Körtik Tepe, SO Türkei): Neue Bestimmungsversuche Und Interpretation
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Entomologie heute Jahr/Year: 2015 Band/Volume: 27 Autor(en)/Author(s): Walter Sebastian Artikel/Article: Etwa 11 500 Jahre alte Darstellungen von Hymenopteren aus Obermesopotamien (Körtik Tepe, SO Türkei): Neue Bestimmungsversuche und Interpretation. About 11 500 Years Old Images of Hymenoptera from Upper Mesopotamia (Körtik Tepe, SE Turkey): New Determination Efforts and Interpretation 125-148 Etwa 11 500 Jahre alte Darstellungen von Hymenopteren aus Obermesopotamien 125 Entomologie heute 27 (2015): 125-148 Etwa 11 500 Jahre alte Darstellungen von Hymenopteren aus Obermesopotamien (Körtik Tepe, SO Türkei): Neue Bestimmungsversuche und Interpretation About 11 500 Years Old Images of Hymenoptera from Upper Mesopotamia (Körtik Tepe, SE Turkey): New Determination Efforts and Interpretation SEBASTIAN WALTER Zusammenfassung: Am südostanatolischen Körtik Tepe, einem Siedlungshügel nahe der Einmün- dung des Batman in den Tigris, wurden frühneolithische Flachreliefs und Ritzzeichnungen gefun- den, die vermutlich Insekten zeigen. Einige wurden von den Archäologen als Bienen interpretiert. Die hier vorgestellte vergleichende Analyse von fünf Figuren legt die Abbildung von aculeaten Hymenopteren nahe. Hierfür sprechen verschiedene Merkmale, wie die Darstellung vermutlich von Antennen, Flügeln, Wespentaille und Stachel. Aufgrund der dargestellten Morphologie und des kulturellen Kontextes erscheinen Wespen als gemeinsames Grundmotiv wahrscheinlicher als Bienen. Ein weiteres Grundmotiv aller Darstellungen scheint der Prozess der Metamorphose zu sein, mit vermutlichen Darstellungen von Puppe und Imago in der Brutzelle und Imago neben der Brutzelle. Die Figuren könnten Vorstellungen von Tod und postmortaler Existenz symbolisieren. Schlüsselwörter: Präkeramisches Neolithikum, Südost-Türkei, frühe Insektendarstellungen, Hy- menoptera, Wespen, Bienen Summary: At southeast Anatolian Körtik Tepe, a tell near the junction of Batman and Tigris, Early Neolithic bas-reliefs and engravings were found, probably depicting insects. Several of them were interpreted as bees by the archaeologists. The here presented comparative analysis of fi ve fi gures suggests the depiction of aculeate hymenopterans. This is supported by different features, like the depiction of putative antennae, wings, wasp waist and sting. Based on the depicted morphology and the cultural context, wasps appear more likely as a common basic motif than bees. Another basic motif of all images seems to be the process of metamorphosis, with supposed representations of pupa and imago within the brood cell and imago next to the brood cell. The fi gures might symbolize ideas about death and post-mortal existence. Keywords: Pre-Pottery Neolithic, south-eastern Turkey, early insect representations, Hymenoptera, wasps, bees 1. Einleitung 2013; AUBERT et al. 2014). Während des Pleistozäns von jungpaläolithischen Jägern Seit den ersten fi gürlichen Darstellungen vor und Sammlern geschaffene Skulpturen von etwa 40 000–35 000 Jahren sind Tiere ein der Schwäbischen Alb, wie der berühmte zentraler Gegenstand paläolithischer Bild- Löwenmensch (Aurignacien, ca. 40 000– werke (VIALOU 1992; CONARD 2003; COOK 30 000 vor heute), oder Zeichnungen und Entomologie heute 27 (2015) 126 SEBASTIAN WALTER Malereien von Löwe, Pferd, Nashorn, Mam- jungpaläolithischen Kunst Europas sind mut, Wisent, Auerochse, Hirsch in den Höh- nur äußerst wenige Insektendarstellungen len von Chauvet (Aurignacien), Pech-Merle überliefert (BAHN & BUTLIN 1990). Die von (Gravettien, ca. 30 000–22 000 vor heute), BAHN & BUTLIN (1990) zusammengetrage- Lascaux, Niaux und Altamira (Magdalénien nen zehn Funde aus Deutschland, Belgien, ca. 19 000–14 000 vor heute) sind als her- der Schweiz und Frankreich entstammen ausragende Kunstwerke bekannt (VIALOU wohl überwiegend dem Magdalénien. Ne- 1992; ARCHÄOLOGISCHES LANDESMUSEUM ben dreidimensional gearbeiteten Objekten BADEN-WÜRTTEMBERG & ABTEILUNG ÄLTERE aus Stein oder Knochen sind auch Ritz- URGESCHICHTE UND QUARTÄRÖKOLOGIE DER zeichnungen überliefert. Die vermutlichen EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN Insektendarstellungen sind nur wenige 2009; COOK 2013). Tiere waren für die Zentimeter groß. Eine Ritzzeichnung gibt damaligen Menschen ein zentraler Bestand- mit großer Sicherheit eine Springschrecke teil ihrer Umwelt. Sie waren als Jagdbeute wieder. Eine andere Ritzzeichnung könnte wichtige Lebensgrundlage, stellten teilweise nach Ansicht der Archäologen vielleicht eine aber auch eine Gefahr für den Menschen Ameise darstellen (es könnte sich jedoch dar. Die jungpaläolithischen Bildwerke auch um ein anderes Insekt, zum Beispiel zeigen zumeist große Säugetiere, Vögel einen Käfer, handeln). Ein Objekt wurde und Fische, welche der regionalen Tierwelt als Abbildung der Larve von Oedemagena entnommen wurden (SERANGELI 2009). Da tarandi (nach heutiger Nomenklatur Hypoder- die Häufi gkeit der Abbildung bestimmter ma tarandi, Rentierdasselfl iege) beschrieben. Tiere im Allgemeinen nicht deren natürli- Die meisten dieser Darstellungen wurden chem Auftreten oder deren Bedeutung für als Käfer interpretiert, so als Dytisciden die Ernährung entspricht, standen bei der (Schwimmkäfer), Necrophoren (nach heuti- Motivauswahl wohl andere Kriterien im Vor- ger Nomenklatur Nicrophorus, Totengräber), dergrund (HAHN 1986; VIALOU 1992; COOK Coccinelliden (Marienkäfer), Buprestiden 2013). Es wurden „vor allem kräftige, vor (Prachtkäfer) oder Carabiden (Laufkäfer) Lebenskraft strotzende Tiere abgebildet“ und nicht näher bestimmte Coleopteren. (SERANGELI 2009, S. 247). SERANGELI (2009, Die Bildwerke sind meistens sehr reduziert S. 247) sieht darin vor allem den Wunsch, und abstrahierend gestaltet. Es sind grob die „mit der Tierwelt in Kontakt“ zu treten und Körperumrisse wiedergegeben und teilweise sich ihrer zu „bemächtigen“, mit dem Mittel Körpersegmentierung, Flügel, Farbmuster, der Abbildung als „‚magische Handlung‘“ Augen oder Atemöffnungen, bei den Ritz- „Kontrolle“ auszuüben. Nach HAHN (1986) zeichnungen auch Beine angedeutet. Die wurden mit den Tieren vielleicht Ordnungs- dargestellten Tiere sind nur schwer bestimm- strukturen der Welt dargestellt, wobei sich bar; vielfach ist selbst die Interpretation als der Mensch als Jäger mit Raubtieren und Insekt fraglich. Wie Durchlochungen bei anderen ‚Kraft- und Macht‘-Tieren gleich- einigen dieser Objekte schließen lassen, setzte. Weitere Deutungsansätze sehen die wurden sie vermutlich zumindest teilweise Tierdarstellungen unter anderem im Kon- als Anhänger oder auf Kleidungsstücke text von Schamanismus, Ahnenkult oder aufgenäht getragen (BAHN & BUTLIN 1990; Initiationsriten (CONARD 2003; FLOSS 2009; BELLES 1997). DINGFELDER (1961, S. 92) COOK 2013). vermutete, dass Aaskäfer (Totengräber) und Abbildungen von Insekten spielen in der Rentierdasselfl iegenlarven als Leben, das Frühzeit der figurativen Kunst nur eine aus „Tod und Zersetzung“ hervorgeht, die marginale Rolle (SERANGELI 2009). Aus Aufmerksamkeit der paläolithischen Jäger der an Tierdarstellungen äußerst reichen hervorgerufen haben könnten. Andererseits Etwa 11 500 Jahre alte Darstellungen von Hymenopteren aus Obermesopotamien 127 hielt er es aber auch für möglich, dass ins- (vgl. HELMER et al. 2004; PETERS & SCHMIDT besondere Larven von Insekten dargestellt 2004). worden sein könnten, weil sie der Ernährung Die Identifi zierung der dargestellten Tiere dienten. könnte zu einem besseren Verständnis der Beeindruckende Tierdarstellungen begegnen Bildzeichen beitragen und damit tiefere Ein- uns auch zu Beginn des Neolithikums im blicke in die Vorstellungen und Weltbilder Norden Mesopotamiens, während der ers- der ersten Neolithiker gewähren. Die früh- ten Phase des sogenannten präkeramischen neolithischen Tierdarstellungen sind Teil Neolithikums (Pre-Pottery Neolithic A, kurz eines „einzigartigen Systems von Symbolen“ PPN A, ca. 12 000–10 800 vor heute), in (STORDEUR 2010, S. 124), eines „komplexen Form von Flachreliefs, Gravierungen und steinzeitlichen Zeichensystems“ (KÖKSAL- Skulpturen. Es sind teilweise recht große SCHMIDT & SCHMIDT 2007, S. 109), das bisher Darstellungen, wie auf den Steinpfeilern erst in Ansätzen analysiert ist und welches als des Göbekli Tepe (eine 20 m hohe Erhe- wichtiger Schritt zur Entwicklung der Schrift bung nordöstlich der Stadt Şanlıurfa mit betrachtet werden kann (WATKINS 2001). megalithischen Kultanlagen des PPN A, die Im Folgenden werden einige Bildwerke seit 1995 von einem Team um den kürzlich des PPN A aus Gräbern vom obermeso- verstorbenen KLAUS SCHMIDT archäologisch potamischen Körtik Tepe analysiert, die untersucht wird; in die kreisförmigen Mau- vermutlich Insekten darstellen. Ziel war es, ern sind große, monolithische Pfeiler einge- die dargestellten Tiere genauer zu identifi zie- setzt, die Reliefs mit Bildern verschiedener ren, um so auf deren Bedeutung schließen Tiere und abstrakten Zeichen aufweisen), zu können. Die vorliegende Betrachtung aber auch kleinere auf Gefäßen, Täfelchen schließt an eigene frühere Untersuchungen und anderen Objekten aus Stein oder Kno- zu Bildwerken des nordmesopotamischen chen von verschiedenen Fundorten. Diese PPN A an (WALTER 2014), die hierdurch Bildwerke wurden durch Sammler und Jä- ergänzt werden. ger geschaffen, die am Übergang zu einer bäuerlichen Kultur standen (SCHMIDT 2006; 2. Material und Methode BADISCHES LANDESMUSEUM KARLSRUHE 2007; ÖZDOĞAN et al. 2011 a, b). 2.1. Körtik Tepe Auch deren