat. Dort wurde Karl am Montag, dem 20. Warum hast du es so gewollt? [ ... ] August auf dem Klever Friedhof beigesetzt. Zuvor Liebe und – Sühne! Wie mochte Karl gerade hatte Kreisvikar Bernhard Wormland in der Eucha- auf den Gedanken der Sühne kommen? Jungen Menschen liegt er nicht nahe. Das ist sicherlich ristiefeier eine beeindruckende Predigt gehalten: erst die Frucht langer Leidensjahre. Auch er Meine liebe, in Christus versammelte Trauerge- hatte hohe jugendliche Pläne und Ideale, hatte meinde! geglaubt und gehofft, seine ganze junge Kraft in den Kampf für das Gottesreich stellen zu kön-

5 nen. Es mag einer langen Umwandlung bedurft Während der Großen Viktortracht 1966 in Xanten haben, bis er erkannte: Gott braucht unsere wurde Karl Leisners Leichnam in Kleve exhumiert Kräfte und Fähigkeiten nicht, bedarf nicht unse- und in der Krypta des Xantener Domes beigesetzt. rer Aktivität. Für Gott kann man letztlich nicht Hans-Karl Seeger kämpfen, für ihn kann man nur lieben.

Karl Leisner im Krankenbett am 15. Juli 1945

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60. Jahrestag der Priesterweihe des seligen Karl Leisner

7 12. Dezember – Gaudete – 2004 in Xanten Gedenkgottesdienst im St. Viktordom

Wie jedes Jahr war auch zum 60. Gedenktag der Wunder, daß die Wächter nichts bemerkten. Auch Priesterweihe und Primiz Karl Leisners ein Ge- die Primiz am zweiten Weihnachtstag, dem Fest des denkgottesdienst in Xanten. Alterzbischof Dr. heiligen Stephanus, blieb ihnen verborgen. Ludwig Averkamp aus Hamburg, der von 1973 bis Karl Leisner schrieb hinterher seinen Angehöri- 1985 Weihbischof im Bistum Münster für die Re- gen: „Nach der heiligen Wandlung war ich für gion Niederrhein mit Sitz in Xanten war, zelebrierte einige Sekunden tief ergriffen und gerührt, sonst und hielt die Predigt. Anläßlich des 200jährigen sehr ruhig und konzentriert. – Nach der Konsekra- Domchorjubiläums des Xantener Domchores war tion in der Primizmesse war’s mir, als stünde ich der Chor der Klever Stiftskirche, der Heimatpfarr- vor unserem König als sein Ritter und Sieger. – Seit kirche Karl Leisners, zu Gast in Xanten und ge- 14 Tagen kann ich nur noch ergriffen beten: Gott, staltete den Gottesdienst musikalisch. was bist du groß und gut. Für uns alle waren es Stunden unbegreiflichen Glückes und hoher, hell- ster Freude, die uns für viele dunkle Stunden reich entschädigten.“ Erzbischof Dr. Ludwig Averkamp Es ist jetzt ein halbes Jahr her, da habe ich mit Dies ist ein Gedenkgottesdienst. Wir denken 60 einem Pfarrer das 65jährige Priesterjubiläum gefei- Jahre zurück an den Weihegottesdienst Ende 1944 ert: Er gehörte ursprünglich zum Priesterkurs von im KZ Dachau. Weihekandidat war unser Diakon, Karl Leisner. Wir erinnern uns: Damals wurde im der selige Karl Leisner. Ritus der Priesterweihe das Wort Jesu angestimmt „Die Priester im Block 26 im KZ Dachau, in vom Bischof und weitergeführt von der Choral- dem alle deutschen Priester zusammengefaßt wa- schola: „Iam non dicam vos servos!“ – „Ich nenne ren, hatten im Scherz einmal zueinander gesagt: euch nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch ‚Jetzt müssen wir beten, daß der Herrgott bald ei- Freunde genannt!“ Das ist uns alten Priestern tief nen Bischof ins KZ schickt, wenn Karl (Leisner) in die Seele gebrannt. Noch mehr ist es den Prie- die Priesterweihe noch erleben soll.’ Im September stern im KZ Dachau vertraut. „Mancher von den 1944 gab es dann einen Bischof im KZ; es war der Anwesenden mußte daran denken, wie er mit der Bischof Gabriel Piguet von Clermont in Frank- Pistole gezwungen worden war, vom Lagereingang reich“. über den Appellplatz zu kriechen, ohne die Hände Er war am Pfingstsonntag verhaftet worden und zu gebrauchen, damit er wisse, daß er von an ins KZ Dachau gekommen. Er erklärte sich zur kein Mensch mehr sei. Dieser aber, der da liegt, ist Weihe bereit; und so begannen im Verborgenen die erwählt, mehr als ein Mensch zu werden, eine un- Aktivitäten außerhalb und innerhalb des KZ, so daß beschreibliche Würde soll ihm zuteil werden, die die Priesterweihe am Sonntag Gaudete, dem 17. ihn über Menschen und Engel erheben soll“ (Otto Dezember, stattfinden konnte. Dabei mußte streng- Pies). ste Geheimhaltung gewahrt werden. Es ist ein

8 „Iam non dicam vos servos!“– „Ich nenne euch hungsherrlichkeit. Freunde Jesu sind Freunde des nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch Gekreuzigten. Freunde genannt!“ Solche Freunde werden vom Herrn nicht be- Es ist nichts Geringes, ein guter und getreuer wahrt vor Nöten und Leiden. Das tut er nicht ein- Knecht Jesu zu sein. Dafür haben wir große Vorbil- mal mit seiner Mutter, die seinen Weg mitgeht bis der. Maria sagt in der Stunde der Verkündigung: auf den Berg Golgotha. Er hat seinen Jüngern und „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe uns allen gesagt – und dieses Wort kommt in Va- nach deinem Wort!“ Josef sagt im Neuen Testa- riationen mehrfach vor in den Evangelien: wie ein ment kein einziges Wort. Aber in seinem Verhalten Wort, das die Seinen ja nicht vergessen dürfen – : bringt er wortlos zum Ausdruck: „Ich bin der „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der Knecht des Herrn; mir geschehe nach deinem kann nicht mein Jünger sein!“ (Lk 14,27). Wir Wort!“ müssen damit rechnen: Je näher einer zu Jesus zu Wir tun gut daran, es diesen Vorbildern nach- kommen versucht, umso mehr zieht Jesus ihn an zutun und in diese Grundhaltung hineinzuwachsen. sich und mit hinein in sein ganzes Leben, auch in Und doch sagt Jesus: „Ich nenne euch nicht sein Leiden und Sterben für das Heil der ganzen mehr Knechte…, vielmehr habe ich euch Freunde Welt. genannt!“ Ohne aufzuhören, gute und getreue Sein größtes Werk tut er ja nicht mit den stau- Knechte Jesu zu sein und immer mehr zu werden, nenswerten Zeichen der Brotvermehrung und der sollen seine Jünger seine Freunde werden: treue Stillung des Sturmes auf dem Meer, nicht mit der Knechte mit dem Herzen von Freunden! Das ist Heilung von Kranken und Aussätzigen, nicht, in- nicht etwas, was sie sich selbst erwerben konnten dem er Tote zurückruft ins Leben. und mußten. Es wird ihnen vielmehr von Jesus Sein größtes Werk, auf das alles andere zuläuft, geschenkt: „denn“, sagt er, „ich habe euch alles ist die Erlösung der Welt. Diese Erlösung vollbringt mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ er, als er nichts mehr tun kann, als er am Kreuz Mit seinem Wort gibt Jesus ihnen Anteil an den angenagelt keine Hand mehr rühren kann. Dieses Plänen Gottes, erschließt er ihnen das Herz des letzte große Werk tut er allein mit seinem Herzen, Vaters, eröffnet ihnen den Schatz seiner atembe- als er sich dem Vater in liebender Opfergabe hin- raubenden Liebe. Er fährt sie hinein in die wunder- neigt und sich für uns verschenkt: „Vater, in deine bare Entdeckung: „Gott hat die Welt so sehr ge- Hände lege ich meinen Geist!“ liebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit Jesus lädt seine Freunde ein, sich mit hinein- jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat!“ (Joh nehmen zu lassen in diese Hingabe an den Vater. 3,16). Die münstersche Gruppe um den seligen Karl Leis- Jesus selbst zieht seine Freunde immer näher an ner hatte an ihm gesehen, daß ihre priesterliche sich. Er versucht, den Jüngern das tiefste Geheim- Grundhaltung sich nicht nur zu orientieren hat an nis seines Weges hinauf nach Jerusalem zu er- dem Leitsatz „Sacerdotem oportet offerre“ – „Dem schließen: seinen Erlösungsweg für alle Menschen Priester ist es aufgegeben zu opfern“, das Opfer durch Leiden und Kreuzestod in die Auferste- Christi dem Vater darzubringen. Er muß vielmehr selber in diesen heiligen Vorgang hineingehen.

9 Darum hat die ganze Gruppe den Leitsatz ergänzt: Liebe und in die reine Flamme seiner Opferhin- „Sacerdotem oportet offere et offeri“ – „Dem Prie- gabe. ster ist es aufgegeben, zu opfern und auch geopfert Wenn die heiligen Gestalten von Brot und Wein zu werden“, selbst in dieses Opfer mit Christus erhoben werden, sollen wir die Hingabeworte Jesu einzugehen. am Kreuz nachbuchstabieren: „Vater, in deine Das ist dem Priester dringlich aufgegeben, aber Hände lege ich mein Leben!“ nicht ihm allein. Das Konzil hat uns neu gezeigt, Und Jesus Christus wird nicht zögern, unser daß wir Christen alle an der Darbringung des Op- Herz zu verwandeln und mitzunehmen vor das fers Christi beteiligt sind. Der Ort, da dies vom Angesicht des Vaters. Priester und von uns allen probiert und eingeübt Darauf soll das Leben von uns allen hinauslau- und immer tiefer vollzogen werden soll, ist die fen: auf die wunderbare Vollendung unserer Feier des heiligen Meßopfers. Da sollen wir uns mit Freundschaft mit dem gekreuzigten und auferstan- unserer kleinen Liebe, mit unseren halbherzigen denen Herrn Jesus Christus! Amen. Hingabeversuchen hineingeben in seine große

10 19. Dezember – 4. Advent – 2004 in Dachau GEDENKGOTTESDIENST IN DER KIRCHE HEILIG KREUZ IN DACHAU-OST

Zur Feier des Sonntags Gaudete 2002 hatte der ausstrahlten. 1 Gleichzeitig fanden sich auch 140 IKLK Bischof Hippolyte Simon von Clermont nach von Erzbischof Simon eingeladene Gymnasiasten Xanten eingeladen. Auf der Fahrt vom Flughafen aus drei katholischen Schulen des Erzbistums Düsseldorf nach Kevelaer, wo er sich seiner Bus- Clermont auf dem ehemaligen Lagergelände ein. pilgergruppe aus dem Erzbistum Clermont an- Sie hatten die Pilgerreise in einem fächerübergrei- schloß, erfuhr er, daß er zum Erzbischof ernannt fenden Projekt im Sprach- und Geschichtsunterricht worden war. In der Mitgliederversammlung wie- sowie in den Gesellschaftswissenschaften vorbe- derholte er seinen bereits tags zuvor während der reitet. Nach der Führung durch die Gedenkstätte Präsidiumssitzung in Kleve gemachten Vorschlag: äußerte ein 19jähriger angehender Abiturient: „Ich „Was halten Sie davon, einen Gedenkgottesdienst stehe unter Schock. All das hier ist grauenhaft, anläßlich des 60. Jahrestages der Priesterweihe Karl unmenschlich. Wir haben zwar Vorträge über Kon- Leisners durch Mgr Piguet in Dachau mit den zentrationslager gehört, konnten uns aber all dies Nachfolgern der damals beteiligten Bischöfe zu kaum vorstellen.“ feiern?“ Wir versprachen ihm, uns um die Organi- Nach letzten Vorbereitungen für den Gottes- sation zu kümmern und baten ihn, seine Kollegen dienst des kommenden Tages begleiteten wir die Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter von Mün- französischen Journalisten bei ihren Interviews, chen, den Nachfolger von Michael Kardinal von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie Aufnah- Faulhaber, und Bischof Reinhard Lettmann von men für einen Film über Mgr Piguet auf dem Ge- Münster, den Nachfolger von Clemens August Graf lände der Gedenkstätte und im Karmel Heilig Blut. von Galen, persönlich einzuladen. Es hat uns tief beeindruckt, wie innerlich engagiert Aus diesem Samenkorn entwickelte sich ein die jungen Journalisten waren und sich ihrer Betrof- großer Baum. Erzbischof Simon kam bereits am fenheit und Rührung angesichts der unmittelbaren Freitag, dem 17. Dezember, mit circa 50 Buspilgern Konfrontation mit den an diesem Ort begangenen vorwiegend aus der Erzdiözese Clermont nach Greueltaten in keiner Weise schämten. Dachau. Unter ihnen befanden sich auch ehemalige Auf Initiative von Erzbischof Simon trafen sich KZ-Häftlinge und Zeitgenossen von Mgr Piguet. die französischen Jugendlichen am Samstagabend Etliche Pilger hatten bereits an der Wallfahrt nach zu einem Gedankenaustausch im Pfarrheim Heilig Kevelaer und Xanten zu Gaudete 2002 teilgenom- Kreuz mit Präsidiumsvertretern des IKLK und ehe- men. Beim gemeinsamen Abendessen besprachen maligen KZ-Häftlingen. Die Zeit von 20.00 bis wir mit Erzbischof Simon den weiteren Ablauf der 22.00 Uhr reichte bei weitem nicht aus, alle Fragen Ereignisse. der Jugendlichen zu beantworten. Am Samstagmorgen traf eine Gruppe von 13 französischen Journalisten ein, die das Geschehen über Funk, Fernsehen und Presse nach Frankreich 1 Siehe: S. 27–29, 84.

11 DIE FEIER BEGANN MIT EINEM FESTLICHEN GOTTESDIENST IN DER KIRCHE HEILIG KREUZ IN DACHAU-OST. CHOR, SCHOLA UND BLÄSERGRUPPE VON HEILIG KREUZ DACHAU UNTER DER LEITUNG VON IRMGARD REICHL SANGEN DIE DACHAUER MESSE. DER CHOR DES HERTZHAIMER-GYMNASIUMS (TROST- BERG) UND SEINER FRANZÖSISCHEN PART- NERSCHULE LYCÉE SAINTE THÈCLE (CHAMALIÈRES/CLERMONT-FERRAND) BEREICHERTE DEN GOTTESDIENST MIT

SEINEN GESÄNGEN. DIE ORGEL SPIELTE Begegnungsabend im Pfarrheim Heilig Kreuz JOSEF REICHL.

AN DEM GEDENKGOTTESDIENST AM SONNTAGMORGEN NAHMEN NEBEN DEN URSPRÜNGLICH ANGEDACHTEN DREI BISCHÖFEN NOCH FÜNF WEITERE TEIL: BISCHOF IGNATIUS JE ś EM. VON KOSZALIN/KÖSLIN; BISCHOF ADRIANUS VAN LUYN VON ROTTERDAM; WEIHBI- SCHOF BENOÎT RIVIÈRE VON MARSEILLE; WEIHBISCHOF ENGELBERT SIEBLER VON MÜNCHEN UND WEIHBISCHOF FRANZ DIETL VON MÜNCHEN. AUßER DEN EHEMALIGEN KZ-PRIESTERN IGNATIUS JE ś UND JEAN KAMMERER KONZELEBRIERTE AUCH KARL LEISNERS MITHÄFTLING DEUTSCH-FRANZÖSISCHER CHOR HERMANN SCHEIPERS AUS OCHTRUP. GABRIELE LATZEL, HANS-KARL SEEGER

12 Dachauer Messe gen. Aber die Tatsache, daß wir in der Kapelle nur ein kleines Harmonium, im Lager aber eine Pater Gregor Schwake OSB hat die Dachauer Menge von besten Blechbläsern hatten, brachte Messe 1944 im KZ Dachau komponiert und am 24. mich auf den Gedanken, alle Volkssätze von vier September 1944, dem Fest Maria vom Loskauf der Bläsern begleiten zu lassen. So wurde die Kom- Gefangenen 2, mit dem Priesterchor und Blechblä- position von mir in der heimlichen Tischecke un- sern in der Lagerkapelle in Block 26 uraufgeführt. seres Plantagenbüros zu Papier gebracht. Der KZ-Priester Ferdinand Maurath schreibt, Pater Sonntag, den 24. September, erklang sie zum Gregor habe sie dem Bischof Gabriel Piguet ge- ersten Mal. Es war das an sich sehr kleine, aber widmet. 3 Die Messe ist keine Konzertmesse, son- für uns außerordentlich große „Fest Mariens vom Loskauf der Gefangenen“. Ehe das Hoch- dern, wie der Name „Missa antiphonaria“ sagt, ein amt begann, konnte ich die Mitbrüder aus allen Wechselgesang zwischen Chor und Volk, wobei die Nationen in einer einfachen lateinischen Predigt Blechbläser zur begleitenden Orgel bei den Volks- über den Sinn unseres Vorhabens belehren. teilen hinzutreten. Dieses Hochamt ließ die arme Baracke in ande- Gregor Schwake: rer Weise erzittern, als es bei dem Donnern der Außer dem großen Orchester ist plötzlich eine Flakgeschütze geschah. Nach Beendigung starke Blechmusik da, die an einigen Sonntag- herrschte eine Freude, die über das halbe Lager abenden Platzkonzert und eine Zeitlang zu den zu fluten schien. Die vier Bläser aus vier Natio- Appellaufzügen Marschmusik bietet. [ ... ] Schon nen, ausgesucht vom Hilversumer Kapellmei- Ende August, nach den Friedenschören, wurde ster, wurden vom Pfarrerblock reichlich mit Le- ich von priesterlichen Kameraden gebeten, eine bensmitteln beschenkt. Die SS, die sich sonn- Dachauer Messe zu komponieren. Karl Schram- tags kaum blicken ließ, hat nichts von dem 4 mel gab mir Notenschreibpapier und übernahm Hochamt erfahren. nach Fertigstellung meiner Niederschrift alles Lange galt die Messe als verschollen. Frau Eleo- andere, die Vervielfältigung der Noten mit Licht- nore Philipp vom Verein „Zum Beispiel Dachau“ pause und das Einüben. Ich komponierte keine fand eine Abschrift, die Pater Gregor für die Fran- Konzertmesse für Chor allein, wodurch die kost- ziskanerinnen in Reute bei Bad Waldsee gefertigt bare, einzigartige, aktive Opfergemeinde des hatte. Er hatte die Messe für Frauenstimmen mit Dachauer Heiligtums zum Schweigen und Zuhö- Orgelbegleitung umgeschrieben. Am 18. Oktober ren gebracht worden wäre. Es wurde eine „Missa antiphonaria“, eine Messe im Wechselge- 1997 erklang die Messe in der neuen Fassung – zu- sang hin und her zwischen vierstimmigem Chor rücktransformiert für Männerstimmen – erstmals in und einstimmigem Volksgesang, genau wie Ettenkirch bei Friedrichshafen während einer Ge- wenn wir ein gregorianisches Ordinarium san- denkfeier anläßlich des 30. Todestages von Pater Gregor, der von 1945 bis 1947 dort Pfarrer war. 2 Seit der liturgischen Kalenderreform 1969/70 gibt es das Fest der allerseligsten Jungfrau Maria von der Erlösung der Gefangenen (Festum B.M.V. de 4 Schwake, Gregor, Vor zehn Jahren – September Mercéde) nicht mehr. 1944, Dachauer Messe, in: „Singt dem Herrn – Sän- 3 Ferdinand Maurath, Freiburger Diözesan-Archiv, 90. gerblatt des ACV für Deutschland, Österreich und die Band, Freiburg 1970, S. 139. Schweiz“ 5 (1954), S. 34.

13 Weitere Aufführungen in dieser Fassung erfolgten zweites Mal im großen Festgottesdienst anläßlich am 18. Januar 1998 in Dachau Heilig Kreuz, am 25. des 60. Weihetages der Priesterweihe von Karl März 2000 in Emmerich St. Aldegundis und wie- Leisner am 19. Dezember 2004. derum am 2. November 2003 in Dachau Heilig Hans-Karl Seeger Kreuz. Originalnoten zur Dachauer Messe lagen in Gladbeck-Rentfort in einem Notenschrank. Beim Durchblättern der „Stimmen von Dachau“ stieß ich auf die Bemerkung, daß am 11. Juni 1961 zum Goldenen Priesterjubiläum des ehemaligen KZ- Priesters Pfarrer Josef Helmus die Dachauer Messe in der Originalfassung gesungen wurde: Höhepunkt dieses Festtages war das Jubel- hochamt, in dem der große Kirchenchor von St. Josef die Dachauer Messe von Gregor Schwake in neuer Bearbeitung für Chor und Orchester zum Vortrag brachte. 5 Helmut Färber, Chormitglied in St. Josef Gladbeck- Rentfort, fand im Notenschrank Originalexemplare der Messe, von denen er mir freundlicherweise eines überließ. In dieser Fassung wurde die Messe am 1. November 2004 nach 60 Jahren zum ersten Mal im Kloster Gerleve, dem Heimatkloster des Komponisten, aufgeführt. Frau Irmgard Reichl, Kirchenmusikerin der Pfarrei Heilig Kreuz in Dachau und Dekanatsmu- sikpflegerin hat die Dachauer Messe für vierstim- migen gemischten Chor bearbeitet. Dabei blieb die Komposition weitgehend unangetastet. Durch Austeilen von Notenheften war auch ansatzweise ein chorunterstützender Wechselgesang mit Ge- meinde möglich. Anhand der Orgelstimme wurde nur eine Tenorstimme hinzugefügt. In dieser Fas- sung erklang die Messe am Kirchweihsonntag 2004 das erste Mal in der Pfarrkirche Heilig Kreuz nur 500 Meter vom Entstehungsort entfernt und ein

5 Stimmen von Dachau Nr. 12, 1961, S. 10.

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Erzbischof Hipplyte Simon und Bischof Reinhard Lettmann

im Hintergrund Friedrich Kardinal Wetter

vorne rechts Bischof Adrianus van Luyn

15 Predigten und Ansprachen sichtiges Wort. Das nahm die Geheime Staatspoli- Erzbischof Hippolyte Simon war es ein großes zei zum Anlass, ihn ins Konzentrationslager zu Anliegen, das Ereignis der Priesterweihe vor 60 bringen, zunächst nach Sachsenhausen und dann Jahren, das damals geheim bleiben mußte, öffent- hier nach Dachau. Fünf Jahre lang hat er die Un- lich zu würdigen und so Karl Leisner und allen menschlichkeit, die Not, die Menschenschinderei Inhaftierten das zurückzugeben, was Ihnen damals des Konzentrationslagers erfahren. Es sind auch geraubt wurde. Die Predigt im Gottesdienst hielt heute noch bischöfliche und priesterliche Mitbrüder der Bischof von Münster. bei uns, die mit ihm damals gelitten haben. Aus seiner tiefen Verbundenheit mit Jesus Christus Bischof Dr. Reinhard Lettmann behielt er jedoch die Heiterkeit des Herzens. So Liebe Schwestern und Brüder! konnte er selbst von der Krankenbaracke aus seinen Wir gedenken der 60. Wiederkehr des Jahrestages Mithäftlingen Trost und Zuversicht spenden. der Priesterweihe des seligen Karl Leisner hier in Im Herbst 1944 wurde in Frankreich von der Dachau am 3. Adventssonntag, dem 17. Dezember Geheimen Staatspolizei der Bischof Piguet von 1944. Clermont verhaftet und nach Dachau geschleppt. Wer ist Karl Leisner? Jetzt konnte Karl Leisner insgeheim die Priester- I. Karl Leisner wurde 1915 in Rees am Niederrhein weihe empfangen. Zeugen dieser Weihe sind heute im Bistum Münster in einer gläubigen Familie ge- bei uns. Nur ein einziges Mal, am 2. Weih- boren. nachtstag, am Stephanusfest, konnte er die Heilige Er war ein begeisternder Jugendführer. Er Messe feiern. Dann war er so krank und schwach, weckte in jungen Menschen die Begeisterung für dass er nicht wieder aus der Krankenbaracke auf- die Schönheit der Schöpfung, für die Werte der stehen konnte. Als die amerikanischen Soldaten das menschlichen Kultur und insbesondere für die Lager Dachau befreiten, konnte Karl Leisner nicht Freundschaft mit Jesus Christus. Nach seinem in die Heimat zurückkehren. Er fand Aufnahme im in Kleve entschloss er sich, Theologie zu Sanatorium in Planegg bei den Barmherzigen studieren und Priester zu werden. Durch sein Enga- Schwestern. Er starb dann bald im Sommer. Sein gement in der Jugend war er den damaligen Macht- Grab ist in der Martyrerkrypta im Dom zu Xanten habern missliebig geworden und stand auf der im Bistum Münster am Niederrhein, neben dem schwarzen Liste. Häufiger bedrängte ihn die Ge- Grab des heiligen Viktor, eines Glaubenszeugen heime Staatspolizei, durchwühlte seine Schränke aus alter christlicher Zeit. Der Heilige Vater hat und seinen Schreibtisch, um belastendes Material Karl Leisner am 23. Juni 1996 zusammen mit zu finden. Beim Arbeitsdienst, zu dem alle damals Bernhard Lichtenberg im Berliner Olympia-Stadion gezwungen wurden, zog Karl Leisner sich eine selig gesprochen. lebensgefährliche Krankheit zu. Sie kam zum Aus- II. Was kann der selige Karl Leisner uns heute bruch, als er schon Diakon war. Er musste Heilung sagen? suchen in einem Sanatorium in St. Blasien. Dort Wir spüren, wie die Kirche und das Christsein in sprach er im Zusammenhang mit einem Attentats- unserem Land dabei sind, eine neue Gestalt anzu- versuch auf Hitler ein spontanes, vielleicht unvor- nehmen. Im Leben Karl Leisners werden einige

16 Momente sichtbar, die heute und in Zukunft die unsere Umwelt weithin christlich geprägt war, kam Gestalt des Christseins und der Kirche stärker dem Christsein aufgrund von Beispiel und Autorität bestimmen. große Bedeutung zu. Auch damals gab es Christsein 1. Unser Christsein wird bestimmt sein von der aufgrund von Einsicht und Entscheidung. Aber es wesentlichen Mitte her, von der persönlichen Be- wurde nach außen hin nicht immer als solches ziehung des Menschen zu Jesus Christus. Das sichtbar. Heute und in Zukunft müssen wir dem Zeugnis Karl Leisners weist uns auf diese wesentli- Christsein aufgrund von Einsicht und Entscheidung che Mitte hin. besondere Aufmerksamkeit widmen und uns darum Karl Rahner spricht in seinem „Grundkurs des mühen. Dabei wissen wir: Beide Weisen des Glaubens“ unter der Überschrift „Die persönliche Christseins können nie ganz voneinander gelöst Beziehung des Christen zu Jesus Christus“ von der werden. Es bedarf immer wieder der Menschen, die Notwendigkeit einer „existentiellen Christologie“. durch ihr Christsein aufgrund von Einsicht und Er meint damit: Christlicher Glaube ist nicht bloß Entscheidung für andere Beispiel und Autorität sein eine Weltanschauung, d. h. eine Weise, die Welt können. Sie können helfen, eine eigene Einsicht zu und die Menschen zu verstehen. Das christliche gewinnen und eine eigene Entscheidung zu wagen. Leben erschöpft sich nicht in der Erfüllung sittli- Karl Leisner ist ein Beispiel dafür. cher Vorschriften. Glauben, Hoffen und Lieben als „Wage dein Leben! Wage dich!“ Mehrfach Grundvollzüge christlichen Lebens richten sich kommen solche Worte in den Tagebüchern Karl wesentlich auf die Person Jesu Christi. Zum Glau- Leisners vor. In unserer Zeit, da der christliche ben gehört deshalb die persönliche Beziehung des Glaube weithin nicht mehr von der Selbstverständ- Menschen zu Jesus Christus. Jesus lebt. Wir dürfen lichkeit einer christlichen Umwelt getragen ist, es versuchen und wagen, ihm persönlich zu begeg- fordert er eine bewusste, persönliche Entscheidung. nen und ihn zu lieben. Romano Guardini, ein großer Theologe unseres Ein Beispiel dieser Christusverbundenheit ist Jahrhunderts, beschreibt diese Situation mit den Karl Leisner. In einer Stunde der Ergriffenheit Worten: „Der Schwerpunkt der Glaubenshaltung schreibt er in sein geistliches Tagebuch: „Christus, muss tiefer ins ‚Eigentlich-Personale’, in das Wag- meine Leidenschaft.“ Diese Haltung entspringt nis und die Treue der Entscheidung gerückt wer- nicht nur jugendlichem Überschwang und der Be- den.“ Ruth Pfau, eine Ordensfrau und Missions- geisterung des Augenblicks. An anderer Stelle ärztin, äußert einen ähnlichen Gedanken: „Der schreibt er nüchterner, doch gefüllt mit der Erfah- Sprung ins Wagnis ist das erste, was die Liebe rung seines jungen Lebens: „Mit Christus kann man fordert. Dann kommt die Treue. Beides gehört zu- leben.“ sammen. Aber wenn die Fähigkeit zum Ersten ab- 2. Die Kirche und das Christsein werden bestimmt handen gekommen ist, was soll dann das Zweite?“ sein vom Mut zur Entscheidung. Dieses Wort lässt deutlich werden, wie die Liebe zu Der heilige Augustinus unterscheidet zwei Weisen Jesus Christus Wagnis und Treue des Glaubens im des Christseins: Christsein aufgrund von Beispiel Leben Karl Leisners trägt. In dieser persönlichen und Autorität und Christsein aufgrund von Einsicht Glaubensentscheidung kann er uns heute Vorbild und Entscheidung. In früheren Jahrhunderten, als sein.

17 3. Kirche und Christsein werden geprägt sein vom war davon überzeugt, dass das Evangelium auch Mut zum Bekenntnis. „Keine Menschenfurcht, heute für die Menschen eine frohmachende und weder vor dir selbst noch vor anderen, auch den befreiende Botschaft ist. Diese Überzeugung suchte Höchstgestellten“, so schreibt Karl Leisner in sein er vor allem auch an junge Menschen zu vermitteln, Tagebuch. Er schämt sich nicht, sich zu Christus für die er sich verantwortlich wusste. und zur Kirche zu bekennen, auch als man in der III. 1. Am 17. Dezember 1944 erlebten Priester und Zeit des Nationalsozialismus mit dem Einsatz aller Laien aus 23 europäischen Nationen ein kirchenge- Möglichkeiten der Massenmedien versucht, die schichtlich einmaliges Ereignis im Konzentrations- Kirche in der Öffentlichkeit anzuprangern und zu lager in Dachau: die geheime Priesterweihe des verdächtigen. Gewiss ist es oft leichter, anonym zu todkranken Karl Leisner. Wir haben einige Augen- bleiben, ohne aufzufallen in der Masse mitzulaufen zeugen dieses Ereignisses heute unter uns. und mit dem großen Strom zu schwimmen. Zum Ein im Lager angefertigtes Primizbild zeigt die christlichen Bekenntnis gehört jedoch der Mut, mit einer Kette gefesselten Hände eines Priesters, Flagge zu zeigen, Partei zu ergreifen und sich für die den Kelch emporheben. Darunter steht das das Evangelium einzusetzen. In diesem Mut zum Wort: „Sacerdotem oportet offerre“ – „Aufgabe des Bekenntnis kann Karl Leisner uns Beispiel sein. Priesters ist es, zu opfern“. Dieses Wort war das Der Mut zum Bekenntnis beinhaltet auch den Leitbild einer Theologengruppe der Schönstattge- Mut zur Unterscheidung. Der Apostel Paulus meinschaft in Münster, der Karl Leisner angehörte. schreibt an die Christen in Kolossae: „Ihr habt Auch im Konzentrationslager Dachau hatte er wei- Christus Jesus als Herrn angenommen. Darum lebt ter Kontakt mit den Mitbrüdern dieser Gruppe, wie auch in ihm“ (Kol 2,6). Darum: Wenn man Jesus der Briefwechsel mit Heinrich Tenhumberg, unse- Christus als Herrn annimmt, hat das Konsequenzen rem früheren Bischof, zeigt. In dieser Theologen- im Leben, Konsequenzen für die eigenen Sichten gruppe kam nicht zuletzt auch aufgrund der Ver- und Einsichten und Konsequenzen für den Lebens- haftung Karl Leisners der Gedanke auf, das Leit- stil. In unserer Zeit bedeutet dies, dass Christen sich wort zu erweitern: „Sacerdotem oportet offerre et mehr als in der Vergangenheit von ihrer Umgebung offerri“ – „Aufgabe des Priesters ist es, zu opfern unterscheiden werden: in ihrem Glauben, in ihrer und zugleich Opfergabe zu sein“. Sicht vom Menschen und vom Leben und in den In diesem Sinn schrieb der damalige Kaplan Formen ihres Lebensstils. Denn die Ansichten und Heinrich Tenhumberg in einem Brief an die Schön- Lebensstile in unserer Gesellschaft sind vielfältig stattpriester, in dem er ihnen Mitteilung über den und nicht immer aus christlichem Geist erwachsen. Tod Karl Leisners machte, über seine erste und ein- 4. Kirche und Christsein werden geprägt sein vom zige Messe am 2. Weihnachtstag 1944: „Er legte Mut zum Einsatz für die Welt. sein eigenes Leben als Opfer auf den Altar.“ Karl Leisner erlebte, wie man versuchte, die Kirche Diese Worte erinnern an ein Wort, das der Bi- in ein Ghetto einzusperren. Er spürte das vor allem schof bei der Priesterweihe dem Neugeweihten in der Jugendarbeit. Gegenüber diesen Tendenzen sagt, wenn er ihm Brot und Kelch überreicht: lebte er in der Überzeugung, dass die Kirche eine „Nimm hin die Gaben des Volkes für die Feier des Gemeinschaft im Einsatz für das Evangelium ist. Er Opfers. Erkenne, was Du tust, ahme nach, was Du

18 vollziehst, und stelle Dein Leben unter das Ge- Paulus zu dem Ausruf veranlasst: „Was kann uns heimnis des Kreuzes.“ scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Leben unter dem Geheimnis des Kreuzes: Auch Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr diese Sicht gehört zur Beschreibung des Priesters. oder Schwert? … All das überwinden wir durch Sie darf nicht verloren gehen, wenn wir heute vom den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: We- Priester häufig als Gemeindeleiter sprechen, der der Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, den Vorsitz bei der Eucharistie hat. Das Priestersein weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder erschöpft sich nicht in bestimmten Funktionen. Für Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine die Funktion des Gemeindeleiters und für den Vor- andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe sitz bei der Eucharistie hätte der Bischof in Dachau Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn Karl Leisner nicht zum Priester weihen können. (Röm 8,35.37–39). Denn diese Funktionen lagen nicht in der Perspek- Victor in vinculis: Das könnte eine Zusammen- tive eines auf den Tod erkrankten, gefangenen jun- fassung des Lebens Karl Leisners sein. gen Mannes. Karl Leisner steht mit uns in der Reihe der „Und stelle Dein Leben unter das Geheimnis Glaubenden. Er ist uns auf dem Weg in der Spur des Kreuzes.“ Diese tiefe Dimension gehört auch Jesu vorausgegangen. Die Gemeinschaft derer, die heute zum priesterlichen Leben und priesterlichen mit Christus verbunden sind, endet nicht mit dem Dienst. Der Priester muss, wie Bischof Tenhumberg Tod. Wir danken Gott dafür, dass er uns Karl Leis- sagt, sein eigenes Leben in seinen Dienst hinein- ner geschenkt hat. Wir bitten Karl Leisner, dass er nehmen und als Opfer auf den Altar legen. uns auf unserem Weg mit seiner Fürbitte begleite. Liebe Christen, tragen Sie uns als Priester mit, nicht nur in den Funktionen als Gemeindeleiter und dem Vorsitz bei der Eucharistie, sondern in der Gegen Ende des Gottesdienstes sprachen ehemalige tiefen geistlichen Dimension, die in dem Wort zum Mithäftlinge Karl Leisners, die im KZ Dachau mit Ausdruck kommt: „Und stelle Dein Leben unter das ihm gelitten haben. Geheimnis des Kreuzes.“ Ob Priester da sind und ob junge Menschen den Mut haben, Priester zu Bischof em. Ignacy Je Ŝ werden, hängt auch davon ab, wie Sie, liebe Ein paar Tage nach der Befreiung des Konzentrati- Schwestern und Brüder, die Priester mittragen und onslagers Dachau durch die Amerikaner, am 3. Mai wie Sie über Priester sprechen. Deshalb noch ein- 1945, während der Messe, die am Appellplatz gefei- mal die Bitte: Tragen Sie uns mit in unserem Leben ert wurde, hat der polnische Prediger gesagt: „Hier und in unserem Dienst. haben sich heute alle meine Träume erfüllt. Wie- 2. Kardinal Wetter trägt heute einen Bischofsstab, vielmal habe ich während der stundenlangen Ap- den ein Benediktinerpater in Dachau für die Prie- pelle, an welchen wir immer wieder gezählt waren, sterweihe von Karl Leisner geschnitzt hat. Auf geträumt – hier einmal die heilige Messe zu halten, diesem Stab lesen wir das Wort: „Victor in vin- hier einmal eine Predigt an die Häftlinge zu haben. culis“ – „Sieger in Fesseln“. In diesem Wort äußert Heute haben sich für mich hier alle meine Träume sich die christliche Zuversicht, die den Apostel erfüllt. – So etwas konnte auch der heute selige Karl

19 Leisner am zweiten Weihnachtstag im Jahre 1944 Trotz der Spannungen der Kriegszeit war ich sagen: „Wievielmal habe ich im Lager geträumt, glücklich an dieser ersten Stelle bei einem bemer- Priester zu werden, um doch wenigstens einmal die kenswerten Pfarrer, in einer sehr reizvollen Ge- heilige Messe zu feiern“. Und doch haben sich alle meinde. seine Träume erfüllt! Am dritten Adventssonntag des Meine Verhaftung im Juni 1944 und meine De- Jahres 1944 – allen Voraussehens zuwider – wurde portation nach Dachau haben mein Leben plötzlich er in der Lagerkapelle zum Priester geweiht, und am völlig verändert. Aber diese Prüfung hat während zweiten Weihnachtsfeiertag konnte er doch die ein- meiner sechzig Dienstjahre Früchte der Gnade zige Messe seines Lebens feiern. Fast ein Wunder, getragen. und es war doch möglich! Karl Leisners Priesterweihe hat mich und, wie „Der Glaube ist ein festes Vertrauen auf das, was ich meine, alle Priester tief ergriffen. Sie fand ei- man hofft“ – sagt der Brief an die Hebräer (11,1) und nige Tage vor Weihnachten statt, und so symboli- der heilige Paulus im Brief an die Römer hat vom sierte sie den spirituellen Widerstand in dieser Welt Abraham geschrieben: „Gegen alle Hoffnung hat er der Finsternis, in dieser Nacht, in dieser langen voll Hoffnung geglaubt“ (4,18) und im nächsten Nacht des Lebens im Konzentrationslager. Sie war Kapitel: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde ein Licht, ein Stern, der die Hoffnung auf die Zu- gehen“ (5,5). Alle diese Worte der heiligen Schrift kunft der Kirche und der Welt bedeutete. Nein, die haben sich im Leben Karl Leisners verwirklicht, Finsternis konnte das Licht nicht ersticken, im sowie auch diese, die er im Te Deum immer wieder Gegenteil, die Hoffnung, die Christus uns durch zum Schluss gesungen hat „Herr, auf Dich hoffen seine Geburt in Bethlehem gebracht hat, sollte über wir allein, lass uns nicht verloren sein“. – Karl Leis- alles Böse siegen. ner war, trotz der Krankheit, ein Vorbild der Hoff- Karl Leisner hat sein leidvolles Leben als Opfer nung für alle Häftlinge im Lager. Heute ist er für uns dargebracht – sein einzig möglicher Dienst! Und so ein Vorbild, wie man mit derselben Hoffnung in die ruft er uns alle auf, deutsche und französische Prie- weiteren Tage unseres Lebens gehen kann, weil groß ster, die Priester Europas und der Welt, all unsere ist unser Gott und groß ist seine Barmherzigkeit. Dienste als Zeichen der Hoffnung für jeden Men- schen, ja, für alle Menschen zu leben. Jean Kammerer Karl Leisners Priesterweihe hat mich sehr geprägt, Hermann Scheipers denn ich war gerade ein Jahr Priester, als ich ver- Liebe Brüder im bischöflichen und priesterlichen haftet und deportiert wurde. Es gibt eine Gemein- Amt, liebe Schwestern und Brüder im Glauben. samkeit zwischen Karl Leisner und mir: Weder Ich bin der einzige noch lebende Priester auf der seine noch meine Eltern konnten bei der Weihe Welt, der – zusammen mit den KZ-Priestern aus anwesend sein. Als ich im Juni 1943 in Lyon ge- dem Bistum Münster – dem Diakon Karl Leisner weiht wurde, befanden sich meine Eltern im von bei seiner Priesterweihe vor 60 Jahren die Hände Deutschland annektierten Elsaß. Für die Diözese aufgelegt hat. Besançon geweiht, wurde ich zum Vikar in Mont- Von 1941 bis zum April 1945 war ich mit ihm béliard in der Nähe der Schweizer Grenze ernannt. zusammen auf Block 26, Stube 3. Er saß an mei-

20 nem Nebentisch mit dem Jesuitenpater Otto Pies, Tage vor dessen Abtransport erwirkte sein Bruder seinem Betreuer und Spiritual. Doch oft war sein seine Entlassung aus dem KZ-Dachau und damit Platz leer. Dann befand er sich wegen seines Tu- seine Errettung vor dem Tod in der Gaskammer. berkulose-Leidens im Krankenrevier. Zum Schluß möchte ich mich bei Karl Leisner Unvergeßlich bleibt mir sein Tarzisius-Dienst und allen anderen mir gut bekannten Dachauer Ende Juli 1942. Ich war nach einem Schwächean- Märtyrern für die jüngste Gebetserhörung öffentlich fall als arbeitsunfähig selektiert und in den Invali- bedanken. Nach einem Unfall in der vorigen Woche denblock verlegt worden, wo ich nur noch auf konnte ich auf ihre Fürbitte hin das Krankenhaus meine Hinrichtung durch Transport in die nächst- bereits nach drei Tagen verlassen, und jetzt – wenn gelegene Gaskammer zu warten hatte. Da kam Karl auch mit Stock – Ihnen dies Zeugnis schenken. Leisner und reichte mir im Schutz der Dunkelheit Näheres zur Rettungsaktion meiner Schwester durch den Stacheldraht des Invalidenblockes als kann man erfahren auf einem Informationsblatt, das Wegzehrung das Heilige Sakrament. am Ausgang der Kirche bereitliegt. Ebenso unvergeßlich ist mir sein prophetisches Wort, das er mir in der Nähe des Krankenreviers zurief, als die für die Vergasung bestimmten To- Ursprünglich sollte es nach dem Gottesdienst eine deskandidaten in einem langen Zug zum Bad ge- Prozession zum Block 26 geben, in dem sich die führt wurden. Er rief mir zu: „Denk an die drei Lagerkapelle befand, wo die Priesterweihe und Jünglinge im Feuerofen!“ Offenbar wollte er mir Primiz stattgefunden haben. Aber während des damit sagen: So wie Gott im Buch Daniel den drei Gottesdienstes fiel soviel Schnee, daß der vorgese- Jünglingen einen Engel schickte, der sie vor dem hene Prozessionsweg nicht begehbar war. Erzbi- Feuertod des Königs von Babylon gerettet hat, so schof Simon hielt daher seine für Block 26 vorge- kann er auch dir einen Engel schicken, um dich vor sehene Ansprache in der Kirche. Neben ihm hielt dem Vergasungstod zu retten. ein französischer Priester den vom KZ-Häftling Meine lieben Schwestern und Brüder: genau das Pater Makarius Spitzig für die Priesterweihe ge- hat Gott getan! Der Engel war meine Zwillings- schnitzten Bischofsstab. Derselbe französische schwester, die durch ihre mutige Intervention beim Priester war Stabträger, als Bischof Gabriel Piguet Reichssicherheitshauptamt in nicht nur mich, nach dem Pontifikalamt in der Kathedrale von sondern auch Hunderte von bis dahin noch nicht Clermont-Ferrand am Pfingstfest 1944 verhaftet vergasten Priestern vor der Ermordung errettet hat. wurde. Wenn einer erst auf der Liste der Todeskandidaten stand und auf dem Invalidenblock gelandet war, Erzbischof Hippolyte Simon gab es für ihn kein Entrinnen mehr. Außer meiner Liebe Schwestern und Brüder! Schwester ist dies aber nur noch dem Bruder von Eigentlich wollte ich am ehemaligen Block 26, in Pfarrer Jean Bernard aus Luxemburg gelungen. – dem mein Vorgänger in der Diözese Clermont, Mgr Jean Bernard ist jetzt bekannt geworden durch den Piguet, am 17. Dezember 1944 Karl Leisner zum am 10. November hier in München angelaufenen Priester geweiht hat, sprechen. Ich lade Sie zu ei- Film „Der neunte Tag“ von Schlöndorff. – Zwei nem Augenblick der Besinnung, der Meditation und

21 des Gebetes ein. Wir wollen an alle Menschen den- demütigt worden war und wo es ausgelöscht ken, die zwischen 1933 und 1945 in diesem Lager werden sollte, war die göttliche Vergeltung deut- gelebt, gelitten, gebetet und ihr Leben geopfert lich sichtbar geworden: Ein Priester mehr war haben für die Freiheit ihres Landes und für die zum Priesterstand Christi geboren. Freiheit Europas. Gewiß haben Sie Bücher über diese Periode des Hören wir nun nach diesem Augenblick der Nationalsozialismus gelesen. Vielleicht haben Sie Stille die Worte des Apostels Paulus aus seinem schon Konzentrationslager in Europa besucht. Sie Brief an die Römer (8,35–39): waren darauf eingestellt, daß in diesen Lagern Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? schlechte Behandlungen, Demütigungen und Ge- Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger waltakte stattgefunden haben. Um die Bedeutung oder Kälte, Gefahr oder Schwert? In der Schrift der Inschrift recht zu verstehen, bitte ich Sie, über steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag folgende Frage nachzudenken: Haben Sie jemals an dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie die Siege gedacht, die die Häftlinge täglich errun- Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. gen haben? Doch all das überwinden wir durch den, der uns Diese Häftlinge waren sehr verschieden. Sie geliebt hat. Denn ich bin gewiß: Weder Tod noch kamen aus allen Ländern Europas und hatten ganz Leben, weder Engel noch Mächte, weder Ge- unterschiedliche Religionen und Einstellungen. genwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Unter ihnen befanden sich Deutsche, Franzosen, Kreatur können uns scheiden von der Liebe Juden, Kommunisten, Protestanten, Katholiken Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. etc..., die unterschiedlichsten Menschen. Aber eines Es mag Ihnen merkwürdig erscheinen, an diesem hatten sie alle gemeinsam, sie haben dafür ge- Ort diese Worte des Apostels Paulus zu hören. Wie kämpft, ihre Menschenwürde zu bewahren. kann man von Sieg sprechen, wenn wir uns an Wir laufen Gefahr, immer nur die dunkle Seite, Menschen erinnern, die unter den bekannten Um- das heißt Gewalt, Lüge und Barbarei zu erkennen. ständen eingesperrt, gedemütigt und vernichtet Es wäre jedoch fatal, wenn wir auf Grund dieser wurden? Doch sehen Sie sich den Bischofsstab an, Grausamkeiten nicht die gesamte Wirklichkeit den Mgr Piguet bei der Priesterweihe von Karl sähen und wenn uns die Entfesselung von Gewalt Leisner trug. Schauen Sie sich genau an, was darin an der Menschenfreundlichkeit und Treue Gottes eingeschnitzt ist: „Victor in vinculis – Sieger in gegenüber seinen Getreuen zweifeln ließe. All das Fesseln“. Sie sehen, nicht ich spreche heute von kann zu einer Prüfung unseres Glaubens werden. Sieg, sondern der Häftling, der diesen Stab ge- Aber wir müssen genauer hinschauen. Bliebe unser schnitzt hat. Er deutete Karl Leisners Priesterweihe Blick nur auf die dunkle Seite fixiert, so wäre das in als einen Sieg Christi in Fesseln. Mgr Piguet sieht gewisser Weise ein weiterer Sieg für die Henker. es ebenso. In seinem Buch „Gefangenschaft und Das ist es, was uns die Priesterweihe, die hier Deportation“ (S. 105) schreibt er: am 17. Dezember 1944 stattgefunden hat, zu ver- Im Block der Priester erreichten die Freude und stehen gibt. die Dankbarkeit gegenüber Gott ihren absoluten Natürlich sind alle Deportierten Opfer. Aber be- Höhepunkt. Genau dort, wo das Priestertum ge- denken Sie, wenn Frauen, Männer, Erwachsene,

22 Kinder und Jugendliche deportiert wurden, dann birgt alle Gesten von Menschlichkeit und Brüder- geschah dies, weil sie sich geweigert haben, mit lichkeit in sich, welche die Opfer zu Siegern macht. dem Naziregime zu paktieren. Auf Grund ihres Wie das eucharistische Brot alles Teilen in unserem moralischen und intellektuellen Unterscheidungs- täglichen Leben in sich birgt, so gibt uns diese vermögens, das höchsten Mut erforderte, haben Weihe zu verstehen, daß all die kleinen Lichtblicke diese Menschen einen großen Sieg errungen, einen in der Nacht der Konzentrationslager in Zusammen- Sieg über Angst und Konformismus, einen Sieg hang stehen mit dem Sieg Christi über das Kreuz. über Propaganda und Lüge. Die Worte des Apostels Paulus haben sich hier Nachdem sie dann in diese Lager eingeliefert bewahrheitet: waren, haben sie allen Versuchen von Vernichtung Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? und Entmenschlichung widerstanden. Blicken Sie Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger über die Brutalität der Henker hinaus, sehen Sie, oder Kälte, Gefahr oder Schwert? In der Schrift wie die Häftlinge einfache Gesten der Brüderlich- steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie keit und des Teilens gezeigt haben. Sie wissen, mit Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. solch einer schlichten Geste riskierte man sein Le- Doch all das überwinden wir durch den, der uns ben: Wenn man Kranken half oder ein Stück Brot geliebt hat.“ mit jemandem teilte. Man konnte in den Stehbunker In diesem Jahr haben wir uns an den 60. Jahrestag gesteckt oder getötet werden, wenn man einem der Landung der Alliierten in der Normandie erin- anderen Häftling ein Hostienteilchen gebracht hatte. nert. Im nächsten Jahr feiern wir den Sieg der Alli- Obwohl sie sich dieser Konsequenz völlig bewußt ierten über das Naziregime. Für uns aber ist es waren, haben Tausende und Abertausende von wichtig, den 60. Jahrestag der Priesterweihe Karl Menschen die Kraft gefunden, diese Zeichen echter Leisners zu feiern. Karl Leisner war zwar Opfer des Menschlichkeit zu vollbringen. Und es waren he- Naziregimes, aber zugleich Sieger über dieses Re- roische Taten. Daher wäre es völlig ungerecht, all gime. Zum einen auf Grund seiner kritischen Hal- diese Zeichen, die wie Sterne in der Dunkelheit tung gegenüber schon im Jahre 1933. leuchten, völlig zu vergessen, denn sie sind unend- Zum anderen auf Grund seines Widerstandes, als er lich eindrucksvoll. sich der Einflußnahme des Regimes auf die katholi- An diesen heroischen Widerstand der Opfer zu schen Jugendgruppen, für die er verantwortlich war, erinnern, bedeutet, ihnen Gerechtigkeit widerfahren widersetzte. Mit all seinen Landsleuten, die inhaf- zu lassen, denn ihre so brüderliche und menschliche tiert wurden, verkörpert er die Ehre und den Sieg Haltung verlangte unter den damaligen Existenzbe- des deutschen Volkes. In gleicher Weise verkörpern dingungen außerordentliche Würde und Mut. All auch alle anderen Deportierten die Ehre und den das läßt uns die Priesterweihe, an die wir uns heute Sieg ihres eigenen Landes. Gemeinsam verkörpern erinnern, verstehen. Auf Grund des zeitlichen Ab- sie die Ehre und den Sieg der Menschheit. standes wird sie derart leuchtend, daß sie die Dun- Sehen Sie, wie die Priesterweihe Karl Leisners kelheit, in der sie gefeiert wurde, überwindet. Diese vorbereitet wurde. Dieses Widerstands- und Kon- Weihe zeigt uns die tiefe Bedeutung all dessen, was taktnetz, in dem Schwester Imma Mack, die heute inmitten der Konzentrationslager gelebt wurde. Sie nachmittag in die Ehrenlegion aufgenommen wird,

23 eine wesentliche Rolle spielte, stellt den Sieg der Gottesdienst mit uns gefeiert. Er hat uns ein Zeug- Kirche über ein Regime dar, das diese zum nis der Treue zu Christus und seiner Kirche gege- Schweigen bringen wollte, indem es alles daran- ben, das stärker ist als der Tod. Das ist eine Gnade. setzte, die Häftlinge ihrer Würde zu berauben. Es Kein Mensch kann das von sich aus. Aber wir sind ist also sehr wichtig, daß wir uns an den spirituellen alle berufen, ihm in dieser Treue nachzufolgen. Er Sieg dieser Menschen erinnern. Denn dieser innere hat uns ein Beispiel gegeben. Er möge uns am Sieg, der in dem Augenblick, als er erlebt wurde, Thron Gottes durch seine Fürbitte diese Gnade vielleicht unbedeutend erschien, stellt uns deutlich erbitten. Seliger Karl Leisner, bitte für uns! vor Augen, daß der militärische Sieg der Alliierten nicht einfach nur ein militärischer war. Es war nicht Nach dem Gottesdienst begaben sich die Gläubigen nur der Sieg einer zahlenmäßig überlegenen Macht zu Fuß, mit dem Auto oder per Bus zum Karmel über eine andere, sondern auch ein innerer Sieg, der Heilig Blut, der sein 40jähriges Bestehen feierte. bereits von all denen errungen war, die dem Ver- Dort sprach Kardinal Wetter einige Worte. Nach such der Zerstörung aller menschlichen Werte in Gesang und Gebet zogen die Gläubigen schwei- ganz Europa widerstanden haben. gend, während die Glocke der Todesangst-Christi- Wenn wir heute das außerordentliche Privileg Kapelle erklang, zum Block 26 und beteten zum genießen, eine Zeit des Friedens und der Versöh- Abschluß gemeinsam das Vater unser. nung in Europa zu erleben, so verdanken wir dies Im Pontifikalamt am ersten Weihnachtstag 2004 den Menschen, die in den Lagern die Kraft für im Liebfrauendom zu München gedachte Kardinal gegenseitiges Verzeihen und Versöhnen gefunden Wetter noch einmal der Priesterweihe Karl Leisners haben. In dem Augenblick, als der französische vor 60 Jahren: Bischof Mgr Piguet dem deutschen Diakon Karl Leisner in Anwesenheit von Priestern aus ganz Freude und Zuversicht, die uns in der Gegenwart Europa die Hände auflegte, wurde der Keim für ein Christi geschenkt sind, werden zum Grundton unse- versöhntes Europa gelegt. res Lebens. Wir wollen Christus danken, der gekommen ist, Vor einer Woche begingen wir in Dachau den unsere Finsternis zu erhellen und uns vom Tode zu 60. Jahrestag der Priesterweihe von Karl Leisner. erlösen. Ende 1939 wurde er als Diakon von den National- sozialisten ins KZ gebracht. An eine Priesterweihe Friedrich Kardinal Wetter war dort nicht zu denken. Und es gab kaum Aus- Kardinal Wetter schloß den Gottesdienst in der sicht, ob er lebend dieses Lager verlassen werde; Kirche Heilig Kreuz mit den Worten: denn er war schwer lungenkrank. Im Herbst 1944 kam ein französischer Bischof als Gefangener nach Wir haben heute an Karl Leisner gedacht, aber er Dachau, Gabriel Piguet von Clermont-Ferrand. Der war in unserer Mitte, denn die Eucharistie feiern weihte heimlich am 17. Dezember 1944 Karl Leis- wir nicht nur in der Gemeinschaft der sichtbar hier ner zum Priester. Der junge Priester erlebte zwar Versammelten. Es feiern mit uns die Heiligen des noch die Befreiung im April 1945, war aber zu Himmels und die Engel. Karl Leisner hat diesen schwach, um noch in seine niederrheinische Heimat

24 zurückzukehren, und starb im August in Planegg diesem Gottesdienst trage. Ein gefangener Bene- bei München. diktinermönch hat ihn für die heimliche Priester- Trotz seiner aussichtslosen Lage verbreitete der weihe des deutschen Diakons Karl Leisner durch junge Diakon unter seinen Mithäftlingen Freude: den französischen Bischof von Clermont-Ferrand Am Ort der Hoffnungslosigkeit strahlte er Zuver- Gabriel Piguet geschnitzt. sicht aus und munterte seine entmutigten Mitgefan- Sieger in Fesseln waren die Gefangenen, die an genen durch Spiel und Gesang auf. Am Ort des diesem Ort des Grauens den Glauben an Gott und Grauens war all die Jahre die Freude der Grundton an die Menschenwürde lebendig hielten. seines Lebens, weil er wusste: Jesus Christus ist bei Als wir im vergangenen Dezember hier den 60. mir. Jahrestag der Priesterweihe des seligen Karl Leisner Dieses Beispiel – und man könnte viele andere begingen, sagte Erzbischof Simon, der Nachfolger hinzufügen – zeigt: Der Ruf des Engels „Fürchtet von Bischof Piguet den bemerkenswerten Satz: „in euch nicht!“ war kein leeres Wort. Denn Gottes dem Augenblick, als der französische Bischof Pi- Sohn ist wirklich Mensch geworden und zu uns guet dem deutschen Diakon Karl Leisner in Anwe- gekommen als Retter und Heiland. Gehen wir mit senheit von Priestern aus ganz Europa die Hände den Hirten gläubig zu ihm und nehmen wir ihn auflegte, wurde der Keim für ein versöhntes Europa dankbar auf in unser Leben. Dann werden alle Äng- gelegt.“ Es sei sehr wichtig, fuhr er weiter, daß „wir ste weichen und tiefe Freude wird auch unser Leben uns an den spirituellen Sieg dieser Menschen erin- bestimmen. nern“. Hier wurde deutlich, was Papst Benedikt vor ei- ner Woche in Rom gesagt hat: „Die Welt wird Am 1. Mai 2005 feierte Kardinal Wetter zum 60. durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreu- Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers ziger erlöst“ und „Nicht die Gewalt erlöst, sondern Dachau einen Gottesdienst in der Todesangst-Chri- die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst sti-Kapelle auf dem Gelände des ehemaligen Kon- Liebe ist.“ zentrationslagers. Hieran nahmen unter anderen Es ist gut, ja notwendig, daß wir heute der Be- auch wieder Bischof Ignacy Je Ŝ, Weihbischof freiung des Konzentrationslagers Dachau gedenken Benoît Rivière und Prälat Hermann Scheipers teil. und uns erinnern an das, was damals geschah. Das In seiner Predigt erinnerte der Kardinal erneut an Entsetzliche, was zwölf Jahre hindurch hier ge- die Priesterweihe Karl Leisners und den Gedenk- schehen ist, darf nie dem Vergessen anheimfallen. gottesdienst zum 60. Jahrestag: Aber es ist von uns mehr verlangt als Erinnerung und Gedenken. Wir müssen Position beziehen. „Victor in vinculis - Sieger in Fesseln“ steht in der Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel Krümme des Bischofsstabes zu lesen, den ich bei

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Karl Leisners Geschwister Willi Leisner und Elisabeth Haas am ehemaligen Block 26

26 Streiflichter

„Sie sind in dieser Hölle frei geblieben“ 6 Priester sind nie Priester für sich selbst, sondern Priester für die Laien. Auch Mgr Rivière, Weihbischof von Marseille, war Das KZ-System macht den Menschen zum Wolf nach Dachau gekommen. Für ihn gab es zwei für seinen Nächsten. Es bringt sie dazu, Gründe, an den Feierlichkeiten teilzunehmen: Zum gegeneinander anstatt miteinander vorzugehen. einen ist er sehr beeindruckt von dem Beispiel, das Ein teuflischer Aspekt des Nazisystems war es, Karl Leisner für die Jugend gegeben hat, zum ande- Priester und Laien voneinander zu trennen. Die ren ist er einer der zahlreichen Enkel von Edmond Priester zu gruppieren und den Laien zu verbie- Michelet. ten, zur Messe in die Kapelle zu kommen, war Am Samstagnachmittag gedachte Mgr Rivière ein weiteres Mittel, den eigentlichen Sinn des des Generals Charles Delestraint vor der Zelle im Priestertums im Kern zu zerstören. Bunker von Dachau, aus der die SS diesen, wäh- Hierhin zu kommen bedeutet für mich nicht nur, rend er Mgr Piguet bei der Feier der Eucharistie mich an die Greueltaten des Naziregimes zu ministrierte, herausgeholt und ihn anschließend in erinnern, sondern mir den Glauben, den Mut der Nähe des Krematoriums erschossen hatte. Auch und die Hoffnung von Menschen in Erinnerung an diesen Ort der Hinrichtung begab sich Mgr zu rufen, die innerlich aufrecht und frei geblie- Rivière. Dann ging er über die „Freiheitsstraße“, ben sind, obwohl man versuchte, sie zu Sklaven ein Name, mit dem die Häftlinge die Hauptstraße zu machen. Ich frage mich immer wieder: „Wie zwischen den Blocks bezeichneten und den Ed- ist es möglich, daß manche Menschen so unan- mond Michelet seinem Buch als Titel gegeben hat. 7 greifbar waren, daß sie in dieser Hölle frei ge- Manuel Rispal: Welche Bedeutung haben dieser blieben sind?“ Ich kann nicht umhin, den Sieg Besuch und die morgige Zeremonie für Sie? des Kreuzes zu betrachten. Das Kreuz ist der Benoît Rivière: Es berührt mich sehr, in diesem Sieg der Liebe Gottes im Herzen des Menschen, Lager zu sein, und es geht mir sehr nahe, anläß- sogar im Herzen des Bösen. lich des Gedenktages einer Priesterweihe hier zu Manuel Rispal: Das Kreuz nur im religiösen Sinn sein. Es besteht eine sehr enge Verbindung zwi- oder in dem der Personen, die dieses Kreuz schen dem Zeugnis von Laien in der Welt, – wie teilten, auch wenn sie nicht dieselbe Überzeu- das meines Großvaters – die ihr Leben für an- gung hatten? dere hingegeben haben, und dem Priestersein. Benoît Rivière: Ich denke an das Kreuz Christi, das über jeden Menschen strahlt, weit über diejeni- gen hinaus, die den Glauben haben. Ich denke 6 Nach einem Zeitungsbericht in La Montagne vom an die Macht des Kreuzes für die ganze 19.12.2004 von Manuel Rispal in freier Übersetzung von Gabriele Latzel. Menschheit. Mein Großvater war eng befreun- 7 Michelet, Edmond, Rue de la Liberté, 1955, Die det mit dem atheistischen Kommunisten Ger- Freiheitsstraße – Dachau 1943–1945, Stuttgart o. J. main Auboiroux. 1947 hat er auf dem Friedhof [1960]. Père-Lachaise in Paris die Grabrede für seinen

27 Freund gehalten, denn dieser hatte sein Leben wachgerufen. Ich rufe Sie in einigen Tagen riskiert, als er meinen Großvater, der mit Ty- wieder an.“ phus im Krankenrevier lag, vertrat, um das Die Tage gingen dahin. Joseph hat sich in seinem heimliche Kommunionausteilen im Lager zu Haus in Roscoff im Département Finistère in der überwachen. Etwas von der mächtigen Aus- Bretagne niedergelassen, begleitet von Florence, strahlung des Kreuzes reicht weit über diejeni- mit der er Ende Dezember nach Deutschland gefah- gen hinaus, die den Glauben haben. Davon han- ren ist, um an der Gedenkfeier der Priesterweihe delt ein sehr schöner Abschnitt in meines Groß- Karl Leisners teilzunehmen. Zwei weitere Begleite- vaters Buch „Die Freiheitsstraße“. Ich bin auch rinnen aus dem Département Finistère sind ihm sehr beeindruckt von der Hoffnung derjenigen, gefolgt und möchten die Reise nicht missen. die den Mut hatten der großen zentralen Allee Josephs Frau gesellt sich zu uns, während wir den Namen „Freiheitsstraße“ zu geben. Sie ha- uns mit ihrem Mann unterhalten, der Busfahrer, ben dem Ort des Todes den Namen „Freiheit“ Deutschlehrer und später Buchhalter in einem Un- gegeben. Sie haben zu sagen gewagt, daß das, ternehmen war. Langsam beginnt Joseph die Zeit was sie noch nicht sahen, eines Tages Wirklich- wieder wachzurufen. keit werden würde, das heißt die Befreiung. Das „1943 war ich im franziskanischen Seminar in ist großartig und sollte eine Lehre für uns alle Carrière-sous-Poissy im Département Yvelines, sein. als ich zum Arbeitsdienst in Deutschland einge- zogen wurde. Wir waren 18 Seminaristen, die sich noch mit der Kutte bekleidet nach Zeugnis eines Überlebenden Deutschland begeben mußten. Auf dem Weg aus dem KZ Dachau: Joseph Urien 8 zur Grenze gelang es einigen zu fliehen. Wir waren bereits verdächtig. In der Gegend von Am 19. Dezember 2004 hatte es in Dachau den Köln trafen wir zwei Gefangenenseelsorger. ganzen Tag geschneit, und Joseph Urien erlebte Schon bald verhaftete uns die Gestapo wegen einen der erschütterndsten Augenblicke seines unserer heimlichen Aktionen. Als ich erneut er- Lebens. Er war erneut an den Ort zurückgekehrt, faßt wurde, gab ich an, daß ich Seminarist sei; wo er schreckliche Monate von Gefangenschaft das führte mich nach Buchenwald und nach ei- erfahren hatte, um an der Feier des 60. Jahrestages ner Zeit der Fabrikarbeit nach Dachau, wo die der Priesterweihe des seligen Karl Leisner teilzu- Kirche auf Grund von Verhandlungen erreicht nehmen. hatte, daß die Priester und Seminaristen zusam- „Entschuldigen Sie, es ist noch zu früh. Diese mengefaßt wurden. Reise nach Dachau hat so viele Erinnerungen Am 7. Januar 1945 kam ich in Block 28 ei- nes Lagers, an dessen Eingang sich noch immer die Inschrift ‚Arbeit macht frei’ befindet. Über 8 Nach einem Zeitungsbericht in Église du Finistère das, was ich in Dachau durchgemacht habe, N° 2/2005, abgedruckt im französischen Sonderrund- brief „Spécial Dachau“, in freier Übersetzung von habe ich nicht gesprochen. Ich erinnere mich, Gabriele Latzel. daß ich eine Desinfizierung und ein Verhör über

28 mich ergehen lassen mußte, kaum daß ich aus harte Prüfung, und er muß oft gestützt werden. dem Lager war. Wir hatten das Gefühl, nicht Mehrere Bischöfe und Erzbischöfe feiern eine verstanden zu werden. Später, als man begann Dankmesse in Erinnerung an die „an ein Wunder über die Lager zu sprechen, hat man mich be- grenzende“ Priesterweihe von 1944. Joseph und fragt, aber es gibt Dinge, die man nicht sagen Florence fällt es schwer, sich diese Augenblicke in kann, weil sie unaussprechlich sind.“ Erinnerung zu rufen. Florence erklärt: „Die jungen Josephs Stimme zittert noch vor Erregung. Ganz Menschen empfanden Josephs Gegenwart als genau beschreibt er die Freude, die er am 29. April Gnade. Er war ein Zeitzeuge, der erzählen konnte: 1945 im Augenblick der Befreiung des Lagers ‚Hier ist dies, dort ist das geschehen.’ Es war eine empfand. Reise durch die Geschichte und die Greuel einer „Ich habe lange dafür gebraucht, den Dämonen Epoche, die uns an die Grausamkeiten erinnern, die des Verstummens auszutreiben, bis zum 50. noch heute gelebt werden. Außerdem erlebten wir Jahrestag der Befreiung des Lagers. Zu dieser die ‚Gegenwart’ Karl Leisners, die Botschaft von Gelegenheit fuhr ich mit meiner Frau nach Frieden und Versöhnung, die er uns hinterlassen Deutschland, aber dieser Aufenthalt hatte nichts hat. Durch das Außergewöhnliche seiner Priester- gemeinsam mit dem, was ich soeben im De- weihe erinnert er uns daran, daß für Gott kein Ding zember anläßlich des 60. Jahrestages der Prie- unmöglich ist. Karl gibt uns das Beispiel für einen sterweihe von Karl Leisner erlebt habe, einem im Alltäglichen überzeugt gelebten Glauben in 1996 seliggesprochenen Menschen, in dessen dieser Welt des Todes, wohingegen wir uns so Nähe ich mehrere Monate gelebt, aber von dem schwer tun, von unserem Glauben unter recht fried- ich erst im letzten Herbst gehört habe.“ lichen Umständen Zeugnis zu geben.“ „Karl ver- Der „Zufall“ will es, daß Joseph Urien im Oktober kündete ‚Christus ist meine Leidenschaft’. Dieses 2004 in Kontakt mit einer Verantwortlichen der Gebet wiederhole ich jetzt jeden Morgen“, bekennt Franziskanischen Gemeinschaft von Bitche im Joseph Urien, der sich immer wieder fragt, warum Département Moselle kommt. Sie erzählt ihm von er all das durchmachen mußte. Joseph ist heute 83 der Wallfahrt, die die Jugendlichen auf den Spuren Jahre alt, seinen Geburtstag feierte er am 17. De- des deutschen Dachauhäftlings Karl Leisner ma- zember, dem Tag der Priesterweihe Karl Leisners. chen wollen, dessen Geschichte so außergewöhn- Florence ist 30 Jahre alt und wird sich lange an den lich ist. Schnee, der in Dachau den ganzen Tag gefallen „Ich habe 60 Jahre gebraucht, um Karls Bot- war, erinnern: „Ein wenig wie Taufwasser, das schaft zu erfahren. Ich habe sofort einen Ruf einen beschmutzten Ort reinigt. ... Es ist schwer zu verspürt. Ich mußte zu dieser Begegnung.“ erklären, aber während der Feier, die wir erleben Nun beginnt Joseph Urien, sich Informationsmate- durften, hatte ich das Gefühl, daß Himmel und Erde rial über den Gefangenen 22356 von Block 26 zu sich berührten. Ich meinte mit dem Finger die beschaffen. Ewigkeit zu berühren.“ Am 19. Dezember 2004 ist Joseph Urien, be- gleitet von 15- bis 30jährigen jungen Menschen, an den Ort seiner Hölle zurückgekehrt. Es ist eine

29 Spitze des Wachturms West ein weißes Tuch, wie der Flügel einer Taube... Als die ersten Befreier in Dachau ankamen, überkam uns ein rasender Glücksschauer, stärker als die Erniedrigung, stärker als der Hunger und das erlittene Leid... Plötzlich entdeckte eine Gruppe von uns einen versteckten SS-Mann in der Kran- kenstation, den sie vor uns hinwarf, um ihn zu zer- fetzen, sowie man einen Knochen einer hungrigen Meute hinwirft. In diesem Augenblick habe ich die Grausamkeit das Lager wechseln sehen. Sowie sie ihren Aufseher entdeckten, stürzten Joseph Urien am ehemaligen Block 28 sie sich auf ihn wie eine Gruppe gestreifter Phan-

tome, um ihn nun brüllend in Stücke zu reißen. ECCE HOMO 9 Dieser, gestern noch überheblich und grausam, Wir waren nur noch lebende Skelette in unseren um heute voll Schande, in Hemdzipfeln, ging schwan- uns herumflatternden gestreiften Fetzen. Der Him- kend, voll Angst, unter Schlägen und bespuckt. Ich mel war grau, die Sonne konnte ihre Strahlen nicht hatte nicht gewußt, daß soviel Grausamkeit in le- an ihm entfalten. Aus Angst, Zeuge des letzten benden Skeletten stecken konnte! Er ging an mir Mordes zu werden. Seit dem Morgengrauen um- vorbei, der gepeinigte Peiniger. Obwohl meine kreiste uns ein furchtbarer Lärm, Lärm der ankom- Seele verwundet war von Monaten in Unter- menden Freiheit. Hoffnung und Freude eroberten drückung – Anspucken konnte ich ihn nicht. unser vorheriges verängstigtes Dasein. Mit einem

Blitz erschien erneut der schöne Traum, den wir nicht mehr glaubten, in unserem Schlaf zu empfan- Eine faszinierende Begegnung in Planegg gen: Wir waren wieder freie Menschen!

Wir waren eine armselige, gestreifte Herde, Auf den Tag genau 60 Jahre nach der Priesterweihe numeriert, von langer Zeit beraubt von allem, was Karl Leisners, am 17. Dezember 2004, machte sich den Stolz des Menschen ausmacht: von unserem eine Gruppe von 45 Pilgern aus fast allen Teilen der Namen, wir waren zum Hauklotz in diesem Kampf Diözese Münster auf den Weg nach Dachau. Der geworden. Einerlei war das Pfeifen der Kugeln auf Reisetag wurde genutzt, sich inhaltlich und geist- der anderen Seite des Stacheldrahtes geworden, lich auf das Wochenende vorzubereiten: Am näch- unsere Hölle war zu Ende. Schon flatterte auf der sten Tag, dem Samstag, standen die Gedenkstätte Dachau, das Karmel-Kloster und das Sanatorium in Planegg auf dem Programm. Was als kurzer Besuch 9 Entnommen den Erinnerungen von Joseph Urien an die Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945 um für den Nachmittag geplant war, eine Meditation in 17.23 Uhr. der Hauskapelle und ein Blick in das Sterbezimmer,

30 wurde zu einem außerordentlichen Ereignis. Davon Besuch des Sterbezimmers noch einmal in der Ka- soll hier berichtet werden: pelle und hörten mit Spannung eine bewegende Die Schwestern empfingen die Gruppe mit ihren Geschichte: Begleitern überaus herzlich. Eine reiche Kaffeetafel Der 78jährige Herr entschuldigte sich zunächst war bereitet. Während der anschließenden Gesprä- für seinen Aufzug: Er wohnt nicht sehr weit vom che kam unerwartet Schwester Juvenalis dazu, die Sanatorium und macht täglich seinen Gang auf in der Nacht, als Karl Leisner gestorben ist, auf abgelegenen Wegen, um sich in aller Stille mit dem Flur die Wache hatte und in der entscheiden- seinem Freund, dem seligen Karl Leisner, zu unter- den Stunde die Angehörigen, Karls Mutter und halten. Bei der Karl-Leisner-Stele pflegt er zu Schwestern, die in einem anderen Trakt schliefen, meditieren. Er konnte ja nicht wissen, dass er uns gerufen hat. Die Begegnung zwischen Karls treffen würde. Weiterhin mochte er nicht dafür Schwester Elisabeth Haas, die auch zur Reise- garantieren, dass er seinen Bericht, den er zum gruppe gehörte, und der neunzigjährigen Schwester ersten Mal preisgab, emotional bis zum Ende Juvenalis löste allgemein große Freude aus. In gei- durchstehen könne. stiger Frische und ohne Rücksicht auf die körperli- Es gibt zunächst mehrere Punkte, die ihn mit che Mühsal ihres Alters konnte die unmittelbare dem Seligen verbinden: Er trägt mit ihm denselben Zeitzeugin von Karls Kranken- und Todeslager die Vornamen. – Später gab er auch seinen vollständi- vielen Fragen der Pilger beantworten. Es wurde gen Namen Karl Hermann preis. – Im Dezember dann Zeit, abzubrechen, weil vor Einbruch der 1944 hat er im Zusammenhang mit einer Lungen- Dunkelheit noch die Karl-Leisner-Stele besichtigt operation mehrere Wochen in demselben Zimmer werden sollte, die in der Nähe des Sanatoriums am gelegen, in dem acht Monate später der selige Karl Beginn des Karl-Leisner-Weges steht. Leisner gestorben ist. Obwohl die Ärzte, als sie die Auf dem kurzen Rückweg von der Karl-Leis- schwere Tbc-Erkrankung im Oktober 1944 diagno- ner-Stele begann das eigentlich Verwunderliche an stiziert hatten, ihm eine Lebenserwartung von nur diesem Tag: Wir wurden im Halbdunkel von einem noch drei Monaten prognostizierten, hat er alles gut älteren Mann angesprochen, dessen „Räuberzivil“ überlebt, sich zu einem stämmigen Mann ent- es schwer machte, ihn richtig einzuordnen. Er wickelt, der eine Familie gründen und gesund das fragte, ob im Sanatorium etwas Besonderes vor sich Rentenalter erreichen konnte und seine Freude an gehe. Er bekam Auskunft über das Anliegen der großen Bergtouren hatte. Pilgergruppe und bezeichnete sich als einen ganz Dann ist noch eine zweite Geschichte zu be- engen Freund des seligen Karl Leisner. Als ihm richten: Aus der Zeitung hat er im Frühjahr 1945 dann gesagt wurde, dessen Schwester stehe just erfahren, dass eine Freundin aus Kindertagen, neben ihm, wusste er vor Erstaunen und Freude Erika, die er als Zehnjähriger aus großer Distanz kaum zu reagieren. Er wurde zum anschließenden verehrt hatte, 18jährig bei einem Bombenangriff Wortgottesdienst in der Kapelle des Sanatoriums umgekommen war. Er hat sie danach nie aus seinen eingeladen und kam mit. Anschließend bot er an, Gedanken verloren. der Gruppe etwas von seiner Lebensgeschichte Sein Leben verlief insgesamt glücklich, bis mitzuteilen. Also versammelten sich alle nach dem 1998 bei einer Vorsorgeuntersuchung Prostatakrebs

31 diagnostiziert wurde. Der Arzt riet zu einer Total- gen sagte ich ‚Ja, Erika’. Jetzt wurde mir klar, operation und gab Auskunft über die zu erwarten- warum ich ihren Namen nie vergessen habe. den Folgen. Noch auf dem Heimweg – gemeinsam Wir stiegen weiter, bis wir auf ein Plateau mit mit seiner Frau – fiel die Entscheidung, ohne Ope- einer blumenübersäten Wiese kamen. In der Mitte ration gegen die Krankheit anzugehen im Bewusst- angekommen, standen wir plötzlich in einem Dorn- sein, dass dies auch den baldigen Tod bedeuten busch, der uns völlig einschloss und in dem Mo- konnte. ment lichterloh brannte. Die Flammen taten uns In dieser Situation erfuhr Karl Hermann uner- nichts. Wir hielten uns an den Händen und beteten. wartete Hilfe jenseits jeder Schulmedizin. Doch Da war er wieder, der Dornbusch, den mir Jahre dazu sei er wörtlich zitiert: vorher eine Schwester aus dem Karmel Dachau auf „Es war Winter. Noch vor Tagesanbruch war eine Kerze modellierte, nachdem ich ihr meine ich auf dem Weg, der mich früher schon immer an Lebensgeschichte erzählt hatte. der Karl-Leisner-Gedenkstätte vorbeiführte. Ich Ich setzte meine Meditationen in den nächsten sprach und betete viel mit ihm. Ich bat Gott um Wochen fort und immer wieder kamen ähnliche nichts für mich persönlich. Davor hatte ich immer Bilder. schon zu viel Respekt. Sind wir denn nicht viel zu Ich hatte im seligen Karl Leisner meinen Be- klein und unbedeutend, um Ihn für uns persönlich gleiter und Beschützer, auch meinen Gesprächs- um etwas zu bitten. Ich war immer der Meinung, zu partner, der oft seinen Gesichtsausdruck wechselt, Ihm zu beten reicht. Weiteres sollten wir ihm über- wenn ich bei ihm an der Gedenkstätte stehe, der lassen. aber immer einen gütigen Ausdruck hat. Und ich In der Dunkelheit der frühen Wintertage suchte habe in Erika meinen Schutzengel. ich mir auf Sichtweite zum Sanatorium einen Platz, Nein, ich muss nicht an Engel glauben, ich wo ich ungestört meditieren konnte. Ungeübt wie weiß, dass es sie gibt. Und um mir so etwas wie ich war, dauerte es, bis ich den Kopf so frei bekam, eine Bestätigung zu geben, hat sie mich im letzten dass von mir unbeeinflusst Bilder entstehen konn- Jahr an ihrem Geburtstag, den ich erst später erfuhr, ten. Mein erster Erfolg in dieser Richtung war ein ins Sterbezimmer geführt… Erlebnis, das mich fast umgeworfen hätte. Normalerweise müsste mich der Krebs schon Unentschlossen wartete ich im Gebirge vor ei- lange getötet haben. In Blutuntersuchungen deutet ner Hütte, die es in Wirklichkeit gibt. Die Tür geht nichts mehr auf ihn hin. Ich werde mich auch wei- auf und Karl kommt heraus. Ich war ihm ja nie terhin von Ärzten nicht verstümmeln lassen. Ich begegnet, aber dem Bild nach war er es. ‚Wollen könnte es nicht als Leben bezeichnen. Vegetieren wir gehen?’ Ja. Den Weg bin ich früher schon ei- wäre der angemessene Begriff. Solange ich mit dem nige Male gegangen. Es war noch dunkel, Mond seligen Karl verbunden bin und ich meinen Engel und Sterne beleuchteten die Szene. Karl ging lang- Erika an meiner Seite weiß, kann mir nichts passie- samen Schrittes voraus, als mich plötzlich jemand ren: an der Hand nahm. Eine Gestalt war nicht zu er- Im Gottvertrauen genieße ich die Tage, die mir kennen. Aber die Stimme eines jungen Mädchens mit meinen fast 78 Jahren noch beschieden sind.“ fragte mich ‚Kennst du mich?’ und ohne zu überle-

32 Damit endete der faszinierende Bericht, der die – in einem bequemen Reisebus. Vergeblicher Ver- ganze Gruppe tief beeindruckt und noch Tage be- such, sich in das damalige Geschehen hineinzu- schäftigt hat. Wie konnte das sein, dass dieser versetzen. Freund des seligen Karl Leisner der Gruppe ausge- Das gute Gefühl der Gemeinschaft, das Gelas- rechnet vor dem Sanatorium in Planegg so uner- sen-sein-Können und -Dürfen, die Freude über Karl wartet über den Weg lief und den Mut fand, sich zu Leisners größtes Lebensfest – die Priesterweihe, offenbaren?? – und gleichzeitig die langjährige Gefangenschaft, Von diesem Erlebnis war Herr Hermann selbst Krankheit und Tod vor Augen, welch ein Zwiespalt so aufgewühlt, dass er abends nicht einschlafen in meinen Gefühlen. konnte. Er ist wieder aufgestanden und hat seinen Im Schönstattzentrum Würzburg eine Euchari- Bericht zu Papier gebracht. Am anderen Morgen stiefeier. Wie klar wurde mir die Verehrung Marias, gab er mir vor dem feierlichen Pontifikalamt in der Gottesmutter durch Karl Leisner. Ihr „Fiat“ – Dachau einen Umschlag: „Ich wollte Ihnen diese „Ich bin die Magd des Herrn“ hatte er auf sich über- Seiten geben, damit Sie für Ihren Bericht auf eine tragen können und wollen, immer wieder daran authentische Schilderung meiner Erlebnisse verwei- gearbeitet und sich bewußt gemacht, daß Gottes sen können.“ Wille letztlich nur zählen durfte und sollte. Wie Klaus Riße gern würde man sich vergleichbar vertrauend Gott und damit dem, was kommt und ist, überlassen können, vielleicht ringend, aber doch annehmend. Keine Zukunft ohne Erinnerung Als Zelebrant trug Pfarrer Ernst Geerkens das Meß- gewand, in dem Karl Leisner seine Primiz feierte. Warum nimmt man an einer Pilgerreise nach Da- Diese direkte Verbindung zu ihm und durch ihn zu chau anläßlich des 60. Jahrestages der Priester- Gott ging mir nahe. Es war ein eigenartiger, viel- weihe Karl Leisners teil? Und das noch einige Tage leicht heiliger Moment und nicht zu beschreiben, vor Weihnachten, wenn gutgemeinte Hektik den als ich das Gewand anschließend falten und ver- Familienalltag bestimmt. Nachdem ich mich seit packen konnte, in Berührung kam mit der Vergan- längerer Zeit intensiv mit Karl Leisner beschäftigt genheit. hatte, wollte ich unbedingt dabei sein, an Ort und Beim Essen lernte ich Pfarrer Hermann Schei- Stelle sehen und auch erspüren, wie er gelebt hat pers kennen, seine Schilderungen aus der KZ-Zeit und was ihn in seinen letzten Jahren prägte, wie waren informativ, ehrlich und erschütternd. Warum sein Umfeld war. Ich konnte mir nicht viel vorstel- habe ich bisher nie das Gespräch mit Zeitzeugen len unter „seiner gedenken“ und all derer, die da- gesucht? mals Opfer wurden. Wundert es, daß am nächsten Morgen erst im Am 17.12. um 8.15 Uhr, dem Beginn der Prie- dritten Anlauf der Zugang zum Konzentrationslager sterweihe vor 60 Jahren, waren wir auf dem Weg Dachau gefunden wurde? Umgeben von Wohn- nach München. Ein geistiger Impuls, erste Infor- siedlungen und Industriegelände liegt es tot, verlas- mationen zu Karl Leisner (denen noch viele wert- sen da. Graues, naßkaltes Wetter, riesige, kahle volle folgten), eine Meditation – und unsere Gruppe Flächen, auf denen die Baracken standen.

33 Das Jourhaus – der einzige Zugang zum KZ, nach Geborgenheit und Liebe, nach Umarmung „Arbeit macht frei“ steht in der Mitte des Tores. durch die ausgestreckten Arme Jesu am Kreuz. Eine „Arbeit hat noch keinem geschadet“, kommt mir da eigentümliche und tröstende Atmosphäre. in den Sinn. Das dichtgefüllte Programm ließ kein ruhiges Der Appellplatz – Schikane, Folter, Tod. Da- Verweilen, kein Meditieren zu. Ich weiß, daß ich hinter das Internationale Mahnmal – wen mahnt es nicht genug gesehen habe und mich noch einmal hier? Wäre der Marienplatz in München nicht der auf den Weg in ein Konzentrationslager begeben bessere Standort? werde. Es ist mein erster Besuch eines Konzentrati- Der sich anschließende Besuch des Waldsanato- onslagers. Es hat sich nie ergeben, oder ehrlicher: riums Planegg, in dem Karl Leisner nach seiner kein Interesse, keine Berührungspunkte. Im Wirt- Befreiung seine letzten Tage erlebte, zeigte deutlich schaftsgebäude die Ausstellung: Bilder, Doku- den krassen Unterschied. Wie im Paradies muß er mente, eine Holzmonstranz, die Gefangenenklei- sich gefühlt haben in diesem gepflegten Haus auf dung und Holzpantinen, Rasierzeug. Nein, ich kann der Anhöhe, umgeben von Wäldern, mit hilfsberei- es mir nicht vorstellen, das Nummer-Sein und nicht ten, lächelnden Schwestern in einem eigenen, sau- Mensch, nicht zu stillender Hunger, unbehandelte beren Bett. Die Gastfreundschaft mit der wir emp- Krankheiten, keine Intimsphäre, Wertlosigkeit. fangen wurden, berührte mich wie das herzliche In dieser Dunkelheit Licht durch den Glauben Wiedersehen zwischen Schwester Juvenalis, die in an Gott? Mit einem gebastelten Kreuz, einem Trag- der Sterbenacht bei Karl Leisner wachte und seiner altar, vorrangig nicht die Kunst, sondern die Inten- Schwester, Frau Elisabeth Haas. Wie reich wurden tion. Ich fühle mich schäbig. wir beschenkt, als die beiden von diesen bewegen- Der Bunker, Stacheldraht und Mauern, ein den Stunden erzählten. Wachtturm, das Krematorium. Dazu sind wir fähig. Am nächsten Morgen durch die verschneite Die für Karl Leisners Priesterweihe wesentliche Winterlandschaft zur Heilig Kreuz Kirche in Da- Plantage verfällt – es wundert nicht. chau zum „Gedenkgottesdienst anläßlich des 60. Kann der angrenzende Karmel den Bogen span- Jahrestages der Priesterweihe und Primiz des seli- nen zwischen der NS-Zeit und heute? Das Böse zu gen Karl Leisner“. Am vierten Adventssonntag – besiegen, ihm standzuhalten in allen Situationen, aus der Dunkelheit zum Licht – zur Ankunft Jesu das Leid, nicht wie wir es uns zutrauen anzuneh- Christi. Frohe Erwartungsstimmung. Der feierliche men, sondern wie es kommt? Gott lieben mit allen Einzug der Bischöfe und Priester, Friedrich Kardi- Konsequenzen, um dann auch das eigene Leid er- nal Wetter trug den Hirtenstab, den Bischof Gabriel tragen zu können? Karl Leisner und vielen anderen Piguet bei der Priesterweihe benutzte; mit dem ist es gelungen. Primizkelch Karl Leisners in den Händen sprach er In der Kapelle des Karmel Heilig Blut befinden die Wandlungsworte. Nur Äußerlichkeiten? Für sich aus der damaligen Lagerkapelle des Priester- mich griff eines in das andere. blocks die Marienstatue, das Kreuz und das „Herz- Bei der dritten Strophe des Liedes „Macht hoch stück“ des Altares. In diesem Raum spürt man das die Tür“ zum Einzug: „O wohl dem Land, o wohl Ringen der Gefangenen um Hingabe, Sehnsucht der Stadt, so diesen König bei sich hat“ ergänzte

34 sich für mich der Text: O wohl den Menschen im Mit dieser Fülle von Eindrücken, dem Heraus- KZ, die wie Karl Leisner den König und seinen gerissenwerden aus der wohligen Teilnahmslosig- Glanz fanden, der die Grausamkeiten überstrahlte. keit, ging es anschließend zum Karmel Heilig Blut. Als der Chor das Kyrie aus der Dachauer Messe Im Halbdunkel der Kapelle das ergreifende Christus anstimmte und die Gemeinde in der überfüllten vincit, Christus regnat, Christus imperat – Christus Kirche antwortete, spannte sich für mich der Bogen siegt, Christus regiert, Christus herrscht . Anschlie- zwischen damals und heute. Waren es diese Musik ßend eine Prozession – schweigend – zu der Stelle, oder der Schülerchor, die Worte der Heiligen an der damals der Priesterblock, Block-Nr. 26, Schrift oder die Predigt über das uns Christen er- stand. Die Glocke der Todesangst-Christi-Kapelle mutigende Leben und Wirken Karl Leisners, sowie schlug. Heftiger Schneefall hatte das Lager in sei- seine Ausstrahlung, die uns in den Bann der Freude nem tristen Grau zwischenzeitlich mit einer weißen und Dankbarkeit über das Geschehen damals zog? Decke überzogen. Milde zudeckend Elend und Es mögen auch die ehrfürchtige Stille während der Leid, Haß und Bitterkeit, auch unser Vergessen und Wandlung und der Blick auf seinen Primizkelch unsere Gleichgültigkeit. Das Gedenken am Block gewesen sein, die mir diese unfaßbare Priester- 26: Können wir erahnen, was es damals hieß zu weihe vor Augen führten, wie der polnische Bi- sagen: „Dein Wille geschehe“ und „vergib uns schof Ignacy Je Ŝ sagte: „Fast ein Wunder. Gegen unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt“. Die Schuldigern“? Ansprache von Pfarrer Hermann Scheipers nahm Mich haben die Ereignisse des Gedenktages tief uns wohl alle mit in das seinerzeitige Geschehen. bewegt: daß Böses nur durch Gutes überwunden Interessiert und betroffen hörten wir von seiner KZ- werden kann, meine Ohnmacht und das Angewie- Zeit, von dem Tarzisius-Dienst, den Karl Leisner sensein auf Gottes Gnade, daß jegliches Wider- ihm, dem Todeskandidaten, leistete. Man hätte in streben gegen den vorgesehenen Weg die Last des der Heilig Kreuz Kirche eine Stecknadel fallen Alltags unerträglich macht und nicht die Last an hören können. sich dieses ist. Über die erlebten Stunden in Dachau Erzbischof Hippolyte Simon blickte noch ein- mit ihren tiefen Eindrücken und den wertvollen mal auf den Bischofsstab seines Vorgängers Ga- Begegnungen bin ich sehr dankbar. briel Piguet, in den eingeschnitzt wurde „Victor in Pfarrer Hermann Scheipers schloß auf der vinculis – Sieger in Fesseln“. Es geht auch um die Rückfahrt den Bericht über seine Gefängnis- und Siege, die die Häftlinge täglich errungen haben, daß KZ-Zeit mit einem Zitat von Romano Guardini: sie den Versuchen von Vernichtung und Ent- „Wer sich im Letzten geborgen weiß, kann im menschlichung widerstanden, durch Hilfe, die man Vorletzten gelassen sein.“ Kranken leistete oder Brot, das man mit anderen Christa Bockholt teilte. Die Opfer wurden zu Siegern.

35 19. Dezember 2004 in München Schwester Imma Mack, Chevalier de la Légion d’honneur/Ritter der Ehrenlegion

Die Feierlichkeiten anläßlich des 60. Jahrestages lige Schülerinnen der Armen Schulschwestern der Priesterweihe Karl Leisners fanden am Nach- übernommen. Alle Reden wurden in deutscher und mittag des 19. Dezember im Kloster der Armen französischer Sprache gehalten. Der französische Schulschwestern von Unserer Lieben Frau am Ma- Botschafter Claude Martin würdigte Schwester riahilfplatz in München einen würdigen Abschluß. Immas mutiges und uneigennütziges Engagement Dort wurde Schwester Imma Mack auf Grund ihres in einer beeindruckenden Rede. mutigen Einsatzes für die Häftlinge im KZ Dachau vom französischen Botschafter Claude Martin, der Botschafter Claude Martin aus Berlin angereist war, in die Ehrenlegion aufge- Ehrwürdige Schwester Imma Mack, nommen. Erzbischof Simon hatte diese Auszeich- Eminenz, nung beim französischen Staatspräsidenten Jacques Monseigneur, Chirac beantragt. meine Damen und Herren, Die Ehrenlegion wurde 1802 von Napoleon ins der Zweite Weltkrieg wird mehr und mehr Ge- Leben gerufen und ist die ranghöchste französische schichte, es gibt immer weniger Überlebende. Um Auszeichnung sowohl für zivile als auch für militä- so mehr berührt es mich, daß ich heute die Aus- rische Verdienste. Ihre Mitglieder gehören einem zeichnung eines Ritters der Ehrenlegion an eine Orden an, dem der jeweilige französische Staats- Frau verleihen darf, die in den dunkelsten Stunden präsident von Amts wegen als „Großmeister“ vor- der Geschichte Europas, als sich der Schrecken der steht. Dieser nimmt in der Regel auch die Verlei- Vernichtung von Menschen durch andere Men- hung des Ordens vor. Man unterscheidet drei „gra- schen ausbreitete, trotz aller Gefahren ihr Leben des - Ränge“ und zwei „dignités - Würden“: aufs Spiel setzte, um anderen zu helfen. 1. Chevalier - Ritter Schwester Imma, Sie sind 1924 geboren und 2. Officier - Offizier wachsen in einer Familie auf, deren tiefe Abnei- 3. Commandeur - Kommandeur gung gegen Hitler Sie prägte; Ihr Vater gehört zu 4. Grand Officier - Großoffizier den ersten Gegnern des Nationalsozialismus. Mit 5. Grand Croix - Träger des Großkreuzes 10 16 werden Sie Kandidatin beim Orden der Armen Neben Kardinal Wetter und Erzbischof Simon Schulschwestern von Unserer Lieben Frau. Mit 20 nahmen auch der französische Konsul von Mün- nehmen Sie alle Gefahren auf sich, um die Verbin- chen, ehemalige KZ-Häftlinge, die französische dung zwischen der Außenwelt, dem Erzbistum Pilgergruppe und Vertreter des IKLK an dem Fest- München mit Kardinal Faulhaber an der Spitze und akt teil. Die musikalische Gestaltung hatten ehema- den in Dachau inhaftierten katholischen Priestern, darunter viele Franzosen, aufrechtzuerhalten. Zuerst werden Sie im Mai 1944 mit dem Auf- 10 Siehe: Bernhard Schmidt, Jürgen Doll, Walther Fekl und Siegfried Loewe, Frankreich-Lexikon II. Laïcité trag nach Dachau geschickt, Pflanzen aus dem – Zone Franc, Berlin 1983, S. 19. Garten des Konzentrationslagers zu holen, die dort

36 von den Häftlingen angebaut und dann verkauft rückhaltend Ihre Erinnerungen an diese Zeit, so als wurden. Sie sind erschüttert von dem, was Sie se- sei alles, was Sie getan haben, eine Selbstverständ- hen und fahren von da ab unzählige Male hin, um lichkeit. Lebensmittel, Briefe, Kerzen, Hostien oder Meß- Sie sind, verehrte Schwester Imma, für mich ein wein ins Lager zu bringen. Schnell sind Sie in den schönes Symbol für den Teil der Kirche, die für ih- Augen der Häftlinge der „Engel von Dachau“. Ob ren Widerstand gegen den Nationalsozialismus und mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Schlitten – seine schrecklichen Folgen bekannt ist. In seinem Sie setzen Ihren Kurierdienst bis zur Befreiung des letzten Film, „Der neunte Tag“, der seit wenigen Lagers fort. Natürlich sind Sie dabei, als der bereits Wochen in den Kinos läuft, hat Volker Schlöndorff schwer kranke Diakon Karl Leisner von einem auf eindrückliche Weise gezeigt, welch schweres Mithäftling heimlich zum Priester geweiht wird, Schicksal die Priester erlitten, die Widerstand lei- von Gabriel Piguet, dem Bischof von Clermont- steten, und welche Charakter- und Glaubensstärke Ferrand, der in Haft war, weil er Juden gerettet sie zeigten, wenn es darum ging, die Nächstenliebe hatte. Karl Leisner starb nur wenige Tage nach der über die Schrecken siegen zu lassen. Monseigneur Befreiung des Lagers, am 12. August 1945, an den Piguet, der vom Staat Israel die „Medaille der Ge- Folgen der Lagerhaft. rechtigkeit“ erhalten hat, oder Karl Leisner, der von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen worden ist, sind wie Sie Zeugen dieser engagierten, aufmerk- samen, menschlichen Kirche, die den Geboten des neuen Testaments folgt. Sie haben unschätzbare Dienste geleistet, Schwester Imma; doch nie haben Sie Dank erwartet oder sich gar Ihres Mutes gerühmt. Ich glaube, damit haben Sie vielen eine Lehre erteilt, in einer Zeit, wo viele aus Feigheit, aus Desinteresse oder aus Egoismus lieber die Augen verschlossen haben als etwas zu tun. Für Ihren Mut und Ihre Bescheidenheit, für Ihre Unbeugsamkeit, wenn es darum geht, Ihre Nächsten zu schützen – was Sie zum Gebot Ihres Lebens gemacht haben – für all das sind wir Ihnen aus gan- zem Herzen dankbar. Und aus diesem Grund war es der Wunsch des Präsidenten der Republik, Sie zu würdigen und Sie in den höchsten Orden aufzu- Josefa Mack mit Paketen auf dem Weg ins KZ Dachau nehmen, den Frankreich besitzt, nämlich die Eh- renlegion. Es ist mir eine besondere Ehre und In Ihrem Buch „Warum ich Azaleen liebe“, das Freude, daß ich derjenige bin, der Ihnen diese Aus- 1988 erschien, erzählen Sie ganz einfach und zu- zeichnung überbringen darf.

37 diskutierten miteinander über die Verantwortung, die wir gegenüber den nachfolgenden Generationen haben, gegenüber unseren Kindern und Enkelkin- dern. Dieser Kirchentag hat die wesentliche Frage nach der Generationengerechtigkeit in den Mittel- punkt gerückt. Verantwortung ist offensichtlich wieder zu ei- nem Thema in unserer Gesellschaft geworden. Waren die vergangenen drei Jahrzehnte eher ge- prägt von einer „bowling-alone-Mentalität“, die vor allem das Ich ins Zentrum des Strebens setzte,

zeichnet sich jetzt der Wandel zum „bowling to- Botschafter Claude Martin, Erzbischof Simon, Schwester Imma und Kardinal Wetter gether“ ab. Der 11. September, die Flutkatastrophe in Südostasien, aber auch der andauernde wirt- Ehrung Schwester Immas in Deutschland schaftliche Niedergang unseres Landes mit der Nach dieser höchsten Auszeichnung durch den Massenarbeitslosigkeit bewirken ein Umdenken bei französischen Staat – der Freistaat Bayern hatte den Menschen. Es wird wieder zunehmend erkannt: Schwester Imma bereits 1986 mit dem Bayerischen die Menschen sind aufeinander angewiesen, sie Verdienstorden geehrt – zog im Jahre 2005 auch die sollen sich gegenseitig helfen. Nur so gewinnt das Bundesrepublik Deutschland nach. Im Auftrag von Ganze, das Gemeinwohl. Bundespräsident Horst Köhler verlieh der bayeri- Vergangene Woche habe ich in Gunzenhausen sche Ministerpräsident Schwester mehr als 1000 ehrenamtlich tätige Frauen und Imma Mack am 6. Juni 2005 im Kuppelsaal der Männer empfangen, darunter viele junge Leute, die Bayerischen Staatskanzlei das Verdienstkreuz erster sich auf vielfältige Weise für die Gemeinschaft Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik einsetzen. Gerade unsere Jugend ist leistungsberei- Deutschland. ter, motivierter und solidarischer als viele meinen. In der Altersgruppe bis 24 Jahren sind immerhin 42% der jungen Leute ehrenamtlich tätig, weit mehr Ministerpräsident Edmund Stoiber als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ich freue mich sehr, Sie hier im Kuppelsaal der Dieser Trend zu mehr Verantwortungsbewußt- Bayerischen Staatskanzlei zu dieser besonderen sein macht Mut. Der Zukunftsforscher Professor Feier begrüßen zu dürfen. Dr. Horst Opaschowski hat im April bei einem Vor einer Woche ist der 30. Deutsche Evangeli- Vortrag im Landtag sogar vom 21. Jahrhundert als sche Kirchentag in Hannover zu Ende gegangen. Er einer „Ära der Verantwortung“ gesprochen. Gerade stand unter dem biblischen Leitwort „Wenn dein die Jugend lebe ein Gesellschaftsideal vor, das Kind dich morgen fragt...“. Vertreterinnen und gegenseitige Hilfe, Verantwortung für die Umwelt Vertreter aus Kirchen, Politik und Gesellschaft und für die nachkommenden Generationen bein-

38 halte. Das sei der radikalste Wertewandel seit 30 nehmerischen Leistung den Wohlstand unserer Jahren, so Opaschowski. Bürgerinnen und Bürger sichert, der hat es nicht Für diesen Wertewandel brauchen die Men- verdient, als „Heuschrecke“ beschimpft zu werden. schen in unserem Land aber Orientierung. Da sind Man sollte vielmehr ermutigen und Anreize geben, auch Parteien und die Politik gefordert – das sage unternehmerisch tätig zu werden und eine sehr ich ganz bewußt - durch Ehrlichkeit, Glaubwürdig- bewußte Unternehmensethik zu pflegen. Ich bin keit und Verläßlichkeit Maßstäbe zu setzen. sicher, daß gerade eine bewußt gepflegte Unter- Die Gesellschaft, besonders unsere Jugend, nehmensethik zum Erfolg eines Unternehmens braucht Menschen, die zu ihren Werten, ihren erheblich beiträgt. Und Unternehmererfolg bedeutet Idealen und zu ihrem Wort stehen. Unsere jungen gleichzeitig Sicherung und Schaffung von Arbeits- Menschen brauchen Vorbilder, die nicht dem Zeit- plätzen. geist das Wort reden, sondern auch mutig gegen Nicht weniger verfehlt als die Wirtschafts- den Strom schwimmen, wenn ihr Gewissen sie dazu schelte ist die oft zitierte Medienschelte. In einer aufruft. Sie braucht Vorbilder, die Verantwortung informationshungrigen, aber immer schnellebigeren und Einsatzbereitschaft leben und vorleben. und komplexeren Welt hat gerade der Journalismus Sie braucht Menschen wie Sie! eine verantwortungsvolle Aufgabe. Das habe ich Sie alle haben in ihrem Leben Außergewöhnli- auch vor kurzem beim 50-jährigen Gründungs- ches geleistet, sei es in den Bereichen Wirtschaft jubiläum des Verbandes Bayerischer Zeitungsver- und Wissenschaft, Journalismus und Kirche, oder leger betont. Eine gewissenhafte, qualitätsvolle und im Bereich des sozialen und karitativen Engage- wertorientierte Berichterstattung sind die Grund- ments. Solche Leistungen und Verdienste honoriert lage, daß sich mündige Bürger in unserer Demo- der Bundesverdienstorden. Der Orden ist ein sym- kratie frei entscheiden können. Hochkarätige Jour- bolischer Dank des Staates für den engagierten nalisten wie Sie haben gerade auch für den journali- Einsatz außergewöhnlicher Menschen. stischen Nachwuchs Zeichen gesetzt. Eine demokratische Gesellschaft braucht solche Zeichen setzen, das ist ebenso die Aufgabe der Partner, die bereit sind, Verantwortung zu über- Wissenschaft. Mehr denn je braucht unser Land nehmen. Dort, wo Verantwortung übernommen kluge Köpfe, renommierte Wissenschaftler und wird, lebt Gesellschaft, dort organisiert sie sich Visionäre. Aus Ermangelung an Bodenschätzen selbst, dort drängt sie den Staat und die Bürokratie liegt die Zukunft unseres Landes in den Köpfen und bewußt zurück, dort sind Eigenverantwortung und Händen unserer Kinder. Im deutschen Sprachraum Solidarität zu Hause. scheuen wir manchmal noch davor zurück, von Ob als Unternehmerin oder als Geschäftsführer „Humanressourcen“ zu sprechen. Englischspra- – die Wirtschaft ist ein wichtiges Feld, auf dem wir chige Länder tun sich da leichter. In meinen Augen verantwortungsvolle, engagierte Menschen brau- ist das aber eine falsche Zurückhaltung. Denn un- chen. Wer Arbeitsplätze schafft und sichert, wer für sere Kinder sind das Fundament, auf das wir bauen. Mitarbeiter Verantwortung trägt, wer durch inno- Darum müssen wir in die Jugend investieren, in vative Ideen und Produkte die Wertschöpfung unse- ihre Bildung und Ausbildung, ihren Ideenreichtum res Landes ermöglicht, wer mit der eigenen unter- und ihr berufliches Fortkommen. Wir müssen unse-

39 ren Kindern und Enkeln das nötige Rüstzeug mit daß es gerade auf das Erspüren und Erleben von auf den Weg geben, damit sie unsere Zukunft und Religion ankommt. Gelebtes Christentum ist der damit ihre Gegenwart gestalten können. Und sie überzeugendste Botschafter für Glauben und Reli- können diese Zukunft leichter gestalten, wenn sie gion. nicht durch den schweren Schuldenrucksack nie- Heute ist eine Frau unter uns, die in einer Ex- dergedrückt werden. tremsituation vorgelebt hat, was Christi Gebot der Nächstenliebe bedeutet. Hochverehrte Schwester Imma Mack, Sie haben unter Einsatz Ihres eigenen Lebens den Häftlingen im KZ Dachau Nahrung, Hilfe und Zuwendung geschenkt. Ein Häftling hat im Rückblick auf die Schrecken von Dachau von einer „Welt ohne Gnade“ gesprochen. Sie haben vor mehr als 60 Jahren in diese gnadenlose Welt einen Funken Hoffnung gebracht. Die Schreckens- herrschaft des Nationalsozialismus hat uns in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele schauen lassen. Es ist tröstlich, daß Menschen wie Sie, ver- ehrte Schwester Mack, durch Ihre unerschrockene Hilfsbereitschaft die helle und hoffnungsfrohe Seite der von Gott geschenkten menschlichen Freiheit unter Beweis gestellt haben. „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Dieser Satz von Molière galt gestern wie heute gleichermaßen. Man kann sich weder durch Weg- sehen, noch durch Unterlassung und schon gar nicht durch scheinbare Unbekümmertheit der Verant- wortung entziehen.

Sie, meine Damen und Herren, haben sich Ihrer Zu diesem Rüstzeug gehört auch ein fester Kom- Verantwortung gestellt. Sie haben nicht weggese- paß, eine Orientierungshilfe. Unser Kompaß ist das hen, sondern stets tatkräftig in Ihrem Bereich ge- christliche Menschenbild. Ich bin froh und dankbar, staltet. Darum freue ich mich, Ihnen den Bundes- daß die Vertreterinnen und Vertreter der christli- verdienstorden im Auftrag des Herrn Bundespräsi- chen Kirchen dieses Wertefundament mit so gro- denten überreichen zu dürfen. ßem Engagement vermitteln. Der 30. Deutsche Gabriele Latzel, Hans-Karl Seeger Evangelische Kirchentag und die große Resonanz junger Besucher hat erst kürzlich wieder gezeigt,

40 Clemens August Graf von Galen und Karl Leisner

Am Samstag, dem 28. Oktober 1933, wurde der Pfarrer von St. Lamberti in Münster, Clemens Au- gust Graf von Galen, zum Bischof geweiht. Wäh- rend Antonius Wissing, Karl Leisners späterer Kursgenosse, der damals im Ludgerianum in Mün- ster wohnte, in sein Tagebuch schrieb „Heute ist schulfrei, da der Bischof von Münster geweiht und inthronisiert wird“, nahm Karl Leisner den neuen Bischof erst 1934 wahr, als er sein Studium in Münster begann. Montag, 7. Mai 1934: Nachtrag: Um 18.00 Uhr abends unser Hochwürdigster Herr Bischof Clemens August bei uns in der Aula [des Collegium Borromaeum]. Imponie- rende Erscheinung! Väterlich-freundschaftliche Ansprache an uns, seine künftigen Mitarbeiter! „Auf Wiedersehen, liebe Freunde!“

Sein Tagebuch Nr. 13 begann Karl Leisner mit einem Foto des Bischofs in Xanten und folgender Eintragung: Unser Bischof Clemens August Graf von Galen bei der großen Norbertfeier in Xanten – 10.6.1934. MEIN TAGEBUCH. Karl Leisner, Kleve – Münster Geht auch der Weg durch Nacht und durch Not UNS LEUCHTET SIEGHAFT DAS MORGEN- ROT! ERHEBT DIE BANNER! Bischof Clemens August Graf von Galen vor dem Dom in Xanten Bischof Clemens August hielt in Xanten seine erste bedeutende Predigt gegen den Nationalsozialis-

41 mus. 11 Die Feierlichkeiten zum Fest des heiligen omnes generationes“ 13 – die Gnade und die Norbert begannen schon am 6. Juni 1934 mit einem Schwere des Berufes der Gottesmutter, der Levitenhochamt und endeten am Sonntag, dem 10. Mutter unseres Erlösers! – Auch unsere Ge- Juni 1934, mit einer gewaltigen Treuekundgebung schlechter sollen Maria seligpreisen. Mahnung der katholischen Jugend vom Niederrhein vor dem an Eltern und Lehrer. Sehr ernst! Bischof auf dem Domplatz. Ganz ausführlich beschrieb Karl Leisner die Große Karl Leisner war von seinem Bischof begeistert. Prozession 1934, an der circa 14.000 Gläubige teil- Peter und Paul, Freitag, 29. Juni 1934: nahmen und deren Verlauf nichts Gutes für die Nach dem Essen mit Jupp Köckemann los. In Zukunft ahnen ließ. 14 Richtung Wolbeck. Wir sprechen über Jung- Montag, 9. Juli 1934: schar und freuen uns über die herrliche katholi- 6.00 Uhr raus. Deutsches Morgengebet. Stille sche Jugend und – über unsere Bischöfe, ganz Messe. – Nach dem Kaffee Zimmer und Tisch besonders über unsern geliebten Hirten und aufgeräumt. – 8.05 am Dom. Alles fertig, – die Führer Clemens August! Das sind die Apostel – Studentenverbindungen im „Dress“ und (CV en heute! 12 couleur [Farben tragend]). Domkapitel, Profes- sorenschaft in feinster Tracht. Gegen 8.15 Uhr Im Juli nahm Karl Leisner zum ersten Mal an der los! – Ägidiikirche, wo der Bischof selbst den traditionellen Wallfahrt der Stadt Münster nach Segen gibt! – Überwasser – Martini – Lamberti Telgte teil, wo er erneut auf Bischof Clemens Au- – Servatii – Ludgeri – Dom. Große Beteiligung! gust traf. – Jugend mit Bannern, Bischof in cappa magna! Fest vom kostbaren Blute Christi, Sonntag, 1. Großartig. Überall Altäre oder Altärchen, Fah- Juli 1934: nen, Baum- und Blumenpracht. – Im Dom Ban- 6.00 Uhr ab Lamberti Große Wallfahrt nach nerwald der Jugend. (Sie stehen schon zwei Telgte! – Etwas launisch und müde unterwegs, Stunden da!) – Bischof zieht hinter dem vom aber Sieg! Gegen 8.45 Uhr an der Marienlinde, Weihbischof [Johannes Scheifes] getragenen wo der Hochwürdigste Herr Bischof uns Wall- Sakrament in cappa magna ein – segnend. – fahrer segnend begrüßte. 9.15 Uhr Pontifikal- Nachher Marsch der Banner zum bischöflichen amt auf dem Kirchplatz. Bischofspredigt Palaishof. Als der Bischof den Dom verläßt (Grundton „... ecce enim ex hoc benedicant me brausende Heilrufe – gewaltige, spontane Be- geisterung: Volk, Jugend und Klerus sind eins!

11 Siehe: Peter Löffler, Bischof Clemens August Graf 13 Lk 1,48: „Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes von Galen, Paderborn 1996 (zit.: Löffler), Bd. I, S. generationes – Siehe, von nun an preisen mich selig 91–95. alle Geschlechter.“ 12 Am 29.6.1934 wurde ein gemeinsamer Hirtenbrief 14 Siehe: Christoph Kösters, Katholische Verbände und der deutschen Bischöfe verlesen, in dem sie u. a. ge- moderne Gesellschaft. Organisationsgeschichte und gen alle Angriffe und Verunglimpfungen durch die Vereinskultur im Bistum Münster 1918 bis 1945. Pa- Nationalsozialisten protestierten. derborn 1995, S. 375.

42 Der Bischof segnet, er ist gerührt! Spontan fanatisch um ihr Recht kämpft! – Die Banner klingt auf „Heil’gem Kampf sind wir geweiht!“ sind eingerollt, da klingt’s „Wenn alle untreu Aus tausenden Kehlen begeisterter Menschen! werden, so bleiben wir doch treu.“ – Das Volk Wie ein Schwur. Der Bischof hört ergriffen zu. – zerstreut sich, viele warten noch: Es ist zu Dann schallen wieder die Heilrufe über den schön! – Alle sagen „Mensch, das war ein Er- weiten Platz. – Banner schwenken – Herzen lebnis, ein heilig flammendes Bekenntnis – uns schlagen hoch in Wogen stürmischer Begeiste- kriegen sie nicht kaputt!“ Das war ein Fest – rung für unsern Bischof Clemens August. – Der eine heilige Stunde geboren aus dem Bewußt- Bischof geht ins Palais – die Menge singt „Fest sein: „Wir sind katholisches Volk – wir lassen soll mein Taufbund immer stehen!“ 15 – wie ihn uns nicht rauben, den heiligen Väterglau- Hammerschläge auf den Amboß der Zeit! Hier ben! Wir halten zusammen ob Leben ob Tod – steht eine stahlharte Gemeinschaft, die Ge- uns zwingt nichts schwach, Verbot und Not!“ schichte formt: katholisches deutsches Volk! – Der Bischof zeigt sich am Fenster oben links Am 17. September 1934 ernannte Bischof Clemens über dem Eingangsportal des Palais. Er segnet August Karl Leisner zum Diözesanjungscharführer. sein Volk. Rasende Heilrufe! – „Und wenn wir Da es sich um eine rein formale Angelegenheit marschieren, dann leuchtet ein Licht, das Dun- handelte, ist die Ernennung lediglich in Karl Leis- kel und Wolken strahlend durchbricht! Du Volk ners Mitgliedsausweis des Katholischen Jungmän- aus der Tiefe, du Volk aus der Nacht vergiß nerverbands Deutschlands (KJMVD) in der Rubrik nicht das Feuer, bleib auf der Wacht!“ O ju- Jungführerämter dokumentiert: belndes Licht, o Freude, o rasende Ergriffen- Zum Diözesanjungscharführer gewählt/ernannt heit. Einen Moment ist es still. Nach dem Segen am : 17. September 1934 . hatte der Bischof sich vor Rührung weinend zu- H. Roth, Diözesanpräses rückgezogen – selbst einige ergraute Malteser- Offensichtlich fand bezüglich der Ernennung keine ritter aus westfälischem Adel konnten die Trä- Begegnung mit Bischof Clemens August statt. Karl nen nicht mehr zurückhalten. – Sie weinten vor Leisners bereits als Bezirksjungscharführer uner- ergreifender Freude über dieses jubelnde müdliches Engagement war dem Bischof hinrei- Treuebekenntnis des westfälischen Volkes zu chend bekannt. Am 11. April 1934 hatte Karl Leis- seinem Bischof! – Eine Spanne von 10 oder 20 ner an Walter Vinnenberg geschrieben: Sekunden – Stille. Alles erwartet noch was: Da Augenblicklich flitze ich auf meinem „Velo“ wie – ein Pfiff, ein Kommando: „Banner einrollen!“ ein rasendes Ungeheuer durch den Bezirk – Jeden packt der ingrimmige Zorn. Eine solche [Kleve als Bezirksjungscharführer] und stärke Jugend darf in Deutschland nicht mehr die Jungens und „trommle“ sie wach bis ins marschieren! – Aber wir marschieren geistig – letzte verschlafene niederrheinische Dörfchen wir sind stahlharte Gemeinschaft – junge, lei- hinein. Sämtliche verkalkten „Pasteure“ (für eu dende Kirche, die singt, die leidend jubelt, die lies ö!) werden nach langen Vorgefechten und Auseinandersetzungen theologischer und „mo- 15 Gotteslob Münster Nr. 955,4. ralischer“ Art erobert. Gott sei Dank sind au-

43 genblicklich von diesen vielgeliebten Leuten schlafenden Apostel (Priester)! Fein! Das Rin- nicht allzuviel im Kreis, sondern das junge Ele- gen Christi am Ölberg [Mt 26,36–46; Mk ment überwiegt bei weitem schon in unserer 14,32–42; Lk 22,40–46; Joh 18,1b] – Symbol „konservativen“ Gegend. des Ringens der Kirche heute – kraftvoll – be- Als Diözesanjungscharführer hatte er eine Begeg- tend – stark! Unter Donner und Blitz zog der nung mit dem Bischof, bei der er Kritik an Pastören Bischof zum Altar [im Dom] – uns alle segnete übte. Dazu paßt, was in der Familie Leisner überlie- der Heiland mit seiner Hand. Clemens August – fert ist und Karl Leisners Nichte Monika Kaiser- ja, das ist unser Bischof! Hei, sein letztes Hir- Haas wie folgt formulierte: tenschreiben – eine Wonne, eine Kraft! „Was Karl Leisner war in seiner Eigenschaft als Diö- toben die Heiden“ [vgl. Ps 2,1]. 16 zesanjungscharführer bei Herrn Bischof von Bischof Clemens August pflegte den persönlichen Galen. In dem Gespräch mit ihm beschwerte er Kontakt zu seinen Priesterkandidaten unter ande- sich über die konservativen Pastöre, was die rem, indem er regelmäßig im Collegium Borro- Jugendarbeit betraf. Bischof von Galen antwor- maeum mit ihnen die heilige Messe feierte. tete ihm: „Ich kann sie ja nicht alle totschlagen.“ Herz-Jesu-Fest, Freitag , 28. Juni 1935: Am Samstag vor dem 4. Adventssonntag, dem Der Hochwürdigste Herr Bischof las heut’ mor- Quatembersamstag, war in Münster traditionell gen bei uns die heilige Messe! – Betrachtung Weihetermin der Diakone zum Priester. Wenn auch über die Ferien: Ordo et caritas [Ordnung und nur für einen kurzen Moment, so ließ es sich Karl Liebe]! Leisner bereits im ersten Semester nicht nehmen, zu Wilhelm Wissing: Als Münsteraner Theologiestudenten standen erleben, wie der Bischof die jungen Männer zu wir natürlich im Bannkreis unseres Bischofs, des Priestern weihte. späteren Kardinals Clemens August von Galen, Samstag, 22. Dezember 1934: der wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalso- Am 22. morgens 5.30 Uhr heilige Messe – zele- zialismus auch der „Löwe von Münster“ genannt briert von Dr. Melcher. – 6.30 Uhr Durcheinan- wird. Wir hatten Gelegenheit, ihn näher kennen- der auf Bude etwas gemildert. Eben auf 10 Mi- zulernen, da er an jedem Herz-Jesu-Freitag, nuten unserm Bischof bei der heiligen Priester- dem ersten Freitag im Monat, ins Borromaeum 17 weihe zugesehn. kam und den Gottesdienst übernahm.

Immer wieder zeigt sich in Karl Leisners Tagebü- chern, wie sehr Bischof Clemens August ihn faszi- 16 Hirtenbrief des Bischofs Clemens August Graf von nierte. Galen vom 19.3.1935, siehe: Löffler, Bd I, S. 168– Donnerstag, 11. April 1935: 184. Der Hirtenbrief beginnt mit den Worten: „Was 16.00–17.00 Uhr „Heilige Stunde“ vor ausge- toben die Heiden und erfinden Trugbilder die Völ- setztem Allerheiligsten. Pater Bernardin Goebel ker?” hielt feine Betrachtung: „Wachet und betet“ 17 Wilhelm Wissing, Gott tut nichts als fügen, Erin- [Mt 26,41; Mk 14,38] als Priesteraufruf an die nerungen an ein Leben in bewegter Zeit. Karl R. Höller (Hg.) Mainz 2001, S. 49.

44 Am Tag nach Bischof Clemens Augusts Namenstag Sonntag, 26. Januar 1936: erinnerte sich Karl Leisner an dessen wohlwollen- Der Hochwürdigste Herr Bischof predigte im des, ja väterliches Verhalten. Dom. Ein Fanfarenstoß in die Zeit! Samstag, 23. November: Dann mit einigen Führerinnen und Führern der Während einer mündlichen Prüfung erlebte Karl katholischen Jugend der Stadt [Münster] und Leisner die Anwesenheit seines Bischofs durchaus Clemens Schulz zum Bischof um 10.00 Uhr zur als beruhigend. Gratulation. Clemens [Schulz] sagte einige Rosenmontag, 24. Februar 1936: Worte vom Wollen Junger Kirche, auf die der Mündliches Examen. Komme kurz vor Mittag Bischof in ziemlich langer und christlich echter dran. Gerade war ich Metaphysik noch am und froher und ganzer Weise einging. Die Durchblättern, da stürzt Arnold Mente mir auf Schließung des Jugendhauses [in Düsseldorf] die Bude: „Schnell, tempo! Sonst kommst du zu hob er als traurig hervor. Aber trotz allem, und spät.“ – Ich renne – Kaffeepause. Inzwischen wenn sie uns alle äußeren Mittel nehmen – wir kommt der Hochwürdigste Herr [Bischof Cle- siegen mit Christus! Fein, die hohe Apostelge- mens August]. Ein klein wenig „Herzbubbern“ stalt unseres lieben Bischofs so stolz und froh hab ich trotz aller äußeren Ruhe. Aber nach vor sich zu sehn und als Junge vor ihm, dem kurzem Gebet der Sammlung auf der Kapelle Nachfolger der Apostel zu stehen! Zum Schluß werd’ ich beim Warten „ante portas [vor den gab er uns allen seinen heiligen bischöflichen Toren des Prüfungszimmers]“ immer ruhiger. Segen, nachdem er uns allen vorher väterlich Der „Chef“ [Direktor Schmäing] geht rein. die Hand gedrückt. Er ist der Vater der Kirche „Reinkommen!“ Leichte Verbeugung – frohe des Münsterschen Landes, das spürt man aus Ruhe auf den Mienen unseres guten Bischofs seinen scharf musternden und doch so gütigen und Vaters. Blicken. Gott segne ihn zu seinem Namensfeste Einen Zettel mit den Examensnoten hat Karl Leis- dreifach! ner in sein Tagebuch eingeklebt: Leisner Am Sonntag, dem 26. Januar 1936, war ein Hirten- Metaphysik: 2 brief der deutschen Bischöfe vom 9. Januar 1936 zu Religionsphilosophie: 3 verlesen. 18 Es handelte sich um das Verbot Erkenntnislehre Vorfragen: 2 nationalsozialistische Propagandaschriften gegen Geschichte der Philosophie: 1 das christliche Glaubensleben sowie Papst und Auch als Diözesanjungscharführer hatte er hier und Kirche zu lesen. Bischof Clemens August verlas da Kontakt zu seinem Bischof. So auch am Abend diesen Brief persönlich und hielt anschließend eine seines 21. Geburtstages. Predigt.

18 Siehe: Löffler Bd. I, S. 336–337. Die Predigt des Bischofs befindet sich auch als Maschinenabschrift im Nachlaß von Karl Leisner.

45 Freitag, 28. Februar 1936: nen Plätzen erscheinen. Er hatte einen guten Dann Abendbesprechung über die Vorbereitung Rat zur Hand. Im Germanicum würde man uns des Diözesantages [28./29. März 1936] mit un- gewiß Toga, Cingulum und „Römer“ leihen. So serm Bischof. als echte Theologen drappiert könnten wir dann unsere Plätze einnehmen. Auf Grund unserer Beziehung zu Pater Konstantin Noppel – er war Am 3. April 1936 schrieb er an Walter Vinnenberg: viele Jahre Leiter des Germanicums in Rom ge- Am Sonntag [29. März 1936] der Diözesantag wesen – fanden wir tatsächlich dort bereite Oh- zusammen mit unserm Hochwürdigsten Herrn ren. Bischof war Ia! [... ] etwa in der Mitte zwischen Altar und Papstkathedra – in der Apsis wurden uns unsere Gleich zu Beginn seiner Außensemester in Freiburg Plätze an der rechten Seite im mehrreihigen nahm Karl Leisner regen Anteil an der dortigen Chorgestühl zugewiesen. So hatten wir gleicher- Jugendarbeit. In der Karwoche 1936 nahm er mit weise sehr guten Blick zur Kathedra, auf der ja während der Feier der Papst zeitweise Platz Josef Köckemann anläßlich des Diözesantreffens in nimmt, wie auch nach links hinüber auf die Freiburg an Besinnungstagen bei Pater Konstantin Rückseite des Altars. Noppel teil. Dieser ermutigte die beiden, nach Rom Links und rechts von uns, hinter und unter zu fahren. Er hatte erkannt, welchen Überblick Karl uns in den gestaffelten Reihen des Chorgestühls Leisner über die Jugendarbeit in Deutschland hatte, befanden sich die Herren des weltweiten diplo- und hielt es für sinnvoll, daß dieser den Papst per- matischen Korps in hochvornehmen Kleidern, sönlich darüber unterrichte. Die Fahrt fand zu dekoriert mit Schärpen und Orden. Die untersten Pfingsten 1936 statt. Zu ihnen gesellte sich ihr Reihen des Chorgestühls nahmen auf beiden Kursgenosse Max Terhorst. Es kam nicht nur zu Seiten die Kurienkardinäle und eben anwesende einer Begegnung mit Papst Pius XI., sondern auch weitere Kardinäle sowie Bischöfe in ihren farb- kräftigen Roben ein. Unter ihnen entdeckten wir zu einer – da sie die Vorlesungen in Freiburg sehr bald, nicht weit von uns und auf gleicher schwänzten – „unerwünschten“ mit Bischof Cle- Seite die hohe Gestalt unseres Bischofs aus mens August. Max Terhorst schilderte später die Münster – Clemens August Graf von Galen [19] – Begebenheit mit dem Bischof: Sonntag, 31. Mai 1936, Erlebnis der Papst- messe Pfingstsonntag 1936 Abgesehen von der gewaltigen Stadt selbst mit 19 Bischof Clemens August Graf von Galen hielt sich ihrer jahrtausendalten Tradition, den dort übrig- vom 27.5. bis 4.6.1936 in Rom auf. gebliebenen oder auch dorthin verfrachteten al- Siehe: Löffler S. LXXXVII: Romfahrt mit Flug- ten Kulturdenkmälern des gesamten Mittelmeer- zeug zum 80. Geburtstag Pius XI. (Pius XI., 6.2. raumes stand uns noch ein ganz besonderes 1922–10.2.1939, geboren am 31.5.1857). Ereignis bevor: der Besuch der Papstmesse am Josef Köckemann erinnert sich noch, daß der Pfingstsonntag im Petersdom. Kardinal Caccia Papst ihnen gesagt hat: „Ihr Bischof war auch schon hatte uns auch dazu Platzkarten besorgt und da.“ Das erleichterte die Studenten. Offensichtlich uns dabei ans Herz gelegt, wir dürften keines- hatte der Bischof vorher eine Audienz gehabt und falls in unserer Wanderkluft auf den vorgesehe- nicht nachher, wie es laut Akten geplant war.

46 begleitet von Prälat Leufkens [20]. Ob er uns er- Was zu befürchten war, trat ein: Karl Leisner geriet kannt hatte? Doch da drehte sich Prälat Leuf- durch seine Aufgabe als Diözesanjungscharführer kens zu uns um. Er, selbst aus Münster, kannte [21] noch stärker in den Blick der Gestapo. Seit 1936 Jupp [Köckemann] gut vom Ministrieren her. gab es eine Akte über ihn in Düsseldorf. Er schaute ihm scharf ins Gesicht, stutzte, dann Josef Perau: grinste er ganz unverhohlen und legte seinen 22 Oft hatten wir älteren den „großen Jungen“ ge- Finger über beide Lippen. Wir verstanden. warnt, die Partei beobachte mit Sicherheit genau Josef Köckemann an Hans-Karl Seeger: sein starkes Engagement in der Jugend der Kir- Leufkens rief „Ecco!“, aber ich legte meine Fin- che und werde versuchen, ihn unschädlich zu ger auf den Mund und Leufkens verstand, er machen, er möge sich vor unbedachten Äuße- stützte sich beim Beten so auf die Bank, daß der rungen hüten, und auf das Wort des Herrn ver- Bischof bei einem Blick zur Seite uns Theologen wiesen „Ich sende euch wie Schafe mitten unter nicht sehen konnte. die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen Max Terhorst: und arglos wie die Tauben. Nehmt euch vor den Streng genommen war es uns nicht erlaubt, das Menschen in acht“ (Mt 10,16 f.). Er war auch Studium in Freiburg zu unterbrechen, bzw. un- ganz unserer Meinung, daß wir uns nicht unnötig sere Pfingstferien eigenmächtig auf vier Wochen ans Messer liefern dürften. Aber „Schlangen- zu verlängern. klugheit“ paßte so gar nicht zu seinem Tempe- rament, das sich immer wieder von der Arglosig- Die Predigten des Bischofs verfolgte Karl Leisner keit der Liebe hinreißen ließ. 24 mit großer Aufmerksamkeit. So auch die Predigt Karl Leisner schrieb am 19. Oktober 1936 folgen- am Sonntag, dem 6. September 1936, auf dem Für- den von der Gestapo abgefangenen Brief an Diöze- stenberg bei Xanten anläßlich der Großen Viktor- sanpräses Heinrich Roth in Münster, Aegidiistraße tracht 1936. 23 48. Da er sein Amt als Diözesanjungscharführer Am 7. September 1936 schrieb er an Walter aufgeben wollte, wählte er den „vermittelnden“ Vinnenberg: Weg zum Bischof über seinen „direkten“ Vorge- Von der großen Viktortracht, zu der auch unser setzten. Hochwürdigster Herr Bischof hier ist und grade Grüß Gott, Hochwürden, lieber Herr Diözesan- eine feine Predigt über den christlichen Gehor- präses! sam hielt, frohen Gruß! [... ] Am Freitag, dem 27., morgens gegen 10.00 Dein Karl. Uhr, möchten Wilhelm Wissing und ich gerne dem Hochwürdigsten Herrn [Bischof Clemens August] einen kurzen Besuch abstatten, um ihm 20 Joseph Leufkens hatte lange in Italien gelebt, daher nahm ihn der Bischof häufig mit nach Rom. über die bisherige Jungschararbeit und von den 21 Die Theologiestudenten aus der Stadt Münster trafen Zukunftsplänen etwas zu berichten. Würden Sie sich donnerstagsmorgens in St. Servatii und sangen bitte so freundlich sein, und den Hochwürdig- die Messe „Cibavit – Er nährte“. Sie übten in Leuf- sten Herrn um Gewährung eines Besuches um kens Haus. 22 Abschrift einer Tonbandaufnahme. 23 Siehe: Löffler, Bd. I, S. 439–447. 24 Manuskript „Der Lebensraum der Familie“.

47 diese Zeit bitten. Tags zuvor würden wir natür- wenigstens der „DF“[Diözesanführer] ein lich eingehend mit Ihnen über alles sprechen, Motorrad zur Verfügung hat. – Es geht in der damit Sie genau „im Bilde“ sind – wie man so „Riesen“-Diözese einfach nicht ohne, heute we- zu sagen pflegt. – Eins möchte ich Ihnen als un- niger denn je. Es ließe sich doppelt schaffen – serm Diözesanpräses und auch persönlich Ihnen und der Anschaffungspreis würde bald sich als Priester ganz herzlich sagen: Dank, tausend rentieren. Dank für die gute Führung, die Sie uns allen und mir schenkten in den zwei Jahren, wo ich Im Reichsarbeitsdienst war Karl Leisner von allem Jungscharführer sein durfte. – Da ich im WS abgeschnitten, was sein Leben ausmachte: Familie [Wintersemester] wieder gerne nach Freiburg und Heimat ( Vom Niederrhein bin ich hier das möchte und anschließend wohl der RAD für ein einzige Kind. 25 ), Verwandte und Bekannte, Kirche halbes Jahr „steigt“, hätte es wirklich keinen und Jugendarbeit, Klassenkameraden und Studien- Sinn mehr, die Jungschararbeit in der Diözese kollegen sowie Lehrer und Freunde. Statt dessen weiterzutun. Und Wilhelm Wissing denke ich kam er in eine fremde Umgebung, wo sich alles, und sein „Führerstab“ wird es sicher gut und was ihm heilig war, anders darstellte. Die Worte noch besser machen. – Auf frohes Wiedersehen seines Bischofs gaben ihm Kraft. – mit treuen Grüßen“ Donnerstag, 1. April 1937: Ihr Karl L. Abschied von der Heimat. Kleve, den 1. April Es lag Karl Leisner sehr am Herzen, daß Wilhelm 1937 Wissing seine Nachfolge als Diözesanjungscharfüh- Mächtig klingt in mir nach das seelische Erle- rer antrat. Diesbezüglich bat er Diözesanpräses ben der letzten dreieinhalb Monate. 26 Dunkel Roth erneut um Vermittlung und Unterstützung steht vor mir die Zukunft. Die Kar- und Oster- beim Bischof. tage daheim lassen ruhig werden das stürmi- Freiburg, den 3.12.1936. Hansjakobstraße 43 sche Herz, das da mit Gott ringt. Die Worte un- Grüß Gott, Hochwürden, lieber Herr Diözesan- seres Bischofs: „Ihr jungen Männer, steht fest präses! im Glauben, daß Gottes Wort Kraft in Euch ge- [... ] Anbei schicke ich Ihnen dann – als Ergän- winne“ (1 Joh 2,14) – und sein Hirtensegen zung zu dem „Bericht in Daten“ von 1934–36, ziehn mit uns in deutsches Land, unter den ich an Wilhelm schickte, einen Rechen- Deutschlands junge Mannschaft, zu der wir ge- schaftsbericht mit einigen kritischen Erwägun- hören mit jeder Faser unseres Herzens. gen und daraus sich ergebenden Vorschlägen. Vielleicht schauen Sie ihn sich mal kritisch an und verbessern ihn und lassen ihn dann evtl. „tippen“. Wilhelm wollte ihn verwerten zu ei- 25 Brief an seine Familie in Kleve vom 4.4.1937. nem „Vorstoß“ beim Bischof. Und da möchte 26 auch ich Sie herzlich bitten, helfen Sie ihm, daß Anfang des Jahres 1937 hatte Karl Leisner eine Mittelohrentzündung. Elisabeth Ruby, die älteste er gelingt. Insbesondere – meine ich – müßte Tochter seiner Vermieter, pflegte ihn, und er verliebte einmal herzhaft durchgefochten werden, daß sich in sie.

48 Nach seiner Rückkehr aus dem Reichsarbeitsdienst Die Kar- und Osterliturgie 1938 mit Bischof Cle- finden sich in seinem Tagebuch immer wieder mens August und dessen klaren Worten gaben ihm Hinweise auf Bischof Clemens Augusts Predigten. Kraft und Stärke für seine ganz persönliche Situa- tion. Herz-Jesu-Freitag, 5. November 1937: Gründonnerstag, 14. April 1938: Morgens Bischofsmesse. – Der Bischof spricht Wie eine heilige Stärkung aus göttlichem Mund über Heiligung des Priesters in seiner Vorbe- war mir heute abend die Predigt unseres Bi- reitungszeit. schofs „Simon, Simon, ich habe für dich gebe- Besonders beeindruckte ihn die Predigt am Sonn- tet, daß dein Glaube nicht wanke. Stärke hinfort tag, dem 14. November 1937. Sie war erfüllt von deine Brüder! [Lk 22,32]“ Der Bischof erzählt Protest und Einspruch gegen das Vorgehen der uns von seinem Zusammensein mit Petrus- Nationalsozialisten, vor allem gegen den Katholi- Pius. 29 Die Tiefe persönlichen Erlebens, die schen Jungmännerverband. Kraft des Heiligen Geistes spricht uns an aus Dienstag, 16. November 1937: seinen stärkenden, kraftvollen Worten des Am Sonntag war Erlebnis die Predigt in der Glaubens. – Der Ernst der Zeitenstunde leuchtet 11.00-Uhr-Messe des Hochwürdigsten Herrn auf. Es geht um Christus unter den Deutschen. Bischofs. 27 Das war wahr, klar und ritterlich, Wohlan, auch du bist gerufen, auch du! In die- sowie kampfentschlossen. Dabei sprach eine ser Zeit mit deiner Natur, ihren Schwächen und Liebe zum Volk daraus, die mich packte. Dieser Gaben! Sie zu meistern! – Meistre dein Leben, feierliche Protest gegen die Dinge der letzten der Herr gibt dir die Kraft. – Hohe Zeit hat an- Wochen, selbst wenn er „praktisch“ nutzlos ist, geschlagen, für dich schlägt die Stunde der dieses aufrechten deutschen Mannes – das ist Hochzeit des Lebens, die heilige Zeit des [Prie- noch eine Sprache, die deutsche Männerohren ster]Seminars, die „Brautzeit“ deines Lebens. hören können, die Deutschland Ehre macht! Von ihr hängt das Zusammenleben im heiligen Immer wieder begeistern ihn die starken und deutli- Bund mit Christus und seiner Gemeinde später chen Worte des Bischofs. in vielem ab. – Sei bereit, dich zu bereiten! Es Donnerstag, 2. Dezember 1937: gilt Christus in dir. Die Predigt unseres Hochwürdigsten Herrn Bi- Osternacht, 17. April 1938: schofs vom 17.11. in Vreden ist herrlich. 28 Das Danach: am 1. Ostertag, in der Frühe 0.40 Uhr. ist Sprache, klar und männlich! – Ostern 1938! Ein Tag der Gnade, der Berufung. Der große Circuitus [Prozession in Form einer Acht durch den Dom] zum Hochamt um 8.00 Uhr. Ein

27 Ostererlebnis wie nie. Christi Sieg! Salve, festa Es handelt sich um den Hirtenbrief vom 11.11.1937, dies, toto venerabilis aevo, qua Deus infernum der am 14.11.1937 in allen Kirchen zu verlesen war und dessen Inhalt der Bischof im Dom selbst vor- getragen hat. Siehe: Löffler Bd. I, S. 573–578. 29 Privataudienz bei Pius XI. am 8.4.1938, siehe: Löffler 28 Siehe: Löffler Bd. I, S. 579–586. Bd. I, S. LXXXIX.

49 vicit et astra tenet [Heil dir, festlicher Tag, voll stus in die Hand unseres Hochwürdigsten Herrn Glanz allen kommenden Zeiten, da Christus er- Bischofs die ewige Treue geloben. 31 standen, frei von des Todes Banden]. 30 – Am Donnerstag, dem 30. Juni 1938 nachmittags, Der Bischof im vollen Ornat und Cappa magna. empfingen Karl Leisner und seine Kursgenossen in Christus unter uns. Der Nachfolger der Apostel. der Kapelle des Priesterseminars durch Bischof – Die Natur jauchzt mit ob der Schönheit der Clemens August die Tonsur. 32 Gnade. Der strahlend blaue Sonnenhimmel – Karl Leisners Kursgenosse Heinrich Kleinen be- das zarte Grün der Linden – das Licht, das Le- richtete, der Bischof habe sehr wüst mit der Schere ben! Und wir feiern Christus den strahlenden auf den Köpfen der Seminaristen gewirkt. Beim Sieger, qui nobis reservavit aditum aeternitatis nächsten Haareschneiden habe der Friseur ihn ge- [der uns den Zugang zur Ewigkeit geöffnet hat]. fragt, wo er sich das letzte Mal die Haare habe Gnadengeheimnis! Das Hochamt und der schneiden lassen. nachfolgende päpstliche Segen – unvergeßlich. Josef Perau am 24. März 2001 an den IKLK: Alleluja! Alleluja! Alleluja! Nach dem Eintritt ins Priesterseminar erteilte Und die Stunden jetzt unter dem gestirnten uns der Bischof die Niederen Weihen und nahm Himmel unter uns beiden. Es ist zu schön. Es ist zugleich die Tonsur vor, indem er mit einer gro- Letztes, was nicht zu sagen ist. ßen Schere ein Haarbüschel unseres Scheitels Hora erat – hora Dei inter nos. Hora [Das war abschnitt. Für Clemens August Graf von Galen war dieses uralte archaische Zeichen der In- die Stunde – die Stunde Gottes unter uns. Die dienstnahme für einen Herrn alles andere als Stunde]! Alleluja! eine überkommene Zeremonie, die eben dazu- Am 20. April 1938 schrieb er an Familie Weber: gehörte. Durch seinen tiefen Ernst ließ er uns Die Kar- und Ostertage feierten wir mit unserm spüren, auf was wir uns einließen und was auf- Bischof die heilige Liturgie in unserm wuchti- zugeben wir uns anschickten. gen westfälischen Dom. Das waren ganz wun- Als Seminaristen mußten wir in der derbare Feiertage. Öffentlichkeit von Münster die lange Soutane und den sogenannte Römerhut tragen. Überall, Entsprechend der damals zu spendenden Niederen wohin wir auch kamen, waren wir als die junge Garde des „Löwen von Münster“ erkennbar. und Höheren Weihen sprach man von „Sieben Stu- Seine Feinde maßen auch uns mit feindseligen fen zum Altar“. Karl Leisner begegnete seinem Blicken, die ihn liebten, zeigten auch uns ihre Bischof auf diesen Stufen bis zur Diakonenweihe. Zuneigung. Montag, 20. Juni 1938: Mit freiem, starkem Herzen will ich am Mitt- 31 Mit dem Empfang der Tonsur wurde der Theologe woch in acht Tagen [am 29. Juni] Jesus Chri- Kleriker. Vermutlich war am Tag zuvor der Treueid zu leisten. 32 Kirchliches Amtsblatt Bistum Münster vom 29.12. 1938, S. 140: 30. Juni, 1. + 2. Juli, Niedere Weihen in der Ka- 30 Cantus Monasteriensis, vgl. Gotteslob Münster Nr. pelle des Priesterseminars und im Hohen Dom. 65 926. Alumnen des Priesterseminars.

50 Karl Leisner notierte am Freitag, dem 1. Juli 1938: ernst an, Er schaut bis ins letzte, heimlichste Am Feste des kostbaren Blutes unseres Herrn Fältchen des Herzens! Bin ich stark genug? Ostiarier- und Lektorenamt hat uns der Bischof Glaube ich wirklich ganz fest und stark und feierlich übertragen. tief? Bin ich priesterlicher, selbstloser Mensch? Über den Empfang der Exorzisten- und Ako- Bin ich rein und gläubig genug? lythenweihe am 2. Juli, die auch Bischof Clemens All das mischt sich mit den flehentlichen Gebe- August erteilte, sind keine Aufzeichnungen erhal- ten zu Gott um Erbarmen, um Erneuerung der ten. Berufsgnade, um kindliche Demut und Einfalt, um wahren Glauben, priesterliche Jungfräu- Ein Jahr vor seiner ursprünglich vorgesehenen lichkeit und ein starkes Herz voll heroischer Priesterweihe nahm Karl Leisner mit großer Auf- Liebeshingabe. merksamkeit an der Weihe seiner Mitbrüder teil. Die Worte des Bischofs beeindruckten ihn und Seiner Weihe zum Subdiakon widmete Karl Leisner ergriffen ihn tief. viele Seiten in seinem Tagebuch. Bei der Beschrei- Samstag, 17. Dezember 1938: bung des bedeutsamen Ereignisses tritt erneut das Früh ging’s raus am Samstag, dem 17. Dezem- zugleich strenge und väterliche Wesen des Bischofs ber 1938. Mond und Morgenstern standen hervor. strahlend am klaren Nachthimmel. Es hatte Samstag, 4. März 1939: tüchtig kalt gefroren, und ein scharfer Ost blies. Der Tag der Lebensweihe [Weihe zum Subdia- Von 7.00 Uhr an war ich bei der heiligen [Prie- kon] ist in die Geschichte eingegangen. Factum ster]Weihe im Dom zugegen. Alle Unrast, alles est [es ist geschehen]! Verbum – caro [Wort – Getriebe war zu Ende. Gottes Geheimnis sprach Fleisch. Vgl. Joh 1,14]. Was Gott durch die in der Stille der heiligen Stunden. Da stehen sie [Liebe] Christi in mir als inneren Ruf reifen vor unserm Bischof, der da an Christi Statt und ließ, das ist Tat geworden heute im Ruf der Kir- in Christi Weihevollmacht steht. – Willi Fas- che, der Braut Christi im Heiligen Geiste. bender, Willi Stammkötter, Fritz Arntzen und Diese herrliche Feierstunde werde ich nicht alle die andern. – Ernst mahnt der Bischof sie mehr vergessen können. In albis [Mit der Albe und uns in seiner Anrede. Würde und Bürde ist bekleidet] schreiten wir mit brennenden Lich- das hohe heilige Amt. Reinheit der Gesinnung, tern in Händen und [mit dem Zingulum] gegür- erprobte Sitten fordert er von ihnen. Mir zittert tet die Lenden zum Chor des Hohen Domes. 33 das Herz in banger Sorge und im Bewußtsein Alle Verzagtheit und Anfechtung ist dahin. Das meiner Sündhaftigkeit, meines Dünkels und Lebensopfer wird gebracht in Gottes Kraft und meiner Schwäche. – Wirst du es können? Wirst Gnade und im Mut des entschlossenen Herzens, du ein würdiger Priester? Wirst du alle Min-

derwertigkeitskomplexe, alle Überkompensatio- 33 nen, alle Feigheit und alle Eitelkeit, allen Die Kerze übergibt der Weihekandidat nach der Weihe bei der Gabenbereitung dem Bischof, ein Hochmut und falschen Stolz überwinden? Chri- Sinnbild dafür, daß sein Leben nur noch Christus ge- stus steht vor mir fordernd und Er schaut mich hört, in dessen Dienst er sich restlos verzehrt.

51 das sich jetzt ohne zu fackeln ruhig dem Liebes- des eucharistischen Opfers sollen wir sein, sind brande Gottes weiht. Aller Dank, alle Freude wir! Ministri Christi [Diener Christi]. Dann hab’ ich zum Himmel hinauf gebetet für meine kleidet der Bischof für die Mutter Kirche uns guten Eltern und Geschwister, für alle meine mit den Gewändern der Freude und des Lich- Verwandten. Für meine Lehrer und Erzieher. tes. 37 Induamini Christum! [Zieht Christus an! Alle meine Kameraden, Wohltäter. Alle, die mir Vgl. Eph 4,24] – Das Berühren des Lektionars gut waren und sind. Alle, die mir den Weg zum [be]endet die Weihe. 38 Das heilige Geschehen Altar ebneten! Allen gilt Liebe für Liebe, Gebet ist vollzogen. – Zwei Kapuziner werden noch zu für Gebet, Glut für Glut! Der Regens [Arnold Diakonen geweiht. 39 Veni virtus Spiritus Sancti Francken] ruft uns „Accedant [qui ordinandi [Komm, Kraft des Heiligen Geistes]. – Zum sunt. Es mögen herantreten, die geweiht werden Opfergang weihen wir als Sinnbild der voll- sollen.]“. Klar und laut rufen wir das Adsum brachten Lebenshingabe das sich verzehrende [Ich bin bereit]. „Ecce ego, quia vocasti me Wachs der brennenden Kerze. Sumus lumina [Hier bin ich, du hast mich gerufen! Vgl. 1 Sam pro omnibus, pro gloria Dei et salute hominum 3]“ Dann ermahnt uns der Bischof mit den ein- [Wir sind Licht für alle, für die Ehre Gottes und dringlichen Worten der Kirche. Adhuc liberi zum Heil der Menschen]! Bei der heiligen estote [Hactenus enim liberi estis. Denn noch Kommunion ist die Antwort des himmlischen seid ihr frei]! Wir wollen Gott in unserer Bräutigams vernehmlich und tätig. Die bräutli- Schwachheit dienen. Den Leib und das Antlitz che Einung in heiligem Bunde gefestigt und beugen wir zur Erde. Hingemäht liegen wir fle- vollendet. Eucharistia, eucharistia, gratias hend vor Gottes Altar. Ut hos electos tuos bene- agamus Domino Deo nostro per totam viam no- dicere, confortare et consecrare digneris. – Ky- stram [Danksagung, laßt uns Gott unserem rie eleison [Daß du diese Erwählten zu segnen, Herrn unser ganzes Leben lang Dank sagen]. – zu heiligen und zu weihen dich würdigen wol- Der Herzog hat gerufen, wir sind seine Mannen lest. – Herr erbarme dich]. 34 – Wir hören von und folgen Ihm bis in Tod und Ewigkeit. – dem heiligen Dienste und ihrem Sinn. Dann Amen. Voll Ergriffenheit jubeln wir das Magni- treten wir hinzu zum Altare Gottes, der unsere Jugend erfreut 35 , und berühren Kelch, Patene 37 und die Kännchen mit Tuch und Teller. 36 Diener Der Bischof zieht den Weihekandidaten einzeln das Schultertuch über den Kopf, legt jedem den Manipel an den linken Arm und zieht ihm dann die Tunika an. 38 Der Bischof reicht den Weihekandidaten das Epistel- 34 Bitte aus der Allerheiligenlitanei zur Weihe. 35 buch, das sie mit der rechten Hand berühren. Vgl. Ps 42/43,4, vor der Liturgiereform Teil des 39 Die Weihe zu Subdiakonen und Diakonen konnte Stufengebetes am Beginn der Eucharistiefeier. gemeinsam vollzogen werden. 36 Der Bischof reicht den Weihekandidaten den leeren Kirchliches Amtsblatt 1940, Art. 15, S. 6: Kelch und die Patene, die sie mit der rechten Hand 4. März 1939, Subdiakonatsweihe (62 Alumnen berühren. Dann reicht ein Erzdiakon Kännchen mit des Priesterseminars, 5 Kleriker des Auslandsse- Wein und Wasser samt Teller und Handtuch zur Be- minars St. Paul zu Münster, 5 Kamillianer) und rührung. Diakonatsweihe (2 Kapuziner) im Hohen Dom.

52 ficat auf der Kapelle [des Priesterseminars] als Jungmannskalender, Karfreitag, 7. April 1939: gemeinsames Dankgebet. Ich bete die neun Beim Bischof im Dom Diakon. Herrlich ge- Psalmen der Nokturn für den Bischof. 40 Dann klappt. – Compassio Christi [Mitleiden mit Terz und Sext. Christus] wars! Tief ergreifend. [... ] In [der] Servatii[Kirche] Dank gesagt. Auch nach seiner Verhaftung am 9. November [... ] 1939 blieb Karl Leisner in seinen Briefen mit dem 18.00 Uhr ist der gute Vater Bischof bei uns Bischof verbunden. Häufig ließ er ihm auch unter seinen „filii dilectissimi [geliebten Söhnen].“ – Benutzung von Decknamen Grüße übermitteln. Das ist so voll Güte und Festigkeit, heiliger Im Umfeld seiner Priesterweihe gab es in ge- Klugheit und Mannhaftigkeit, voll Heiligem wisser Weise einen „Briefwechsel“ zwischen ihm Geist und köstlichem Humor – es läßt sich gar und dem Bischof. Dieser „Schriftverkehr“ befindet nicht besser und feiner sagen. – Gott segne und sich unter den Akten Kardinal von Galens im Bi- erhalte uns noch lange unsern lieben Vater Bi- stumsarchiv Münster. 41 schof Clemens August. Bischof Clemens August wußte auf Grund der auch Ohne zu ahnen, welches Schicksal ihn ereilte, hatte nach Kriegsende noch äußerst schlechten Postver- Karl Leisner nach seiner Subdiakonenweihe nur bindungen nichts von Karl Leisners Tod. Am 23. noch zwei persönliche Begegnungen mit Bischof August 1945 schrieb er ihm aus Fulda: Clemens August. Eine bei seiner Weihe zum Dia- Mein lieber hochwürdiger Herr Leisner! kon am Samstag, dem 25. März 1939, und die letzte Die Anwesenheit des Kardinals Faulhaber hier bei seinem ersten Dienst als Diakon an der Seite gibt mir willkommene Gelegenheit, Ihnen endlich des Bischofs während der Karfreitagsliturgie. einen herzlichen Gruß zu senden, nachdem Sie mit Gottes Hilfe lebend aus Dachau herausge- Letztere erwähnt er in seinem Brief an seinen Bru- kommen sind. Deo gratias [Gott sei Dank] für der Willi und als Notiz in seinem Jungmannskalen- alles! Das soll und muß unsere Gesinnung im der. Rückblick auf die vergangene Zeit mit ihren Lei- Münster (Priesterseminar), den 27.3.1939 den und Gnaden sein. Er wird auch weiterhin Lieber Willi! helfen, und Ihnen die Gesundheit wiederschen- [... ] ken, wenn und sobald es Seinem Willen und Am Karfreitag [7. April 1939] darf ich im Ho- Wohlgefallen entspricht. Ich bete darum und hen Dom dem Bischof bei den großen liturgi- hoffe darauf und auf ein frohes Wiedersehen! schen Feierlichkeiten als Diakon zur Seite sein. Gott segne und beschütze Sie. Da muß ordentlich geübt werden. Ich freue + Clemens August B. v. M. [Bischof von Münster] mich sehr darauf.

40 Karl Leisner meint die neun Psalmen der drei Noktur- 41 Siehe auch: Seeger, Hans-Karl und Latzel, Gabriele nen der Matutin: 1., 2., 3., 4., 5., 8., 14., 20. und 23. (Hgg.) Karl Leisner – Priesterweihe und Primiz im Psalm. KZ Dachau, Münster 2004, S. 52 ff.

53 Nachdem er von Karl Leisners Tod erfahren hatte, Am 9. Februar 1936 hatte Bischof Clemens August schrieb er am 4. September 1945 an Vater Leisner: eine Predigt im Xantener Dom vom Lettner des Münster (Westfalen), den 4. September 1945 Chores aus anläßlich der Weihe des Altares in der Sehr geehrter Herr Leisner! 1935 künstlerisch gestalteten Krypta gehalten. Dort Zum Tode Ihres lieben Sohnes, des hochwürdi- hatte Dr. Walter Bader am 26. Oktober 1933 ein gen Herrn Karl Leisner, möchte ich Ihnen, Ihrer Doppelgrab zweier Männer im Alter von 30 bis 40 Frau und Ihren Kindern meine herzliche Teil- Jahren entdeckt, die zwischen 361 und 363 eines nahme aussprechen, – oder eigentlich meinen Glückwunsch: denn ich glaube sicher, Sie haben gewaltsamen Todes gestorben waren. Der Bischof dem Himmel einen Heiligen geschenkt! So sa- spielte in seiner Predigt auf den Tod des Ministeri- gen alle, die mit ihm in Dachau waren, daß seine aldirektors Dr. Erich Klausener und des Reichsfüh- fromme und frohe Tapferkeit dort in all dem Leid rers der DJK Albert Probst im Zusammenhang mit ihnen Erbauung und Trost und Vorbild gewesen der „Röhm-Affäre“ vom 30. Juni 1934 an, sowie ist. Wie gütig hat Gott ihn geführt, so daß er trotz auf den Tod von Dominikanerpater Titus Horten, seines schweren Leidens die lange Haft aus- der wegen angeblicher Devisenvergehen verhaftet gehalten hat, um schließlich doch noch das er- worden war. sehnte Ziel des Priestertums zu erreichen! Ich Damals konnte der Bischof nicht ahnen, daß in freue mich, daß ich durch Erteilung und Gestat- tung der heiligen Weihen habe beitragen können derselben Krypta 1966 die Gebeine von Karl Leis- zu seinem Glück und seiner Glorie. ner und Heinz Bello, sowie die Asche von Gerhard Mit Gruß und Segen für die ganze Familie Storm beigesetzt würden. In Nischen der Krypta + Clemens August, Bischof von Münster stehen Urnen mit Erde, teilweise mit Asche der Vater Leisner antwortete dem Bischof am 18. Ok- Toten vermischt, aus den Konzentrationslagern tober 1945: Auschwitz, Bergen-Belsen und Dachau. So sind die Kleve, Spyckstraße 27 folgenden Worte seiner damaligen Predigt auch Hochwürdigster Herr! heute noch aktuell: Für Ihre wohltätige Anteilnahme beim Tode un- Es gibt in deutschen Landen frische Gräber, in seres Sohnes Karl danken wir herzlich. Da wir denen die Asche derer ruht, die das katholische dieser Tage vom Pfarrer in Dachau zwei Serien Volk für Martyrer des Glaubens hält, weil ihr Le- Photos zugeschickt bekamen, gestatte ich mir, ben ihnen das Zeugnis treuester Pflichterfüllung Eurer Exzellenz zwei Photos beizufügen. Das für Gott und Vaterland, Volk und Kirche ausstellt, eine Bild ist aufgenommen am Tage [zwei Tage und das Dunkel, das über ihren Tod gebreitet ist, vor] der Priesterweihe in der Kapelle in Dachau, ängstlich gehütet wird. 43 das andere in den letzten Wochen vor seinem Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel Tode im Waldsanatorium Planegg/bei München. Meine Familie dankt für den Bischöflichen Se- gen und erwidert die Grüße herzlich. 43 Siehe: Löffler, Bd. I, S. 339–344, siehe auch: Johan- In aller Hochachtung bin ich Eurer Exzellenz nes Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz – Der Kampf ergebenster W. Leisner 42 des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand, München 1946, II. S. 158 f. Die Predigt befindet sich auch als Maschinen- 42 Bistumsarchiv Münster. abschrift im Nachlaß von Karl Leisner.

54

Zur Abfahrt und Heimreise bereit! 44

Der Kotten in den Bockholter Bergen

44 Von links: 2. Hermann Mies, 4. Karl Leisner, 7. Heinz Ebben, 10. Franz Ebben.

55 Werkstattbericht

Als ich gefragt wurde, wo der Kotten, den Karl (Stieleiche, Buche) ergänzt. Mit Ausnahme der Leisner in seinen Tagebüchern erwähnt, sein könne, heute noch bruchstückhaft erkennbaren Heideflä- dachte ich ein wenig ratlos an die vielen kleinen chen war das Gebiet um 1900 fast vollständig von Bauernhöfe – in der Regel Fachwerkhäuser – , die Wald bedeckt. Das heutige Bild der Bockholter es im Münsterland gab und gibt. Durch weitere Berge ist geprägt von alten Eichen-, Birken- und Angaben in verschiedenen Tagebucheinträgen wie Kiefernmischwäldern. Typische Pflanzen der ehe- „Bockholter Berge“, „Schiffahrt“, „Gimbte“ und mals offenen Sande wurden durch die Beschattung „Greven“ ließ sich zwar das in Frage kommende und Humusanreicherung der Bäume verdrängt. Der Gebiet näher eingrenzen, aber bei meiner Fahrt Bereich ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen. durch die dortigen Bauernschaften und dem Befra- Karl Leisner schreibt, daß der Kotten kurz hin- gen einiger Landwirte dieser Gegend stellten sich ter der Schiffahrt lag. Gemeint war die Kanalüber- doch erhebliche Zweifel über die Möglichkeit des führung, genannt KÜ, über die Ems bei Gelmer/ Auffindens dieses Kottens ein. „Auf die Sprünge“ Fuestrup, an der Grenze zwischen Greven und halfen mir der Heimatverein der Stadt Greven und Münster. einige ältere Fuestruper Bürger. Ergänzt wurden die Durch die rasche Entwicklung der Schwerindu- Informationen durch das Stadtarchiv Greven. strie im Dortmunder Raum wurde neben dem Aus- Ein Kotten ist ein kleines Bauernhaus oder ein bau des Eisenbahnnetzes ab 1892 als leistungsfähi- kleiner Bauernhof, der in der Regel von einem ger Transportweg der Dortmund-Ems-Kanal ge- Kötter bewirtschaftet wurde. Neben dem zugehöri- baut. Streckenweise verhinderten schmale Flußtä- gen Vieh ernährte man sich von überlassenem (ge- ler, den Kanal mit einer Breite von 18 m entlang pachtetem oder eigenem) Grund und Boden. Häufig der Flüsse zu bauen. Damit wurden Kanalüberfüh- mußten die Kötter Arbeitsleistungen und Pacht- rungen, wie das steinerne Brückenbauwerk aus vier zahlungen an den Großbauern (Schulten) entrich- Bögen bei Gelmer, konstruiert nach der antiken ten. Aquäduktbaukunst, erforderlich. Die nach dem „Bockholt“ ist das Buchenholz. Die Bockholter Ersten Weltkrieg ständig zunehmende Tonnage Berge östlich von Gimbte sind einer von zahlrei- machte den Ausbau einer Zweiten Fahrt westlich chen Binnendünenzügen entlang der Ems. Bis etwa der alten Kanalüberführung notwendig. Auf Grund 1850 waren die Bockholter Berge noch ein offenes der Kriegsschäden wurde nach dem Zweiten Welt- Flugsandgebiet, das im Norden durch den Gellen- krieg die Alte Fahrt von der neuen abgeschottet und bach und im Süden durch einen Nebenarm der Ems nur noch für Freizeitzwecke genutzt. Die Kanal- begrenzt wurde. Eine Nutzung als Wald war nur überführung steht unter Denkmalschutz; um sie zu sehr kleinflächig im Schutze angelegter Wallhecken sanieren, wurde sie Mitte der 1990er Jahre trocken- möglich. Durch die Übertragung der Fläche auf gelegt. einzelne Eigentümer kam es zu flächigen Auffor- Gimbte liegt im Süden der Stadt Greven. Die stungen. Die Waldkiefer als Hauptbaumart wurde Ursprünge der heutigen Siedlung reichen in das in den Bockholter Bergen durch Laubgehölze 8./9. Jahrhundert zurück. Archäologen fanden auch

56 Siedlungsspuren aus vorchristlicher, vor allem aber schriebene Gesetz der Treue zum angestammten aus der Sachsenzeit (7. Jahrhundert). Aus zwei Hof zum Inhalt hat, bekannt wurde, liebte die reiz- Hofgruppen (Drubbeln) auf Bodenerhebungen im volle und unberührte Natur der Bockholter Berge Tal zwischen Ems und Aa entstand allmählich das und die idyllische Umgebung mit ihren behäbigen Dorf. Die älteste Namensform Gimbtes als „Gim- Bauernhöfen zwischen Wald, Heide, Wiesen und methe“ deutet sehr wahrscheinlich auf die Bedeu- Äckern und hatte auf dem Hügel ein 7 x 7 m großes tung „Grasland am Rande des Flusses (Ems)“ hin. Fachwerkhaus im münsterländischen Stil errichtet, Eine Fähre über die Ems ist urkundlich zum ersten in dem er sich gerne aufhielt, um ungestört arbeiten Mal 1341 erwähnt. Sie stellte bis 1939 eine wich- zu können. Das Fachwerkhaus bekam den Namen tige Verbindung zur Bauernschaft Bockholt dar. „Kotten“. Diese Fähre erwähnt Karl Leisner am 7. August Das Grundstück wurde 1922/23 von den Ka- 1932: „Mit der alten Äppelkahnfähre überquerten millianern aus Münster-Sudmühle erworben. Der wir die Ems und waren sogleich in Gimbte (sprich: Kotten diente unter anderem als Eremitage, in der Chimpte 45 )“ Bis zur kommunalen Neuordnung die Ordensstudenten ihre Erholungstage verbrach- 1975 war das 850 Einwohner zählende Dorf selb- ten und einzelne Patres sich für einen Tag zum Stu- ständig. dium, zur Erholung oder Ähnlichem zurückzogen. Nördlich von Münster liegt an der Ems die Stadt Als „Eremit“ hat für längere Zeit dort kein Or- Greven mit ca. 35.000 Einwohnern, großflächig densmann gewohnt. Das Gelände wurde nicht stän- durch zahlreiche Bauernschaften. Karl Leisner dig bewirtschaftet. schreibt am 5. August 1932 darüber: „Greven, einst 1934 brannte der Kotten bis auf die Grundmau- das größte Dorf im Münsterland. ‚Die größte Stadt ern ab, vermutlich Brandstiftung durch die Natio- in Engelland ist London an der Themse. Das größte nalsozialisten. Auf Grund der drohenden Enteig- Dorf im Münsterland ist Greven an der Emse’.“ nung durch die Nationalsozialisten wurde das Der Heimatverein Greven verwies mich auf Grundstück 1934 dem Bischof von Münster, Cle- Herrn Heinrich Gerdemann in der Bauernschaft mens August Graf von Galen, grundbuchrechtlich Bockholt. Er ist der Eigentümer des 1 ha großen übertragen. Grundstückes, auf dem damals der Kotten stand, Das unweit entfernt liegende Christophorus- und konnte nähere Angaben machen. Heim, welches die Jungen in dem Herbstlager 1932 Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Landwirt und zu Beginn der Baltrumfahrt am 3. August 1933 Johanning das Grundstück mit einem 50 m hohen besuchten, lag in Fuestrup, in dem Waldgebiet Sandhügel, dem sogenannten Kirchberg, die höch- oberhalb der Häuser Fuestruper Straße 92/100. Die ste Erhebung in den Bockholter Bergen, an den dort noch wohnende Frau Margarete Brüning westfälischen Dichter und Schriftsteller Friedrich konnte sich lebhaft daran erinnern, daß häufig Ju- Castelle veräußert. Friedrich Castelle, der durch gendgruppen zu diesem Heim gebracht wurden. seinen Bauernroman „Heilige Erde“, der das unge- Wieviel Übernachtungsmöglichkeiten es dort gab, weiß sie nicht. Ca. 30 m von dem Heim entfernt 45 Im Münsterländer Platt wird das „g“ häufig wie „ch“ war die zugehörige Kapelle, Frau Brüning hat dort ausgesprochen. öfter sonntags an einer Messe teilgenommen. Ei-

57 gentümer des Jugendheims war der Bischof von Heinrich Gerdemann übereignet. Zu diesem Zeit- Münster. Das Heim und die Kapelle wurden ver- punkt waren die Grundmauern des Kottens noch mutlich ebenfalls 1934 von den „Nationalsoziali- vorhanden. Herr Gerdemann ließ den Berg abtragen sten abgebrannt“. Heute ist das Gelände militäri- und verkaufte den Sand an das dort ansässige Kalk- sches Sicherheitsgebiet. sandsteinwerk. Heute ist an dieser Stelle ein kleiner Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Ka- See am Schiffahrter Damm, im Süden von Greven. millianer bis zur Aufgabe des Kamilluskollegs in Vermutlich hat Walter Vinnenberg, dessen Fa- Sudmühle eine in der Nähe des damaligen Kottens milie in der nahe gelegenen Stadt Telgte wohnte, liegende Baracke, die heute von Wanderfreunden die Nutzung des Kottens vermittelt. Nach seinem aus Greven genutzt wird. Weggang von Kleve, wo er maßgeblich an der 1954/1955 wurde das Grundstück, auf dem der Gruppe St. Werner beteiligt war, kümmerte er sich Kotten stand, im Rahmen eines Tausches gegen noch intensiv um Karl Leisner und seine Gruppe. 5 Morgen Land für den Bockholter Friedhof Herrn Christa Bockholt

58 Der Kotten in den Bockholter Bergen

Die Gruppe St. Werner im Jungkreuzbund war Marienthal, Sonntag, 19. Juni 1932: 1927 in Kleve gegründet worden. Daran hatte Dr. An einer schönen Stelle des Ufers [der Issel] Walter Vinnenberg großen Anteil. Es ist verständ- setzten wir uns nieder und berieten mit Walter lich, daß er den Jungen vom Niederrhein auch seine über die Herbstfahrten. Zunächst wollen wir westfälische Heimat näherbringen wollte. Schon alle zwei Wochen ein Lager halten in den Bock- 1930 ging eine Spielfahrt mit einem Leiterwagen holter Bergen. voller Kasperfiguren bis nach Telgte, wo die Fami- Für uns heute kaum noch vorstellbar ist die Planung lie Vinnenberg damals wohnte. Aufzeichnungen und Organisation einer Maßnahme wie das Herbst- über diese Fahrt haben wir nicht mehr von Karl lager ohne Telefon oder Internet. Was heute in Se- Leisner, wohl von seinem Onkel Ferdinand Falken- kundenschnelle geklärt werden kann und deshalb stein. vielleicht auch erst in letzter Minute geklärt wird, Montag, 1. September 1930 schrieb Karl Leisner in etlichen Briefen an Walter Um 7.00 Uhr Aufstehen, dann gingen wir zum Vinnenberg, die häufig fehlende Bestätigung stärk- Beten in die Gnadenkapelle [in Telgte], danach ten sicher die Eigenverantwortung und sein Selbst- zum Einkaufen und Kaffee trinken. Dann gings vertrauen. nach Westbevern, wo wir eine romanische Kir- Am 22. Juli 1932 berichtet Karl Leisner in ei- che [St. Cornelius und Cyprianus] besichtigten. Dort war ein sehr schöner Kreuzweg. Dann ha- nem Brief an Walter Vinnenberg über den Stand ben wir beim Gemeindevorsteher für Reichs- der Vorbereitungen für dieses Lager, wobei seine mark 0,15 einen Liter Milch getrunken. An einer konkreten Vorstellungen von Unterweisung und Wassermühle vorbei kamen wir zum Kotten. Mit Ausbildung, Verhalten und Zusammenleben der dem Lied „Wir haben Hunger, Hunger“ sind wir Gruppenkinder und die Zielsetzung solcher Maß- dort eingezogen. Es gab dort zum Mittag Kartof- nahmen, wir würden heute von gruppendynami- feln, Wirsing und angebrannten Schinken, um schen Prozessen reden, deutlich werden, was zum 16.00 Uhr machten wir einen Bummel durch die Abschluß des Lagers noch einmal zur Sprache Stadt. Am Bahnhof erkundigten wir uns über die kommt. Da Karl Leisner seit November 1930 Abfahrt der Züge. Nach dem Abendessen haben 46 wir gesungen und unser Abendgebet verrichtet. Gruppenleiter im Katholischen Wandervogel war , Danach gings um 20.00 Uhr ins Stroh [bei Schulze-Hobeling]. 46 Karl Leisner am 19.11.1930 an Walter Vinnenberg: Jetzt ist die Jüngerengruppe wegen der zu großen Während eines Lagers in Marienthal bei Wesel Zahl geteilt worden. Da ich von den allermeisten wurden mit Walter Vinnenberg die nächsten Fahr- als Führer der „2. Abteilung“ vorgeschlagen ten geplant. Dabei kamen die Bockholter Berge mit wurde, mußte ich die schwere Last auf mich neh- men. […] Aber ich möchte Dich auch bitten, mir ihrem Kotten in den Blick. bei dieser schwierigen Aufgaben zu helfen; denn es ist „verteufelt“ schwer, eine Gruppe zu leiten. Ich werde alle meine Kräfte daran setzen, um es wirklich gut zu machen.

59 hatte er inzwischen einige Erfahrungen sammeln Hoffentlich haben wir einigermaßen gutes Wet- können, auch besuchte er in den Weihnachtsferien ter. Geld bringen wir rund 12,00 Reichsmark 1930/31 einen Lehrgang für Gruppenführer 47 . Dar- pro Nase mit, so daß darum keine Sorge ist. über hinaus orientierte er sich an Walter Vinnen- (Der auch aus finanziellen Gründen nicht Mit- berg 48 , dessen Einflußnahme auf die Gestaltung der gehende ist auch erst gerade in die Gruppe ge- Freizeit deutlich wird. kommen.) Wir lassen Dir ein Paket nach Mün- Kleve, den 22.7.1932 ster schicken. Fall nur nicht in Ohnmacht, Lieber Walter! wenn’s ankommt, wir bezahlen’s. Mit dem Kurz möchte ich Dir vor der Fahrt noch schrei- Schlafen am 28.7.[1932] in Loburg [Coesfeld], ben. Was ist und was werden soll. Wir kommen ist das jetzt fest oder schreibst Du noch? – zu – leider kann einer aus finanziellen Gründen [Prinz] Franz-Karl [zu Salm-Salm] fährt ja mit. kaum mit – sechs. Das ist ja etwas wenig, aber Ich freu’ mich drauf. – Nun zur „Schweizfahrt“ wenn wir die vier Jüngeren gut im Zeltlager [14.8. bis 1.9.1932]. – Der „Klosterschüler“ „schulen“, dann ist das besser, als eine ganze [von der Heimschule Maria Laach] wird mitge- Herde, die nicht so viel mitbekommt. Willi kann nommen. Hoffentlich ist es ein feiner Kerl. Wir nicht mitkommen, da er acht Tage nach Süch- denken, am 29.7.[1932] um Mittag in Münster teln muß. Wie versprochen, werde ich einen zu landen. Ob wir dann sogleich zu den Bock- Kreis über Zelten usw. und Kartenlesen und die holter Bergen losgondeln, bestimmst Du nach Freiübungen halten. – Drei sind bis jetzt „lau- Deiner Zeit. Wir bekommen mit Deiner Zeltbahn fen gegangen“. Doch das ist eine Anfangser- sieben Stück zusammen, so daß Raum genug da scheinung, die man immer hat. Wenn wir „7 Fe- ist. – Eine kleine Anfrage: ist vielleicht Tafel sten“, auf die ich mich verlassen kann, im Zelt- und Kreide in dem Landheim? Eventuell könnte lager mal gemerkt haben, was strammes La- man eine Tür als Tafel benutzen. Es ist also gerleben ist und dort ganz fest zusammenwach- alles klar. – Hoffentlich kommt nichts allzu sen, dann hoffe ich, wird es möglich sein, auch Schlimmes dazwischen. – Man kann ja nie wis- auf der Penne etwas „anzustellen“. […] Wir sen, in diesen Zeiten. – Hm, eins noch: Kas- haben mit der Gruppe tüchtig Waldbeeren ge- perle: Könntest Du vielleicht ein – zwei Vor- pflückt und uns so eine Zeltbahn „verdient“. stellungen „arrangieren“? Bis nächsten Frei- tag! Auf Wiedersehn! Dein Karl.

47 In einer Aufstellung seiner Aktivitäten heißt es: Schulungslehrgänge: […] 2) Weihnachtsferien 1930 bis Neujahr 1931 Lehrgang für Gruppen- führer. 48 Am 6.5.1934 schreibt er in sein Tagebuch: Mein lieber Walter, mein ehemaliger Religions- lehrer in Kleve, mein Gruppenführer, dem ich so vieles Gute und Schöne zu verdanken habe, holte mich ab.

60 Auf Fotos, damaliger Qualität entsprechend, ist die Situation um den Kotten herum festgehalten. Das Foto am Beginn des Artikels und folgende geben das Leben der Jungen auf dieser Fahrt wieder.

Unter schattigen Bäumen speisten wir.

Der Bericht über die Fahrt zum Kotten hat im Ta- gebuch eine ausführliche Überschrift, die doppelt rot unterstrichen ist. Das Leben um den Kotten. Die Gruppenfahrt zu den Bockholter Bergen Man errichtet Butterbrotberge. und das Lager im Kotten von Donnerstag, den 28.7. bis Mittwoch, den 10.8.1932 .

Die Ausstattung des Heimes entsprach sicher nicht den Vorstellungen der Jungen. An Stelle von „Krei- de und Tafel“ wurden gleich am ersten Tag Ein- fallsreichtum, Mut und Gelassenheit gefordert. Aber die Wespenplage minderte in keiner Weise die gute Stimmung, wie die Darstellung des ersten Abends im Kotten beweist. Freitag, 29. Juli 1932: Gegen 7.30 Uhr raus! Frühstück! Alles fertig! – Franz-Karl und Alfred [Stecken] kommen später nach. Wir hauen gegen 9.30 Uhr los in Richtung Münster. Vor Gerleve Rast! Dann weiter über Nottuln – Roxel. Es fing saumäßig an zu Die Horde vor’m Kotten. plästern [regnen]. Klatschnaß landen wir bei Walter in Münster an. Wir liegen bei ihm auf

61 der Bude, kochen uns Tee. Nachmittags zur Samstag, 30. Juli 1932: Koburg schwimmen! Das Wasser eiskalt, frisch Die Sonne stand schon am Himmel, da werden gefüllt! Gegen 18.00 Uhr los zum Kotten. – wir müden Krieger endlich wach. Ein paar zum Kurz hinter der „Schiffahrt“ lag er. Wir gingen Bauern Milch und Wasser schleppen! – Gewa- vorher zum Bauern, machten unsre Bestellun- schen wird sich nicht, die Ems ist zu weit weg. 49 gen und dann richteten wir uns im Kotten ein. Den Morgen über richten wir uns häuslich ein Als erstes Abendfutter gab’s Kakaogries. Hm! – und arbeiten für die Küche. – Die Sonne brennt. Hans Heinrichs wurde, als er gerade nach den – Gegen 10.00 Uhr kommt Walter „per consi- „Türmen von Münster“ (Walter) schaute, von lium [mit dem Rad]“ aus Münster zurück. – Um Wespen gestochen! Er vollführte einen echten 13.00 Uhr Mittag. – Gegen 14.30 Uhr geht’s zur Indianertanz und fiel nur so die Leiter runter in Ems baden. Ein paar fahren nach Greven die Küche. Wir „bekriegten“ die Wespen. Wal- einkaufen. Nach dem Schwimmen sorgen wir für ter, Hermann [Mies] und Wolfram zogen sich den Sonntag. Gegen 21.00 Uhr ins Stroh. eine „Wespenschutzrüstung“ an und vernichte- Die Vorbereitung auf den Sonntag und damit des- ten ein Nest in grausamer Schlacht vor Sonnen- sen Hervorhebung als Tag des Herrn und ersten Tag untergang. Als wir nach vollbrachtem Tagewerk der Woche war damals noch selbstverständlich. Die auf dem Boden uns schlafen legen wollten, ent- Jungen räumten auf, putzten, bereiteten das Essen deckten wir – „zu unserm Leidwesen“ – noch’n vor und sorgten für saubere Kleidung, wie es Nest und plazierten uns für diese Nacht in der daheim in der Regel üblich war. Küche. Das war der erste Tag (bzw. Abend) im Sonntag, 31. Juli 1932: Kotten. Nun konnte das freie Leben beginnen! Zwei gingen um 6.00 Uhr zur Messe 50 . Wir an- Wespen, das sein böse Tier, dern sausten im Schweinsgalopp ins 10.00 Uhr- machen einem kein Pläsier! Hochamt nach Gemeln [St. Joseph in Gelmer]. – Es ist Messe mit Predigt. – Der langweilige Wenn die Jugendlichen immer wieder auf Fahrt Rektor [Wilhelm Terrahe] redet gar nicht gingen, hatte das besonders mit diesem „freien schlecht über das Sonntagsevangelium (Stum- Leben“, von dem Karl Leisner spricht, zu tun: Ge- menheilung) [Mk 7,31–37]. staltung des Gruppenlebens ohne die Autorität der Erwachsenen, eigenverantwortliches Handeln, ein eigener Lebensstil hinsichtlich der Lieder, der Klei- dung und besonders des Lageralltags. Es war eine noch recht junge Entwicklung, das Gruppenleben ohne Erwachsene zu gestalten und Jugend durch Jugend zu führen. Erwachsene sollten den Jungen und Mädchen als Freunde zur Seite stehen, nicht als 49 Das sah man wohl nur am ersten Morgen so. An den „Vorgesetzte“. Selbst heute sind diese Gründe für folgenden Tagen war das Bad in der Ems eine will- Jugendliche mit ausschlaggebend, an Ferienfrei- kommene Erfrischung. zeiten teilzunehmen. 50 Vermutlich in Gimbte.

62 Samstag, 6. August 1932: ten das häufige Singen von Fahrten- und Lands- Morgens ein frisches Bad in der Ems. Den knechtsliedern, das Baden und Spielen in und an Vormittag über räumten wir den Kotten auf und der Ems, die damals noch naturbelassen war, mit arbeiteten für Sonntag schon vor. kleinen Sandstränden und den wie auch für den Niederrhein typischen Kopfweiden. Dabei vergaß Im Laufe der Jahre besuchten die Jungen immer Karl Leisner nicht, wie mit Walter Vinnenberg wieder die Eltern von Walter Vinnenberg in Telgte. besprochen, den Jungen Wissen über das Gruppen- Sie wurden dort reichlich und gut bewirtet. Auf den und Lagerleben, wie zum Beispiel das Kartenlesen vielen Fahrten wurde jede Einladung zu einer zu vermitteln. Aber man wollte auch die neue Um- Mahlzeit bei den geringen finanziellen Reserven zu gebung auskundschaften und das Münsterland ken- einem Festschmaus. Sie nannten solche Anlauf- nenlernen. Das spiegeln zum Beispiel die Fahrten in stellen „Tankstellen“. den Teutoburger Wald und nach Münster wider. Sonntag, 31. Juli 1932: Heute gehört das Radwandern zu den touristischen Nachher sorgten wir für den Mittag und das Attraktionen des Münsterlandes. Auf gut ausge- Abendbrot. – Nach dem Mittagessen setzten wir schilderten und überwiegend asphaltierten Wirt- uns auf die Räder und sausten nach Telgte. Bei schaftswegen, abseits der Hauptstraßen, finden die Vinnenbergs stellten wir alles unter. Dann „Pättkestouren“ statt. Bei dem geringen Straßen- ging’s zur Badeanstalt. Dort vertrieben wir uns verkehr wurde damals der direkte Weg gewählt. den Nachmittag mit Tummeln und Spielen zu Weder größere Entfernungen noch Fahrradpannen Wasser und zu Land. – Gegen 17.30 Uhr ging’s hielten die Jungen von den Touren ab. wieder zu Vinnenbergs, wo man uns ein „opu- Montag, 1. August 1932: lentes“ Mahl bereitet hatte („Klätschkäs’ – Wir nahmen in der Ems unser Morgenbad. Die Stippmilch“ mit Kakao und Aufschnittbutter- Sonne schien schon warm. Wir schwammen ein broten). Hm! Nach einem kleinen Donnerwetter Stück die Ems runter. Vier- bis fünfmal hinter- fuhren wir durch die Abenddämmerung zurück einander. So ging’s frisch und hungrig an den zum Kotten. Morgenkaffee. – Nachher versuchte ich meinen Kursus über Kartenlesen zu beginnen. Aber Montag, 8. August 1932: Walter brachte uns aus Münster die Wahler- Gefuttert wurde bei Kaplan Grevener 51 . Ia! gebnisse [der Reichstagswahl vom 31. Juli Oho! 1932] mit. Sie lauteten allgemein besser als vo- Das Lagerleben ist geprägt von einer bunten Mi- riges Mal [14.9.1930]: Nazi 230, Sozi 126, schung aus Unternehmungslust, Spielfreude, Zentrum 75(!), KPD 89(!), DNVP 37. (Der Zwanglosigkeit und Ausgelassenheit. Dazu gehör- „Erfolg“ Papens). Es besteht eine „schwarz- braune“ Mehrheit. Die Schlüsselstellung des

51 Zentrums bleibt. Papen hat eine Schlappe erlit- Vermutlich Joseph Degener, der damals wie Walter ten, ohne Zweifel. – Nach Verschlingung der Vinnenberg in Heilig Kreuz in Münster tätig war. Karl Leisner erwähnt auch dessen Bruder Bernhard Zeitung verschlangen wir das Mittagsmahl. – Degener.

63 Nachher räumten wir die Bude auf. Dann ging’s gen: 1.) Reine Tische mit Papierdecken und rei- mal wieder zur Ems. Abends setzten wir uns zu nen Tellern, 2.) Rührei in „rauhen“ Mengen mit einem Singekreis zusammen und lernten neue zwei Riesenschnitten Bauernbrots, 3.) Ein Glas Lieder. Pumpenheimer oder Kranenburger [Wasser aus Pumpe oder Kran] nach Wahl. – Nach Veran- schlagung dieser Stärkung, stiegen bzw. kro- chen wir dem „hockenden Felsenweib“ aufs Haupt und beschauten in behaglicher Muße die Umgebung. Nach der Bergsteigerei (Vorübung für die Schweiz, meinten wir) ging’s an die Eier. Nach Erledigung des Kartenschreibens und Be- sprechung weiterer Pläne, rollten wir nach Emsdetten, wo Hein Oomen leider nicht mehr war, um dort einen Heimschüler [aus Maria Laach] zu besuchen. Die Heimschüler plus Walter besuchten ihn, während wir uns mit von Walter gestiftetem Kuchen in eine Milchhand- 52 lung begaben, uns dort ins gute Zimmer

Unterwegs zum Baden an der Ems. setzten und uns mit Milch und Kuchen fütterten. – Die andern „krühjten“ los, während ich mit Dienstag, 2. August 1932: Franz-Karl, dessen Rad kaputt war, zurück- Gewöhnlicher Tag mit Schwimmen in der Ems, blieb. Lange, sehr lange dauerte es, bis er mich Schleppen von Wasser und Milch, Arbeit und wiederfand [sie uns wiederfanden]. In rasendem Spaß! Tempo ging’s nun los. Aber nach 3-5 km war Mittwoch, 3. August 1932: die Schraube bei Franz-Karl schon wieder los. Walter kam früh von Münster. – Unser Plan für Mit dünnem Tau (=Bindfaden!) legten wir einen heute war: eine Fahrt zu den Dörenther Klip- „Notverband“ an und kamen so spät im Kotten pen. Nach den üblichen Verzögerungen beim an, um nach einer kleinen Stärkung müde ins Aufbruch, „jöckten“ wir gegen 9.00 Uhr los. Stroh zu kriechen. Über Greven fuhren wir in Richtung Ibbenbüren los. Gegen 11.00 Uhr landeten wir beim „Hockenden Weib“, dem hervorragendsten Block der Dörenther Klippen. Als einige Nach- zügler gelandet waren, berieten wir über das 52 Vermutlich beim Milchverteiler (Milchbauern) Bern- Mittagsmahl. – Walter wurde als Unterhändler hard Kortmöller, Emsbrückenstraße 40. Die Milch- zu den Wirtsleuten geschickt. Für 5,50 Reichs- verteiler hatten einen festen Bezirk, in dem sie Milch mark sollten wir ein opulentes, hungerstillendes verkauften. Darüber hinaus verkauften sie auch in ih- Mahl bekommen, bestehend aus folgenden Gän- ren Wohnhäusern (Rest-) Milch.

64 Donnerstag, 4. August 1932: sichtlich seines Berufswunsches, war während Für heute war ein Besuch Münsters geplant. dieser Zeit seine Teilnahme an der Priesterweihe im Gegen 10.00 Uhr da. Wir fuhren zur neuen Paulus-Dom in Münster. Heilig-Geistkirche und stiegen auf den hohen Sonntag, 7. August 1932: Turm. Feine Aussicht auf Münster. Im Turm Ich wollte einmal eine Priesterweihe sehen. In waren Vereinszimmer (praktisch!). Das 12.00- Münster war um 7.00 Uhr Weihe von rund 50 zu Uhr-Läuten vernahmen wir und sahen wir im Neupriestern. 53 Gegen 4.00–4.30 Uhr wurde ich Turm. Bei jedem Klöppelschlag schien einem wach – es mußte ohne Wecker gehn. – Leise das Trommelfell von neuem zu springen. – Dann stand ich auf, putzte mir meine Schuhe und auf zur Studentenburse! Vornehm, hm! Ein lu- machte mich fertig. Gegen 5.30 Uhr setzte ich xuriöses, fast zu feines Haus für die auslands- mich auf’s Stahlroß und fuhr zu Bernd Degener. deutschen Studenten. Es gab vornehmes „Fut- Der lag noch in der Falle. Gegen 7.15 Uhr wa- ter“: Bohnensuppe mit zween [zwei] niedlich- ren wir im Dom. Die vorbereitenden Zeremo- länglichen Würstchen. Alles für 0,50 Reichs- nien waren schon angefangen. – Der Weihbi- mark. Nach der Speisung zogen wir auf Walters schof [Johannes Scheifes 54 ] las in vollem Bude, von da zur Koburg, der Reichslehrstätte Schmuck [Ornat] die heilige Messe. – Immer der DJK. Nach kurzem Bad in dem frischge- füllten, eiskalten Wasser spielten wir mit 53 Das Kirchliche Amtsblatt Münster Nr. 18 (LXVI) DJKlern Fußball. – Abends ging’s in die Fisch- vom 17.12.1932, Art. 152, verzeichnet 13 Alumnen halle, wo’s das altbekannte, vielgenannte, oft des Priesterseminars, vier Fratres des Kapuzinerklo- erprobte Essen gab. Bei Dunkelheit kamen wir sters in Münster, einen Frater des Camilluskollegs in im Kotten an. Müde stiegen wir auf den Boden Handorf und zwei Fratres des Benediktinerklosters ins Stroh und schliefen sogleich. Gerleve, die die Priesterweihe empfingen. Außerdem Freitag, 5. August 1932: empfing ein Frater aus Gerleve die Diakonenweihe. Ein schöner Sonnentag brach an. Ein frisches, Im Schematismus von 1932 stehen nur 13 Namen herzerquickendes Morgenbad in der Ems. – Ein von zu diesem Datum geweihten Seminarpriestern. „fauler“ Tag. – Mittags fuhr [ich] eben nach Vielleicht waren auch die am 12.3.1932 geweihten Diakone bei der Weihe anwesend. Greven und kaufte dort einen „Waggon“ voll 54 Gegen Ende seines Lebens war Bischof Johannes ein. – Nachher beehrten wir das [Christopho- Poggenburgs Gesundheit sehr angegriffen, so daß er rus]Heim der katholischen Jugendverbände sogar die Weihe seiner Priester seinem Weihbischof Münsters in den Fuestruper Bergen mit unserm übertrug: Besuch. Feiner Betrieb! Wir trieben Ulk im Wenige Wochen nach der Abfassung des Hirten- Wasser (Bernd Degener war mit dabei). Gegen briefes, im März 1931, warf eine schwere Lungen- entzündung den Bischof auf das Krankenlager. 22.00 Uhr in die Falle. Der Patient ließ sich sogleich die hl. Sterbesakra- mente reichen. Seine widerstandsfähige Natur Sicherlich außergewöhnlich und wohl aus dem siegte jedoch über die Krankheit. Im Herbst 1932 Rahmen eines Jugendlagers fallend, aber ein Hin- fesselte ihn ein neues Leiden, eine Beinthrom- bose, ans Bett.“ weis auf Karl Leisners Auseinandersetzung hin- (Bistum Münster Bd. I, S. 296)

65 näher rückte der heilige Augenblick. – Ich sah der alten „Äppelkahnfähre“ überquerten wir Norbert Enste unter den Kandidaten (Weißge- die Ems und waren sogleich in Gimbte (sprich: wandeten! 55 ). Der Bischof [Weihbischof Johan- „Chimpte“!). – Dort krochen wir überall etwas nes Scheifes] legte jedem einzelnen schweigend rum, holten uns Brot und Gebäck und kehrten die Hände auf und flehte die Gnade des Heili- heiteren Sinnes tollend und spielend durch Wald gen Geistes auf jeden herab. Das war unge- und Wiese und Heide zu unserm Kotten zurück. heuer schön. Jeder war danach Priester des Nach einer stärkenden Erfrischung (dicke Milch Herrn. Auch von den andern geistlichen Herren mit Brotschnitten) ging’s ruf auf’n Söller [Spei- bekam jeder die Hände aufgelegt. Ruhig und cher]. fest und voll tiefer, echter Freude gingen sie alle an ihren Platz zurück, nunmehr geweihte, Die Jungen konnten sich immer wieder für das gesalbte Priester Gottes, und lasen mit dem Bi- Kasperlespiel begeistern. Sie beherrschten die schof gemeinsam die Messe zu Ende. Bei der Texte unterschiedlichster Stücke bis hin zum Kommunion trank jeder aus dem Kelch das von „Faust“. Um die Lagerkasse aufzubessern, wurde ihm mitgeweihte Blut des Herrn 56 . Macht und zwei Mal in Münster Kasperle gespielt 57 . Dieses große, schwere Last hat der Priester des Herrn. war wohl von Walter Vinnenberg organisiert wor- – Ich dachte bei mir, schön ist’s, Priester zu den. werden, aber schwer, fast zu schwer, und nur Montag, 8. August 1932: wen Gottes große Gnade dazu beruft, der soll es Raus! Wie gewöhnlich Bad in der Ems. Danach werden. Nach einigen feierlichen Zeremonien Frühstück. Dann Abrücken nach Münster. Dort und einer Predigt des hochwürdigen Bischofs Aufschlagen einer provisorischen Kasperbühne. war die herrliche Gnadenstunde zu Ende. – Ich Von 10.30 bis 12.00 Uhr spielten Manes [Her- wollte mit Alfred Stecken noch nachher Norbert mann Mies] und ich lustige „Schlager“. – Der Enste aufsuchen und ihm Glück wünschen, aber Knall beim „Revolverstück“ löste erschreckten wir gaben es auf, weil wir ihn nicht stören Jubel aus. Die Kinder hatten einen Mordsspaß. wollten, wenn alle seine Verwandten bei ihm Die Bude stürmten sie einem fast ein, wie es ja weilten. Wir zwei machten uns nun auf zu noch immer so war. Steckens, wo es ein Ia-Frühstück gab. Gegen Dienstag, 9. August 1932: 11.00–11.30 Uhr waren wir wieder am Kotten. Morgens waren wir wieder in Münster, „Kas- Nach dem sonntäglichen Mittagsschmaus ruh- perle“ spielen. Die Vorstellung klappte. Die ten wir uns aus und gingen nachmittags etwas Einnahme betrug genau wie gestern – 4,35 auf „Ritt“. An der Ems vorbei zogen wir sin- Reichsmark. Wir schickten ein Paket mit Wä- gend, speerwerfend und lustig nach Gimbte. Mit sche weg nach Hause zum Waschen. Mittag gab’s für uns im Kotten gut und reichlich. Den

55 Mittag über bereiteten wir den Aufbruch nach Sie trugen die Albe mit der schräg angelegten Diako- Hause vor und schwammen noch mal tüchtig in nenstola. 56 Vor der Liturgiereform gab es nur bei der Priester- weihe Konzelebration. 57 Siehe auch: Rundbrief des IKLK Nr. 37.

66 der lieben Ems. – Gegen 21.00–21.30 Uhr lagen Marienthal, Sonntag, 2. Juli 1933: wir alle in unserer feinen Falle und pennten uns Von 10.15 Uhr bis Mittag besprechen wir auf aus vor den „Strapazen“ des folgenden Tages. der Franziskus–Zelle 58 (wo Walter gepennt Mittwoch, 10. August 1932: hatte) die Fahrt im Herbst. Nach Flandern ge- Gegen 9.00-9.30 Uhr waren wir mit allen Ab- ben wir nach einigem Geplänkel auf: Herr Rust reisevorkehrungen fertig. Hermann Mies und (hej sall verruste [er soll verrußen]!) hat einen Alfred Stecken räumten den Kotten noch auf. so schönen Aufruf erlassen. Mit ihnen wollten Willi und ich uns am 14. Au- Walter schlägt eine Fahrt nach Baltrum vor. gust in Köln treffen, um die große Schweizer- Dahin geht’s denn auch! – Die Vorbereitungen fahrt zu viert anzutreten. werden durchgesprochen. Wir „restlichen“ Klever schwangen uns auf un- Und auf italienisch, das er in seiner Freizeit lernte, sere „Vehikula [Fahrräder]“ und trampelten schreibt Karl Leisner: seelenvergnügt durch die heiße Augustsonne Ha! Da Monasterio (Kotteno) avanti à 4. Augu- über die Asphaltstraße nach Dülmen. sto. [Von Münster (Kotten) los am 4. August]

Zum Abschluß des Lagers übt Karl Leisner noch Die konkreten und äußerst umsichtigen Planungen einmal in seinem Tagebuch deutliche Manöverkri- für die Baltrumfahrt teilt Karl Leisner erneut in tik, schließt aber, wie in anderen Situationen auch, einem Brief Walter Vinnenberg mit: außergewöhnlich zuversichtlich und ausgerichtet Kleve, den 18. Juli 1933 auf Gott voller Dank. Lieber Walter! Donnerstag, 11. August 1932: […] Nun zur Großfahrt nach Baltrum. Ich Das Lager im Bockholter Kotten ist gewesen. Es glaube, wir können nur 20 Tage los; denn wir war schlecht vorbereitet, trotzdem hat es den halten doch das Zeltlager [in Marienthal 23.8.- Jungens manches gegeben. – Die Heimschüler 2.9.1933]. Es geht nicht anders; denn die weni- und die Jungens der Gruppe paßten schlecht zu- ger vermögenden Jungens hätten auch gern was sammen. Daher gab’s manchmal Reibereien. von den Ferien. Ich dachte mir da, daß wir Die Jungens waren noch etwas klein und daher schon am 3. August von Münster starten, wenn’s ist bei ihnen Entschuldigung am Platz, während geht. Wir Klever können. Dann fahren wir am 1. ich die Heimschüler – 1. als höhere Schüler und August gegen Mittag hier weg bis Dülmen 2. als ältere Jungens! – um so mehr tadeln muß. [Visbeck] und sind dann am 2. August mittags Aber es schad’ nix! Gott hat doch alles gut ge- in Münster, besichtigen in einer Rundfahrt die staltet! Er war mit uns. Stadt und fahren abends zum Kotten. Andern Im Sommer 1933 erobern die Jungen noch einmal Morgen schlafen wir dann etwas länger, damit den Kotten, dieses Mal als Ausgangspunkt für die die Jungens es aushalten können. Ich denke, große Baltrumfahrt vom 5. bis 19. August 1933. daß von Kleve 5–6 Mann mitgehen. […] Für die Am 2. Juli 1933 wird – wieder in Marienthal – diese Fahrt geplant, da eine Belgientour auf Grund 58 Ludwig Baur hat die Zelle mit dem Fresko des heili- des Rust-Erlasses nicht stattfinden konnte. gen Franziskus ausgemalt.

67 acht Tage auf Baltrum bringen wir etwa fol- mit, um etwa mal die zwei Negerdörfchen auf gende Bücher mit: „Tom Sawyer“ und Baltrum 63 in Aufruhr zu bringen!!! „Huckleberry Finn“ 59 ; – die „Spielmann- Die Fahrtkosten schätze ich für drei Wochen auf bände“: Blumen und Bäume, Tierwelt, Riesen 25,00 Reichsmark. Ich glaube, da kommen wir und Zwerge, Fabelreich 60 ; Scheffels „Ekke- mit aus. – Ein Kontobuch für die Fahrtenkasse hard“! 61 , (werden im Rundbrief angegeben!) besorge ich. [... ] Es wäre sehr gut, wenn wir etwas Schrift- tum über Dünenfauna, Meer, Seemannsberuf, Für den Rundbrief an alle Teilnehmer mit den we- Seegeschichten usw. hätten. Den „Schmeil“ 62 sentlichen Informationen zur Fahrt kamen die Hin- werde ich mitbringen. Zeltbahnen besorgen wir. weise von Walter Vinnenberg wohl zu spät, in Als Liederbücher bringen wir mit drei „Stram- einem weiteren Brief vom 19. Juli schreibt Karl pedemis“, zwei neue „Spielmänner“ einen alten Leisner: und drei/vier „Singende Quell’s“. Vielleicht Kleve, den 19.7.1933 läßt Hermann [Mies] sich dazu bewegen, seine Lieber Walter, Flöte mitzunehmen. Sollen wir eine Fahne mit- erhalte gerade Deine Karte, wofür ich danke. nehmen? Ich glaub, das ist zu lästig auf’m Rad. Leider hatte ich den Rundbrief schon in Druck Wir schleppen Kofferpuppen [Kasperfiguren] gegeben und er war schon fix und fertig. Ich habe ihn verbessert, wo es sein mußte. Also am 5. August geht es endgültig los! Start! – Ich schicke Dir die Rundbriefe mit und hoffe, daß Du damit im großen und ganzen einverstanden bist. Was fehlt, ergänze bitte; denn all unser 59 „Tom Sawyers Abenteuer“ (1876) von Mark Twain Tun ist Stückwerk [vgl. 1 Kor 13,9f]. (1835–1910). Eine gewisse Fortsetzung ist sein Buch Erstaunlich, mit welcher Gelassenheit Karl Leisner „Huckleberry Finns Abenteuer“ (1884). 60 erst kurz vor der Abreise die Finanzierung seiner „Der deutsche Spielmann“, eine Auswahl aus dem Fahrt regelt: Schatz deutscher Dichtung in Vers und Prosa für Ju- Es ist der 1. August. Ich denke allmählich gend und Volk. Herausgegeben von Ernst Weber im Verlag Georg D. W. Callwey in München. Mit Bil- daran, meine Klamotten zu packen und frage dern erster deutscher Künstler. Jeder Band enthält 80- meinen Vater um Geld. Er will mir und kann 90 Seiten und 20-24 zum Teil farbige Bilder. mir nur 21,00 Reichsmark geben. Woher den 1926 lagen 40 Bände vor, unter anderen die Titel: Rest beschaffen? Ich schwinge mich aufs Rad „Blumen und Bäume“, „Tierwelt“, „Riesen und und bin im Nu in Goch bei meinen Tanten [Ma- Zwerge“, „Fabelreich“. ria und Julchen Leisner], wo auch der „dicke 61 Joseph Viktor von Scheffel (1826–1886), Ekkehard, Onkel“ Fritz [Leisner] zu Besuch ist. „Gesamt- Eine Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, Voll- ständige Ausgabe, Berlin W 50, Verlag von Th. Knaur Nachf. Das Buch befindet sich in Karl Leis- 63 Die 6,5 qkm große und 8 km lange Ostfriesische Insel ners Nachlaß. Baltrum besteht aus zwei Dörfern: Westdorf und 62 Lehrbuch der Botanik. Ostdorf.

68 erlös“: 4,50 Reichsmark. Ja, wenn man nicht so Heinz [Ebben] und Fränz zum Bauer, Milch gute Tanten hätte! holen. Gegen 19.30 Uhr Essen fertig (Kakao mit Karl Leisner zeichnet die Baltrumfahrt zusätzlich in Butterbroten). (Der Belgier Jacques Gilbert ist einem Tagebuch auf, das er später Walter Vinnen- noch nicht mitgekommen mit den „Sälmen“ berg schenkt. Nach der ersten Nacht im Kinderheim [Alfred und Franz-Karl zu Salm-Salm].) End- in Visbeck geht es am nächsten Tag weiter zum lich um 21.15 Uhr erscheint er mit Walter. Es Kotten, wo sie sich bestens auskannten und wohl gibt Spaß! Um 21.30 Uhr Falle (Stroh!). – Gut auch sofort heimisch fühlten. Den Tagebucheintra- gepennt (Jacques spricht auch Flämisch!) gungen zufolge sprühten sie vor Unternehmungs- Samstag, 5. August 1933: lust. Um 5.30 Uhr geht’s raus aus unserm warmen Donnerstag, 3. August 1933: Stall. Eine Ehrengarde fährt mit Walter vor 6.30 Uhr Aufstand! – Waschung und Packung! nach Greven, dort die Messe zu feiern. Wir an- – Um 8.30 Uhr nach gutem Frühstück los. – Um dern machen uns nach dem Morgengebet daran, 11.00 Uhr in Münster. Walter nicht zu Hause die Bude aufzuräumen, Tee zu kochen und zu (Kanalstraße 58 I). Wir verfahren uns, zurück! futtern. Um 8.15 Uhr ziehen wir ab. Um 13.30 Uhr nach „Plünderung“ eines Apfel- Beeindruckend der Dank Karl Leisners zum Ab- baumes im Kotten. Als Mittagessen (0,35 schluß der Fahrt: Reichsmark) gab’s Möhren mit Krautbutter- Samstag, 19. August 1933: broten! – (Rarität!) – Um 15.30 Uhr los nach Anderntags landeten wir in unserm Heimatkral Fuestrup. Dort [Christophorus-]Heim! und freuten uns, unsern Eltern von der feinen Schwimmen! Um 17.30 Uhr wieder im Kotten. Fahrt zu erzählen, die wir unserm lieben Walter Ich Eilritt nach Greven einkaufen. Die andern danken! Milchholen beim Bauer und Rissepapp [Milch- Sonntag, 20. August 1933: reis] kochen! – Um 20.45 Uhr Falle (Stroh- Um 15.00 Uhr weiter gegen starken Wind nach säcke) – Mückensummen, Fränz [Ebben] Ma- Marienbaum. Dort Dank an Gott und Mutter- genknurren! Gut gepennt! gottes für die feine Fahrt. Freitag, 4. August 1933: Christa Bockholt Um 6.00 Uhr raus. Teekochen! etc. Um 7.30 Uhr ab nach Münster! [... ] Von dort nach Zurücklassung von zwei Büchern (Land und Leute in Italien 64 / Deutsches Wörter- buch) zum Kotten. Dort Wasserschleppen in Fünferkolonne. Dann Aufräumen der Bude.

64 Sacerdote, Gustavo, Land und Leute in Italien, Langenscheidts Handbücher für Auslandskunde, Ber- lin 31925.

69 WAS MIR KARL LEISNER BEDEUTET

Gedanken zu einer Taufe Hubertus in Krefeld. Viele Kinder kamen, begleitet von ihren Eltern, aber auch viele Gemeindemitglie- Alles war bereit... und doch waren wir am Vor- der, die uns schon bei der Geburt im Gebet verbun- abend der Taufe unserer Tochter Charlotte Elisa- den waren. beth noch auf der Suche – auf der Suche nach ei- Das Wunder an diesem Tag: Obwohl keiner un- nem Fürsprecher, der unsere Tochter auf ihrem sere Entscheidung kannte, überreichte uns die Lei- Lebensweg begleiten sollte. terin des Montessori-Kinderhauses St. Hubertus In Zeiten des Internet fanden wir viele Men- nach der Taufe ein Buchpräsent mit einem Faltblatt schen, die Fürsprecher werden konnten. Charlotte von Karl Leisner... Thouret zum Beispiel, eine Karmeliterin, Karl Krefeld, im Oktober 2004 Franken, ein Trappist aus der Eifel oder Karl der Heike und Andreas Breid Große... die Liste war lang. Auch Karl Leisner stand auf dieser Liste und auf einmal war uns klar, dass unsere Suche ein Eine Taufe in der Kleinkindermesse Ende hatte. Karl Leisner hatte Charlotte Elisabeth schon in der ganzen Zeit der Schwangerschaft, fast Endlich war es so weit, am Sonntag, dem 14. März unbemerkt aller, begleitet: 2004, wurde Charlotte Elisabeth Breid um 10.00 Ich sang damals im Montessori-Chor Krefeld Uhr in der Kleinkindermesse getauft. und im Rahmen eines Chorwochenendes probten Viele, nicht nur die Eltern und Paten, fieberten wir damals im Xantener Dom. Dort besuchte ich in diesem Ereignis entgegen; so hatten die Kinder aus der Krypta das Grab Karl Leisners. Als dann 10 dem Kinderhaus diese Taufe, für die die Eltern das Wochen später Charlotte Elisabeth auf die Welt Symbol des Lichtes gewählt hatten, im Vorfeld kam, betete unsere Gemeinde in der Abendmesse intensiv vorbereitet und brachten eine große Kerze für uns. Schutzpatrone unseres Pfarrheimes sind aus Pappe mit, auf der der Name und Taufname Edith Stein und auch Karl Leisner. Dies alles und eines jeden Kindes geschrieben stand. Der Tauf- auch die Geschichte eines kurzen, bewegten und spruch für den kleinen Täufling war dem Psalm 91 Gott geweihten Lebens haben uns in unserer Ent- entnommen und lautete: „Denn er befiehlt seinen scheidung bestärkt. Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“ Wir haben uns bewusst für Karl Leisner ent- Während der ganzen Messe waren alle Kinder sehr schieden, auch wenn wir mit dieser Entscheidung gesammelt und aufmerksam, so dass man während teilweise Entsetzen auslösten. Ein KZ-Häftling und der eigentlichen Zeremonie eine „Stecknadel“ hätte eine Taufe? Aber wir wollten ein Zeichen setzen, fallen hören können, hier wurde deutlich, dass sie ein Zeichen der Liebe und der Versöhnung. die Besonderheit dieses Ereignisses durchaus er- Es war eine sehr schöne Taufe im Rahmen einer spürt haben. Gott sei Dank war nicht alles perfekt: Kindermesse des Montessori Kinderhauses St. man könnte nun denken, dass vielleicht Charlotte

70 geweint hätte – nein, sie gähnte nur hin und wieder, den Rest hat sie verschlafen; aber die Eltern, sie hatten alles bis ins Detail vorbereitet, aber bei aller Aufregung hatten sie den Namenstag vergessen. Wer es wissen will: Charlotte – abgeleitet von Karl Leisner – kann ihren Namenstag zukünftig am 12. August oder am 19. November auf Elisabeth oder natürlich an beiden Tagen feiern. Barbara Lohberg-Fieseler 65

65 Aus dem Osterbrief St. Hubertus 2004 in Krefeld.

71 STRASSEN UND GEBÄUDE BENANNT ZU EHREN KARL LEISNERS

Wertschätzung und Verehrung für einen Menschen drücken sich auch darin aus, daß Straßen und Gebäude nach ihm benannt werden. So ist es schon früh bei Karl Leisner geschehen und geschieht, wie bereits in den letzten Rundbriefen berichtet, weiterhin:

Karl Leisner-Büste in Rees

Es war ein großes Ereignis für Karl Leisners Ge- Junge Chor der Gemeinde „Time out“ gestaltete burtsstadt Rees, als anläßlich seines 90. Geburtsta- den Gottesdienst mit, die Kommunionkinder tru- ges am Sonntag, dem 13. März 2005 ein Denkmal gen Gebete und Fürbitten vor. neben seiner Taufkirche enthüllt und gesegnet Die Predigt hielt Pfarrer Hans-Karl Seeger, wurde. Präsident des Internationalen Karl-Leisner-Krei- ses. Er stellte die Persönlichkeit Leisners, der am 28. Februar 1915 in Rees geboren war, vor Monika Hartjes in der Rheinischen Post vom 14. und schilderte sein Leben. [ ... ] März 2005: Einige Kommunionkinder enthüllten nach der VVV übergab die Leisner-Büste Messe gemeinsam mit Albring die Bronzeskulp- Es war ein besonderer Tag für Rees. Gestern tur in Form eines Portraits. Eine graue, etwa wurde die Büste zum Gedenken an Karl Leisner 2,20 Meter hohe Natursteinsäule bildet den feierlich enthüllt. „Wir können stolz darauf sein, Hintergrund. In Bronze sind die Lebensdaten dass Karl Leisner, ein Sohn unserer Stadt ist“, Leisners geprägt. Pfarrer Hans-Karl Seeger meinte Rolf Albring, erster Vorsitzender des segnete danach die Gedenkbüste mit geweih- Verkehrs- und Verschönerungsvereins. tem Wasser. „Ich denke, auf der Liste der Na- Albring freute sich, das Bronzekunstwerk – mensvorschläge für die Gemeinde wird auch geschaffen vom Bocholter Künstler Jürgen Ebert Karl Leisner stehen“, meinte Pastor Michael – der Kirchengemeinde St. Mariä Himmelfahrt Wolf in Bezug auf die anstehende Fusion der und den Reeser Bürgern als Geschenk des Ver- Reeser Kirchen, was etliche Gemeindemitglieder eins übergeben zu können. Bürgermeister Dr. durch ihren Beifall unterstützten. Bruno Ketteler lobte die große Resonanz bei der Einsegnung. „Die vielen Anwesenden sind Aus- Kerstin De Giorgio im Stadtanzeiger vom 16. März druck der Achtung und Wertschätzung, die sie 2005: dem Leben Karl Leisners entgegenbringen“, so Vorbild für die Jugend in Europa Ketteler. [ ... ] Büste zum Gedächtnis an Karl Leisner Übergeben wurde die Gedenkbüste auf dem Rees. Am Sonntag wurde nach dem Hochamt Vorplatz der St. Mariä-Himmelfahrt-Kirche. In ei- die lebensgroße Bronze-Büste Karl Leisners nem Hochamt erinnerte Pastor Michael Wolf an durch die Kommunionkinder enthüllt und durch den bedeutenden Menschen Karl Leisner, der in Pfarrer Hans-Karl Seeger eingesegnet. Mussten diesem Jahr 90 Jahre alt geworden wäre. Der die zahlreichen Zuhörer auf dem Kirchplatz bei

72 den Reden der Weltlichen noch Wind und Wet- Für interessierte Bürger fand in Rees am 15. März ter trotzen, erstrahlte beim Gebet die Bronze- 2005 ein Informationsabend statt. Büste plötzlich im Glanz der Frühlingssonne. Mit der Einsegnung, wurde endlich ein Projekt Rheinische Post vom 17. März 2005: verwirklicht, dessen Planung sich bereits über Abitur ohne Krawatte mehrere Jahre erstreckte. Immer wieder hatte REES (heis) „Ich kenne das Leben Karl Leisners Rolf Albring, Vorsitzender des Verkehrs- und besser als mein eigenes“, sagte Hans-Karl See- Verschönerungsvereins, den Wunsch vorge- ger, Präsident des Internationalen Karl-Leis- bracht, Karl Leisner als Sohn der Stadt Rees ner-Kreises. Am Dienstagabend erzählte er im besonders zu ehren, wenn auch zuvor schon ein Karl-Leisner-Heim etwa 30 Anwesenden begei- Pfarrheim und eine Straße nach dem Seligen stert aus dem Leben des Seligen. Mit der neuen benannt wurden. Auch der Kirchenvorstand von Büste an der Kirche bilde sich ein „Niederrheini- St. Mariä Himmelfahrt hatte bereits überlegt, das sches Dreieck“ von Rees-Xanten-Kleve, so Seitenportal der Kirche in eine Karl Leisner-Tür Seeger. „Es gibt in Rees ein Karl-Leisner-Heim zu verwandeln, doch das scheiterte aus Kosten- und eine Karl-Leisner-Straße, doch viele Reeser gründen. Statt einer Darstellung des Seligen in wissen gar nicht über diesen Menschen Be- der Kirche entschied man sich jetzt für die Büste scheid“, bemerkte Mechtild Kitzinger, Vorsit- auf dem Kirchplatz, da, so Pfarrer Hans-Karl zende des Gemeinderats. Das nahm man zum Seeger Karl Leisner nicht nur ein „Mann der Kir- Anlass, die Wurzeln Leisners mit Hilfe von See- che“ sondern auch ein „Mann der Stadt“ gewe- ger zu ergründen. sen sei. Bürgermeister Dr. Bruno Ketteler freute Seeger wusste, wie man ein Publikum mit- sich über die besondere Achtung und Wert- reißt. Die Anwesenden beteiligten sich kriminali- schätzung Karl Leisners, die die zahlreichen stisch an der Erforschung ungeklärter Lebens- Reeser durch die Teilnahme an der Feierstunde abschnitte Leisners und schalteten sich immer zum Ausdruck brächten. [ ... ] wieder in den Vortrag Seegers ein. Das wurde Befestigt ist die Büste an einem 2,20 Meter von ihm auch herzlich begrüßt, denn so konnten hohen Natursteinblock des Bildhauers Christoph Fehler, die bei seiner Recherche teilweise auf- Wilmsen-Wiegmann. Rolf Albring dankte den gekommen sind, behoben werden. Seeger großzügigen Spendern, mit deren Hilfe der VVV schien jeden auch nur kleinsten Lebensabschnitt das Denkmal für diesen besonderen Sohn der Leisners präzise nachvollzogen zu haben. Auf Stadt realisieren konnte. alle Fragen hatte er eine Antwort. Er wusste so- gar, dass Leisner auf dem Abiturfoto keine Kra- watte trug. Seeger hat sich im Laufe der Jahre sämtliche Informationen und Andenken an Leisner be- schafft. So sind selbst die Kasperlpuppen, die Leisner während seiner frühen Schulzeit anfer- tigte „oben in seinem Zimmer“. Die interessante und belebte Erzählweise ließ den Abend schnell umgehen. „Mich freut selbst auch, dass sich Rees seines Sohnes bewusst wird“, erklärt See- ger zufrieden.

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„Junge Europäer“ enthüllen die Karl Leisner-Büste in Rees an Karl Leisners Taufkirche St. Mariä Himmelfahrt

74 Karl-Leisner-Straße in Goch

In seiner Sitzung vom 22. Juni 2003 beschloß der eltern an der Klever Straße in Goch. In seinen Hauptausschuß der Stadt Goch, die Haupterschlie- Tagebuchaufzeichnungen hat Karl Leisner das ßungsstraße in einem neuen Baugebiet im süd- großelterliche Haus und Goch als seine Heimat bezeichnet. Die Aufzeichnungen belegen auch westlichen Bereich von Goch zu Ehren des seligen nach dem Wegzug Karl Leisners aus Goch sei- Karl Leisner nach diesem zu benennen. Am Sonn- nen intensiven Kontakt zu den Gocher Ver- tag, dem 17. April 2005, wurde in einem Gottes- wandten. Bei seinen zahlreichen Besuchen hat dienst das Straßenschild gesegnet und anschließend er mit besonderem Interesse den Neubau der montiert. Die Karl-Leisner-Straße verbindet über Liebfrauenkirche von der Grundsteinlegung an neu anzulegende Kreisverkehre die Hassumer verfolgt. Dr. Kaster freute sich, mit dem Präsi- Straße und die Gaesdoncker Straße. Ihre Neben- denten des IKLK, Spiritual Hans-Karl Seeger, ei- straßen in diesem Baugebiet sind die Franz-Schnei- nen exzellenten Kenner Karl Leisners zu begrü- ßen, der die Festpredigt hielt. „Man könnte mei- der-Straße, die Kardinal-von-Galen-Straße, die nen, Goch habe sich den ‚Guten Hirtensonntag’ Gerd-Horseling-Straße, Am Nuthgraben und die ausgesucht, um eine Straße nach einem guten Viktoriastraße. Bei allen neuen Namensgebungen Hirten zu benennen“, sagte der Präsident und für das geplante Bebauungsgebiet handelt es sich weiter: „Ich spreche gerne vom ‚Niederrheini- um Namen von Personen, die während der national- schen Dreieck’, wenn ich die wichtigsten Orte sozialistischen Diktatur im Widerstand lebten, re- am Niederrhein benennen will, die für Karl Leis- spektive der Verfolgung ausgesetzt waren. ner bedeutsam sind: Rees als Geburtsort, Kleve Werner Stalder in der Rheinischen Post: als Heimatort, Xanten als Ort der Grablege“. Das Vor dem Altar der Pfarrkirche Liebfrauen in Dreieck, so meinte der Zelebrant müsste eigent- Goch lag das Straßenschild „Karl-Leisner- lich zum Viereck um Goch erweitert werden, Straße“. Mit einem Gottesdienst wurde dieses denn beinahe wäre Karl Leisner in Goch gebo- Straßenschild, weiße Schrift auf blauem Grund, ren worden. Zumindest sei Goch für ihn wichtig feierlich gesegnet. Dr. Georg Kaster, der zu- gewesen. Hans-Karl Seeger: „Karl Leisner war gleich Vizepräsident des Internationalen Karl- ganz Niederrheiner und gleichzeitig ganz Euro- Leisner-Kreises ist, begrüßte die Anwesenden päer. Vielleicht kann diese Straße den Bürgern im Namen der Stadt Goch. Er erinnerte daran, von Goch helfen, sich auch als Europäer zu dass Goch durch den verstorbenen Papst Jo- fühlen“. Der Geistliche sprach ein Segensgebet hannes Paul II. nicht nur durch die Heiligspre- und besprengte mit Weihwasser das Straßen- chung Arnold Janssens weltweit immer be- schild. In Anwesenheit von Pfarrer Günter Hoe- kannter werde, sondern dass dieser Papst auch bertz und Bürgermeister Karl-Heinz Otto wurde Karl Leisner, der eine sehr enge Beziehung zu es dann an Ort und Stelle von einem Mitarbeiter Goch hatte, 1996 seliggesprochen habe. Karl der Kommunalbetriebe Goch montiert. Knapp 40 Leisner wurde in Rees geboren. Beide Eltern Grundstücke liegen an der neuen Karl-Leisner- stammten aus Goch. Als sein Vater im Ersten Straße im Gebiet der Pfarrei St. Georg. Sie stellt Weltkrieg zum Wehrdienst einberufen wurde, die Haupterschließungsstraße im Baugebiet zog seine Mutter mit ihm in das Haus der Groß- zwischen der Hassumer- und Gaesdonker Straße dar.

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Anbringung des Straßenschildes an der Karl-Leisner-Straße in Goch

76 Keine Karl Leisner-Gemeinde in Kleve

Bei der Namenwahl für die geplante Fusion der vier rien, 277 auf Sel. Karl Leisner, 207 auf St. Johan- Innenstadtpfarren Christus-König, Herz-Jesu, St. nes, 170 auf Heilig Geist und 97 auf St. Nikolaus. Mariä Empfängnis (Unterstadt), St. Mariä Him- melfahrt (Stiftskirche, Heimatgemeinde Karl Leis- Mit Enttäuschung erfuhr ich vom Ausgang der ners) und St. Lambertus (Donsbrüggen) wurden bei Wahl. War doch mein geheimer Wunsch gewesen, einem ersten Wahlgang Vorschläge der Pfarrange- die neue Pfarrei könnte den Namen „Seliger Karl hörigen für die neu zu bildende Gemeinde gemacht. Leisner“ tragen. Karl Leisner kannte alle fünf Ge- Aus vielen eingegangenen Namen entschied sich meinden. – Schade, diese Chance wurde vertan, ein Gremium – alphabetisch geordnet – für fol- dem Seligen unserer Heimatstadt auch so ein An- gende: Heilig Geist, St. Johannes, Sel. Karl Leisner, denken zu bereiten. Es gilt also auch in Kleve: „Der St. Marien, St. Nikolaus. Am 5./6. März 2005 Prophet gilt nichts im eigenen Land“. wurde aus diesem Fünfervorschlag der zukünftige Name gewählt. Bischof Dr. Reinhard Lettmann hat für die neue Gemeinde den Namen St. Mariä Himmelfahrt vor- Nach Auszählung aller abgegebenen 1175 Stimmen gesehen. fielen bei 1161 gültigen Stimmen 410 auf St. Ma- Monika Peusen

77 Einladungen

Sonntag, 11. Dezember 2005 10.00 Uhr Hochamt im St. Viktordom in Xanten mit Gang zur Krypta und Gebet an den Gräbern der Martyrer. Zelebrant und Prediger ist Kaplan Karsten Weidisch aus Xanten.

Anschließend ist für alle an Karl Leisner Interessierten eine Zusammenkunft im Haus Michael, bei der uns einige Ehefrauen der Schützenbrüder dankenswerter- weise wieder mit Kaffee und Plätzchen bewirten. Daran schließt sich die Mitgliederversammlung des IKLK an. Es ist folgende Tagesordnung vorgesehen:

■ Protokoll der Mitgliederversammlung 2004 ■ Jahres- und Rechenschaftsbericht des Präsidiums, des Schatzmeisters und der Kassenprüfer ■ Entlastung des Präsidiums ■ Wahl der Kassenprüfer ■ Verschiedenes

Es wird zu dieser Mitgliederversammlung keine weitere Einladung ver- schickt.

78 „Der Jakobsweg im Bourbonnais/Frankreich“

Vom 6. bis zum 14. Mai 2006 bietet das Katholi- Zum Abschluß der Pilgerfahrt wird in der Kathe- sche Bildungswerk Stadt Münster erstmalig für eine drale von Clermont-Ferrand in einer Seitenkapelle deutsche Gruppe eine Pilger-/Studienfahrt ins feierlich eine Bronzeplatte zur Erinnerung an den Bourbonnais an. Der Jakobsweg führt als jahrelang seligen Karl Leisner angebracht. vergessene Nebenroute von Vezelay über Souvigny nach Clermont-Ferrand durch dichte Eichenwälder, Sobald alle Unterkünfte festgemacht sind und das Weinberge und Flußtäler. An 5 bis 6 Wandertagen genaue Programm steht, wird ein ausgiebig infor- können zu Fuß gut 100 Kilometer zurückgelegt mativer Flyer erscheinen. werden. Kreuzungspunkte mit dem Bus ermögli- chen eine individuelle Gestaltung des Wanderum- Voranmeldungen und weitere Informationen beim: fangs. Für den historisch bedeutsamen 8. Mai (Fei- Katholischen Bildungswerk Stadt Münster ertag in Frankreich) ist ein gemeinsamer Wandertag Alter Steinweg 50 mit französischen Pilgern und Pilgerinnen vorgese- 48143 Münster hen. 0251/8469200 mailto:[email protected] Voraussichtliche Begleiter sind die Bischöfe Fried- rich Ostermann, Münster und Adrianus van Luyn, Rotterdam.

79 NACHRICHTEN AUS ALLER WELT

Deutschland

Oberstudiendirektor i. R. Klaus Riße ist als Beisit- chung engagierte er sich weiterhin bei den ver- zer im Februar dieses Jahres aus persönlichen schiedensten Projekten. So verdanken wir ihm unter Gründen aus dem erweiterten Präsidium des IKLK anderem die Erweiterung der Wanderausstellung ausgeschieden. Der IKLK verdankt ihm viel. Nach- „Karl Leisner 1915 bis 1945 – Menschentreue- dem er 1980 Direktor des Freiherr-vom-Stein-Gym- Glaubensfreude-Hoffnungszeichen“, die er anläß- nasiums in Kleve geworden war, an dem Karl Leis- lich der Seligsprechung erstellt hat. Wir bleiben ner sein Abitur gemacht hat, kümmerte er sich um ihm zu Dank verpflichtet. dessen Andenken und gestaltete im Dezember 1985 mit den katholischen Religionslehrern in der Schule ******************** eine Ausstellung zu Karl Leisner „Karl Leisner – Ein Leben innerer Freiheit und der Parteinahme für Domkapitular em. Dr. Paul Hellbernd verstarb am Christus“. Freitag, dem 22. April 2005. Nach der Eröffnung Klaus Riße wurde am 6. Oktober 1986 Mitglied des Seligsprechungsprozesses von Karl Leisner im IKLK. Am 7. November 1986 wählte ihn die durch Papst Johannes Paul II. am 15. März 1980 Mitgliederversammlung zum zweiten Vorsitzenden, wurde Herrn Dr. Hellbernd als Vorsitzendem des nachdem Gerhardus Paanakker aus Nijmegen sein Gerichtshofes die umfangreiche Arbeit der Zeugen- Amt zurückgegeben hatte. Bis zum 14. Dezember vernehmung übertragen. Mit großem Interesse und 2003 hat Klaus Riße diese Aufgabe wahrgenom- regem Einsatz erfüllte er diese Aufgabe. Seine zu- men, die mit der neuen Satzung seit Oktober 1994 rückhaltende, feine Art wurde von den Zeugen sehr die Bezeichnung Vizepräsident trägt. Dann wollte begrüßt. er jüngeren Mitgliedern Platz machen. Mit meinem Mann – Wilhelm Haas – , der als An den Vorbereitungen zur Seligsprechung war Geschäftsführer des Internationalen Karl-Leisner- er maßgeblich beteiligt. Auch nach der Seligspre- Kreises lange Jahre tätig war, pflegte er angeneh-

80 me, intensive Zusammenarbeit. Als mein Mann im Am 15. Dezember 1985 feierte er mit dem letzten Jahr seines Wirkens durch Krankheit ge- IKLK und vielen Gläubigen im Dom zu Xanten die zeichnet noch einen Besuch im Generalvikariat Eucharistie im Gedenken an Karl Leisners Prie- machte, verspürten wir besonders seine einfühlsame sterweihe. 1994 kam er nochmals zum Sonntag Mitmenschlichkeit. Gaudete nach Xanten. 1996 wurde er emeritiert. Ich bin überzeugt, daß Herr Dr. Hellbernd durch Der IKLK, deren Mitglied der Bischof war, sein unermüdliches Engagement die Beschleuni- trauert um ihn und gedenkt seiner dankbar. gung des Prozesses mit verursacht hat. Elisabeth Haas Elisabeth Haas ******************** ******************** Bei den Veranstaltungen zum Weltjugendtag in Der französische Bischof Jean Dardel von Clermont Xanten, Münster und Köln gaben wir interessierten wurde am Freitag, dem 5. August 2005, im Alter Jugendlichen ein Blatt in deutscher, englischer, von 85 Jahren von Gott heimgerufen und in der französischer und spanischer Sprache über Karl Kathedrale St. Mariae Himmelfahrt in Clermont- Leisners Leben mit Tagebuchauszügen und das in Ferrand beigesetzt. der liturgischen Nacht vor der Seligsprechung in Er wurde 1974 der zweite Nachfolger von Bi- Berlin von Jugendlichen formulierte Gebet als An- schof Gabriel Piguet, der als Häftling im KZ Da- denken mit auf den Weg. chau vor 60 Jahren Karl Leisner zum Priester ge- weiht hat. Karl Leisner wurde in Rees am 28. Februar 1915 Bei seinem ersten Besuch in Karl Leisners Hei- geboren. Sechs Jahre später zog die Familie matstadt Kleve im Dezember 1985 lernten wir nach Kleve. Nachdem Karl dort 1934 das Abitur Bischof Jean Dardel als liebenswürdigen, freundli- bestanden hatte, begann er in Münster das Theologiestudium. Im gleichen Jahr ernannte ihn chen und bescheidenen Menschen kennen, nachdem der Bischof Clemens August von Galen zum er bereits am 6. Juli 1984 in Dachau bei einem Diözesanjungscharführer. Am 25. März 1939 Gottesdienst Karl Leisners gedacht hatte. empfing er die Diakonatsweihe. Im Reichsar- Die Stadt Kleve bot ihm einen herzlichen Emp- beitsdienst zog er sich eine Lungentuberkulose fang, bei dem der Gast sich ins Goldene Buch ein- zu. So mußte er sich einer Heilkur in St. Blasien trug. bei Freiburg unterziehen. Dort wurde er am 9. Mit viel Interesse sah sich der Bischof im Kle- November 1939 verhaftet und in die Konzentrati- ver Freiherr-vom-Stein-Gymnasium die Ausstel- onslager Sachsenhausen und Dachau eingelie- lung über Karl Leisners Leben „Karl Leisner – Ein fert. Schwerkrank empfing er am 17. Dezember Leben innerer Freiheit und der Parteinahme für 1944 in Dachau die Priesterweihe durch seinen französischen Mithäftling Bischof Gabriel Piguet Christus“ an, die von Oberstudiendirektor Klaus von Clermont. Am Fest des heiligen Stephanus Riße und den katholischen Religionslehrern erstellt feierte er seine erste und zugleich letzte heilige worden war und vom 4. bis 19. Dezember 1985 Messe. Am 4. Mai 1945 befreit, brachte man ihn gezeigt wurde. in das Sanatorium Planegg bei München. Dort

81 starb er am 12. August 1945. Sein Grab befindet Christus! Ohne dich kann ich nichts, mit dir alles. sich im Dom zu Xanten. Papst Johannes Paul II. Christus, meine Leidenschaft. Dir gehöre ich hat ihn in Berlin am 23. Juni 1996 seliggespro- ganz und ungeteilt. chen. Am 8. Oktober 1988 hatte er Karl Leisner und den Franzosen Marcel Callo 42.000 Ju- Gebet, das von Jugendlichen aus dem Bistum Mün- gendlichen aus ganz Europa in Straßburg als ster für die „Liturgische Gebetsnacht“ in Berlin am Vorbilder vor Augen gestellt. 22. Juni 1996 formuliert wurde.

Aus Karl Leisners Tagebüchern: An Karl Leisner Komm zu Christus! Glaube und du kommst; „Christus – Du bist meine Leidenschaft!“ liebe und du wirst gezogen. Dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch Mit Christus kann man leben im Glauben an ihn; Dein Leben. Gerne möchten auch wir Christus das macht glücklich, das erfüllt das Leben. als unsere Leidenschaft entdecken und diese Zur Freiheit hat Christus euch befreit; werdet Entdeckung mit unserem Leben füllen. nicht Knechte des Menschen. Du hast Christus – Deine Leidenschaft – immer Dicker Schlußstrich unter alle Halbheiten und wieder in der Tiefe gesucht und gefunden und Komplexe! Mit Mut und Freude und Demut und aus dieser Begegnung heraus aktiv Dein Umfeld Vertrauen auf die Kraft von oben; einen fröhli- mitgestaltet. chen Geber hat Gott lieb! Du hast Freude und Hoffnung unter der Jugend Kein Weg ist leicht; aber mit Gott sind alle Wege verbreitet. schön. Du hast um Deinen Weg mit Gott gerungen und Diene - und du wirst Meister! bist diesen Weg gegen alle politischen und ge- Liebe - und du wirst groß! sellschaftlichen Zwänge in ganzer Klarheit bis zu Hoffe - und du siegst! Ende gegangen. Glaube - und du bist in Gott! Du hast Deinen Glauben gegen alle Wider- Ich sage Ja zum Leben, trotz allem, in der Kraft stände mutig bekannt und damit anderen Mut des Glaubens. gemacht. Vertraue, bete und sei mutig! Fürchte Gott und Hilf auch uns Jugendlichen und jungen Erwach- sonst niemand! senen Du hast eine große, heilige, einmalige Sendung. bei dem Wagnis, sich nicht so leicht Zwängen Gerade für unsere schlappe, feige, irrende Zeit. und Vorstellungen anderer anzupassen, Werde, der du bist: ganzer Mensch, ganzer bei der Suche nach Hoffnung und Freude, Christ! bei der Suche nach unserem eigenen Weg mit Christus kann sich zum Werkzeug machen, wen Christus er will, auch Schwache und Kleine, ja selbst und bei unserem Handeln in ganzer Verantwort- Sünder und Böse. lichkeit. Gott dienen und sein Reich bauen, dazu hat er Amen. mich berufen.

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Stand des Internationalen Karl-Leisner-Kreises und der Schützenjugend am 13. August 2005 während der Weltjugendtage mit vielen Helfern

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Frankreich

Wie sich im Verlauf des Jahres 2005 zeigte, hat die Lothringen, Moselle und Sarre gesorgt, sondern von Erzbischof Simon initiierte Gedenkfeier anläß- auch bereits im April 2005 einen französischen lich des 60. Jahrestages der Priesterweihe Karl Sonderrundbrief „Spécial Dachau“ herausgegeben. Leisners in gewisser Weise einen „Maßstab“ für die Dem Engagement des Fernsehkorrespondenten Feier weiterer 60. Jahrestage in Deutschland ge- Etienne Jacquemard von der Redaktion „Le Jour du setzt. In Frankreich trug die Öffentlichkeitsarbeit Seigneur - Der Tag des Herrn“ verdanken wir zwei der französischen Journalisten zur wachsenden Be- Reportagen. Die erste, eine Dokumentation über die kanntheit sowohl Karl Leisners als auch Schwester 60-Jahrfeier der Priesterweihe Karl Leisners in Da- Imma Macks bei. Die in ganz Frankreich erschei- chau, wurde im Rahmen der wöchentlichen religiö- nende Tageszeitung „“ widmete dem Ge- sen Sonntagmorgensendungen am 9. Januar 2005 schehen eine gesamte Seite mit einem beachtens- auf „ 2“ ausgestrahlt. Anschließend beschäf- werten Artikel ihres Sonderkorrespondenten Ber- tigte sich Etienne Jacquemard intensiv mit Literatur nard Jouanno. Manuel Rispal, Sonderkorrespondent über Karl Leisner (Christus meine Leidenschaft, der Zeitung „La Montagne“, schrieb beein- Wie Gold im Feuer geläutert, Letztes Tagebuch, druckende Berichte, die in den Regionalzeitungen Bischof Gabriel Piguet, Priesterweihe, Dachaualtar zahlreicher Départements erschienen. Außerdem etc.), da er mit seinem Team eine weitere Sendung erhielten wir mehrseitige Beiträge aus den Bistums- über Karl Leisner bringen wollte. Zahlreiche zeitungen von Clermont, Marseille, Elsaß-Lothrin- Emails und Telefongespräche zwecks Beantwor- gen und Finistère. Die „Famille Chrétienne - tung von Fragen gingen diesbezüglich hin und her. Christliche Familie“ brachte in ihrer ersten Ausgabe Am Fest Christi Himmelfahrt, dem 5. Mai 2005, im des Jahres 2005 einen ausführlichen und reich be- Anschluß an einen Eurovisionsgottesdienst aus bilderten Artikel rund um die Ereignisse. Unsere Rom, zeigte der Sender „France 2“ den gut recher- französischen Sprecher, Familie Rimlinger, haben chierten Film „Karl Leisner, un ange à Dachau - nicht nur für Zeitungsberichte im Bereich Elsaß- Karl Leisner, ein Engel in Dachau“. Merci, Etienne!

84 Das Erzbistum Clermont plant ein weiteres eu- ropäisches Ereignis: Die Wiederbelebung eines Jakobsweges von Vézélay in Burgund nach Cler- mont-Ferrand im Zentralmassiv. Der mit seiner Familie in der Nähe von Clermont-Ferrand lebende stellvertretende Generalsekretär der europäischen Bischofskonferenz (COMECE), unser Mitglied Stephan Lunte, gestaltet für Mai 2006 in Zusam- menarbeit mit Matthias Vollmer-Gilhaus vom Ka- tholischen Bildungswerk Stadt Münster eine Pilger- reise mit Wanderungen und Begegnungen mit Men- schen auf diesem Weg. Voraussichtlich nehmen Bischof Adrianus van Luyn (Rotterdam) und Weih- bischof Ostermann (Münster) teil. Auch Erzbischof Julian Barrio Barrio (Santiago de Compostela) ist angefragt. 66 Familie Rimlinger und ihren Mitarbeitern dan- ken wir für die sozusagen „email-wendenden“ Übersetzungen. So können wir Neues und Aktuel- les direkt in französischer Sprache ins Internet setzen. Gabriele Latzel

66 Näheres siehe S. 79.

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Niederlande

Die Kirchenzeitung des Bistums Rotterdam brachte 1996 durch Papst [Johannes Paul II.] in Berlin in dem Artikel „JAHR DER BEGEGNUNG MIT seliggesprochen. Ebenso wie Edith Stein und GOTT UND DEN MENSCHEN“ einen ausführli- Titus Brandsma ist er noch immer ein leuchten- chen Bericht über Bischof Adrianus van Luyns des Vorbild für jedermann, der unbedingt den Plan, mit Jugendlichen zum Weltjugendtag nach Mut hat, gegen den Strom zu schwimmen in der 67 Nachfolge Christi. Köln mit dem Schiff zu fahren. [... ] Drei Hauptsachen werden das Jahr 2005 in un- A. H. van Luyn, Bischof von Rotterdam serem Bistum bestimmen. [... ] Eine zweite Priorität ist der Weltjugendtag im August in Köln. Dieser ist eine „günstige Zeit“ für die Erfahrung des Lebens: Eine Begegnung mit Jesus und mit seiner Kirche. Während unserer Bootsfahrt nach Köln legen wir in Nijmegen und Xanten an. Dort begegnen wir drei besonderen Glaubenszeugen, die alle in Konzentrationsla- gern der Nationalsozialisten umgekommen sind: Edith Stein, Titus Brandsma und Karl Leisner. Letzterer war ein Jugendführer, der am 17. De- zember 1944 im geheimen im KZ Dachau zum Priester geweiht wurde. Er starb wenige Monate nach Kriegsende an Tuberkulose und wurde

67 Tussenbeide, Informatiekrant van het Bisdom Rotter- dam, Jahrgang 32, Nr. 1, S. 2. Siehe auch: Rundbrief des IKLK Nr. 50, S. 231.

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Spanien

Bereits im August 2004 hatte unser Mitglied Agu- Karl Leisner hat es früh eingeübt, und es lag in stin Dosil, Präsident der Erzbruderschaft des Apo- seiner Veranlagung, das Fremde und das Andere stels Santiago, den IKLK eingeladen, auf der von nicht sofort abzulehnen. Das galt vor allem für März bis Mai 2005 in Santiago de Compostela Menschen anderer Konfessionen und anderer Na- stattfindenden „Weltkonferenz für Frieden, Solida- tionalitäten. Er lernte Fremdsprachen auch über die rität und Entwicklung“ Karl Leisner vorzustellen. Pflichtfächer in der Schule hinaus. Selbst im KZ Dies geschah am Mittwoch, dem 25. Mai 2005, im Dachau wollte er noch Russisch lernen, um sich Palacio de Congreso. Den Vortrag hatte uns zuvor auch mit Menschen dieser Sprache verständigen zu unser Mitglied Padre Angel Fernandez de Aránguiz können. ins Spanische übersetzt: Sein Bemühen ging dahin, die dunklen Seiten in sich, den eigenen Schatten, kennenzulernen und anzunehmen. Er gab sich große Mühe, daß die Menschen um ihn herum unter seinen Schwächen Karl Leisner nicht so sehr zu leiden hatten. Das Bußsakrament ein Mann der Einheit und des Friedens war ihm dabei eine Hilfe. Ihm konnte man nicht den Vorwurf machen, er sehe zwar den Splitter im Wie der heilige Stephanus, so vergibt Karl Leisner Auge des Nächsten, den Balken im eigenen Auge kurz vor seinem Tod seinen Feinden. „Segne auch, aber nicht. (Vgl. Mt 7,3–5) Höchster, meine Feinde!“ lautet der letzte Satz in Wer seinen Schatten auf andere projiziert, muß seinem Tagebuch. Wie kann jemand, der so ihn dort bekämpfen. Er bekommt ein Feindbild und Schlimmes erlitten hat, der ohne die Drangsale des so entstehen Kriege. Wenn ein Feindbild ausgedient Konzentrationslagers nicht so früh gestorben wäre, hat, muß ein anderes her. Lange Zeit versetzte in seinen Schergen vergeben? Deutschland zum Beispiel der Ruf „Die Russen

87 kommen“ die Menschen in Angst und Schrecken. nicht rein äußerlich „gleichschalten“, ohne in- Die Russen haben als Feindbild ausgedient, jetzt nerlich davon überzeugt zu sein, daran zu glau- sind es die Islamisten. ben. An Dr. Brüning glaube ich und glaube ich Schon früh ahnte Karl Leisner, daß Adolf Hitler noch und für immer. An Hitler aber glaube ich den Frieden gefährden würde. Bereits am 2. Mai nicht, weil er mir eben nicht glaubhaft er- 1933 schrieb er in sein Tagebuch: scheint. Ich vertraue nicht auf seine Worte. Er Aber wie soll ich mich zu Hitler und den Nazis macht ihrer eben zuviel. Brüning hat nie so viel stellen? Soll ich mitlaufen, mitschreien, mitzie- geredet, daran aber glaubte ich, weil ich wußte, hen? Nein, das tu ich nicht; es sei denn, daß daß er ein grundsatztreuer, echter Christ und man mich mit Gewalt oder durch Staatsgesetz Katholik war. (Von Hitler glaube ich – letzteres dazu zwingt, aber innerlich folge ich ihnen wenigstens – nicht fest.) Alles ist so unklar, so nicht. Der Drill, die Schnauzerei, die Lieblosig- verschwommen! Man weiß nicht, was ist sein keit gegen die Gegner, ihre fanatische, tamtam- Endziel: Vielleicht die Nationalkirche? – Heute schlagende Nationalitätsbesessenheit kann ich gibt er noch feste Versicherungen in Bezug auf nicht teilen. Ich bin aber trotzdem Deutscher kirchliche Organisationen, morgen löst Herr und liebe mein Vaterland und meine Heimat. Ley die katholischen Arbeitervereine auf und Aber ich bin auch und an erster Stelle Katholik übermorgen(?) kommen wir dran?! So wird es [... ]. Und da kann ich diesen Militärtamtam, kommen. Aber ich will nicht schwätzen, sondern diese freche Art jedem Gegner gegenüber nicht zu Gott beten um Hilfe und Rettung in dem see- leiden. – In der Außenpolitik soll Hitler mal was lischen Zwiespalt. Aber zwingen laß ich mich leisten, da seh ich so gar wenig. nicht, denn ich bin frei!! Im Juni 1933 notierte er in sein Tagebuch: So wundert es nicht, daß Karl Leisner, nachdem Bis ungefähr 22.30 Uhr saß ich mit Hermann Hitler am 1. September 1939 einen Krieg vom Ringsdorff und dem „Langen“ [Wilhelm Hom- Zaum gebrochen hatte, bedauerte, daß dieser beim righausen] auf dem alten Friedhof und habe mit Attentat am 8. November 1939 mit heiler Haut ihnen über die „Gleichschaltung“ und den Na- davongekommen war. „Schade, daß er nicht dabei tionalsozialismus im neuen Deutschland ge- gewesen ist“ sagte er zu einem Mitpatienten in St. sprochen. Sie meinten, Nationalsozialist sei Blasien. Dieser Satz brachte ihn letztlich ins Kon- heute gleich Deutscher; wer kein Nazi sei, habe zentrationslager. in Deutschland nichts verloren. Sie meinten, die Soweit es mit den damaligen Mitteln (Fahrrad politische Einheit müsse dasein, nur eine Partei und Trampen) möglich war, besuchte Karl Leisner (=Volk) dürfe es geben. Alles sehr gut und fein! viele Länder Europas. Etliche auf seinen Reisen Den Deutschen aber, der nicht Nazi ist, muß geknüpfte Kontakte pflegte er bis in die KZ-Zeit man doch als Bruder neben sich allerwenigstens hinein. Im KZ selbst gab es genügend Gelegenhei- dulden, ein Christ sogar ihn lieben! Wie läßt ten, Feindbilder aufzubauen und zu pflegen. Hätten das sich mit dem allverbindenden Geist des sie Gültigkeit bekommen, wäre er nicht zur Prie- Christentums verbinden, wie, frage ich, mit der sterweihe gelangt. Franzosen und Deutsche kämpf- Liebe zum „irrenden Bruder“? – Ich kann mich ten noch gegeneinander, als der französische Bi-

88 schof Gabriel Piguet von Clermont ins KZ ein- willst Du mich? Dahin gehe ich – auch in Nacht geliefert und gebeten wurde, den deutschen Diakon und Not und Leid. Ja, gib mir Befehl! zum Priester zu weihen. Die gemeinsame christli- Das schrieb Karl Leisner, nachdem er bis tief in die che Basis war stärker als der Unterschied zwischen Nacht hinein das Buch „Europa“ von August Win- den verfeindeten Nationen. Die Ardennenoffensive nig 68 gelesen hatte. Auf dem Sterbebett im Waldsa- hatte gerade begonnen, als am 17. Dezember 1944 natorium in Planegg notierte er in sein Tagebuch: der Feind vor dem Feind kniete und der Feind dem „Zwischendurch schaue ich herrliche Bilder aus Feind die Hände auflegte. Über 20 Nationen Euro- Dr. Cormans „Europa“-Buch des Atlantisver- pas waren bei dieser Priesterweihe im KZ zugegen. lages – Zürich. 69 Ich bin auf Fahrt und staune, Damals war das Verhältnis zwischen den Kon- und freue mich. Nur eins: Du armes Europa, zu- fessionen noch bestimmt von dem, was sie unter- rück zu Deinem Herrn Jesus Christus! (Dort ist scheidet. Trotzdem bereiteten die evangelischen Deine Quelle für das Schönste, was Du trägst.) Geistlichen dem Neupriester ein Festmahl, soweit Zurück zu den frischen Quellen an göttlich, das mit den bescheidenen Mitteln möglich war. wahrer Kraft!! Heiland, laß mich ein wenig Dir Karl Leisners Briefe aus dem KZ sind erfüllt dabei Instrumentum sein, o ich flehe Dich an!“ von dem Wunsch nach Frieden und einem Wieder- An dem für die Jugend früher so wichtigen Christ- sehen mit seinen Lieben in Freiheit. Während all königsfest betete der Priester bei der heiligen Messe der Jahre im KZ gab er die Hoffnung auf Frieden in der Präfation: und Freiheit nie auf. Wenn er einst alle Geschöpfe seiner milden Wir können in Karl Leisner einen Visionär eines Herrschaft unterworfen hat, soll er deiner vereinten Europas sehen. Damals gab es laut Aus- unendlichen Majestät ein ewiges, allumfassen- kunft der Gesellschaft für deutsche Sprache den des Reich übergeben: ein Reich der Wahrheit Begriff „Europäer“ noch nicht. Erst als die Länder und des Lebens, ein Reich der Heiligkeit und der Gnade, ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe Europas nach dem Zweiten Weltkrieg näher zu- und des Friedens. sammenrückten, wurde er gebräuchlich. Karl Leis- Daß davon schon auf Erden etwas verwirklicht ner konnte ihn schon vorher für sich beanspruchen. werde, davon träumte Karl Leisner. Mit seinen Schon sehr früh sah er die Notwendigkeit, die Men- Möglichkeiten leistete er dazu in seiner Umgebung schen in Europa wieder zu Christus zu führen. Am seinen Beitrag. So kann er Vorbild sein für Einheit 23. April 1938 lesen wir in seinem Tagebuch: und Frieden in der Welt. Ich bin erschlagen. Ich finde bei ihm, was ich irgendwie alles schon einmal erspürt habe aus dem Geschehen der Zeit: Christus, das Geheim- nis der Kraft Europas. Sicher das größte, tiefste

und unergründlichste. In ihm gründen alle an- 68 deren. Ich bin niedergekniet und habe Gott ge- August Winnig; Europa. Gedanken eines Deutschen; dankt und ihn gebeten, mir den rechten Platz im Witten und Berlin 1937. 69 Martin Hürlimann; Europa: Bilder seiner Landschaft großen Zusammenhang der Dinge zu geben. und Kultur; Zürich 1943; Einleitung von Carl J. Alles ist Gnade und Berufung. Herr, wohin Burckhard.

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Puerta de Europa

90 Am frühen Abend desselben Tages wurde in Anwe- letzten zwei Tage des Kongresses mit Vertretern senheit kirchlicher und staatlicher Honoratioren vor führender Organisationen wie zum Beispiel der dem Kongreßpalast an der Stelle, wo der Jakobs- UNESCO in Paris oder der Menschenrechtskom- weg vom Monte del Gozo - Berg der Freude her in mission der UNO in Genf ins Gespräch über Karl die Stadt Santiago einmündet, die Praza da Concor- Leisner und konnte umfangreiches Informations- dia - der Platz der Eintracht eingeweiht. Der spani- material des IKLK verteilen. Das „mut-machend- sche Künstler Cándido Pazo hat dort die Puerta de ste“ Ergebnis des Kongresses in Bezug auf Karl Europa – einen gewisserweise modernen Portico de Leisner war wohl die Äußerung des jungen polni- la Gloria – gestaltet. Die Pilger können bereits hier schen Studenten Piotr Bielski aus Łodz: „Schade, ihre Hand in die Säule legen, was ihnen ebenso wie daß ich diesen Menschen nicht kennengelernt die Umarmung des Apostels in der Kathedrale habe.“ Piotr wird uns bei unserer Arbeit im IKLK selbst nicht unbedingt mehr gelingt, da beide Stät- unterstützen. Danke, Piotr! ten dort nur noch zeitlich begrenzt zugänglich sind. Auf dem Tor sind berühmte Persönlichkeiten vom 8. bis 20. Jahrhundert dargestellt, die in irgendeiner Weise eine Beziehung zum Jakobsweg haben wie zum Beispiel König Alfons II. von Asturien, Bi- schof Godescalcus von Le Puy, Dante Alighieri, Königin Isabella von Portugal, Josemaria Escrivá und natürlich Papst Johannes Paul II. Die in Bronze gegossene Handfläche, in die die Pilger wie am Portico de la Gloria ihre Hand legen können, ist die des Künstlers Cándido Pazo. Mit dieser Hand emp- fangen die auf dem Tor dargestellten Persönlich- keiten den heutigen Pilger. Als Symbol für den Frieden wurde auch ein Öl- baum gepflanzt. Anschließend enthüllten der Frie- densaktivist Arun Gandhi und Agustin Dosil eine in den Boden eingelassene Erinnerungstafel an den Weltfriedenskongreß. Der Abend schloß mit dem Vortrag „Gewaltlo- sigkeit und Frieden im neuen Jahrhundert“ von Arun Gandhi. Am Eingang zu dieser Veranstaltung verteilten Hostessen unseren viersprachigen Text über Karl Leisner an die Zuhörer. 70 Außer mit Arun Gandhi und vielen anderen kam ich während der

Gabriele Latzel, Arun Gandhi, Julian Barrio Barrio, 70 Siehe: S. 81 f. Agustin Dosil und zwei Studentinnen

91 Ein ganz besonderer Dank gilt unserer Sprecherin Paula Achermann, die mir während des Kongresses nicht nur „Kost und Logis“ in ihrem Haus bot, sondern dem IKLK bei der Planung und Durchfüh- rung des gesamten Unternehmens, angefangen mit einem Treffen bei Präsident Hans-Karl Seeger wäh- rend ihres Besuches in Deutschland im März bis zur Buchung günstiger Flüge und vielem mehr hilfreich zu Seite stand. Als Belohnung und Dank für das gelungene Ereignis gingen wir am Samstag, dem 28. Mai auf den Pilgerweg. Wir liefen die letzten 20 Kilometer der Via de la Plata – Silberroute von Puente Ulla nach Santiago. Ein wunderschönes Wegstück. Bis nach Santiago hinein führt der Weg fast nur über Waldwege und kleine Straßen. Möge die Ursprünglichkeit dieses Weges noch lange be- wahrt bleiben! Ultreia! Gabriele Latzel

92 Besuch in Hospital de Orbigo mit einer Pilgergruppe

Santiago-Pilger aus verschiedenen Teilen der Erz- Leisner“ in Hospital de Orbigo einen tiefen Ein- diözese Freiburg haben sich von Lenzkirch im druck hinterlassen und mancher, der bisher mit dem Schwarzwald aus auf den Weg gemacht, 30 Perso- Seligen nicht vertraut war, hat einen ersten Zugang nen per Bus mit kleineren Strecken zu Fuß. Als zu ihm gefunden. Reiseleiter und Routenplaner war es mir ein Anlie- Elmar Theodor Körner gen, auf dem Weg auch das Refugio in Hospital de Orbigo anzusteuern, das vom Christophorus-Ju- gendwerk in Breisach-Oberrimsingen, das in unse- rer Diözese liegt, hergerichtet wurde. Daß unsere Reise in den Juni 2005 fiel und damit kurz vor den 60. Todestag von Karl Leisner, war ein weiterer Grund, das Refugio zu besuchen. Wir verließen den Bus auf der Nationalstrasse N 120 hinter San Mar- tin de Camino und wanderten über die eindrucks- volle, riesige Brücke über den Orbigo, um dann das Refugio der Pfarrgemeinde von Hospital de Orbigo aufzusuchen. Die Buspilger waren sehr erfreut, einmal ein Refugio auch von innen sehen zu dürfen und waren ganz begeistert von den Räumlichkeiten und dem herrlichen Innenhof und dem Aufenthalts- bereich im Freien. Auf dem Weg hatten wir bereits einiges aus dem Leben und vom Sterben Karl Leis- ners mitgeteilt und so war die Freude groß, als wir nicht nur einen Blick auf die Statue des heiligen Ja- kobus werfen konnten, sondern auch das Oratorium Karl Leisner betreten konnten, das uns bereitwillig und freundlich geöffnet wurde. Dazu die Bilder und Informationen über Karl Leisner im Eingangsbe- reich. Weil das Oratorium für die ganze Gruppe zu klein war, hielten wir im Anschluß an den persönli- chen Besuch dort eine gemeinsame Statio beim Kreuz im Garten. Wenn auch die erhoffte gemein- same Meßfeier zu Ehren Karl Leisners an diesem Pilgertag aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich war, so hat doch der Besuch „bei Karl Kreuz im Garten des Refugio Karl Leisner

93 VERÖFFENTLICHUNGEN ÜBER KARL LEISNER

Zwischen Auschwitz und Dachau – über Edith Stein und Karl Leisner

Am 27. Januar 2005 jährte sich zum 60. Mal der leve, gleichsam als Ouvertüre, in der sich beide Tag der Befreiung des Konzentrationslagers vorgestellt haben (wobei es völlig unerheblich war, Auschwitz durch die Rote Armee. Im Zusammen- daß die Begegnung in Wirklichkeit nie stattgefun- hang mit diesem Gedenktag wurde in Haus Aspel in den hat). Diese Vorstellung leitete schnell über in Rees am 22. Januar eine Text- und Musikinszenie- ihre Lebens- und Leidensgeschichte, die im Marty- rung angeboten mit dem Thema „Zwischen Ausch- rium enden sollte. Der gemeinsame Pfingstgottes- witz und Dachau – über Edith Stein und Karl Leis- dienst könnte verstanden werden als Sendung durch ner“. Ausführende waren Frau Silvia Steinberg und den Heiligen Geist zum Zeugnis für Christus in eine Herr Gregor Bohnensack. Die Darstellung vom Welt der Gottlosigkeit. Dieses Thema wurde an Leben und Sterben Edith Steins und Karl Leisners späterer Stelle deutlich, als Gregor Bohnensack auf war eher Medium zur Meditation als ein nüchternes einer Trompete die abgewandelte Melodie des Veni Aufzählen von Fakten. So kann dieser Bericht creator spiritus (Komm Schöpfer Geist) spielte, als nichts anderes sein als subjektiv Empfundenes, in es um das Holocaustum des Martyriums ging. Das dem sich die Botschaft des Dargebotenen auszu- Wort Holocaust = Ganzopfer tauchte auf bei der drücken sucht. Jüdin Edith Stein, sicherlich im gängigen Zusam- Um 19.00 Uhr versammelte sich eine Zuhörer- menhang mit der Judenvernichtung, durch ihre schaft von etwa 30 Personen in der stimmungsvol- Hingabe als Schwester Theresia Benedicta vom len Klosterkirche des Hauses, die in Halbdunkel Kreuz an den gekreuzigten Herrn jedoch auch ak- getaucht den Blick in den erleuchteten Chorraum zentuiert christlich. Das Veni creator spiritus wurde lenkte, der geprägt wurde durch die eher nüchtern seinerzeit durch die Mitschwestern gesungen wäh- wirkende Apsis mit Altar und Kreuz im Mittelpunkt rend des ersten Aktes der Hingabe an Christus bei und links davon durch die in helles Licht getauchte der Einkleidung als Karmeliterin. Das Wort Holo- Krippe. caust taucht auch bei Karl Leisner auf, der in sei- Die Inszenierung begann mit der Einspielung nem Tagebuch den Herrn bittet, Holocaustum sein von zwei gregorianischen Hymnen. Schon hier zu dürfen. schien es, daß die Zuhörerschaft zu einer Gemeinde Die Herkunft von Edith Stein und Karl Leisner wurde. Dann traten die beiden Künstler auf, in war grundverschieden. Edith Stein, aufgewachsen Schwarz gekleidet, jeder vor einem Ambo rechts in einer jüdischen Breslauer Familie, machte bei bzw. links im Altarraum stehend. Zunächst wurde Husserl und Wust eine glänzende philosophisch- ein Dialog vorgetragen zwischen Edith Stein und wissenschaftliche Karriere. Diese Karriere wurde Karl Leisner nach einem Pfingsthochamt in Ger- durch die antijüdischen Gesetze des Dritten Reiches

94 jäh beendet. Äußere und innere Fügung spielten schnäuzigen Vorgehen der SS, welches Gregor ineinander. Ein gottloses System blockiert eine Bohnensack brutal eindrucksvoll zu verdeutlichen wissenschaftliche Laufbahn, die Führung durch den wußte. Heiligen Geist läßt sie eintauchen in die Wissen- Beide, Silvia Steinberg und Gregor Bohnensack, schaft von Jesus Christus. Wem käme hier nicht der stellten in ihren Worten beklemmend dar, was es Anfang des 1. Korintherbriefes in den Sinn, in dem heißt, anscheinend von Gott verlassen, trostlos und Paulus als die Wissenschaft schlechthin diejenige grausam erniedrigt, den Tod vor Augen zu sehen. des Herrn stellt, die Weisheit des Kreuzes: Ärgernis Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlas- und Torheit für die Welt, aber stärker als alle Welt. sen? Diese Situation durchwaltete die ganze Kirche, Das war das Zeugnis der Edith Stein, die sich dann in der die Gemeinde spürbar ergriffen verharrte. Benedicta vom Kreuz, die Gesegnete vom Kreuz Wo bleibt Gott? Warum läßt er all das Schlimme, nennen durfte. In diesem Zeugnis ist sie in die Gas- das Böse zu? – Christus ist gegenwärtig als der kammer von Auschwitz gegangen, trotz allem ge- Mitleidende, in seiner Passion. Er geht mit uns, borgen in Gottes Gegenwart. Das Lied „Guten aber noch verborgen. Aber wir werden ihn einmal Abend, gute Nacht“, gesungen von Silvia Stein- sehen, wie er ist, wenn er offenbar wird. Und zu- berg, hat in diesem Zusammenhang tief beein- weilen bricht ein Strahl seiner Herrlichkeit hinein in druckt: ein Sieg in der Hölle, ein Sieg über die unsere düstere Welt, so wie es geschehen ist bei der Hölle. Priesterweihe von Karl Leisner am Gaudete-Tag. Auch das Lebensende Karl Leisners war ein Gaudete ist der Tag der Freude in der Vorahnung Sieg über die Mächte der Finsternis. Ganz anders auf das kommende Fest. Neben dem Kreuz stand geprägt als Edith Stein kam er aus einem tiefgläu- die hellerleuchtete Krippe, Zeichen hoffnungsvol- bigen katholischen Elternhaus in Kleve, und er len Aufbruchs in eine erlöste Welt, dem Aufbruch, setzte seine Energie schon früh ein für das Reich dem sich Karl mit allen Fasern seines Herzens ver- Gottes als Jugendführer. Seine innige Christusver- schrieben hatte. Zwischen Krippe und Kreuz zuckt bundenheit, die wir aus seinen Tagebüchern ken- die kommende Herrlichkeit einmal auf im Lichte nen, die ihn nichts tun ließ ohne ihn, drückte sich des Berges Tabor. Gaudete war für Karl ein Ta- dann aus in dem bekannten Zitat: Christus, Du bist bor-Erlebnis. Wer einmal das Licht des Tabor gese- meine Leidenschaft. Sein Weg zum Priestertum hen hat, der ist gestärkt für den letzten Weg. Das bedeutete Loslassen: Loslassen von der Liebe zu Aushauchen des Lebens mit dem Gebet für die einem Mädchen, Loslassen von Freiheit und Fami- Jugend in einem christlichen Europa und mit der lie, Loslassen aber nicht von der Hoffnung auf das Bitte um Vergebung für den Feind stellte Gregor Priestertum. Bei allem Loslassen-Müssen war einer Bohnensack überzeugend dar durch die leise vereb- da, der ihn auffing: Christus. Und so konnte auch benden Luftströme aus seiner Trompete. hier das Wunder geschehen wie bei Edith Stein. In „Jesu, Du bist meine Freude.“ Dieser Choral der gottlosen Vernichtungsmaschinerie strahlte der von Johann Sebastian Bach ließ die Darbietung Victor in vinculis, der Sieger in Fesseln auf. Er ausklingen. wurde inmitten eines teuflischen Umfeldes zum Gerhard van Ackeren Priester des Herrn geweiht, unbemerkt vom kalt-

95 Karl Leisner als Glaubenszeuge im Musical „Pelikan“ auf dem Weltjugendtag

Der Papst hat ihn ein „Vorbild für die Jugend Euro- wegen ihres Glaubens ihr Leben lassen mußten. pas“ genannt, den seligen Karl Leisner, der am 28. Weitere Informationen zu dem Musical erhält man Februar 90 Jahre geworden wäre. Als ein Freund unter www.PelikanPerformance.com oder bei „Kir- der Jugend war er auch auf dem Weltjugendtag in che in Not“ unter 0 89 / 7 60 70 55. Das Musical Köln präsent und zwar in dem vom internationalen Pelikan kann über „Kirche in Not“ ab sofort auch katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ initiierten für andere Veranstaltungen gebucht werden. Musical „Pelikan“. In diesem Musical wird das Informationen dazu über: Leben von zwölf Märtyrern des 20. Jahrhunderts Kirche in Not/Ostpriesterhilfe Deutschland e.V. nachgezeichnet. Karl Leisner ist einer von ihnen, Telefon: 0 89 / 74 37 17 09 teilte Kirche in Not mit. Telefax: 0 89 / 7 69 62 62 Der Pelikan, der sich nach einer Legende die E-Mail: [email protected] Brust aufreißt, um seine Küken mit seinem Blut vor Internet: www.kirche-in-not.de dem Tod zu bewahren, steht in der christlichen Symbolik für Jesus, der sich selbst als Opfer für das Das Musical in Goch Leben der Menschen hingegeben hat. Mit beein- Im Rahmen der „Arnold Janssen Tage 2005“, die druckender Choreographie und Musik sowie mit vom 4. bis 6. November 2005 in Goch abgehalten historischem Bild- und Filmmaterial vermitteln werden, wird das Musical „Pelikan“ am Samstag, nach Angaben von „Kirche in Not“ dreißig junge dem 5. November 2005 um 20.00 Uhr im Hotel am Künstler ein plastisches und wahrheitsgetreues Bild Kastell, Kastellstraße 6–8, in Goch aufgeführt. von zwölf ganz unterschiedlichen Menschen, die

96 Biographie über Karl Leisner

Eine TOPOS PLUS Biographie Band 563, ca. 160 Seiten ca. € (D) 8.90; € (A) 9.20; sfr 16.50 Topos-plus ISBN 3-7867-8563-5 Originalausgabe Verlag Butzon & Bercker Erscheint Januar 2006

Karl Leisners Lebenszeit (1915–1945) umfaßt die Zeit der beiden Weltkriege. Trotz dieser Konflikte beschäftigte er sich bereits mit der Idee eines geeinten Europas. Im KZ Dachau zum Priester geweiht, wird sein Wunsch 1945 auf dem Sterbebett zum Gebet: „Du armes Europa, zurück zu deinem Herrn Jesus Christus!“ Karl Leisner ist in seinem Denken zu europäischer Weite herangereift.

Autor: Geboren 1936; Studium der Theologie, 1964 Priesterweihe; viele Jahre Spiritual im Theologenkonvikt des Bistums Münster; seit 1993 Präsident des Internationalen Karl-Leisner-Kreises.

97 Glossar

Albe durch die Ardennen brechen und nach Überquerung Eine Albe ist ein weißes (albus lateinisch weiß) Ge- der Maas Brüssel und Antwerpen einnehmen, wo wand, das bei liturgischen Feiern getragen wird. der alliierte Nachschub abgewickelt wurde. Durch Trennung der britischen und amerikanischen Trup- Antimodernisteneid pen sollten die Westmächte friedensbereit gemacht Der Antimodernisteneid zur Zulassung zu den Wei- werden, um anschließend die Kapazitäten gegen die hen ist von Pius X. 1910 für den gesamten Klerus Rote Armee im Osten einsetzen zu können. vorgeschrieben worden. Er begann: Ich, N.N., umfasse fest und nehme samt und Arntzen, Fritz sonders an, was vom irrtumslosen Lehramt der Friedrich (Fritz) Arntzen, geboren am 1.3.1914 in Kirche definiert, behauptet und erklärt wurde, Dortmund, Priesterweihe am 17.12.1938 in Mün- vor allem diejenigen Lehrkapitel, die den ster. Er war 1939 Kaplan in Bottrop St. Johannes. Irrtümern dieser Zeit unmittelbar widerstreiten. Dann wurden die einzelnen Punkte aufgezählt. Die Auboiroux, Germain Formel schloß: Der französische Kommunist und Gewerkschaftler Ich gelobe, daß ich dies alles treu, unversehrt Germain Auboiroux (1896–1947) stammte aus dem und aufrichtig beachten und unverletzt Département Corrèze, war Eisenbahner und in der bewahren werde, indem ich bei keiner französischen Widerstandsbewegung aktiv. Von der Gelegenheit, weder in der Lehre noch in Vichy-Regierung verurteilt, wurde er im Oktober irgendeiner mündlichen oder schriftlichen Form, 1943 aus dem Gefängnis von Eysses (Lot-et- davon abweiche. So gelobe ich, so schwöre ich, Garonne) in das Lager von Compiègne (Oise) und so wahr mit Gott helfe und diese heiligen von dort im Juni 1944 ins KZ Dachau gebracht. Er Evangelien Gottes. war eine anerkannte Persönlichkeit unter den fran- zösischen Häftlingen. 1947 starb er an den Folgen Ardennenoffensive vom 16. bis 27. Dezember seiner Haft. 1944 Aufgrund des unaufhaltsamen alliierten Vormar- Averkamp, Ludwig sches in Frankreich erarbeitete die deutsche Füh- Dr. theol. Ludwig Averkamp, geboren am 16.2. rung im Spätsommer 1944 Pläne für eine Gegenof- 1927 in Velen, Priesterweihe am 10.10.1954 in fensive im Westen. Wie beim Vorstoß durch die Rom, Bischofsweihe 1973 in Münster (Titularbi- Ardennen im Mai 1940 sollte der Angriffsschwer- schof von Tapso und Weihbischof in Münster), punkt erneut durch das dicht bewaldete Gebiet 1985 Bischofs-Koadjutor in Osnabrück, 1987 Bi- führen, in dem sich nur relativ schwache amerikani- schof von Osnabrück, von 1994 bis 2002 Erzbi- sche Truppenkontingente befanden. In einer letzten schof von Hamburg. Er lebt als Emeritus in Ham- Kraftanstrengung unter Ausnutzung sämtlicher Re- burg. serven wollte Adolf Hitler mit einem Stoßkeil

98 Bader, Walter durch Entfernung der Zwischenwände zu einer Professor Dr. Walter Bader, geboren am 15.9.1901 Kapelle von 20 x 8,75 x 3 Meter Größe. in Rottenburg am Neckar, gestorben am 9.3.1986. Er machte sich besonders verdient um den Wieder- Brandl, Juvenalis aufbau des Xantener Domes. Siehe: Schwester Juvenalis Brandl.

Baur, Ludwig Brandprozession in Münster Der Künstler Ludwig Baur, geboren am 26.8.1904 Am Montag vor dem 13. Juli wird in jedem Jahr in in Freising, gestorben am 8.9.1977 in Telgte, kam Münster die sogenannte Große Prozession abgehal- 1928 nach Münster und zog 1936 nach Telgte. 1974 ten. Sie geht nach schweren Brand- und Pestkata- erhielt er die Paulusplakette, eine kirchliche Aus- strophen auf ein Gelübde von Domkapitel und zeichnung des Bistums Münster. Stadtrat im Jahre 1383 zurück.

Bello, Heinz Brandsma Medizinstudent Heinz Bello, geboren am 5.9.1920 Siehe: Pater Titus Brandsma OCarm. in Breslau, hingerichtet am 29.6.1944 in Berlin- Tegel. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 37. Brüning, Heinrich Dr. rer. pol. Heinrich Brüning, geboren am 26.11. Bernard, Jean 1885 in Münster, gestorben am 30.3.1970 in Monsignore Jean Bernard, geboren am 13.8.1907 in Norwich/USA; sein Grab befindet sich auf dem Luxemburg, Priesterweihe am 30.7.1933, gestorben Zentralfriedhof in Münster. Er stammte aus einer am 1.9.1994 in Luxemburg. Er kam am 19.5.1941 Kaufmannsfamilie und studierte Geschichte, Philo- ins KZ Dachau und wurde am 5.8.1942 entlassen. sophie sowie Rechts- und Wirtschaftswissenschaf- ten. Nach dem Ersten Weltkrieg war er von 1920 Bernardin Goebel bis 1930 zunächst Geschäftsführer des katholischen Pater Dr. theol. Bernardin (Franz) Goebel Deutschen Gewerkschaftsbundes; ab Mai 1924 OFMCap, geboren am 1.10.1881, Priesterweihe gehörte er der Reichstagsfraktion des Zentrums an, 1906, gestorben am 3.12.1973. Er war von 1930 bis deren Vorsitzender er im Dezember 1929 wurde. 1956 Spiritual im Collegium Borromaeum in Mün- Vom 30.3.1930 bis zum 30.5.1932 war er Reichs- ster. kanzler und Außenminister. Er lehnte Forderungen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847– Block 26 im KZ Dachau 1934), die auf die Einführung einer Diktatur hi- Nach langen Verhandlungen zwischen Berlin und nausliefen, ab. Oft hielt er sich in Marienthal bei dem Vatikan erlaubte die Lagerleitung am 15.1. Wesel auf; von dort aus floh er 1934 in die Nieder- 1941, im KZ Dachau eine Lagerkapelle einzurich- lande und emigrierte in die USA. Ab 1937 war er ten. Die Priesterhäftlinge gestalteten im Block 26 Professor für Wirtschaftswissenschaften an der zwei Stuben mit den dazugehörigen Schlafräumen Harvard-Universität, von 1950 bis 1955 an der Uni- versität Köln.

99 Caccia, Camillo 1853 zur „Erziehung der Kleriker“ gegründet. 2003 Camillo Kardinal Caccia Dominioni, geboren am zog auch das Priesterseminar in dieses Haus. 2005 7.2.1877 in Mailand, Priesterweihe am 23.9.1899. haben das Collegium Borromaeum und das Prie- 1934 war er Apostolischer Protonotar und „Maestro sterseminar fusioniert. di Camera di Sua Santità (Kammermeister seiner Heiligkeit)“ sowie Präsident der „Heraldischen COMECE – Com.E.C.E. – COMMISSIO EPIS- Kommission des Päpstlichen Hofes“. 1935 nahm er COPATUUM COMMUNITATIS EUROPEN- außerdem die Aufgaben des „Maggiordomo di Sua SIS – Commission des Episcopats de la Commu- Santità (obersten Leibwächters seiner Heiligkeit)“ nauté Européenne – Kommission der wahr. Am 16.12.1935 wurde er Kardinal. Außer- Bischofkonferenzen der Europäischen dem war er Mitglied wichtiger vatikanischer Kon- Gemeinschaft. gregationen. Die COMECE setzt sich aus den delegierten Bischöfen der Bischofskonferenzen der Europäi- cappa magna schen Union zusammen. Ihr ständiges Sekretariat Ein vorne teilweise aufgeschlitzter langer Mantel hat seinen Sitz in Brüssel. mit Schleppe. CV – Cartellverband (CV) Siehe: Cartellverband. Der CV ist der „Cartellverband“ katholischer deut- scher Farben tragender und nichtschlagender Ver- Degener, Bernhard bindungen. Davon zu unterscheiden ist der eben- Bernhard (Bernd) Degener, Bruder von Joseph falls katholische „“ (KV). Die erste Degener, geboren am 9.1.1905 in Vreden, Prie- CV-Verbindung wurde 1844 in gegründet. sterweihe am 16.3.1946, 1960 in Paderborn inkar- Gleichgeschaltet durch das NS-Regime, löste sich diniert, gestorben am 6.12.1982. der CV 1935 selbst auf. 1950 hob die 64. Cartell- versammlung in Mainz den CV offiziell wieder aus Degener, Joseph der Taufe. Joseph Degener, Bruder von Bernd Degener, gebo- ren am 6.5.1895 in Vreden, Priesterweihe am Christus vincit – Christus siegt 17.12.1921 in Münster, gefallen am 11.6.1944. Er Siehe: Laudes Hincmari. war von 1926 bis 1933 Kaplan in Münster Heilig Kreuz. Cingulum Die Albe ist mit dem Zingulum gegürtet, einem Delestraint, Charles-Antoine „cingulum puritatis et continentiae“, einem „Gürtel Charles-Antoine Delestraint, französischer General, heiliger Reinheit und Enthaltsamkeit“. geboren am 12.3.1879 in Biache-Saint-Vaast (Pas- de-Calais). Im Zweiten Weltkrieg war er Oberbe- Collegium Borromaeum in Münster fehlshaber der Armée Secrète (Geheimarmee) in Das Collegium Borromaeum in Münster wurde der Résistance, dort unter dem Namen Vidal be-

100 kannt. Am 10.6.1943 wurde General Delestraint Dörenther Klippen verhaftet und kam am 8.3.1944 ins KZ Natzweiler- Die Dörenther Klippen liegen zwischen Ibbenbüren Struthof und am 6./7.9.1944 ins KZ Dachau. Dort und Tecklenburg im Teutoburger-Wald. In der wurde er am 19.4.1945 erschossen. Der Platz am bizarren Felsenlandschaft werden heute unter ande- Eingang zur Gedenkstätte Natzweiler-Struthof trägt rem Kletterkurse angeboten. seinen Namen. Drießen, Peter Deutsche Jugendkraft (DJK) Peter Drießen, Sohn des Eisenbahn-Assistenten Die DJK, ein katholischer Sportverband, wurde am Johann Drießen, geboren am 30.4.1912 in Kellen, 13.9.1920 von Carl Mosterts (1874–1926) in Würz- wohnte in Kellen, Reeserstraße 35. Er taucht zum burg als konfessioneller Dachverband für Turnen, ersten Mal im Zusammenhang mit einer Fahrt am Spielen und Wandern gegründet. Erster General- 10.3.1927 als Gruppenmitglied auf und wurde in präses war Carl Mosterts. 1932 fand das letzte der Gruppe, in die er später als sein Bruder Willi große Reichstreffen vor der Machtergreifung der („Drießen I“) eintrat, „Drießen II“ genannt. Er Nationalsozialisten statt. Vergeblich stemmten sich gehörte zuvor zur Gruppe Sigismund des Jung- DJK-Reichsführer Adalbert Probst (1910–1934) kreuzbund Kleve. und Prälat Ludwig Wolker gegen die Gleichschal- Er war ab 1.5.1936 für kurze Zeit im Collegium tungspolitik der Nationalsozialisten. 1935 wurde Borromaeum in Münster, wurde aber kein Priester. die DJK verboten. 1945/46 kam es zu Neugründun- Später war er bei der AEG Duisburg tätig. Nach gen der ehemaligen DJK-Vereine. Kriegsende galt er als vermißt.

Diakon Ebben, Franz Die Weihe zum Diakon bildet die unterste Stufe des Franz (Fränz) Ebben, Bruder von Heinz Ebben, Ordo (Weihesakramentes), deren weitere Stufen die geboren am 20.10.1920 in Kleve, gestorben am des Priesters und die des Bischofs sind. Während 30.9.1994 in Kleve. Er war auf der Höheren Land- vor der Liturgiereform ein Diakon in der Regel wirtschaftsschule. Später arbeitete er als Kaufmän- auch zum Priester geweiht wurde, gibt es heute nischer Angestellter. Im IKLK war er lange Jahre auch „Ständige Diakone“, die in der Regel verhei- als Beisitzer tätig. ratet sind. Ebben, Heinz Dietl, Franz Heinrich (Heinz) Ebben, Bruder von Franz Ebben, Franz Dietl, geboren am 20.3.1934 in Moosburg, geboren am 24.2.1919 in Kleve, gestorben am Priesterweihe am 23.8.1958 in Salzburg, Seit 1999 23.9.1944. Weihbischof in München. Eising, Hermann DJK – Deutsche Jugendkraft Dr. theol. Hermann Eising, Professor für alttesta- Siehe: Deutsche Jugendkraft . mentliche Exegese, geboren am 4.2.1908 in Coes- feld, Priesterweihe am 17.12.1932 in Münster, ge-

101 storben am 9.8.1981. Er war von 1933 bis 1938 Bi- Francken, Arnold schöflicher Kaplan von Bischof Clemens August Prälat Dr. h. c. Arnold Francken, geboren am 6.8. Graf von Galen und von 1939 bis 1947 Kaplan in 1875 in Kervenheim, Priesterweihe am 9.6.1900 in St. Matthias in Berlin. Münster, gestorben am 31.3.1954. Von 1908 bis 1948 war er im Priesterseminar in Münster als Sub- Ems regens und als Regens tätig. 1923 wurde er Dom- Die Ems entspringt in der Senne bei Paderborn, kapitular, 1936 Päpstlicher Hausprälat und 1948 durchfließt die Münstersche Bucht und das Ems- Apostolischer Protonotar. Bei seiner Beerdigung land und mündet nach 371 km bei Emden in den waren ca. 400 Priester an seinem Grab versammelt. Dollart. Friedrichs, Reinhold Enste, Norbert Domkapitular Reinhold Friedrichs, geboren am Norbert Enste, geboren am 11.12.1905 in Dort- 8.5.1886 in Hüls bei Krefeld, Priesterweihe am mund, Priesterweihe am 7.8.1932 in Münster, ge- 1.6.1912, gestorben am 28.7.1964. Am 12.9.1941 storben am 28.9.1987. kam er ins KZ Dachau. Als im Herbst 1944 die kommunistischen Blockältesten abgelöst wurden, Falkenstein, Ferdinand , Karl Leisners Onkel war er ab 9.12.1944 in dieser Position in Block 26 mütterlicherseits tätig. Seine Priesterkameraden nannten ihn liebevoll Ferdinand Karl Maria Falkenstein, geboren am „Blockvater“. Am 5.4.1945 wurde er aus dem KZ 7.5.1915 in Neuss, gestorben am 23.6.1982 in Dachau entlassen und in Münster am 17.12.1945 Medebach. zum nichtresidierenden Domkapitular ernannt. Am 22.1.1960 erfolgte seine Ernennung zum päpstli- Fasbender, Wilhelm chen Hausprälaten. Wilhelm (Willi) Maria Fasbender, geboren am 18.5.1913 in Gelsenkirchen-Buer, Priesterweihe am Fuestrup 17.12.1938 in Münster, gefallen am 11.2.1945. Fuestrup ist eine an Gelmer grenzende Bauern- schaft im Süden der Stadt Greven. Faulhauber, Michael Siehe: Michael von Faulhaber . Geerkens, Ernst Ernst Geerkens, geboren am 1.8.1929 in Wachten- Fischhalle in Münster donk, Priesterweihe am 16.3.1957 in Münster. Er Seit 1926 liegt die „Fischbrathalle“ in Münster, war von 1957 bis 1960 Kaplan in Xanten und von Schlaunstraße 8, inzwischen in dritter Generation in 1969 bis 2002 Pfarrer in Kleve-Materborn. Seit den Händen der Familie Meyer. Die Jungen um 2003 lebt er als Emeritus in Karl Leisners Eltern- Karl Leisner liebten vor allem den gebratenen Fisch haus in Kleve, Flandrische Straße 11, das als mit Kartoffelsalat und aßen bei ihren Aufenthalten Karl-Leisner-Begegnungsstätte eingerichtet ist. in Münster häufig in dieser guten und preiswerten Gaststätte.

102 Gelmer abhängig. 1946 wurde sie beim Nürnberger Prozeß Gelmer ist ein nördlicher Stadtteil von Münster, der zur verbrecherischen Organisation erklärt. an die Stadt Greven grenzt. Gilbert, Jacques Gemeinschaftsmesse Jacques Gilbert war ein Student aus Belgien, den Eine Gemeinschaftsmesse unterschied sich von Walter Vinnenberg mit der Gruppe St. Werner und einer „Stillen Messe“ dadurch, daß die Gläubigen in Karl Leisner in Kontakt gebracht hatte. Er fuhr der „Stillen Messe“ Privatgebete wie Rosenkranz 1933 mit nach Baltrum und 1935 mit nach Flan- oder eine Kommunionandacht verrichteten. In der dern. Zwischen ihm und Karl Leisner entwickelte Gemeinschaftsmesse betete die Gemeinde die sich eine langjährige Freundschaft. Meßtexte – zum Teil laut – zum Beispiel mit Hilfe eines Schott-Meßbuches, während der zelebrie- Gleichschaltung rende Priester den lateinischen Text leise las. Ro- „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ war eine der be- mano Guardinis Anliegen in der Liturgischen Be- kanntesten nationalsozialistischen Parolen. Sie wegung war: „Nicht in der Messe beten, sondern zeigte den Anspruch auf Ausschließlichkeit. Im die Messe beten.“ (Papst Pius X.). Reich des Nationalsozialismus durfte es nur eine Macht und eine Meinung geben. Diesem Anspruch Germanicum fielen als erste die Länder des Reiches zum Opfer: Das Pontificium Collegium Germanicum et Hunga- „1. und 2. Gesetz zur Gleichschaltung der Länder ricum, kurz Germanicum genannt, ist das römische mit dem Reich“ vom 31.3. und 7.4.1933 hieß die Kolleg zur Heranbildung von Priestern aus dem Ge- rechtliche Grundlage für die Entmachtung der Län- biet des ehemaligen Römischen Reiches Deutscher der. Mit dem „Gesetz gegen die Neubildung von Nationen (Deutschland, Schweiz, Österreich, Nie- Parteien“ vom 14.7.1933 war die Gleichschaltung derlande) und Ungarn. Es wurde 1552 auf Betrei- des Parteienstaates abgeschlossen. Es folgte die ben des heiligen Ignatius von Loyola (1491–1556) Gleichschaltung der Verbände nach gleichem Mu- von Papst Julius III. gegründet. ster: Mitglieder der Nationalsozialistischen Deut- schen Arbeiterpartei (NSDAP) wurden auf staatli- Gestapo chen Druck oder in vorauseilendem Gehorsam in Die Geheime Staatspolizei wurde 1933 von Her- die Vorstände aufgenommen, „reinigten“ sie und mann Göring in Preußen und Heinrich Himmler in führten sie unter das Dach der Partei. den anderen deutschen Ländern als politische Poli- zei geschaffen. 1939 wurde sie dem neugebildeten Goebel, Bernardin Reichssicherheitshauptamt (RSHA) eingegliedert. Siehe: Pater Bernardin Goebel OFMCap. Sie diente der rücksichtslosen Unterdrückung aller Gegner des Nationalsozialismus und griff zu Folte- Gregor Schwake rungen und Einweisungen in Konzentrationslager. Pater Dr. Gregor (Theodor) Schwake OSB, geboren Sie war von Justiz- und Verwaltungsbehörden un- am 15.4.1892 in Emmerich, Profeß am 8.9.1912 in Gerleve, Priesterweihe am 25.7.1917, gestorben am

103 13.6.1967 in Dülmen. Er wirkte von 1929 bis 1943 Heilig Kreuz in Dachau-Ost durch seine „Volkschoralwochen“ im gesamten Die bereits 1945 für internierte SS-Männer gebaute deutschsprachigen Raum und in Jugoslawien. Am erste Heilig Kreuz Kirche läßt sich als Nachfolgerin 6.10.1943 wurde er in Österreich im Dom zu Linz der Lagerkapelle von Block 26 ansehen. von den Nationalsozialisten verhaftet und kam am Die heutige dritte Kirche Heilig Kreuz wurde 2.1.1944 ins KZ Dachau, wo er bis zu seiner Ent- 1963/64 nach Plänen des Architekten Friedrich lassung am 10.4.1945 zur Arbeit in der „Plantage“ Haindls erbaut. Der mit einem Kreuz gekrönte eingeteilt war. Er leitete den Priesterchor und kom- Turm ist über 30 Meter hoch. In ihm hängen fünf ponierte unter anderem die „Dachauer-Messe“, die Glocken. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 50. am 24.9.1944, dem „Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Loskauf der Gefangenen“, zum ersten Heilig-Geistkirche in Münster Mal in der Lagerkapelle des KZ Dachau erklang. Die Heilig-Geistkirche wurde 1928/29 von Archi- tekt W. Kremer aus Duisburg gebaut. 1929 wurde Große Prozession in Münster das von St. Josef abgetrennte Gebiet Pfarrektorat. Siehe: Brandprozession. Die Pfarrerrichtung erfolgte 1932.

Guardini, Romano Heimschule Maria Laach Der katholische Religionsphilosoph und Theologe Der Quickborner Dr. Benno Benten vom Pädagogi- Romano Guardini, geboren am 17.1.1885 in Ve- schen Institut in Münster gründete nach 1927 be- rona, Priesterweihe am 28.5.1910 in Mainz, gestor- gonnener Planung die Heimschule Maria Laach. In ben am 1.10.1968 in München, hat bis heute eine diese Schule mit katholischer Gemeinschaftsprä- starke Ausstrahlung durch sein Wirken in Wort und gung wurden Jungen zwischen 10 bis 18 Jahren Schrift. Sein Anliegen war die wechselseitige Er- aufgenommen und im Gymnasium beziehungs- hellung von Glaube und Welt im Dienst der Wahr- weise Realgymnasium unterrichtet. Sie lebten in heit und der Daseinsdeutung. individuell geführten Familiengruppen. Dr. Walter Vinnenberg war dort von 1929 bis 1931 als Reli- Haas, Elisabeth, Karl Leisners Schwester gionslehrer tätig. 1934 schlossen die Nationalso- Elisabeth Juliane Maria Haas, geborene Leisner, zialisten die Schule. geboren am 14.8.1923 in Kleve, heiratete 1947 Wil- helm Haas. Nach dem Tod ihres Mannes (1993) Helmus, Josef übernahm sie bis zum Jahre 2004 dessen Aufgabe Josef Helmus, geboren am 19.4.1886 in Wetten, als Geschäftsführer im IKLK. Sie lebt in Kleve- Priesterweihe am 10.11.1911 in Münster, gestorben Kellen. am 11.11.1966. Er kam am 18.12.1942 ins KZ Dachau und wurde am 5.4.1945 entlassen. Heil’gem Kampf sind wir geweiht Siehe: Wann wir schreiten Seit’ an Seit’. Hockendes Weib Mit dem „Hockenden Weib“ verbindet sich fol- gende Sage: In alter Zeit strömten die Fluten des

104 Meeres oft tief ins Land bis an die Berge. In einer vom Generalpräses Carl Mosterts für die Verbands- Hütte am Fuße der Dörenther Klippen wohnte eine arbeit des Katholischen Jungmännerverbandes Frau mit ihren Kindern. Als nun die Flut nahte, Deutschlands gegründet. nahm sie ihre Kinder auf den Arm und trug sie auf den Berg. Mit Entsetzen sah sie, wie das Wasser Jungkreuzbund weiter stieg. Als es bis an ihre Füße reichte, hockte Jugendorganisation des 1896 gegründeten Kreuz- sie sich hin und befahl den Kindern auf ihre Schul- bundes. tern zu steigen und begann zu beten. Als sie sich aufrichten wollte, war sie zu einem Felsblock er- Jungschar starrt, der aus den Fluten ragte und die Kinder trug. Jungschar war die Bezeichnung für Jungen zwi- schen 10 und 15 Jahren, deren Gruppen in den Homrighausen, Wilhelm Pfarreien die Vorstufe für den Katholischen Jung- Dr. med. Wilhelm Homrighausen, geboren am männerverband Deutschlands (KJMVD) bildeten. 14.1.1914 in Elberfeld, war ein Mitschüler von Karl Leisner. Sein Spitzname war „der Lange“. Juvenalis Brandl Schwester Maria Juvenalis (Ottilie) Brandl, geboren Horten, Titus am 10.12.1914 in Stetten, Niederbayern. Ordens- Siehe: Pater Titus Horten OP. eintritt bei den Barmherzigen Schwestern vom hei- ligen Vinzenz am 20.5.1933, Einkleidung am 29.7. Invalidenblock im KZ 1934, Profeß am 16.7.1936. Sie war von März 1945 Der Invalidenblock war der Block, in den die „un- bis zum Ruhestand im Juni 1992 im Waldsana- nützen Esser“ und voraussichtlich nicht mehr zu torium in Planegg als Verwaltungsschwester tätig. heilenden Kranken eingewiesen wurden, bis sie auf Dort gibt sie als Bewohnnerin des heutigen Senio- den sogenannten „Invalidentransport“ nach Schloß renheims Besuchern gerne Auskunft über Karl Hartheim bei Linz kamen, wo sie vergast wurden. Leisners Zeit in Planegg.

Je Ŝ, Ignacy Kamillianer Bischof Ignacy (Ignatius) Je Ŝ, geboren am 31.7. Der 1582 von Camillo de Lellis (1550–1614) ge- 1914 in Radomysl, Priesterweihe am 20.6.1937 in gründete Orden zur Erneuerung auf dem Gebiet der Kattowitz, Bischofsweihe am 5.6.1960 in Gorzów Krankensorge richtete 1923 in Münster auf der (Weihbischof von Gorzów/Landsberg), am 28.6. sogenannten Hubertusburg das Kamilluskolleg ein. 1972 Bischof der neuen polnischen Diözese Am 13.7.1941 wurde es von der Gestapo enteignet Koszalin/Köslin. Er kam am 7.10.1942 ins KZ und aufgehoben. Am 30.9.1978 gaben die Kamil- Dachau und wurde am 29.4.1945 befreit. Er lebt lianer das Haus in Münster auf. seit dem 1.2.1992 als Emeritus in Koszalin. Kammerer, Jean Jugendhaus Düsseldorf Jean Kammerer, geboren am 31.12.1918 in Thann Das Jugendhaus in Düsseldorf wurde am 2.2.1908 (Haut-Rhin), Priesterweihe am 24.6.1943 in Lyon.

105 Er kam am 29.10.1944 ins KZ Dachau und wurde KJMVD – Katholischer Jungmännerverband am 29.4.1945 befreit. Er lebt in Paris. Deutschlands Siehe: Katholischer Jungmännerverband Karmel Heilig Blut Dachau Deutschlands. Am 28.4.1963 legte Weihbischof Johannes Neu- häusler den Grundstein für den Karmel Heilig Blut Klausener, Erich Dachau; am 22.11.1964 erfolgte die Einweihung Dr. jur. et rer. pol. Erich Klausener, geboren am des Karmel und der dazugehörigen Kirche. Die 25.1.1885 in Düsseldorf. Er war ab 1928 Vorsitzen- Ordensfrauen halten in Gebet und Gottesdienst das der der Katholischen Aktion in Deutschland und Andenken der Häftlinge und Martyrer des KZ Da- wurde während des Röhm-Putsches am 30.6.1934 chau aus vielen Völkern und Religionen in lebendi- in seinem Büro von einem SS-Kommando erschos- ger Erinnerung. sen. Die offizielle Version lautete Selbstmord.

Kathedra Kleinen, Heinrich Bezeichnung für den besonders herausgehobenen Heinrich Kleinen, geboren am 27.8.1914 in Duis- Sitz des Papstes oder des Diözesanbischofs, von burg-Hamborn, Priesterweihe am 23.9.1939 in dem aus dieser seine Lehr- und Verkündigungs- Münster, gestorben am 10.2.2004 in Goch. Er war vollmacht ausübt. Kursgenosse von Karl Leisner und von 1948 bis 1954 Kaplan in Kleve. Von 1975 bis 1987 war er Katholischer Jungmännerverband Deutschlands Erster Vorsitzender des IKLK. (KJMVD) 1896 gab es einen reichsweiten Zusammenschluß Klosterschüler der Jugendpräsides zum „Central-Comité der Präsi- Siehe: Heimschule Maria Laach. des der katholischen Jugendvereinigung Deutsch- lands“, aus dem 1914 der „Zentralverband der ka- Koburg in Münster tholischen Jünglingsvereinigungen Deutschlands“, Als die DJK 1922 ihre Sportanlage am Zentral- 1920 der „Verband der katholischen Jugend- und friedhof aufgeben mußte, entstand in der Nähe der Jungmännervereine Deutschlands“ und schließlich damaligen Sommerwirtschaft Koburg hinter der 1924 der „Katholische Jungmännerverband ehemaligen Brauerei Germania an der Grevener- Deutschlands“ entstand. straße ein Sportzentrum. Am 5.10.1924 wurde das Stadion, am 2.8.1925 das Schulungsheim einge- Katholischer Wandervogel weiht. Mit der Einweihung des Schwimmbades 1928 ging aus dem Jungkreuzbund der Katholische durch Bischof Dr. Johannes Poggenburg von Mün- Wandervogel hervor. ster wurde die gesamte Anlage DJK-Reichslehr- stätte. Mit Beginn des Nationalsozialismus geriet die Sportstätte in den Sog des Wehrsports und 1934 ganz in die Hände der Nationalsozialisten. Heute

106 befindet sich auf dem Gelände die DJK Sportschule ein. Im Juli 1943 erreichten die ersten Transporte „Kardinal-von-Galen“. mit jüdischen Häftlingen aus Polen das „Aufent- haltslager Bergen-Belsen“. Am 15.4.1945 wurde Köckemann, Josef das Lager von britischen Soldaten befreit. Josef (Jupp) Köckemann, geboren am 20.4.1915 in Königssteele, Priesterweihe am 23.9.1939 in Mün- KZ Dachau ster. Er war Kursgenosse von Karl Leisner. Heute Das am 22.3.1933 auf dem Gelände einer ehemali- lebt er als emeritierter Pfarrdechant in Rheine. gen Pulverfabrik errichtete Konzentrationslager Dachau, anfänglich „K.L.“ genannt, war das zweite Kreuzbund - Kreuzbündnis deutsche Konzentrationslager nach dem KZ Sach- Der Kreuzbund in Deutschland, der Reichsverband senhausen. Es galt als Musterbeispiel für alle deut- abstinenter Katholiken, förderte natürliches Jugend- schen KZ. 1940 wurden dort die inhaftierten Prie- leben ohne Alkohol und Nikotin und wollte weite ster aller Nationen zusammengefaßt. Es war ein Kreise für die Abstinenz gewinnen. Er wurde am Arbeitslager, kein offizielles Vernichtungslager. 23.3.1896 durch Kaplan Joseph Neumann, den Seine Existenz wurde im Dritten Reich nie ver- späteren Dominikanerpater Anno, als „Katholischer heimlicht. Im Gegenteil: es wurde sogar in- und Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“ ausländischen Korrespondenten vorgeführt, sozusa- gegründet und später Kreuzbund genannt. gen als Musterbeispiel dafür, wie die neue Regie- rung Asoziale, Arbeitsscheue, Prostituierte und Küppers, Jakob Diebe angeblich umerzog. Schließlich nahm das Jakob Küppers, geboren am 22.7.1873 in Goch, Lager auch insofern eine Sonderstellung ein, als Priesterweihe am 18.3.1899 in Münster, gestorben man dort vor allem prominente Regimegegner ge- beim Fliegerangriff auf Kleve am 7.10.1944. Seine fangenhielt. Die Amerikaner befreiten es am 29.4. erste Kaplansstelle hatte er bis 1909 an der Stifts- 1945. kirche in Kleve. Nach einer Zeit als Kaplan in Ke- velaer kam er am 25.9.1918 als Pfarrer nach Kleve KZ Sachsenhausen zurück, wurde am 21.12.1926 Dechant und 1943 Sachsenhausen ist ein Ortsteil der Stadt Oranien- Propst h. c. burg bei Berlin, das „KZ Sachsenhausen“ befand sich jedoch nicht in diesem Ortsteil, sondern im KZ Bergen-Belsen Norden des Stadtgebietes von Oranienburg. Dieses Im Frühjahr 1941 wurde auf einem ehemaligen erste KZ wurde am 21.3.1933 von SA-Leuten der Truppenübungsplatz in Bergen, etwa 60 Kilometer Standarte 208 in einem ehemaligen Brauerei- und nordöstlich von Hannover, im Zusammenhang mit Fabrikgebäude, das der SA von den Eigentümern den Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion eigentlich zur Unterbringung obdachloser SA-Män- das Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen von der ner überlassen worden war, eingerichtet. Aber die Wehrmacht errichtet. Wenige Wochen nach dem SA sperrte dort ihre politischen Gegner aus den deutschen Überfall auf die Sowjetunion (22.6.1941) Straßenkämpfen und Saalschlachten ein. trafen die ersten Gefangenentransporte im Lager

107 Laudes Hincmari (Ruhr), gestorben am 22.1.1944 in Goch. Sie war Die Laudes regiae oder Laudes Hincmari ist ein eine Schwester von Vater Leisner. frühmittelalterlicher Lobgesang. Er beginnt mit „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat – Leisner, Maria, Karl Leisners Tante Christus siegt, Christus regiert, Christus herrscht“ Maria Leisner, geboren am 23.5.1884 in Oppum, und enthält litaneiartige Huldigungsrufe auf Chri- gestorben am 25.1.1944 in Goch. Sie war eine stus, Bittrufe an die Heiligen, schließlich Heilrufe Schwester von Vater Leisner. für die geistlichen und weltlichen Herrscher. Man sang die Laudes regiae in Anwesenheit von Köni- Leisner, Maria, Karl Leisners Schwester gen, Fürsten und hohen Geistlichen. Maria Anna Amalie Leisner, geboren am 23.11. Entstanden im Frankenreich um 750, wurde sie 1917 in Immenstadt, gestorben am 19.6.1999 in besonders im Erzbistum Reims beliebt und nach Kalkar. Für ihre langjährigen ehrenamtlichen Tä- dem einflußreichen Bischof Hinkmar (ca. 806–882) tigkeiten erhielt sie am 5.7.1996 das Bundesver- benannt. Eindeutig lesbare musikalische Aufzeich- dienstkreuz. nungen gibt es seit Ende des 12. Jahrhunderts in mancherlei Varianten (so zum Beispiel in der Leisner, Paula, Karl Leisners Schwester Sammlung „Laudes festivae“ von Beat Reiser OSB, Paula Maria Leisner, geboren am 25.12.1919 in Rom 1932 und 1940). Rees, gestorben am 19.2.1990 in Kleve. Die bei uns übliche Fassung steht im 4. gregorianischen Psalmton-Modus und ähnelt dem Leisner, Wilhelm, Karl Leisners Vater altiberischen Pater noster (Melodie: Gotteslob 363) Wilhelm Johannes Josef Leisner, geboren am 26.9. und dem Gloria XV. Siehe: Gotteslob Nr. 564. 1886 in Goch, gestorben am 13.10.1964 in Kleve.

Leisner, Amalie, Karl Leisners Mutter Leisner, Wilhelm, Karl Leisners Bruder Amalie Everhardine Maria Mathilde Leisner, gebo- Wilhelm (Willi) Josef Maria Antonius Leisner rene Falkenstein, geboren am 26.10.1892 in Goch, wurde am 9.5.1916 in Goch geboren. Er lebt mit gestorben am 19. Februar 1983 in Kleve. seiner Frau in Berlin-Lichterfelde.

Leisner, Elisabeth, Karl Leisners Schwester Lettmann, Reinhard Siehe: Elisabeth Haas . Bischof Dr. jur. can. Reinhard Lettmann, geboren am 9.3.1933 in Datteln, Priesterweihe am 21.2.1959 Leisner, Friedrich, Karl Leisners Onkel in Münster. 1973 Weihbischof in Münster, seit Friedrich (Fritz) Leisner, geboren am 18.7.1877 in 1980 Bischof von Münster. Lobberich, gestorben am 13.12.1939 in Dortmund. Er war ein Bruder von Vater Leisner. Leufkens, Joseph Prälat Joseph Leufkens, geboren am 7.11.1879, Leisner, Julchen, Karl Leisners Tante Priesterweihe am 28.5.1904 in Münster, gestorben Julchen Leisner, geboren am 25.5.1876 in Mülheim

108 am 30.12.1962. 1936 war er als Generalvikariatsrat Bildungsstätte für Jungen, die die Neigung zum Rektor an St. Lamberti in Münster. Priesterberuf verspürten. Der Bischof stellte das zu diesem Zweck am Domplatz Nr. 3 in Münster ge- Levitenhochamt mietete Haus – eine ehemalige Domkurie – unter In Israel hatten die Nachkommen des Stammes den Schutz des heiligen Ludgerus, des ersten Bi- Levi die Aufgabe, priesterliche Ämter auszuüben. schofs von Münster, und nannte es „Collegium In der Liturgie waren Leviten die dem Priester bei Ludgerianum“. 1944 wurde das Gebäude im Bom- feierlichen Funktionen assistierenden Kleriker als benangriff zerstört und das Internat geschlossen. Diakon und Subdiakon. 1951 begann der Neubau am Kardinal-von-Galen- Ring 45, die ersten Ludgerianer zogen am 17.4. Ley, Robert 1953 dort ein. Am 30.6.1971 wurde es aufgelöst. Dr. Robert Ley, geboren am 15.2.1890 in Nieder- breidenbach, Soldat im Ersten Weltkrieg, 1925 Mack, Imma Eintritt in die NSDAP, von 1932 bis 1934 Stabs- Schwester Maria Imma (Josefa) Mack, geboren am leiter der politischen Organisation der NSDAP, 10.2.1924 in Möckenlohe, Eintritt bei den Armen dann Reichsorganisationsleiter der NSDAP und von Schulschwestern Unserer Lieben Frau am 28.8. 1933 bis 1945 Reichsleiter der Deutschen Arbeits- 1945, Gelübde am 29.8.1946. Sie wurde auf Grund front (DAF). Er organisierte deren Sonderdienst- ihres Einsatzes für die Häftlinge im KZ Dachau am stelle „Kraft durch Freude“ (KdF), welche für die 19.12.2004 in die französische Ehrenlegion aufge- Urlaubs- und Freizeitgestaltung vor allem bei den nommen und erhielt am 6.6.2005 das Bundesver- Soldaten zuständig war; am 25.10.1945 beging er dienstkreuz. Sie lebt in München. Selbstmord. Magnifikat Lichtenberg, Bernhard Persönliches Danklied aus dem Mund Mariens in Bernhard Lichtenberg, geboren am 3.12.1875 in hymnischer Form, vgl. Lk 1,46–55. Im Stundenge- Ohlau/Niederschlesien, Priesterweihe am 21.6. bet ist es ein Teil der Vesper. 1899, gestorben am 5.11.1943. Siehe: Rundbrief Siehe: Gotteslob Nr. 689. des IKLK Nr. 33. Makarius Spitzig Loburg bei Coesfeld Makarius (Gustav) Spitzig, OSB von St. Ottilien, Die Loburg westlich von Coesfeld ist ein altes, von geboren am 19.1.1887 in Würzburg, Priesterweihe Wasser umgebenes Rittergut und Wohnsitz der am 25.7.1921 in München, ab dem 1.9.1931 Chor- Familie zu Salm-Salm. der Trappisten (OCSO) von Stift Engels- zell/Österreich, gestorben an den Folgen seiner im Ludgerianum in Münster KZ erlittenen Malariaversuche am 7.1.1957 in Linz. Am 18.4.1849 gründete Bischof Johann Georg Er war gelernter Kunsttischler, kam am 3.2.1941 Müller das erste tridentinische „Seminarium Puer- ins KZ Dachau und wurde auf dem Evakuierungs- orum“ (Knabenseminar) auf deutschem Boden: eine marsch vom 26.4.1945 befreit, kehrte aber nicht

109 nach Engelszell zurück, sondern blieb als La- 28.6.1908 in Bühl/Baden, Priesterweihe am gerseelsorger im Bistum Würzburg. 30.4.1933 in Freiburg, gestorben am 5.7.1993. Er kam am 2.8.1941 ins KZ Dachau und wurde am Marienbaum 9.4.1945 entlassen. Nahe bei Xanten fand 1430 ein Schäfer nach einem Traumgesicht in einer treppenartig gewachsenen Melcher, Robert Eiche ein Muttergottesbild, bei dem er von seiner Dr. theol. Robert Melcher, geboren am 19.3.1881 in Lähmung geheilt wurde. Das wundertätige Bild „an Berlin, Priesterweihe am 28.5.1904 in Münster, ge- gen Trappenboom – am Treppenbaum“ zog rasch storben am 20.4.1943 in Warendorf. Er war von Kranke an. Später wurde der Name in „Maria ad 1926 bis zum Ende des Wintersemesters 1933/34 arborem“ (= Marienbaum) geändert. Die Wallfahrt Direktor im Collegium Borromaeum. zur „Zuflucht der Sünder“ besteht bis auf den heu- tigen Tag. Mente, Arnold Dr. phil. Arnold Mente, geboren am 14.5.1914 in Marienlinde in Telgte Vechta, Priesterweihe am 23.9.1939 in Münster, Siehe: Telgte . 1958 in das Bistum Essen inkardiniert. Er lebt in Bad Lippspringe. Marienthal bei Wesel Marienthal gilt als das älteste Augustinerkloster im Messe-lesen deutschen Sprachraum. 1256 wurde die erste Kir- Nach damaliger Vorstellung „las“ der Priester die che geweiht. 1345 wurden Kirche und Kloster et- Messe und der Mitfeiernde „hörte“ sie. was weiter nördlich an die Issel verlegt. Augusti- Siehe: Gemeinschaftsmesse . ner-Eremiten haben bis zur Auflösung des Klosters 1806 dort gelebt. 1839 wurde eine Pfarrei errichtet. Michelet, Edmond Um 1925 begann die katholische Jugend aus allen Edmond Michelet, geboren am 8.10.1899 in Paris, deutschen Gauen nach Marienthal zu pilgern. Dank kam 1940 durch die französische Widerstands- des Pfarrers Augustinus Winkelmann erlangte Ma- bewegung (Résistance) zur politischen Arbeit. Als rienthal während der ersten Hälfte des vorigen Obmann der Freiheitsbewegung wurde er vom Jahrhunderts hervorragende Bedeutung im Bereich Vichyregime verfolgt, verhaftet und 1943 ins KZ der modernen sakralen Kunst. 1986 übernahmen Dachau gebracht. Dort war er Vertrauensmann der Karmeliter der Niederdeutschen Ordensprovinz die französischen Häftlinge. 1988 wurde ein Antrag zur Pfarrseelsorge. Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens gestellt. Nach seiner Befreiung aus dem KZ bekleidete er Matutin verschiedene Ministerposten. So war er unter ande- Siehe: Stundengebet der Kirche. rem ab 8.1.1959 Justizminister und vom 20.6.1969 bis zu seinem Tod am 9.10.1970 Kulturminister. Maurath, Ferdinand Geistlicher Rat Ferdinand Maurath, geboren am

110 Mies, Hermann Priester werden wollten, vier Niedere Weihen: Karl Hermann (Manes) Mies, Bruder von Josef Ostiarier (Türhüter/Pfortendienst), Lektor (Vorle- Mies, geboren am 27.4.1915 in Kleve, ging mit ser), Exorzist (Teufelsbeschwörer/Amt der Befrei- Karl Leisner in die Volksschule, ins Gymnasium ung von der Gewalt des bösen Feindes) und Ako- und gehörte zur Gruppe St. Werner. lyth (Altardiener/Gehilfe des Subdiakons). Seit der Liturgiereform gibt es nur noch die Mies, Josef Weihe zum Diakon und als „Ersatz“ für die Niede- Josef (Jupp) Mies, Bruder von Hermann Mies, war ren Weihen eine Beauftragung zum Lektor und 1931 Gruppenmitglied von Karl Leisner. Kommunionhelfer.

Münster-Sudmühle Nokturn Sudmühle liegt an der Werse in Handorf, einem Eigentlich das Nachtgebet im kirchlichen Stunden- nördlichen Stadtteil von Münster, und grenzt an gebet, heute eine Lesehore, die zu jeder Tageszeit Telgte-Westbevern und die Bauernschaft Fuestrup. gebetet werden kann. Siehe: Stundengebet der Kirche. Napoleon I. Napoleon Bonaparte, geboren am 15.8.1769 auf Noppel, Konstantin Korsika, gestorben am 5.5.1821 auf St. Helena. Pater Constantin Noppel SJ, geboren am 2.8.1883 1802 machte er sich, gestützt auf eine allgemeine in Radolfzell, Priesterweihe am 28.10.1908, Eintritt Volksabstimmung zum Konsul auf Lebenszeit. Von in die Gesellschaft Jesu am 30.9.1909, gestorben 1804 bis 1814/15 war er Kaiser der Franzosen. am 2.7.1945.

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Norbert von Xanten (NSDAP) Norbert, geboren um 1082, gestorben 1134 in Mag- Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei deburg, führte als Stiftsherr in Xanten ein verwelt- (NSDAP) ist am 1.3.1920 aus der Deutschen Arbei- lichtes Leben. Nach seiner Bekehrung wirkte er terpartei (DAP) hervorgegangen. Diese war am 5.1. zunächst als Wanderprediger in Deutschland, Bel- 1919 in München gegründet worden. Adolf Hitler gien und Frankreich und gründete dann in Prémon- war ihr am 16.9.1919 beigetreten. tré den Prämonstratenserorden. Er bemühte sich um Frieden zwischen Papst und Kaiser und um kirchli- Neunzig, Josef che Reformen. Sein Namenstag ist der 6. Juni. Josef Neunzig, geboren am 1.3.1904 in Bedburg bei Köln, Priesterweihe am 12.3.1932 in Trier, gestor- NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbei- ben am 4.8.1965 in München. Siehe: Rundbrief des terpartei IKLK Nr. 49. Siehe: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter- partei. Niedere Weihen Vor der Liturgiereform gab es für die Männer, die

111 OCarm – Ordo Fratrum Beatae Mariae Virginis stie, die mit der Patene hochgehalten wurde. de Monte Carmelo – Karmeliten Ebenso wie der Kelch wurde auch die Patene vom Bischof mit Chrisam konsekriert (geweiht). OCSO – Ordo Cisterciensium Strictioris Obser- vantiae – Trappisten Penne Der umgangssprachliche Begriff „Penne“ für Gym- OFMCap – Ordo Fratrum Minorum Capuccino- nasium kommt vom lateinischen Wort penna - rum (Minderbrüder) – Kapuziner Feder. Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleich- namigen Begriff aus der Gaunersprache mit der Be- Oomen, Heinrich deutung „Kneipe“ oder „schlechte Herberge“. Da- Heinrich (Hein) Oomen, geboren am 21.1.1903 in von leiten sich auch die Begriffe „Penner“ für Kleve, Priesterweihe am 22.12.1928 in Münster, Landstreicher und „pennen“ für schlafen ab. gestorben am 3.1.1989. Er war von 1929 bis 1931 Kaplan in Emsdetten Herz-Jesu und ab 1955 Pfarrer Perau, Josef in Marienthal bei Wesel. Josef Perau, geboren am 8.11.1910 in Wissel, Prie- sterweihe am 18.7.1937 in Münster, gestorben am OP – Ordo Fratrum Praedicatorum (OPr) – Do- 29.7.2004. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 50. minikaner Père-Lachaise Ordinarium Der Friedhof Père-Lachaise in Ménilmontant im Feststehende Teile der Eucharistiefeier. Nordosten von Paris wurde 1804 auf einem ehema- ligen Besitz des Jesuitenpaters François de la OSB – Ordo Sancti Benedicti - Benediktiner Chaise, dem Beichtvater Ludwigs XIV. (1638– 1715), angelegt. Er ist reich an Grabmählern be- OSC/MI – Ordo Clericorum Regularium Mini- deutender Persönlichkeiten. strantium Infirmis (MI) – Kamillianer. Im deutschen Sprachraum ist die Abkürzung OSC Pies, Otto üblich. Dr. Johannes Otto Pies SJ, geboren am 26.4.1901 in Arenberg bei , Eintritt in die Gesellschaft Papen, Franz Jesu am 14.4.1920 in ’s-Heerenberg (Niederlande), Siehe: Franz von Papen. Priesterweihe am 27.8.1930, gestorben am 1.7.1960 in Mainz. Er kam am 2.8.1941 ins KZ Dachau und Patene wurde am 27.3.1945 entlassen. Siehe: Rundbrief Die Patene ist ein flacher Goldteller für die Hostie des IKLK Nr. 43. des Priesters bei der Eucharistiefeier. Bis zur Litur- giereform gehörte neben dem Kelch eine Patene Piguet, Gabriel statt heute einer Opferschale zur Feier der heiligen Bischof Gabriel Emmanuel Joseph Piguet von Cler- Messe. Bei der Gabenbereitung lag darauf die Ho- mont, geboren am 24.2.1887 in Macon, Priester-

112 weihe am 2.7.1910 in Paris (St. Sulpice), am 27.2. Main seinen weit ausstrahlenden Mittelpunkt. Er 1934 Weihe zum Bischof von Autun, am 11.3.1934 trug die Liturgische Bewegung unter der geistigen Einführung als Bischof von Clermont, gestorben Führung von Romano Guardini, der 1920 auf der am 3.7.1952. Er kam am 6.9.1944 ins KZ Dachau Burg zum ersten Mal Kontakt mit dem Quickborn und wurde am 4.5.1945 auf der Evakuierungsfahrt bekam, in weite Kreise Deutschlands. Nach Auflö- vom 24.4.1945 nach Südtirol in Villabassa/Nieder- sung durch die Gestapo 1939 arbeitete er illegal dorf befreit. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 46. weiter und konstituierte sich 1946 neu. Sein Ziel ist es, zu den lebendigen Quellen des christlichen Pius XI. Glaubens, der Natur und des Volkstums zu führen. Achille Ratti, geboren am 31.5.1857, gestorben am 10.2.1939, wurde am 6.2.1922 zum Papst gewählt. RAD – Reichsarbeitsdienst Siehe: Reichsarbeitsdienst. Plantage Die Plantage war 1938/39 auf Veranlassung des Reichsarbeitsdienst (RAD) Reichsführers SS Heinrich Himmler als Heilkräu- Der Arbeitsdienst war ein von staatlichen Stellen terkultur angelegt worden. „Deutsche Versuchsan- geleiteter gemeinnütziger Arbeitseinsatz größerer stalt für Ernährung und Verpflegung“ war die offi- Gruppen, vor allem Jugendlicher. Ein freiwilliger zielle Bezeichnung. Dort arbeiteten oft bis zu 1.000 Arbeitsdienst (FAD) bestand von 1930 bis 1940 in Häftlinge. verschiedenen Ländern Europas und in den USA, in Deutschland galt er als Vorstufe für den allgemei- Poggenburg, Johannes nen Reichsarbeitsdienst (RAD). In Deutschland Erzbischof Dr. theol. Johannes Poggenburg, gebo- bestand ab 1935 die Verpflichtung für Jugendliche ren am 12.5.1868 in Ostbevern, Priesterweihe am von 18 bis 25 Jahren zu sechs Monaten Reichsar- 15.6.1889, Bischofsweihe am 16.10.1913 als Bi- beitsdienst. Dieser diente der vormilitärischen Aus- schof von Münster, Ernennung zum Erzbischof von bildung. Nicopsis 1930, gestorben am 5.1.1933. Reichssicherheitshauptamt (RSHA) Probst, Adalbert Am 27.9.1939 wurden die beiden Polizeiorganisa- Adalbert Probst, geboren 1900 in Regensburg, 1933 tionen (reguläre Polizei und Gestapo) zum Reichs- Reichsführer des katholischen Sportverbandes sicherheitshauptamt (RSHA) zusammengelegt. Deutsche Jugendkraft (DJK), wurde beim soge- nannten Röhm-Putsch am 2.7.1934 ermordet (auf Ringsdorff, Hermann der Flucht erschossen in Braunlage im Harz). Der Protestant Dr. rer. pol. Hermann Ringsdorff, geboren am 25.3.1913 in Essen/Ruhr, gestorben am Quickborn 14.10.2002, war ein Mitschüler Karl Leisners. Der Quickborn ist 1909 aus katholischen abstinen- Während ihrer Gymnasialzeit saßen sie sieben Jahre ten Schülerzirkeln entstanden und seit 1913 so nebeneinander. genannt. 1919 gewann er mit Burg Rothenfels am

113 Rivière, Benoît 30.6.1934 anläßlich einer Führertagung der SA die Weihbischof Benoît Rivière, geboren am gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidie- 14.9.1954, Priesterweihe am 18.9.1983, seit 18.2. ren. Gleichzeitig wurden „alte Rechnungen“ begli- 2001 Weihbischof von Marseille. Er ist ein Enkel chen, denen „alte Kämpfer“ der NSDAP ebenso des französischen Ministers Edmond Michelet, der zum Opfer fielen wie NS-Gegner. Widerspruchslos im KZ Dachau inhaftiert war. nahm die Reichswehr es hin, daß auch der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik, General Röhm, Ernst Kurt von Schleicher, ermordet wurde. Die von den Ernst Röhm (1887–1934), nationalsozialistischer Nationalsozialisten als „Röhm-Putsch“ verschlei- Politiker, 1931 Stabschef der SA, erstrebte eine erte Mordaktion rechtfertigte die Reichsregierung Verschmelzung von SA und Reichswehr. Unter am 2.7.1934 nachträglich per Gesetz als „Staatsnot- dem Vorwand, einen Putsch („Röhm-Putsch“) ge- stand“. plant zu haben, wurden er so wie andere SA-Führer und weitere mißliebige Personen am 30.6.1934 Römer ermordet. Großer schwarzer Hut mit breiter Krempe für Kle- riker. Röhm-Putsch Ernst Röhm forderte eine „zweite Revolution“ nach Roth, Heinrich der Machtübernahme am 30.1.1933 mit einer radi- Heinrich Roth, geboren am 12.8.1899 in Oberhau- kalen sozialen Umgestaltung. In „seiner“ SA sah sen-Osterfeld, Priesterweihe am 22.12.1923 in Ernst Röhm den Kern einer neu zu gründenden Münster, gestorben am 23.4.1972. Von 1932 bis „Volksmiliz“, der er auch die Reichwehr einverlei- 1934 war er Mitglied des Reichsvorstandes des ben wollte. Von der traditionsbewußten Reichswehr Katholischen Jungmännerverbandes, 1934 wurde er wurde diese Idee entschieden verworfen. Den Domvikar, am 9.4.1934 Diözesanpräses des Katho- schwelenden Konflikt zwischen SA und Reichs- lischen Jungmännerverbandes und nach dessen wehr mußte Adolf Hitler entscheiden. Gegen Ernst Auflösung 1937 Diözesanjugendseelsorger, 1949 Röhm und seine sozialrevolutionären Vorstellungen Spiritual im Priesterseminar in Münster und 1959 sprach sein unverhüllt vorgetragener Machtan- Generalassistent der Marienschwestern von Schön- spruch. Aber auch innerparteiliche Rivalen Röhms statt. – vor allem Heinrich Himmler und Hermann Gö- ring – bestärkten Adolf Hitler in seinem Entschluß, Ruby, Elisabeth nicht die SA, sondern die Reichswehr zu einer Elisabeth Maria Ruby, geboren am 24.3.1914 in modernen, möglichst schnell kriegsfähigen Armee Berlin, gestorben am 25.12.1993. Sie wurde Seel- auszubauen. sorgshelferin und Haushälterin bei ihrem Bruder Die SS schürte gezielt Gerüchte über einen be- Karl in Radolfzell. Sie war vorwiegend in der Ju- vorstehenden Putsch der SA und betonte die – seit gendarbeit tätig und erteilte Religionsunterricht. langem bekannte – homosexuelle Veranlagung Ernst Röhms. Daraufhin ließ Adolf Hitler am

114 Rust, Bernhard SA – Sturmabteilung Der Politiker Bernhard Rust, geboren am 30.9.1883 Siehe: Sturmabteilung. in Hannover, Suizid am 8.5.1945, kam 1925 zur NSDAP, war ab 1930 Mitglied des Reichstages und Scheifes, Johannes bis 1940 Gauleiter von Hannover. 1933 war er Dr. theol h.c. Johannes Scheifes, geboren am 1.3. preußischer Unterrichtsminister und von 1933 bis 1863 in Aldekerk, Priesterweihe am 17.12.1887 in 1945 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung Münster, gestorben am 30.10.1936. Er wurde am und Volksbildung. 24.4.1921 als Titularbischof von Cestrus und Rust-Erlaß: Weihbischof von Münster von Bischof Johannes Im „Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwal- Poggenburg geweiht. tung in Preußen“ für 1933 steht auf den Seiten 162 bis 165 unter Nr. 185 der Erlaß: Scheipers, Hermann Schülerreisen und Schüleraustausch, Prälat Hermann Scheipers, geboren am 24.7.1913 Berlin, den 7. Juni 1933 in Ochtrup, Priesterweihe am 1.8.1937. Er kam am Der Minister für Wissenschaft, Kunst und 28.3.1941 ins KZ Dachau und entfloh beim Eva- Volksbildung Rust kuierungsmarsch vom 26.4.1945. Nach dem Zwei- Wichtige Aussagen dieses Erlasses waren: ten Weltkrieg arbeitete er in der ehemaligen DDR, II,1. seit 1983 lebt er im Bistum Münster. 2003 erhielten Studienfahrten und Auslandsreisen ins fremd- er und seine Zwillingsschwester Anna das Bun- sprachliche Ausland sollen nur mit solchen desverdienstkreuz am Bande wegen ihres uner- Schülern unternommen werden, die bereits an schrockenen Einsatzes für Menschenwürde. Fahrten durch die engere und weitere Heimat teilgenommen, sich genügende Kenntnisse über Schmäing, Franz ihr eigenes Vaterland erworben haben und die Franz Schmäing, geboren am 12.5.1884 in Anholt, Reife besitzen, die erforderlich ist, um fremdes Priesterweihe am 25.5.1907 in Münster, gestorben Volkstum kritisch zu betrachten. am 25.1.1944 in Lippstadt. Er war vom Sommer- II,3. semester 1934 bis zu seinem Tod Direktor des Die Teilnahme an Auslandsreisen und Aus- Collegium Borromaeum. tauschveranstaltungen sind nur solchen Schü- lern zu gestatten, die die Gewähr bieten, daß sie Schönwälder, Ferdinand die Bedingung der von mir anerkannten allge- Dr. Ferdinand Schönwälder, geboren am 9.12.1912 meinen Richtlinien der Deutschen Pädagogi- in Moravská Ostrava/Mährisch-Ostrau im Sude- schen Auslandsstelle für Schülereisen ins Aus- tenland, Priesterweihe am 11.6.1938 in Warschau, land erfüllen. Nur eine genaue Beachtung der in gestorben am 7.3.1980 in Gundihausen/Landshut. der Anlage abgedruckten Richtlinien sichert die Er kam am 15.8.1940 ins KZ Auschwitz, am 12.12. notwendige Durchführung aller Auslandsunter- 1940 ins KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 be- nehmungen unserer Schulen. freit. Ab 1944 war er in der Verkaufsstelle der

115 Plantage tätig und Schreiber des Gewächshauskom- Simon, Hippolyte mandos. Erzbischof Hippolyte Simon, geboren am 25.2.1944 in St. Georges-de-Rouelly (Manche), Priesterweihe Schrammel, Karl am 27.6.1970 für das Bistum Coutances (Manche), Karl Schrammel, geboren am 22.9.1907 in Friedek, Bischofsweihe am 4.5.1996 in Clermont-Ferrand Priesterweihe am 13.3.1932. Er war ab 1.5.1939 für das Bistum Clermont, seit Dezember 2002 Erz- Geistlicher Direktor des Erzbischöflichen Knaben- bischof. seminars in Freudenthal (Erzbistum Olmütz) und wurde dort am 7.7.1941 verhaftet. Am 16.11.1941 Singequell kam er ins KZ Dachau, wurde wegen Schwarzpost Lieder katholischer Frauenjugend, Düsseldorf 1935. strafweise am 4.12.1944 ins KZ Buchenwald über- stellt und dort wahrscheinlich am 5.2.1945 erschos- SJ – Societas Jesu – Gesellschaft Jesu – Jesuiten. sen. Soutane Schulz, Clemens Eine Soutane, auch Toga oder Talar genannt, ist ein Clemens Schulz, genannt „Klesch“, aus Werne, bis zu den Knöcheln reichendes Obergewand der wurde 1935 Diözesansturmscharführer der Diözese katholischen Geistlichen. Münster. Spitzig, Makarius Schulze-Hobeling Siehe: Pater Makarius Spitzig OSB. Auf den Wiesen des Bauern Schulze-Hobeling in Telgte fand 1928 ein größeres Zeltlager statt. Auch SS - Schutzstaffel später war der Hof immer wieder Anlaufstelle für Schutzstaffel, 1925 zunächst zum persönlichen Karl Leisner und seine Jungen. Schutz Adolf Hitlers gegründeter Wehrverband der NSDAP, 1926 der SA-Führung (Sturmabteilung) Schwake unterstellt, die aber 1934 nach der Ermordung Ernst Siehe: Pater Gregor Schwake OSB. Röhms völlig an Bedeutung verlor. Den SS-Toten- kopfverbänden wurden ab 1934 alle Konzentra- SDB – Societas S. Francisci Salesii: Societas tionslager unterstellt. Salesiana S. Joannis (Don) Bosco - Salesianer St. Lamberti in Münster Sext Die dem heiligen Lambertus geweihte gotische Siehe: Stundengebet. Kirche ist die Kirche der Kaufleute. Der Turm gehört der Stadt, das Schiff aber der Kirchenge- Siebler, Engelbert meinde. Zur Warnung der Bevölkerung hängte man Engelbert Siebler, geboren am 29.5.1937 in Mün- 1536 die Leichen der Wiedertäufer Bernhard Knip- chen, Priesterweihe am 29.6.1963, 1986 Weihbi- perdolling, Johann Bockelson (van Leiden) und schof in München.

116 Bernhard Rothmann in drei Käfigen am Turm der se“ hieß. Heute spricht man nur noch von „der Kirche auf. Burse“.

Stammkötter, Willi Stundengebet der Kirche Wilhelm Stammkötter, geboren am 25.8.1914 in Das Stundengebet der Kirche – als Buch Brevier Bottrop, Priesterweihe am 17.12.1938 in Münster, genannt – hat folgende Horen (Gebetszeiten): gestorben am 12.4.1985. Matutin – Nachthore, heute Lesehore, die zu jeder Zeit gebetet werden kann; Prim, die es heute nicht Stecken, Alfred mehr gibt; Laudes – Morgenhoren; Terz – Hore um Alfred Stecken stammte aus Münster und studierte 9.00 Uhr; Sext – Hore um 12.00 Uhr; Non – Hore später Medizin. um 15.00 Uhr; Vesper – Abendhore; Komplet – Hore vor dem Zubettgehen. Stille Messe Siehe: Gemeinschaftsmesse . Sturmabteilung (SA) 1921 gegründeter nationalsozialistischer Wehrver- Storm, Gerhard band; 1923 nach dem Hitlerputsch verboten, von Gerhard Storm, geboren am 1.4.1888 in Sons- 1924 bis 1925 unter Ernst Röhm neu organisiert, feld/Haldern, Priesterweihe am 8.3.1913 in Mün- von Adolf Hitler als Terrororganisation eingesetzt. ster, kam am 24.7.1942 ins KZ Dachau und starb dort am 20.8.1942. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. Subdiakon 36. Bis zur Liturgiereform war diese heute nicht mehr bestehende Weihestufe eine Durchgangsstufe zum Strampedemi Priestertum. Mit der Weihe zum Subdiakon wurde Ein Liederbuch von Jungen Trutz und Art, Stuttgart vor der Liturgiereform das Zölibatsversprechen ab- 21931, Hg. Walther Hensel. gelegt. Heute geschieht dies bei der Weihe zum Diakon. Studentenburse in Münster Das in der Trägerschaft des Caritasverbandes und Süchteln des Bistums Münster stehende „Deutsche Studen- In Süchteln befand sich eine Provinzial-Kinderheil- tenwohnheim“ wurde 1929 eingeweiht. Da das da- anstalt. Willi Leisner war dort vom 26.8.1929 bis malige Innenministerium einen erheblichen Zu- zum 28.3.1931, um seine „Englische Krankheit“ schuß für den luxuriösen Bau (Zimmer mit Zentral- (Rückgratverkrümmung mit Buckel durch Unterer- heizung, Waschbecken und Telefon) lieferte, be- nährung im „Steckrübenjahr“ 1916) orthopädisch kam das Haus die Auflage, hauptsächlich auslands- einzudämmen. Anschließend mußte er sich dort in deutsche Studenten aufzunehmen. Das Haus bekam gewissen Abständen zur Kontrolluntersuchung für die laufenden Kosten regelmäßige Zuschüsse vorstellen. der „Deutschen Stiftung Burse“, weshalb es im Volksmund „Deutsche Burse“ oder „Studentenbur-

117 Sudmühle Zentralbau, ein Oktogon, überwölbt von einer Kup- Siehe: Münster-Sudmühle. pel, die heutige Gnadenkapelle. Diese befindet sich direkt neben der Pfarrkirche St. Clemens. Es finden Tarzisius regelmäßig Wallfahrten vor allem aus den Bistü- Tarzisius, eigentlich Tarsicius, starb als jugendli- mern Münster und Osnabrück nach Telgte statt. cher Martyrer im 3. Jahrhundert, als er Gefangenen die Eucharistie brachte. Sein Grab befindet sich in Tenhumberg, Heinrich der Callistuskatakombe in Rom. Heinrich (Heini) Tenhumberg, geboren am 4.6. 1915 in Lünten, Priesterweihe am 23.9.1939 in Tedeum – Te Deum Münster, 1958 Weihbischof, 1969 Bischof von Dieser Hymnus wird auch „Ambrosianischer Münster, gestorben am 16.9.1979. Siehe: Rundbrief Lobgesang“ genannt, denn der Legende nach geht des IKLK Nr. 48. der Text auf die Kirchenväter Ambrosius und Au- gustinus zurück. Dieser feierlichste Lob- , Dank- Terhorst, Max und Bittgesang hat seinen liturgischen Platz im Max Terhorst, geboren am 11.4.1915 in Emmerich, Stundengebet der Kirche am Ende der Matutin. gestorben am 24.1.1998. Er war Karl Leisners Großer Lobpreis, vgl. Gotteslob Nr. 706 u. 257. Kursgenosse, wurde aber kein Priester, sondern war später als Oberstudienrat mit dem Fach Religion an Telgte der Berufsschule tätig. Marienwallfahrtsort nahe Münster. Bereits St. Lud- gerus errichtete an der Emsfurt im Schnittpunkt Terrahe, Wilhelm mehrerer Handelswege um 800 eine hölzerne Pfarr- Pfarrektor Wilhelm Terrahe, geboren am 18.2.1882, kirche. Telgte bekam 1238 durch Fürstbischof Lu- Priesterweihe am 25.5.1907 in Münster, gestorben dolf von Holte (+1247) Stadtrechte. Dort wird die am 12.3.1953. Er war ab 1915 Pfarrektor in Gel- Gottesmutter Maria als Schmerzhafte Mutter ver- mer. ehrt. Die Verehrung des Gnadenbildes, ein Ves- perbild (Pieta) aus der Zeit um 1370, wird 1455 Terz zum ersten Mal erwähnt. Es handelt sich um das Siehe: Stundengebet. früheste Vesperbild Norddeutschlands, das nach der Legende aus einer Linde vor dem Münstertor er- Titus Brandsma wachsen ist. Daher rührt der Pilgerbrauch, Blätter Dr. theol. Pater Titus (Anno Sjoerd) Brandsma der Marienlinde als Wallfahrtsandenken mitzuneh- OCarm, Universitätsprofessor in Nijmegen, gebo- men. 1515 ist ein erster Nachweis für ein Kapell- ren am 23.2.1881 in Oegeklooster-Frieland, 1898 chen zu finden. 1654 vollzog der Fürstbischof von Eintritt in den Karmel, 1902 Ewige Profeß, Prie- Münster, Christoph Bernhard von Galen, die feierli- sterweihe am 17.6.1905 in ’s-Hertogenbosch. Er che Grundsteinlegung einer neuen barocken Wall- kam am 19.6.1942 ins KZ Dachau und starb am fahrtskapelle. Pater Jodokus Lüke schuf 1654–1657 26.7.1942. Am 3.11.1985 wurde er in Rom seligge- im Auftrag des Fürstbischofs einen achteckigen sprochen. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 44.

118 Titus Horten 30.10.1909, gestorben 1989, war von Beruf Schnei- Pater Titus (Franz) Horten OP, geboren am der. Er trat am 29.8.1931 als Bruder Oskar in den 9.8.1882 in Elberfeld, 1909 Eintritt bei den Domini- Kapuzinerorden ein. 1942 trat er aus dem Orden kanern, Priesterweihe am 27.2.1925, gestorben am aus und heiratete. 25.1.1936 in Oldenburg. 1948 leitete Bischof Dr. Michael Keller den Seligsprechungsprozeß für ihn Viktor von Xanten ein, der aber noch nicht abgeschlossen ist. Viktor war ein Martyrer in Xanten, dessen Grab bereits im 4. Jahrhundert verehrt wurde. Die spätere Todesangst-Christi-Kapelle im KZ Dachau Legende bringt ihn in Verbindung mit der Thebai- Aus dem Plan zur Errichtung einer Wallfahrts- und schen Legion. Sühnekirche auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau entstand die Todesangst-Christi-Kapelle, Viktortracht in Xanten entworfen von Architekt Prof. Dr. Josef Wiede- Zum traditionellen Brauchtum der Stadt Xanten mann (1910–2001). Sie wurde am 5. August 1960 zählt insbesondere die etwa alle 25 Jahre stattfin- eingeweiht. Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 50. dende „Große Viktortracht“ genannte Prozession, in der der Viktorschrein und der Domschatz feierlich Toga durch die Stadt getragen werden. Die letzte Viktor- Eine Toga ist ein bis zu den Knöcheln reichendes tracht war 1991. Obergewand der katholischen Geistlichen. Vinnenberg, Walter Tonsur Dr. Walter Vinnenberg, geboren am 8.6.1901 in Schur des Haupthaares. Vor der Liturgiereform Lippstadt, Priesterweihe am 27.2.1926 in Münster, empfingen junge Männer, die Priester werden gestorben am 1.12.1984 in Bocholt. Er war bis wollten, vor den Niederen Weihen die Tonsur. Ostern 1929 Karl Leisners Religionslehrer. Bis 1931 war er an der Heimschule Maria Laach und van de Sandt, Hermann anschließend an zahlreichen Stellen des Bistums Hermann van de Sandt, geboren 1908, wohnhaft in Münster tätig. Kleve, Lindenallee 141, war der Besitzer der Mühle Siehe: Rundbrief des IKLK Nr. 43. an der Merowingerstraße in Kleve, die später das Heim der Gruppe St. Werner wurde. Visbeck bei Dülmen Im Herbst 1927 wurde in Visbeck ein Kreiserho- van Luyn, Adrianus lungsheim errichtet. Gedacht für eine sechswöchige Bischof Adrianus van Luyn SDB, geboren am 10.8. Kur für 40 Jungen oder Mädchen mit einem labilen 1935, Bischof von Rotterdam, ist Vizepräsident der Gesundheitszustand. Die Leitung lag bei im Heim COMECE. wohnenden Clemensschwestern. Täglich fand in der nahe gelegenen Kapelle durch einen von der van Thiel, Alfons Kreisverwaltung bestellten Geistlichen, dem auch Alfons (Föns) Matthias van Thiel, geboren am die seelsorgliche Betreuung des Hauses oblag, ein

119 katholischer Gottesdienst statt. Das Kindererho- von Papen, Franz lungsheim brannte im Oktober 1939 ab. Franz von Papen, geboren am 29.10.1879 in Werl, gestorben am 2.5.1969 in Obersasbach/Baden, von Faulhaber, Michael deutscher Politiker (Zentrum) und Berufsoffizier. Kardinal Dr. Michael von Faulhaber, geboren am Am 30.5.1932 wurde er zum Reichskanzler berufen 5.3.1869 in Klosterheidenfeld, Priesterweihe am und am 1.6.1932 als Nachfolger Heinrich Brünings 1.8.1892, gestorben am 12.6.1952 in München. ernannt, aber bereits am 1.12.1932 durch Kurt von 1911 wurde er Bischof von Speyer und wählte den Schleicher abgelöst. Durch seine Besprechungen Wahlspruch „Vox temporis Vox Dei! – Der Ruf der mit Adolf Hitler am 4.1.1933 ebnete Papen diesem Zeit ist Gottes Ruf!“ 1917 wurde er Erzbischof von den Weg an die Macht („Steigbügelhalter“ Hitlers) München und Freising und 1921 Kardinal. und trat am 30.1.1933 als Vizekanzler in das Kabi- nett Hitler ein. von Galen, Clemens August Kardinal Dr. theol. h. c. Clemens August Graf von Waldsanatorium in Planegg Galen, geboren am 16.3.1878 in Dinklage/Olden- Diese Heilstätte wurde 1896–1898 vom Verein für burg, von 1898 bis 1903 Studium der Theologie in Volksheilstätten errichtet. Barmherzige Schwestern Innsbruck, Priesterweihe am 28.5.1904 in Münster. vom heiligen Vinzenz von Paul übernahmen das Von 1906 bis 1929 lebte er als Seelsorger in Berlin, Lungensanatorium und führten es bis zum 30.9. 1929 übernahm er die Pfarrei St. Lamberti in Mün- 1984. Seitdem leben dort Schwestern im Ruhe- ster. 1933 Ernennung durch Papst Pius XI. zum stand. Seit 1997 ist Planegg als öffentliches Al- Bischof von Münster, Bischofsweihe am 28.10. tenheim anerkannt. 1933. Die kirchenfeindliche Politik der NSDAP verurteilte er öffentlich und forderte ein offensives Wann wir schreiten Seit’ an Seit’ Vorgehen des Episkopats gegen das NS-Regime. 1. Wann wir schreiten Seit’ an Seit’ und die alten 1941 hielt er drei Predigten, die sogenannten Lieder singen und die Wälder widerklingen, „Brandpredigten“, in denen er die Beschlagnah- fühlen wir, es muß gelingen: mit uns zieht die mung von Kirchengut und die Euthanasiemaßnah- neue Zeit. men der Nationalsozialisten anprangerte. Sie wur- 2. Einer Woche Hammerschlag, einer Woche den als Kopien in Deutschland verbreitet und später Häuserquadern zittern noch in unsern Adern. auch von den Alliierten in Flugblättern auszugs- Aber keiner wagt zu hadern: Herrlich lacht der weise vervielfältigt. Aufgrund seiner mutigen Kritik Sonnentag. am NS-Staat wurde er als „Löwe von Münster“ 3. Birkengrün und Saatengrün: Wie mit bittender auch im Ausland bekannt. Am 18.2.1946 wurde er Gebärde hält die alte Mutter Erde, daß der Kardinal. Er starb am 22.3.1946 an einem Blind- Mensch ihr eigen werde, ihm die vollen Hände darmdurchbruch. Am 9.10 2005 wird er in Rom hin. seliggesprochen.

120 4. Wort und Lied und Blick und Schritt, wie in uralt Weber, Familie ew´gen Tagen wollen sie zusammenschlagen, Karl Leisner hatte Familie Weber in Alpseewies bei ihre starken Arme tragen unsre Seelen fröhlich Bühl am Alpsee bei Immenstadt auf seiner „Allgäu- mit. fahrt“ (1. – 28.8.1936) kennengelernt. 5. Wann wir schreiten Seit' an Seit' und die alten Lieder singen und die Wälder widerklingen, Wetter, Friedrich fühlen wir, es muß gelingen: Mit uns zieht die Kardinal Friedrich Wetter, geboren am 20.2.1928 in neue Zeit. Landau, Priesterweihe am 10.10.1953 in Rom, 6. Heil'gem Kampf sind wir geweiht, Gott verbrennt Bischofsweihe am 29.6.1968 in Speyer, seit 28.10. in Zornesfeuern eine Welt. Sie zu erneuern, wol- 1982 Erzbischof in München, seit 15.5.1985 Kardi- len kraftvoll wir beteuern! Christus, Herr der nal. neuen Zeit. Worte: Hermann Claudius, geboren 1878, Urenkel Wir haben Hunger, Hunger von Matthias Claudius, Weise: Michael Englert Wir haben Hunger, Hunger, Hunger, haben Hunger, 1914. Eine weniger bekannte Melodie stammt von Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, Hunger, Armin Knab 1931. haben Durst. Der Jungführer brachte 1929 vermutlich von Statt einer Wiederholung gab es auch eine Erweite- Ludwig Wolker den Artikel: rung: Christus, Herr der neuen Zeit! Wo bleibt das Essen, Essen, Essen, bleibt das Es- Es ist hocherfreulich, daß sich die Christusstro- sen, Essen, Essen, bleibt das Essen, Essen, Essen, phe, die Ludwig Hugin zum Sturmlied der deut- bleibt die Wurst? schen Jugendbewegung „Wann wir schreiten“ gedichtet hat, mehr und mehr durch das ganze Wissing, Antonius katholische Deutschland singt. Überall, wohin Antonius (Tonius) Wissing, geboren am 23.6.1913 ich zu Tagungen komme, höre ich sie erklingen. in Leer/Burgsteinfurt, Priesterweihe am 6.8.1939 in Jüngst hörte ich bei einer großen Tagung einen Münster, gestorben am 29.12.1941. Bischof sie den jungen Katholiken zurufen. Möge dieses Bekenntniswort katholischer Ju- Wissing, Wilhelm gendbewegung immer weiter sich singen in Dr. theol. h. c. Wilhelm Wissing, geboren am 31.1. deutschen Landen. 1916 in Vreden, Priesterweihe am 21.12.1946 in Aber eine Bitte, einen Auftrag an alle: Singt die Münster, gestorben am 12.11.1996. Strophe unverändert, stehend und als letzte, nicht als vorletzte Strophe. „Christus, Herr der Wolker, Ludwig neuen Zeit!“, damit schließt für uns das Lied! Ludwig Wolker, geboren am 8.4.1887 in München, Bei dem Gelöbnis „wollen machtvoll wir Priesterweihe am 29.6.1912 in Freising, gestorben beteuern“ heben wir alle straff die Hand hoch am 17.7.1955 in Cervia bei Ravenna (Italien). Vom wie zum Schwur. 9.11.1926 bis zur endgültigen Auflösung des Ka-

121 tholischen Jungmännerverbandes im Februar 1939 schlagenen Zeltstangen, drei Heringen aus Holz war er dessen Generalpräses. oder später Metall und einer Zeltleine. Ab 1931 führte die Reichswehr Dreieckszeltbahnen ein. Wormland, Bernhard Entsprechend der Gruppengröße wurde aus mehre- Bernhard Wormland, geboren am 10.12.1907, Prie- ren Zeltbahnen ein gemeinschaftliches Zelt gebaut, sterweihe am 23.12.1933 in Münster, gestorben am wobei möglichst mehr Bahnen als Personen vor- 4.9.1961 in Xanten. Ab dem 8.1.1934 war er Ka- handen sein sollten. plan in Goch, St. Maria Magdalena. Nach seiner Soldatenzeit von 1940 bis 1945 kam er wieder nach Zingulum Goch. Zusätzlich wurde er am 21.1.1939 Kreisvikar Siehe: Cingulum . im Dekanat Goch. Vom 5.3.1955 bis zu seinem Tod war er Propst in Xanten. Er gehörte zu Karl Leis- zu Salm-Salm, Alfred ners priesterlichen Freunden. Prinz Alfred zu Salm-Salm, geboren am 16.2.1920 auf Schloß Loburg bei Coesfeld, gefallen in der Zeltbahn Normandie (Frankreich) am 30.7.1944, war ver- Eine Zeltbahn war aus feinem Segeltuch, das bei mutlich Heimschüler in Maria Laach. Feuchtigkeit aufquoll und dann wasserdicht war, sie maß 1,60 x 1,60 m und war aus zwei Teilen genäht, zu Salm-Salm, Franz-Karl die Ränder waren umnäht. Die Farbe war braun, ab Prinz Franz-Karl zu Salm-Salm, geboren am 22.2. 1915 auch schilf oder grau. Seit 1893 führten Sol- 1917 in Münster, stammte von Schloß Loburg bei daten eine Zeltausrüstung mit sich: Zeltbahn und Coesfeld und war Heimschüler in Maria Laach. das Zubehör bestehend aus drei hölzernen, eisenbe-

122 Fragen zur Kommentierung der Tagebücher

Die Gruppe St. Werner 1928 mit Dr. Walter Vinnenberg

Obere Reihe von links: 1. Hermann Mies, 4. Walter Vinnenberg, 5. Föns van Thiel. Untere Reihe: 2. Josef Mies, 3. Willi Leisner, 4. Karl Leisner (mit Klampfe), 5. Peter Drießen.

An welchem Bahnhof wartet die Gruppe auf den Zug? 1928 gab es Gruppenfahrten nach Nideggen und Westfalen (Buldern, Telgte).

123 22.1.1934 16.6.1934 Während des Gemeinschaftslagers in Reinshagen „Gott, erbarme dich derer, die mir Übles wollen!“ besuchten die Schüler im Remscheider Theater ein Handelt es sich um ein Zitat? Wer kennt die Stück von Hilpich . Quelle? Wer weiß etwas über den Theaterstückeschreiber Hilpich? 30.6.1934 11.00 bis 12.30 Uhr auf Walter [Vinnenberg] 19.3.1934 gewartet! Gelesen im Unizeitschriftenzimmer . In der Skizze für einen Gruppenabend wird die (Casuistik: Apothekenverkäuferin: Verkauf von Erzählung „Der Lanschadschit“ erwähnt. Mitteln zur Sünde, Mithilfe zur Sünde? Wieweit, in Wer kennt die Erzählung? welchem Fall? (Braut = Geständnis über sündiges Vorleben!) 11.4.1934 Welche Zeitschrift könnte das gewesen sein? In einem Zeitungsausschnitt ist von einem VDZ-Büro die Rede. 9.7.1934 Was bedeutet VDZ? „...wir lassen ihn uns nicht rauben, den heiligen Vater (Väter?)glauben! Wir halten zusammen, ob 15.5.1934 Leben ob Tod - uns zwingt nichts schwach, Verbot Statt Ausgang heute Sport. Stechemesser ein und Not!“ sauberer Kerl. Handelt es sich um ein Zitat? Wer kennt die Wer war Stechemesser? Quelle?

27.5.1934 9.7.1934 Die Jungschar singt „Empfang des Fürsten Jupp Vermeegen beginnt seinen Brief an Karl Bonzelnratz“. Leisner mit einem Zitat: „Bei des Sommers Wer kennt das Lied? schwüler Hitze, wenn ein jeder sagt, ich schwitze.“ Handelt es sich um ein Zitat? Wer kennt die 8.6.1934 Quelle? „Philipp Klaas, ein DJK-ler, fiel beim Marsch gegen das Separatistengesindel.“ 8.10.1934 Wer weiß etwas über den DJK-ler Philipp Klaas? Im Entwurf einer eucharistischen Bekenntnis- andacht beim Jungscharführer-Treffen: „Gebet aus 11.6.1934 dem Himmel(s?)born“ . „Wie ein Damm gegen die Ströme der Gnade, wie Ist das der Titel eines Gebet- oder Liederbuches eine Wolke, die die Sonne verfinstert, ist Undank.“ o.ä.? (St. Bernhard). Wer weiß, wo dieses Zitat beim hl. Bernhard steht?

124 21.12.1934 Hab’ Dir leider das 1. Heft vom Jahrgang 49 (1934) nicht besorgen können. (Als Ersatz liegt Nr. 4/ J. 48 bei). Welche (Jugend)Zeitschrift hatte 1934 den 49. Jahrgang?

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