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KLAUS GAST Zur Geschichte von Pollingsried und Eichendorf Pollingsried, ein „abgegangenes“ Dorf bleibt in Erinnerung

Eine Ortschaft, die im Laufe der Geschichte untergegangen ist, sei es durch die völlige Zerstörung im Krieg, die Aufgabe durch seine Bewohner, Seuchen oder Naturkatastrophen, nennt man in der Fach- welt schlicht einen „abgegangenen Ort“. Gerade aus der Zeit der Verwü- stungen des Dreißigjährigen Krieges kennen wir auch in unserer Gegend etliche solche abgegangene Orte, oft ist von ihnen nur noch der Name in wager Erinnerung geblieben. Anders ist es mit Pollingsried, es ist zwar als Ortschaft „abgegan- gen“, aber die Erinnerung ist noch vorhanden, und die verbliebenen Reste des Dorfes, in Form der kleinen Kirche und der alten Brunnen, ziehen noch heute viele Besucher fast magisch an. Wer nach Pollingsried kommt, der spürt etwas von der Geschichte dieses Ortes, da ist eine Spur verblieben, die nach all den Jahren seit dem Verschwinden des Ortes nicht abgegangen ist. Dieser Spur zu folgen, dienen die nächsten Zeilen. Pollingsried, oder wie es im Mittelalter hieß Pollingerried, danach auch Pollingried, ist offenbar eine durch Rodung entstandene Siedlung, wie uns der Namensbestandteil „-ried“ verrät. Über die ersten Jahrhun- derte seines Bestehens können, wie bei vielen Orten, keine gesicherten Aussagen gemacht werden. Mit einer Urkunde vom 15. April des Jahres 1010 wurde von Kaiser Heinrich II dem Kloster Polling, das in der Zeit der so genannten Ungarnkriege im zehnten Jahrhundert wohl ziemlich untergegangen war, verschiedene Besitzungen wieder zurückgegeben, die es vor seiner Zerstörung, bzw. vor den Arnulfingischen Säkularisatio- nen besessen hatte. In dieser Urkunde, die für Weilheim und auch ande- re Ortschaften die erste urkundliche Erwähnung und damit Grund für eine 1000-Jahrfeier in 2010 ist, wird u. a. auch „Riet“ genannt, was höchstwahrscheinlich das Pollinger Riet – eben Pollingsried – ist. Pol- lingsried hätte demnach mindestens vor dem Jahr 955, in welchem mit der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August der entscheidende Schlag

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gegen die seit Jahrzehnten zerstörerisch einfallenden Ungarntruppen die Zeit der Ungarnkriege geendet hat, bestanden. Gerade im neunten Jahrhundert entstanden wegen des Bevölke- rungswachstums in unserer Gegend viele Orte mittels planmäßiger Rodungen von Waldgebieten. Auch sie tragen oft den Namensbestandteil „-ried“ in ihrem Ortsnamen. Die Umgebung war bereits mit zahlreichen älteren Dörfern besiedelt, so bestanden um 850 nachweislich , , Tauting, , Obersöchering, Polling, u. a. In einer Urkunde von 1162 ist bereits eine kleine Kirche in Pol- lingsried genannt, der Ort hatte demnach offenbar bereits eine gewisse Tradition, weil in der Regel kein ganz neuer Rodungsplatz sofort eine eigene Kirche besaß. Eine Entstehung spätestens im 9. Jahrhundert ist also anzunehmen. Die oben genannte Urkunde von 1162, in der Pol- lingsrieds Gotteshaus genannt wird, betrifft übrigens eine Besitzstreitig- keit um das Gut und die Kapelle in Pollingsried. Es stritten der Adlige Berthold von Hohenwang und das Kloster Polling und diese trugen ihre Auseinandersetzung vor das herzogliche Gericht. Prälat Franz Töpsl veröffentlichte die diesbezügliche Urkunde in seinem 1760 erschienenen Buch Succincta Informatio de Canonia Pollingana1. Im Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt vom 6. April 1873 wurde der Text wie folgt zusammenfassend übersetzt: „…Kund sei allen Gläubigen Christi, dass das Gut Riet samt Kapelle Otramnus und sein Sohn, Hörige der Kirche des Herrn, des Erlösers (= Klosterkirche St. Sal- vator in Polling, (Anmerkung der Redaktion)) besessen hatten und dass, als ein Streit zwischen den Brüdern eben desselben Klosters und Ber- thold von Hohenwang entstanden war, selbiges in gerichtlichem Verfah- ren der Kirche des Erlösers in Gegenwart Heinrichs, Herzogs von Bay- ern und Sachsen und Bertholds, des Grafen von Andechs, zugesprochen worden ist …“ (vgl. Abb. folgende Seite) Im Jahre 1752 berichtete der Raistinger Pfarrer und Dekan Franz Sales Gailler in seiner Beschreibung des Weilheimer Dekanates „Vinde- liciae Sacrae“2 über die Filiale der Pfarrei Eberfing, St. Georg in Pollings- ried. Er schrieb, dass der Weiler Pollingsried etwa eine Stunde Wegs von Eberfing nach Osten gelegen sei und aus vier Anwesen bestünde.

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Seite aus Töpsls Buch „Succincta Informatio de Canonia Pollingana“ von 1760

Gailler zitierte dann einen älteren Visitationsbericht, der beklagte, dass der Zustand der uralten Kirche von Pollingsried äußerst ruinös sei. Das Dach sei undicht, das Gebäude baufällig, die Ausstattung schlecht, der einzige Altar der Kirche sei dem heiligen Georg geweiht und im kleinen Turm hingen zwei Glocken. Als weitere Weiler nannte er anschließend Eichendorf mit fünf Häusern, Ludwigsried, Rohrmoos, Streitberg, Gra- fenried etc., mit je nur einem Haus.

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Auszüge aus der „Vindeliciae sacrae“ von 1752

Das auf einer Waldlichtung gelegene Kirchlein ist außen mit rauem Verputz überzogen und weiß gekalkt. Das Dach ist mit neueren, nicht besonders gut zum alten Gebäude passenden Ziegeln gedeckt. Der kleine im Westen aufgesetzte Dachreiter, in dem zwei 1952 neu beschaffte Glocken hängen, die auch heute noch von Hand geläutet werden müssen, schließt oben mit einem blechbeschlagenen Spitzhelm ab. Bereits 1797 waren zwei Glocken beschafft worden, sie mussten aber im 1.Weltkrieg 1917 abgeliefert werden. Die Innenmaße der Kirche betragen im Schiff: 9 m (Länge), 4 m (Breite) und 4,5 m (Höhe); der asymmetrisch rechtsseitig eingezoge- ne Chor bildet nahezu ein Quadrat mit 3,5 m Seitenlänge und fast gleicher Höhe. Die nordseitig angebaute Sakristei hat eine Fläche von

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Außenansicht des Pollingsrieder Kirchleins (Foto: Dr. Daniel Gerstein, München)

rund 6 m2. Es gibt Anzeichen, dass das Kirchlein erst später um den Altarraum und die Sakristei erweitert worden ist. Für den Bau des heuti- gen Kirchleins ist das Jahr 1657 anzunehmen, denn nachdem das Gebäude, laut den Aufzeichnungen eines Eberfinger Pfarrers 3, im Jahre 1655 ein Raub der Flammen geworden war, wurde es wieder aufgebaut, worauf auch die Überlieferung der Bezeichnung des ehemaligen Weihe- steins des Altars mit der Jahreszahl 1657 hinweist.4 Von der ursprüng- lichen Ausstattung sind noch einige Teile erhalten, so der hübsche Hochaltar, der unmittelbar an die Ostwand angebaut wurde. Der Altar- aufbau stammt aus der Zeit um 1790, als der „kühle“ Stil des Klassi- zismus auch im bayerischen Oberland die Verspieltheit der Rokokozeit abgelöst hatte. Die sparsamen Verzierungen des Altaraufbaues, der aus Stuckmarmor und Holz besteht, sind in dem für diese Zeit typischen grünlichen Farbton gefasst. Als Mittelpunkt des Altares ist ein Bild ein- gelassen, das den hl. Georg als Reiter – mit wehendem rotem Mantel vor einer im Hintergrund dargestellten Burg – zeigt. Offenbar ist der klassi- zistische Altaraufbau dem älteren Steinaltar aufgesetzt worden, dessen Weihestein inzwischen leider nicht mehr erhalten ist. Über den Künstler,

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der den Altar gebaut hat ist, mangels erhalten gebliebener Rechnungen, keine sichere Aussage möglich. Aber durch Vergleich mit ungefähr gleichzeitig entstandenen Altären der Umgebung, fällt eine große Ähn- lichkeit des Altars mit solchen des Pollinger Johann Chr. Greinwald auf, besonders dessen 1785 für Oderding geschaffene Seitenaltäre. Für das Altargemälde könnte der Pollinger Klostermaler Johann Wenzel Albert verantwortlich zeichnen, der gegen Ende des 18ten Jahrhunderts viele derartige Arbeiten in den zu Polling gehörenden Kirchen (z.B. in Etting, St. Andrae) schuf. Auf dem Altar und in der Kirche befinden sich einige in neuester Zeit angeschaffte Oberammergauer Schnitzfiguren, die als Ersatz für die verlorenen historischen Ausstattungsteile beschafft wurden. Ebenso ersetzen neue Kreuzwegstationen ihre verlorene Vorgänger von 1793, also aus der Zeit als die Kirche neu ausgestattet worden war. Der Innenraum des Kirchleins enthält außer dem og. Altar eine kleine mar- moriert gefasste Holzkanzel, die sehr an die der Kirche des nahe gelege- nen Deutenhausens erinnert und ebenfalls aus den Jahren um 1800 stammt. An Stelle eines Seitenaltares ist rechts eine 1996 renovierte Darstellung „gegeiselter Heiland im Kerker“ in die Wand eingelassen, wie sie ab 1740 in unserer Gegend sehr beliebt war und noch heute weit verbreitet ist. Die schmucklosen Innenwände sind weiß getüncht, einzig die Apostelkreuze heben sich teilweise etwas ab. Auf der flachen Mörtel – Decke des Kirchenschiffes ist, von einem einfachen Stuckrah- men eingefasst, ein Deckengemälde von Kunstmaler Emmerich, das schon sehr verblasst ist. Es wurde 1951 vom Eberfinger Trachtenverein gestiftet und stellt, im Stile seiner Entstehungszeit, die hl. Dreifaltig- keit sowie die Gottesmutter Maria mit ihren Eltern Anna und Joachim dar. Auf der Westseite des Innenraums ist eine abenteuerlich schmale hölzerne Empore eingebaut. So manches historisch und künstlerisch wertvolle Ausstattungsstück ist nicht mehr erhalten, besonders schmerzlich ist der Verlust eines Votivbildes von ca. 1634, das für die Geschichte des Pollingsrieder Kirchleins eine wichtige Quelle darstell- te. (Siehe untenstehenden Text von 1873) Aber in den siebziger und achziger Jahren des 20ten Jahrhunderts wurde die Kirche in Pollings- ried wiederholt Opfer von sinnlosem Vandalismus. Insbesonders im

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Darstellung des gegeiselten Heilands im Kerker in der Pollingsrieder Kirche (Foto Dr. Daniel Gerstein/München)

Jahre 1987 wurde das Kirchlein gewaltsam aufgebrochen und Feuer gelegt. Die dabei im Nussberger Weiher versenkten Glocken konnten wieder gefunden und zurück gebracht werden. Seit dieser Zeit wurde das Gebäude renoviert und mit einer Alarmanlage gesichert. Erhalten geblieben, aber nicht in Pollingsried selbst aufbewahrt, ist ein Silber- kelch, den 1842 der Pollingsrieder „Hoiß-Bauer“ Georg Streidl der Kirche seines Heimatdorfes gestiftet hat. 5 Dieser 1864 vom Augsbur- ger Bischof Pankratius von Dinkel geweihte Kelch wurde im Jahre 2008 restauriert und wird nun wieder für Gottesdienste in Pollingsried

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Bericht im Weilheimer Tagblatt vom 10. April 2001

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benutzt. Außerdem werden noch zwei Messbücher für Pollingsried auf- bewahrt, wovon das ältere aus dem Jahre 1676 und das jüngere von 1742 datiert. Letzteres, eigentlich zum Gebrauch in Benediktinerklö- stern gedacht, enthält einen handschriftlichen Eintrag, dem zu entneh- men ist, dass es der von 1823 bis 1838 in Eberfing wirkende Pfarrer Franz Wagner an Pollingsried stiftete, er war bis zur Säkularisation der Klöster Mitglied des Benediktiner-Konvents in Benediktbeuern und hatte das Buch offenbar bei der Klosteraufhebung von dort mitgenom- men. Beide Bücher wurden heuer vom Buchbindermeister Emil Schneiderhan fachgerecht restauriert. Genutzt wird die Kirche heutzutage noch besonders beim tradi- tionellen Gottesdienst am Annafest, bei Maiandachten oder seit 1994 zu alljährlichen volksmusikalischen Adventsingen usw. Gerade das Kirchlein dürfte Grund dafür sein, dass der Ort Pollingsried nicht der Vergessenheit anheim gefallen ist. Der auf folgender Seite stehende Abdruck aus dem Weilheim- Werdenfelser Wochenblatt vom 6.4.1873 berichtet unter dem Motto „Erinnerungen an die Vorzeit“ über Pollingsried und seine Geschichte: 6 Einen etwas kürzeren, aber sonst nahezu inhaltsgleichen Text, veröf- fentlichte 1895 der Weilheimer Spitalkurat Andreas Schmidtner in sei- ner Eberfinger Kurzchronik, die er „Notizen zur Geschichte von Eber- fing“ nannte. 7 Große Forstgebiete unserer Umgebung gehörten bis zur 1803 erfolgten Enteignung in der Säkularisation den umliegenden Klöstern. Danach wurde der umfangreiche Waldbesitz in Staatsforst umgewan- delt, nur ein kleiner Teil wurde verkauft, oder den Bauernhöfen als Ersatz für die bisherigen Holznutzungsrechte übertragen. Es wurden in Altbayern etwa 270.000 Tagwerke Wald aus ehemaligem Klosterbesitz dem Staatsforst zugeschlagen. Eine im Juni 1803 gegründete Kommis- sion unter der Leitung Matthias von Schilchers sollte die Wälder ord- nen, neue Forstämter und -bezirke wurden gegründet. Nachdem der Wald dann systematisch vermessen worden war, sollten zur möglichst rationellen Bewirtschaftung größere zusammenhängende Waldgebiete

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Auszug aus dem Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt von 1873

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gebildet werden. Kleinere Forsten wurden verkauft. Andere, zur Abrundung größerer Flächen geeignete, wurden angekauft oder einge- tauscht. Die alten bäuerlichen Forstrechte auf Brenn- und Bauholzent- nahme wurden so weit als möglich abgelöst. Der Staatshaushalt des Königreichs Bayern konnte durch die intensive Forstwirtschaft zeit- weise ein Viertel seiner Einnahmen durch die Nutzung der Staatswal- dungen decken. Nachdem dem Staat auch zwischen Eberfing, Sees- haupt und große Forstgebiete aus ehemaligem Klosterbesitz zugefallen waren, versuchte die Forstverwaltung diesen Besitz mög- lichst abzurunden, um ihn – ohne die Unterbrechungen durch kleine Siedlungen – großflächig zu nutzen. Deshalb kaufte er in den Jahren 1856 bis 1860 viele Weiler und Einzelanwesen auf, um sie abzubre- chen und die dazugehörenden Wiesen, Weiden und Äcker aufforsten zu können. Selbst die Hofstellen wurden beseitigt und mit Fichtenmo- nokulturen bepflanzt. Man erwartete sich hieraus den größten wirt- schaftlichen Nutzen. Die war auch der Grund, warum die Höfe in Pol- lingsried vom Staat aufgekauft wurden.

Als das Pollingsrieder Anwesen der Eheleute Günthner mit dem Hausnamen „Tonibauer“ anno 1856 wegen langfristiger Überschul- dung – auf Druck der Gläubiger – zur Versteigerung ausgeschrieben wurde, griff die Forstverwaltung zu und erwarb das Anwesen. 8 Damit waren die Würfel zum Untergang Pollingsrieds gelegt, die beiden ver- bliebenen Anwesen „Hoiß“ und „Baur“ wurden schließlich ebenfalls vom Staat erworben. Die jeweiligen Anwesenbesitzer verkauften die Höfe und ließen sich 1860 in anderen Orten nieder. 9 Gleiches Schik- ksal widerfuhr auch Goppoltsried, Grafenried, Rohrmoos und Fre- chensee, Die Dörfer Eichendorf und Arnried sollten ebenfalls dieser Forstpolitik zum Opfer fallen, durch den Widerstand der dortigen Hofeigentümer, und der fehlenden Verkaufsbereitschaft, kam es aber nicht zur Realisierung dieses Plans. Am 16. April 1861 wurden die Gebäude der nun staatseigenen Anwesen im Wochenblatt des König- lich Bayerischen Landgerichts Weilheim „… auf Abbruch …“ ausge- schrieben, so dass aus dem Verkauf der Baumaterialien ein Teil des Kaufpreises für die Anwesen wieder erlöst werden konnte.

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Auszug aus Katasterplänen von 1808 (oben) und 1867 (unten) Gast_Pollingsried_ku.qxd 21.10.2008 13:06 Uhr Seite 69

Anschließend wurden die Höfe wirklich vollständig abgebrochen und die ganze Fläche aufgeforstet. Einzig die Kapelle in Pollingsried wurde stehen gelassen, weil auf ihr Stiftungen lagen und die Gemeinde Arnried ihren Unterhalt übernahm. Von den Höfen sind nur noch die ab 1960 restaurierten schönen alten, aus Ackersteinen gemauerten Brunnen zu sehen. Schlossermeister Rudolf Ratzinger aus Seeshaupt hat sie zum Schutz mit eisernen Abdeckgittern überwölbt.10 Aus den landwirtschaftlichen Flächen wurden nun Fichtenwälder. Auch der nord-westlich der Kapelle bestehende einst künstlich angeleg- te Weiher wurde aufgegeben und verlandete langsam, wenngleich auch heute noch Spuren davon, insbesonders der Damm, erhalten sind. Ein Vergleich der beiden Ausschnitte aus den Katasterplänen von Pollings- ried und Eichendorf von 1808 und 1867 zeigt diese Entwicklung im 19. Jahrhundert und das sprichwörtliche „Verschwinden von der Landkar- te“ Pollingsrieds. Neben der Kapelle und den alten Brunnen, erinnert noch eine weitere Spur an Pollingsried. Dies ist die literarische Verarbeitung des Untergangs des Weilers, mit welcher der Schriftsteller Maximilian Schmidt (* 1832 in Eschelkam/Bayerischer Wald; † 1919 in Mün- chen), ein von König Ludwig II. sehr geschätzter Autor volksnaher Geschichten, Pollingsried ein Denkmal setzte. Sein historischer Roman „Der Erbe von Pollingsried“, den er 1880 nach einem Aufenthalt im nahen Hohenberg und einem Besuch des Gottesdienstes am Annafest in Pollingsrieds Kirche schrieb, erzählt in romantisierender Weise von Laurenz Pollingsrieder, einem Bauernsohn aus Pollingsried, der nach Amerika ausgewandert und erst viele Jahre später wieder in die Heimat zurück gekommen sei. Hier musste der Rückkehrer entdecken, dass das kleine Dorf sowie der elterliche Hof in die Hände eines Wucherers gefal- len, zerstört und aufgeforstet worden war. Als personelles Vorbild diente der am 21.3.1828 in Pollingsried geborene Lorenz Schägger vom „Hoiß“, aber abgesehen von der Tatsache, dass Pollingsried eben wie oben beschrieben „abgegangen“ war und ein anderer Hof in Pollingsried durch Verschuldung der Versteigerung anheim gefallen war, ist der Rest der Handlung frei erfunden. Der Roman wurde im Jahre 1921 auch als

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Fortsetzungsroman im Weilheimer Tagblatt abgedruckt. Das Schicksal der im Roman beschriebenen Personen erregte derartig viel Anteilnahme, dass die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12.1.1922 die wahren Umstände des Abgangs von Pollingsried erläutern musste, um die Leser zu beruhi- gen. Eberfings Pfarrer Michael Wankmüller gestaltete aus dem Roman ein Heimatstück mit mehrstimmigen Chorpassagen, Soli, Tanzeinlagen etc., das im Dezember 1926 mehrfach in Eberfing aufgeführt wurde. Dieses Theaterstück Wankmüllers soll in Eberfing um Ostern 2009 in neuer Bearbeitung wieder aufgeführt werden. Als am 16. April 1961 in München eine Gedenktafel zu Ehren Maximilian Schmidts eingeweiht wurde, brachte der Bayerische Rund- funk ein Sendung, in der auch die Geschichte Pollingsried und der Roman dazu vorgestellt wurde.11

Umschlag und Innenseite des Werks von Maximilian Schmidt

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Ursprünglich waren die drei Pollingsrieder Höfe ein gemeinsames Gut des Klosters Polling, selbst im Jahre 1671 sind die drei Höfe in der Hauptsteuerbeschreibung noch als ein ganzer Hof – der von drei Fami- lien bewirtschaftet wird – bezeichnet. Erst um 1700 erfolgte die formel- le Aufteilung in drei Teile, je zwei Anwesen zu 3/8 und eines zu 1/4. Die manchmal geschriebene Behauptung, dass zu Pollingsried einst 14 Anwesen gehörten, bezieht sich wohl auf die zur Kirche Pol- lingsried kirchlich zugeordneten Höfe, nicht auf den Weiler. Die Anwe- sen in Pollingsried waren folgende: 1. „Hoiß“: Das Hoiß-Anwesen war ein 3/8-Hof, der bis 1803 zum Klo- ster Polling gehörte. Die darauf im 19. Jhdt. ansässige Familie hieß Schägger. Lorenz Schägger (geb. am 21.3.1828) diente zum Vorbild des Romans „Der Erbe von Pollingsried“. Die Familie zog nach dem Verkauf des Anwesens im Jahre 1860 nach Oderding, der Abbruch des Hofes erfolgte 1863/64. 2. „Tonibauer“: Dieser Hof war ebenfalls ab der Teilung des Gutes Pol- lingried ein 3/8-Hof des Klosters Polling. Besitzer waren mehrere Generationen der Familie Streitel. 1602 gehörten „Geörgen Streittels Wittib … 3 Roß, 2 Khüe, 1 Ochse, 1 Junckrind, 3 Schaf, 3 Lämer, 2 Imppen (= Bienenvölker)“. Nachdem das Anwesen seit einiger Zeit ziemlich verschuldet war und es wiederholt zu teilweisen Versteigerungen von Besitz gekommen war, dies aber nicht genügte, um die Schulden zu tilgen, wurde auf Drängen der Gläubiger, das Anwesen 1856 öffentlich versteigert. Letzte Besitzer waren Josef und Rosina Günthner. Der Hof wurde 1863/64 abgebrochen. 3. „Baur“: Der Hof war nach der Teilung des Gutes Pollingsried, ein 1/4-Hof des Klosters Polling. Laut Steuerbeschreibung von 1602 gehörten zum Hof des „Georg Pronberger“ zu dieser Zeit „… 3 Roß, 3 Khüe, 2 Junckrinder, 1 Ochsen, 4 Schaf, 2 Lämmer , 1 Imppen …“ Der Hof betrieb nebenbei auch einen Kalkofen, so lieferte der Anwe- senbesitzer Johann Jennewein 1749 beispielsweise 992 Metzen Kalk zum Neubau der Kirche in Aidling. Die letzten Anwesenbesitzer (Josef u. Theresia Mayr) verzogen – nach dem Verkauf des Pollings-

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rieder Hofs – im Jahre 1860 nach Etting, wo sie aus dem Verkaufser- lös einen anderen Hof („Dorfmayr“) erwarben. Das Anwesen „Baur“ wurde 1863/64 abgebrochen. 4. „Tradfranz“: Der Hausname leitet sich von der Flurbezeichnung „Tradt“ (= waldeingesäumte Lichtung als Weideland) und dem Vor- namen „Franz“ ab. Als Hof-Bezeichnung wurde ursprünglich „Weiherhäusl“ verwendet. Er wurde 1711 als eine 1/16-Sölde des Klosters Benediktbeuern errichtet. Dieser Name lässt darauf schließen, dass das Kloster Bene- diktbeuern das Anwesen für einen Betreuer der Benediktbeurer Fischweiher in der Umgebung errichtete. Zum Kloster Benediktbeu- ern gehörten nämlich die Weiher in Eichendorf sowie der Goppolts- rieder Weiher und weitere. Dieses Vorgehen war durchaus üblich, so hatte auch das Kloster Polling z.B. für seine Weiher bei Marn- bach/Haarsee als Fischwärterhaus die Einöde „Rauchen“ gegründet und die Besitzer vom Hof Streitberg dienten Polling als Fischwärter in der Gegend von Pollingsried. Dass das Anwesen nicht zum ursprünglichen Gut Pollingsried gehör- te, zeigt auch der Umstand, dass dieses Anwesen auch nicht zum Klo- ster Polling gehörte, sondern zu Benediktbeuern, das in Pollingsried sonst nicht begütert, aber Haupteigentümer in Eichendorf war. Die Nebenerwerbslandwirtschaft wurde im 19. Jhdt. nicht vom Staatsforst gekauft und abgebrochen, wohl weil kaum landwirtschaft- liche Flächen den Wald durchbrachen und der Bedarf für die Betreu- ung der Fischweiher noch weiterhin verblieb. Das Anwesen, das heute der Familie Hausner gehört, brannte 1989 ab und wurde danach wieder aufgebaut. Die Anwesenbesitzer betreu- en – als letztes erhaltenes Haus von Pollingsried – die dortige Kirche und engagierten sich besonders, die Kapelle nach den Zerstörungen des vergangenen Jahrhunderts wieder zu renovieren. Im Jahre 1823 beschrieb Placidus Braun in seinem Werk „Histo- risch-topographische Beschreibung der Diözese Augsburg“ die Ort- schaften Pollingsried und Eichendorf als Eberfinger Filialen folgender- maßen: „…Pollingsried zum heiligen Georg, 30 Seelen, 1 Stunde (= zu Fuß von Eberfing entfernt (Anm. der Red.))…“ und „…Eichendorf, 34 Seelen, 1 Stunde …“

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Eichendorf, uraltes Bauernland Der Weiler Eichendorf, früher auch Aycheldorff und Aichendorf geschrieben, stammt wohl aus der Zeit des elften Jahrhunderts, als in unserer Region die so genannte zweite Rodungsphase begonnen hatte. Nachdem sich die allgemeine Angst vor dem Weltuntergang zur Jahrtau- sendwende als unbegründet erwiesen hatte und durch die stetig steigen- den Bevölkerungszahlen neuer Siedlungsraum benötigt wurde, ging man in der Zeit nach dem Jahre 1000 daran, systematisch neue Siedlungsplät- ze zu roden. Eichendorf dürfte mit ziemlicher Sicherheit damals als Rodung im ausgedehnten Eichenwald entstanden sein. Eichenwälder waren als so genannte „Schweineweiden“ beliebter Aufenthalt für Wild- schweine. Dieser Reichtum an Wildschweinen dürfte auch der Grund gewesen sein, warum im Mittelalter das Gebiet bei Eberfing besonders als Jagdgegend beliebt war. Die ersten Hinweise auf Eichendorf stammen aus Urkunden ab ca. 1200, so schenkte Abt Bernhard von Benediktbeuern seinem Kloster einen Hof („… prediolum …“) in Aichendorf, wie uns eine Urkunde von 1238 beweist.12 Schon um 1200 übertrug der Zensuale (= Höriger, der seine leibrechtliche Bindung durch Zahlung abgelöst hat) Henricus de Aichindorf eine halbe Hube (= 1/4-Hof) dem Kloster Benediktbeu- ern. Als das Kloster Benediktbeuern in den Auseinandersetzungen zwi- schen den Wittelsbachern und den Andechsern in finanzielle Nöte kam, musste 1245 Abt Bernhard II. unter anderem einen Hof in Aichendorf verpfänden. 1281 überließ Heinrich von Seefeld dem Benediktbeurer Abt seine Höfe, Huben Lehen und alles was er besaß „… in dem Riet zu Aycheldorff …“ 1294 wird in den Besitzlisten des Klosters Benediktbeu- ern in Aichendorf die „Sollenhub“ der „Dietmannshof“ und eine „Albrechtshube“ genannt. Diese Sollenhube beispielsweise, musste dem Kloster alljährlich eine Abgabe von 12 Metzen Weizen und 6 Scheffel Hafer liefern. Die drei genannten Anwesen waren vermutlich die og. von Heinrich von Seefeld überlassenen Höfe. 1485 werden die drei Benedikt- beurer Höfe und der Weiher zu Eichendorf dem herzoglichen Jäger Hans Wagner längerfristig überlassen (vermutlich verpachtet). 1539, nachdem diese Verpachtung geendet hatte, überließ Abt Caspar dem Martin Mayr und dessen Sohn Sebastian ein Lehen in Eichendorf (= Stutz), ebenso Martin Greymold (= Greinwald). Eine Hube in Eichendorf erhielten

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Lienhart Perchtold und seine Frau Agathe, Hans Streitel und seine bei- den Söhne im selben Jahr eine Hofstatt samt Weiher in Eichendorf. Die Hofstellen „Berl“, „Gilg“ und „Wagner“ waren anscheinend zeitweise anders aufgeteilt als heute. Zur selben Zeit versuchte Hans Georg Wagner aus Höhenkirchen – Sohn vorgenannten Hans Wagners – ganz Eichen- dorf in die Hand zu bekommen, weshalb er sich mit seinem Wunsch an den Abt in Benediktbeuern wandte. Er konnte sein Ziel aber nicht errei- chen, weil der Benediktbeurer Abt die Höfe nicht mehr hergeben wollte, da die Anwesen aus „… frommen Stiftungen …“ stammten. Hans Georg Wagner wandte sich an den bayerischen Herzog um Hilfe, er stand näm- lich, wie schon sein Vater, als Obrist-Jägermeister in herzoglichen Dien- sten, doch auch der Herzog konnte oder wollte ihm nicht helfen. 1546 versuchte Hans Wagner nochmals vergeblich die Anwesen zu erwerben, aber auch diesmal weigerte sich der Abt von Benediktbeuern. 1561 verkaufte og. Hans Georg Wagner zwei Drittel der Zehnt- Rechte aus Eichendorf an Propst Gregor Patz von Polling, diese hatte seine Familie scheinbar schon vorher erwerben können. Ab 1641 bewirtschaftete das Kloster Benediktbeuern den 1485 erstmals erwähn- ten Eichendorfer Weiher selber und ließ Fischsetzlinge dorthin verbrin- gen. 1659 wurde der Weiher aber dem Kloster Bernried leibgedingweise überlassen, erst 1681 hatte Benediktbeuern den Weiher wieder zur eige- nen Nutzung zur Verfügung. Er brachte dem Kloster jährlich einen Gewinn von 150 fl. Dass auch früher schon manche Menschen sehr alt werden konn- ten, bewies der Eichendorfer Bauer Ulrich Wildenroder (Greinwald), der 1706 als Hundertjähriger starb und über den Wolfgang Heiss, in einem Beitrag im Lech-Isar-Land-Jahrbuch 1982, ausführlich berichtete. 13 Im 1829 erschienenen Repertorium des topographischen Atlas- blattes Weilheim werden für den Weiler „Aichendorf“ 6 Häuser, eine Kapelle und eine Brandweinbrennerei aufgelistet. Über die Kapelle von Eichendorf ist leider sehr wenig überliefert, nur eine Tafel in der Kapelle gibt etwas Auskunft. Die Tafel (siehe fol- gende Seite) hat als Aufschrift den Text: „Diese Daffl und Cappellen hat machen lassen Georg Mayr aus Glikt sein Sohn Simon, Agathe seine Hausfrau 1667“.14

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(Foto: Frau Dr. Pfeifer, Weilheim)

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Dieser Georg Mayr, Sohn von Peter und Margarethe Mayr sowie sein Sohn Simon Mayr mit dessen Ehefrau Agatha, lassen sich aus anderen Unterlagen ebenfalls als auf dem Stutzenhof ansässig nachwei- sen. Die Familie Mayr war auf diesem Hof bereits seit 1539 und bewirtschaftete ihn bis zum Beginn des 20ten Jahrhunderts. Der genaue Grund für den Kapellenbau, der laut Aussage der Inschrift auf der Tafel „… aus Glikt …“, also wohl aus Dankbarkeit bestand, ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Kapelle stand auf dem Grund des Stutzenhofes, sie war damit Hofkapelle dieses im Obereigentum des Klosters Benediktbeuern stehenden Hofes und wurde nach der Säkula- risation Eigentum der politischen Gemeinde Arnried. Die Kapelle ist dem Viehpatron St. Leonhard gewidmet, dieser von der bäuerlichen Bevölkerung sehr verehrte Heilige ist auch auf dem Altar in der Kapel- le dargestellt. Die Ausstattung stammt aus der Zeit um 1830. Erst um ca. 1885 wurde der ganze Bau erweitert. Seit Beginn des 20ten Jahr- hunderts versieht die Familie Ott vom Anwesen „Wagner“ das dortige Mesneramt, insbesonders das tägliche Gebetläuten mit der einzigen Glocke des Kirchleins. Die Glocke musste wie vielerorts im zweiten Weltkrieg abgeliefert werden, 1953 stifteten die Einwohner Eichen- dorfs aber eine neue, wie sie es auch schon für die 1917 konfiszierte Glocke getan haben. 1970 -1972 wurde die Kapelle unter Mithilfe aller Eichendorfer renoviert. In den Unterlagen der Pfarrei Eberfing, zu der – wie Pollingsried – auch Eichendorf gehört, sind keine Aufzeichnun- gen zum Eichendorfer Gotteshaus vorhanden, wohl weil sie ursprüng- lich eine Privatkapelle war, in der früher die hl. Messe gefeiert nicht werden durfte. Gemeindegotteshaus war auch hier in Eichendorf die Kirche von Pollingsried. Der Ort Eichendorf blieb offensichtlich immer ziemlich gleich groß, das mittelalterliche Dorf wurde nicht durch Anlage neuer Höfe vergrößert. Aber die Anwesen in Eichendorf waren nicht immer gleich im Umfang, vielmehr wurden Höfe manchmal geteilt oder zusammen- gelegt oder Teilanwesen hin- und her geschoben. Das macht die Auf- stellung der Anwesen etwas kompliziert. Hier ist der neuzeitliche Zustand dargestellt. Die nach Hausnummern sortierten Anwesen in Eichendorf sind folgende:

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1. „Stutzenhof“: Die Entstehung des Hausnamen „Stutz“ ist nicht mehr nachvollziehbar, der Name hat sich auch im Flurnamen einer nord- östlich des Hofes liegenden Fläche als „Stutzenfeld“ niedergeschla- gen. Der Hof war ein so genannter „halber Hof“ (=Hube) und gehör- te bis 1803 dem Kloster Benediktbeuern. Rund vierhundert Jahre lang war die Familie Mayr auf dem Hof ansässig, 1539 wurde Martin Mayr als erstes Familienmitglied nachweislich genannt. Laut Steuer- beschreibung von 1602 gehörten zum Hof: „… 2 Roß, 2 Khüe, 1 Junckrind, 3 Schaf, 1 Lampp, 2 Schwein …“ Besitzer war Caspar Mayr. Zum Stutzenhof gehörte bis 1803 auch die 1667 errichtete Eichendorfer Kapelle. Der 1977 umgebaute Hof gehört heute der Familie Prof. Ammer. Aus diesem Anwesen stammt die Abgeordnete im Bayerischen Landtag Frau Renate Dodell. 2. „Gilg“: Der Hausname leitet sich vom Familiennamen Gilg ab. 1602 war ein Perchtold Gilg Besitzer des Hofes. Der Hof war als Hube bis 1803 Eigentum des Klosters Benediktbeuern. Die Besitzerfamilie wechselte öfters. 1602 gehörten zum Anwesen: „… 3 Roß, 4 Khüe, 2 Junckrinder, 4 Schafe, 2 Schwein …“. Das Wohnhaus wurde um 1982 neu gebaut, die landwirtschaftlichen Gebäude ab 1987. Anwesenbesitzer ist heute die Familie Brunner. 3. „Berl“: Die Herkunft des Hausnamens ist nicht mehr nachvollzieh- bar, aber lange verfestigt, da eine Fläche südlich des Hofes mit der Flurbezeichnung „Baerlfeld“ im so genannten Urkataster von 1808 ff eingezeichnet ist. Die Hube gehörte bis 1803 dem Kloster Bernried und musste diesem Kloster alljährlich 10 fl. Stift (= Pachtzins) leisten. Seit 1539 ist die Familie Berchtold als Hofbesitzer nachweisbar, für dieses Jahr ist nämlich Lienhard Perchtold als „Berl-Bauer“ überlie- fert. Ein Wohnhausneubau erfolgte 1949, neben dem erhalten gebliebenen Altgebäude, Stall von 1909, Neubau des Stalles 1994. 4. „Greinwald“: Der Hausname wurde ursprünglich „Greymold“ geschrieben und entwickelte sich dann langsam zu „Greinwald“. Er stammt vom Familiennamen Greymold ab, seit 1539 wird Martin Greymold als Hofbesitzer genannt. Auch diese Hube gehörte bis 1803 zum Kloster Benediktbeuern. Unter (dem eingeheirateten) Wolf Perchtold wurde zum ursprünglich nur als Viertelhof (= Lehen)

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bezeichneten Anwesen ein weiterer Viertelhof von einem Hans Mayr dazugekauft, so dass der Hof nach 1602 eine volle Hube war. Zum Hof gehörten 1671: „…1 Roß, 1 Fohlen, 4 Kühe, 2 Jungrinder , 6 Schafe und ein Bienenstock …“. Die Besitzerfamilie wechselte mehr- fach, heute gehört der um 1980 umgebaute Hof der Familie Spranger. 5. Wagner: Der Hausname stammt vom Familiennamen Wagner ab, 1561 ist Jörg Wagner als Anwesenbesitzer genannt. Der Hof war ein 1/16 - Hof (= Sölde) und gehörte bis 1803 der Pfarrkirche St. Lauren- tius in Eberfing. Die Besitzer – 1671 wird z. B. Balthasar Dosch als solcher genannt – wechselten mehrfach. In der Steuerbeschreibung von 1671 wurden als Vieh-Besitz 2 Kühe und 4 Schafe angegeben. Heute gehört das Anwesen der Familie Ott, Eduard Ott war von 1990 bis 2008 ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Eber- fing. 1961 wurde das Wohnhaus umgebaut, die landwirtschaftlichen Gebäude 1978/1980. 6. „Häuslmo“: Es existierte kein wirklicher Hausname, da keine eigene Landwirtschaft vorhanden war. Das Anwesen war nur ein so genann- tes „Leerhäusl“, also ein Wohnhaus, ohne eigenen landwirtschaft- lichen Grundbesitz. Die Bezeichnung „Häuslmo“ benennt realistisch den Umstand eines Bewohners, der eben nur ein eigenes „Häusl“ besitzt. Die Besitzer waren oft als Taglöhner oder als Hirten tätig und durften eine eigene Kuh oder ein bis zwei Schafe auf die Weide der Eichendorfer Bauern mit austreiben. Umbau des Hauses um 1975, heute im Besitz der Familie Krahl. 7. Wohnhaus von 1966, abgespalten von Hausnummer 6, heute Besitz der Familie Krahl 8. Kapelle von 1667. (Näheres siehe oben im Text) 9. Wohnhaus von 1975, abgespalten von Hausnummer 5, heute Besitz der Familie Dr. Brückner

Schulisch gehörte Eichendorf immer zu Eberfing, die Kinder gin- gen täglich zu Fuß dorthin, erst seit 1971 gibt es einen Schulbus, der die Kinder aus Eichendorf und den anderen Riedschaften nach Eberfing transportieren.

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Die ehemalige Gemeinde Arnried Die Ortschaften und Weiler Arnried, Eichendorf, Ellmann, Lud- wigsried, Streitberg, Goppoltsried, Pollingsried, Hohenberg, Wolfetsried und Kronleiten bildeten einst eine eigene Gemeinde Arnried. Diese Gemeinde hatte auch einen eigenen Bürgermeister, Gemeinderäte, eine Ortsfeuerwehr usw. Im Geographischen Handbuch von Bayern15 wird auch diese Gemeinde im Jahre 1895 statistisch beschrieben. Die Anga- ben zeigen, dass die Gemeinde damals 156 Einwohner und eine Gesamtfläche von 1085 ha hatte. Die Fläche verteilte sich auf 470 ha Wiesen, 52 ha Streu, 125 ha Acker, 396 ha Wald und 42 ha bebautes Land und Straßenflächen. Damit war zwar Arnried flächenmäßig relativ groß, aber die Einwohnerzahl sehr gering. Zu gering, so glaubten die Machthaber 1937 und deshalb wurde die Gemeinde mit Wirkung ab 1.4.1938 – durch Anordnung des Reichsstatthalters in Bayern – aufge- löst und das Gemeindegebiet auf die Nachbargemeinden Eberfing und Seeshaupt aufgeteilt. Das Auflösungsdekret wurde im Amtsblatt des Bezirksamtes Weilheim Nr. 2 vom 14.1.1938 veröffentlicht, und neben anderen Regelungen verfügt, dass Arnried, Eichendorf, Streitberg und Ludwigsried (einschließlich „Tradfranz“ als Teil des ehemaligen Pollings- ried) an Eberfing aber Wolfetsried, Kronleiten, Hohenberg, Ellmann und der Rest von Pollingsried – sprich die Kapelle – an die politische Gemeinde Seeshaupt fielen. Letzter Bürgermeister der Gemeinde Arn- ried war Ignaz Berchtold von Eichendorf. 16

Die Bauern als Klosteruntertanen und die Säkularisation Alle Höfe in Pollingsried und Eichendorf waren seit dem Mittelal- ter im Obereigentum verschiedener Klöster. Waren sie vorher Besitz der großen und begüterten Adelssippen, wie z.B. der Grafen von Andechs und Diessen, oder unterstanden sie direkt dem herzoglichen Haus, so wurden sie nach und nach an die umliegenden Klöster gestiftet. Da diese Klöster selten wieder etwas verkauften, blieben die Anwesen oft über Jahrhunderte hinweg im Obereigentum dieser geistlichen Gemein- schaften und sie wurden oft über viele Generationen an die selben Fami- lien gegen Zins- und Abgabenleistungen verstiftet. Die Höfe in Pollings- ried, die durch Drei-Teilung eines ursprünglich einzigen ungeteilten Gutes Pollingsried entstanden sind, sowie der Wagner-Hof in Eichen-

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dorf und die Anwesen Rohrmoos, Streitberg und Hohenkasten waren Pollinger Eigentum, die Anwesen Greinwald, Stutzenhof und Gilg in Eichendorf, und die Weiler Goppoltsried und Ludwigsried gehörten dem Kloster Benediktbeuern. Zum Kloster Bernried gehörte der Eichendorfer Berlhof und Frechensee dem Stift Habach. Das Verhältnis zwischen dem Kloster als Obereigentümer und dem Bauern als Besitzer ist am ehesten mit einem Pachtverhältnis auf Lebenszeit vergleichbar, wenngleich die gegenseitigen Verpflichtungen, die sich aus dem mittel- alterlichen Lehnswesen herausentwickelt haben, komplizierter sind. Wenn ein Hofnachfolger den elterlichen Betrieb übernehmen wollte, was in der Regel mit seiner Verheiratung zusammenfiel, dann musste er beim Obereigentümer, die Übernahme genehmigen lassen und dafür Abgaben bezahlen. Über die Verheiratung, die Hofübernahme, die Aus- tragsleistungen an die übergebenden Altenteiler und die Leistungen an die weichenden Geschwister wurde vor dem Klosterrichter verhandelt und das Ergebnis dann im „Heurats- und Übergabsprotokoll“ verzeich- net. Diese Protokolle sind noch heute teilweise - in dicke Bände gebun- den - im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München erhalten, wohin sie nach der Säkularisation aus den Klosterarchiven gekommen sind. Bei der Übergabe musste meist der so genannte Leibgeding bezahlt werden, was eine Abgabe von 5-10 % des Wertes des übernommenen Anwesens darstellte. Diese viele Jahrhunderte alte Ordnung wurde durch die Ent- eignung der Klöster 1803 schlagartig aufgehoben, das Obereigentum an den Höfen riss der Staat an sich, der Landesherr, vertreten durch seine Verwaltung, übernahm die Stellung des klösterlichen Obereigentümers. Die Abgaben die vormals die Klöster erhielten beanspruchte nun min- destens in gleicher Höhe der Staat für sich. Theoretisch konnten sich die Bauern vom Obereigentum freikaufen, aber kaum einer hatte das nötige Kapital dazu, so dass erst mit den Reformen von 1848 die Ablösung des Obereigentums zwingend umgesetzt wurde. Erst damit wurden die Bau- ern, deren persönliche Leibeigenschaft zwar 1808 abgeschafft worden war, wirklich frei und uneingeschränkt Eigentümer ihrer Anwesen.

Erläuterungen: 1 Toepsl Franz: „Succincta Informatio de Canonia Pollingana“ Günzburg, 1760 2 Gailler Franz Sales: „Vindeliciea sacrae …“ Augsburg, 1756 3 handschriftliche Aufzeichnungen von Pfarrer Urban Schaidhauf, Pfarrarchiv Eberfing

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4 Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt vom 6. 4. 1873 5 Weiheurkunde des Bischöflichen Ordinariates Augsburg, im Fuß des Kelches einge- schlossen 6 Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt vom 6. 4. 1873 7 Schmidtner Andreas: „Notizen zur Geschichte von Eberfing“ Weilheim, 1895 8 Wochenblatt des Kgl. Bay. Landgerichtes Weilheim vom 27.1.1856 9 Die Familie Schägger ging nach Oderding, Familie Mayr nach Etting 10 Laut telefonischer Auskunft von Prinz Albert von Thurn und Taxis (vom 14.10.2008) 11 Weilheimer Tagblatt vom 14./15.4.1961 12 Hemmerle Dr. Josef: „Die Benediktinerabtei Benediktbeuern“ Germania Sacra NF 28, Bistum Augsburg 1, Berlin/New York, 1991. Hier befinden sich auch die weiteren Angaben zu Benediktbeuerns Besitz in Eichendorf, unter Angabe der benutzten Klosterunterlagen bzw. Klosterliteralien usw. 13 Dort auch interessante Details zu Übergabeverhandlungen, Austrag und Gebühren 14 Sie wurde leider 1967 durch unsachgemäße Übermalung ziemlich beschädigt und bräuchte fachgerecht restaurieren. 15 Götz, Dr. W.: „Geographisches Historisches Handbuch von Bayern“ München, 1895 Dort Daten nach der Volkszählung vom 1.1.1890 vgl. Weilheimer Tagblatt 6.1.1891 16 Laut dem Adressbuch und Geschäftsanzeiger für das Bezirksamt Weilheim von 1934 waren: 1. Bürgermeister: Ignaz Berchtold /Eichendorf; 2. Bürgermeister: Konstantin Popp/Kronleiten; Gemeinderäte: Josef Brunner/Arnried, Johann Brunner/Eichendorf, Josef Dietrich/Arnried und Matthias Leis/Ludwigsried.

Quellen und Literatur:

„Adressbuch und Geschäftsanzeiger für das Bezirksamt Weilheim“ München, 1934 Albrecht Dieter: „Historischer Atlas von Bayern - Das Landgericht Weilheim“ Mün- chen, 1952 „Amtsblatt des Bezirksamtes Weilheim“ vom 14.1.1938 Braun Placidus: „Historisch-topographische Beschreibung der Diözese Augsburg“ Augsburg, 1823 Gailler Franz Sales: „Vindeliciea sacrae…“ Augsburg, 1756 Gast Klaus: „Notizen zur Geschichte von Pollingsried und Eichendorf“ (typograph) Weilheim, 1994 Götz, Dr. W.: „Geographisches Historisches Handbuch von Bayern“ München, 1895 Hemmerle Dr. Josef: „Die Benediktinerabtei Benediktbeuern“ Germania Sacra NF 28, Bistum Augsburg 1, Berlin/New York, 1991

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Hemmerle Dr. Josef: „Hochschloss Pähl“ München, 1953 Heiss Wolfgang: „Ulrich Wildenroder, der hundertjährige Bauer zu Aicheldorf“ in LIL 1982, S. 90 ff Heiss Wolfgang: „Grundherrschaft und Stiftbeträge im Jahr 1671 in Eberfing“ in LIL 1984, S. 263 ff Hohenleitner Luise: „Eberfinger Heimatbuch“ Weilheim, 1998 Katasterpläne von Eichendorf und Pollingsried 1808 ff und 1867 Klosterliteralien v. Benediktbeuern und Polling im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, München Meichlbeck P. Karl: „Chronicon Benedictoburanum“ Benediktbeuern, 1752 Pfarrmatrikel der Pfarrei Eberfing im Pfarrarchiv Eberfing (Taufen ab 1612, Trauungen und Sterbefälle ab 1659) Repertorium des topographischen Atlasblattes Weilheim, o. O. 1829 Rückert Georg: „Die Säkularisation des Klosters Polling“ o. O., 1930 Schmidtner Andreas: „Notizen zur Geschichte von Eberfing“ Weilheim, 1895 Steuerbuch Nr. 467 von 1671 im Staatsarchiv für Oberbayern, München Toepsl Franz: „Succincta Informatio de Canonia Pollingana“ Günzburg, 1760 Weilheim-Werdenfelser Wochenblatt vom 6.4.1873 Weilheimer Tagblatt vom 6.1.1891, 12.1.1922, 15/16.4.1961 und 22/23.7.1994 Wochenblatt des Königlich Bayerischen Landgerichtes Weilheim vom 26.8.1854, 27.1.1856 und 21.4.1861

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