Zur Geschichte Von Pollingsried Und Eichendorf Pollingsried, Ein „Abgegangenes“ Dorf Bleibt in Erinnerung
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Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 57 KLAUS GAST Zur Geschichte von Pollingsried und Eichendorf Pollingsried, ein „abgegangenes“ Dorf bleibt in Erinnerung Eine Ortschaft, die im Laufe der Geschichte untergegangen ist, sei es durch die völlige Zerstörung im Krieg, die Aufgabe durch seine Bewohner, Seuchen oder Naturkatastrophen, nennt man in der Fach- welt schlicht einen „abgegangenen Ort“. Gerade aus der Zeit der Verwü- stungen des Dreißigjährigen Krieges kennen wir auch in unserer Gegend etliche solche abgegangene Orte, oft ist von ihnen nur noch der Name in wager Erinnerung geblieben. Anders ist es mit Pollingsried, es ist zwar als Ortschaft „abgegan- gen“, aber die Erinnerung ist noch vorhanden, und die verbliebenen Reste des Dorfes, in Form der kleinen Kirche und der alten Brunnen, ziehen noch heute viele Besucher fast magisch an. Wer nach Pollingsried kommt, der spürt etwas von der Geschichte dieses Ortes, da ist eine Spur verblieben, die nach all den Jahren seit dem Verschwinden des Ortes nicht abgegangen ist. Dieser Spur zu folgen, dienen die nächsten Zeilen. Pollingsried, oder wie es im Mittelalter hieß Pollingerried, danach auch Pollingried, ist offenbar eine durch Rodung entstandene Siedlung, wie uns der Namensbestandteil „-ried“ verrät. Über die ersten Jahrhun- derte seines Bestehens können, wie bei vielen Orten, keine gesicherten Aussagen gemacht werden. Mit einer Urkunde vom 15. April des Jahres 1010 wurde von Kaiser Heinrich II dem Kloster Polling, das in der Zeit der so genannten Ungarnkriege im zehnten Jahrhundert wohl ziemlich untergegangen war, verschiedene Besitzungen wieder zurückgegeben, die es vor seiner Zerstörung, bzw. vor den Arnulfingischen Säkularisatio- nen besessen hatte. In dieser Urkunde, die für Weilheim und auch ande- re Ortschaften die erste urkundliche Erwähnung und damit Grund für eine 1000-Jahrfeier in 2010 ist, wird u. a. auch „Riet“ genannt, was höchstwahrscheinlich das Pollinger Riet – eben Pollingsried – ist. Pol- lingsried hätte demnach mindestens vor dem Jahr 955, in welchem mit der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August der entscheidende Schlag 57 Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 58 gegen die seit Jahrzehnten zerstörerisch einfallenden Ungarntruppen die Zeit der Ungarnkriege geendet hat, bestanden. Gerade im neunten Jahrhundert entstanden wegen des Bevölke- rungswachstums in unserer Gegend viele Orte mittels planmäßiger Rodungen von Waldgebieten. Auch sie tragen oft den Namensbestandteil „-ried“ in ihrem Ortsnamen. Die Umgebung war bereits mit zahlreichen älteren Dörfern besiedelt, so bestanden um 850 nachweislich Habach, Eglfing, Tauting, Huglfing, Obersöchering, Polling, Seeshaupt u. a. In einer Urkunde von 1162 ist bereits eine kleine Kirche in Pol- lingsried genannt, der Ort hatte demnach offenbar bereits eine gewisse Tradition, weil in der Regel kein ganz neuer Rodungsplatz sofort eine eigene Kirche besaß. Eine Entstehung spätestens im 9. Jahrhundert ist also anzunehmen. Die oben genannte Urkunde von 1162, in der Pol- lingsrieds Gotteshaus genannt wird, betrifft übrigens eine Besitzstreitig- keit um das Gut und die Kapelle in Pollingsried. Es stritten der Adlige Berthold von Hohenwang und das Kloster Polling und diese trugen ihre Auseinandersetzung vor das herzogliche Gericht. Prälat Franz Töpsl veröffentlichte die diesbezügliche Urkunde in seinem 1760 erschienenen Buch Succincta Informatio de Canonia Pollingana1. Im Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt vom 6. April 1873 wurde der Text wie folgt zusammenfassend übersetzt: „…Kund sei allen Gläubigen Christi, dass das Gut Riet samt Kapelle Otramnus und sein Sohn, Hörige der Kirche des Herrn, des Erlösers (= Klosterkirche St. Sal- vator in Polling, (Anmerkung der Redaktion)) besessen hatten und dass, als ein Streit zwischen den Brüdern eben desselben Klosters und Ber- thold von Hohenwang entstanden war, selbiges in gerichtlichem Verfah- ren der Kirche des Erlösers in Gegenwart Heinrichs, Herzogs von Bay- ern und Sachsen und Bertholds, des Grafen von Andechs, zugesprochen worden ist …“ (vgl. Abb. folgende Seite) Im Jahre 1752 berichtete der Raistinger Pfarrer und Dekan Franz Sales Gailler in seiner Beschreibung des Weilheimer Dekanates „Vinde- liciae Sacrae“2 über die Filiale der Pfarrei Eberfing, St. Georg in Pollings- ried. Er schrieb, dass der Weiler Pollingsried etwa eine Stunde Wegs von Eberfing nach Osten gelegen sei und aus vier Anwesen bestünde. 58 Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 59 Seite aus Töpsls Buch „Succincta Informatio de Canonia Pollingana“ von 1760 Gailler zitierte dann einen älteren Visitationsbericht, der beklagte, dass der Zustand der uralten Kirche von Pollingsried äußerst ruinös sei. Das Dach sei undicht, das Gebäude baufällig, die Ausstattung schlecht, der einzige Altar der Kirche sei dem heiligen Georg geweiht und im kleinen Turm hingen zwei Glocken. Als weitere Weiler nannte er anschließend Eichendorf mit fünf Häusern, Ludwigsried, Rohrmoos, Streitberg, Gra- fenried etc., mit je nur einem Haus. 59 Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 60 Auszüge aus der „Vindeliciae sacrae“ von 1752 Das auf einer Waldlichtung gelegene Kirchlein ist außen mit rauem Verputz überzogen und weiß gekalkt. Das Dach ist mit neueren, nicht besonders gut zum alten Gebäude passenden Ziegeln gedeckt. Der kleine im Westen aufgesetzte Dachreiter, in dem zwei 1952 neu beschaffte Glocken hängen, die auch heute noch von Hand geläutet werden müssen, schließt oben mit einem blechbeschlagenen Spitzhelm ab. Bereits 1797 waren zwei Glocken beschafft worden, sie mussten aber im 1.Weltkrieg 1917 abgeliefert werden. Die Innenmaße der Kirche betragen im Schiff: 9 m (Länge), 4 m (Breite) und 4,5 m (Höhe); der asymmetrisch rechtsseitig eingezoge- ne Chor bildet nahezu ein Quadrat mit 3,5 m Seitenlänge und fast gleicher Höhe. Die nordseitig angebaute Sakristei hat eine Fläche von 60 Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 61 Außenansicht des Pollingsrieder Kirchleins (Foto: Dr. Daniel Gerstein, München) rund 6 m2. Es gibt Anzeichen, dass das Kirchlein erst später um den Altarraum und die Sakristei erweitert worden ist. Für den Bau des heuti- gen Kirchleins ist das Jahr 1657 anzunehmen, denn nachdem das Gebäude, laut den Aufzeichnungen eines Eberfinger Pfarrers 3, im Jahre 1655 ein Raub der Flammen geworden war, wurde es wieder aufgebaut, worauf auch die Überlieferung der Bezeichnung des ehemaligen Weihe- steins des Altars mit der Jahreszahl 1657 hinweist.4 Von der ursprüng- lichen Ausstattung sind noch einige Teile erhalten, so der hübsche Hochaltar, der unmittelbar an die Ostwand angebaut wurde. Der Altar- aufbau stammt aus der Zeit um 1790, als der „kühle“ Stil des Klassi- zismus auch im bayerischen Oberland die Verspieltheit der Rokokozeit abgelöst hatte. Die sparsamen Verzierungen des Altaraufbaues, der aus Stuckmarmor und Holz besteht, sind in dem für diese Zeit typischen grünlichen Farbton gefasst. Als Mittelpunkt des Altares ist ein Bild ein- gelassen, das den hl. Georg als Reiter – mit wehendem rotem Mantel vor einer im Hintergrund dargestellten Burg – zeigt. Offenbar ist der klassi- zistische Altaraufbau dem älteren Steinaltar aufgesetzt worden, dessen Weihestein inzwischen leider nicht mehr erhalten ist. Über den Künstler, 61 Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:04 Uhr Seite 62 der den Altar gebaut hat ist, mangels erhalten gebliebener Rechnungen, keine sichere Aussage möglich. Aber durch Vergleich mit ungefähr gleichzeitig entstandenen Altären der Umgebung, fällt eine große Ähn- lichkeit des Altars mit solchen des Pollinger Johann Chr. Greinwald auf, besonders dessen 1785 für Oderding geschaffene Seitenaltäre. Für das Altargemälde könnte der Pollinger Klostermaler Johann Wenzel Albert verantwortlich zeichnen, der gegen Ende des 18ten Jahrhunderts viele derartige Arbeiten in den zu Polling gehörenden Kirchen (z.B. in Etting, St. Andrae) schuf. Auf dem Altar und in der Kirche befinden sich einige in neuester Zeit angeschaffte Oberammergauer Schnitzfiguren, die als Ersatz für die verlorenen historischen Ausstattungsteile beschafft wurden. Ebenso ersetzen neue Kreuzwegstationen ihre verlorene Vorgänger von 1793, also aus der Zeit als die Kirche neu ausgestattet worden war. Der Innenraum des Kirchleins enthält außer dem og. Altar eine kleine mar- moriert gefasste Holzkanzel, die sehr an die der Kirche des nahe gelege- nen Deutenhausens erinnert und ebenfalls aus den Jahren um 1800 stammt. An Stelle eines Seitenaltares ist rechts eine 1996 renovierte Darstellung „gegeiselter Heiland im Kerker“ in die Wand eingelassen, wie sie ab 1740 in unserer Gegend sehr beliebt war und noch heute weit verbreitet ist. Die schmucklosen Innenwände sind weiß getüncht, einzig die Apostelkreuze heben sich teilweise etwas ab. Auf der flachen Mörtel – Decke des Kirchenschiffes ist, von einem einfachen Stuckrah- men eingefasst, ein Deckengemälde von Kunstmaler Emmerich, das schon sehr verblasst ist. Es wurde 1951 vom Eberfinger Trachtenverein gestiftet und stellt, im Stile seiner Entstehungszeit, die hl. Dreifaltig- keit sowie die Gottesmutter Maria mit ihren Eltern Anna und Joachim dar. Auf der Westseite des Innenraums ist eine abenteuerlich schmale hölzerne Empore eingebaut. So manches historisch und künstlerisch wertvolle Ausstattungsstück ist nicht mehr erhalten, besonders schmerzlich ist der Verlust eines Votivbildes von ca. 1634, das für die Geschichte des Pollingsrieder Kirchleins eine wichtige Quelle darstell- te. (Siehe untenstehenden Text von 1873) Aber in den siebziger und