Musik Als Abbild
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MÜNCHNER VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR MUSIKGESCHICHTE Begründet von Thrasybulos G. Georgiades Herausgegeben seit 1977 von Theodor Göllner Band 33 Manfred Hermann Schmid Musik als Abbild VERLEGT BEI HANS SCHNEIDER • TUTZING MANFRED HERMANN SCHMID MUSIK ALS ABBILD Studien zum Werk von Weber, Schumann und Wagner VERLEGT BEI HANS SCHNEIDER • TUTZING 1981 Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ISBN 3 7952 0332 5 © 1981 by Hans Schneider D 8132 Tutzing Alle Rechte Vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne schriftliche Genehmi- gung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren zu vervielfältigen und zu verarbeiten. Gesamtherstellung: Druck + Verlag Ernst Vögel GmbH, 8000 München 82 und 8491 Stamsried Meiner Mutter Dieses Buch ist aus einer Reihe von Lehrveranstaltungen zur Musik des 19. Jahrhunderts an der Universität München in den Jahren 1975—79 her- vorgegangen. Noch während des Entstehens war es so von Anregungen und Kritik begleitet. Meia Dank gilt hier vor allem Herrn cand. phil. Bernd Edelmann. Von drei Bibliotheken hatte ich besondere Hilfe: von der Musiksammlung der Bayerischen Staatsbibliothek in München (Dr. Robert Münster), der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Dr. Otto Biba) und dem Richard-Wagner-Museum in Bayreuth (Dr. Manfred Eger). Danken darf ich zuletzt dem Verleger Hans Schneider für Interesse wie Förderung. Manfred Hermann Schmid INHALT EINFÜHRUNG ................. 9 I DER WECHSEL DER PERSPEKTIVE ..................................... 11 1. Webers Freischützwalzer ..... 11 2. Das Scherzo der 3. Symphonie von Schumann .................... 27 II DIE LANGSAME EINLEITUNG IN NEUER BEDEU- TUNG ...... 35 1. Der erste Satz der Symphonie in B-Dur von Schumann ..... 35 2. Die Freischützouvertüre .......................................................... 47 3. La Carnaval Romain von Berlioz ........................................... 53 III DAS POETISCHE BEI SCHUMANN ...................................... 57 1. Gespaltenheit im Zeitablauf: Das Ende des langsamen Sat- zes im Klavierkonzert in a-moll (1845) .................................. 57 2. Geweiteter Raum. Das Adagio des Streichquartettes Nr. 3 in A-Dur (1842) .................................................................. 63 3. Erinnerungshaltung .............................................................. 71 a) Die Aria der fis-moll Sonate op. 11 .................................. 71 b) Die letzte Variation der Symphonischen Etüden op. 13 89 4. Entmaterialisierung des Tons ..................................... 102 IV SCHUMANN UND WAGNER ................................................. 121 V MELODIE BEI WAGNER .......................................... 131 1. Singstimme und Orchester. Loges Erzählung im Rheingold 131 2. Melodie und Klang .......... 144 a) Tannhäuser: Anfang der Ouvertüre und Schluß des Bac- chanals ............................................................................... 145 b) Tannhäuser: Sirenenruf ...................................................... 149 c) Rheingold: 1. Szene T. 1—21 ............................................. 150 d) Tristan: 1. Akt, 1. Szene ........................ ..... ............. 151 e) Meistersinger: Vorspiel zum 2. Akt ..... ............ ....... 159 VI MUSIK UND BÜHNE. Tristan 2. Akt .. ...... 167 1. „Dämmerung“ ..................................................................... 169 2. Nachtgesang ....................................... 180 a) Vorstadium: das Lied „Träume“ ............. 180 b) Lied und Oper ........ 183 3. Brangäne-Ruf .................................................. 195 7 VII KONSTRUKTION Tristan 2. Akt, Schluß der 2. Szene („Wie es fassen“) .............. 209 VIII IMAGINATION Der „Liebestod“ ............................................................................ 231 IX OFFENE FORM .......................................................................... 249 1. „Musikalische Prosa“ ............................................................... 250 2. Meistersinger: Fliedermonolog ............................................... 256 3. Der „Tristanakkord“ ............................................................... 263 4. Tristan: Vorspiel zum 1. Akt ................................................ 276 X WAGNER IN DER MUSIKGESCHICHTE. ANMERKUN- GEN ................................................................................................ 285 Anhang ...................................................................................................... 293 Richard Wagner — Tristan und Isolde. Kompositionsskizze zum 2. Akt, 2. Szene: f. 12*—18% 22’ und 3. Akt, 3. Szene: f. 18-19’ Verzeichnis benutzter Ausgaben ............................................................ 331 Literatur-Verzeichnis ............................................................................... 333 Faksimile von Wagners Kompositionsskizze ........................................ 353 8 EINFÜHRUNG „Musik als Abbild“ — dabei wird man, wenn vom 19. Jahrhundert die Rede ist, zunächst an die neue Aufgabe der Musik denken, offen oder ver- deckt einem Programm zu dienen. Nicht erwarten sollte man jetzt aber den Begriff der „Schilderung“, mit dem schnell die Verbindung von Musi- kalischem und Außermusikalischem herzustellen ist. Das Thema ist nicht in diesem engen Sinn auf Programmusik ausgerichtet. Es geht vielmehr auf eine spezifische Eigentümlichkeit der Kunst des 19. Jahrhunderts ein: Seine Musik ist in doppeltem^^ortsinne „bedeutend“ geworden. Woher kommt es, daß sie über sich hinausweisen kann, den Hörer etwas Zweites hinter dem Erklingenden suchen läßt und in dieser Brechung eine eigenartige Bild- lichkeit hervorruft? Der Fähigkeit, ein Bild zu geben, geht die Eigenschaft voraus, Bild zu sein. Musik bildet sich selbst ab. Dieser These gilt die folgende Untersuchung. Ihr Ausgangspunkt ist der Freischützwalzer, an dessen Beispiel im ersten Kapitel (Der Wechsel der Perspektive) die Fragestellung präzisiert wird. Bei Carl Maria von Weber tritt erstmals der außerordentliche Fall auf, daß Musik sich selbst nicht bloß zitiert, sondern darüberhinaus die Distanz zum Zitierten darstellt. In der deutschen Musik vollzieht sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- derts eine Umwertung und Loslösung von alten Bindungen. Das ideale Vor- bild der Wiener Klassiker, die Endgültiges geschaffen und damit eine Grenze gesetzt haben, erzwingt anders als in Frankreich oder Italien, wo Haydn, Mozart und Beethoven eher Randerscheinungen blieben, einen radikalen Traditionsbruch. Der Zug, Musik gleichsam zu verlegen und von verschiedenen Warten aus wirken zu lassen, kennzeichnet so vorwiegend deutsche Komponisten. Von diesem Merkmal herkommend lassen sich neue Verbindungsfäden knüpfen. Doch wenn im folgenden Weber, Schumann und Wagner zusammen ge- nannt werden, dann nicht, um eine Parallele zu den großen Traditions- linien «wie Bellini-Verdi-Puccini oder Berlioz-Mussorgskij-Debussy zu kon- struieren. Weber, Schumann und Wagner bedingen sich nicht gegenseitig. Aber in ihren Werken wirkt in vergleichbarer Weise jene Veränderung, die Musik als Abbild erscheinen läßt. Für die Ausarbeitung wurde Literatur in großem Umfang herangezogen. Zu den aufgeworfenen Fragen trugen allerdings nur wenige Arbeiten bei. Einem Buch fühle ich mich vor allen anderen verpflichtet, nämlich Ernst Kurths großem Werk Romantische Harmonik und ihre Krise in Wagners 9 „ Tristan“ (Bern 1920, Leipzig ^1923). Wegweisend bleibt bis heute, wie hier musikalische Analyse zu einem Mittel der Musikgeschichtsschreibung ge- worden ist. 10 I. DER WECHSEL DER PERSPEKTIVE 1. Webers Freischützwalzer Der spontane Erfolg des Freischütz 1821 kam weniger aus der Bewun- derung eines kunstvollen Werks, als aus der unmittelbaren Wirkung einer Musik, die Weber gar nicht zu gehören schien. Stücke wie der Jägerchor, der Bauernwalzer, der Chor der Brautjungfern, selbst der Hörnerklang der Ouvertüre entstammen nicht dem Bereich der Kunst. Weber schrieb eine Musik, die keinen »Tonsetzer“ braucht1; er stellte sich außerhalb der Schranken der »Zunft“ und ihrer geschichtlichen Fortentwicklung, wie Phi- lipp Spitta in einer feinsinnigen Würdigung Webers anmerkt: »Daß Mozart auf Haydn, Beethoven auf Mozart und Haydn gefolgt ist, verstehen wir ohne Weiteres, hier haben wir das Gefühl einer Nothwendigkeit. Weber steht außerhalb dieses Ringens.** Das Zurückgehen Webers auf ein Stadium des Vor-Handwerklich-Zünf- tigen schuf ihm nicht nur ein neues Publikum, ein anderes als dasjenige, welches wenige Wochen zuvor die Berliner Erstaufführung der Olimpia des neuen Generalmusikdirektors Spontini gefeiert hatte, sondern gab der folgenden Komponistengeneration wesentliche Anstöße. Damit ist nicht die Eröffnung eines Seitenwegs in die Requisitenkunst gemeint — von Rossinis Teil bis Lortzings Zar und Zimmermann ist der folkloristische 1 H. Abert hat dies angedeutet, wenn er von Agathes Gebet »Leise, leise" sagt, »in diesem genialen Stück scheint überhaupt nichts ,komponiert* *: eine stille verzückte Gebetsstimmung ist Klang geworden“ (1927 S. 23). Vgl. E. Istel *1921 S. 114: »Wie ein großes Volkslied mutet uns der Freischütz an.“ * Ph. Spitta 1886 S. 270, vgl. auch S. 271f: »Die deutschen Musiker des 18. Jahrhunderts lebten ihrer Kunst in eigener Weise. Sie bÜdeten eine Gemeinde für sich, auch die höchsten und genialsten rechneten sich zu dieser. Was sie von der übrigen Welt abschloß — ich möchte es nicht