Nachrichten 48 2011

Marschenrat zur Förderung der Forschung im Küstengebiet der Nordsee

Nachrichten des Marschenrates zur Förderung der Forschung im Küstengebiet der Nordsee

Heft 48 / 2011

Herausgeber: Marschenrat zur Förderung der Forschung im Küstengebiet der Nordsee e. V., 26382 Wilhelmshaven, Viktoriastraße 26/28 Telefon: 04421 915-0 · Telefax: 04421 915-110 · E-Mail: [email protected]

Nachdruck nur mit Genehmigung des Marschenrates Redaktion: M. Janssen, H. Jöns und S. Wolters, Wilhelmshaven Druck: Druckerei Oskar Berg, Bockhorn ISSN 0931-5373

INHALTSVERZEICHNIS

0 EDITORIAL Seite 4 A GESCHICHTE Sachbearbeiter: Dr. Axel Behne, Leiter des Archivs des Landkreises , Otterndorf, Dr. Paul Weßels, Leiter der Landschaftsbibliothek der Ostfriesischen Landschaft, Aurich, und Dr. Gerhard Wiechmann, Universität Seite 18 B UR- UND FRÜHGESCHICHTE Sachbearbeiter: Dr. Jana Esther Fries, Nds. Landesamt für Denkmalpflege, Oldenburg, Prof. Dr. Hauke Jöns, Abteilungsleiter Kulturwissenschaften beim Nds. Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, und Matthias D. Schön, M. A., Archäologiedirektor, Leiter der Archäolo- gischen Denkmalpflege des Landkreises Cuxhaven Seite 30 C VOLKSKUNDE Ein Beitrag zum Thema Volkskunde entfällt in diesem Jahr.

D GEOWISSENSCHAFTEN Sachbearbeiter: Dr. Achim Wehrmann, Fachgebietsleiter Abteilung für Meeresforschung, Senckenberg am Meer, Wilhelmshaven Seite 74 E BIOWISSENSCHAFTEN Sachbearbeiter: Prof. Dr. Franz Bairlein, Leitender Wissenschaftlicher Direktor, Leiter des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, Wilhelms- haven Seite 84 F KÜSTENINGENIEURWESEN UND WASSERWIRTSCHAFT Sachbearbeiter: Baudirektor a. D. Dipl.-Ing. Klaas-Heinrich Peters, ehem. Geschäfts- bereichsleiter in der Betriebsstelle Brake-Oldenburg des Nieder- sächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Seite 108 G MUSEEN UND AUSSTELLUNGEN Sachbearbeiterinnen: Prof. Dr. Antje Sander, Leiterin des Schlossmuseums Jever und Museumsdirektorin Dr. Ursula Warnke, Deutsches Schiffahrtsmuseum , mit Unterstützung von Melanie Dierks, Niedersäch- sisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven Seite 114

3 O Editorial

1 Gremien und Aktivitäten des Marschenrats 2010 Das Berichtsheft des Marschenrats zur Förderung der Forschung im Küstengebiet bietet nun bereits seit mehr als 50 Jahren einen Überblick über die vielfältigen kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten im Küstenraum im jeweiligen Berichtsjahr. Dabei wurden die eigenen Vorhaben und Veranstaltungen des Marschenrats meist nur wenig thematisiert, obwohl die traditionell einmal pro Jahr veranstalteten Kolloquien, Exkursionen und Vortragsveranstaltungen im Anschluss an die Mitgliederversammlungen das kulturelle Leben zwischen Elbe und Ems doch erheblich bereichern und der Marschenrat darüber hinaus immer wieder Impulse für neue, meist interdisziplinär konzipierte Forschungen gibt. Der Vorstand hat deshalb beschlossen, den traditionell im Berichtsheft enthaltenen Informationen zu den Fachbereichen Geschichte, Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde, Geowissenschaften, Biowissenschaften, Küsteningenieurswesen und Wasserwirtschaft sowie Museen und Ausstellungen eine Rubrik voranzustellen, in der die Arbeit des Marschenrats zusammengefasst dargestellt wird. Da die letzte Aufstellung der Mitglieder des Marschenrats Anfang der 1990er abgedruckt wurde und sich seit dieser Zeit Veränderungen im Bestand ergeben haben, enthält dieses Heft auch ein aktualisiertes Mitgliederverzeichnis.

1.1 Mitgliederverzeichnis

Nr. Name 001 Historisches Museum Bremerhaven / Morgenstern-Museum 002 Stadt Emden 003 Stadt Nordenham 004 Stadt Esens 005 Landkreis Friesland 006 Stadt Cuxhaven 007 Stadt Jever 008 Stadt Wittmund 009 Stadt Wilhelmshaven 010 Landkreis Cuxhaven 011 Landkreis Wesermarsch 012 Landkreis Wittmund 013 Gemeinde Wangerland 014 Gemeinde Sande 015 Niedersächsisches Staatsarchiv Aurich 016 Deutsches Schiffahrtsmuseum 017 Forschungsinstitut Senckenberg 018 Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg 019 Ostfriesische Landschaft 020 Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung 021 Institut für Vogelforschung / Vogelwarte Helgoland 022 Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege

4 Nr. Name 023 NLWKN - Forschungsstelle Küste 024 Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg 025 Oldenburgische Landschaft 026 Landschaftsverband 027 Museumsdorf Cloppenburg / Niedersächsisches Freilichtmuseum 028 Heimatverein Aurich e. V. 029 Jeverländischer Geschichts- und Heimatverein 030 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – Regionalverband Unterweser e. V. 031 Der Mellumrat e. V. 032 Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e. V. 033 Niedersächsischer Heimatbund 034 Hermann-Allmers-Gesellschaft 035 Heimatbund der Männer vom Morgenstern 036 Heimatverein Hechthausen e. V. 037 Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz 038 Geschichts- und Heimatverein Lüdingworth von 1988 e. V. 039 Heimatverein Norderland e. V. 040 Landkreis Aurich 041 Heimatverein Schortens von 1929 e. V. 043 Rüstringer Heimatbund Nordenham 044 Museum Butjadingen 045 Geschichtswerkstatt Wangerland e. V. 046 Heimatverein Gödens-Sande e. V. 047 Heimatverein Varel 048 Heimatverein Rheiderland 049 Heimatverein Wittmund 050 Nordwestdeutsche Universitätsgesellschaft (NWDUG) 051 Bürgerverein Sillens 052 Gemeinde Butjadingen 053 Heimatverein für Stadt und Amt Esens e. V. 054 Heimatkundlicher Chronikkreis der Dorfgemeinschaft Sillenstede 055 Verkehrsverein Stadland e. V. 056 Verein zur Erhaltung und Förderung des Küstenmuseums Wilhelmshaven e. V. 057 Heimatverein Zetel e. V. 058 Zweckverband Deutsches Sielhafenmuseum in Carolinensiel 059 Niederdeutscher Heimat- und Kulturverein e. V. 060 Verein für Heimatgeschichte Bockhorn 061 Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest 062 Sielacht Bockhorn-Friedeburg 063 Entwässerungsverband Butjadingen

5 Nr. Name 064 Entwässerungsverband Jade 065 I. Oldenburgischer Deichband 066 II. Oldenburgischer Deichband 067 III. Oldenburgischer Deichband 068 Stadlander Sielacht 069 Sielacht Wangerland 071 Entwässerungsverband Oldersum/Ostfriesland 072 Deichacht Krummhörn 073 Sielacht Rheiderland 074 Sielacht Rüstringen 075 Unterhaltungsverband Nr. 80 Lune 076 Stader Geschichts- und Heimatverein

1.2 Vorstand, erweiterter Vorstand und wissenschaftlicher Beirat Die gültige Vereinssatzung des Marschenrats von 1973 bildet die rechtliche Grundlage für die Zusammensetzung seiner Gremien. Darin ist festgehalten, dass dem alle vier Jahre zu wählenden Vorsitzenden drei Stellvertreter zur Seite gestellt werden sollen, die die Landschaften Ostfriesland, Oldenburg und die Räume zwischen und Elbe repräsentieren. Sie bilden gemeinsam mit dem vom Vorstand zu bestellenden Geschäftsführer den Vorstand. Im Berichtsjahr wurden diese Funktionen von Prof. Dr. Hauke Jöns (Wilhelmshaven; 1. Vorsitzender), seinen Stellvertretern Landschaftsdirektor Dr. Rolf Bärenfänger (Aurich), Landschaftsdirektor Dr. Michael Brandt (Oldenburg) und Kreisrat Friedrich Redeker (Cuxhaven) sowie Dr. Steffen Wolters (Wilhelmshaven, Geschäftsführer) wahrgenommen. Der Vorstand wird vom erweiterten Vorstand unterstützt, der durch Vertreter der im Marschenrat vertretenen wissenschaftlichen Institutionen, der Heimatvereine, der Gemeinden, der Landkreise, der sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, der Wirtschaftsvertretungen sowie der Wasser- und Bodenverbände, der Wasserwirtschaftsämter und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen gebildet wird. 2010 bildeten Prof. Dr. Franz Bairlein (Wilhelmshaven), Stadtdirektor i. R. Ingo Hashagen (Jever), Landrat Sven Ambrosy (Jever), Dr. Jan Kegler (Aurich), Klaus Jensen (Wangerland) und Dr. Nicola Borger-Keweloh (Bremerhaven) dieses Gremium. Der vom Vorstand zu ernennende wissenschaftliche Beirat hat die Aufgabe, den Vorstand in wissenschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und ihn in der Förderung wissenschaftlicher Aufgaben zu unterstützen. Die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats sind darüber hinaus für die Einwerbung der Beiträge für das Nachrichtenheft des Marschenrats verantwortlich. Dr. Paul Wessels (Aurich), Dr. Gerhard Wiechmann (Oldenburg), Dr. Axel Behne (Otterndorf), Matthias D. Schön, M. A. (Bad ), Dr. Jana-Esther Fries (Oldenburg), Dr. Wolfgang Rüther (Hannover), Dr. Achim Wehrmann (Wilhelmshaven), Prof. Dr. Franz Bairlein (Wilhelmshaven), Dipl.-Ing. Klaas-Heinrich Peters (Brake), Prof. Dr. Antje Sander (Jever) und Dr. Ursula Warnke (Bremerhaven) zeichnen gegenwärtig für diese Aufgaben verantwortlich.

1.3 Marschenratskolloquien Als eines der größten Marschenratskolloquien wird sicherlich das Kolloquium 2010 in die Vereins- geschichte eingehen. Es ist identisch mit der 15. Tagung der Internationalen Arbeitsgruppe für Palaeoethnobotanik und wurde gemeinsam vom NIhK und dem Marschenrat ausgerichtet. Die Veranstaltung fand vom 31.05.–05.06.2010 im Gorch-Fock-Haus in Wilhelmshaven mit über

6 200 Teilnehmern aus 30 Ländern statt. Es wurden mehr als 80 Vorträge gehalten, weitere 80 Themen wurden auf Postern präsentiert. Zudem wurden Exkursionen in das Gebiet um den Jadebusen und nach Spiekeroog ausgerichtet. Besonderes Interesse fand der öffentliche Vortrag von J. Dickson und K. Öggl zu den Fundumständen und Lebensbedingungen der jungsteinzeit- lichen Eismumie „Ötzi“. Eine Auswahl der Manuskripte wird in einem Extraband der von Dr. Bittmann am NIhK herausgegebenen Zeitschrift „Vegetation History and Archaeobotany“ publi- ziert werden. Mit dem Erscheinen des Bandes ist am Ende des Jahres 2011 zu rechnen.

1.4 Marschenrats-Exkursion 2010 Ziel der traditionell im frühen Sommer stattfindenden Exkursionen des Marschenrats ist es, seinen Mitgliedern unbekannte Einblicke in unterschiedliche Lebensbereiche, in Kultur, Geschichte und Natur des Nordseeküstenraums zu ermöglichen. Deshalb werden meist Ziele angefahren, die abseits der kulturtouristischen Highlights liegen. Dies war auch 2010 der Fall. Am 19.06.2010 führte die Marschenratsexkursion mit 30 Teilnehmern in den Landkreis und in die Hansestadt Stade. Sie wurde vom 1. Vorsitzenden Prof. Jöns und dem Geschäftsführer Dr. Wolters organisiert und vor Ort von den für die archäologische Denkmalpflege zuständigen Kollegen Dr. Diether Ziermann und Dr. Andreas Schäfer geführt. Erster Exkursionspunkt war die Schwedenschanze bei Groß Thun im Süden des Stader Stadtgebiets. Der Name Schwedenschanze ist hier irreführend, da es sich nicht um eine neuzeitliche Anlage handelt, wie der Name suggeriert, sondern um eine Burg, die während des frühen Mittelalters erbaut wurde. Sie liegt unmittelbar an der in die Elbe mündenden Schwinge und besitzt somit eine überaus verkehrsgünstige und dennoch sichere Lage. Grabungen der Stadtarchäologie Stade haben hier zur Entdeckung einer massiv aus Holz gebauten Schiffslände geführt – auch der Fund von mehreren Paddeln belegt die Bedeutung des Bootsverkehrs. Es wird angenommen, dass hier die Urzelle der späteren Hansestadt Stade gegründet wurde. Aus dem Umfeld der Burg sind weitere Siedlungsplätze und Gräber bekannt, die in den nächsten Jahren untersucht werden sollen. Die besondere verkehrstechnische Anbindung der Burg konnten die Exkursionsteilnehmer bei einer Fleetkahnfahrt von der Burg in die Stadt Stade selbst erleben. Eine kurze Stadtführung rundete den Besuch in Stade ab. Am Kloster informierte der Kreisarchäologe Ziermann über die durchgeführten Untersu- chungen. Dort wurde 1104 ein Benediktinerkloster gegründet, das bis zum Ende des Dreißig- jährigen Kriegs 1648 fortbestand und damit eine der letzten Bastionen des Katholizismus an der Niederelbe bildete. Vom Kloster blieb bis heute nur die Kirche erhalten. Die Fundamente der Klostergebäude wurden zwischen 1981 und 1984 ausgegraben und zu einem Klosterpark gestaltet. Das 1986 eröffnete Harsefelder Museum, einst als Gerichtsgebäude und Registratur genutzt, steht auf Fundamenten des Klosters, die in Teilen im Park sichtbar gemacht wurden. Das Museum bietet nicht nur einen Einblick in das einstige Leben des Klosters, sondern auch einen guten Einblick in die Besiedlungsgeschichte des Harsefelds aber auch des Landkreises. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall und sei allen empfohlen. Am Nachmittag wurden zwei vorgeschichtliche Nekropolen besucht. Zunächst ging es zu den Megalithgräbern von Grundoldendorf („Im Dohrn“), bei denen es sich um eine Gruppe von sehr be- eindruckenden jungsteinzeitlichen Langbetten handelt. Sie liegen heute in einem durch sehr hohe Buchen geprägten Wald, so dass man den Eindruck einer großen Säulenhalle mit Blätterdach erle- ben kann. Den letzten Punkt der Exkursion bildete ein Grabhügelfeld nahe Goldbeck, das anschei- nend von der Jungsteinzeit bis in das Frühe Mittelalter hinein genutzt wurde. Große Teile des Grä- berfeldes sind bereits dem Kiesabbau geopfert worden.Umso erfreulicher ist es, dass ein erhalten gebliebener Rest aus jeglicher kommerziellen Nutzung herausgenommen wurde. Stattdessen ent- steht dort ein offener, vor allem durch Heidevegetation geprägter Park, in dem die Gräber deutlich sichtbar und damit erlebbar werden. Die Pflege erfolgt größtenteils durch Abgrasen durch Schafe.

7 1.5 Mitgliederversammlung des Marschenrates Die Mitgliederversammlung des Berichtsjahres fand am 05. November 2010 im Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg, statt. In Vertretung von Direktor Prof. Dr. M. Fansa hieß die Refe- rentin für Öffentlichkeitsarbeit, Frau C. Endlich, M. A., die Teilnehmer der Mitgliederversammlung im Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg, willkommen. Im Verlauf der Versammlung wur- den die Mitglieder über die Aktivitäten des Marschenrats im Berichtsjahr und über die eingegan- genen und verwendeten Mittel informiert. Der vom Geschäftsführer vorgetragene Kassenbericht wurde von den Mitgliedern akzeptiert und der Vorstand entsprechend entlastet. Am Ende der Mitgliederversammlung wurde dem Ehrenvorsitzenden des Marschenrates, Grün- dungsmitglied und langjähriges Vorstands- und Beiratsmitglied der Oldenburgischen Landschaft, Prof. Dr. K.-E. Behre die Landschaftsmedaille der Oldenburgischen Landschaft verliehen. Die vom Präsidenten der Oldenburgischen Landschaft, Herrn H.-G. Lucke vorgenommene Ehrung erfolgte auf Beschluss der Oldenburgischen Landschaft, der Prof. Behre auf diese Weise für seinen heraus- ragenden Einsatz und sein Engagement für Wissenschaft und Gemeinwohl würdigte. Die Laudatio hielt das Ehrenmitglied des Marschenrats Prof. Dr. W. Haio Zimmermann. Im anschließenden öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung hielt die wissenschaftliche Beirätin des Marschenrats, Frau Dr. Jana Esther Fries, vom Stützpunkt Oldenburg des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Stützpunkt Oldenburg, einen Vortrag zum Thema: „Archäologi- sche Rettungsgrabungen zwischen Weser und Vechte 2007 bis 2010“. Darin machte sie deutlich, dass trotz Wirtschaftskrise und Finanznot in den vergangenen Jahren in der Region Weser-Ems zahlreiche archäologische Ausgrabungen stattgefunden haben, die meist durch Baumaßnahmen unterschiedlichen Ausmaßes ausgelöst wurden. Im Vortrag wurden auch überregional viel beach- tete Highlights präsentiert, wie z. B. die Ausgrabung einer mesolithischen Station in Oldenburg- Eversten, eisenzeitliche Hausgrundrisse im oder auch der mittelalterliche Heidenwall von Oldenburg.

1.6 Projekte des Marschenrats 1.6.1 Projekt „Land der Entdeckungen“ (LdE) 2010 ist der Marschenrat auf Einladung der Ostfriesischen Landschaft Mitantragsteller für das grenzüberschreitende Projekt „Land der Entdeckungen“ (LdE) geworden, für das zwischenzeitlich eine Förderung im Rahmen des EDR/INTERREG IV A-Programms Deutschland-Nederland bereit- gestellt worden ist. Weitere Partner sind das Ostfriesische Landesmuseum Emden, das Nieder- sächsische Landesamt für Denkmalpflege – Stützpunkt Oldenburg –, die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Dornum, die niederländischen Provinzen Groningen, Drenthe, Friesland, das Groninger Museum, das Drents Museum Assen, das Fries Museum Leuuwarden und die Universi- tät Groningen. Im Zentrum des Projekts steht eine Ausstellung zur Besiedlungsgeschichte Ostfrieslands und der benachbarten niederländischen Provinzen Fryslân, Drenthe und Groningen, die 2013 gezeigt wer- den soll. In der Ausstellung soll keine komplette Darstellung der Kulturgeschichte erfolgen, vielmehr sollen einzelne Themenbereiche in den Mittelpunkt gestellt und ausführlich vorgestellt werden. Parallel zu den Ausstellungsvorbereitungen soll ein wissenschaftliches Begleitprogramm umgesetzt werden. Die Ausstellung soll 2013 in Emden, Leuuwarden, Assen und Groningen präsentiert werden. Teil des Projekts LdE ist auch ein wissenschaftliches Kolloquium, das am Anfang des Vorhabens stehen sollte, um die aktuelle Forschung für das Vorhaben zu erschließen. Der Marschenrat hatte für die Organisation des Kolloquiums die Federführung übernommen, das schließlich als Marschen- ratskolloquium im Februar 2011 in Aurich stattgefunden hat. Über seinen Verlauf und die dabei er- zielten Ergebnisse wird im kommenden Nachrichtenheft 49/2012 berichtet werden.

8 1.6.2 Dendrochronologisch-bauhistorische Untersuchungen an Dachwerken mittelalterlicher Kirchen auf der ostfriesischen Halbinsel

Projektziel In den Jahren 2010 und 2011 ließ der Marschenrat ein Pilotprojekt durchführen, das Dachwerke (hoch-)mittelalterlicher Kirchen v. a. im westlichen Küstenstreifen der ostfriesischen Halbinsel (Landkreise Leer und Aurich) dendrochronologisch und bauhistorisch untersuchen sollte. Geplant ist die Ausdehnung auf weitere Kirchen des gesamten Mittelalters im deutschen Nordseeküsten- bereich. Wo schon die ältesten erhaltenen Bauten in Massivbauweise errichtet wurden, läßt sich Zimmer- mannswerk nur an Dachwerken erforschen, und auf dem Lande – von wenigen Ausnahmen bei Adelsbauten, Pastoreien oder sehr frühen Gulfscheunen abgesehen – nur an Kirchendachwerken. Dafür gibt es mittelalterliche Kirchen, auf denen solche Dachwerke zu erwarten sind, vor allem in der Marsch und auf dem Geestrand in erstaunlich hoher Zahl. Erfahrungen aus ferneren und benachbarten Küstenlandschaften, von Nordfrankreich bis Skandi- navien, aber auch aus dem anschließenden Binnenland spornten zu einem Lückenschluß in Deutschland an. Zugleich boten sie die Möglichkeit zu formalen, zeitlichen und kulturräumlichen Vergleichen zimmermannstechnischer Lösungen. Über die genaue Datierung der Dachwerke sollte aber auch die Baugeschichte der Kirchen ergänzt und präzisiert werden, zumal die kunsthistorische Betrachtung der architektonisch eher schlichten Dorfkirchen oft nur zu ungefähren und z. T. sogar widersprüchlichen Ergebnissen geführt hat.

Projektdurchführung Das Projekt wurde von der Preßler GmbH in /Emsland (Erhard Preßler) durchgeführt und vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD, Volker Gläntzer und Hermann Schiefer) sowie für den Landkreis Leer von der Unteren Denkmalschutzbehörde (Niels Juister) un- terstützt. Die Finanzierung erfolgte durch Eigenmittel des Marschenrates und durch Zuwendung des NLD. Besonders dankbar sind die Bearbeiter für das unkomplizierte und interessierte Entgegenkommen der Verantwortlichen in den Kirchengemeinden. Die beigefügte Tabelle enthält die Kerndaten für alle Objekte. Bei ihrer Auswahl hat der Zufall mit- gespielt. Weil die Veröffentlichungen über ostfriesische Kirchen wenig oder nichts über ihre Dach- werke sagen, mußte eine größere Zahl von Dächern in Augenschein genommen werden, ob sie für die geplante Untersuchung überhaupt taugten. Nachdem auf diese Weise wie im Kostenplan vorgesehen 15 geeignete Kirchen mit 200 Dendroproben untersucht worden waren, mußte die Suche beendet werden. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, ja sogar wahrscheinlich, daß selbst im untersuchten Gebiet noch weitere aufschlußreiche Dachwerke existieren (und hoffentlich in weiteren Projekten erfaßt werden können). In diesem Bericht werden noch einige weitere Dach- werke berücksichtigt, die in anderen Zusammenhängen untersucht wurden (Tabelle Nr. 19 bis 22). Neben der dendrochronologischen Untersuchung wurden alle Dachwerke umfassend photogra- phiert und von besonders interessanten Schlüsselobjekten Querschnitte und Teillängsschnitte konstruktionsgerecht aufgemessen.

Projektergebnisse Bauholzherkunft Wie bei anderen Baumaterialien (z. B. Tuffstein aus der Eifel oder Sandstein aus dem oberen Weserbereich) ist auch beim Bauholz mit Importen aus verschiedenen Regionen zu rechnen. Die Dendrochronologie kann aber nur dann erfolgreich datieren, wenn die Herkunft bekannt ist oder durch Zufall bekannt wird. Das war nicht immer der Fall. Für bisher nicht oder nur mit schlechter

9 mathematischer Absicherung datierte Proben geht die Suche weiter; denn die Chancen verbessern sich ständig, je größer die Belegdichte wird. Wenn aber die Korrelation mit spezifischen Regionalkurven gelingt, erfahren wir nicht nur das Bau- datum, sondern auch die wahrscheinliche Holzherkunft – und können daraus Schlüsse auf wirt- schaftliche und ggf. kulturelle Beziehungen ziehen. So dürften die Hölzer in Hohenkirchen mit hoher Wahrscheinlichkeit (über die Weser) aus dem ostwestfälisch/schaumburgischen Raum stammen. Und für die Kirche in Rorichum kamen die Hölzer (über die Ems) aus dem nördlichen Münsterland und dem südlichen Emsland. Belegt sind aus anderen Untersuchungen außerdem Skandinavien und das Baltikum als Holzlieferanten für die ostfriesische Halbinsel – ein weitgespannter Wirtschafts- und Verkehrsraum, dessen Organisation auch anhand archivalischer Quellen zu untersuchen bleibt.

Abb. 1. Rorichum, Nikolaikirche (Foto: Erhard Preßler).

Bauphasen Nach ihrem Alter, dem Alter ihrer Veränderungen und ihrem Verhältnis zum übrigen Baukörper las- sen sich die datierten Dachwerke grob in vier Gruppen zusammenfassen: Dachwerke aus der (spätromanischen) Erbauungszeit, die original erhalten oder nur geringfügig verändert worden sind, selbst wenn sie durch jüngere Stühle (meist im 15. oder 16. Jh.) ergänzt wurden. Dazu gehören in besonders klarer Ausprägung die Kirchen in Visquard, Rorichum und Ho- henkirchen (Tab. Nr. 9, 11, 20). Dachwerke aus späterer Zeit bei Verwendung von (unterschiedlich zahlreichen) Originalhölzern aus der Erbauungszeit. Dieser Gruppe gehören die Dachwerke der Kirchen in Bunde und Groß Midlum an (Tab. Nr. 3, 13, 14). Hier lässt sich der originale Zustand zwar nur eingeschränkt rekonstruieren, jedoch soweit, daß sich Konstruktionsprinzip und charakteristische Gefügedetails erkennen lassen. Dachwerke, die auf älteren Kirchen in späterer Zeit, häufig im 15. und 16. Jahrhundert, vollkommen neu errichtet wurden. Beispiele sind die Dachwerke von Suurhusen und des Langhauses von Bunde (Tab. Nr. 1, 14). Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes ist dort nicht mehr möglich. Zum Vergleich der Dachwerktypen ist das über dem Langhaus von Bunde kurz nach 1500

10 aufgerichtete Dachwerk aufgemessen worden. (Im Hinblick auf die Dachwerke an sich gehören hierher auch diejenigen auf Kirchenneubauten des 15./16. Jhs. wie in Hinte und Rysum, Tab. Nr. 2, 7). Vollkommen neu errichtete Dachwerke in jüngerer oder jüngster Zeit (ohne Beprobung, Tab. Nr. 16 bis 18).

Dachwerksformen Die ältesten Dachwerke stehen in Hohenkirchen und Visquard. Beide stammen aus der Erbau- ungszeit und sind weitestgehend im Originalzustand erhalten. Für Hohenkirchen wurde das Alter des Dachwerks sicher auf 1208 ± 6 bestimmt, wobei ein Abschnitt um 1545 erneuert wurde. Auf der Kirche in Visquard befindet sich ein (auch von einem später eingestellten Stuhl) vollkommen unbe- rührtes Dachwerk wohl aus der Zeit 1200 ± 6. Allerdings konnten hier nur 3 der 11 entnommenen Proben datiert werden. Die geringe mathematische Absicherung rät zunächst zur Vorsicht, sodass u. U. bei späteren Berechnungen mit einer Korrektur dieses Datums gerechnet werden muss. Mit der Bauzeit um 1200 reihen sich diese Dachwerke in den ältesten Bestand an erhaltenen Dachwerken in Deutschland ein. Nur unwesentlich ältere Dachwerke finden sich z. B. in Bamberg (St. Gangolf von 1184), Maulbronn (Klosterkirche von 1176) und Sindelfingen (von 1132). Besser vergleichbar ist eine Reihe von Dachwerken auf Dorfkirchen der Altmark, die ältesten dort aller- dings noch rund 30 Jahre älter als in Ostfriesland.

Abb. 2. Das Dachwerk (Foto: Erhard Preßler).

Damals gehörte die Konstruktion eines ein-oder zweifach gekehlten Sparrendachs, z. T. mit Fuß- streben bzw. Sparrenknechten zum Stand der Bautechnik und war in Mitteleuropa weit verbreitet, nach neuesten Forschungen auch in Skandinavien und Rumänien. Fast gleichzeitig entwickelte sich in der Ile de France (St. Denis in Paris 1140) die Gotik und mit ihr ein immer steiler werdendes Dach. Dachneigungen von bis über 62° verlangten aufgrund verän- derter Lasten zusätzliche Aussteifungselemente. Die bis zu diesem Zeitpunkt recht einheitliche, fast standardisierte Konstruktion erlebte dadurch eine starke Differenzierung. Rund 100 Jahre später erreicht diese Entwicklung auch Deutschland (Magdeburger Dom 1220).

11 Das ländliche Nordwestniedersachsen bleibt nicht nur in der architektonischen Formensprache, sondern auch in der Dachwerkskonstruktion konservativ. Allerdings besteht bei den relativ schma- len Saalbauten auch keine Notwendigkeit zu komplizierten Konstruktionen, wie sie am anderen Ende der Skala über hochgotischen Hallenkirchen errichtet werden mußten. So findet sich in Schüttorf (Grafschaft Bentheim) noch 1326 ein Dachwerk in recht konservativer Ausführung. Deshalb mag neben Sparsamkeit auch Gewohnheit eine Rolle spielen, wenn Dachwerke, etwa um Mauerkronen zu erneuern oder zu erhöhen, abgenommen und dann in der alten Konstruktionsart wieder aufgeschlagen wurden, so wohl in Rorichum um 1545.

Abb. 3. Dachquerschnitte ostfriesischer Kirchen.

12 Glücklicherweise aber sind aus der entwicklungsgeschichtlichen Frühzeit (12.-13. Jahrhundert) etli- che Dachwerke erhalten, wie sie in dieser Häufung außer in Ostfriesland nur selten beobachtet werden können. So gibt es in Rorichum ein Dachwerk von 1275 ± 6, in Bunde eines von um 1270 und in Hinte eines von 1292 mit Konstruktionen, die nach dem gleichen Prinzip verzimmert wurden, wie zuvor in Hohenkirchen oder Visquard. Trotzdem gibt es Unterschiede nicht nur in zimmer- mannstechnischen Details. Sind z. B. die Sparrenpaare in Hohenkirchen auf die Dachbalken bezo- gen und die Sparrenknechte mit diesen verbunden, so sind sie in Visquard mit Balkenstummeln verbunden, die ihrerseits auf Mauerlatten liegen, und völlig unabhängig von der Dachbalkenlage. Ob dafür funktionale, entwicklungsgeschichtliche, kulturräumliche, handwerksorganisatorische oder individuelle Gründe verantwortlich sind, wird sich vor dem Hintergrund weiterer Beispiele deutlicher zeigen. Einiges läßt sich schon jetzt sehen.

Konstruktionsdetails Nicht weiter verwundert, dass gleiche und ähnliche technische Ausbildungen an Dachgerüsten auch im westfriesischen Raum und im Groninger Land zu beobachten sind, zumal da es sich im hohen Mittelalter auch sonst um einen relativ einheitlichen Kulturraum gehandelt hat. So verfügt die Stadt Groningen selbst über mindestens fünf nachgewiesene mittelalterliche Bauten aus dem 13. Jahrhundert, bei denen die Holzverbindungen große Ähnlichkeiten mit den bereits untersuchten Dachwerken in Ostfriesland zeigen. Das Dachwerk der Kirche in Bunde z. B. zeigt Ausführungen von Verblattungen, wie sie ähnlich in einem Haus in Groningen von 1292 anzutreffen sind.

Abb. 4. Details der Holzverbindungen mit Zimmerzeichen unterschiedlicher Bauphasen (Foto: Erhard Preßler).

Andererseits zeigen sich die Blattverbindungen in einer auffälligen Vielfalt, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Arbeitsweise der Zimmerleute stehen müssen. Wenn die Arbeit, wie häufig geäußert, von wandernden Handwerkergruppen oder in Bauhütten ausgebildeten Handwerkern verrichtet worden wäre, müßten sich die charakteristischen Formen wohl doch in mehr als einer Kirche finden. Für eine Aussage muß die Übersicht über den Bestand erst noch wachsen. Schon jetzt aber läßt sich eine engere Beziehung, vielleicht sogar eine teilweise Überschneidung der Arbeitsfelder zwischen Schiffszimmerleuten und Bauhandwerkern vermuten. Darauf deutet das Vorkommen zahlenmäßig relativ umfangreicher Eisennagelverbindungen z. B. bei dem Dachwerk

13 in Visquard hin. Dort weisen von neun Verbindungspunkten sechs Eisennägel auf. Nur die Spar- renverbindungen im First- und Traufenbereich sind mit Holznägeln gesichert. Überwiegende Eisen- nagelverbindungen sind im Schiffsbau belegt und spätestens seit der Zeit der Wikinger in Skandinavien und im westeuropäischen Raum weit verbreitet (Frdl. Auskunft von Hauke Jöns). Unabhängig davon stellt sich auch die Frage, warum die erheblich teurere Eisennagelverbindung gewählt wurde; denn Eisenwaren mussten importiert werden. Selbst wenn man akzeptiert, dass bei Blattverbindungen aus Sicherheitsgründen Eisennägel eher als bei Zapfenverbindungen ange- bracht sind, so gibt es doch kaum Beispiele einer ähnlich übermäßigen Verwendung von Eisennä- geln im Dachverband. Aufschlußreich wäre schon das Wissen um die Herkunft der Eisenwaren. Das könnte über eine geochemische Analyse der Spurenelemente der einzelnen Metallbestandteile nachgewiesen werden. Die etwas ungewöhnliche Befundsituation wäre einer derartigen Analyse wert und Ostfrieslands Handelsbeziehungen um einen Aspekt reicher.

Datierungskorrekturen Vergleicht man abschließend die bisher bekannten, aus der Analyse stilistischer Merkmale abge- leiteten Datierungen mit den dendrochronologischen Datierungen, so gibt es viele Übereinstim- mungen, aber auch einige deutliche Diskrepanzen. Am deutlichsten ist die Abweichung in Rorichum. Die recht unscheinbare und deshalb stilistisch schwer einzuordnende Kirche wurde bis- lang in das 14. Jahrhundert datiert, erhielt aber schon 1276 ± 6 ihr doch wohl bauabschließendes Dach. Auch Visquard ist, wenn sich die dendrochronologische Datierung bestätigt, über 50 Jahre älter als bislang angenommen. Aber umgekehrt sind einige Kirchen offenbar auch zwei, drei Jahr- zehnte jünger als vermutet, so in Campen, Pilsum und Bockhorn. Feste Daten haben nicht den Zweck, es nun „besser zu wissen“. Sie ermöglichen es, die Standorte eines Bauwerks oder Bauelements in einer bisher nur relativen Chronologie absolut festzustellen, stilistische Abhängigkeiten und Entwicklungen oder kulturräumliche Ausbreitungen an einem tat- sächlichen Früher oder Später zu überprüfen. Feste Daten lösen aber nicht nur Probleme, sie schaffen auch welche. Beziehen sie sich nur auf das Dachwerk, für das sie ermittelt wurden? Oder lassen sie sich mit anderen Baumaßnahmen in Beziehung setzen? Oder weisen sie gar auf bislang unbekannte Umbauten? Das sind Fragen, die sich nur in Zusammenarbeit mit Bauhistorikern, Kunsthistorikern und Historikern, nur in kombinato- rischer Auswertung von Sach- und Schriftquellen und nur durch weitere Untersuchungen beant- worten lassen. Auf die Möglichkeit dazu hoffen die am Projekt Beteiligten.

Literaturauswahl Ahrens, C., 2001: Die frühen Holzkirchen Europas. Stuttgart. Amt, S., 2004: Mittelalterliche Dorfkirchen in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser. Binding, G., 1991: Das Dachwerk auf Kirchen im deutschen Sprachraum vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert. München. Borger-Keweloh, N., u. Keweloh, H.-W., 1991: Flößerei im Weserraum. . Cramer, J., 1996: Dächer in Thüringen. Bad Homburg. Dehio, G., 1992: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen-Niedersachsen. Berlin. Delorme, A., 1972: Dendrochronologische Untersuchungen an Eichen des südlichen Weser-und Leineberglandes. Forstliche Fakultät der Universität Göttingen. Eckstein, D., Schwab, F., u. Zimmermann, H. W., 1979: Aufbau und Anwendung einer Jahrringchronologie im nieder- sächsischen Küstenraum. Hildesheim. Eitzen, G., 1955: Dachwerke des Mittelalters. In: Lüneburger Blätter 6, 25-35. Frommhagen, U., 2003: 75. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins. Oschersleben. Haiduck, H., 1986: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen im ostfriesischen Küstenraum. Aurich. Haiduck, H., 1992: Beginn und Entwicklung des Kirchenbaues im Küstengebiet zwischen Ems- und Wesermündung bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts. Aurich. Hewett, C. A., 1985: English cathedral and monastic carpentry. Chichester. Hoffsummer, P., 2009: Roof frame from the 11th to the 19th century. Turnhout.

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(Bericht: E. Preßler, Gersten und V. Gläntzer, Hannover)

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Lfd.- Kirche Ort Kreis Objekt- Dachwerktypus Nr. Teil 1 ev.-ref. Kirche Suurhusen Aurich Langhaus Später eingestellter Stuhl ersetzt ursprünglich einfach gekehltes Sparrendach. 2 ev.-ref. Kirche, Hinte Aurich Langhaus Kehlbalkendachwerk mit St. Martin zweifach liegendem Stuhl, niederl. beeinflusst. 3 ev.-ref. Kirche, Groß-Midlum Aurich Langhaus Kehlbalkendachwerk mit St. Martin zweifach liegendem Stuhl mit zweitverwendeten Hölzern. 4 ev.-ref. Kirche, Groothusen Aurich Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach St. Petrus mit später eingestelltem Stuhl. 5 ev.-ref. Kirche Campen Aurich Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach mit später eingestelltem Stuhl. 6 Kreuzkirche Pilsum Aurich Querhaus Einfach gekehltes Sparrendach mit später eingestelltem Stuhl. 7 ev.-ref. Kirche Rysum Aurich Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach mit später eingestelltem Stuhl. 8 ev.-ref. Kirche Rysum Aurich Turm

9 ev.-ref. Kirche, Visquard Aurich Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach St. Margaretha mit später eingestelltem Stuhl. 10 St. Johannes der Engerhafe Aurich Langhaus Im 17./18. Jahrh. vollständig Täufer erneuert mit zweitverwendeten Hölzern. 11 Nikolaikirche Rorichum Leer Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach. 12 ev.-ref. Kirche, Bunde Leer Chor Einfach gekehltes Sparrendach St. Martin mit später eingestelltem Stuhl. 13 ev.-ref. Kirche, Bunde Leer Querhaus Einfach gekehltes Sparrendach St. Martin mit später eingestelltem Stuhl. 14 ev.-ref. Kirche, Bunde Leer Langhaus Stuhlkonstruktion an Stelle St. Martin vermutlichen Kehlbalken- dachwerks. 15 ev.-ref. Kirche, Marienhafe Aurich Turm St. Martin 16 St. Marienkirche Marienhafe Aurich Langhaus Im 19. Jahrh. vollständig erneuert. 17 Warnfriedkirche Osteel Aurich Langhaus Im 19. Jahrh. vollständig erneuert. 18 St. Florian Funnix Wittmund Langhaus 1951 vollständig erneuert. 19 St. Martin Tettens Friesland Langhaus Zweifach gekehltes Sparrendach. 20 St. Sixtus und Hohenkirchen Friesland Langhaus Zweifach, ursprünglich wohl St. Sinicius einfach gekehltes Sparrendach. 21 St. Cosmas und Bockhorn Friesland Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach Damian mit später eingestelltem Stuhl. 22 Johanniter Kapelle Bokelesch Cloppenburg Langhaus Einfach gekehltes Sparrendach.

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Dehio-Datierung Dendrodatierung Bemerkungen

M. 13. Jh./ 1662±6 Datierung der II. Bauphase. 2. H. 15. Jh.

A. 16. Jh. 1487±6 + 1733±6 Datierung der I. und II. Bauphase.

4. V. 13. Jh. 1298±6 + 1488 F/S Datierung der I. und II. Bauphase.

um 1400 1245±6 + 1571 H/W Datierung der I. und II. Bauphase. Das Datum der I. Bauphase wird als unsicher eingestuft. kurz vor 1300 1315±6 + 1551±6 Datierung der I. und II. Bauphase. Das Datum der I. Bauphase wird als unsicher eingestuft. 3. V. 13. Jh. 1288±6 + nach 1452±6 Datierung der I. und II. Bauphase. Das Datum der I. Bauphase wird als unsicher eingestuft. 15. Jh. ohne Datierungserfolg.

14. Jh./1585/ 1588±6 Turm-Beprobung aus Gründen der Verbesserung nach 1686 der Regionalkurve. 3. V. 13. Jh. 1200±6 Datierung bei nur 3 von 11 Proben unsicher; Datierung Dachstuhl ohne Erfolg. um 1240/um 1260- 1298 um/nach Datierung beruht nur auf 1 Probe. Das Datum 70/1775/1806 wird daher als unsicher eingestuft.

14. Jh./16. Jh. 1274 H/W + 1545 H/W Datierung der I. und II. Bauphase.

3. V. 13. Jh. 1271±6 + 1669 H/W Datierung der jüngsten Bauphase mit Sekundärhölzern aus der I. Bauphase. 3. V. 13. Jh. 1272±6 + 1310 H/W Datierung der I. und II. Bauphase.

um 1200 1509±3 Datierung der jetzigen, wohl II. Bauphase.

13. Jh. 1498 um/nach und 1612 Turm-Beprobung aus Gründen der Verbesserung um/nach der Regionalkurve. 13. Jh./1829 Dachwerk nicht beprobt.

3. V. 13. Jh./ Dachwerk nicht beprobt. 15. Jh./1830 um 1300 Dachwerk nicht beprobt. 1. H. 13. Jh. 1243 H/W + 1573±6 Datierung der I. und II. Bauphase.

1. H. 13. Jh. 1208±6 + 1553 H/W Datierung der I. und II. Bauphase.

frühes 13. Jh. 1254 H/W, 1634±6, Datierung der I. II. und III. Bauphase. 1769 H/W um 1250/ 1457 H/W + 1676 H/W Datierung der II. und III. Bauphase. Die um 1300/nach 1656 I. Bauphase konnte nicht datiert werden.

17 A GESCHICHTE

Sachbearbeiter: Dr. Axel Behne, Leiter des Archivs des Landkreises Cuxhaven, Otterndorf, Dr. Paul Weßels, Leiter der Landschaftsbibliothek der Ostfriesischen Landschaft, Aurich, und Dr. Gerhard Wiechmann, Universität Oldenburg

1 Nachrichten aus dem Arbeitsbereich der Oldenburgischen Landschaft 1.1 Forschungsvorhaben 1.1.1 Kooperationsprojekt „Hinter dem Horizont. Bäuerlich-bürgerliche Eliten in den friesischen Marschen und den angrenzenden Geestgebieten: Dokumentation, Erforschung und Präsentation des Bestandes an Sach- und Schriftkultur (2. Hälfte des 17. bis 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts)“ Beteiligt sind das Museumsdorf Cloppenburg (Prof. Dr. Uwe Meiners), das Schlossmuseum Jever (Prof. Dr. Antje Sander), das Nds. Staatsarchiv Oldenburg (Prof. Dr. Gerd Steinwascher) sowie das Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (Prof. Dr. Dagmar Freist). Projektbeschreibung und Kontakt unter www.laendliche-eliten.de/projekt.html.

1.1.2 Forschungsverbundprojekt „Nationalsozialistische ’Volksgemeinschaft‘?: Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort“ Beteiligt sind die Universitäten Göttingen, Hannover, Oldenburg (Institut für Geschichte, Prof. Dr. Dietmar von Reeken) und Osnabrück. Projektbeschreibung und Kontakt unter www.staff.uni-oldenburg.de/dietmar.von.reeken/40438.html.

1.1.3 Projekt „Oldenburg 1914–1918. Ein Quellenband zur Alltags-, Sozial-, Militär- und Mentalitätsgeschichte der Stadt Oldenburg im Ersten Weltkrieg“ Das Stadtarchiv Oldenburg steht kurz vor dem Abschluss des o. g. Projekts. Die Bearbeitung erfolgt durch Dipl.-Archivar Claus Ahrens und Dr. Gerhard Wiechmann. Die Buchpublikation wird begleitet werden durch die Internet-Präsentation von rund 800 Quellen, die unter www.oldenburg.de/ stadtarchiv eingestellt werden.

1.2 Bearbeitungen und Drucklegungen 1.2.1 Oldenburger Jahrbuch, Bd. 110, 2010, mit folgenden Beiträgen: Bergmann, K. R.: Karl Polak – Ein Westersteder im Staatsrat der DDR, 137-162. Henninger, W.: Die Arp-Schnitger-Orgel in Bardenfleth. Neue Gewissheiten, 49-74. Menke, W.: Das Ende der „Franzosenzeit“ in Jever – die Darstellung der „Befreiung“ in zeitgenössischen Bildern und Gedichten, 75-92. Müller, K.-P.: Oldenburgische Bibliographie 2009, 303-358. Pleitner, B.: „Morgen werde ich beym Bade sehr artig sein!“ Wasser und Freizeitvergnügen im Land Oldenburg, 163- 184. Sämmer, W., u. Griese, V.: Georg Ruseler und sein Kampf um Karl May im Jahre 1901, 111-135. Schäfer, R.: Das Interim in Jever 1548 und die Bekenntnisse der 21 Pastoren, 31-47. Strotbek, H.: Freunde des Alterthums. Die Geschichte des Oldenburger Landesvereins in den ersten Jahrzehnten nach 1850, 93-109. Thalmann, S.: Zur Frühgeschichte des Prämonstratenserstifts Heiligenberg in der Grafschaft Bruchhausen. Ein Annäherungsversuch, 11-30.

18 1.2.2 Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland, 59. Jg., 2010, mit folgenden Beiträgen: Hanschmidt, A.: „…dem Wohle einer gedrückten Menschenklasse…“ Carl Heinrich Nieberding und die Lage der Heuerleute in den Kreisen Vechta und Cloppenburg, 65-83. Hasenkamp, E.: Zur Luftverteidigung unserer Heimat im Zweiten Weltkrieg – Flakstellungen rund um Vechta –, 200- 226. Haupt, G., u. Renschen, T.: Provinzposse oder bäuerliche Notwehr? Ein Wegeprozess in Cappeln 1750-1766, 49-64. Holzer, K.: Erzpriester Joseph Wahlich. Nach Vertreibung und Flucht aus Schlesien ein Leben als Vertriebenenpriester in Cloppenburg, 185-199. Kuropka, A.: Was bleibt nach 900 Jahren? Überlegungen zur politischen Kultur Oldenburgs anlässlich der 900-Jahr- Feier der Stadt Oldenburg, 84-106. Ottenjann, H.: Das mittelalterliche Friesoyther Rathaus in Bildern und Archivalien sowie im architektonischen Vergleich, 107-127. Plog, M., u. Grote, R.: Cappeln – eine lebendige Gemeinde mit vielen Gesichtern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart eines modernen Wohn- und Arbeitsortes, 6-21. Sieve, P.: Das Kirchspiel Cappeln im Mittelalter, 22-48. Taubenrauch, H.: Der Teich am Emsteker Rathausplatz. 200 Jahre Spezialvermessungen im Oldenburger Münsterland, 157-184.

1.3 Neuerscheinungen: Akkermann, R., u. Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde (Hrsg.), 2011: Das Zwischenahner Meer und sein nahes Umfeld. Landes- und naturkundliche Beiträge zu einem nordwestdeutschen Binnensee. Oldenburg. Albers, L., 2010: Frisia Orientalis. Alte Karten und Geschichte von 1550 bis 1800. Norden. Aljets, U. (Hrsg.), 2010: „Wir leben hier in Kleinamerika“. Zwei Reiseprediger der Inneren Mission besuchen 1868 und 1879 das Jadegebiet. Oldenburg. Allmers, H., 2010: Briefwechsel mit bremischen Freunden. Bremen. Baudach, F., u. Pott, U., 2010: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819). Standesherr wider den Zeitgeist. Eutin. Behre, K.-E., 2010: Der Neuenburger Urwald – ein Denkmal der Kulturlandschaft. Wilhelmshaven. Blindow, M., 2010: Die Musikerfamilie Romberg. Münsters Musikleben zwischen Klassik und Frühromantik. Münster. Brandt, M. W., 2011: Die Architektur des Klassizismus im Herzogtum Oldenburg und in den Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld, 1785-1853, Oldenburg. Brauers, Ch., 2010: 100 Jahre Gymnasium Westerstede. Ein Lesebuch, 1910-2010. Westerstede. Brückner, R., 2010: „Maßarbeit“. Zur Entwicklung des Vermessungswesens und der Kartographie. Lohne. Bruns, A., 2010: Wilhelmshaven von A bis Z. Die 50er und 60er Jahre. Bremen. Budde, G., u. Witkowski, M., 2007: Beethoven unter dem Hakenkreuz. Das Oldenburgische Staatstheater während des Nationalsozialismus. Oldenburg. Bührmann, G., 2010: Dötlinger Schatztruhe. Mosaiksteine zur Regionalgeschichte. Fischerhude. Carstens, G., u. Millies, H., 2010: Butjadingen und Stadland. Weinkaufregister über eingedeichte, neuvermessene und ausgetane Deichländereien 1577-1606. Kirchhatten. Crusius, G., u. a., 2010: Sammelkultur im Zeichen der Aufklärung. Die Bibliothek des Hannoveraner Beamten Georg Friedrich Brandes in der Landesbibliothek Oldenburg. Heidelberg. Dräger, B., 2011: Kunststoff verarbeiten. Zur Entwicklung der Kunststoffindustrie in Lohne und Region. Lohne. Drost, A., u. Menke, W. (Hrsg.), 2010: Ut mine Jungenstid. Albrecht Drosts Erinnerungen an seine Kindheit in Jever zur Biedermaierzeit. Jever. Eckhardt, A., u. Oldenburgische Landschaft (Hrsg.), 2011: Oldenburgisches Ortslexikon. Archäologie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes. Oldenburg. Egidius, H., 2011: Der Jadebusen. Entstehung und Geschichte, Siele, Häfen, Deiche, Wurten, Schifffahrt, Sturmfluten, Leuchttürme, alte Landkarten. Oldenburg. Emmerich, F., 2010: 100 Jahre Oldenburgischer Sängerbund e. V., 1910-2010. Oldenburg. Förderkreis Palais Rastede e. V. (Hrsg.), 2008: Die frühen Oldenburger Grafen. Oldenburg. Gerdes, Ch., 2010: Das Bischöflich Münstersche Offizial zu Vechta. Ein kirchliches Amt sui generis, Münster (Phil. Diss.). Graul, J., 2010: Die freiwilligen Feuerwehren in Sengwarden und Fedderwarden 1933-2008. Wilhelmshaven. Golaszewski, M., 2010: Clemens August Graf von Galen. Ein politischer Prediger im Nationalsozialismus. Analysen der Predigten und Hirtenbriefe. Frankfurt a. M.

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20 2 Nachrichten aus dem Arbeitsbereich der Ostfriesischen Landschaft – Forschungsinstitut für den friesischen Küstenraum 2.1 Forschungsvorhaben 2.1.1 AG Memento Mori: Sterben und Begraben im Norden der Niederlande und Nordwestdeutschland Frau Dr. Sonja König vom Archäologischen Dienst und Dr. Paul Weßels, Landschaftsbibliothek Aurich, vertreten gemeinsam die Ostfriesische Landschaft in der Arbeitsgemeinschaft „Memento Mori: Sterben und Begraben im Norden der Niederlande und Nordwestdeutschland“. Weitere Pro- jektpartner auf niederländischer Seite sind die Rijksuniversiteit Groningen und als lead-Partner das Museumshuis Groningen. Beteiligt sind bislang außerdem das Niedersächsische Landesarchiv – Staatsarchiv Aurich –, das Landesmuseum Emden und das Schlossmuseum Jever. Für ein Projekt konnten EDR-Mittel aus dem Programm „Net(z)werk“ eingeworben werden, um 2011 eine Tagung und zwei Exkursionen zu dem Themenbereich „Sterben und Begraben“ beiderseits der Grenze ver- anstalten und eine Dokumentation erstellen zu können.

2.1.2 Das Bildarchiv der Ostfriesischen Landschaft Das Bildarchiv der Ostfriesischen Landschaft, dessen Anfänge in den 1960er Jahren liegen, um- fasst derzeit etwa ca. 120 000 Objekte. Zuletzt sind ca. 20 000 Negative mit Luftbildaufnahmen von Heiner Unkel, Leer, aus den Jahren 1985 bis 2000 sowie 2 000 Luftaufnahmen von Hans Kolde, Juist, hinzugekommen. Eine systematische Katalogisierung, Erfassung und Digitalisierung des Archivs steht bislang noch aus.

2.1.3 Arbeitsgruppe zur Flurnamendeutung Zum Arbeitskreis „Flurnamendeutung“ der Ostfriesischen Landschaft zählen 19 Mitglieder. Die Arbeitsgruppe wird vom Landesamt für Geoinformation und Landesentwicklung Niedersachsen (LGNL), Aurich, aktiv unterstützt. Bei den acht Treffen der Arbeitsgruppe 2010 wurden inhaltliche Fragen der Flurnamendeutung aber auch Fragen des technischen Umgangs mit der Online-Einga- bemaske besprochen. Es sind bis Ende 2010 von verschiedenen Mitarbeitern ca. 4 000 Flurnamen aus 34 Gemarkungen gedeutet worden und online auf der Seite der Ostfriesischen Landschaft abrufbar.

2.2 Schülerpreis für Ostfriesische Kultur und Geschichte 2010 ist zum ersten Mal der „Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte“ vergeben wor- den. Initiative und Organisation des Preises gingen von der Landschaftsbibliothek aus, die Organi- sation des Preises wurde begleitet durch den Arbeitskreis „Schule und Wissenschaft“. Die Jury bestand aus Dr. Wolfgang Bärenfänger (Ostfriesische Landschaft, Vorsitz), Prof. Dr. Bernhard Pari- sius (Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Aurich – ), Dr. Brigitta Kasper-Heuermann, Dr. Paul Weßels (beide Ostfriesische Landschaft), Peter Klein Nordhues, Marten Hagen, Axel Heinze (Arbeitskreis Schule und Wissenschaft des Regional Pädagogischen Zentrums). Die Preisverleihung hat am 8. Dezember im Landschaftsforum der Ostfriesischen Landschaft statt- gefunden. Preisträgerin wurde Theresa Störiko vom Johannes-Althusius-Gymnasium in Emden mit ihrer Arbeit „Rechtsprechung und Justiz in Emden im Spiegel der Presse“. Der Preis ist für das Jahr 2011 neu ausgeschrieben worden.

21 2.3 Der Arbeitskreis der Ortschronisten Der Arbeitskreis der Ortschronisten hat sich im Jahr 2010 acht Mal zu unterschiedlichen Themen an verschiedenen Orten in Ostfriesland getroffen. Im Durchschnitt nahmen 21 Personen an den Treffen teil: 22.1.2010, Ostfriesische Landschaft, Aurich. Gisela Händel: Die Geschichte einer Flucht nach Ostfriesland nach dem Zweiten Weltkrieg; 19.2.2010, Museum Leben am Meer, Esens. Wiard Hinrichs: Volkszählung 1861. Namen, Berufe, Wohnungen und Grundbesitz der Einwohner der Stadt Esens und der Ämter Esens, Wittmund und Friedeburg. Veröffentlicht im Selbstverlag, Werdum 2009; 12.3.2010, Ostfriesische Landschaft, Aurich. Mathilde und Arne Bogena: Hesel. Heid uns Weid, Rüschen uns Kleewer. Beiträge zur Geschichte einer ostfriesischen Geestrand- siedlung. Veröffentlicht im Selbstverlag, Hesel 2009; 23.4.2010, Schule Uplengen, Remels. Garrelt Garrelts: Uplengen bis Kaspel Lengen. Die zehn Bauerndörfer eines Kirchspiels. Veröffentlicht im Selbstverlag, Bremen 2009; 4.6.2010, Gemeindehaus Bagband. Albert Kroon: Geschichte Bag- bands, Kirche, Kirchengemeinde und Ort; 13.8.2010, Ostfriesische Landschaft, Aurich. Cornelia Ibbeken: Die Arbeitsgruppe Flurnamendeutung der Ostfriesischen Landschaft; 8.10.2010, Ostfriesische Landschaft, Aurich. Wiard Hinrichs: Kopfschatzung 1757. Die steuerpflichtige Bevöl- kerung Ostfrieslands im Siebenjährigen Krieg, Teile 1 u. 2. Veröffentlicht im Verlag der Upstals- boom Gesellschaft, Aurich 2009/2010; 19.11.2010, Dorfgemeinschaftshaus Zwischenbergen. Dr. Karl-Heinz Frees: Een Dörp tüschen twee Bargen. 200 Jahre Zwischenbergen. Die Geschichte einer Moorrandsiedlung. Herausgegeben von der Dorfgemeinschaft Zwischenbergen e. V., Zwi- schenbergen 2010.

2.4 Vorträge und Tagungen Zu den sechs Veranstaltungen der gemeinsamen Vortragsreihe von Landschaftschaftsbibliothek und Niedersächsischem Landesarchiv – Staatsarchiv Aurich – im Landschaftsforum kamen 450 Besucher. Der Besucherdurchschnitt lag bei 75 Besuchern. Die Themen waren: 18. Januar 2010: Matthias Bley (Bochum), Das Prämonstratenserkloster Langen/Blauhaus im 15. und 16. Jahrhundert – ein Beispiel für den Niedergang der ostfriesischen Klöster in Spätmittelalter und Reformationszeit; 22. Februar 2010: Dr. Harald Lönnecker (Koblenz), Frisia in Universitatem. Bei- spiele nordwestdeutscher Bildungsmigration nach Halle, Jena und Göttingen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; 8. März 2010: Dr. Babette Ludowici (Hannover), Vom Scheiterhaufen unters Mikroskop: Germanische „Fürstengräber“ aus Niedersachsen; 27. September 2010: Drs. Otto Knottnerus (Huizinge/Groningen), Fakten und Fiktion zur Dollartgeschichte: Die Dollartkarte von 1574 und ihre Vorgeschichte; 1. November 2010: Prof. Dr. Karl-Ernst Behre, 1000 Jahre Deichbau zwischen Weser und Ems; 6. Dezember 2010: Drs. Hidde Feenstra (Warffum), Das französische Intermezzo 1806 – 1813 im Licht der ostfriesisch-niederländischen Beziehungen. Die Landschaftsbibliothek hat am 19. September 2010 gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Flur- namendeutung eine Tagung zu dem Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Flurnamendeutung“ veranstaltet. Dabei wurde das ostfriesische Konzept der vorrangig von den historischen Gegeben- heiten ausgehenden „Laiendeutung“ vorgestellt und kontrovers und fruchtbringend diskutiert. Mit 50 Teilnehmern war diese Veranstaltung gut besucht. Die Vorträge: Dr. Ulrich Scheuermann, Göttin- gen, „Möglichkeiten und Grenzen der Flurnamendeutung“; Prof. Dr. Ludger Kremer, Borken, „Das westmünsterländische Flurnamenprojekt“; Cornelia Ibbeken „Die Arbeitsgruppe Flurnamendeutung der Ostfriesischen Landschaft“. Am 6. November 2010 fand der 11., mit über 90 Teilnehmern wieder gut besuchte „Tag der Ostfrie- sischen Geschichte“ im Landschaftsforum in Aurich statt. Auf dieser Tagung wurde die Geschichte der ostfriesischen Inseln zum Thema gemacht. Dietrich Nithack gab als Mitarbeiter des Nieder- sächsischen Landesarchivs – Staatsarchiv Aurich – zunächst einen zusammenfassenden Überblick

22 über die Geschichte und die Entwicklung der ostfriesischen Inseln. Anschließend ging Herr Manfred Bätje, Stadtarchivar von Norderney, besonders auf die Geschichte Norderneys als des ersten deut- schen Seebades ein. In der abschließenden Gesprächsrunde wurden Neuigkeiten aus Wissen- schaft und Forschung zur ostfriesischen Geschichte und Berichte der Teilnehmer über eigene Forschungsinteressen und -vorhaben ausgetauscht.

2.5 Veröffentlichungen der Ostfriesischen Landschaft und der Ostfriesischen Landschaftlichen Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Emder Jahrbuch Das Emder Jahrbuch, Bd. 90, 2010 enthält folgende Beiträge: Arndt, K.: Emdens „Ära Fürbringer“ in ihren Denkmälern. Teil 3: Die Standbilder des großen Kurfürsten von Fritz Schaper und Friedrichs des Großen von Joseph Uphues. Nachgüsse der Statuen der Berliner Siegesallee. Dasler, C.: Das Primat der Entwicklungsgeschichte. Die Emder Rüstkammer und das waffenhistorische Interesse. 1871 – ca. 1920. Heinze, A., u. Tammen, M.: „Reise nach Ostfriesland und Bremen im Jahr 1814“. Aus den Tagebüchern von Willem de Clerq 1811-1830. Hermann, M.: Der Einsatz von Strafgefangenen auf Baltrum für den Bau eines Notdeiches im Jahr 1918 – ein unbekanntes Stück Inselgeschichte. Schreiber, G.: Die Porträts der ostfriesischen Regenten. Einzelschriften: Strybny, J.: Plattdeutsche Sprachlandschaften in Ostfriesland. Auffinden sozial definierter Sprachräume über einen Index der Sprachverwendung, ermittelt über eine Befragung der Jahrgänge 5 bis 13 an den Gymnasien und den kooperativen Gesamtschulen der Region, Aurich 2009.

2.6 Veröffentlichungen anderer Verlage und unselbständige Veröffentlichungen Veröffentlichungen 2010: Adams, H.: Schwoog. Ein alter Ortsteil von Ihrhove. Westoverledingen (Selbstverl.). Anneessen, H. (Bearb.): Die Familien der Kirchengemeinde Visquard (1726 – 1900), bearb. von Helmut Anneessen. (Deutsche Ortssippenbücher A 561). Visquard (Selbstverl.). Beerens, J.: Ortschronik Tergast. Die Geschichte eines Dorfes auf dem Kiesbült mitten im Hammrich. Norderstedt. Buurman, H.: Spurensuche Leer (Familienkundliche Veröffentlichung 12). Leer (Selbstverl.). Frees, K.-H.: Een Dörp tüschen twee Bargen. 200 Jahre Zwischenbergen. Die Geschichte einer Moorrandsiedlung. Zwischenbergen (Selbstverl.). Gauger, G.-D.: Das ostfriesische Pferd. Aurich-Tannenhausen (Selbstverl.). Ibbeken, C.: Glossar zur Flurnamensammlung der Ostfriesischen Landschaft. Rastede (Losebl.-Ausg.). Kiesow, G.: Architekturführer Ostfriesland. Bonn. Köster, F. (Bearb.): Campen von 1731 – 1920 (Datenbankerfassung der Familien des ehemaligen Amtes Pewsum und deren Nachkommen aus den Kirchengemeinden Pewsum, Woquard, Loquard und Campen bis ins 20. Jahrhundert, Bd. 4). Aurich (Selbstverl.). Hinrichs, W. (Bearb.): Kopfschatzung 1757. Die steuerpflichtige Bevölkerung Ostfrieslands im Siebenjährigen Krieg, Teil 1 (Ostfriesische Familienkunde 20). Aurich. 125 Jahre Landkreis Leer (1885 – 2010), hrsg. vom Landkreis Leer. Leer. Lindemann, B., u. Hanken, K.-U.: 150 Jahre H.-Risius-KG. Die Chronik 1860 – 2010. Weener. Roehmer, M.: Ostfriesisches Teeporzellan. Vom Thüringer Wald an die Nordseeküste. Norden. Tholen, G. (Bearb.): Die Familien der Kirchengemeinde Petkum (1681 – 1900) (Ostfrieslands Ortssippenbücher 86, Deutsche Ortssippenbücher A, 556). Aurich. Wegner, M.: Unser Ostfriesland. Register zur Beilage der Ostfriesen-Zeitung 1949-2009, Teile 1 u. 2 (Ostfriesische Familienkunde 21). Aurich. (Bericht: Dr. P. Weßels, Aurich)

23 3 Nachrichten aus dem Arbeitsbereich der ehemaligen Herzogtümer Bremen und sowie Stade 3.1 Forschungsvorhaben 3.1.1 Hermann-Allmers-Gesellschaft Der Name Hermann Allmers (1821-1902) dürfte allen Lesern der Mitteilungen des Marschenrates geläufig sein – zumindest dann, wenn sein Name mit dem Zusatz des „Marschendichters“ erscheint. Vor dem Hintergrund der Heimatschutzbewegung, die sich in den Küstenregionen nach Allmers’ Tod zu einem geistigen „Marschenfieber“ entwickelte, war dieser Beiname ursprünglich auszeichnend gemeint. Heute hingegen wird das Epitheton ornans durch seinen wenig qualifizier- ten Gebrauch, vor allem in Lokalzeitungen, zum Pejorativ. Angesichts der Breite der Allmersschen Interessen ist oft festgestellt worden, wie wenig der Beiname des Marschendichters im Bezug auf seine Dichtungen greift. Zwar hat die Landschaft entlang der norddeutschen Küsten in Allmers’ lyri- schem Werk ihren Niederschlag gefunden, doch überwiegen diese Motive keineswegs. Demnach dürfte es vor allem jenes bahnbrechende Marschenbuch gewesen sein, dem Allmers sei- nen Beinamen verdankt. Bis heute wird dieses Buch geschätzt – jedoch nicht als lyrisches Natur-, Zeit- und Stimmungsbild, sondern als umfassende, eingängig geschriebene Darstellung der natur- und kulturräumlichen Besonderheiten der Elbe- und Wesermarschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Interessant ist es, den Motiven nachzuspüren, die Allmers zum Autor dieses Werkes machten. Sie finden sich im Werk selbst. Im Geleitwort des Marschenbuches schreibt Allmers „an seine Lands- leute in den Marschen“: … wenn Ihr wüsstet, wie unbekannt … im ganzen andern Deutschland unsere Marschen sind und welch falsche, zum Teil abgeschmackte Begriffe dort … über unser Land und seine Zustände herrschen, dann würdet Ihr … Euch … freuen, dass ich versucht habe, ihnen einmal ein Bild unserer Heimat zu entwerfen.

Abb. 1. Hermann Allmers auf den Bülzenbett bei Sievern.

24 Generationen von Lesern haben sich seitdem gefragt, welche fehlerhaften oder gar abgeschmack- ten Vorstellungen denn Mitte des 19. Jahrhunderts über die norddeutschen Küstengegenden kur- sierten. Die Aufklärung dieser Frage schafft ein Brief, den Allmers im August 1856 aus Frankfurt am Main an seinen Bremer Freundeskreis sandte. Er findet sich erstmals ungekürzt gedruckt in dem 2010 veröffentlichten Band Hermann Allmers. Briefwechsel mit bremischen Freunden. Allmers schreibt über seinen dortigen Aufenthalt in „gebildeten Kreisen“: Ich hieß da nicht anders als der Marschmensch, der Moormensch, der Mensch vom letzten Ufer, der Rohrmensch. Dieses Erlebnis hat Allmers bestärkt, dem Rate Carl Ritters und Franz Kuglers, die er 1855 in Berlin aufgesucht hatte, zu folgen und ein zusammenhängendes Werk über seine Heimat zu veröffentli- chen – eben jenes Marschenbuch, das 1858 erschien. Uns zeigt diese Episode, dass die Küstensäume der Nordsee bis zum Erscheinen des Allmers- schen Werkes auf der geistigen Landkarte der Deutschen fehlten. Und ferner verdeutlicht sie, in welchem Maße ein anscheinend für sich stehendes literarisches Werk mit den Lebensumständen seines Autors verwoben ist. Doch diese Lebensumstände fließen zumeist nicht unmittelbar in das große Werk ein, sondern lassen sich oft nur dem Tagebuch oder den Briefen des Schriftstellers entnehmen. Dadurch gewinnt dieses ‚alltagsbegleitende Schrifttum‛ einen eigenen Veröffent- lichungswert. Das stellte schon der Hannoveraner Bibliothekar Kurd Schulz im Vorwort der von ihm besorgten Allmers-Briefausgabe (Göttingen: Sachse & Pohl, 1968) fest. Doch die bisherigen Ausgaben der Allmersschen Briefe sind heute samt und sonders vergriffen. Zudem lassen die Briefeditionen von Kurd Schulz (1939/68), Rudolph Koop (1941/59) und William Söder (1943) wegen der durchwegs gekürzten Briefinhalte und ihrer unzureichenden Kommen- tierung zu wünschen übrig. Die Hermann-Allmers-Gesellschaft e. V. hat sich deshalb vor einigen Jahren auf Anregung des Lite- raturwissenschaftlers Dr. Hans Gerhard Steimer entschlossen, eine möglichst umfassende Neu- veröffentlichung des Allmersschen Briefnachlasses zu beginnnen. Die beiden von Allmers gegründeten Heimatbünde an der Unterweser, die Männer vom Morgenstern und der Rüstringer Heimatbund, unterstützen dieses Vorhaben.

Abb. 2. Hermann Allmers im Garten.

25 Angesichts von 11 000 Stücken Korrespondenz, die allein in Allmers’ archivischem Nachlass vor- handen sind, kann der Anspruch an eine solche umfassende Neuedition freilich nicht in einer voll- ständigen Wiedergabe aller Briefe bestehen. Die Edition zielt anstattdessen auf eine für Allmers’ Denken und Wirken und für seine Kontakte möglichst umfassende Auswahl. Die Sichtung, Auswahl und Abschrift der Briefe durch Hans Gerhard Steimer konnte 2007 dank einer sehr großzügigen Förderung durch die Bremer Waldemar-Koch-Stiftung beginnen. Von daher lag es nahe, den ersten Band dieser neuen Edition dem Briefwechsel Allmers’ mit den Freunden in seiner städtischen Wahlheimat Bremen zu widmen. Ein Hauptaspekt dieser Briefe ist selbstverständlich das Bremer Kunst- und Kulturgeschehen. Daneben und darüber hinaus spiegeln sie aber auch ein gutes halbes Jahrhundert deutscher Ge- schichte aus dem Blickpunkt der nordwestdeutschen Peripherie. Vor 1848 setzen sie ein und erstrecken sich bis über die Jahrhundertwende, wobei die atmosphärische Präsenz der politischen Ereignisse und Strömungen (1848, Schleswig-Holstein-Krise, preußisch-österreichischer Konflikt) häufig mehr aussagt als ihre ausdrückliche Schilderung. Daneben mangelt es nicht an Berichten über politische, kulturelle und wirtschaftliche Vorgänge im Landdrosteibezirk Stade, Allmers’ enge- rer Heimat, und im benachbarten Oldenburg, in dem er nicht minder zuhaus war. Erfreulich ist es auch, dass für die Produktion und den Vertrieb des Werkes ein bremisches Ver- lagshaus gewonnen werden konnte. Auf über 600 Seiten des 2010 in der Edition Temmen erschie- nenen, 776 Seiten starken Bandes kommen 289 Briefe von und an Allmers zum vollständigen Abdruck. Jeder dieser Briefe ist für sich einzeln kommentiert. Als völliges Novum ist den Briefen eine jahrweise voranschreitende, 75-seitige Zeittafel zu Allmers’ Lebensweg beigegeben. Eingefügt in diese Zeittafel sind Verweise auf die edierten Briefe, so dass der Leser sich durch kurzes Nach- schlagen rasch über den biographischen Zusammenhang orientieren kann, aus dem heraus ein Brief geschrieben oder in dem er empfangen wurde. Die bewusst sparsame Illustration des Buches beschränkt sich auf die greifbaren Portraits der Briefpartner und die fotografische Wiedergabe ein- zelner Briefe bzw. Briefpassagen, die durch eingestreute Skizzen und Entwürfe, namentlich von Bauvorhaben, visuell besonders ansprechen. Daneben besteht der Reiz dieser Briefe darin, dass wir in ihnen nicht nur die Entstehung von Ideen und Projekten, sondern die Reifung der beteiligten Persönlichkeiten und der sie verbindenden Freundschaften wahrnehmen. Am eindrucksvollsten entfaltet sich dieses in den Briefen, die Allmers mit seinen wichtigsten Bremer Freunden, dem Juristen und späteren Geographen Theodor Menke und dem Nautiker Heinrich Romberg, wechselt. In einem nie abreißenden Zwiegespräch zwischen Deutlichkeit und Diskretion entwickelt sich über Jahrzehnte eine tiefe wechselseitige Kenntnis und Wertschätzung der unterschiedlichen Charaktere. So beschert uns Steimers Edition nicht nur die Umrisse, sondern die ganze Lebensfülle einer oft verkannten Gesellschaft, die, wie schon der Her- ausgeber der Brief-Ausgabe von 1968 bemerkte, in der Frische ihrer Ausdrucksweise frei ist „von allem Staub vergangener Zeit“. Dank der Förderung durch die Stiftungen der VGH und der EWE AG und Kooperationszusagen der Oldenburgischen Landschaft und des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden (Stade) ist die Fortsetzung der Edition gesichert. Aktuell laufen die Arbeiten an einem konzeptionell ähnlich angelegten Folgeband II, der den Arbeitstitel „Briefwechsel mit Freunden im Nordwesten“ trägt. In ihm werden sich Allmers’ Kontakte nach Emden, Wilhelmshaven und Hanno- ver wiederfinden und gegebenenfalls auch seine Briefbeziehungen über die Elbe hinaus nach Schleswig-Holstein. Hermann Allmers: Briefwechsel mit bremischen Freunden (Briefwechsel I), im Auftrag der Hermann-Allmers-Gesell- schaft e. V. hg. von Hans Gerhard Steimer, Bremen: Edition Temmen, 2010 (Sonderveröff. des Heimatbundes der Männer vom Morgenstern, N. R. Band 49), 776 Seiten, 27 Abbildungen, 23 x 14 cm, geb., ISBN 978-3-8378- 4022-3, 29,90 €. (Bericht: Dr. A. Behne, Otterndorf)

26 3.1.2 Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden e. V., Stade Projektreihe „Deiche an Elbe und Weser“ In mehreren geographisch voneinander abgegrenzten Projekten erforscht der Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden seit nunmehr 12 Jahren die Kulturgeschichte des Deichwesens in den Marschregionen seines Einzugsgebiets. Es geht dabei nicht nur um eine Technikgeschichte des Deichbaues, sondern um die Erforschung sämtlicher Facetten des Deich- wesens in ihrer historischen Dimension. Dazu zählen etwa Urbarmachung der Marschen (Deiche, Schleusen, Entwässerung), die individuelle und kollektive Durchführung des Deichbaues und der Deichunterhaltung, die Bildung genossenschaftlicher Organisationsformen wie die Deichverbände, obrigkeitliche Einflußnahme sowie weitere wirtschafts-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche As- pekte und schließlich auch die Folgen von Sturmfluten und Deichbrüchen. Mit der Durchführung dieser Projekte hat der Landschaftsverband den Kulturhistoriker und Volkskundler Prof. Dr. Norbert Fischer () und den Historiker Dr. Michael Ehrhardt (Bremervörde) beauftragt. Da jede Marsch im Elbe-Weser-Raum ihre spezifischen geographischen und kulturellen Eigen- heiten und Traditionen hat, unterscheidet sich auch die Geschichte des Deichwesens in den einzel- nen Marschdistrikten. Dieser Vielfalt trägt die 1999 initiierte Projektreihe des Landschaftsverbandes Rechnung, indem sie jede einzelne der von Deichen geschützten Marschen berücksichtigen will. Begonnen wurde das Vorhaben mit den beiden großen Kulturlandschaften an der Niederelbe: dem Alten Land und Kehdingen. Im Alten Land, an der Niederelbe zwischen Stade und Hamburg gele- gen und zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert von Holländern kolonisiert, versah eine oligar- chisch strukturierte Großbauernschicht den individuellen Flußdeichbau an Elbe, Schwinge, Lühe und Este. Als Ergebnis dieses Projekts ist 2003 erschienen: Michael Ehrhardt, „Ein guldten Bandt des Landes“. Zur Geschichte der Deiche im Alten Land (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Bd. 18), Stade 2003. Die Probleme des Deichwesens im Land Kehdingen zwischen Ostemündung und Stade thema- tisiert Norbert Fischer, Wassersnot und Marschengesellschaft. Zur Geschichte der Deiche in Keh- dingen (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Bd. 19), Stade 2003. Die spezielle Zusammensetzung einer selbstbewussten und tradi- tionsbewussten „Marschengesellschaft“ aus adeligen und bäuerlichen Grundeigentümern als Trä- gern des Deichbaues führte häufig zu Konfrontationen mit der Obrigkeit. Ein durchgreifender Modernisierungsschub erfolgte hier erst im 20. Jahrhundert. Die Projektreihe wurde 2003 fortgesetzt mit der Erforschung des Deichwesens in den Küsten- marschen Hadeln und Wursten. Das mit dem Hauptort Otterndorf bildete bis ins 19. Jahrhundert hinein einen eigenen Staat unter der Herrschaft der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, dessen drei Stände sich nach geographischen Gesichtspunkten (Stadt, Hochland, Sietland) formiert . Die hier ebenfalls oligarchisch strukturierte Gesellschaft hatte einen Deichabschnitt an der Elbmündung in Stand zu erhalten. Besondere Probleme entstanden hier bei der schwierigen Ent- wässerung des großflächigen Hadler Sietlandes. Dazu ist publiziert: Norbert Fischer, Im Antlitz der Nordsee. Zur Geschichte der Deiche in Hadeln (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Bd. 28), Stade 2007. Das , in exponierter Lage an der Nordsee, bildet als Kuturlandschaft in mancherlei Hinsicht eine Besonderheit im Elbe-Weser-Dreieck. Die als einzige nicht planmäßig kolonisierte, sondern schon früh von Friesen besiedelte Marsch musste sich mit starken Deichen gegen die Sturmfluten der See schützen. Wursten bildete im Mittelalter eine auch politisch wehrhafte Bauern- republik, die nach der Eroberung durch die Erzbischöfe von Bremen zu Beginn der Neuzeit ihre Unabhängigkeit gegenüber der staatlichen Verwaltung auch im Deichwesen zu wahren wusste. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zum Deichwesen im Land Wursten wurden 2007 in Michael Ehrhardt, „Dem großen Wasser allezeit entgegen“. Zur Geschichte der Deiche in Wursten (Schrif- tenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Bd. 29), Stade 2007, vorgestellt.

27 Die derzeit laufenden und 2011 bzw. 2012 abzuschließenden Projekte befassen sich mit den Dei- chen an der Oste (Bearbeiter: Norbert Fischer) und an der Unterweser (Bearbeiter: Michael Ehr- hardt). Beide Gebiete ähneln sich in ihrer territorialen Buntscheckigkeit und den daraus resultierenden Problemen. Es handelt sich nicht mehr um einzelne abgeschlossene Kulturland- schaften, sondern um kleine Landesgemeinden und kleinste Bauerschaften, die eigene Deichver- bände bildeten und verschiedenen Gerichten, Ämtern und im Fall der Unterweser sogar verschiedenen Staaten und unterschiedlichen Verwaltungsapparaten zuzuordnen sind. Das führte in den meisten Fällen zu Kompetenzüberschneidungen und -unklarheiten bei den einzelnen Behör- den, ein gravierender Schwachpunkt in der Administration, der die Durchführung wichtiger Wasser- bauprojekte verzögerte und den die Bauern für sich auszunutzen wussten. Das Projekt „Deiche an der Oste“ behandelt die langen, gewundenen Deichstrecken beiderseits des Flusses von Bremer- vörde bis zur Mündung in die Elbe. Auch das Projekt „Deiche an der Unterweser“ befasst sich mit einer deutlich längeren Deichstrecke als bei den vorherigen Vorhaben. Sie reicht von Bremerhaven im Norden bis Bremen im Süden. Hier findet der Aspekt der Weserdeiche im städtischen Umfeld große Bedeutung. Die Gründung 1827 hat auch in deichbaulicher Hinsicht das Ant- litz der ländlichen Vorgängersiedlungen Lehe, Geestendorf und Wulsdorf grundlegend verändert. Hafenanlagen haben in der urbanen Siedlung die Funktion von Deichen übernommen. Die Zuge- hörigkeit der kleinen Marsch Land Würden zum Staat Oldenburg führte zu einem Dualismus zwi- schen den staatlichen Deichbauverwaltungen, der sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte fast bis in die Gegenwart zieht. Im Gebiet der Stadt Bremen organisiert seit gut 150 Jahren der Bremische Deichverband am rechten Weserufer den Deichbau an Weser und Wümme. Schon vor der Zeit seiner Gründung scheint die republikanische Verfassung im Stadtstaat eine effektivere Verwaltung des Deichwesens als in anderen Marschregionen bewirkt zu haben. Der Landschaftsverband Stade plant im Anschluss an die beiden letztgenannten Projekte zwei weitere Vorhaben dieser Art, allerdings deutlich kleineren Zuschnitts, durchzuführen. Mit der Erfor- schung des Seedeiches in Cuxhaven bzw. der Flussdeiche an Wümme, Mittelweser und Aller wer- den dann die Kulturgeschichten der Deiche sämtlicher Marschen im ehemaligen Regierungsbezirk Stade abgedeckt sein. (Bericht Dr. M. Ehrhardt, Stade)

3.2 Veröffentlichungen

3.2.1 Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Stade Das von Heimat- und Familienforschern viel benutzte Werk „Quellen zur Hof- und Familienfor- schung im Elbe-Weser-Raum“, bearbeitet von Walter Deeters, Göttingen 1968, das seit längerem vergriffen war, ist von Bernd Watolla grundlegend neu bearbeitet worden. Nach Kirchspielen geord- net erschließt es die Quellen, die für Familien- und Höfeforscher im Elbe-Weser-Raum von beson- derem Interesse sind, wie die zahlreichen Schatz- und Steuerregister, Deichregister, Einwohner- und Häuserlisten, Jördebücher, Landmilizrollen, Kirchennebenbücher und vieles mehr. Hervor- zuheben ist auch eine Auswahlbibliographie der landes- und ortsgeschichtlichen Literatur und ein Wohnplatzverzeichnis, das die Zuordnung der Wohnorte zu den Kirchspielen ermöglicht. Quellen zur Bevölkerungsgeschichte des Elbe-Weser-Raums vom 16. bis zum 19. Jahrhundert im Niedersächsischen Landesarchiv – Staatsarchiv Stade. Neu bearbeitet von Bernd Watolla nach Vorarbeiten von Walter Deeters, Göttingen 2009, XXIV, 352 S. (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung, Band 62). Der erste Band des von Christina Deggim bearbeiteten sachthematischen Quelleninventars „Archi- valische Quellen zum Seeverkehr und den damit zusammenhängenden Waren- und Kulturströmen an der deutschen Nordseeküste vom 16. bis zum 19. Jahrhundert“ ist erschienen. Der Band er- schließt die einschlägigen Quellen in den Archiven des Elbe-Weser-Raums und in Bremen. Weitere Bände des von der Volkswagenstiftung finanzierten Projekts, das im Staatsarchiv Stade angesie- delt war, sind geplant.

28 Archivalische Quellen zum Seeverkehr und den damit zusammenhängenden Waren- und Kulturströmen an der deut- schen Nordseeküste vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Ein sachthematisches Inventar. Teil 1: Archive im Elbe- Weser-Raum und in Bremen. Herausgegeben von Bernd Kappelhoff. Bearbeitet von Christina Deggim. Göttingen 2011, XXXII, 648 S. (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung, Band 63,1). Als Kooperationspartner wirkte das Staatsarchiv an der Erarbeitung der neuen Dauerausstellung zur Geschichte der Familie von Königsmarck im Schloss mit, die im Mai 2011 eröffnet wurde. In Vorbereitung ist die Druckveröffentlichung des von Dr. Beate-Christine Fiedler bearbeiteten Findbuches zu dem Aktenbestand „Schwedisches Tribunal zu Wismar 1650–1712“. Über das Portal des Niedersächsischen Landesarchivs http://aidaonline.niedersachsen.de sind die Erschließungs- daten im Internet bereits recherchierbar. Über dasselbe Portal ist jetzt auch der Katalog der im Staatsarchiv aufgestellten juristischen Bib- liothek Freudentheil recherchierbar. Die Bibliothek des ersten Stader Juristen und liberalen Politi- kers Gottlieb Wilhelm Freudentheil (1792-1869) und seines Sohnes Emil enthält seltene juristische Werke, Dissertationen, historische Darstellungen und Abhandlungen vom 16. bis zum 19. Jahrhun- dert. Die 5 000 Buchtitel wurden von der Bibliothekarin Angelika Tetzner bearbeitet. (Bericht: R. Gahde, Stade)

3.2.2 Stadt und ehemaliger Regierungsbezirk Stade

Stader Jahrbuch 2012: Die Redaktion des "Stader Jahrbuchs" beabsichtigt, mit dem Stader Jahrbuch 2012 qua Leitthema an die Sturmflut 1962 zu erinnern, der folgende Beiträge gewidmet sein sollen: – Geschichte Sturmfluten Niederelbe (Michael Ehrhardt) – Pressedokumentation 16./17.2.1962 (Norbert Fischer) – Sturmflut 1962 im Alten Land (Susanne Höft-Schorpp u. a.) – Sturmflut 1962 in Kehdingen (Norbert Fischer; Buchauszüge) – Sturmflut 1962 an der Oste (Gisela Tiedemann) – Sturmflut 1962 in Hadeln (Rolf Heitsch) – Folgen für den Küstenschutz (Gunther Armonat) – Gedächtnislandschaft Sturmflut (Norbert Fischer) (Bericht: Dr. G. Fiedler, Stade)

29 B UR- UND FRÜHGESCHICHTE

Sachbearbeiter: Dr. Jana Esther Fries, Nds. Landesamt für Denkmalpflege, Oldenburg, Prof. Dr. Hauke Jöns, Abteilungsleiter Kulturwissenschaften beim Nds. Institut für historische Küstenforschung, Wil- helmshaven, und Matthias D. Schön, M. A., Archäologiedirektor, Leiter der Archäologischen Denkmal- pflege des Landkreises Cuxhaven

1 Ehemaliger Regierungsbezirk Weser-Ems 1.1 Siedlungsarchäologische Forschungsprogramme des NIhK, Wilhelmshaven 1.1.1 Historisch-geographische Untersuchungen zur Deichgeschichte im Wangerland, Ldkr. Friesland Die Visualisierung des Mikroreliefs der ehemaligen Crildumer Meeresbucht mit Hilfe des Digitalen Geländemodells (DGM) wurde nach Westen erweitert. Durch die Auswertung dieses Reliefs konn- ten weitere, bisher unbekannte Ringdeiche rekonstruiert werden. Ein Deich befindet sich ca. 1 km südlich der Wurt Pievens und umfasst die Kernflur der Dorfwurt Zissenhausen. Ein weiterer, unmit- telbar nordwestlich von Pievens gelegener Ringdeich schützt die Kernfluren der Dorfwurten Tettens und Ussenhausen; dabei wird Ussenhausen von der Deichlinie berührt. (Bericht: Dr. J. Ey, Wilhelmshaven)

1.1.2 Elsfleth, Ldkr. Wesermarsch – ein wirtschaftliches Zentrum der Römischen Kaiserzeit an der Huntemündung Im Berichtszeitraum 2010 wurde die Auswertung aller vom Fundplatz Elsfleth-Hogenkamp be- kannten Funde und Befunde fortgesetzt. Diese Arbeiten sind bereits weit vorangeschritten und bil- den eine wichtige Grundlage für die in Arbeit befindliche, an der Universität Münster vorzulegende Dissertation von Kai Mückenberger, M. A., die einen strukturellen Vergleich der beiden flussnah gelegenen kaiserzeitlichen Fundplätze Elsfleth und Bentumersiel zum Inhalt hat. Zur Klärung der topographischen Situation, die die Menschen vor 2000 Jahren bei Anlage des Siedlungsplatzes vorgefunden haben, wurden in der ersten Jahreshälfte 2010 mit der Technik der RGK großflächige geomagnetische Prospektionsarbeiten sowie in Zusammenarbeit mit Sencken- berg am Meer (Wilhelmshaven) Bohruntersuchungen durchgeführt, die von Dr. M. Karle abgeteuft wurden. Zusätzlich brachte Dr. J. Ey, NIhK, mehrere Bohrungen nieder, um Aufbau und Ausdeh- nung der im Bereich des Fundplatzes beobachteten Kulturschichten zu ermitteln. Die Protokolle dieser Untersuchungen sind bereits ausgewertet und graphisch aufbereitet; sie sollen im Rahmen der geplanten monographischen Veröffentlichung der Dissertation von K. Mückenberger veröffent- licht werden. Die Forschungen in Elsfleth wurden 2007 und 2008 vom Land Niedersachsen mit Mitteln aus dem Forschungs- und Berufungspool (Kap. 06 08 TG 74) gefördert und werden seither mit Hausmitteln des NIhK fortgesetzt. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, K. Mückenberger, M. A., Wilhelmshaven)

1.1.3 Der römisch-kaiserzeitliche Ufermarkt und Stapelplatz von Bentumersiel an der Ems Seit dem Abschluss der Geländearbeiten im Herbst 2008 steht die Auswertung der Funde und Be- funde im Mittelpunkt des Projektes. Diese Untersuchungen werden von K. Mückenberger, M. A., durchgeführt und vom Land Niedersachsen im Rahmen des Programms Pro*Niedersachsen geför- dert. Zur Gewinnung von zusätzlichen absolutchronologischen Datierungen der Bentumersieler Baubefunde wurden im Berichtszeitraum Holzproben zur Gewinnung von 14C-Datierungen genom- men. Die an der Universität Poznán durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass Bentu- mersiel auch bereits während der mittleren und jüngeren Vorrömischen Eisenzeit besiedelt war, so

30 dass dieser Fundplatz nicht länger ausschließlich im Zusammenhang mit den bekannten, vor Ort geborgenen römischen Militärausrüstungsbestandteilen und Keramiken gesehen werden kann. Die Ergebnisse der aktuellen Forschungen werden vom wissenschaftlichen Bearbeiter K. Mückenberger in seine Dissertation über die Strukturen der Fundplätze Elsfleth und Bentumer- siel einfließen, die er im SS 2011 an der Universität Münster vorzulegen beabsichtigt. Parallel dazu führt M. Müller eine Analyse eines repräsentativen Ausschnitts der Keramikfunde aus Bentumersiel im Rahmen ihrer Magisterarbeit an der Universität Münster durch. Die aktuellen Forschungen an den Funden und Dokumentationen von Bentumersiel erfolgen in enger Kooperation mit H. Prison, M. A., Ostfriesische Landschaft, der gegenwärtig großflächige Ausgrabungen im Umfeld der be- nachbarten Wurt Jemgumkloster auswertet. (Bericht: K. Mückenberger, M. A., Dr. E. Strahl, Wilhelmshaven)

1.1.4 Die Wurt Hessens im Stadtgebiet von Wilhelmshaven – Entwicklung und Wirtschafts- weise einer Wurtensiedlung vom 7. bis 13. Jahrhundert Die Dissertation von Frau Siegmüller ist im Frühjahr 2010 als Band 1 der neu gegründeten NIhK- Reihe „Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet“ erschienen. Im Anschluss an die archäologische Auswertung der Befunde wurden im Rahmen einer von M. Martin verfassten und von Prof. Dr. E. Stauch betreuten Münsteraner Magisterarbeit Analysen an botanischen Makroresten aus ausgewählten Sedimentproben durchgeführt. Die Arbeit wurde im April 2010 abgeschlossen und wird gegenwärtig zur Veröffentlichung vorbereitet. (Bericht: Dr. A. Siegmüller, Prof. Dr. H. Jöns, Wilhelmshaven)

1.1.5 Entwicklung des Jadebusens seit dem Ende der letzten Kaltzeit Die Überprüfung und Ergänzung der aus der Datenbank des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege ADABWeb extrahierten Daten zu archäologischen Fundplätzen im Umfeld des Ja- debusens bildete auch 2010 den Schwerpunkt der Arbeit des kulturwissenschaftlichen Teilprojektes des Jadebusen-Projekts. Inzwischen sind Festlegungen getroffen worden, welche Struktur und Funktionalität die gemeinsame GIS-gestützte Datenbank haben soll und welche Rechte Mitarbeiter und User der Datenbank haben werden. Mit der Durchführung der Arbeiten im NIhK ist I. Eichfeld, M. A., betraut; seine Halbtagsstelle wird aus dem Programm Niedersachsen Vorab der VW-Stiftung finanziert und ist bis Dezember 2011 gesichert. (Bericht: Dr. J. Ey, I. Eichfeld, M. A., Wilhelmshaven)

1.1.6 Veröffentlichungen aus dem NIhK: Mückenberger, K., u. Strahl, E., 2010: Ein Brandgrab des frühen 4. Jahrhunderts n. Chr. mit reichem römischen Import aus Bentumersiel, Lkr. Leer (Ostfriesland). Archäologisches Korrespondenzblatt 39, 2009, 547-558. Schmid, P., 2010: Historisch-geographische Untersuchungen auf der Dunumer Gaste, Ldkr. Wittmund. In: Gedenk- schrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 43-46. Siegmüller, A., u. Bungenstock, F., 2010: Salztorfabbau im Jadebusengebiet, Prospektion von anthropogenen Land- absenkungen und ihren Folgen. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 79, 201-220. Siegmüller, A., 2010: Die Ausgrabungen auf der frühmittelalterlichen Wurt Hessens in Wilhelmshaven. Siedlungs- und Wirtschaftsweise in der Marsch. Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet 1. Rahden/Westf. Siegmüller, A., 2010: Die Ausgrabungen auf der Wurt Hessens in Wilhelmshaven – Neubeginn nach Kriegsende. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 17-22. Siegmüller, A., 2010: Waschtag vor der Wollernte. Eine frühmittelalterliche Schafwaschanlage aus der Wurt Hessens in Wilhelmshaven. Archäologie in Niedersachsen 13, 67-70. Strahl, E., 2010: Holtgaste FStNr. 1, Gde. Jemgum, Ldkr. Leer, ehem. Reg. Bez. W-E. Nachrichten aus Niedersach- sens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), 267-270, Nr. 387.

31 1.2 Größere Ausgrabungen und Fundbergungen des niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege – Stützpunkt Oldenburg 1.2.1 Schlüte, Gde. Berne, Ldkr. Wesermarsch, FStNr. 111 Kaiserzeitliche Flachsiedlung und Wurt Schon lange war eine kaiserzeitliche Fundstelle bei der Siedlung Schlüte im Gemeindegebiet von Berne bekannt. Neue Aktualität erhielt sie im Jahr 2009 durch die Planung eines Neubaus der Bun- desstraße 212. Die gegenüber der bestehenden Straße veränderte Trasse sollte über den Fund- platz verlaufen. Dies und eine neu umgebrochene Weidefläche veranlassten Uwe Märtens, den ehrenamtlichen Beauftragten für die Wesermarsch, die Fundstelle im Herbst 2009 zu begehen. Da- bei fand er neben einer enormen Menge Scherben auch mehrere Münzen aus der späten und Fibeln der älteren römischen Kaiserzeit. Damit war umso deutlicher die Notwendigkeit einer Ausgrabung vor Beginn der Bauarbeiten an die- ser Fundstelle belegt. Sie wurde vom NLD von Ende Februar bis Anfang Mai 2010 trotz äußerst schwieriger Wetter- und Bodenbedingungen durchgeführt. Dabei erfuhren wir umfangreiche perso- nelle Hilfe durch die Grabungsfirma Arcontor und finanzielle Unterstützung durch den Niedersäch- sischen Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr. Die Fundstelle befindet sich auf dem Uferwall des kleinen Flüsschens Ollen, das etwas nördlich in die Hunte mündet. Gegenüber der Umgebung liegt die Oberkante des Walls um etwa einen Meter erhöht – für die Wesermarsch schon eine deutliche Steigung. Die Fundstelle selbst liegt mit etwa 1,60 m NN nochmals einen halben Meter höher und bietet damit einen günstigen Siedlungsplatz. Die genaue geomorphologische Situation wurde im Vorfeld durch eine geomagnetische Untersu- chung des NIhK erkundet, die u. a. östlich des Marschrückens einen ehemaligen Wasserlauf ergab. Die anschließende Ausgrabung im Bereich der Straßentrasse ergab eine Siedlung mit den üblichen Gruben und Pfostenlöchern. Darüber hinaus waren zwei Hausgrundrisse abgebrannter Häuser und ein Brunnen oder besser Wasserloch erkennbar. Wie fast immer bei Ausgrabungen im Kleiboden war die Holzerhaltung ausgezeichnet und erlaubte es, mehrere Uferbefestigungen des Gewässers zu dokumentieren. Die sehr zahlreichen Funde der Grabung decken den größten Teil der römi- schen Kaiserzeit ab. Gegen Ende der Dokumentation wurde als Überraschung der Ausgrabung am Ostende der Grabungsfläche eine Schifflände entdeckt, die dem (hohen?) Mittelalter zuzuordnen ist und mit deren Hilfe Boote in das Gewässer gelassen werden konnten. Siedlungsbefunde aus dieser Zeit wurden dagegen nicht festgestellt. Neben der archäologischen Dokumentation wurden durch das NIhK Befunde und Fundschichten intensiv botanisch und zoologisch beprobt. Die Fundstelle wird dort im Rahmen des DFG-Projekts "Struktur und Funktion von Landeplätzen und Ufermärkten des 1. Jahrtausends n. Chr." näher un- tersucht. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.2 Hohenkirchen, Gde. Wangerland, FStNr. 59, Ldkr. Friesland Kaiserzeitliche und mittelalterliche Wurt Von der Wurt Groß Rhaude waren bislang nur Keramikscherben bekannt, die mittelalterlich und kaiserzeitlich (um Chr. Geb.) datieren. Die als Dorfwurt angesprochene Fundstelle ist 240 m lang, 190 m breit und erhebt sich noch 1,50 m über die umgebende Marsch. Der Grundstückseigentümer plante den Anbau und die Erweiterung eines Boxenlaufstalles mit Güllekeller auf dem nordöstlichen Wurtbereich. Das Bauvorhaben umfasste eine Größenordnung von ca. 3 000 m². Um einzuschätzen, was durch diesen geplanten Eingriff an archäologischer Sub- stanz zerstört werden könnte, bzw. welche archäologischen Maßnahmen vor Baubeginn ergriffen werden müssen, wurde vom 08. bis 10. Dezember 2010 ein 5 m langer Sondageschnitt mit einem

32 Bagger angelegt. Für die Erstellung des Profiles war ein an der Oberfläche gemessener über 100 m² großer Eingriff notwendig, der bis zu 3 m tief war. In dem ungestörten Profil konnte der Wurtaufbau gut erfasst werden. Eine erste Siedlungsschicht befand sich auf dem damaligen „anstehenden“ Sediment. Bei diesem ersten Siedlungsplatz handelt es sich um eine Flachsiedlung, ein erhöhter Siedlungsplatz war zu dieser Zeit wegen des niedrigen Meeresspiegels noch nicht notwendig. Das Fundmaterial – eine Bronzescheibenfibel, Keramik und Tierknochen – weist in den Zeitraum der Jüngeren Römischen Kaiserzeit (um 100 bis 3. Jh. n. Chr.). Mit dem allmählich steigenden Meerespegel musste eine erste Erhöhung des Siedlungsplatzes vorgenommen werden, sie erfolgte aus vorhandenem Abfallmaterial, überwiegend Mist. Die Fund- situation oberhalb der Schicht – sehr viel Keramik und Tierknochen – deutet darauf hin, dass sich auf diesem Niveau ein weiterer Siedlungshorizont befand. Die Funde datieren in den gleichen Zeit- raum wie den der ersten Siedlung, auch in die Jüngere Römische Kaiserzeit. Die Entstehung der Flachsiedlung sowie der Beginn der Wurtenbildung liegen also innerhalb dieser Epoche. Es konnten vermutlich vier weitere Wurtaufschüttungs-Vorgänge nachgewiesen werden. Wegen fehlender Funde war eine Datierung nicht möglich. Alle jüngeren Aufschüttungen erfolgten aus Klei. Siedlungs- und Nutzungshorizonte in Form von anthropogenen Eingrabungen, humosen Oberflä- chen (abgesehen von einem humosen Befund zwischen den beiden jüngsten Aufschüttungsschichten) und Siedlungsabfällen waren ebenfalls nicht nachweisbar. Interessant hierbei ist, dass auch die jüngste Aufschüttung keinerlei Störungen aufweist, während viele Wurtoberflächen durch moderne landwirtschaftliche und bauliche Tätigkeiten erheblich gestört sind. Die Küsteneindeichungen im Hochmittelalter machten weitere Wurterhöhungen dann nicht mehr notwendig. Auf Grund der Ergebnisse aus der Prospektion plante der Eigentümer sein Bauvorhaben um. Im Sommer 2011 wird in zwei Bauabschnitten mit den Arbeiten begonnen. Diese Eingriffe werden ar- chäologisch begleitet; möglicherweise können wir dann die oberen Aufschüttungsschichten datieren und noch weitere Erkenntnisse erlangen. (Bericht: G. Stahn, Oldenburg)

1.2.3 Rastede, Stadt Rastede, Ldkr. Ammerland, FStNr. 177 Spätpaläolithische Lesefunde Bei Feldbegehungen in den Jahren 2009 und 2010 gelang H. Kobler am Rand der nach Osten zum Ipweger Moor hin abfallenden Geest bei Wahnbek die Entdeckung einer Fundstreuung mit jung- paläolithischen und spätneolithischen oder frühbronzezeitlichen Artefakten. Nach Angaben des Finders dehnt sich die Fundstreuung, von der bislang mehr als 400 Feuersteinartefakte und 33 Keramikscherben abgesammelt wurden, über eine Fläche von ca. 80 m x 40 m aus. Über einen Teilbereich des Fundareals erhebt sich eine kleine Kuppe, auf der eine kleinräumigere Streuung von Feuersteinartefakten erkannt werden konnte. Neben wenigen Abschlägen und Klingenfrag- menten, darunter ein teilweise lateral retuschiertes klingenähnliches Fragment, fand sich hier eine Havelte-Spitze der späteiszeitlichen Hamburger Kultur. Der Terminalbereich der Geschoßspitze ist abgebrochen. Die Wahl des Platzes hat möglicherweise einen hervorragenden Blick in das weit- läufige späteiszeitliche Wesertal ermöglicht. Weitere Artefakte, die kennzeichnend für die Anwe- senheit von Jägern der Hamburger Kultur sein könnten, liegen jedoch bislang nicht vor. Zum Fundmaterial gehört allerdings ein am Rand der Kuppe aufgelesenes Felsgesteinartefakt, das als Pfeilschaftglätter angesprochen werden kann. Es handelt sich bei dem 6,5 x 5,4 x 3,1 cm großen Fundobjekt um ein graues sandsteinartiges Konglomerat, das neben Quarz auch Glimmeranteile enthält. Feldspat ist nicht erkennbar. Der Stein verfügt auf der einen Seite über eine in Längsrich- tung künstlich eingeschliffene 1,0 cm breite und 2 mm tiefe Rille. Vergleichbare Felsgesteingeräte werden ebenfalls als Pfeilschaftglätter gedeutet und sind vereinzelt bereits in Fundkontexten der

33 Hamburger Kultur belegt, z. B. in Luttenberg, einem Fundplatz der Havelter Gruppe der Hamburger Kultur in der Provinz Overijsel, Niederlande, sowie in Heber, Ldkr. Soltau-Fallingbostel, Nieder- sachsen. Weitaus häufiger erscheinen Pfeilschaftglätter allerdings in jüngeren paläolithischen, mesolithischen und neolithischen Zusammenhängen. Im Hinblick auf das übrige Fundmaterial, das auch außerhalb der Kuppenbereichs vorgefunden wurde, ist in diesem Fall eine jüngere Zeitstel- lung des Pfeilschaftglätters ebenfalls nicht auszuschließen. Denn an Feuersteinartefakten, teilweise auch verbrannt, fanden sich hier neben zahlreichen Abschlägen und Trümmern auch mehr als 20 kleinere, oft rundliche oder halbrunde Kratzer, die jüngerer Zeitstellung sind. Insbesondere anhand mehrerer mit Wickelschnurstempeln dekorierter Keramikscherben ist zudem eine Nutzung des Platzes im Spätneolithikum oder der Frühbronzezeit nachweisbar. (Bericht: J. Schneider, Oldenburg)

1.2.4 , Gde. Ganderkesee, Ldkr. Oldenburg, FStNr. 132-134 Kaiserzeitlicher Verhüttungsplatz Durch drei Prospektionen innerhalb eines rund 36 ha großen geplanten Gewerbegebietes wurden 2010 drei neue Fundstellen der Eisenzeit und Kaiserzeit erfasst. Im Nordwesten wurde das Prospektionsareal von etwa 2 ha vollständig von einem Verhüttungsplatz (FStNr. 132) eingenommen. Hochgerechnet dürften hier mindestens 200 Renneisenöfen liegen. Hinzu kommen noch etliche Gräben, Gruben und Pfostengruben. Eine der untersuchten Gruben enthielt Keramik der vorrömischen Eisenzeit. Im Nordosten erbrachte die Prospektion von etwa 3,2 ha eine Hand voll Siedlungsgruben, von de- nen eine Keramik der Römischen Kaiserzeit enthielt (FStNr. 133). Im Zentrum des geplanten Gewerbegebietes wurden innerhalb des gut 7 ha großen Prospektions- areals wiederum neben etlichen Gruben einige Renneisenöfen und zusätzlich zwei Meilergruben freigelegt (FStNr. 134). Somit dürften die FStNr. 132 und 134 einen mindestens 9 ha großen Ver- hüttungsplatz mit mehreren hundert Renneisenöfen umfassen. (Bericht: M. Wesemann, Oldenburg)

1.2.5 Winkelsett, Gde. Winkelsett, Ldkr. Oldenburg, FStNr. 166 Eisenzeitliche Siedlungsfundstelle Seit einiger Zeit nimmt die Zahl der Biogasanlagen stark zu, was nicht nur für den Naturhaushalt, sondern auch für die archäologische Denkmalpflege ein weiteres Problemfeld darstellt. Anlagen bis 500 KW Leistung können im Rahmen des privilegierten Bauens landwirtschaftlicher Anlagen im Außenbereich ohne Planverfahren errichtet werden – daher ist es dann der Aufmerksamkeit der Unteren Denkmalschutzbehörden zu verdanken, wenn das Landesamt für Denkmalpflege einbezo- gen werden kann. Dies geschieht dank der Diskussion um diese Anlagen und der damit einher- gehenden gesteigerten Sensibilität in den Kommunen immer öfter. So auch in Winkelsett, wo im Ortsteil Mahlstedt gleich zwei große Mastställe sowie eine Biogasanlage errichtet werden sollten. Im Vorfeld wurden die drei Bauflächen prospektiert und im Bereich der Biogasanlage einige Be- funde festgestellt, die anschließend genauer untersucht wurden. Neben einigen kleineren Gruben, die etwas Holzkohle enthielten, wurden in der etwa 3 700 m² gro- ßen Grabungsfläche ein Wandgräbchen und ein Grubenkomplex untersucht. Es handelte sich beim ersteren um ein etwa NW-SO ausgerichtetes U-förmiges, nur etwa 5 cm tief erhaltenes Gräbchen mit annähernd parallelen Wänden und einer Breite von ca. 30 cm. Im Profil zeigten sich meist steile Wände und eine ebene Sohle. An keiner Stelle konnten Pfostengruben oder andere bauliche Einzelheiten festgestellt werden. Das Gräbchen umfasste eine Fläche von 3,5 m Breite und noch 6 m feststellbarer Länge. Die Funktion ist nicht eindeutig zu erschließen; für eine Plaggen- oder Sodenwand ist die Breite zu gering; auch fehlen Spuren stützender Einbauten.

34 Dennoch könnte hier möglicherweise ein leichter Schutzbau gestanden haben, von dem nur noch partiell die Reste eines umlaufenden Entwässerungsgräbchens blieben. Auf dem im Areal anste- henden staunassen Boden wäre die Anlage eines solchen Gräbchens um einen leichten Schutzbau durchaus sinnvoll. Da keine Keramikfunde vorliegen, ist eine Datierung des Befundes allerdings nicht möglich. Der Grubenkomplex umfasste im Wesentlichen zwei größere, unregelmäßige, im Profil mulden- förmige und bis zu 1,20 m tiefe Gruben, deren Füllung teils aus schwach humosem schluffigen Lehm, teils aus sehr steinigem Lehm und zum kleinen Teil aus plaggenartigen Lagen von tonigem Lehm bestand. Es handelt sich hier um typische Abfallmassen der Lehmgewinnung, nämlich das aussortierte Geschiebe und den ungeeigneten humosen und schluffigen Lehm. Aus allen Teilen des Grubenkomplexes stammen Keramikscherben mehrerer Gefäße, die in die jüngere vorrömi- sche Eisenzeit datieren. Die Befunde erlauben es ihrer Anzahl und ihrem Charakter nach nicht, an dieser Stelle eine dauer- hafte Besiedlung anzunehmen. Auch die lokalen Bodenverhältnisse sprechen dagegen. Der leh- mige, meist aber stark schluffige, stark staunasse Boden ist ebenso wenig als ackerbaulich geeigneter Standort anzusprechen. Die einzige Ressource, die solch ein Boden bietet, ist der Ge- schiebelehm, der nach entsprechender Aufbereitung als Material für Wandverputz, Estrich und Ofenbauten geeignet ist. Dementsprechend können die größeren Gruben als Lehmentnahme inter- pretiert werden. Die geringe Anzahl der Befunde lässt sich zusammen mit der eher geringen Qualität des nur sehr kleinräumigen, inselartigen Lehmvorkommens im ansonsten unbrauchbaren stark schluffigen Bo- den gut damit erklären, dass die Aktivität nur sehr kurzfristig stattfand. Die in der Nähe zu vermu- tende Siedlung ist vermutlich auf den besser drainierten, sandigen Flächen zu suchen, die sich in unmittelbarer Nähe finden. Im Arbeitsgebiet sind bereits häufiger auf staunassen Pseudogleyen und Parabraunerden einzelne oder Gruppen solcher Gruben beobachtet worden, die, wenn datierbar, in die VEZ gestellt werden, und die nicht im unmittelbaren Siedlungskontext stehen. Auch hier ist eine Ansprache als Lehm- entnahmestelle zu erwägen. Es würde sich sicher lohnen, solche Fundstellen dahingehend erneut zu begutachten, insbesondere auch in ihrer Lage in der Bodenlandschaft und in Bezug zu bekann- ten Siedlungsplätzen. (Bericht: M. Wesemann, Oldenburg)

1.2.6 Drantum, Gde. Emstek, Ldkr. Cloppenburg, FStNr. 99 Frühmittelalterliches Gräberfeld Das Gräberfeld von Drantum ist eines von nur drei bedeutenden frühmittelalterlichen Gräberfeldern im Westen von Niedersachsen. Beim Bau der Autobahn 1 wurde bei der Ortslage Drantum im Jahr 1964 das Gräberfeld gequert. Vor und während der Bauarbeiten konnte D. Zoller rund 480 Gräber daraus dokumentieren, ohne die Grenzen der Nekropole überall zu erreichen. Die Be- stattungen stammen aus der Mitte des 7. bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts und waren zum Teil mit reichen Beigaben ausgestattet. Die Nekropole bildet auch den Übergang zum Christentum ab. Während die älteren Gräber noch Nord-Süd ausgerichtet sind, ist die Mehrzahl in der neuen, christ- lich zu deutenden Ausrichtung Ost-West angelegt. An diesem bedeutenden Fundplatz fanden im Jahr 2010 erneut Bauarbeiten statt. Es sollte ein Lärmschutzwall errichtet werden, der möglicherweise einen bislang unberührten Bereich betraf. Deshalb wurde parallel zur Autobahn im Juni 2010 ein Suchschnitt angelegt. In dem 122 m langen Streifen wurden drei Ost-West-orientierte Grabgruben angeschnitten, außerdem ein größerer Kom- plex aus vermutlich mehreren Gräbern sowie eine rundliche Verfärbung mit etwas Knochenbrand, die zu einem Brandgrab gehört haben könnte.

35 Die Ausgrabung dieser Befunde wäre vergleichsweise aufwändig gewesen. Stattdessen konnte mit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eine andere Lösung vereinbart werden: Der Bereich wird durch Geotextil abgedeckt, dann vorsichtig mit Sand aufgefüllt. Der Lärmschutzwall wird ohne wesentliche Verdichtung gebaut, so dass insgesamt die Gräber keinen Schaden nehmen werden und im Boden bleiben können. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.7 Holdorf, Gde. Holdorf, Ldkr. Vechta, FStNr. 3 Frühmittelalterliche Siedlung Holdorf, eine kleine Gemeinde im südlichen Landkreis Vechta, war vor mehreren Jahren Schau- platz einer der bedeutendsten mittelalterlichen Siedlungsgrabungen im Bereich Weser-Ems. 1999 und 2005 dokumentierte das NLD hier eine umfangreiche Siedlung des 8. bis 13. Jahrhunderts mit mehreren schiffsförmigen Langhäusern der Typen Warendorf und Gasselte, außerdem kleinere Pfostenbauten und zahlreiche Grubenhäuser. Als 2010 Planungen zur Erweiterung des Wohngebietes, das damals Anlass für die Ausgrabungen gewesen war, um etwa 2,8 ha aktuell wurden, lag die sehr große Wahrscheinlichkeit weiterer Bodendenkmale auf der Hand. Der Stützpunkt Oldenburg prospektierte deshalb im November 2010 die neu zu erschließende Fläche, die gut 150 m östlich des bestehenden Baugebietes liegt. Dabei wurden offenbar die Randbereiche des mittelalterlichen Dorfes erfasst. Es wurden wiederum Sied- lungsbefunde entdeckt, vor allem kleinere Pfostengruben, jedoch in deutlich schwächerer Befund- dichte als zuvor. Hinzu kam Keramik (z. B. ein Kumpf mit leicht ausgestelltem Rand) aus dem frühen Mittelalter. Hausgrundrisse waren in den Suchschnitten nicht erkennbar, was zur Annahme eines Siedlungsrandbereiches passt. Die notwendige Ausgrabung der Fläche ist für 2011 geplant. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.8 Visbek, Gde. Visbek, Ldkr. Vechta, FStNr. 537 Frühmittelalterliche Siedlung Auf der bereits in den Jahren 2006-2007 und 2009 zum Teil ausgegrabenen Fläche einer früh- bis hochmittelalterlichen Siedlung wurde im Berichtsjahr ein kleines Areal im Norden der Fläche nach- untersucht. Zu den bisher bekannten Befunden (Langhäuser, Grubenhäuser, Rutenberge und ebenerdige Pfostenbauten) trat hier ein Feldsteinkeller hinzu. Dieser konnte zwar nicht vollständig ausgegraben werden, da ein Teil außerhalb der Grabungsfläche liegt, erbrachte aber einige wich- tige Funde und Strukturen, die bislang in der untersuchten Fläche nicht auftraten. Nach Abschluss der Grabungen wurde der Befund wieder verfüllt und soll erhalten bleiben. Die noch rund 1,20 m hoch erhaltenen Wände des etwa 5 m langen und mindestens 3,80 m brei- ten, etwa Ost-West ausgerichteten Kellers bestehen aus z. T. sehr sorgfältig ohne Mörtel gesetzten unbehauenen Feldsteinen, die bis zu 1 m Durchmesser aufweisen. Auf der Ostseite konnte eine etwa 2 m lange Eingangsrampe nachgewiesen werden, deren Breite allerdings wegen der Lage des Befundes an der Grabungsgrenze nicht bestimmt werden konnte. In der Südost- und Südwestecke sowie vor der Mitte der Südwand liegen auf der Sohle auffällig fla- che Findlinge von etwa 30 cm Durchmesser. Möglicherweise handelt es sich hier um Legsteine für Ständer; Pfostengruben wurden nämlich nicht vorgefunden. Nicht nur durch die Bauweise der Wände aus großen Findlingen, sondern auch durch die Konstruktion des Aufgehenden mit Stän- dern unterscheidet sich dieser Befund von den sonst angetroffenen Grubenhäusern in Pfosten- bauweise mit Bohlen- oder Flechtwerkwänden. Hinzu kommt noch, dass östlich des Feldsteinkellers ebenfalls einige noch größere vermutliche Legsteine freigelegt wurden, die wie die meisten größeren Gebäudegrundrisse Ost-West ausgerichtet waren und somit vielleicht die Grund-

36 schwelle eines Langhauses getragen haben könnten, das möglicherweise zeitgleich mit dem Keller bestand. Darauf weisen einige Keramikfunde sowohl in der Füllung des Kellers wie auch im Bereich dieses Gebäudes hin, die eher in das 12. Jh. datieren. Die Funde aus dem gesamten übrigen Bereich da- tieren dagegen in das 9. bis 11. Jh.

Abb.1. Frühmittelalterliche Siedlung Visbek.

Der Feldsteinkeller wurde nach seiner Auflassung innerhalb kurzer Zeit mit dem Brandschutt eines nahe gelegenen Gebäudes verfüllt, der aus einer Mischung von verziegeltem und unverziegeltem Lehm und Holzkohle bestand. Neben vielen Kugeltopffragmenten aus Grauware fanden sich auch Scherben Pingsdorfer Art. Auffällig viele Metallfunde, wie eine Kneif- und eine Schmiedezange, eine Pflugschar und ein Hufeisen neben vielen Nägeln und Krampen lassen vermuten, dass der Brandschutt aus einer Schmiedewerkstatt stammte. Auf dem Boden des Kellers fanden sich außer-

37 dem Fragmente einer Kugelkanne, eines dünnwandigen Bronzegefäßes und ein großes Fragment eines Mahlsteins von etwa 80 cm Durchmesser. Brachten die Ausgrabungen in Visbek-Stüvenmühle bislang schon wichtige Erkenntnisse zur Ent- wicklung des Hausbaus im 9.-11. Jh. im Oldenburger Münsterland, wird das bisher gewonnene Bild durch den Feldsteinkeller und die Hinweise auf den beginnenden Ständerbau im 12. Jh. erweitert. (Bericht: M. Wesemann, Oldenburg)

1.2.9 Altenlingen, Stadt Lingen, Ldkr. Emsland, FStNr. 38 Im Rahmen einer Prospektion einer knapp 13 ha großen Fläche wurde eine komplexe, mehrpe- riodige Fundstelle entdeckt. Im Osten der Untersuchungsfläche liegt ein bronze- bis eisenzeitliches Grabhügelfeld, das durch 5 Grabeinhegungsgräbchen und eine Urnen-Zentralbestattung belegt ist. Inwieweit einige Befunde weiter westlich auch als Grabhügelreste angesprochen werden können, ist unsicher. Die Ausdehnung der gesicherten Befunde beträgt vom Ostrand des Untersuchungsge- bietes nach Westen rund 170 m, die Breite rund 50 m, die Fläche umfasst 7 500 m². Im Nordosten wurden einige Befunde als möglicherweise mesolithische Herdgruben angesprochen. Sie nehmen ein Areal von rund 6 000 m² ein. Im Norden und im Westen wurden zwei Zonen von je 6 300 und 1 300 m² mit etwa 40 mittelalterlichen Siedlungsbefunden abgegrenzt. Zu diesen Zonen kommen noch eine nach Ausweis der Keramik spätneolithische Grube im Süden sowie eine nörd- lich des Grabhügelfeldes isoliert gelegene Grube, aus der eine bronze-/eisenzeitliche Keramik- scherbe stammt. Unter dem Plaggeneschauftrag wurde ebenfalls nördlich des Grabhügelfeldes eine feinsandige, rund 20 m im Durchmesser große und noch etwa 4-6 dm hohe Erhöhung festgestellt, bei der es sich möglicherweise um den noch erhaltenen Rest eines früh- bis mittelbronzezeitlichen Grab- hügels handelt. Viele weitere Befunde sind – abgesehen von den Eschgräben und den mittelalter- lichen bis frühneuzeitlichen Karrenspurenbündeln, die als Altstraße anzusehen sind – zwar undatiert, aber vor- bis frühgeschichtlich und damit archäologisch ebenfalls relevant. (Bericht: M. Wesemann, Oldenburg)

1.2.10 Altenlingen, Stadt Lingen, Ldkr. Emsland, FStNr. 39 Eisenzeitliche Siedlungsspuren Die Stadt Lingen hat ein überaus reiches archäologisches Erbe aufzuweisen und bei vielen Flä- chen, die dort in den letzten Jahren überplant wurden, waren archäologische Denkmale betroffen. Dazu gehörte auch die Erweiterung eines Wohngebietes im Ortsteil Altenlingen. Die vorgesehene Fläche in der Flur „Wallkamp“ ließ aufgrund ihrer topographischen Situation eine erhöhte Wahr- scheinlichkeit für Bodendenkmale erwarten. Eine Baggerprospektion im Mai 2010 ergab dann den- noch ein unerwartetes Ergebnis: Entgegen der Angabe der Bodenkarte, die dort Podsol aus Flugsand zeigt, wurden über einem sehr stark bewegten Paläorelief teilweise mächtige, mehrpha- sige, graue und braune Plaggeneschaufträge bis 2 m Dicke festgestellt. Hinzu kamen teilweise äolische Kolluvien bis knapp einem Meter Mächtigkeit auf dem untersten Podsol und unter dem Plaggeneschauftrag. Teils auf dem Podsol-Untergrund, teilweise innerhalb der Bodenbildung auf den Kolluvien, wurde eine kleinere Zahl prähistorischer Befunde festgestellt. Angesichts der massiven Auftragsböden, der „Mehrstöckigkeit“ der Befundvorkommen und der ge- ringen Befunddichte schien eine flächige Ausgrabung der Fundstelle allzu aufwändig angesichts der zu erwartenden Ergebnisse. Es wurde deshalb mit der Stadt eine erweiterte Prospektion ver- einbart, in der im September 2010 lediglich die Straßentrassen untersucht wurden. Dabei ergaben sich nur wenige Befunde. Dokumentiert wurden knapp 50, überwiegend schwach ausgeprägte Gruben und Pfostenlöcher, die ganz überwiegend in den pleistozänen Sand eingetieft waren. Sie enthielten wenige, wohl bronze- oder eisenzeitliche Scherben.

38 Beeindruckend waren dagegen wiederum die bodenkundlichen Einblicke. Es ließen sich teilweise zwei Eschlagen übereinander feststellen, die zusammen mehrere Dezimeter Stärke erreichten. Zum Teil war ein brauner, nährstoffreicherer Esch über einem grauen, nährstoffärmeren erkennbar. Beeindruckend waren auch die umfangreichen Sandaufträge durch Wind, die die verschiedenen Bodenbildungs- und Auftragsphasen voneinander trennten. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.11 Bramsche, Stadt Lingen, Ldkr. Emsland, FStNr. 98 Mehrperiodige Fundstelle Insgesamt fünfmal war das NLD, Stützpunkt Oldenburg, im Jahr 2010 in der Stadt Lingen bei Pros- pektionen tätig. Anlass war jeweils die Ausweisung von künftigen Wohn- oder Gewerbegebieten und in drei Fällen wurden dabei Fundstellen entdeckt. Dazu gehörte – wenig überraschend ange- sichts der Gesamtgröße von 21 ha – auch das geplante Gewerbegebiet Lingen-Süd. Davon konn- ten im Februar 2010 15 Hektar mittels Baggerprospektion untersucht werden. Bei teilweise schwierigen Witterungs- und Bodenverhältnissen wurde ein prähistorischer Siedlungsfundplatz, vermutlich aus der Eisenzeit, festgestellt. Von 133 entdeckten Befunden dürften die meisten dieser Epoche zuzuordnen sein. Hinzu kamen aber auch mittelalterliche bis frühneuzeitliche Eschgräben und Beetpflugspuren. Die Befunde konzentrierten sich im Nordwesten des untersuchten Gebietes. Hier wird künftig eine Rettungsgrabung notwendig sein. Weiter südlich konnte dagegen eine drin- gend benötigte Teilfläche kurzfristig freigegeben werden. Hier waren in der Prospektion nur verein- zelt Befunde entdeckt worden. Nachdem durch eine Grabungsfirma die Prospektionsschnitte hier erweitert wurden und kleinflächige Ausgrabungen vorgenommen worden waren, konnte dieser Ab- schnitt als ausreichend untersucht bebaut werden. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.12 Emlichheim, Gde. Emlichheim, Ldkr. Grafschaft Bentheim, FStNr. 12 Reformierte Kirche Die reformierte Kirche in Emlichheim ist schon lange als Baudenkmal bekannt. Sie wurde als Ka- pelle im Jahr 1383 erstmals urkundlich erwähnt und nach Verfall im 30-jährigen Krieg 1652 erneuert und 1852 wiederum baulich verändert. Im Mai 2010 wurde dennoch das Referat Archäologie des NLD vom ehrenamtlichen Beauftragten E. Woide informiert, da bei Bauarbeiten in der Kirche eine Entdeckung unterhalb des Fußbodens und damit eher im Zuständigkeitsbereich der Archäologie gemacht worden war. Es handelte sich um eine Sandsteinplatte von 420 cm x 236 cm und einer Stärke von 16 cm, die in der Apsis der Kirche in der Sandbettung des Fußbodens lag. H. Schiefer (NLD) bestimmte sie als mittelalterliche, dislozierte Mensa (Altarplatte). An ihren Langseiten befin- den sich zwei Aussparungen, von denen die größere 177 cm lang und 20 cm tief war, die kleinere 60 cm lang und 16 cm tief. Etwas seitlich der Mittelachse befindet sich eine rechteckige Eintiefung (30 x 28 cm), bei der es sich um eine Piscina handeln könnte, die zur Aufnahme von Weihwasser diente. Nahe den Ecken an den Schmalseiten befinden sich außerdem drei eingemeißelte Kreuze mit Petschaftenden, die sich in einem Kreis mit 10 cm Durchmesser befinden. Die Kreuze liegen in ungleichen Abständen zu den Ecken und zueinander. (Bericht: Dr. J. E. Fries, Oldenburg)

1.2.13 Frenswegen, Stadt Nordhorn, Ldkr. Grafschaft Bentheim, FStNr. 11 Kloster Frenswegen Die Stiftung Kloster Frenswegen, Nordhorn, plante auf dem Gelände des ehemaligen barocken No- vizenflügels, der in der östlichen Verlängerung des südlichen Kreuzgangflügels stand, die Errich- tung eines unterkellerten Speisesaals und zusätzlicher Schlafräume mit einer Größe von 32,10 x 13,50 m. Das Kloster Frenswegen war 1394 gegründet und zunächst aus Holz errichtet

39 worden; im Laufe des 15. Jahrhunderts ersetzte man die Klostergebäude durch Neubauten aus Stein. Nach einer Blütezeit im 15. Jahrhundert verfiel das Kloster im 16./17. Jahrhundert. Ende des 17. Jahrhunderts begann seine Erneuerung; 1725 wurde der Novizenbau errichtet, brannte jedoch 1881 ab. Danach errichtete man auf den Trümmern eine niedrige Baracke, die z. T. bewohnt war. Das Gebäude wurde im Zuge der Sanierung des Klosters um 1975 abgerissen. Zur Vorbereitung der Grabung wurden am 4./5. November 2009 mehrere Suchgräben angelegt (MNr. 85). Die eigentliche Grabung (MNr. 106) dauerte vom 7. Mai bis 28. Juli 2010. Außerdem wurde die Gräfte westlich des Klosters dokumentiert, die seinerzeit saniert wurde (MNr. 132). Die Grabungsleitung hatte Bernd Rasink, M. A., inne, während die Aufarbeitung von Dr. Thomas Küntzel, M. A., durch- geführt wurde. Von Seiten des NLD, Stützpunkt Oldenburg, waren außerdem die Grabungstech- niker Michael Unze und Elke Riemann tätig, als Ehrenamtliche Helfer bzw. Praktikanten Michael Kreß (Uelsen) und Thomas Kassens (Marburg). Die Stiftung Kloster Frenswegen engagierte vom 1.-30. Juni 2010 den Archäologen Dirk Bullack. Der Landkreis Grafschaft Bentheim unterstützte die Grabung durch die Angestellten Jörg Wübbels, Andreas Hanenkamp, Hermann Masseling und Ale- xander Strese. Es können mindestens sechs Phasen unterschieden werden. Die spätmittelalter- lichen bzw. neuzeitlichen Laufhorizonte des Gebäudes haben sich nicht erhalten, da sie deutlich oberhalb des heutigen Geländes lagen. In den anstehenden Boden sind mehrere Eschgräben so- wie eine Sickergrube eingeschnitten, die Pflanzbeete und evtl. einen Weg begrenzen. Auf den weitgehend homogenen Plaggenesch der Pflanzbeete wurde eine inhomogene Aufschüttung aus Sand und Plaggen aufgebracht, die evtl. mit dem Bau des Klosters zusammenhängt. In die spät- mittelalterliche bis frühneuzeitliche Phase gehören wahrscheinlich Baureste am Ostrand der Gra- bungsfläche. Hier verlief wohl zunächst ein Wassergraben, der z. T. mit einem Stakenzaun ausgesteift war. Später fasste man den Graben mit einer massiven Mauer ein, die wahrscheinlich zu dem Vorgänger des barocken Novizenflügels gehörte. Das Gebäude war im Westen etwas schmaler als der barocke Bau, wie das weiter nach Süden reichende Sockelprofil am Klostergeviert ausweist. Der Kanal im Osten des Gebäudes diente evtl. als Kloake, wie sie bisweilen an den Schmalseiten von Gebäuden angefügt wurde (vgl. Kloster tom Roden in Höxter). Vor dem Bau des barocken Novizenflügels wurde dann vielleicht ein Zierbrunnen oder eine andere technische Was- seranlage errichtet. Danach (?) baute man die äußeren Umfassungsmauern des Novizenflügels. Die Inneneinteilung wurde mehrfach verändert; schließlich baute man eine massive Querwand mit einem Kamin. Die barocken Fundamente sind an einer Vielzahl an spätmittelalterlich-frühneuzeit- lichen Spolien erkennbar. (Bericht: Dr. Th. Küntzel, Göttingen)

1.2.14 Veröffentlichungen aus dem Arbeitsgebiet des niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege – Stützpunkt Oldenburg Both, F., u. Eckert, J., 2010: Stichworte „Dötlingen“ (S. 235-237), „Ganderkesee“ (S. 339-340) und „Großenkneten“ (S. 375-376) “ In: A. Eckhardt (Hrsg.), Oldenburgisches Ortslexikon. Archäologie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes. Bd. I. Oldenburg. Both, F., Fries, J. E., Näth, F., u. Wiethold, J., 2010: Reicher Ertrag trotz magerer Böden – Die Rettungsgrabung auf dem mehrperiodigen Fundplatz Baccum, Gem. Lingen, Ldkr. Emsland. Nachrichten aus Niedersachsens Urge- schichte 79, 47-84. Büttner, A., Fries, J. E., Haßmann, H., Schiller, G., Strobel, M., & Westfalen, Th., 2010: Problems and perspectives of archaeological heritage preservation in farmed landscapes in – a survey of federal structures. In: S. Trow, V. Holyoak & E. Byrnes (Hrsg.), Heritage Management of Farmed and Forestes Landscapes in Europe. EAC occasional papers 4, 37-42. Brüssel. Eckert, J., 2010: Älteste Siedlungsspuren in Holdorf. In: Holdorfer Zeitläufte 1988-2010, 8-15. Holdorf. Eckert, J., 2010: Aus archäologischen Ausgrabungen und Funden wird Geschichte. In: Die Grafschaft Bentheim - Ge- schichte und Gegenwart eines Landkreises, Bd. 1, 137-215. Nordhorn. Eckert, J., 2010: Der Denkmalschutz im Oldenburger Land - von den Anfängen bis heute. Ebd., 231-235. Eckert, J., 2010: Holdorf – eine mittelalterliche Siedlung im sächsischen Dersagau. Ebd. 16-19. Eckert, J., 2010: Stichworte „“ (S. 413-415), „Elsfleth“ (S. 284-285), „Hatten“ (S. 425-426), „Hude“ (S. 488), „Huntebrück“, S. 497) und „Ipweger Moor“, S. 511. In: A. Eckhardt (Hrsg.), Oldenburgisches Ortslexikon. Archäo- logie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes. Bd. I. Oldenburg.

40 Eckert, J., 2010: Großsteingräber im Spiegel von Politik und öffentlicher Wahrnehmung am Beispiel der Kleinenkneter Steine, Ldkr. Oldenburg. In: U. Ickerodt u. F. Mahler (Hrsg.), Archäologie und völkisches Gedankengut zum Um- gang mit dem eigenen Erbe, 103-114. Frankfurt. Fries, J. E., 2010: Stichwort „Heidenwall bei Drielake“. In: A. Eckhardt (Hrsg.), Oldenburgisches Ortslexikon. Archäo- logie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes. Bd. I, 435 f. Oldenburg. Fries, J. E., 2010: Bericht der archäologischen Denkmalpflege 2009. Oldenburger Jahrbuch 111, 205-222. Fries, J. E., 2010: Größere Ausgrabungen und Fundbergungen des niedersächsischen Landesamtes für Denkmal- pflege – Stützpunkt Oldenburg. Nachrichten des Marschenrates 47, 24-34. Fries, J. E., 2010: Mehr als gedacht - Häuser und Gehöfte der vorrömischen Eisenzeit zwischen Weser und Vechte. In: M. Meyer (Hrsg.), Haus – Gehöft – Weiler – Dorf. Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa [Tagung Berlin 2009]. Berliner Archäologische Forschung 8, 343-355. Rahden/Westf. Fries, J. E., 2010: Wo einst Novizen schliefen. Archäologie in Deutschland 6, 51. Fries, J. E., 2010: Fundberichte Nr. 134, 151, 171, 172, 207, 209, 222, 228, 239, 262, 285, 314, 334, 347, 355, 356. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), passim. Heine, H.-W., 2010: Der „Heidenwall“ in Oldenburg (Oldb.), eine Holz-Erde-Burg, datiert auf 1032/33 bzw. 1042. Châ- teau Gaillard 24, Colloque de Stirling (2008), 115-121. Küntzel, Th., 2011: Ausgrabungen im Bereich des ehemaligen Brauereiflügels des Klosters Frenswegen. Bentheimer Jahrbuch 2000, 47-65. Rasink, B., 2010: Erste Bauern und ein Dorf der späten Eisenzeit in Hestrup. Methoden und Funde der archäolo- gischen Grabung in Hestrup. Der Grafschafter 2, 1 f. Rosenbaum, N., 2010: Berne 111 – kaiserzeitliche Siedlung oder Handelsplatz in der feuchten Wesermarsch? Ar- chäologie in Deutschland 4, 45 f.

1.3 Größere Ausgrabungen und Fundbergungen der Ostfriesischen Landschaft 1.3.1 Sandhorst, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, FStNr. 2410/9:31 Mehrphasiger Siedlungsplatz Anschließend an die bereits 2009 ausgegrabene Fläche südlich der Straße Osterbusch wurde von März bis August 2010 der südöstlich angrenzende Teil des Flurstückes untersucht. Die Fläche er- streckt sich in einer Ausdehnung von ca. 1,1 ha über einen sandigen Geestrücken mit einer Höhe zwischen +8,90 und +7,60 m ü. NN. Teilweise finden sich in geringer Tiefe unter dem Sand Geschiebelehmschichten mit Lauenburger Ton, so dass sich im darüber liegenden Sand stellen- weise massive Eisenanreicherungen gebildet haben. Wie durch die Ausgrabung nachgewiesen werden konnte, wurden sowohl Ton wie auch Raseneisenerz als Rohstoffe in früherer Zeit gezielt abgebaut und vor Ort weiter verarbeitet. Insgesamt konnten etwa 450 Befunde dokumentiert werden, die einen Zeitraum von der älteren vorrömischen Eisenzeit bis in das späte Mittelalter abdecken. Die Nutzung während der vorrö- mischen Eisenzeit beschränkte sich in der Südosthälfte des Flurstücks offensichtlich auf die Anlage von Lehmabbaugruben, während die eigentliche Siedlung etwa 100 m weiter nordwestlich lag (vgl. Heft 47, 2010, Nr. 1.3.6). Eine intensivere Nutzung des Geländes lässt sich erst für das 8. bis 9. Jahrhundert wieder nachweisen, als drei Wohn- und/oder Wirtschaftsgebäude in lockerer Be- bauungsdichte auf dem Gelände standen, darunter ein 7 x 20 m großer Bau, in dessen Wandgräb- chen sich drei Renovierungsphasen erkennen lassen. Zwei Grassodenbrunnen, eine Raseneisenerzabbaugrube und Reste eines Verhüttungsofens ergänzen diese Befunde. Die Fun- damente der Grassodenwände bilden lose im Vier- oder Fünfeck übereinander gelegte Hölzer, bei denen es sich entweder um Birkenstämme oder um wiederverwendetes Bauholz handelt. Mögli- cherweise liegt hier ein Indiz für Bauholzmangel bereits im frühen Mittelalter vor. Zur Verifizierung dieser These muss die paläobotanische Auswertung von Bodenproben abgewartet werden. Wohl in das 14. Jahrhundert gehört ein Ost-West ausgerichtetes dreischiffiges Haus von 7 x 22 m Größe. Innerhalb des Fundmaterials sind die große Zahl der frühmittelalterlichen Schwalbennesthenkel, ausgeführt in muschelgrusgemagerter Irdenware, und ein hölzerner Ardbestandteil hervorzuheben. Dank dreier versandeter Bachläufe lässt sich das Geländerelief des frühen Mittelalters recht gut re- konstruieren.

41 Bis zu drei verschiedene Wölbackergrabensysteme, im Verlauf teils NNO-SSW, teils NW-SO ver- laufend, belegen die Veränderung der Flurgrenzen seit Beginn der Neuzeit. Einen Beleg für längere Brachphasen und wahrscheinlich teilweise Wiederbewaldung in der frühen Neuzeit liefern hingegen Dachsbauten, die diese Grabensysteme schneiden. (Bericht: T. Evers, M. A., Aurich)

1.3.2 Sandhorst, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, FStNr. 2411/7:11 Frühmittelalterlicher Siedlungsplatz Bei der Erschließung des Gewerbegebietes Aurich-Sandhorst wurde im Jahr 2009 bei der Prospek- tion eine runde Grube von ca. 2 m Durchmesser und 1,3 m Tiefe aufgedeckt, die im Frühjahr 2010 untersucht wurde. Bei der darauf folgenden Anlage eines Profils zeigte sich der Befund weitgehend fundfrei. Am Grund der Grube, wahrscheinlich einer Wasserschöpfstelle, fanden sich jedoch Fragmente einer gedrechselten Holzschale aus Erlenholz (Alnus, Holzartenbestimmung Dr. F. Bittmann, NIhK, Wil- helmshaven). Die Schale ist zu gut einer Hälfte erhalten und hat einen Durchmesser von 21 cm bei einer Höhe von 10,6 cm. Das bauchige Stück zeigt einen Standboden und einen deutlich vom Ge- fäßkörper abgesetzten steilen Rand. Im Boden der Holzschale befinden sich sechs in Rautenform angeordnete und relativ grob eingebrachte Löcher von ca. 1 cm Durchmesser. Darüber hinaus konnten im Berichtsjahr drei im Jahr 2009 begonnene Ausgrabungsschnitte auf dieser Fläche abschließend untersucht werden. Die Areale mit einer Gesamtfläche von ca. 3 500 m² waren durch Wallhecken und Gräben voneinander getrennt, so dass kein flächiges Bild der Siedlungsstrukturen erfasst werden konnte. In den Ausgrabungsflächen zeichneten sich Strukturen eines frühmittelalterlichen Weilers ab. In einer Abfolge von Nordwest nach Südost wie- derholte sich dreimal eine Gebäudefolge aus einem West-Ost ausgerichteten Nebengebäude und östlich davon je einem West-Ost ausgerichteten größeren Gebäude. Neben Pfostengruben waren Wandgräbchen und wandbegleitende Gräbchen erhalten geblieben. Die Hofplätze wiesen auch mehrere Speicher auf, wobei in diesem Areal die Speicher mit Kreisgraben und ein bis zwei zen- tralen Pfosten überwogen. Die nördliche Hofstelle besteht aus einem dreischiffigen, von einem Gräbchen umgebenen Ge- bäude von 7 m Breite und 13 m Länge, einem weiteren Gebäude mit 6 m Breite und 10 m Länge, das ebenfalls von einem Gräbchen umfasst war, sowie einem runden Speicher von 8 m Durch- messer und einem Brunnen. Die mittlere Hofstelle setzt sich zusammen aus einem Gebäude von 6 m Breite und 11 m Länge sowie westlich davon wiederum einem kleineren Gebäude von 9 x 8 m Größe und einem Speicher. Die südliche Hofstelle umfasst ein 8 m breites und auf 1 m Länge er- haltenes Haus. Der Abschluss konnte nicht gefasst werden. Dazu treten drei zeitlich aufeinander folgende Speicher mit Kreisgraben und zentralen Pfosten von ca. 8 m Durchmesser. Das Fund- material umfasst neben Fragmenten von Mahlsteinen aus Basaltlava ausschließlich frühmittelal- terliche muschelgrusgemagerte Keramik. (Bericht: Dr. S. König, M. Müller, M. A., Aurich)

1.3.3 Sandhorst, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, FStNr. 2511/1:45 Eisenzeitliche Siedlungsreste Im Vorfeld der Errichtung eines Industriegebietes wurde in Sandhorst das zwischen den Ausgra- bungsflächen 2511/1:47 (Ausgrabung 2010) und 2511/1:45 (Ausgrabung 2009) gelegene Flurstück untersucht. Die ca. 5 000 m² große Fläche erbrachte 321 Befunde in Form von Pfostengruben, Gräben und Gruben. Neben drei Vierpfostenspeichern ist ein West-Ost ausgerichtetes eisenzeit- liches Pfostengebäude von 12 m Breite und 30 m Länge zu nennen. 17 m nordwestlich des Hauses befand sich ein eisenzeitliches Brandschüttungsgrab. (Bericht: Dr. S. König, Aurich)

42 1.3.4 Sandhorst, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, FStNr. 2510/3:114 Frühmittelalterliche Siedlungsreste Südwestlich des Flurstückes 8 (FSt-Nr. 2410/9:31) mussten die Flurstücke 9, 10 und 26 aufgrund der Verlegung einer Gasleitung prospektiert werden. Während das Flurstück 26 im betroffenen nördlichen Bereich lediglich rezente Befunde lieferte, konnten auf einer dreieckigen, ca. 0,8 ha gro- ßen Fläche (Flurstücke 9 und 10) etwa 470 überwiegend mittelalterliche Befunde dokumentiert werden. Das moderne Geländerelief fällt leicht von Norden nach Süden von +8,20 m ü. NN auf +6,50 m ü. NN ab. Im südlichen Bereich liegen Geschiebelehmschichten aus Lauenburger Ton teilweise nur 30 cm unter der sandigen Deckschicht, in der sich entsprechend Raseneisenerz gebildet hat. Entsprechend ist der südliche Bereich mit mehreren Dutzend Tonentnahmegruben durchgraben, von denen sich lediglich zwei genauer in das beginnende Hochmittelalter datieren lassen; die Mehrzahl dürfte hingegen neueren Ursprungs sein. Von früherer Siedlungsaktivität, möglicherweise im 8./9. Jahrhundert, zeugt ein einschiffiger Ost-West ausgerichteter Gebäudegrundriss von 4 x 10 m Größe. Sicher in diese Zeit zu datieren sind drei Grassodenbrunnen von etwa 2 m Tiefe, die – mit jeweils 15 m Zwischenabstand – relativ dicht nebeneinander angelegt wurden. Sehr wahr- scheinlich bestanden diese Brunnen nicht gleichzeitig, sondern wurden nach einer Nutzungsdauer von wenigen Jahren durch Einsturz und Zusedimentierung unbrauchbar und daraufhin in der Nähe neu angelegt. Drei 4-Pfostenspeicher im nördlichen Bereich der Fläche können nicht genau datiert werden. (Bericht: T. Evers, M. A., Aurich)

1.3.5 Sandhorst, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, OL-Nr. 2511/1:47 Jungpaläolithischer Siedlungsplatz und Siedlungsreste der Vorrömischen Eisenzeit Bei der Prospektion im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes in Aurich-Sandhorst wurden an der geplanten Anbindung an die Bundesstraße 210 auf zwei benachbarten Flurstücken vor- und frühgeschichtliche Befunde entdeckt. Diese konnten im Rahmen von Notgrabungen dokumentiert werden. Auf dem Flurstück 38/1 wurden auf einer Fläche von ca. 2.800 m² weit über einhundert Pfosten- gruben und Gruben dokumentiert, die sich zu mehreren Speicherbauten und anderen Wirtschafts- gebäuden zusammenfassen lassen. Des Weiteren wurde ein Brunnen festgestellt. Neben mehreren Vierpfostenspeichern sind auch Wirtschaftsgebäude mit sechs bzw. acht Pfosten festgestellt worden. Das größte Gebäude bestand aus 14 Pfosten. Ein NNW-SSO ausgerichteter Speicher wird von einem späteren Gebäude geschnitten, welches NW-SO ausgerichtet ist. Alle Gebäude gehören einer dieser beiden Ausrichtungen an. Die gebor- gene Keramik ist durchgehend mit Gesteinsgrus gemagert und kann in die vorrömische Eisenzeit datiert werden. An Dekoren treten Fingertupfeneindrücke auf dem Rand und auf der Innenseite des Randes auf sowie waagerechte und schrägverlaufende Strichgruppen, vergleichbare Stücke stam- men z. B. von der Fundstelle Hatzum-Boomborg im Landkreis Leer. Der Brunnen war auf der Sohle mit einem Einbau aus Birkenknüppeln mit Durchmessern von 6-8 cm befestigt. Diese waren, kreisförmig angeordnet, senkrecht in den Boden gesteckt, um die Brunnenwände zu stabilisieren. Auf dem benachbarten Flurstück 39 wurden auf einer Fläche von etwa 6.500 m² weitere Pfosten- gruben, Wandgräbchen und Gruben sowie eine Kreisgrabenanlage von ca. 6 m Durchmesser un- tersucht.

43 Der Kreisgraben war in seinem Umriss fast vollständig erhalten. Reste einer Bestattung konnten nicht mehr festgestellt werden. Sie ist vermutlich durch Erosion bzw. durch moderne Landwirtschaft abgetragen. Keramikscherben mit Granitgrusmagerung aus dem Kreisgraben sprechen für eine Datierung in die vorrömische Eisenzeit. Auf demselben Flurstück (38/1) wurden im Bereich des Siedlungsareals der vorrömischen Eisenzeit auch mehrere Abschläge und Absplisse aus Feuerstein aufgelesen. Unter den aufgefundenen Ar- tefakten sind eine geknickte Rückenspitze, eine Hamburger-Kerbspitze, ein Kratzer und ein Bohrer als eindeutige Werkzeuge zu nennen. Sie sind der spät-jungpaläolithischen Hamburger Kultur zu- zurechnen. Mehrere Kernkantenklingen sowie weitere Abschläge, die der Kernpflege dienten, zeugen von dem hohen handwerklichen Können der Steinbearbeiter. Nach den bisher vorliegenden Fundstücken wurden an der Fundstelle vornehmlich regelmäßige Klingen hergestellt. Alle bisher geborgenen Artefakte bestehen aus einem rötlich-braunen Flint. Bemerkenswert ist eine Kerbspitze aus grauem Flint, die stichelbahnartige Aussplitterungen aufweist. Solche Beschädigungen werden üblicher- weise als Aufprallbeschädigungen interpretiert. Als einziger Befund ist eine längliche graue Verfärbung von ca. 1,60 x 0,30 m Ausdehnung zu nen- nen, die zahlreiche Holzkohlen enthielt. Sie wurde zunächst als Baumwurf interpretiert und bei der Dokumentation des eisenzeitlichen Fundplatzes nicht geschnitten. Erst nach der Entdeckung der paläolithischen Fundstelle wurde sie in mehreren Schnitten dokumentiert. Da innerhalb der Verfül- lung z. T. gebrannte Felsgesteine und einzelne ungebrannte Feuersteinfragmente auftraten, liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier um eine ausgewaschene Feuerstelle handeln könnte. Kern- frische Abschläge sowie die wenigen Werkzeuge deuten auf einen spätjungpaläolithischen Sied- lungsplatz hin. Obwohl eine abschließende Analyse der Steinwerkzeuge noch aussteht, deutet sich bereits jetzt an, dass hier Grundformen – zumeist Klingen – hergestellt worden sind, um Gerät- schaften wieder instand zu setzen. In diesem Zusammenhang ist auch die Projektilspitze aus grauem Feuerstein evtl. als Teil einer Grundausstattung zu werten. Bei der begonnenen Notgrabung konnte die Ausdehnung des Siedlungsplatzes bisher noch nicht vollständig eruiert werden. Das gesamte Fundareal ist sowohl durch die ältereisenzeitlichen Spei- cherbauten als auch durch mittelalterliche Wölbackergräben, besonders aber durch rezente Land- nutzung stark abgetragen und somit nur noch in Resten vorhanden. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, M. Müller, M. A., Aurich)

1.3.6 Schirum, Stadt Aurich, Ldkr. Aurich, FStNr. 2511/4:151 Frühmittelalterliche Siedlungsreste Im Vorfeld des Baues einer Viehhalle wurden im Sommer 2010 Suchschnitte auf einer bisher land- wirtschaftlich genutzten Parzelle in Schirum angelegt. Die dabei aufgedeckten Befunde zogen im Herbst eine Grabung auf einer Gesamtfläche von annähernd einem halben Hektar nach sich. Das untersuchte Gelände befindet sich auf einer kleineren Geestkuppe, die nach Westen von +6,3 m NN auf +4,3 m NN abfällt. Insgesamt konnten knapp 150 Verfärbungen dokumentiert werden. Das untersuchte Areal war stark durch rezente Drainagen, Wölbackergräben und Pflugspuren gestört. Im südlichen Bereich war ein größerer Bodeneingriff für eine moderne Sandentnahmegrube vorge- nommen worden. Es wurden größtenteils Pfostengruben, die sich leider nicht zu Gebäudegrund- rissen verbinden ließen, und Gräben aufgedeckt. Einige Siedlungsgruben und mindestens ein Brunnen runden das Bild einer kleineren ländlichen Siedlung ab, die wohl nur zu einem geringen Teil erfasst wurde. Das Fundmaterial besteht mehrheitlich aus Keramik und einigen wenigen Flint- abschlägen. Das keramische Fundmaterial stammt hauptsächlich aus zwei Gruben sowie dem be- reits erwähnten Brunnen und datiert in das frühe Mittelalter. Neben Wandscherben der weichen Grauware sind besonders mehrere Ränder von Eitöpfen hervorzuheben, die aus dem Brunnen stammen. Darunter befindet sich auch ein seltenes, mit einem rechteckigen Gitterstempel verziertes Stück.

44 Der Brunnen maß 2,5 x 2,7 m und war mindestens 1,15 m tief. Er wies zwei Verfüllungsphasen auf, wobei die Funde aus der untersten stammen. Im Profil war deutlich zu erkennen, dass die Seitenwände mehrfach leicht eingebrochen waren, so dass er nicht lange genutzt worden sein kann. Aufgrund des hohen Grundwasserstandes war es nicht möglich, die endgültige Tiefe zu ermitteln und eventuell vorhandene Einbauten nachzuweisen. Unter den insgesamt 16 geborgenen Keramikfragmenten fand sich nur eine muschelgrusgemagerte Scherbe. Alle übrigen gehörten der weichen Grauware an. Damit konnte in Schirum ein Komplex erfasst werden, der zu Beginn des Aufkommens muschelgrusgemagerter Ware in den Boden gelangt sein muss und somit nicht weit in das letzte Viertel des 8. Jahrhunderts datiert. (Bericht: H. Prison, M. A., Aurich)

1.3.7 Emden, Stadt Emden, krfr. Stadt Emden, FStNr. 2609/1:80 Geländeprofil am ehemaligen Ratsdelft Auf dem Grundstück an der Ecke Zwischen Beiden Märkten und Katergang in der Innenstadt von Emden war eine Neubebauung geplant. Das Grundstück liegt am westlichen Ufer des ehemaligen Ratsdelftes. Hier hat zwischen dem Ratsdelft und dem Larrelter Tief eine offene Verbindung be- standen, die im 19. Jahrhundert zugeschüttet worden ist. Nach dem Studium alter Karten ließen sich an dieser Stelle Reste einer ehemaligen Kaianlage oder Hafenbefestigungen sowie westlich davon ehemalige Stapelhäuser vermuten. Da archäologische Untersuchungen im Bereich der Stadt Emden wiederholt Siedlungsschichten von bis zu 7,50 Meter Mächtigkeit westlich des Ratdelftes ergeben haben, wurde aus diesem Grund mit Unterstützung des Verursachers auf dem Grundstück eine Bohrprospektion durchgeführt. In den drei Bohrprofilen fand sich eine Schichtenfolge, die zusammenfassend wie folgt beschrieben werden kann: Der Abfolge liegt zuoberst eine mächtige Lage aus modernem Bau- und Kriegsschutt auf. Ihr folgt eine Lage ebenfalls aus Bauschutt, darunter mit Muschelkalk vermengter Backstein- bruch, der wohl als mittelalterlich angesprochen werden kann. Zuunterst wurden die Schichten des der heutigen Stadt Emden zu Grunde liegenden Wurtenkörpers erbohrt. Hier wurden in Wechsel- lagen Klei, Torf, Sand und Mist mit hohen Anteilen an organischen Bestandteilen angetroffen, die dem typischen Aufbau einer Wurt entsprechen. Die drei Bohrsondagen ergeben im Profil ein von West nach Ost abfallendes Gelände, wobei im westlichen Teil die Ausläufer der Stadtwurt ange- troffen wurden. Von hier stammen aus dem Bohrkern Reste von Leder, die evtl. als Herstellungs- abfälle einer Werkstatt gedeutet werden können. Im Osten wurden wie erwartet die Schichten des verfüllten Ratsdelftes angetroffen. Dabei wurde sehr wahrscheinlich in 5 m Tiefe die Holzbefes- tigung bzw. die Pfahlgründung des Westufers des Ratsdelftes angebohrt. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.8 Larrelt, Stadt Emden, krfr. Stadt Emden, FStNr. 2608/6:8-1 Bohruntersuchung auf der Dorfwurt Im Bereich der Dorfwurt Larrelt bei Emden in unmittelbarer Nähe zu der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirche soll auf dem mit ca. +4 m NN höchsten Punkt der Wurt eine Seniorenresidenz errichtet werden. An dieser Stelle wird die ehemalige mittelalterliche Westerburg vermutet. Bereits 1958 wurden auf dem benachbarten Schulhof spätmittelalterliche Keramik, Fliesen, ein Brunnen sowie Sandsteinfiguren und Steinfundamente geborgen, die die Bedeutung der Wurt Larrelt als ar- chäologisches Bodendenkmal unterstreichen. Mit Unterstützung des Vorhabenträgers wurden auf dem Gelände zwei Bohrsondagen abgeteuft, die jeweils intakte archäologische Bodenschichten in beiden Bohrprofilen erbracht haben. Aus den Bohrprofilen ergibt sich ein West-Ost-Gefälle zum ehemaligen Rand der Wurt. Die Bohrkerne zeig- ten eine durchgehende Schichtenfolge von der heutigen Zeit bis zur Gründung der Dorfwurt. Die Schichtenfolge hat eine durchschnittliche Mächtigkeit von 5 Metern, bestehend aus anthropogen aufgetragenen Schichten aus Klei, Sand und Mist. Mehrere Lauf- bzw. Siedlungshorizonte belegen

45 die schrittweise Erhöhung der Wurt Larrelt auf das heutige Niveau von ca. +4,5 m NN. Im Bohr- profil 2 konnte in etwa 2 m Tiefe Keramik der harten Grauware aus dem späten Mittelalter geborgen werden. Weitere archäologische Funde wurden innerhalb der Siedlungsschichten nicht gemacht, jedoch ist aufgrund von Holzkohlepartikeln in den beiden Profilsäulen auf eine ständige Besiedlung der Wurt zu schließen. Diese Schichtenfolge stellt ein archäologisches Denkmal dar, das unbedingt erhaltenswert ist. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.9 Böhmerwold, Gde. Jemgum, Ldkr. Leer, FStNr. 2710/7:82 Spätmittelalterliche Siedlungsreste Im Rahmen der Verlegung einer Erdgasleitung von Bunde nach Etzel konnte südlich von Böhmer- wold eine Fundstelle dokumentiert werden. Der Fundplatz liegt etwa 70 m südlich des südlichsten Hofes der Siedlung Böhmerwold, östlich der von Böhmerwold nach Marienchor führenden Straße. Im Bereich der Trasse wurde der anstehende Torf von einer bis maximal 10 cm starken hellbraunen Kleischicht überdeckt, die nach Westen hin flach auslief. Die Kleischicht wurde partiell von einer Strate überlagert, welche aus einem stark mit Sand durchsetzten Kleisubstrat von dunkel- bis mit- telgraubrauner Färbung bestand. Im östlichen Bereich war eine deutliche Bänderung aus hellgelben Sandbändern zu erkennen, die sich nach Westen hin zunächst in einzelne Sandflecken und schließlich ganz auflöste. Diese Strate erwies sich als außerordentlich fundreich, aus ihr wurden sämtliche Funde aus dem Ausgrabungsbereich geborgen. Die größte Gruppe unter den Fundma- terialien nimmt mit 506 Fragmenten die Keramik ein. Der Komplex besteht überwiegend aus unein- heitlich gebrannter Irdenware mit Sandmagerung, lediglich drei Scherben sind als Proto- bzw. Faststeinzeug anzusprechen. Insgesamt ergibt sich eine Datierung des Keramikkomplexes wohl in das letzte Drittel des 13. Jahrhunderts. Neben der Gefäßkeramik liegen noch 82 Brocken von verziegeltem Lehm vor. An größeren Stü- cken sind Abdrücke von Hölzern zu erkennen. Einige Stücke erscheinen zu massiv um als Reste von Wandbewurf angesprochen zu werden, denkbar ist ebenso, dass es sich um Relikte von Öfen handelt, wofür auch zwei Eisenschlacken sprechen. Schließlich müssen hier noch drei Wetzsteine Erwähnung finden. (Bericht: B. Thiemann, M. A., Aurich)

1.3.10 Brinkum, Gde. Brinkum, Ldkr. Leer, FStNr. 2711/2:151 Siedlung des frühen Mittelalters Im Bereich des geplanten Wohnbaugebietes „Östlich der Kirchstraße“ wurden die Ausgrabungen fortgesetzt. Zu den im Vorjahr erkannten Grundrissen von Häusern und Speicherbauten sind wei- tere hinzugekommen: Zu nennen sind zwei weitere Rutenberge, ein 9-Pfostenspeicher von 6,25 x 4,75 m Größe sowie ein kleiner 4-Pfostenbau (2,00 x 1,75 m). Eine annähernd rechteckige Verfärbung von 5,35 x 3,35 m Ausdehnung konnte als Überrest eines noch 0,30 m tiefen Gruben- hauses mit zwei Bauphasen identifiziert werden. Es besaß eine Feuerstelle in der nordöstlichen Ecke. Ein Gräbchen mittig im westlichen Bereich deutet wohl auf den Standort eines Webstuhles hin. Unter den zahlreich untersuchten größeren Siedlungsgruben sind drei besonders erwähnenswert: Eine noch 2,30 m in den anstehenden Lehm eingetiefte Grube war im unteren Bereich mit einem Holzkasten aus Aststücken und Spaltbohlen ausgekleidet. Es handelt sich wohl nicht um einen ehemaligen Brunnen, da der anstehende Lehm nicht wasserführend ist. Eine weitere, ovale Grube von 4,00 m Länge und 2,30 m maximaler Breite war bis zu 2,00 m tief. Sie wies eine vollständige Auskleidung mit rötlich-gelbem Lehm auf, die bis zu 0,26 m stark gewesen ist. Schließlich ist eine Grube von 2,95 x 1,95 m Größe und 0,55 m Tiefe zu nennen. Sie war zwar mittig durch eine mo-

46 derne Drainage gestört, aber eine verziegelte Lehmschicht und darüber liegender unverziegelter Lehm lassen wohl eindeutig auf einen ehemals überkuppelten Backofen schließen. Bei den zahlreichen aus den Befunden geborgenen Keramikscherben handelte es sich wieder fast ausschließlich um solche der Muschelgrusware. Der zeitliche Schwerpunkt der bäuerlichen Gehöfte liegt also im 9. Jahrhundert, wobei die mehrfach zu beobachtenden Überschneidungen der Baube- funde eine wiederholte Bebauung des Areals in diesem Zeitraum anzeigen. (Bericht: Dr. R. Bärenfänger, Aurich)

1.3.11 Diele, Stadt Weener, Ldkr. Leer, FStNr. 2809/9:34 Die Dieler Schanzen Eine besondere Form des frühneuzeitlichen Festungsbaus stellen Schanzen dar. Diese in der Re- gel aus Erde aufgeworfenen Verteidigungsanlagen bestehen aus Wallanlagen und vorgelagerten Wassergräben. Besonders auffällig sind vorspringende Bastionen in den Ecken der Schanzen, die der Schanze ein teilweise sternförmiges Aussehen verleihen und zur besseren Verteidigung der Anlage gegenüber dem Vorfeld dienten. Im Jahr 1580 wurden an der Grenze zwischen Ostfriesland und dem katholischen Münsterland bei Diele militärische Schanzenanlagen errichtet. Teilweise zeitgenössische Pläne zeigen die Gesamt- struktur der Grenzbefestigung aus einzelnen Schanzen und Wall-Grabenanlagen, die über 2 km Länge nachvollzogen werden kann. In ihrer gut 100 Jahre währenden Nutzung erfuhr insbesondere die in der Emsniederung gelegene Hauptschanze während des Dreißigjährigen Krieges und in den nachfolgenden Jahrzehnten eine wechselhafte Geschichte, bis sie im Jahr 1672 geschleift wurde. Im Jahr 2010 begannen Untersuchungen in der Hauptschanze im Zuge eines aus EU-Mitteln geför- derten Forschungsprojektes der Ostfriesischen Landschaft und der Tourismus GmbH „Südliches Ostfriesland“, die sowohl geophysikalische Prospektionen im Schanzeninneren und in der Umge- bung als auch archäologische Ausgrabungen umfassten. Diese Schanze weist eine etwa quadra- tische Grundfläche von etwa 70 x 70 m auf und besitzt an den Ecken vorspringende Bastionen. Zwei weitgehend parallel verlaufende und einst gut 16 m breite Wassergräben sind als Annähe- rungshindernis vorgelagert. Zudem waren im Innenbereich ein Hauptwall und zwischen den Gräben ein Vorwall aufgeworfen. Im Kernbereich wurden geomagnetisch um einen unbebauten Innenhof herum Gebäudestrukturen nachgewiesen, die in Sondageschnitten als Grundrisse aus Backstein Bestätigung fanden. Die Ausgrabung zeigt in einem Profil den Aufbau der Schanze, die heute noch deutlich als aus dem Gelände herausragende Struktur zu erkennen ist. Bodenabtrag und anschließender Sandauftrag zur Gründung der Gebäude belegen einen massiven Arbeitsaufwand zur Vorbereitung des Bau- grundes, der aufgrund der Grundwasserverhältnisse für die Stabilität der Schanze notwendig war. Die Schnittprofile deuten mehrere Bauphasen an. Ein Paket aus mehreren Auffüll- und Nutzungs- schichten und einem gepflasterten Fußbodenrest belegen eine längere Nutzungsdauer der Schan- zengebäude. Reste jüngerer Bauphasen konnten stratigraphisch abgesetzt nachgewiesen werden. Eine im Magnetogramm erkennbare auffällige Anomalie im zentralen Innenhof erwies sich als ein aus Backstein gesetzter Brunnen mit angrenzender Hofpflasterung. Von dem o. g. Hauptwall fanden sich die Basis der Sandschüttungen und vereinzelt auch Soden- setzungen. Schnitte durch beide Wassergräben belegen zwischen 1,5 und 2 m tiefe und etwa 16 m breite, flach muldenförmige Rinnen. Der innere Wassergraben erwies sich dabei als besonders fundreich. Im feuchten Bodenmilieu sind zahlreiche Lederschuhfragmente aus der Mitte des 17. Jh. und bearbeitete Hölzer erhalten geblieben. Besondere Aufmerksamkeit erlangte der Fund eines noch komplett erhaltenen Mörsergeschosses mit einem Durchmesser von 30 cm aus diesem Gra- ben. Die etwa 60 kg schwere Eisenkugel ist innen hohl und mit gut 4 kg Schwarzpulver gefüllt. Die Öffnung ist mit einem Holzpflock verschlossen, der zugleich als Zünder fungierte.

47 Weitere Waffenfunde der Grabung sind neben einigen Fragmenten explodierter Mörsergeschosse eine 10 kg schwere Kanonenkugel, ein Degengefäß und einige Bleikugeln. Zu den übrigen Metall- funden zählen einige wenige Münzen, Silberknöpfe von Uniformen und ein Fingerhut. Das kerami- sche Fundmaterial ist vergleichsweise homogen und umfasst auffällig viele Grapen, daneben aber auch Krüge und Teller. Eine große Menge Tonpfeifenfragmente, teils mit Verzierung, lassen sich klar dem 17. Jahrhundert zuweisen. Ein besonderer Fund ist das Fragment eines sog. Pilgerhorns aus weißer Irdenware mit rotbrauner Bemalung. Das 1672 erfolgte Schleifen der Schanze ließ sich in mehreren Bereichen fassen. Die Mauern wur- den dabei nahezu vollständig gezogen. Über den Baustrukturen lag eine teilweise mächtige Schutt- schicht. Ebenso wurden die Wälle der Schanze eingeebnet und die Gräben aufgefüllt. Die Ausgrabungen werden in der Erwartung, den Schanzenaufbau und Gebäudereste noch detail- lierter fassen zu können, im Jahr 2011 fortgesetzt. (Bericht: Dr. A. Hüser, Aurich)

1.3.12 Leer, Stadt Leer, Ldkr. Leer, FStNr. 2710/8:29 Brandgrab der Römischen Kaiserzeit Bei der Anlage eines neues Parkplatzes an der Berufsbildenden Schule in Leer wurden auf dem Gelände die Aushubarbeiten begleitet. Nördlich der neuen Parkflächen liegen in unmittelbarer Nähe das archäologische Denkmal Plytenberg und der frühmittelalterliche Siedlungskern von Leer. Das für die Baumaßnahme vorgesehene Gelände steigt markant aus einer Emsniederung nach Südos- ten auf etwa +3,5 m NN an. Hier ist eine flache Geländekuppe aus postglazialem Flugsand ober- halb der eiszeitlichen Grundmoräne ausgeprägt. Die Kuppe wurde westlich und nördlich durch einen heute verlandeten Priel oder Seitenarm der heute etwa 400 m westlich gelegenen Ems um- flossen. Die Geländekuppe wies nach Entfernen des Oberbodens einige lokal auftretende Befunde, zumeist Gräben und wenige Gruben auf, die keine Siedlung im Ansatz erkennen ließen. Das Gelände war darüber hinaus durch moderne Eingrabungen stark überprägt. Drei Befunde ließen sich zweifelsfrei der Römischen Kaiserzeit zuordnen. Ein Brandgrab enthielt einige Reste von kalzinierten Knochen, Holzkohle und kleinste Keramikscherben in einer flachgründigen Grube von etwa 30 cm Durch- messer. Zwei Brunnen im nordwestlichen Ausgrabungsbereich konnten aufgrund des engen Zeit- rahmens nur in den oberen Bereichen erfasst werden. Sie wurden im Planum eingemessen und dann durch ein spezielles Geotextil vor einer unabsichtlichen Zerstörung geschützt. Beide annä- hernd runden Brunnen mit Durchmessern von etwa 3,50 m bleiben unterhalb der Pflasterung für den Parkplatz der Nachwelt erhalten. Aus den oberen Bereichen der Brunnenfüllung stammen ei- nige granitgrusgemagerte Wandungsscherben, die eine zeitliche Einordnung in die Römische Kai- serzeit erlauben. Bereits 1982 wurden in ca. 1 km Entfernung beim Bau der Straße „Am Emsdeich“ zwar Funde der Römischen Kaiserzeit gemacht, Befunde wurden jedoch nicht aufgedeckt. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.13 Loga, Stadt Leer, Ldkr. Leer, FStNr. 2710/6:61 Mesolithische Kochgruben Im Vorfeld der Erschließung eines Neubaugebietes am Mettjeweg in Loga wurden mit Unterstüt- zung des Investors Suchschnitte im Bereich der geplanten Straßenachsen angelegt. Auf dem nach Osten bis auf etwa +4,5 m NN ansteigenden Gelände stehen feine Flugsande auf der saalezeit- lichen Grundmoräne an. Im östlichen Teil der Ausgrabungsfläche wurden nach Abnahme des Oberbodens in den Flugsand eingetiefte Gruben dokumentiert. Sie hoben sich im Planum durch eine dunkle, stark holzkohlehaltige Verfüllung vom helleren anstehenden Sediment ab. Auf einer Fläche von etwa 35 x 40 m Größe können zwei Grubencluster unterschieden werden. Das nörd- liche umfasst 15, die knapp 20 m südlich liegende Grubenkonzentration 19 Gruben. Weitere fünf

48 Gruben fanden sich in etwa 10 m Entfernung westlich und östlich von der südlichen Gruben- konzentration. Eine erkennbare Struktur im Sinne eines Gebäudegrundrisses war nicht festzu- stellen. Einige Gruben sind linear in Reihen von 5 bis 7 Gruben angeordnet und nur wenige cm voneinander entfernt, andere bilden locker gestreute Konzentrationen. In den dokumentierten Profilen sind die im Durchmesser 30 bis 80 cm großen Gruben zumeist muldenförmig und einheitlich noch zwischen 10 und 25 cm tief. Bereits während der Anlage des ersten Feinplanums lag der Verdacht nahe, dass es sich bei den Gruben um Herdstellen oder Kochgruben des Mesolithikums handeln könnte. Entsprechend vor- sichtig wurden die Gruben ausgegraben und das Fundmaterial einzeln eingemessen. Die Gruben- füllungen wurden noch auf der Ausgrabung mit einem 1-mm-Feinsieb trocken ausgesiebt. Aus jeder Grube sind mehrere Holzkohleproben für eine spätere Datierung sowie archäobotanische Bestim- mung der verkohlten Pflanzenreste entnommen worden. Die Gruben enthielten kein typologisch ansprechbares Fundmaterial. Auch eine intensive Oberflächenbegehung der angrenzenden Par- zellen erbrachte keine weiteren Funde. In acht Gruben fanden sich größere Gesteine. Zumeist handelt es sich um glaziale Geschiebe, die zum Teil eindeutige Brandspuren zeigen bzw. durch Hitze zerscherbt sind. Sie ließen sich teilweise wieder zusammenpassen. Ein besonderes Stück ist ein Schlag- oder Klopfstein, der an einem Schmalende Schlagfacetten aufweist und somit Steinbe- arbeitung vor Ort annehmen lässt. Mesolithische Kochgruben bzw. Grubencluster sind in Nordwesteuropa, insbesondere in den Nie- derlanden nicht unbekannt. Kürzlich wurden im Oldenburger Baugebiet „Bloherfelder Anger“ etwa 400 Herdstellen aus der mittleren Steinzeit vorgestellt, die in Form, Verteilung und Inhalt mit den Logaer Grubenkonzentrationen vergleichbar sind. Für die Entstehung der Grubencluster werden wiederholte Aufenthalte im jahreszeitlichen Wechsel angenommen, die der Nahrungssuche und - aufbereitung gedient haben könnten. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.14 Nortmoor, Gde. Jümme, Ldkr. Leer, FStNr. 2711/4:136-9 Siedlungsreste der Trichterbecherkultur Der geplante Bau eines neuen Tiefkühllagers der Firma Bünting in Nortmoor zog nach der Aufde- ckung erster Befunde eine Rettungsgrabung nach sich. Das Baugebiet liegt auf einem maximal +7 m NN hohen Geestrücken, der im untersuchten Bereich durch landwirtschaftliche Nutzung und das Fehlen eines schützenden Plaggeneschauftrages stark erodiert war. Im Jahr 2000 waren ca. 150 Meter nordwestlich des Bauareals sechs Kreisgräben und 37 Bestattungen der späten Bronze- und älteren vorrömischen Eisenzeit beobachtet worden. Daneben konnten zahlreiche Pfosten- spuren und Siedlungsgruben nachgewiesen werden. Parallel zu den Bauarbeiten konnten im Be- richtsjahr noch über 80 teils nur schwer erkennbare archäologische Befunde auf knapp einem Hektar Fläche dokumentiert werden. Die Befunde verteilten sich über den gesamten Bereich und konnten aufgrund der häufig nur geringmächtigen Erhaltung nur teilweise eindeutig angesprochen werden. Am häufigsten waren überwiegend fundleere Siedlungs- und Pfostengruben, daneben sind die Reste von insgesamt sechs Feuerstellen und/oder Brandgräbern und ein mutmaßliches Körper- grab erwähnenswert. Aufgrund des sauren, gut durchlüfteten Sandbodens sind Knochen nicht er- halten geblieben. Das Fundmaterial setzt sich aus wenigen, meist nicht näher bestimmbaren Keramikfragmenten, Holzkohle und einigen kalzinierten Knochenfragmenten zusammen. Zwei Feu- ersteinartefakte, die zudem aus dem mutmaßlichen Körpergrab stammen, runden das Fundspek- trum ab. Die datierbaren Keramikscherben sind bemerkenswert, da hier u. a. Bruchstücke eines Gefäßes der Trichterbecherkultur nachgewiesen werden konnten. Zudem stammen sie nicht aus einem Grabzusammenhang, sondern aus einer Siedlungsgrube. Das Gefäß kann als Tureen-Amphora identifiziert werden und datiert um 3000 v. Chr.

49 Damit ist in Nortmoor der Nachweis einer TBK-Siedlung gelungen, wie sie im gesamten norddeutschen Raum erst selten aufgefunden worden sind. (Bericht: H. Prison, M. A., Aurich)

1.3.15 Nüttermoor, Stadt Leer, Ldkr. Leer, FStNr. 2710/3:14 Spätmittelalterliche Siedlungsreste Im Rahmen der Verlegung einer Erdgasleitung von Bunde nach Etzel konnte östlich der ehema- ligen Klosteranlage Thedinga eine Fundstelle dokumentiert werden. Der anstehende Torf war von einer dünnen, in der Regel 6-8 cm starken Kleischicht abgedeckt. Nach dem Abtrag des Oberbodens konnten zahlreiche Funde geborgen werden. Hier lag über der den Torf bedeckenden Kleischicht noch eine ca. 10-15 cm starke Lage aus humosem Sand. In der Fläche ließen sich nach Abtrag des Oberbodens die Strukturen zweier Gräben beobachten. Sie verliefen im Abstand von etwa 19,50 m rechtwinklig zum Verlauf der Trasse. Der westliche Graben wies eine Breite von 2 m, der östliche von 2,30 m auf. Diese Gräben zeichneten sich als etwas hellere Streifen ab, das Verfüllmaterial bestand aus einem Sand-Torfgemenge. Beim Ver- such, diese Gräben zu schneiden, zeigte sich, dass es sich um die untersten Reste ehemaliger Gräben handelte; die Verfüllung war maximal 1-4 cm tief erhalten. Die unter der Kleischicht gebor- genen Keramikscherben gehören zur harten Grauware und datieren in das 13. Jahrhundert. (Bericht: B. Thiemann, M. A., Aurich)

1.3.16 Nüttermoor, Stadt Leer, Ldkr. Leer, FStNr. 2710/5:58 Hochmittelalterlicher Siedlungsplatz Im Rahmen der Verlegung einer Erdgasleitung von Bunde nach Etzel konnte südlich von Nütter- moor eine weitere Fundstelle dokumentiert werden. Die Stratigraphie bestand aus einer bis zu 0,40 m mächtigen Kleiabdeckung über Torf. Nur verein- zelt konnte zwischen dem hellgrün-grauen Klei und dem Torf eine bis max. 0,10 m dicke Schicht aus dunkelgrauem, überwiegend kleiartigem Material festgestellt werden. Aus dieser zwischen dem Klei und dem Torf liegenden Schicht, aber auch direkt aus dem obersten Bereich des Torfes und den untersten Bereichen des hellgrau-grünen Kleis konnten 208 Keramikscherben geborgen wer- den. Der überwiegende Teil besteht aus uneinheitlich gebrannter Irdenware mit Granitgrusma- gerung (181 Stück), nur drei Scherben gehören der uneinheitlich gebrannten Irdenware mit Sandmagerung an. 20 Scherben aus oxidierend gebrannter Irdenware Pingsdorfer Art, darunter ein Wandungsfragment mit Bemalung und ein Randstück, sowie fünf Fragmente blaugrauer Irdenware Paffrather Art belegen eine Datierung in das 11./12. Jahrhundert. (Bericht: B. Thiemann, M. A., Aurich)

1.3.17 Potshausen, Gde. Ostrhauderfehn, Ldkr. Leer, FStNr. 2811/3:2 Ötjenborg Etwa 500 m nördlich der Leda unweit der Potshauser Brücke befinden sich im Jümmiger Hammrich – einer ausgedehnten Niederungslandschaft – Reste der Wüstung „Alt Potshausen“, die im Rah- men der mittelalterlichen Moorkolonisierung entstanden war. Dazu gehört eine mit dem Namen Otjenbörg bezeichnete im Gelände auffällige 22 m breite und knapp 0,5 m hohe Geländeerhebung. Der Fundplatz wurde bereits 1995 von Petra Rosenplänter begangen und abgebohrt. Dabei wurde eine Sandaufschüttung über einem Niederungsmoor festgestellt. Rosenplänter kam zu dem Schluss, dass das erhöhte Wohnpodest ähnlich wie die nur gut 450 m entfernte „Fockenbörg“ Standort eines Steinhauses war. Steinhäuser des Spätmittelalters werden in Ostfriesland in der Regel als Häuptlingssitz interpretiert. Ob dies aber auch auf die Fundstelle bei Potshausen zutrifft, ist noch nicht abschließend geklärt.

50 Im Zuge der Erweiterung von Ackerflächen ist diese markante Stelle ohne denkmalrechtliche Ge- nehmigung durch Umbrechen vollständig zerstört und eingeebnet worden. Bei einer Begehung im Juli 2010 wurden im Acker nur noch helle Sandkonzentrationen im ansonsten humosen Boden an- getroffen, die die bereits bei den Bohrungen beobachtete künstliche Sandaufschüttung erkennen lassen. In deren Umfeld fanden sich eine Vielzahl klosterformatiger Backsteine, darunter auch ein nahezu vollständig erhaltenes Stück mit den Maßen 30 x 15 x 8,5 cm. Darüber hinaus wurden Fragmente von Kugeltöpfen und etwas Kalkmörtel mit Muschelgrus sowie zwei Basaltlava- fragmente und ein Tierknochen aufgelesen. Die hauptsächlich in das 13. bis frühe 14. Jahrhundert datierende graue harte Irdenware mit feiner bis mittelgrober Quarzsandmagerung zeigt u. a. einen Standlappen sowie Schlickerleisten- und Fingertupfenverzierungen. Neben der sandgemagerten Irdenware finden sich auch noch einige wenige granitgrusgemagerte Keramikfragmente, die eher in das 12. Jahrhundert deuten. (Bericht: Dr. A. Hüser, Aurich)

1.3.18 Remels, Gde. Uplengen, Ldkr. Leer, FStNr. 2612/8:35 Siedlung des frühen Mittelalters Im Vorfeld der Errichtung eines Neubaugebietes waren im Ortskern von Remels Ausgrabungen notwendig. Das Areal des Baugebietes „Hinterm Garten“ liegt ca. 200 m nordöstlich der St. Martins- Kirche auf einem nach Norden abfallenden Geestrücken. Die angetroffenen Strukturen einer früh- mittelalterlichen Siedlung konzentrieren sich im Südteil der Fläche und brechen mit dem Beginn des Höhenabfalls des Geländes, ca. 1 m Höhenverlust auf 20 m Strecke, nach Norden hin ab. Die 268 ausgegrabenen Befunde setzen sich aus Gruben, Pfostengruben, Gräben und einer Feuerstelle zusammen. Ein großer Teil der Pfostengruben ist drei Nordost-Südwest ausgerichteten Gebäuden zuzuordnen, einem einschiffigen Haus von 6 x 18 m Größe, einem weiteren einschiffigen Gebäude von 4 x 6 m Größe und einem Haus vom Typ Gasselte B. Dieses weist eine Größe von 8,5 x 25 m sowie eine Feuerstelle auf. Unter den vor allem keramischen Funden ist neben zahlreichen Stücken der muschelgrusgemagerten Irdenware ein zerscherbtes, jedoch nahezu vollständig zu rekonstruie- rendes Gefäß Pingsdorfer Keramik zu nennen. (Bericht: Dr. S. König, Aurich)

1.3.19 Stapelmoor, Stadt Weener, Ldkr. Leer, FStNr. 2809/6:61 Reste eines mittelalterlichen Steinhauses Die Untersuchungen in Stapelmoor an der Straße „Große Stiege“ wurden im Berichtsjahr fortge- setzt und abgeschlossen. Es ist geplant, an dieser Stelle ein Gebäude mit Altenwohnungen zu er- richten. Der Neubau befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Kreuzkirche aus dem 13. Jahrhundert im Bereich des alten Ortskerns. Die im Berichtsjahr durchgeführten Ausgrabungen konzentrierten sich auf den südlichen Teil der Ausgrabungsfläche. Hier traten unter einer etwa 1,50 m mächtigen Lage aus rezentem Humus und einem Plaggeneschauftrag mit Bauschutt verfüllte Fundament- gruben auf. Ein unterster Befundhorizont ließ sich trotz umfangreicher Störungen durch moderne Gruben und Gräben erkennen. Zum ihm gehört ein nur teilweise erfasstes Holzpfostengebäude, das annähernd Nordwest-Südost ausgerichtet war. Dem ältesten Fundhorizont lässt sich ein etwa 5 m im Durch- messer betragender Kreisgraben zuordnen. Ob es sich um einen Umfassungsgraben eines Spei- cherbaus handelt, ist aufgrund der starken Störung durch jüngere Bodeneingriffe nicht mehr zu klären. Das wenige Fundmaterial aus den Pfostengruben verweist auf eine hoch- bis spätmittel- alterliche Zeitstellung dieses Horizontes. Die mittelalterlichen Pfostengruben wurden überlagert bzw. geschnitten durch mit Bauschutt ver- füllte Gruben. Sie gehören zu dem bereits im Vorjahr angetroffenen deutlich ausgeprägten Horizont aus Bauschutt. Er enthielt wiederum zahlreiche zerbrochene Backsteine im Klosterformat und um- fangreiche Reste von Muschelkalkmörtel, was für eine Datierung in das Spätmittelalter spricht. Die

51 Ausdehnung des Schuttschleiers konnte durch Bohrungen der Arbeitsgruppe „Naturwissenschaft und Archäologie“ noch etwa 9 m in östliche Richtung verfolgt werden. Schließlich konnte in einem annähernd Nord-Süd verlaufenden Längsprofil eine dritte Bauphase erkannt werden. Von einer humosen Auftragsschicht waren in die Oberkante des Schutthorizontes mehrere Pfostenlöcher mit einem Abstand von ca. 1,50 bis 2,00 m und einer Tiefe von 0,40 m eingetieft, die mit einem fein- sandigen Substrat verfüllt waren. Aus diesem Horizont stammt Keramik der roten glasierten Irden- ware. Somit ist die Auftragsschicht oberhalb des Bauschutthorizontes als frühneuzeitlich zu datieren. Obwohl die Ergebnisse der Ausgrabung noch nicht abschließend ausgewertet sind, deuten Befund- und Fundsituation darauf hin, dass hier der Übergang der hochmittelalterlichen Holzbauweise zur spätmittelalterlichen Backsteinbauweise erfasst worden ist. Das Fundmaterial besteht zum aller- größten Teil aus Keramik der harten Grauware. Der Schutthorizont mit den ausschließlich im Klos- terformat vertretenen Backsteinresten sowie die Muschelkalkmörtelreste sind die Abrissspuren eines spätmittelalterlichen Steinhauses. Die mit Bauschutt verfüllten Gruben könnten als die beim Abriss verfüllten Fundamentgruben des Steinhauses angesprochen werden. Aber erst die Anspra- che der Keramikfunde und ihre chronostratigraphische Zuweisung werden ein genaueres zeitliches Gerüst erlauben. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.20 Weener, Stadt Weener, Ldkr. Leer, FStNr. 2810/5:53 Siedlungsplatz der Römischen Kaiserzeit Die Flur Gastland im südlichen Bereich der Stadt Weener wurde im Rahmen des Neubaugebietes „Nördlicher Nedderweg“ erschlossen. Bereits 2008 wurde im nordwestlichen Teil des Neubau- gebietes eine Fläche archäologisch untersucht, die Überreste von Wohn-Stallhäusern ergab (vgl. Fundchronik 2008). Ein West-Ost ausgerichtetes Gebäude sowie ein nördlich gelegener Graben können anhand der Funde in die Römische Kaiserzeit datiert werden. Im Zuge der letztjährigen archäologischen Vorabuntersuchungen wurde im nördlichen Teil eine westlich anschließende Flä- che von etwa 5 000 m² zunächst mittels Baggerschnitten sondiert und dann im Anschluss flächig ausgegraben. Während auf der Prospektionsfläche einer zukünftigen Straße nur einige Pfosten- und Gruben- befunde erkannt werden konnten, gelang bei den im Berichtsjahr durchgeführten flächigen Ausgra- bungen der Anschluss an den 2008 dokumentierten nördlichen Graben. Ein zweiter, annähernd Nordnordwest-Südsüdost verlaufender Graben an der westlichen Grabungsgrenze bildet den Ab- schluss der Befunde. Bei den flächigen Grabungen wurde eine lockere Befundstreuung dokumen- tiert. Der gewachsene Boden war stark durch Pflanzlöcher und Meliorationsgräben einer ehemaligen Baumschule gestört. Nur wenige Befunde ließen sich als anthropogene Bodeneingriffe in den feinsandigen Flugsand interpretieren. Darunter sind zwei Sechs-Pfostenspeicher von ca. 2,00 x 2,50 bis 3,00 m Größe. Südlich der bei- den Speicher wird eine Pfostenkonzentration durch den Nord-Süd verlaufenden Graben zum Teil verdeckt. Die Pfosten umfassen eine etwa 7,00 x 14,00 m große, rechteckige Fläche und könnten auf den stark erodierten Grundriss eines West-Ost ausgerichteten Wohnstallhauses hindeuten. Auffällig sind im Osten des möglichen Gebäudes wandparallele Pfostenreihen. Aus den Pfosten- gruben stammen vereinzelte Scherben einer feinsandig gemagerten Keramik. Sie deuten eine Da- tierung des Befundes in die ältere Römische Kaiserzeit an. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

52 1.3.21 Westerholt, Gde. Westerholt, Ldkr. Wittmund, FStNr. 2410/3:52 Siedlung der Römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit Im zentralen Teil der seit 2001 kontinuierlich vom Archäologischen Dienst der Ostfriesischen Land- schaft und mit Unterstützung der Gemeinde Westerholt und der Agentur für Arbeit untersuchten kaiserzeitlich/völkerwanderungszeitlichen Siedlung im Neubaugebiet „An der Mühle“ wurde im ver- gangenen Jahr eine ca. 20 x 35 m große Fläche (ca. 600 m²) archäologisch untersucht. Das Areal ist von vielen Gräben durchzogen, die wohl der Abführung von Oberflächenwasser gedient haben. Im nördlichen Teil wurde der Grundriss eines wahrscheinlich mehrphasigen, Ost- West ausgerichteten Wohn-Stall-Hauses dokumentiert. Unmittelbar südlich schließen sich drei grö- ßere Gruben mit Durchmessern zwischen 7 und 3 m an. Es handelt sich bei allen drei Befunden um tief in den anstehenden Geschiebelehm eingetiefte Brunnen. Der nordwestliche weist eine Tiefe von ca. 2,30 m auf. Auf der Sohle des asymmetrisch trichterförmigen Brunnenschachtes befand sich die Einfassung eines Kastenbrunnens aus Eichenholz. Der Brunnenkasten selbst besteht aus zwei übereinander stehenden rechteckigen Kästen aus 10 bis 12 cm breiten Spaltbohlen mit einer Kantenlänge von etwa 0,90 m. Die Kastenenden sind mit einer Kammverbindung gegen ein seitliches Verschieben gesichert und mit Holznägeln fixiert. Im Zentrum des Kastens stand ein sorgfältig zugerichteter ausgehöhlter Baum- stamm aus einem Weichholz, der als Filter gegen Schwebstoffe gedient haben kann. An der weniger steil eingegrabenen östlichen Grubenwandung waren mehrere grob zugerichtete Holzbalken und -stämme angebracht. Sie können als Trittstufen auf dem schlammigen und somit rutschigen Untergrund fungiert haben. Ebenso bemerkenswert wie die Brunnenkonstruktion selbst sind die Funde aus der Brunnenverfüllung. Hervorzuheben ist ein fast vollständiges Trichterrandgefäß mit doppel- konischem Körper von 12 cm Höhe und 19 cm Durchmesser. Es war in die Sedimente eingebettet, die den ausgehöhlten Baumstamm verfüllt hatten. Eindeutig römischer Provenienz sind die Fragmente zweier weiterer Gefäße. Es handelt sich zum einen um eine Bodenscherbe einer Schale aus Terra-Sigillata. Auf ihrer Unterseite ist ein kreuzförmiges Symbol in die rötlich-braune Engobe eingeritzt worden. Bei einer weiteren Bodenscherbe handelt es sich um ein Fragment groben Gebrauchsgeschirrs. Bei dem bisher noch nicht eindeutig bestimmten Stück kann es sich um ein Transportgefäß für ein flüssiges Handelsgut gehandelt haben. Sicherlich nicht zum Fundspektrum der römischen Kaiserzeit gehört aus dem gleichen Befund der Kopf einer Geröllkeule. Das Stück besteht aus einem hellgrauen, sehr kompakten, kristallinen und gebänderten Sandstein. Gegenständig wurden auf jeder Seite konische Näpfchen in das Gestein eingepickt. Die Schmalenden des Objektes weisen deutliche Benutzungsspuren in Form von Schlagnarben auf. Der zweite, etwa 4,50 m im Durchmesser betragende und annähernd 1,80 m tiefe Brunnen enthielt keine Holzkonstruktion an seiner Basis. Von der Sohle des Brunnens stammen ein großes, mit Sand und Gesteinsgrus gemagertes Gefäß sowie ein Spinnwirtel. Das 29 cm hohe Vorratsgefäß mit ausgestelltem Trichterrand weist auf der Schulter einen Henkel auf. Aus dem dritten und mit einem Durchmesser von etwa 1,80 m schmalsten, aber dennoch 1,80 m tiefen Brunnen konnte ein Hinweis auf den Zugang in die Brunnenschächte gewonnen werden. Auch dieser Brunnen enthielt keine Holz- oder Filterkonstruktion an seiner Basis. An die nördliche Grubenwand gelehnt stand aber noch eine auf etwa 1 m Länge und etwa 0,80 m Breite erhaltene Leiter. Sie besteht aus einem noch nicht näher bestimmten Hartholz, möglicherweise aus Eiche. Der untere Teil der Leiter ist aufgrund ihrer Lage im Grundwasser noch sehr gut erhalten, während der obere Teil verwittert ist. Nur eine Sprosse verbindet die beiden aufragenden Holme. Die Enden der Sprosse sind sorgfältig zugerichtet und durch 4 bis 5 cm große Löcher geführt worden. Eine Fixierung, etwa mittels eines Holzstiftes, war nicht nachzuweisen.

53 Mit der Dokumentation der Brunnenbefunde sind nun weitreichendere Aussagen zur Versorgung der kaiserzeitlichen Siedlung Westerholt mit Frischwasser möglich. Im nun folgenden Jahr sollen die Arbeiten im zentralen Bereich abgeschlossen werden, bevor das Baugebiet dann nach Westen hin erweitert wird. (Bericht: Dr. J. F. Kegler, Aurich)

1.3.22 Veröffentlichungen aus dem Arbeitsgebiet der Ostfriesischen Landschaft: Bärenfänger, R., 2009: Archäologie in Kirchen und Klöstern Ostfrieslands. Nachrichten des Marschenrates 46, 29-34. Bärenfänger, R., 2010: Brinkum, Gemeinde Brinkum, FStNr. 2711/2:151. Nachrichten des Marschenrates 47, 40. Bärenfänger, R., 2010: Fundberichte Nrn. 138, 173, 183, 191, 208, 257, 259B, 261, 268, 273, 275, 281, 304, 307, 315, 335, 358, 398, 420, 421, 444. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Nieder- sachsen 2006/2007), passim. Bärenfänger, R., 2010: General comment on: Trading centres – Hanseatic towns on the southern Baltic Coast: Struc- tural contituity or a new start? (U. Müller). In: B. Ludowici, H. Jöns, S. Kleingärtner, J. Scheschkewitz & M. Hardt (Hrsg.), Trade and Communication Networks of the First Millenium AD in the northern part of Central Europe: Central Places, Beach Markets, Landing Places and Trading Centers. Neue Studien zur Sachsenforschung 1, 141-142. Hannover. Bärenfänger, R., 2010: Leer, Stadt Leer, FStNr. 2710/5:10. Nachrichten des Marschenrates 47, 47. Bärenfänger, R., 2010: Loga, Stadt Leer, FStNr. 2710/6:44. Nachrichten des Marschenrates 47, 47-48. Bärenfänger, R., 2010: Vierzig Jahre Archäologische Kommission für Niedersachsen. Archäologie in Niedersachsen 13, 7-10. Bärenfänger, R., 2010: Weener, Stadt Weener, FStNr. 2810/4:53. Nachrichten des Marschenrates 47, 49. Bärenfänger, R., 2010: Westerholt, Gemeinde Westerholt, FStNr. 2410/3:52. Nachrichten des Marschenrates 47, 49- 50. Busch-Hellwig, S., 2010: Fundbericht Nr. 258, Emden, Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), 158-162. Hüser, A., 2010: Backsteine und Steinobstkerne – Ausgrabungen in der Dieler Schanze (Bakstenen en vruchtpitten – opgravingen in de Dieler Schanze). Netzwerk Toekomst Newsletter Nr. 2 (Dez. 2010), 3-4. Als PDF-File (News- letter2_NT_DU.pdf): http://www.netzwerktoekomst.org/sjablonen/1/infotype/nieuwsbrief/view.asp?objectID=1459. Kamp, K., 2010: Hohegaste, Stadt Leer, FStNr. 2710/5:48. Nachrichten des Marschenrates 47, 40-41. Kanczok, M., 2010: Fundbericht Nr. 404, Remels. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fund- chronik Niedersachsen 2006/2007), 298-300. Kanczok, M., 2010: Remels, Gemeinde Uplengen, FStNr. 2612/8:34. Nachrichten des Marschenrates 47, 48-49. Kegler, J. F., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/5:53. Nachrichten des Marschenrates 47, 45. Kegler, J. F., u. König, S., 2010: Ostfriesische Fundchronik 2009. Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ost- frieslands 90, 218-253. König, S., 2010: Fabelhafte Fliesentiere – Die Tiere und Fabelwesen auf den mittelalterlichen Fliesen des Klosters Ihlow. Archäologie in Niedersachsen 13, 71-74. König, S., 2010: Stadtkernforschung in Emden und Wurtenforschung in Groothusen – Zur Würdigung der Mittelalter- forschung von Waldemar Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 35-42. König, S., 2010: Wadden sea and heritage management? In: H. Marencic, K. Eskildsen & S. Hedtkamp, Science for Nature Conservation and Management: the Wadden Sea Ecosystem and EU Directives. Proceedings of the 12th International Scientific Wadden Sea Symposium in Wilhelmshaven, Germany, 30. March – 3. April 2009. Wadden Sea Ecosystem No. 26. 165-166. Wilhelmshaven. König, S., 2010: Aurich, Stadt Aurich, FStNr. 2510/3:56-16. Nachrichten des Marschenrates 47, 34. König, S., 2010: Hagermarsch, Gemeinde Hagermarsch, FStNr. 2309/5:2-8. Nachrichten des Marschenrates 47, 34- 35. König, S., 2010: Bunderhee, Gemeinde Bunderhee, FStNr. 2709/9:15. Nachrichten des Marschenrates 47, 40. König, S., Müller, M., u. Evers, T., 2010: Sandhorst, Stadt Aurich, FStNr. 2410/9:31 u. 32, 2411/7:11, 2511/1:45. Nachrichten des Marschenrates 47, 37-38. Krecher, M., 2010: Borkum, Stadt Borkum, FStNr. 2306/4:8. Nachrichten des Marschenrates 47, 38-39. Krecher, M., 2010: Riepsterhammrich, Gemeinde Ihlow, FStNr. 2609/3:13. Nachrichten des Marschenrates 47, 37. Kronsweide, G., 2010: Fundberichte Nrn. 272, 444. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fund- chronik Niedersachsen 2006/2007), passim. Küchelmann, H. C., 2010: Vornehme Mahlzeiten: Tierknochen aus dem Dominikanerkloster Norden. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 79, 155-200. Küchelmann, H. C., 2010: Vom mehr oder weniger armen Leben der Bettelmönche. Archäologie in Niedersachsen 13, 83-85.

54 Oltmanns, V., 2010: Fundbericht Nr. 259A, Esens. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fund- chronik Niedersachsen 2006/2007), 162-163. Potthoff, T., 2010: Fundberichte Nrn. 201, 202, Norden. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), 111-114. Potthoff, T., 2010: Norden, Stadt Norden, FStNr. 2309/7:30. Nachrichten des Marschenrates 47, 36-37. Prison, H., 2010: Fundberichte Nrn. 388, 403. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), passim. Prison, H., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, OL-Nr. 2710/5:38 (1). Nachrichten des Marschenrates 47, 41. Prison, H., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/5:38 (2). Nachrichten des Marschenrates 47, 42. Prison, H., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/5:45. Nachrichten des Marschenrates 47, 42-43. Prison, H., Kegler, J. F., Berke, H., u. Tegtmeier, U., 2010: Ross ohne Reiter. Eine Pferdebestattung aus der Ems- marsch bei Holtgaste. Archäologie in Niedersachsen 13, 63-66. Prussat, A., 2010: Fundbericht Nr. 325, Aurich. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchro- nik Niedersachsen 2006/2007), 221. Reimann, H., 2010: Fundberichte Nrn. 120, 200, 260, 265, 358, 434. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), passim. Rosenbaum, N., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/4:78 und 2710/5:51. Nachrichten des Marschen- rates 47, 43-44. Schwarz, W., 2010: Fundberichte Nrn. 34, 73, 80, 82, 120, 174, 409, 427. Nachrichten aus Niedersachsens Urge- schichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), passim. Schwarz, W., 2009: Nutzung der Moormarsch im westlichen Ostfriesland; der Nährboden der wirtschaftlichen und so- zialen Transformation im 10. Jh. Nachrichten des Marschenrates 46, 69-78. Thieme, A., 2010: Holtgaste, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/5:55. Nachrichten des Marschenrates 47, 45. Thiemann, B., 2010: Fundbericht Nr. 283, Ludwigsdorf, Ihlow. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13 (Fundchronik Niedersachsen 2006/2007), 183-190. Thiemann, B., 2010: Ludwigsdorf, Gemeinde Ihlow, FStNr. 2510/9:16. Nachrichten des Marschenrates 47, 35-36. Thiemann, B., 2010: Jemgum, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/2:10. Nachrichten des Marschenrates 47, 45-46. Thiemann, B., 2010: Jemgum, Gemeinde Jemgum, FStNr. 2710/4:79. Nachrichten des Marschenrates 47, 46-47.

2 Ehemaliger Regierungsbezirk Lüneburg 2.1 Landkreis Cuxhaven Größere Ausgrabungen und Fundbergungen 2.1.1 SG Hagen, Wittstedt, FStNr. 93 Siedlung Völkerwanderungszeit bis Mittelalter Auch im Jahr 2010 wurden die Untersuchungen in der Siedlung westlich der Ortschaft Wittstedt fortgesetzt. Bis zum Jahresende war eine Fläche von insgesamt rd. 70 500 m² ausgegraben und dokumentiert. Im Schwerpunkt fanden die Untersuchungen im nördlichen Bereich der Siedlung statt, wo überwiegend frühmittelalterliche Befunde festgestellt wurden. Dazu gehören zahlreiche Langhäuser sowie Grubenhäuser. Aus einem der Grubenhäuser stammt Eisenbeschlag mit Goldtauschierung, zu dem keine Paral- lelen bekannt sind. In der Technik gleicht er einem Fund von der Büraburg bei Fritzlar. In einem an- deren Grubenhaus wurde eine Bronzenadel mit rhombischem und durchbrochenem Kopf sichergestellt. Vergleichsfunde zu diesem Objekt sind aus Schweden und Ostfriesland bekannt. Wiederum in einem Grubenhaus fand sich ein kleeblattförmiger Beschlag aus Bronze mit Silber- nieten, der auf der Vorderseite anglo-karolingisches Pflanzenornament zeigt. Er lässt sich in die Gruppe der „karolingischen Schwertgurtbestandteile mit Pflanzenornament“ einordnen. (Bericht: M. D. Schön M. A., Bad Bederkesa)

2.1.2 Veröffentlichung: Schön, M. D., 2010: Gräber eines „Herrenhofes“ an der Fallward bei Wremen, Landkreis Cuxhaven. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 33, 77-85.

55 2.2 Stadt Cuxhaven Allgemeine archäologische Denkmalpflege 2.2.1 Archäologischer Sammlungsbestand ehemaliges Stadtmuseum Cuxhaven Ungeachtet der Schließung des Stadtmuseums konnte die Aufarbeitung des archäologischen Sammlungsbestandes fortgesetzt werden. Schwerpunktmäßig wurden verschiedenene Komplexe aus Altgrabungen bearbeitet.

2.2.2 Archäologische Landesaufnahme Die Arbeiten zur Erfassung aller im Gelände vorhandenen archäologischen Fundplätze durch Feld- begehung konnten aufgrund fehlender Mitarbeiter nicht fortgeführt werden.

Größere Fundbergungen und Ausgrabungen 2.2.3 Franzenburg, FStNr. 2 Geodätische Erfassung (DGM) der frühneuzeitlichen Wallanlage Franzenburg Im Frühjahr wurden im Rahmen einer Lehrveranstaltung der HTW Berlin (Hochschule für Wirtschaft und Technologie, Prof. Kohlmeyer, Dr. Schenk), der Firma Arcontor OHG (Dr. Wiegert) und der Ar- chäologischen Denkmalpflege Stadt Cuxhaven umfangreiche Vermessungarbeiten an der frühneu- zeitlichen Wallanlage Franzenburg durchgeführt und als digitales Geländemodell (DGM) fertig gestellt. Die in ihrem Grundriss quadratische Franzenburg war eine Wehranlage mit herrschaftlicher Archi- tektur und wurde 1590 durch Herzog Franz II. von Sachsen-Lauenburg errichtet und im Einver- nehmen mit seinem Nachfolger, Herzog August von Sachsen-Lauenburg 1644 durch Hadler Einwohner geschleift. Von der Anlage ist nur noch der Wall erhalten; ehemalige Bebauungen wie herrschaftliche Gemächer, Unterkünfte für die Wachmannschaften, Wirtschaftbauten, Ställe und Brunnen sind nicht erkennbar. Selbst von einem ehemals vorhandenen Graben sowie der Tor- anlage fehlen eindeutige Überreste. Das quadratische Wallviereck von rund 80 m x 80 m Ausmaß und einer Wallhöhe zwischen 4 m und 5 m weist einen nach Osten gerichteten breiten Eingangs- bereich auf. Im Südwesten und Nordosten sind bastionenartige Strukturen (Rondelle) außerhalb des Walles erkennbar. Die Anlage wird heute als Wiese genutzt. Im Zusammenhang mit der Feste Franzenburg sind festungstypologische Fragestellungen von Be- deutung, die durch bau- und feldarchäologische Untersuchungen im Weiteren geklärt werden sol- len. Zugleich ist beabsichtigt, auch potentielle historische Quellen zur Franzenburg, die bislang nur unzureichend erforscht sind, einer eingehenden Bearbeitung zu unterziehen. Ausgehend vom digitalen Geländemodell der Wallanlage Franzenburg wurden im Spätsommer Prospektionsgrabungen im südwestlichen Außenbereich, daneben auch geophysikalische Messun- gen des Innenraumes, des Tor- und in Teilen auch des östlichen Außenbereiches durchgeführt. Die Ergebnisse sind als BA-Arbeit (Felix Teranski) an der HTW Berlin (Prof. Kohlmeyer) vorgelegt wor- den. Die im Gelände deutlich sichtbare Struktur einer gerundeten Bastion (Rondell) im Außenbereich der Südost-Ecke der Franzenburg wurde durch einen Sondageschnitt aufgedeckt. Es zeigte sich, dass es hier zur Ablagerung von Erdmaterial gekommen ist, ohne dass bauliche Strukturen, die im kon- struktiven Zusammenhang mit der Befestigung stehen, vorhanden sind. Aufgedeckt werden konn- ten jedoch Reste einer Grabenbefestigung. (Bericht: A. Wendowski-Schünemann, M. A., Cuxhaven)

56 2.2.4 Veröffentlichungen: Wendowski-Schünemann, A., 2011: Der Einbaum aus dem Watt bei Cuxhaven. Archäologie in Niedersachsen 14, 41- 44. Wendowski-Schünemann, A., 2011: Zur Geschichte der Bodendenkmalpflege in Cuxhaven. Mit einem Verzeichnis der Schriften Karl Wallers. Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 89, 2010, 11-25. Bremerhaven. Veit, U., Wendowski-Schünemann, A., u. Spohn, J., mit Beiträgen v. D. Seidensticker, u. Wahl, J., 2011: Ein bronze- zeitlicher Ringwall und Gräber der vorrömischen Eisenzeit in Duhnen, Stadt Cuxhaven, Ldkr. Cuxhaven. Archäo- logische und naturwissenschaftliche Untersuchungen 2004 bis 2009. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 80, 47-71 (im Druck). Wendowski-Schünemann, A., 2011: Besprechung zu Dieter Riemer, Die Pipinsburg: prope villam dictam Syverden. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 80, 228-230 (im Druck).

2.3 Landkreis (Wümme) Allgemeine archäologische Denkmalpflege 2.3.1 Lineare Projekte In Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und mehreren Gra- bungsfirmen wurden im Vorfeld der Verlegung der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) die ers- ten archäologischen Untersuchungen im Trassenverlauf durchgeführt sowie der Ausbau der A1 archäologisch begleitet.

2.3.2 Aufarbeitung der Altgrabung Schwitschen 1963 und 1965 wurde in der Gemarkung Schwitschen, Ldkr. Rotenburg (Wümme), eine alt- bis mittelsteinzeitliche Fundstelle durch Dr. Rudolf Dehnke (Heimatbund Rotenburg) untersucht. Bei den Grabungen wurden ca. 375 m² freigelegt, was für eine Fundstelle derartiger Zeitstellung eine große Fläche darstellt. Bei den Ausgrabungen wurden ca. 100 Feuerstellen und mehrere 10 000 Feuersteinartefakte dokumentiert bzw. geborgen. Die Ergebnisse wurden bislang nur in drei kurzen Vorberichten veröffentlicht, die lediglich eine grobe Übersicht und eine erste kulturelle und zeitliche Einschätzung der Artefakte geben. Diese kurzen wissenschaftlichen Arbeiten stehen im krassen Missverhältnis zur Bedeutung der Fundstelle in der regionalen und überregionalen Forschung. Im Rahmen aktueller Forschungen zur ausgehenden Altsteinzeit und Mittelsteinzeit in Nord- deutschland bzw. Nordeuropa wurde die Aufmerksamkeit wieder auf die nunmehr 45 Jahre zurück- liegende Ausgrabung gelenkt. Eine erneute kurze Durchsicht der Grabungsunterlagen, der Zeich- nungen und des Fundmaterials brachte jetzt die Erkenntnis, dass die von R. Dehnke in seinen Publikationen vorgenommene Einschätzung zur Besiedlungsgeschichte des Fundplatzes und zur zeitlichen und kulturellen sowie typologischen Zuordnung des Fundmaterials nicht mit den in Au- genschein genommenen Artefakten korrespondiert. Bei den vorgefundenen Artefakten handelt es sich überwiegend um Niederschläge einer spät- mittelsteinzeitlichen bis endmittelsteinzeitlichen Besiedlung. Nur zu einem geringen Teil lässt sich das Fundmaterial den spätaltsteinzeitlichen Federmesser-Gruppen zuordnen, wie es noch R. Dehnke tat. Da gegrabene spät- bis endmittelsteinzeitliche Fundstellen im norddeutschen Tiefland eine abso- lute Seltenheit darstellen, ist eine erneute wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabung von großer Bedeutung, zumal auch die erstaunlich hohe Anzahl von ca. 100 Feuerstellen dokumentiert werden konnte. Sofern sich Fundstreuungen differenzieren und Feuerstellen zuordnen lassen, könnten über 14C-Datierungen erstmalig Aussagen zur Chronologie der genannten Zeitphase und des Siedlungsraumes gewonnen werden. Das Projekt wird von K. Gerken durchgeführt.

57 Größere Fundbergungen und Ausgrabungen 2.3.3 Gemeinde , Fintel FStNr. 43 Spätmittelalterliche/neuzeitliche Bestattungen Als die Planungen eines Gemeindehauses und einer Aussegnungshalle auf dem Areal des alten Friedhofs in Fintel, in unmittelbarer Umgebung der Kirche anfingen, wurden auch die Belange der Bodendenkmalpflege eingebracht. So fanden von September 2010 bis April 2011 archäologische Untersuchungen der von den Baumaßnahmen betroffenen Flächen statt. Im Jahr 2010 (24.09.- 29.11.2010) wurde das Areal der geplanten Aussegnungshalle untersucht (Teilfläche 1). Obwohl die Fläche mit 12,5 m x 10,1 m relativ klein war, konnten etwa 220 Bestattungen dokumentiert und geborgen werden. Sie datieren vermutlich in die Zeit des Spätmittelalters bis in das ausgehende 19. Jahrhundert. Überraschend war die gute Erhaltung der Skelette, was ansonsten auf der Geest eher selten beobachtet werden kann. Vermutlich hat die jahrhundertelange Nutzung des Areals als Friedhof zu einer Kalkanreicherung im Boden geführt.

2.3.4 Gemeinde Gyhum, Gyhum FStNr. 28 Gruben der vorrömischen Eisenzeit Im Rahmen der Erweiterung der A1 konnten auf einem Höhenrücken bei Gyhum insgesamt 3 Befunde auf einer Fläche von etwa 4 000 m² beobachtet werden. Ein Befund lieferte Keramik der vorrömischen Eisenzeit. Möglicherweise wurden hier Siedlungsreste erfasst, die zu dem etwa 100 nordwestlich gelegenen Gräberfeld (FStNr. 16) gehören.

2.3.5 Gemeinde Elsdorf, Hatzte FStNr. 49 Siedlung der vorrömischen Eisenzeit Im Rahmen der Erweiterung der A1 wurden vier Befunde im Bereich der bislang unbekannten Fundstelle 49 erfasst. Bei zwei Befunden wird es sich um Siedlungsgruben unbekannter Funktion handeln, die anderen beiden Befunde sind als Pfostengruben anzusprechen. Die Mehrzahl des Fundmaterials (über 500 Keramikfragmente) stammt aus Befund 2. Es erlaubt die Datierung der Befunde in die ältere vorrömische Eisenzeit. Beim Bau der Autobahn wurden 1934 in der Nähe der Fundstelle ein Depot, bestehend aus zwei Wendelringen der vorrömischen Eisenzeit, und „Urnenscherben“ (FStNr. 16) geborgen. Es ist derzeit noch unbekannt in welcher Beziehung die Fundstellen zueinander stehen.

2.3.6 Gemeinde , Hemslingen FStNr. 15 „Metallzeitliche“ Gruben Auf dem südöstlichen Hang des Holler Berges konnten im Vorfeld der Errichtung einer Biogas- anlage archäologische Untersuchungen vorgenommen werden. Auf einer Fläche von etwa 1 ha traten insgesamt 9 Befunde zutage. Eine Grube mit hohem Holzkohleanteil und gebrannten Geröl- len kann wohl als Koch- oder Gargrube angesprochen werden. Das Keramikmaterial lässt sich bis- lang nur als allgemein metallzeitlich ansprechen.

2.3.7 Gemeinde , Malstedt FStNr. 44 Nach Voruntersuchungen im Vorfeld der Errichtung einer Biogasanlage im Jahre 2009 wurde 2010 eine urgeschichtliche Siedlung auf einer Fläche von etwa 10 ha ergraben. Aufgrund der ersten Sichtung des keramischen Materials dürfte es sich um eine Siedlung der vorrömischen Eisenzeit handeln. Während der Grabungsarbeiten wurden über 400 Befunde dokumentiert, die sich jedoch beim derzeitigen Bearbeitungsstand nicht zu siedlungsrelevanten Strukturen rekonstruieren lassen. Auffällig ist die Nähe zu den Grabhügeln FStNr. 18-23, 43, 58 und dem Urnengräberfeld FStNr. 59 (jüngere Bronzezeit). Sie müssen zur Zeit der prähistorischen Besiedlung noch sichtbar gewesen sein.

58 2.3.8 Gemeinde , Hellwege FStNr. 65 Oberflächenfunde 8.-13. Jh. Im Rahmen von Oberflächenprospektionen der mittelalterlichen Wüstung „altes Dorf“ bei Hellwege konnte Herr Volker Koch mehrere Fibeln, eine Münze und einen Beschlag bergen. Alle Objekte be- stehen aus Buntmetall. Bei den Fibeln handelt es sich um: 1 Scheibenfibel (Durchm. 2,2 cm; D. 0,6 cm) mit zentralem Glasfluss und fünf trapezförmigen Seg- menten sowie erhaltener Nadelrast sowie ein Exemplar mit 8-9 trapezförmigen Segmenten (Durchm. 2,2 cm; D. 0,5 cm). Zu diesem Typ zählt möglicherweise ein zweites stark fragmentiertes Exemplar (Durchm. 1,6 cm; D. 0,6 cm); 1 schlecht erhaltene Scheibenfibel (Durchm. 1,9 cm; D. 0,4 cm). Möglicherweise handelt es sich um eine Kreuzemailscheibenfibel; 2 Kreuzemail- scheibenfibeln (Durchm. 1,8 cm; D. 0,7 cm / Durchm. 1,6 cm; D. 0,5 cm.); 1 fragmentierte Scheibenfibel mit rötlichen Grubenemailresten (Durchm. 2,1 cm; D. 0,5 cm); 1 Scheibenfibel mit einem Kranz aus Kreisaugen um ein zentrales Kreisauge (Durchm. 2,2 cm; D. 0,6 cm); 1 sternförmige Fibel mit fünf Armen (Durchm. 3,0 cm; D. 1,0 cm); 1 Beschlag (Durchm. 2,0 cm; D. 0,2 cm; Neuzeit?); 1 Münze des Bistums Osnabrück (Konrad II. von Rietberg; 1270-1297). Die Funde datieren vorwiegend in die zweite Hälfte des 9. Jh. bis in das 10. Jh. Die Münze, der Be- schlag und die sternförmigen Fibeln sind zeitlich später anzusetzen. Das bisher aus der Wüstung bekannt gewordene Material – vorwiegend Keramik – datiert in das 8. bis 13. Jh. Die nun bekannt gewordenen Funde fügen sich somit in das zeitliche Spektrum ein.

2.3.9 Stadt Bremervörde, Bremervörde FStNr. 142 Stadtkerngrabung, Neuzeit Nach ersten archäologischen Voruntersuchungen im Oktober 2010 im Vorfeld der Errichtung eines Seniorenheimes an der Straße Großer Platz in Bremervörde, ergab sich aufgrund der auftretenden Befundlage die Notwendigkeit einer insgesamt dreimonatigen Notgrabung. Aufgrund des unmittel- bar bevorstehenden Baubeginns erfolgte die Ausgrabung zwischen Ende Oktober 2010 und Mitte März 2011, zeitlich unterbrochen durch den massiven Wintereinbruch, der eine durchgehende Gra- bungstätigkeit unmöglich machte. Im Bereich zwischen der heutigen Straße Großer Platz und dem an Stelle der mittelalterlichen Burganlage errichteten Kreishaus befand sich bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg im Jahre 1646 der Ortskern des alten Bremervörde. Aufgrund der Planierung des Areals nach den Kriegs- zerstörungen und einer lediglich teilweisen Bebauung im 19. Jahrhundert, ergab sich eine teilweise hervorragende Befunderhaltung. Im Rahmen der Notgrabung konnten insgesamt vier Parzellen der alten Bebauung vor 1646 mit Anschluss an die alte südwestlich-nordöstlich verlaufende gepflasterte Straße und die Trennung der Bebauung durch gepflasterte Traufgänge erfasst werden. Die Parzellengrößen variierten dabei zwischen 183 m² und 245 m². Bei der Untersuchung der Bebauungsstrukturen der einzelnen Par- zellen wurden neben verschiedenen Bodenpflasterungen der Innenräume und mehreren Stand- orten von Kachelöfen auch zwei aus Findlingswänden errichtete Keller erfasst. Leider war eine vollständige Untersuchung lediglich bei einem Kellerraum möglich, der eine Größe von etwa 20 m² aufwies. Bemerkenswert dabei war die archäologisch fassbare Zweiphasigkeit des Kellers, die sich nicht nur durch die Zumauerung des alten Kellerzugangs und die Anlage einer neuen Treppe aus Ziegeln, sondern auch in Reparaturen einer Kellerwand und einem über dem ersten Fußboden- niveau eingezogenen späteren Kellerboden zeigte. Auf dem mit Ziegeln sehr flüchtig gepflasterten jüngeren Kellerboden lag unter dem später eingefüllten Bauschutt eine Kanonenkugel. Dieser Fund legt neben einer verschossenen Bleikugel und einer Dolchklinge Zeugnis ab von den Auseinandersetzungen um Bremervörde im Dreißigjährigen Krieg, die 1646 schließlich zur voll- ständigen Zerstörung des alten Siedlungskerns durch die damalige dänische Besatzung der Burg

59 führten. Mittels der Niederbrennung und Planierung der Bebauung wollte man sich freies Schuss- feld gegen die angreifenden Schweden verschaffen. Als weitere Besonderheit kann die teilweise Untersuchung eines auf dem Gelände befindlichen Kastenbrunnens angeführt werden. Aus dessen Bauschuttverfüllung wurden neben umfangreichem Fundmaterial an bemalter glasierter roter Irdenware auch Bruchstücke von Gusstiegeln geborgen. Diese weisen durch die enthaltenen Schmelzrückstände auf eine in diesem Bereich vorhandene Metallverarbeitung hin. Hierauf weisen ebenfalls die zahlreichen Buntmetallfunde, teilweise mit An- haftungen organischer Materialien (Leder) hin, die an mehreren Stellen im Grabungsareal konzent- riert auftraten. Durch das Brandereignis wurden zudem Getreidevorräte konserviert, die im vollständig untersuchten Keller und in einem Vorratsraum einer weiteren Parzelle geborgen werden konnten. Im Hinblick auf die widrigen Witterungsverhältnisse und den unmittelbar bevorstehenden Bautermin konnte lediglich etwa ein Drittel der Grabungsfläche bis auf den anstehenden Boden untersucht werden. Auf dieser Fläche wurden zahlreiche unterschiedlich große Gruben und Pfostenstrukturen aufgedeckt, die durch das auftretende keramische Fundmaterial in die spätmittelalterliche Besied- lungsphase Bremervördes einzuordnen sind. Insgesamt konnte durch diese bisher umfangreichste Grabungsmaßnahme in Bremervörde erst- mals eine zusammenhängende Parzellenstruktur nachgewiesen und dokumentiert werden.

2.3.10 Gemeinde Reeßum, Reeßum FStNr. 48 Hofstelle, frühes Mittelalter Die Grabungen an einem befestigten Hof des Hochmittelalters wurden fortgesetzt. Es konnten in der Grabungskampagne der westliche Abschluss des Befestigungsgrabens dokumentiert werden. Er umschloss einen Innenraum von etwa 50 m Durchmesser, in dem sich ein etwa 25 m langes Haus in Pfostenbauweise befand. (Berichte: Dr. St. Hesse, I. Neumann, Rotenburg/Wümme, W. Scherf, M. A., Hemmoor)

2.3.11 Veröffentlichungen: Bock, J., 2010: Ein Grubenhaus bei Visselhövede, Ldkr. Rotenburg (Wümme). Kritische Betrachtungen zu den Ergeb- nissen einer Altgrabung. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 89-117. Gerken, K., Hesse, S., Mittmann, M., u. Neumann, I., 2010: Mehrere Artikel in: Fundchronik Niedersachsen 2006- 2007. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Beiheft 13. Stuttgart. Hesse, S., 2010: Die eisenzeitliche Befestigung von Wittorf, Lkr. Rotenburg (Wümme). In: M. Meyer (Hrsg.), Haus - Gehöft - Weiler - Dorf. Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa. Internationale Tagung an der Freien Universität Berlin vom 20.-22. März 2009. Berliner archäologische Forschungen 8, 327-341. Rah- den/Westf. Hesse, S., 2010: Noch nicht geklärt: Mord im 3./4. Jh. n. Chr.? Archäologie in Deutschland 5, 47. Hesse, S., 2010: Archäologische Senkrechtdokumentation mit Schwebeplattform. Berichte zur Denkmalpflege in Nie- dersachsen 30, 107. Hesse, S., 2010: Möglichkeiten und Grenzen einer Stadtarchäologie im Landkreis Rotenburg (Wümme). Ein Beitrag zur Archäologie in kleinen Städten. Rotenburger Schriften 90, 44-72. Hesse, S., 2010: Möglichkeiten und Grenzen einer Stadtarchäologie im Landkreis Rotenburg (Wümme). Ein Beitrag zur Archäologie in kleinen Städten. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 183-211. Hesse, S., 2010: Tätigkeitsbericht der Kreisarchäologie Rotenburg (Wümme) für die Jahre 2008-2009. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 289-304. Hesse, S., Grefen-Peters, S., Peek, Chr., Rech, J., u. Schliemann, U., 2010: Die Moorleichen im Landkreis Rotenburg (Wümme). Forschungsgeschichte und neue Untersuchungen. Archäologische Berichte des Landkreises Roten- burg (Wümme) 16, 31-88. Hesse, S., u. Tegge, C., 2010: Eine gusseiserne Ofenplatte vom Schloss Vörde, Stadt Bremervörde, Ldkr. Rotenburg (Wümme). Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 163-182. Hesse S., Gerken, K., Mittmann, M., u. Neumann, I., 2010: Fundchronik 2008-2009. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 215-284.

60 Niemann, H., Gerken, K., u. Namyslo, E., 2010: Holzkohlenanalyse als Indikator für natürliche und anthropogen verur- sachte Brände. Rekonstruktion der Vegetations- und Feuergeschichte begleitend zu den Fundstellen Oldendorf 52 und 69, Ldkr. Rotenburg (Wümme), Niedersachsen. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 5-29. Schneeweiß, J., 2010: Neue Überlegungen zur Lokalisierung von Schezla. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 16, 119-161.

2.4 Landkreis Stade Allgemeine archäologische Denkmalpflege Im September 2010 wurde der langjährige Leiter der Archäologischen Denkmalpflege des Land- kreises Stade Dr. Diether Ziermann krankheitsbedingt in den Ruhestand verabschiedet. Im Berichtszeitraum wurden die Begehungen auf den Geestgemarkungen des Kreisgebietes inten- siv fortgesetzt und dabei zahlreiche neue Fundplätze entdeckt. Die zahlreichen Metallfunde im Be- reich von bekannten Brandgräberfeldern zeigen die fortschreitende Zerstörung der Nekropolen durch die landwirtschaftliche Nutzung.

Größere Fundbergungen und Ausgrabungen 2.4.1 Gemeinde Oldendorf, Oldendorf FStNr. 90 Gräberfeld, frühes Mittelalter bis frühe Neuzeit Die Grabungen im Bereich der Kirche von Oldendorf wurden von März bis Mai 2010 fortgesetzt und abgeschlossen. Ein Richtung Kirche geführter Schnitt zur Erfassung einer möglichen Vorgänger- kirche verlief negativ.

2.4.2 Gemeinde , Apensen FStNr. 2 Gräberfeld, ältere Römische Kaiserzeit Das Areal dieses weitgehend zerpflügten Brandgräberfeldes wurde umfangreich prospektiert. Im Oberflächenbereich wurde u. a. eine größere Anzahl von Silber- und Bronzefibelfragmenten der Römischen Kaiserzeit geborgen.

2.4.3 Gemeinde , Mulsum FStNr. 83 Einzelfund, Vorgeschichte Am Rande einer bäuerlichen Hofstelle wurde an einem Steinhaufen ein aus dem angrenzenden Acker ausgepflügter Schalenstein mit etwa 20 Schälchen entdeckt. Dieses Objekt wurde geborgen und vor dem Heimatmuseum Kutenholz aufgestellt.

2.4.4 Gemeinde Harsefeld, Issendorf FStNr. 1 Gräberfeld, Völkerwanderungszeit Eine erneute Begehung auf der Fläche des in den letzten Jahrzehnten annähernd vollständig un- tersuchten völkerwanderungszeitlichen Brandgräberfeldes erbrachte im Oberflächenbereich noch eine Anzahl von Bronzebeigaben, darunter die Bruchstücke einer offenbar vergoldeten gleicharmi- gen Fibel. (Berichte: D. Alsdorf, Agathenburg)

2.4.5 Veröffentlichungen: Ziermann, D., 2010: „Urnen, Schweine und Vögel“. Archäologie in Niedersachsen 13, 56-59. Ziermann, D., 2010: „Tiere aus Issendorf“. In: Geschichte und Gegenwart 2010, hrsg. vom Verein für Kloster- und Heimatgeschichte Harsefeld e. V., 23-28.

61 2.5 Stadt Stade Grundsätzliche Arbeiten Die Ortsakten wurden weiter aufgearbeitet und mit ehrenamtlichen Helfern regelmäßige Flurbe- gehungen durchgeführt.

Ausgrabungen und Fundbergungen 2.5.1 Stade, Fpl. 249 Feuerstellen, jüngere Bronzezeit/ältere vorrömische Eisenzeit(?) Im Vorfeld des Neubaus für die künftige Kreisstraße 30 wurden 2,5 km südlich des Stader Flugplat- zes zahlreiche archäologische Befunde dokumentiert. Kurz vor einer leichten Anhöhe lagen in einer Höhe von +17,80 NN in unregelmäßigem Abstand mehrere Feuerstellen, die außer durch Feuer geschädigte Steine und Holzkohle keine datierbaren Funde enthielten. Es handelt sich um einen der ungeregelten Feuerstellenplätze, die nach derzeitigem Forschungsstand insbesondere in Nord- ostdeutschland bekannt sind. Im direkten Umkreis der freigelegten Feuerstellen fehlten datierende Siedlungsbefunde. Vermutlich steht dieser Fundplatz jedoch mit den Befunden der jüngeren Bronzezeit/älteren vorrömischen Ei- senzeit (Stade Fpl. 250) in Verbindung, die jenseits des Baches Heidbeck in 180 m Entfernung lo- kalisiert wurden.

2.5.2 Stade, Fpl. 250 Siedlung, u. a. jüngere Bronzezeit/vorrömische Eisenzeit Im Vorfeld des Baus der künftigen Kreisstraße 30 wurden nahe des Bachs Heidbeck Suchschnitte angelegt. Die Befundkonzentrationen in diesem Areal machten eine vollständige Ausgrabung im Trassenbereich notwendig. Die ersten Befunde kamen nördlich eines Feldweges in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes auf einer Höhe von +21,45 NN zutage. Hier konnten die Reste eines Brenn- ofens, zwei kleinere Gruben sowie wenige Pfostengruben jüngerer Zeitstellung dokumentiert wer- den. Südlich des Feldweges konnten über 90 archäologische Befunde aufgenommen werden, darunter Gruben, Steinsetzungen, ein flaches Grubenhaus und Pfostensetzungen eines kleinen Speichergebäudes. Ungewöhnlich ist eine 6 m x 4 m große schlüssellochförmige Bodenverfärbung. Der Befund barg einen Findling von 3 m x 2 m und war wahrscheinlich ehemals obertägig im Gelände gut sichtbar. Vermutlich war dieser Monolith ausschlaggebend für die Anlage der Siedlung, eine rituelle Nutzung ist vorstellbar. In der Neuzeit wurde versucht, den Stein zu sprengen, was diverse Bohrlöcher sowie die ausgebrochenen Flächen belegen. Das Fundmaterial unterteilt sich in größere Mengen Keramik der jüngeren Bronzezeit/älteren vor- römischen Eisenzeit, zwei Spinnwirteln sowie verformter Fehlbrandkeramik aus einem Keramik- brennofen.

2.5.3 Hagen, Fpl. 30 U. a. Siedlung, jüngere Bronzezeit/vorrömische Eisenzeit Auf der künftigen Trasse der Kreisstraße 30 wurden in einem ersten Schritt Sondageschnitte an- gelegt. Diese zeigten, dass die Ausgrabung auf der gesamten Trassenbreite von 30 m notwendig war. Dokumentiert wurden mehrere von Norden nach Süden verlaufende Wegespuren. Diese können zeitlich nicht genau eingeordnet werden, sind aber sicher jünger als die Ansiedlung. Vermutlich war dieser Wegverlauf von Stade in Richtung Süden über Riensförde und Harsefeld jedoch bereits seit der Vorgeschichte gut frequentiert und diente schon früh als Handelsroute, die dem späteren Ver-

62 lauf des Heeres und dem schriftlich überlieferten mittelalterlichen Pilgerweg von Jütland nach Italien entsprach. Der Weg überquerte im Norden durch eine Furt den kleinen Flussverlauf der Steinbeck. Bereits Jahre zuvor wurden hier nahe der aktuellen Befundkonzentration im Bereich des Ortes Hagen-Steinbeck mehrfach entsprechende Wegespuren im Boden beobachtet sowie tiefe Rinnsale in den Hängen der Steinbeck fotografisch dokumentiert. Insbesondere konnte eine Ansiedlung mit diversen archäologischen Befunden der jüngeren Bron- zezeit und beginnenden vorrömischen Eisenzeit (etwa 900-600 v. Chr.) dokumentiert werden. Die Grabungen erbrachten eine größere Anzahl von Befunden, darunter Gruben unterschiedlicher Größe und Funktion sowie mehrere Pfostensetzungen. Insgesamt ließen sich die archäologischen Befunde des Fundplatzes auf einer Länge von 130 m dokumentieren. Sowohl im Norden als auch im Süden sind jedoch weitere Befunde außerhalb des Trassenbereichs zu erwarten. Auffällig war die Mehrphasigkeit mancher Befunde, die sich durch unterschiedliche Schichtungen der Grubenverfüllung äußerte. In zwei Fällen konnte nach einer schmalen Brandschicht eine wei- tere Nutzung der Grube dokumentiert werden. Dies war beispielsweise bei einer 3,50 m breiten und bis zu 1,50 m tiefen Grube der Fall, die vermutlich ursprünglich als Wasserspeicher oder Brunnen diente. Insgesamt ließ sich von der geborgenen Fundkeramik eine erstaunlich große Formenvielfalt der Gefäße ableiten. Neben kleinen schalen- und kugelförmigen Gefäßfragmenten konnten zahlreiche mit unterschiedlichen Fingertupfen verzierte Randfragmente geborgen werden, die zu größeren, teils gerauhten Gefäßen gehörten. Zusätzlich gab es weitmündige, terrinenartige Fragmente mit abgesetztem Rand, Keramikfragmente von hohen, schlanken Gefäßen mit Bandhenkel und solche Gefäßteile, die mit einem randständigen Bandhenkel versehen waren. Aus einer runden Grube stammten Randfragmente eines hohen Vorratsgefäßes, das einen Durchmesser von 50 cm besaß, sowie ein 10 cm langer und bis zu 6 cm breiter Schleifstein aus Buntsandstein. Als Streufunde lagen wenige bearbeitete und mit Retusche versehene Flintgeräte vor.

2.5.4 Hagen, Fpl. 19 Siedlung, jüngere römische Kaiserzeit/Völkerwanderungszeit Am Rande des heutigen Hagens wurden vor einer Neubebauung für ein Wohngebiet Sonda- geschnitte angelegt. Die bei der Sondierung beobachteten Strukturen machten eine großflächige Ausgrabung auf einer Fläche von 10 000 m² notwendig. Die erhaltenen Befunde unterteilen sich in Hausstrukturen von Speicherbauten und Nebenge- bäuden sowie einem Werkareal mit 13 Grubenhäusern und diversen Gruben. In den Grubenhäu- sern fanden sich Spinnwirtel und Webgewichte, die die lokale Textilherstellung nahe legen. Von einem Schmiedeareal stammen größere Mengen unterschiedlicher Arten von Schlacken (Fließ- schlacke, verglaste Schlacke, Essestein und Hammerschlag). Diese sprechen für eine Weiterver- arbeitung des Roheisens in dieser dörflichen Ansiedlung. Ungewöhnlich für eine Siedlung sind, neben einer roten Perle, die geborgenen Glasfunde, die als römische Importe anzusprechen sind. Auffallend ist die dichte Befunderhaltung, während der Ausgrabung konnten große Mengen an Ke- ramik der jüngeren römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit geborgen werden. Grundsätzlich sind auf der Stader Geest nur wenige Siedlungen dieser Zeitstellung bekannt, so dass durch diese Grabung eine wichtige Forschungslücke geschlossen wird.

2.5.5 Stade, FStNr. 1052 Wallanlage, frühes Mittelalter Im Sommer 2010 wurden die archäologischen Untersuchungen an der frühmittelalterlichen Wall- anlage „Schwedenschanze“ fortgesetzt.

63 Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen die bereits 2008 und 2009 aufgedeckten Uferrand- befestigungen zwischen dem Wall und der Schwinge. Die Uferrandbefestigung ist aus senkrecht eingeschlagenen Kanthölzern konstruiert. Diese gut erhaltenen Eichenhölzer sind unten angespitzt, 0,50 bis 1,50 m lang und teilweise durch horizontal liegende Balken gesichert. Bei den Ausgrabungen zeigte sich, dass die Uferrandbefestigungen nur an bestimmten Bauab- schnitten der Burg und auf einer Länge von insgesamt 29,50 Metern angebracht waren. Bei den Grabungen 2010 konnte der Abschluss dieser Konstruktionen ermittelt werden. Den nördlichen Ab- schluss findet die Uferrandbefestigung durch eine Kastenkonstruktion, südlich enden diese Kon- struktionen durch einen horizontal liegenden, sekundär verbauten Balken mit Zapfenlöchern. Auch wenn bislang nur kleine Teile der Uferbereiche ausgegraben sind und einige Konstruktions- elemente hinsichtlich ihrer Funktion noch nicht sicher gedeutet werden können, weisen die doku- mentierten Befunde auf eine Nutzung als Hafenanlage hin. Bodenkundliche Untersuchungen zeigen, dass die Schwinge ursprünglich bis an die beschriebenen Konstruktionen heranreichte. In den nächsten Jahren wird die Umlandserkundung der Schweden- schanze im Fokus der Forschungen stehen.

2.5.6 Stade, FStNr.14 Burganlage, frühes Mittelalter Etwa einen halben Kilometer südlich der Schwedenschanze befindet sich auf einem plateauartigen Sporn an der Schwinge ein Areal, das nach der mündlichen Überlieferung als „Ohle Dörp“ bezeich- net wird. Dieses Plateau wird zu allen Seiten durch Wasserläufe oder Gräben abgegrenzt und weist daher eine geschützte Lage auf. Als auffallende topographische Besonderheit stößt nur in diesem Bereich die Schwinge direkt bis an die Geest. Von diesem Areal konnten in den vergangenen Jahren immer wieder frühmittelalterliche Scherben auf der Wiese aufgelesen werden. Im Frühjahr 2009 wurden geophysikalische Untersuchungen durchgeführt. Diese zeigen eine bislang unbekannte Befestigung mit einem völlig abgetragenen und obertägig nicht mehr erkennbaren Wall. Diese Befestigungsanlage weist Maße von 70 bis 90 m auf und liegt topographisch auf der höchsten Erhebung. Bei einer kleinflächigen Sondierung im Frühjahr 2010 konnten einige Befunde dokumentiert wer- den. So fanden sich ein Steinpflaster und Hinweise auf eine Wallkonstruktion aus Grassoden. Die unterschiedlichen Lagen von Grassoden weisen Analogien zur Wallkonstruktion der Schweden- schanze auf. In Verlängerung dieser Grassodenstrukturen wurde ein Grabenbefund aufgenommen. Dieser zeigte sich bereits auf den geophysikalischen Messungen und auch bei der terrestrischen Laserscan-Vermessung des Geländes durch die Hafen City Universität Hamburg, Bereich Geoma- tik (Prof. T. Kersten) im Frühjahr 2010. Dies erlaubt den Schluss, dass die Wallanlage zur Land- seite durch ein Grabensystem gesichert war. Die bei Ohle Dörp gefundene Keramik ist frühmittelalterlich, eine genauere Ansprache aber auf- grund der geringen Fundmenge und der unspezifischen Fundstücke nicht möglich. Sie scheint aber tendenziell etwas jünger zu sein als die Keramik der Schwedenschanze. In fast allen Befunden konnte Eisenschlacke geborgen werden, was auf eine handwerkliche Nutzung von Ohle Dörp hin- weist. Einen herausragenden Fund stellt das Fragment einer frühgeschichtlichen Mosaikperle mit Strahlenaugenverzierung dar. Die halbe Perle wurde in einer Grube auf der Innenfläche geborgen. Sie ist aus weißgrauem opakem Glas gefertigt und weist ein rotes Auge mit schwarzem umrahm- tem Strahlenkranz auf. Ihr Durchmesser beträgt 15 mm. Perlen mit einer vergleichbaren Ornamen- tik sind seit der jüngeren Römischen Kaiserzeit im Barbaricum geläufig und kommen bis in das 10. Jahrhundert vor, eine Datierung zwischen 750 und 850 n. Chr. ist anzunehmen. Ferner konnte ein bronzener Schwertknauf des hohen Mittelalters als Lesefund geborgen werden. Dieser Fund deutet ein mögliches Bestehen der Burganlage im Spätmittelalter an. Ob die Anlage von Ohle Dörp

64 während dieser Periode Sitz eines Ministerialen oder Adligen war, kann ohne weitere Forschung nicht nachgewiesen werden. Wann die Burganlage Ohle Dörp errichtet worden ist, kann derzeit noch nicht eindeutig gesagt wer- den. Durch die Keramikfunde und das Perlenfragment kann eine erste Phase im Frühmittelalter herausgearbeitet werden. Von einer weiteren Nutzungsperiode ist im 13./14. Jh. auszugehen, wann genau die Befestigung aufgegeben wurde, ist noch nicht erforscht. (Berichte: A. Schäfer, Stade)

2.6 Freie und Hansestadt Hamburg Größere Fundbergungen und Ausgrabungen 2.6.1 Hamburg-Altstadt, Fundplatz 35 Wallgrabenbefestigung und Stadtkern, Frühmittelalter und Neuzeit Die Umgestaltung des Straßenzuges Schmiedestraße/Alter Fischmarkt/Brandstwiete zu einer att- raktiven in die Hafencity führenden Flaniermeile löste eine baubegleitende Untersuchung im West- flankenbereich der Wallgrabenbefestigung auf dem Domplatz aus. In der für Bäume ausgehobenen Pflanzgrube konnten, stark gestört durch moderne Leitungstrassen, verschiedene archäologische Baubefunde dokumentiert werden. Hierzu zählt der im Ostprofil auf einer Länge von gut 7 m er- fasste Wallkörper der im ausgehenden 9./frühen 10. Jahrhundert auf dem Domplatz errichteten Befestigung. Am Südende der Pflanzgrube waren Ziegelmauern von Kellern erhalten, die zu einer Häuserzeile gehören, die nach alten Plänen den bogenförmigen Verlauf des frühmittelalterlichen Walles aufnimmt. An der Ziegelmauer eines angeschnittenen Hauses fand sich im Keller über- raschend ein, in den Boden eingelassenes steinernes Becken, das als Hauskumm und somit Was- serreservoir diente. Der Randbereich des Beckens war im Aufgehenden mit kleinformatigen gelben Ziegeln aufgemauert. Die Wasserzufuhr erfolgte straßenseitig über eine steinerne, mit Sandstein- platten abgedeckte Rinne. Im Beckenboden befand sich ein ovales Loch, das in eine weitere, als Abfluss dienende Steinrinne mündete. Nach den archäologischen Funden ist eine Anfangsda- tierung des Steinbeckens in das 17. Jahrhundert wahrscheinlich.

2.6.2 Hamburg-Altstadt, Fundplatz 155 Stadtkern, Spätmittelalter bis Neuzeit Durch das geplante Neubauvorhaben „Katharinenquartier“ in der Hamburger Altstadt ergab sich die Notwendigkeit einer Ausgrabung, die von April bis August 2010 durchgeführt wurde. Das unter- suchte Gebiet liegt unmittelbar nördlich der St. Katharinenkirche auf der ehemaligen Marscheninsel Grimm, die im 13. Jh. als eines der großen Stadterweiterungsgebiete der Hansestadt planmäßig eingedeicht, aufgehöht und besiedelt wurde. Da die Lage des Deiches im Verlauf der heutigen Straße Grimm überliefert ist, wurde die Grabungsfläche direkt angrenzend an diese angelegt, um die früheste, binnendeichs entstandene Bebauung erfassen zu können. Von der mittelalterlichen Bebauung konnten Holzbefunde erfasst werden, die zu einem Ständerbau mit Stabbohlenwand ge- hörten. Gemäß Dendrodaten von tragenden Pfosten entstand dieses Gebäude um 1286 und stammt somit aus der Zeit der Stadterweiterung. Innerhalb des Hauses befanden sich mehrere auf- einanderfolgende Lehmfußböden, die vermutlich aufgrund des feuchten Baugrundes immer wieder erneuert werden mussten. Auch die an mehreren Stellen der Grabungsfläche beobachteten Auffüll- schichten mit Mist und Holzresten dokumentieren die Bemühungen, den Marschboden zu stabili- sieren und besiedelbar zu machen. Eine gut erhaltene Kloake aus ineinander verschachtelten Eichenholzbohlen fand sich in einem Hinterhofbereich. Die quadratische Kloake mit einer Seiten- länge von 1,25 m wies eine eindeutig fäkalische Verfüllung auf und ist daher mit Sicherheit nicht als Brunnen zu deuten. Die Funde innerhalb der Verfüllung datieren die Kloake in das 13./14. Jh. Das mittelalterliche keramische Fundmaterial enthielt insgesamt für Hamburger Verhältnisse außer- gewöhnlich große Mengen an importiertem Siegburger Steinzeug. Fragmente von Gefäßen der

65 hochverzierten glasierten Irdenware belegen das Vorhandensein von Handelskontakten nach Flan- dern und Nordfrankreich. Von der neuzeitlichen Bebauung konnten Backsteinmauern und Feldstein- sowie Ziegelboden- pflaster aufgedeckt werden, die mehrere Bauphasen erkennen lassen. Offenbar wurden die Par- zellengrenzen über mehrere Jahrhunderte hinweg beibehalten und ein neuer Bau auf den Grundmauern des Vorgängers errichtet. Zu einem repräsentativen Hamburger Dielenhaus des 18./19. Jhs. gehörte ein komplett mit Feldsteinpflaster ausgelegter Keller mit den Fundamenten der Stützpfeiler für das Erdgeschoss.

2.6.3 Hamburg-Harburg, Fundplatz 176 Zitadelle, Neuzeit Wegen der geplanten Neubebauung wurde im Mai und Juni auf der Harburger Schlossinsel eine baubegleitende archäologische Ausgrabung durchgeführt. Dabei konnten die Aushubarbeiten für die Tiefgarage auf dem ersten, 10 000 m2 großen Baufeld überwacht werden. Das unmittelbar nördlich des als Bodendenkmal eingetragenen Schlosskernbereiches der 1133 bis 1137 urkundlich ersterwähnten Harburger Burganlage gelegene Baufeld ermöglichte erstmals umfassendere Unter- suchungen der noch im Boden befindlichen Relikte der Befestigungsanlage. Die ab 1527 zur drei- flügeligen Schlossanlage ausgebaute, von einem Wassergraben umschlossene Turmburg wurde in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges zu einer fünfeckigen Zitadelle nach niederländischer Manier umgebaut. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit war mit einer sehr guten Erhaltung hölzerner Konstruktionselemente sowie organischen Fundmaterials zu rechnen. Die Baustelle umfasste dabei die Fläche der ehemaligen Bastion Johann Friederich sowie Bereiche der Festung mit Magazin- und Kasernengebäuden und Bereiche des Festungsgrabens. Als problematisch erwies sich bei der Untersuchung der historischen Baubefunde die Nutzung des Areals ab Ende des 19. Jahrhunderts für industrielle Zwecke nach der Endfestigung der Zitadelle. Neben einem Petroleum-Handel und einem Asphalt-Werk befand sich im 20. Jahrhundert unter anderem auch eine Ölmühle auf dem zu untersuchenden Areal. Diese Nutzung hatte eine massive Verunreinigung des Erdreiches mit Ölen zur Folge. Mehrere Flächen waren hierdurch so stark belastet, dass eine archäologische Doku- mentation der Baubefunde nur eingeschränkt möglich war. Hinzu kamen massive Zerstörungen durch Bombentreffer im 2. Weltkrieg, die besonders die zum Überwinterungshafen gelegene Kai- anlage und die hier befindliche Bebauung in Mitleidenschaft gezogen hatten. Die Folgen eines Bombenvolltreffers auf die Kaianlage waren bis 2010 noch nicht beseitigt worden. Trotz dieser sehr ungünstigen Voraussetzungen für eine archäologische Untersuchung ergaben sich weit reichende Erkenntnisse über die Konstruktionsweise der Festungsanlage. Im Vorfeld der Untersuchung war im Hinblick auf Vergleichsbeispiele bei Konstruktionen solcher Festungsanlagen mit einer massiven Pfahlgründung unter den Festungswällen gerechnet worden, die insbesondere die Verkleidung der Wallaußenseiten mit Steinen im weichen Boden fundamentieren sollten. Er- staunlicherweise ist eine solche Pfahlgründung bei der Harburger Zitadelle jedoch nicht vorhanden gewesen, obwohl die Erhaltung der dokumentierten archäologischen Hölzer sehr gut war. Außer- dem konnte der Kernbereich eines Wallabschnittes aus einem Klei-Torf-Gemisch dokumentiert werden. Im Innenbereich der Bastion wurden in einem nicht zu erwartenden Umfang Fundamente von Stall- und Magazingebäuden dokumentiert, die aus massiven pfahlgegründeten Findlings- fundamenten, aufgehendem Ziegelmauerwerk und Ziegelpflastern in verschiedenen Ziegelformaten bestanden. Auffallend war bei der Konstruktion der Bebauung der hohe Anteil wieder verwendeter Hölzer. Durch die dendrochronologische Untersuchung der entnommenen Holzproben ergab sich als ältestes Fälldatum ein Zeitraum um oder nach 1607. Weitere Holzkonstruktionen datieren in die Jahre um 1668, 1744/1745 und um 1764. Aber auch der industriellen Nutzung konnten Holzkon- struktionen aus den Jahren um 1884 und 1928 zugeordnet werden. Das insbesondere aus einer größeren Abfallgrube und aus einer aus Mist bestehenden Planierschicht geborgene Fundmaterial aus Keramik, Leder, Tonpfeifen, sowie Holz- und Metallobjekten lässt sich in das 17. Jahrhundert einordnen und gewährt einen Einblick in das Alltagsleben der Harburger Zitadelle. Vor dem Hinter-

66 grund der durch die archäologische Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse zeigt sich wiederum die Notwendigkeit archäologischer Untersuchungen auch für Zeiträume, die vermeintlich durch ur- kundliche Belege hinreichend dokumentiert sind. Oftmals zeigt sich im archäologischen Befund ein hiervon deutlich abweichendes oder schlicht nicht dargelegtes Bild der tatsächlichen historischen Realitäten.

2.6.4 Hamburg-Volksdorf, Fundplatz 45 Wohnstallhaus, Spätmittelalter bis Neuzeit Der Rückbau des so genannten Spiekerhuses im Museumsdorf Volksdorf führte zu einer mehr- wöchigen baubegleitenden Untersuchung, die zeitweise unter der örtlichen Grabungsleitung von Dr. Nils Kagel, Freilichtmuseum am Kiekeberg, stand. Trotz der bereits 1965 durchgeführten Umbau- maßnahmen zur Seniorentagesstätte, konnten noch zahlreiche archäologische Baubefunde der Vorgängerbebauung dokumentiert werden. Hierzu zählen zahlreiche Pfostengruben, z. T. mit den Resten der Pfosten, verschiedenartige Gruben, Reste von Stampflehmestrichen, Fußbodenreste in Form von Ziegel- und Feldsteinpflasterungen sowie Reste einer offenen Feuerstelle im Flettbereich. Zum keramischen Fundgut zählen neben einer größeren Anzahl spätmittelalterlicher Kugeltopf- scherben auch einige wenige Fragmente neolithischer Keramik. (Berichte: 2.6.1, 2.6.4: Dr. E. Först, 2.6.2: K. Christeleit, M. A., 2.6.3: W. Scherf, M. A.)

2.6.5 Veröffentlichungen: Eckert, M., 2010: Kerzen für Hamburg. Archäologie in Deutschland, H. 4, 42-43. Först, E., 2010: Reich an Brunnen. Archäologie in Deutschland, H. 1, 46. Först, E., 2010: Die Ergebnisse der Grabung Harburger Schloßstraße 1 und 3 (Easynet-Gelände). Hammaburg NF 15, 1-67. Först, E., 2010: Befestigungen des Mittelalters und der Neuzeit in der Hamburger Innenstadt. In: M. Gläser (Hrsg.), Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum VII: Die Befestigungen, 255-272. Lübeck. Scherf, W., 2010: Zitadelle in Öl eingelegt. Archäologie in Deutschland, H. 6, 48-49.

2.7 Siedlungsarchäologische Forschungsprogramme des NIhK, Wilhelmshaven 2.7.1 Die Keramikfunde von Flögeln-Eekhöltjen und Loxstedt-Littstücke, Ldkr. Cuxhaven Die Untersuchung der Keramikfunde von den beiden großflächig ausgegrabenen kaiser- und völ- kerwanderungszeitlichen bzw. frühmittelalterlichen Siedlungen Flögeln-Eekhöltjen und Loxstedt- Littstücke, beide Ldkr. Cuxhaven, wurde im Berichtszeitraum fortgesetzt. Es konnte die Material- aufnahme komplett abgeschlossen werden und auch die typologische Gliederung des Materials sowie die technologische Analyse von repräsentativ ausgewählten Proben liegen bereits vor. Außerdem ist die stratigraphische und horizontalstratigraphische Auswertung der Funde bereits erfolgt. Die Erstellung des Manuskripts, der Textabbildungen und Tafeln findet gegenwärtig statt, so dass mit dem Abschluss des Projekts und mit der Vorlage der Ergebnisse durch den im Rahmen des Projektes beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter, D. Nösler, M. A., im Verlauf des Jahres 2011 zu rechnen ist. Sie bilden die Basis für die in Arbeit befindliche Dissertation D. Nöslers; er be- absichtigt diese Arbeit im WS 2011/2012 an der Universität Hamburg vorzulegen. Das Promotions- vorhaben wurde bis Mitte 2009 vom MWK mit Mitteln aus dem Forschungs- und Berufungspool (Kap. 06 08 TG 74) gefördert. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, D. Nösler, M. A., Wilhelmshaven)

2.7.2 Zur Bebauungsstruktur der eisenzeitlichen Siedlungen von Loxstedt und Flögeln, Ldkr. Cuxhaven Die detaillierte Analyse der Bebauungsspuren der großflächig untersuchten kaiser- und völkerwan- derungszeitlichen bzw. frühmittelalterlichen Siedlungen Flögeln-Eekhöltjen und Loxstedt-Littstücke,

67 beide Ldkr. Cuxhaven, konnte 2010 fortgesetzt und intensiviert werden. Die Befundkatalogisierung, die Erfassung der stratigraphisch auswertbaren Überschneidungen sowie deren wissenschaftliche Auswertung standen dabei im Mittelpunkt der Arbeiten. Dabei konnte vor allem im Bereich der kai- serzeitlichen Siedlungsspuren von Flögeln das von Dr. Mads Kähler Holst an der Universität Aarhus entwickelte Programm Tempo gewinnbringend eingesetzt werden, das es ermöglicht, aus den Überschneidungen der Befunde Informationen über ihr zeitliches Verhältnis zu errechnen. Die Un- tersuchung der stratigraphischen Daten vom Fundplatz Loxstedt findet gegenwärtig statt. Das Vor- haben wird vom Land Niedersachsen im Rahmen des Pro*Niedersachsen-Programms gefördert und wird voraussichtlich 2011 abgeschlossen werden können. Der im Rahmen des Projekts be- schäftigte Mitarbeiter, D. Dübner, M. A., beabsichtigt, die Ergebnisse seiner Untersuchungen als Dissertation an der Universität Halle/Saale vorzulegen. (Bericht: D. Dübner, M. A., Prof. Dr. H. Jöns, Wilhelmshaven)

2.7.3 Die Knochen- und Geweihverarbeitung auf der Feddersen Wierde, Ldkr. Cuxhaven Die Arbeiten im Rahmen des Projektes wurden wie geplant von K. Struckmeyer, M. A., fortgeführt. Die Materialaufnahme ist genauso abgeschlossen wie die vergleichende Analyse der experimentell hergestellten und verwendeten Geräte. Gegenwärtig ist Frau Struckmeyer dabei, die Endfassung ihrer Dissertation zu erstellen, die sie beabsichtigt, im WS 2010/2011 an der Universität Hamburg vorzulegen. Da die Finanzierung des Projekts durch das MWK nach nur zwei Jahren ausgelaufen war, ist es besonders erfreulich, dass es gelang, für den Abschluss des Projekts zusätzliche Mittel von der Gerd Möller-Stiftung, Wilhelmshaven, einzuwerben und dass die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts Clustermittel für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. Es ist vorgesehen, dass die Dissertation von Frau Struckmeyer 2011 vom NIhK monographisch als Band 2 der Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte herausgegeben wird. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, K. Struckmeyer, M. A., Wilhelmshaven)

2.7.4 Der eisenzeitliche Zentralplatz von Sievern, Ldkr. Cuxhaven – Prospektion und Sondagen Die Arbeiten des von der DFG geförderten Projekts sind wie geplant fortgesetzt worden. In den Wintermonaten 2009/2010 haben abschließende geophysikalische Prospektionen durch das Institut für Geowissenschaften der Universität Kiel stattgefunden, denen im März 2010 erneut archäologi- sche Sondagen folgten. Diese konzentrierten sich auf einen nördlich des Sievener Bachs am Geestrand bei Sachsendingen gelegenen Siedlungsplatz der älteren Römischen Kaiserzeit und hatten das Ziel, Informationen über die ursprüngliche Ausdehnung, Funktion und Nutzungszeit der Siedlung zu gewinnen. Mit diesen Untersuchungen sind die Geländearbeiten des DFG-Projektes abgeschlossen, so dass die wissenschaftliche Mitarbeiterin, I. Aufderhaar, M. A., ihre ganze Energie in die Auswertung der Prospektionen und Grabungen stecken kann. Die Finanzierung des Projekts ist Ende 2010 ausge- laufen; seine Ergebnisse bilden die Grundlage für die in Arbeit befindliche Dissertation von I. Aufderhaar, deren Vorlage für das Wintersemester 2011/2012 geplant ist. Parallel zu den archäologischen Arbeiten im Raum Sievern finden seit Februar 2010 auch geowis- senschaftliche Untersuchungen zur Rekonstruktion der Paläolandschaft im Raum Sievern statt. Sie haben vor allem das Ziel, neue Informationen über die topografisch landschaftlichen Rahmen- bedingungen zu gewinnen, die das Untersuchungsgebiet während der 1. Hälfte des 1. Jt. n. Chr. prägten. Diese Forschungen werden vom MWK im Rahmen des Pro*Niedersachsen-Programms gefördert (vgl. Beitrag Naturwissenschaften). (Bericht: I. Aufderhaar, M. A., Prof. Dr. H. Jöns, Wilhelmshaven)

68 2.7.5 Veröffentlichungen aus dem NIhK: Jöns, H., 2010: Case study 1: the Elbe-Weser region in northern Germany (the regions of Sievern and Stade in the first millennium AD). In: B. Ludowici, H. Jöns, S. Kleingärtner, J. Scheschkewitz u. M. Hardt (Hrsg.), Trade and Communication Networks of the First Millennium AD in the northern part of Central Europe: Central Places, Beach Markets, Landing Places and Trading Centres. Neue Studien zur Sachsenforschung 1, 69-89. Stuttgart. Nösler, D., u. Stilborg, O., 2010: Shape and Ware. Notes on a progressing study of Iron Age and Early Medieval pot- tery from Flögeln-Eekhöltjen and Loxstedt-Littstücke in the Elbe-Weser-Triangle. In: B. Ramminger u. O. Stilborg (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Analysen vor- und frühgeschichtlicher Keramik I. Methoden, Anwendungsberei- che, Auswertungsmöglichkeiten. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 176, 101-115. Bonn. Schmid, P., 2010: Der „Herrenhof“ der Feddersen Wierde. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseege- biet 33, 21-34.

3 Überregionale Forschungen 3.1 Lederfunde der Vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit in Nordwestdeutschland Die im Rahmen des Projekts beschäftigte Doktorandin Dipl.-Prähist. J. Gräf hat die wissenschaft- liche Aufnahme und Dokumentation aller verfügbaren Lederfunde der vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit aus dem Bereich der niedersächsischen Wurtensiedlungen sowie den an- grenzenden Gebieten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins abgeschlossen. Gegenwärtig ist sie mit der wissenschaftlichen Auswertung dieser Daten befasst. Die 14C-Datierungen liegen in- zwischen vollständig vor und ermöglichen eine genaue chronologische Einordnung der Schuhe und Fellumhänge. Auch die Strontiumisotopenanalysen an Lederfunden, Bodenproben und Tier- knochenfunden von der Feddersen Wierde und aus dem Raum Sievern sind abgeschlossen. Sie wurden in der Staatssammlung für Anthropologie und Palaeoanatomie der Universität München vorgenommen. Mit ihrer Hilfe kann geklärt werden, ob das auf der Feddersen Wierde genutzte Zie- genleder von vor Ort gehaltenen Tieren stammt oder als Rohstoff bzw. Halbfabrikat in die Dorfwurt gekommen ist. Die Ergebnisse der Haustier- und Wildsäugerknochen zeigen, dass klar zwischen dem Strontiumisotopensignal der Marsch und der Geest unterschieden werden kann. Die Boden- proben können jedoch nicht als Vergleich herangezogen werden, da bei ihnen eine starke Konta- mination zu erkennen ist. Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt durch das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Pro*Niedersachsen-Programms und ist bis Juli 2011 gesichert; es ist davon auszugehen, dass Frau Gräf ihre Dissertation wie geplant im Ver- lauf des SS 2011 an der Universität Kiel vorlegen wird. (Bericht: Dipl.-Prähist. J. Gräf, Kiel, Prof. Dr. H. Jöns, Wilhelmshaven)

3.2 Voraussetzungen, Struktur und Folgen von Siedlung und Landnutzung zur Zeit der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur in Nordwestdeutschland Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung – Zur Entstehung und Entwicklung neolithischer Großbauten und erster komplexer Gesellschaften im nördlichen Mitteleuropa“ führt das NIhK seit Sommer 2009 archäologische und vegetations- geschichtliche Untersuchungen in fünf Untersuchungsgebieten Nordwestdeutschlands durch (Hümmling/Emsland, Wildeshauser Geest, Raum um Lavenstedt bei Rotenburg (Wümme) sowie im Bereich der Geestinseln Flögeln und Wanna, Ldkr. Cuxhaven). Wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts sind D. Nösler, M. A., (Teilprojekt Archäologie) und Dr. A. Kramer (Teilprojekt Vegetations- geschichte). Im Berichtszeitraum 2010 wurden vor allem Untersuchungen im Bereich von trichter- becherzeitlichen Siedlungsplätzen im Nahbereich von Großsteingräbern oder von potentiellen Erd- werken durchgeführt. Ziel dieser Forschungen war es, den jeweiligen Erhaltungszustand möglicher Befunde zu klären und damit Ansatzpunkte für großflächige Untersuchungen an Siedlungen oder Erdwerken der TBK zu gewinnen.

69 Einen Schwerpunkt bildete der Fundplatz 5 von in der Untersuchungsregion Hümm- ling/Emsland. Auf einem Luftbild war hier eine kreisförmige Struktur zu erkennen, die als Indiz für ein neolithisches Erdwerk zu werten war. Um nähere Informationen über die die Bewuchsano- malien verursachenden Strukturen zu erhalten, wurde der Fundplatz durch die Firma easternatlas im Februar 2010 geophysikalisch prospektiert. Nachdem dabei keine eindeutigen Hinweise auf ar- chäologisch relevante Strukturen sichtbar geworden waren, fand im März 2010 eine umfangreiche Sondage statt. Dabei konnte festgestellt werden, dass der Luftbildbefund durch eine subrezente oganogene Auftragsschicht verursacht wurde; ein Erdwerk hat dort nicht bestanden. Wesentlich erfolgreicher verliefen die Untersuchungen an der trichterbecherzeitlichen Siedlung von Lavenstedt, Ldkr. Rotenburg (Wümme). Dort wurden im August/September 2010 umfangreiche Sondagen durchgeführt, die mit einer Lehrgrabung der Universität Rostock verknüpft waren. Sie hatten einerseits das Ziel, die Ausdehnung der Siedlung und andererseits die Befunderhaltung auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen zu dokumentieren. Zuvor waren bereits mehr als 9 ha des Siedlungsumfeldes mit dem 16-Sonden-Messwagen der Römisch-Germanischen Kommission geomagnetisch prospektiert worden. Dabei wurden nicht nur Strukturen erkannt, die auf archäolo- gische Befunde hindeuten, sondern es wurden auch drei Anomalien identifiziert, die als Altarme der Oste interpretiert werden können. Bei den ca. 640 m2 umfassenden Grabungen wurde festgestellt, dass unter einer bis zu 35 cm star- ken fundreichen Kulturschicht sehr gut erhaltene Siedlungsgruben und einzelne Steinpflaster sowie in Reihen angeordnete Pfostengruben auf dem Fundplatz erhalten sind, so dass anzunehmen ist, dass bei größerflächigen Ausgrabungen die Möglichkeit zur Rekonstruktion von Gebäuden besteht. Da bislang nur wenige rekonstruierbare Häuser der Trichterbecherkultur aus Nordwestdeutschland bekannt sind, kommt diesem Platz eine besondere Bedeutung für die Erforschung der neolithischen Hausbautradition zu, zumal bei den bisherigen Sondagen sowohl Überreste eines Wandgrabens und als auch von Pfostenbauten dokumentiert wurden. Unter dem Fundmaterial befindet sich sehr viel Keramik, darunter Fragmente von Trichterbechern, Backtellern und weiterer verzierter Ware der Trichterbecherkultur. Das geborgene lithische Material übersteigt eine Masse von mehr als 100 kg und umfasst ein Flintbeil, über 100 Schaber, Klingen, Pfeilspitzen, Abschläge von geschliffenen Beilen sowie Schleif-, Klopf- und Kernsteine. Die Vielzahl der geborgenen Mahl- und Läufersteine lässt einen intensiven Getreideanbau vermuten, der sich möglicherweise in den Ergebnissen der Pollenanalysen widerspiegeln wird. Vor allem die Auswer- tung der bei den Grabungen geborgenen botanischen Makroreste im Rahmen des an der Univer- sität Kiel angesiedelten Projekts „Differenzierung von Landwirtschaft und Umwelt“ wird vor-aus- sichtlich weitere Einblicke in die Wirtschaftsweise der neolithischen Bevölkerung geben können. Die westliche und südliche Begrenzung des Siedlungsareals konnte durch die Suchschnitte ermittelt werden. Diese Erkenntnisse und die Ergebnisse der geomagnetischen Messungen deuten auf eine Größe des Platzes von 2-3 ha hin. Weitere Sondagen fanden auf Fundplatz 114 von Sievern, Ldkr. Cuxhaven statt, in dessen Nähe sich nicht nur mehrere Megalithgräber befinden, sondern auch bereits palynologische Unter- suchungen durchgeführt worden sind. Deshalb wurden auch auf diesem Fundplatz sowohl geo- magnetische Prospektionsarbeiten als auch Sondagen durchgeführt. Für die geomagnetischen Prospektionen wurde auch hier der Sondenarray der RGK eingesetzt. Auf dem Meßbild sind meh- rere Doppelanomalien zu erkennen, die in einer geschwungenen Reihe angeordnet waren. Bei den Sondagen zeigte es sich, dass es sich bei einer dieser Anomalien um eine Feuerstelle handelt. Weiterhin wurde bei der Grabung eine Vielzahl von anderen Siedlungsbefunden der Trichter- becherkultur angetroffen, die teilweise noch beachtliche Tiefen aufwiesen. Diese Objekte befanden sich in und unterhalb eines verbraunten Horizontes, der ebenfalls Material der Trichterbecherkultur enthielt. Das Fundspektrum umfasst u. a. zwei Flintbeile, eine Vielzahl von Geräten wie beispiels- weise Schaber, Querschneider und Bohrer sowie verzierte Keramik. Die bereits erwähnte 14C- Probe ergab mit einem Alter um 3900 v. Chr. eine Datierung in die beginnende Trichterbecherkultur und berührt damit auch die Frage nach der Neolithisierung dieses Raumes.

70 Im Rahmen von Begehungen und Sondagen konnte festgestellt werden, dass das Siedlungsareal eine Ausdehnung von mindestens 2 ha besaß. Ein Antrag auf Fortsetzung der Förderung des Projekts wurde fristgerecht zum 30.10.2010 bei der DFG gestellt und im Frühjahr 2011 auch zur Förderung angenommen. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, D. Nösler, M. A., Wilhelmshaven)

3.3 Tradition, Technologie und Kommunikationsstrukturen des Töpferhandwerks der Trichterbecherkultur Im Berichtsjahr 2010 hat Daniel Nösler, M. A., zur Vorbereitung eines Projektsantrags innerhalb des DFG-Schwerpunktprogramms „Monumentalität und soziale Differenzierung – Zur Entstehung und Entwicklung neolithischer Großbauten und erster komplexer Gesellschaften im nördlichen Mittel- europa“ eine Pilotstudie zur Erforschung der Keramiktechnologie der Trichterbecherkultur (TBK) durchgeführt. Ziel der Studie war es, kulturelle Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Siedlungsgebieten der TBK erkennbar zu machen. Dazu wurden Proben von zahlreichen Fundplät- zen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und den Niederlanden archäometrischen Untersuchungen unterzogen, die sich methodisch an die For- schungen im Centre for Ceramic Research der Universität Lund orientieren. Durch die Analyse konnte herausgearbeitet werden, dass regional deutliche Unterschiede in der Keramiktechnologie vorhanden waren. Dieses Ergebnis kann als Indiz dafür gewertet werden, dass innerhalb der TBK verschiedene Töpfertraditionen bestanden haben. Um die Studie ausweiten und intensivieren zu können, wurde im Herbst 2010 ein Antrag auf Förderung des Projekts bei der DFG gestellt. Dieser wurde zwischenzeitlich bewilligt. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, D. Nösler, M. A., Wilhelmshaven)

3.4 Erstellung von Landschaftsmodellen zum Nordseeküstenraum aus Altdaten der Landesvermessung („Kotenpausen-Projekt“) Bereits seit den 1990er-Jahren sind am NIhK für bestimmte Untersuchungsräume Kotenpausen für einzelne Ausschnitte des niedersächsischen Küstengebietes digital erfasst worden, um aus den Daten mit Hilfe spezieller Software digitale Geländemodelle zu erstellen. Da die Kotenpausen von der Landesvermessung größtenteils bereits in den 1960er-Jahren aufgenommen worden sind, ist in ihnen noch der Zustand der Landschaft vor den umfangreichen Flurbereinigungsverfahren doku- mentiert worden, so dass aus den Messdaten das historische Geländerelief sehr viel detaillierter zu rekonstruieren ist als aus den heutigen, auf aktuellen Luftbildauswertungen oder Laserscandaten basierenden digitalen Geländemodellen. Da die Landesvermessung selbst keinen Gebrauch mehr von diesen Daten macht und auch kein wissenschaftliches Interesse an diesen Daten hat, hat das NIhK die Initiative ergriffen, die vorhan- denen Kotenpausen nun systematisch zu digitalisieren und damit für die Erforschung der Kultur- landschaft nutzbar zu machen. Es gelang, das Job-Center Wilhelmshaven davon zu überzeugen, dieses Vorhaben im Rahmen der Hartz IV-Gesetze zu fördern, so dass seit dem Frühjahr 2009 ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsent- schädigung für die Digitalisierung der Kotenpausendaten zur Verfügung steht. Bislang konnten im Rahmen des Projekts 87 Blätter der Deutschen Grundkarte 1:5000 (DGK 5) erschlossen werden. (Bericht: Prof. Dr. H. Jöns, Dr. J. Ey, Wilhelmshaven)

71 3.5 Struktur und Funktion von Landeplätzen und Ufermärkten des 1. Jt. n. Chr. in den Siedlungsräumen an der unteren Weser und der unteren Ems Mit dem Beginn des Jahres 2010 wurden die Arbeiten im Rahmen des sogenannten „Landeplatz- Projektes“ aufgenommen, nachdem die DFG das auf drei Jahre angelegte Vorhaben im November 2009 zur Förderung angenommen hatte. Ziel des Vorhabens ist es, das ökonomische und soziale System, über das landwirtschaftliche Siedlungen, Handwerker- und Landeplätze, Ufermärkte sowie zentrale Orte während des 1. Jahrtausends miteinander verbunden waren, für die unteren Ab- schnitte und Mündungsbereiche von Weser und Ems zu rekonstruieren. Damit kann das Vorhaben voraussichtlich auch wesentlich zur Interpretation der „Stapelplätze“ oder „Marktplätze“ von Elsfleth (s. B 1.1.2) und Bentumersiel (s. B 1.1.3) beitragen. Im Rahmen des Projekts ist Dr. Annette Siegmüller als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt, die sich bereits im Rahmen ihrer Dissertation über die Wurt Hessens detailliert mit Fragen des Landschaftswandels und der Rekonstruktion von Wasserwegen beschäftigt hat. Auch ihre fundier- ten Kenntnisse der Geologie und der Bodenkunde des nordwestdeutschen Küstengebiets bilden dabei wichtige Eckpfeiler des Landeplatzprojektes. Während des Berichtsjahres 2010 konzentrierten sich die Arbeiten auf das Wesergebiet, wo ein eh- renamtlich arbeitender Beauftragter des Landesamtes für Denkmalpflege mit Hilfe eines Metall- detektors umfangreiche Prospektionsarbeiten vornimmt. Bei zusätzlich durchgeführten großflächigen geomagnetischen Messungen mit dem Sondenarray der RGK ist es außerdem be- reits gelungen, zahlreiche, heute vollständig zugeschüttete und oft auch im Geländerelief nicht mehr erkennbare Wasserläufe zu lokalisieren und zu kartieren und damit Hinweise auf ehemalige Verkehrswege zu gewinnen. Darüber hinaus erbrachte die Auswertung historischer Karten Hin- weise auf ursprünglich vorhandene Flussquerungen, so dass vielerorts Teile der vorneuzeitlichen Infrastruktur erkennbar werden. Ein Glücksfall war es, dass im Frühjahr 2010 in Berne-Schlüte Baumaßnahmen durchgeführt wur- den, bei denen auch das NLD, Stützpunkt Oldenburg, eine ufernahe Siedlung der Römischen Kai- serzeit und des hohen Mittelalters partiell untersuchen und dokumentieren konnte. Dabei wurden wichtige Einblicke in die Schichtenfolge und in die im Untersuchungsgebiet zu erwartende Boden- entwicklung sowie in die Struktur einer spezialisierten, ufernahen Siedlung gewonnen. (Bericht: Dr. A. Siegmüller, Prof. Dr. H. Jöns, Wilhelmshaven)

3.6 Veröffentlichungen aus dem NIhK: Aufderhaar, I., 2010: From the goldsmith’s point of view: gilding on metals during the first millennium AD – techniques and their development in the Germanic area. Proceedings of the AURUM workshop on authentication an analysis of gold work. Paris, 11.-13. Mai 2009. ArchaeoSciences 33, 2009, 243-254. Bittmann, F., & Ey, J., 2010: The Wurt Sillens – settlement, dike-construction and archaeobotany. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany. 31.5.-5.6.2010. Niedersächsisches Institut für his- torische Küstenforschung, Wilhelmshaven, 29-36. Brorsson, T., & Jöns, H., 2010: Analyses of the ceramic material from the emporium reric near Groß Strömkendorf, Mecklenburg. In: B. Ramminger & O. Stilborg (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Analysen vor- und frühgeschicht- licher Keramik I. Methoden, Anwendungsbereiche, Auswertungsmöglichkeiten. Universitätsforschungen zur Prä- historischen Archäologie 176, 75-86. Bonn. Ey, J., 2010: Früher Deichbau an der Küste Niedersachsens – Rückblick auf die Forschungsarbeit von Waldemar Reinhardt. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 23-28. Ey, J., 2010: Initiation of dike-construction in the German clay district. In: H. Marencic, K. Eskildsen, H. Farke & S. Hedtkamp (eds.), Proceedings of the 12th International Scientific Wadden Sea Symposium "Science for Nature Conservation and Management", Wilhelmshaven, 30 March - 3 April 2009. Wadden Sea Ecosystem No. 26. Common Wadden Sea Secretariat, Wilhelmshaven, Germany, 129-133. [nur online als pdf-Datei: http://www.waddensea-secretariat.org/news/symposia/ISWSS-2009.html].

72 Ey, J., 2010: Butjadingen: Hochmittelalterlicher Landesausbau und früher Deichbau. In: A. Eckhardt (Hrsg.), Olden- burgisches Ortslexikon. Archäologie, Geografie und Geschichte des Oldenburger Landes, Bd. 1, 155-156, Olden- burg. Jöns, H., 2010: Eisen und Macht – Gesellschaftliche Strukturen der Eisenökonomie von der Eisenzeit bis zur Völker- wanderungszeit im Raum zwischen Mittelgebirge und Ostsee. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 33, 107-118. Jöns, H., Lübke, H., Lüth, F., & Terberger, T., 2010: Prehistoric settlements and development of the regional economic area. Archaeological investigations along the Northeast-German Baltic Sea coast. Bericht der Römisch-Germani- schen Kommission 88, 2007 (2009), 149-188. Nösler, D., 2010: Bericht zur Tagung "Naturwissenschaftliche Analysen vor- und frühgeschichtlicher Keramik: Metho- den, Anwendungsbereiche, Auswertungsmöglichkeiten" Archäologischer Workshop für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Archäologischen Instituts der Universität Hamburg am 9. Februar 2008 in Ham- burg. Archäologisches Nachrichtenblatt 15, 51-54. Nösler, D., u. Stilborg, O., 2010: Shape and Ware. Notes on a progressing study of Iron Age and Early Medieval pot- tery from Flögeln-Eekhöltjen and Loxstedt-Littstücke in the Elbe-Weser-Triangle. In: B. Ramminger u. O. Stilborg (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Analysen vor- und frühgeschichtlicher Keramik I. Methoden, Anwendungsbe- reiche, Auswertungsmöglichkeiten. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 176, 101-115. Bonn. Peter-Kiepe, H., Spath, L., u. Strahl, E., 2010: Verzeichnis der Schriften von Dr. Waldemar Reinhardt. In: Gedenk- schrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 85-92. Schmid, P., 2010: Dr. Waldemar Reinhardt zum Gedenken. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 5-8. Schmid, P., 2010: Werner Haarnagel (1907 – 1984) – ein Wegbereiter interdisziplinärer Siedlungsforschung. Sied- lungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 33, 13-16. Strahl, E., 2010: Von Bauern zu Häuptlingen – Neue Ergebnisse der Archäologie zur Besiedlungsgeschichte der Mar- schen. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 9-16. Zimmermann, W. H., 2010: Der Wilhelmshavener Heimatforscher Heinrich Oldewage, 1891-1977. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 2009, 79-84.

73 D GEOWISSENSCHAFTEN

Sachbearbeiter: Dr. Achim Wehrmann, Fachgebietsleiter Abteilung für Meeresforschung, Senckenberg am Meer, Wilhelmshaven

1 Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven 1.1 Der Zentralplatz von Sievern, Ldkr. Cuxhaven, und seine Infrastruktur im Elbe-Weser- Dreieck während des frühen ersten Jahrtausends n. Chr. Die Geschichte der Marschbewohner und die Naturgewalten der Nordsee sind untrennbar mitein- ander verbunden. Dies gilt in besonderem Maße für die Zeit vor dem Deichbau, als die Bewohner der Marsch ausschließlich auf den auf Strandwällen abgelagerten Meeressedimenten siedelten und wirtschafteten. Diese Lebenswelt war in hohem Maße durch Sturmfluten, Transgressionen und Regressionen geprägt, so dass sich die Menschen immer wieder an die veränderten Begebenhei- ten anpassen mussten. Andere Voraussetzungen fanden die Bewohner der Geest vor. Gut ge- schützt vor den Naturgewalten der Nordsee siedelten sie auf dem höher gelegenen Hinterland.

Abb. 1. Lage von Sievern im Elbe-Weser-Dreieck (Grafik: Kiepe, NIhK).

Im Raum Sievern (Abb. 1), der sich auf einem lang gezogenen Geestrücken zwischen Bremer- haven und Cuxhaven befindet, und dem vorgelagerten Land Wursten (Marsch), wird dies beson- ders deutlich. Auf einem lang gestreckten Strandwall wurden hier in der Marsch im ersten

74 Jahrhundert v. Chr. mehrere Wurten angelegt, die bis zum fünften Jahrhundert n. Chr. Bestand hatten. In diesen Siedlungen wurden zahlreiche ortsfremde Gegenstände – vor allem römischer Provenienz – gefunden, die zeigen, dass die Marschbauern über überregionale Kontakte verfügten. Auf dem nur drei Kilometer entfernt gelegenen Geestrücken der Hohen Lieth wurden in dieser Zeit zwei Befestigungswerke: die Heidenschanze und die Heidenstadt angelegt, in deren Nähe insge- samt vier Hortfunde mit Goldobjekten entdeckt wurden. Diese und weitere archäologische Funde und Befunde haben zu der Vermutung geführt, dass hier während des ersten nachchristlichen Jahrtausends ein Machtzentrum bestanden hat, das einen politischen, wirtschaftlichen und kulti- schen Mittelpunkt im Elbe-Weser-Dreieck darstellte. Um die Funktion der Burganlagen auf der zurückliegenden Geest zu erfassen, ist es von Bedeutung, ob diese per Schiff bzw. Boot über den direkt anliegenden Sieverner Bach angelaufen werden konnten. Bestand zudem eine Anbindung des Bachs über Priele zur Nordsee, so hätte die Bevölkerung Zugang zu den überregionalen Transportwegen entlang der Küste besessen. Zu welchem Zeitpunkt mögliche Verbindungen be- standen, in welchem Zusammenhang potentielle Landeplätze gesehen werden können und auf welche naturräumliche Veränderungen die Menschen reagieren mussten, sind wesentliche Fragen der derzeitigen Forschungsarbeit.

1.2 Landschaftsentwicklung Land Wursten Die wechselhafte Geschichte der Marsch ist in ihrer Entstehungsgeschichte begründet, die mit dem Ende der letzten Eiszeit begann. Der saalezeitliche Geestrücken „Hohe Lieth“ hatte seit dem Ab- tauen der Gletscher bis etwa 6000 v. Chr. noch ein Küstenvorfeld. Durch den raschen Anstieg des Meeresspiegels und dem Vordringen des Meeres über größere Gebiete des Festlandes (Transgression), bildete bald die Geestkante die Küstenlinie. Das heutige Land Wursten war somit Wattfläche. Diese Transgression verlangsamte sich im Laufe der Zeit und wurde durch mehrere Regressionen, die seewärtige Verlagerung der Küstenlinie, unterbrochen. Während der Meeresspiegelanstieg die Anlandung von Schlick bedingte, führten die Regressionen zu Torfbildungen. Um etwa 1000 v. Chr. kam es erstmals zur Verlandung und allmählichen Entsalzung des so gewachsenen Landes. Es folgte eine weitere starke Phase der Transgression um 400 bis 150 v. Chr., in der ein Strandwall aus sandig-kiesigen Sedimenten entstand, sowie eine rasche Regression um Christi Geburt. In die- ser sturmflutfreien Zeit fand in der Marsch eine ausgeprägte Bodenbildung statt und der Strandwall konnte von Menschen besiedelt werden. Nach der raschen Aussüßung der Rohmarschen, auf de- nen bereits nach wenigen Jahren ohne Überschwemmungen eine sommerliche Beweidung durch Schafe möglich war, reiften die Böden zu nährstoffreichen Kalkmarschen, die einen hohen landwirt- schaftlichen Ertrag sicherten. Diese Transgressionsphase bildete jedoch nicht nur den Strandwall, sondern riss auch zahlreiche neue Buchten in das Festland. Im Norden des Landes Wursten auf der Höhe der heutigen Orte Nordholz und Midlum brach das Meer in die Marsch ein – zwischen Geest und Küstenlinie entstand ein etwa zwei Kilometer breiter Meeresarm, der zusammen mit dem Strandwall am Küstensaum das Bild der Marsch während der römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit bestimmte. Zwar begann der Meeresarm bereits ab Christi Geburt allmählich auszusüßen, eine endgültige Verlandung kann jedoch erst im frühen Mittelalter mit Bildung der Geestrandmoore nachgewiesen werden. Demnach war die Marsch des Landes Wursten im ersten nachchristlichen Jahrtausend eine feuchte versumpfte Landschaft, die überwiegend durch Brackwasser-, Fluss- und Farnröh- richte geprägt war. Der offene Meeresarm glich dabei eher einer flachen Mulde, in der ein stark mäandrierendes Prielsystem eingeschnitten war. Es gab große, ständig wassergefüllte Priele, über die bei Flut das Wasser landeinwärts drückte. So wurden die Nebenarme gefüllt bzw. ganze Flä- chen überflutet. Auf diese Weise verschlickte der Meeresarm nach und nach bis er aus dem Meer- wassereinzugsbereich herausgewachsen war. Mit dem Ebbstrom konnte das Wasser wieder seewärts abfließen.

75 1.3 Bohrkampagne Langenacker Die Geestrandsiedlung Sievern-Langenacker wurde in den Jahren 2008 und 2009 archäologisch untersucht. Die Lage auf dem in die Marsch hineinragenden Geestsporn ließ vermuten, dass es sich dabei um einen per Schiff erreichbaren Landeplatz handeln könnte. Direkt im Vorfeld des Siedlungsplatzes, in der tiefer gelegenen Marsch, zeichnen sich sowohl in Luftbildern als auch in den Kotenpausen, die großflächig als Grundlage für die Deutsche Grundkarte in den 1960er Jahren aufgenommen wurden, Rinnen ab, die im Frühjahr 2010 geomagnetisch prospektiert werden konnten. Im Messbild ist der Verlauf eines ehemaligen, zu heutigen Zeiten längst verlandeten Priels deutlich zu erkennen. Um die Tiefe und Ausdehnung der erkennbaren Rinnen zu ergründen und damit einen Hinweis auf die Schiffbarkeit zu erhalten, wurde daraufhin eine bodenkundliche Bohr- kampagne durchgeführt. Dazu wurde ein Transekt von 250 m Länge und mit insgesamt 54 Bohrungen angelegt. Der Bohrschnitt läuft von der Geestkante in die Marsch hinein und schnei- det die Rinnen senkrecht. Die Bohrungen wurden im Gelände nach Bodenkundlicher Kartieran- leitung (KA5) auf ihre sicht- und fühlbaren Parameter klassifiziert (Ad-Hoc-AG Boden 2005). Auf Grundlage dieser Bohrprotokolle konnte ein Profilquerschnitt mit 20facher Überhöhung erstellt werden (Abb. 2). Deutlich zu erkennen sind die Geestkante und die davor abgelagerten Verlan- dungsschichten der Marsch. Genau wie in der Geomagnetik treten deutlich Rinnen hervor, die al- lerdings, vermutlich nach Eindeichung und Entwässerung, vertorften und daher jünger sind und für die Nutzung im ersten nachchristlichen Jahrtausend nicht von Belang waren.

Abb. 2. Bodenkundlicher Profilquerschnitt der Marsch vor Sievern-Langenacker.

Weitere Hinweise auf höhere Fließgeschwindigkeiten und damit Rinnen bzw. Priele gibt die Sand- bänderung, die in der Grafik als gestrichelte Linie dargestellt ist. Zudem weist ein Substratwechsel von tonig-schluffigen Ablagerungen zu einem feinsandigeren Sediment, in der Grafik als sandiger Klei bezeichnet, auf eine stärkere Strömung hin. Ein Auslaufen dieser Schicht in Richtung Marsch konnte bei dieser Kampagne nicht erbohrt werden, zu vermuten ist, dass sich das gröbere Substrat auch noch weiter westlich befindet. Ein Zusammenhang mit dem etwa 2 km breiten Meeresarm, der sich während der Römischen Kaiserzeit zwischen Geest und den mit den Wurten besiedelten Strandwall erstreckte, kann beim derzeitigen Forschungsstand nicht ausgeschlossen werden. Um die gewonnenen Informationen in die archäologische Interpretation einbeziehen zu können, müssen die Sedimente und die unterschiedlichen Ab- und Umlagerungen noch zeitlich eingeordnet werden. Zudem muss der Transekt in Richtung Westen verlängert werden, um einen deutlichen Zusammenhang zwischen Meeresarm und dem Substratwechsel vor Langenacker erkennen zu können. Eine Probenahme und bodenchemische Analyse der unterschiedlichen Bodenhorizonte sind vorgesehen. So können z. B. Korngrößenanalysen und die Bestimmung der Gesamtgehalte

76 Hinweise auf Ablagerungsbedingungen des Sediments geben. Botanische Analysen sollen das Bild zur Landschaftsrekonstruktion vervollständigen. Des Weiteren kann mit Hilfe dieser Forschungen die Methode der Geomagnetik überprüft werden. So konnte festgestellt werden, welche Details im Messbild angezeigt werden. Nach den ersten Er- gebnissen scheint die Geomagnetik zur Prospektierung von alten Prielverläufen in der Marsch in diesem Gebiet eher ungeeignet. Dies gilt es an weiteren Beispielen zu verifizieren. Zudem muss untersucht werden, welche Parameter Einfluss auf das Messergebnis haben: Hierzu zählen die magnetische Suszeptibilität der verschiedenen Sedimente speziell im Meerwassereinzugsgebiet, der Einfluss von bodenbildenden Prozessen sowie weitere Faktoren. Ein einzelner Prielverlauf, der gezielt von den Bewohnern der Geestrandsiedlung Sievern-Langen- acker als Schifffahrtsroute genutzt werden konnte, ist zum derzeitigen Forschungsstand nicht zu belegen. Dennoch konnten die bisherigen Forschungsergebnisse wesentlich zur Rekonstruktion der Paläolandschaft im Bereich des Zentralplatzes Sievern, Ldkr. Cuxhaven, beitragen. (Bericht: I. Brandt, Wilhelmshaven)

1.4 Tonmineralogische Untersuchungen an Nordseekernen Im Rahmen des Programms Geopotenzial Deutsche Nordsee des BGR, LBEG und BSH liegen dem NIhK mehrere Nordseekerne zur Untersuchung vor. Erste Ergebnisse wurden in der Publi- kation Wolters et al. 2009 im International Journal of Earth Sciences veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. G. Irion, Senckenberg Institut, Wilhelmshaven, wurden die Kerne zusätzlich zur tonmineralogischen Bearbeitung beprobt. Die tonmineralogische Untersuchung des Kernmaterials lässt eine Rekonstruktion der jeweiligen Sedimentliefergebiete der Kerne zu. Darüber hinaus soll überprüft werden, ob eine Verschiebung der Liefergebiete mit steigendem Meeresspie- gel und der Veränderung der Küstenlinien zu dokumentieren ist. (Bericht: Dr. F. Bungenstock, Wilhelmshaven)

1.5 Holozäner Meeresspiegelanstieg Aufbauend auf den Veröffentlichungen von Bungenstock & Schäfer 2009 in Global and Planetary Change und von Bungenstock & Weerts 2009 im International Journal of Earth Sciences wird die Meeresspiegelforschung an der deutschen Nordseeküste als ein zentrales Feld des NIhK weiter vorangetrieben. In 2010 wurden dazu mehrere Vorträge auf internationalen Tagungen gehalten. Das Thema soll in Zukunft weiter in Kooperation mit den Niederlanden (Dr. H. J. T. Weerts, Rijks- dienst voor het Cultureel Erfgoed, Amersfoort) und auch Dänemark ausgebaut werden. (Bericht: Dr. F. Bungenstock, Wilhelmshaven)

1.6 Entwicklung des Jadebusens seit dem Ende der letzten Kaltzeit – Salztorfgewinnung Der Abbau von Salztorf als mögliche Ursache für die Ausdehnung des Jadebusens nach den mit- telalterlichen Sturmfluten ist eine der Fragestellungen innerhalb des Jadebusenprojektes (gefördert mit Mitteln des Niedersachsen Vorab der VW-Stiftung). Basierend auf der Auswertung von Literatur und historischen Karten konnten mehrere Flächen bestimmt werden, auf denen ehemaliger Salz- torfabbau zu vermuten ist. Derzeit werden durch die Firma VP Consult Patzold & Partner (Dr. W. Thiessen) verschiedene geophysikalische Messungen durchgeführt, um eine geeignete Methode zur Prospektion des Salztorfabbaus zu etablieren. Die bisherigen Ausarbeitungen wurden auf Tagungen vorgestellt. Eine erste Veröffentlichung ist in den Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte erschienen. (Bericht: Dr. F. Bungenstock, Dr. A. Siegmüller, Wilhelmshaven)

77 1.7 Rekonstruktion von spätglazialen und holozänen Umweltbedingungen im Einzugs- gebiet des Eversener Sees (NW-Deutschland) Das von der DFG geförderte Projekt wurde im März 2010 mit der Entnahme von mehreren Sedi- mentkernen aus dem See begonnen. Die Kerne wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Universität Bremen geöffnet, dokumentiert und zerstörungsfrei mittels XRF-Scanning analysiert. Mit diesen semi-quantitativen Elementprofilen konnte dann ein Kompositprofil von 10,93 m Länge er- stellt werden, das nach ersten pollenstratigraphischen Untersuchungen die letzten 14,000 Jahre umfasst. Die Kerne wurden ab August kontinuierlich in 1 cm Intervallen beprobt. Es sind jeweils 80 Analysen an biologischen Proxies (Pollen, Diatomeen, Chironomiden) vorgesehen, sowie 400 Proben zur Bestimmung von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel sowie Isotopenuntersu- 13 15 chungen (δ Corg und δ N). In Tiefen mit raschen Veränderungen wird das Probenintervall ent- sprechend verdichtet. Die Pollenanalysen werden im Frühjahr 2012 abgeschlossen sein. Es ist geplant, insgesamt 15 AMS-14C-Datierungen an terrestrischen Makroresten vorzunehmen. Eine erste Serie von 10 Proben ist bereits eingereicht. Das Projekt wird im Rahmen eines diatomologischen Dissertationsvorhabens fortgesetzt. (Bericht: Dr. D. Enters, Dr. S. Wolters, Wilhelmshaven)

1.9 Veröffentlichungen und Tagungsbeiträge: Brandt, I., 2010: Veränderung der Küstenlandschaft und ihre Folgen, 3. Mitteldeutscher Archäologentag, Umwelt- archäologie: Naturkatastrophen und Umweltwandel im archäologischen Befund, 7.-9. Oktober 2010, Halle (Saale), Abstracts: 17. Bungenstock, F., 2010: Book review: Peter Murphy. The English coast: a history and a prospect. xiv+282 pages, 15 illustrations, 2 tables. 2009. Antiquity 84, 897-899. Bungenstock, F., 2010: Auswertung der Archivbohrungen der Wurt Hessens im Hinblick auf Existenz und Lage eines Wasserlaufs. Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet/Studies in Land- scape and Settlement History in the Southern North Sea Region 1, 272-278. Bungenstock, F., & Enters, D. (eds.), 2010: Field Guide to Excursion 1 „Tidal Flats of Spiekeroog“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010, 13 p. Bungenstock, F., & Weerts, H. J. T., 2010: The high-resolution Holocene sea-level curve for Northwest Germany: global signals, local effects or data-artefacts? International Journal of Earth Sciences 99, No 8, 1687-1706. Eichfeld, I., Bartholomä, A., Beck, M., Bungenstock, F., Freund, H., Karle, M., Kröncke, I., Schückel, U., Siegmüller, A., Silinski, A., Stratmann, V., Wehrmann, A., & Wartenberg, W., 2010: The Jade Bay Projekt. A summary of tar- gets and planned activities. In: H. Marencic, K. Eskildsen, H. Farke & S. Hedtkamp (eds.), Science for Nature Conservation and Management: The Wadden Sea Ecosystem and EU Directives. Proceedings of the 12th International Scientific Wadden Sea Symposium in Wilhelmshaven, Germany, 30 March-3 April 2009. Wadden Sea Ecosystem No. 26, 189-192. Wilhelmshaven. Enters, D., Kirilova, E., Lotter, A., Lücke, A., Parplies, J., Jahns, S., Kuhn, G., & Zolitschka, B., 2010: Climate change and human impact at Sacrower See (NE Germany) during the past 13,000 years: a geochemical record. Journal of Paleolimnology 43, 719-737. Enters, D., Behling, H., Mayr, C., Dupont, L., & Zolitschka, B., 2010: Holocene environmental dynamics of south-east- ern Brazil recorded in laminated sediments of Lago Aleixo. Journal of Paleolimnology 44, 265-277. Enters, D., & Zolitschka, B., 2010: Proposal for an online varve image library - removing misconceptions about varves. 1st Workshop of the PAGES Varves Working Group, 7.-9. April 2010, Lahemaa National Park Centre, Estonia. Enters, D., Kirchner, G., Poulenard, J., Lücke, A., Frederichs, T., Daut, G., & Zolitschka, B., 2010: Historical gully ero- sion in central Germany reconstructed by lacustrine sediments. Geophysical Research Abstracts Vol. 12, EGU2010-13684. EGU General Assembly 2010, Vienna, Austria, 2.-7. May 2010. Mauz, B., Baeteman, C., Bungenstock, F., & Plater, A. J., 2010: Optical dating of tidal sediments: potential and limits inferred from the North Sea coast. Quaternary Geochronology 5: 6, 2010, 667-678. Ohlendorf, C., Enters, D., Gebhardt, C., Hahn, A., Kliem, P., Zolitschka, B., and the PASADO Science Team, 2010: Core scanning procedures and first characterisation of the 106 m long lacustrine sediment record of Laguna Potrok Aike, Argentina (ICDP-project PASADO). Geophysical Research Abstracts Vol. 12, EGU2010-9174. EGU General Assembly 2010, Vienna, Austria, 2.-7. May 2010. Siegmüller, A., & Bungenstock, F., 2010: Selnering in the area of the Jade Bay, North-West Germany. LAC2010, 25.- 29. January 2010, VU University Amsterdam, The Netherlands, 1st international Landscape Archaeology Confer- ence 2010, Final Program and Abstract Book: 42-43.

78 Siegmüller, A., u. Bungenstock, F., 2010: Salztorfabbau im Jadebusengebiet, Prospektion von anthropogenen Land- absenkungen und ihren Folgen. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 79, 201-220. Wartenberg, W., Freund, H., Bartholomä, A., Silinski, A., Eichfeld, I., Meyerdirks, J., Stratman, V., & Bungenstock, F., 2010: Jade Bay Project – linking geoscience with cultural history, East-Frisian North Sea Coast, , Germany. LAC2010, 25.-29. January 2010, VU University Amsterdam, The Netherlands, 1st international Land- scape Archaeology Conference 2010, Final Program and Abstract Book: 100-101. Weerts, H. J. T., & Bungenstock, F., 2010: Holocene evolution of the Dutch and German North Sea coast as a function of sea level rise, A/S ratio and local effects. GeoDarmstadt2010, 10.-13. Oktober 2010, Jahrestagung der Deut- schen Gesellschaft für Geowissenschaften (DGG) und der Geologischen Vereinigung (GV). Weerts, H. J. T., Westerhoff, W. E., & Bungenstock, F., 2010: Costal Confusion Caused by Upscaling Regional Holo- cene Costal Evolution to the Entire Southern North Sea. LAC2010, 25.-29. January 2010, VU University Amster- dam, The Netherlands, 1st international Landscape Archaeology Conference 2010, Final Program and Abstract Book: 101. Wolters, S., Zeiler, M., & Bungenstock, F., 2010: Early Holocene environmentl history of sunken landscapes: pollen, plant macofossil and geochemical analyses from the Borkum Riffgrund, southern North Sea. International Journal of Earth Sciences 99, No 8: 1707-1719.

2 Senckenberg am Meer, Wilhelmshaven 2.1 Bioinvasion der Pazifischen Auster Die Untersuchungen zur ‚Bioinvasion der Pazifischen Auster‛ befindet sich mittlerweile in der 3. Projektphase. Neben der eigentlichen Bestandserfassung, die die Datenerhebung aus den bei- den ersten Projektphasen fortführt, widmet sich die dritte Phase insbesondere den humanpatho- genen Risiken. An erster Stelle sind hier die Vibrionen zu nennen, denen ein hohes Risikopotential zugesprochen wird. In Zusammenarbeit mit dem LAVES in Cuxhaven werden grundlegende Kennt- nisse zur Abschätzung gesundheitlicher Risiken im Zusammenhang mit dem unkontrollierten Ver- zehr von und der möglichen Wundinfektion durch Crassostrea gigas hinsichtlich V. vulnificus erarbeitet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand werden sowohl die Bioinvasionen von nicht-heimi- schen Arten, wie auch das vermehrte Auftreten von Vibrionen durch den Klimawandel (hier Erhö- hung der Wassertemperatur) begünstigt. Ein zweiter Focus der Untersuchungen, der sich mit dem sogenannten Ecosystem Engineering befasst, werden im Rahmen eines Projektes untersucht, das im BiK-F (Biodiversität- und Klima Forschungszentrum Frankfurt) angesiedelt ist. Hier werden vor allem die Veränderungen der Biodi- versität vor dem Hintergrund der Riffbildung erforscht. (Bericht: Dr. A. Wehrmann, A. Markert, Wilhelmshaven)

2.2 Genese von Barriereinsel-Systemen Der zweite Schwerpunkt der Arbeiten lag in den weitergehenden Untersuchungen zur Genese von Barriereinsel-Systemen. Hierzu wurden die in 2007 begonnenen Untersuchungen auf der Kache- lotplate fortgeführt, insbesondere unter dem Aspekt der klein- und mittelskaligen Erosions- /Akkumulationsraten sowie dem Einfluss von Biofilmen und Mikrobenmatten zur großflächigen Sedimentstabilisierung. (Bericht: Dr. A. Wehrmann, Wilhelmshaven)

2.3 Mikrobenmatten in Playa-Sedimenten des Mittleren Buntsandsteins von Helgoland Die paläogeographische Rekonstruktion des Germanischen Beckens ist im Unteren wie auch im Mittleren Buntsandstein hinsichtlich möglicher mariner Ingressionen strittig. In der Vergangenheit waren insbesondere die Vorkommen kalkiger ooidführender Bänke in Kombination mit Stromatolithen im Unteren Buntsandstein des nördlichen Harzvorlandes Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen.

79 In der Detfurth Formation (Mittl. Buntsandstein) von Helgoland konnten nun erstmals Mikroben- matten, stromatolithische Lagen und ooidführende Sande nachgewiesen werden. Entsprechend ih- rer Einschaltung in rein siliziklastische Abfolgen werden sie als biogene Playa-Ablagerungen interpretiert. Das Gesamtbild der Abfolge entspricht weitgehend den jüngsten Interpretationen eines sehr flachen (wenige m) abflusslosen Endsees eines intrakontinentalen Beckens, umrahmt von ausgedehnten (Dünen-)Ebenen, die vor allem im Süden von zahlreichen Flüssen durchzogen wa- ren. Entsprechend dem ariden Klima führten die Flüsse nur zeitweilig Wasser. Auch muss davon ausgegangen werden, dass der Playasee episodisch eintrocknete. Dies führt zu einer sich mehr- fach wiederholenden kleinskaligen Abfolge an deren Ende jeweils die Bildung von Mikrobenmatten folgte. Eine Verbindung zur Palaeotethys (über die karpatische Pforte) konnte nicht nachgewiesen werden. (Bericht: Dr. A. Wehrmann, Dr. G. Gerdes, Wilhelmshaven)

2.4 Holozäne Verlandungszonen Innerhalb des interdisziplinären „Jadebusenprojektes“ (gefördert vom Niedersächsischen Vorab der Volkswagenstiftung) wurden paläogeographische Veränderungen der Küstenlandschaft im Bereich des Jadebusens anhand von geologischen, paläoökologischen und archäologischen Untersu- chungen rekonstruiert. Für die Untersuchungen wurden Daten aus dem Archiv des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG, Hannover) sowie neu gewonnene Kern- daten in Hinblick auf Veränderungen des Ablagerungsraumes und fazielle Wechsel im Bereich des südlichen Jadebusens interpretiert. Durch sedimentologische Untersuchungen, die vor allem die Rekonstruktion von ehemals vorhandenen breiten Verlandungszonen und Prielen umfassen, wer- den Struktur und Ausdehnung der Land-Meer-Übergänge rekonstruiert, um so die ablaufenden Prozesse und ihre Wechselwirkungen im Zuge eines schwankenden Meeresspiegels besser zu verstehen. Die erhobenen Daten liefern den landwärtigen Anschluss an die im Jadebusen gewonnenen Daten aus seismischen Profilen und Bohrungen im Inter- und Subtidal. Durch die Kooperation mit dem ar- chäologischen Teilprojekt (NIhK) wurden die natürlichen Rahmenbedingungen für die kulturhisto- rische Entwicklung der Region detailliert erarbeitet. (Bericht: Dr. A. Wehrmann, Dr. M. Karle, Wilhelmshaven)

2.5 Marine Sedimentologie Im Jahr 2010 wurden vor allem in den 2009 bewilligten Drittmittelprojekten gearbeitet. Mit „Inter- coast“, einem deutsch-neuseeländischem Doktorandenaustauschprogramm, finanziert durch die deutsche Forschungsgemeinschaft, fand 02/2010 das Auftakttreffen in Neuseeland statt, auf dem Arbeiten für das laufende Jahr erarbeitet wurden. In diesem Programm wird der menschliche Einfluß durch Hafenbaumaßnahmen auf Unterwasserhabitate untersucht, und das am Tauranga Port in Neuseeland sowie am Jade-Weser-Port in Deutschland. Als zweites fanden mehrere Feld- kampagnen zum vom BMBF geförderten KfKI „AufMod“-Programm statt, das sich mit der Langzeit- veränderung der deutschen Nordseeküste im Hinblick auf den Meeresspiegelanstieg beschäftigt. Darüber hinaus wurden mehrere Fahrten für das „WIMO“-Programm durchgeführt, das sich mit Habitatmonitoring in der deutschen AWZ befasst. Die hier bereits erlangte Expertise setzt sich in der Beantragung eines größeren Programmes im Rahmen BFN finanzierter Verbundvorhaben fort. Daneben wurden die Forschungsaktivitäten mit Südkorea intensiviert. Im Oktober 2010 wurden mehrere Lehrveranstaltungen im Rahmen eines Expertenkurses zum Thema „Coastal geohards“ am geologischen Dienst KIGAM in Korea abgehalten. Daneben wurden Publikationen aus den Projekten veröffentlicht bzw. eingereicht. (Bericht: Dr. A. Bartholomä, Wilhelmshaven)

80 2.6 Veröffentlichungen und Tagungsbeiträge: Bartholdy, J., Flemming, B. W., Ernstsen, V. B., Winter, C., & Bartholomä, A., 2010: Hydraulic roughness over simple subaqueous dunes. Geo-Marine Letters, 30(1): 63-76. Bartholdy, J., Ernstsen, V. B., Flemming, B. W., Winter, C., & Bartholomä, A., 2010: A simple model of bedform migra- tion. Earth Surface Processes and Landforms, 35(19), 1211-1220. Brennholt, N., Bartelt, E., Gerdts, G., Hauk, G., Luden, K., Oberbeckmann, S., Rahmdohr, S., Reifferscheid, G., Strauch, E., Wehrmann, A., u. Böer, S., 2010: Pathogene Vibrionen in der marinen Umwelt – Bericht Workshop BfG 14./15. April 2010. – Umweltmedizin in Forschung und Praxis, 15(6): 343-351. Gerdes, G., & Klenke, T., 2010: Ecologic time of photosynthetic microbial mats recorded in biogenic bedding (modern case studies). In: A. Hoppe, H. G. Röhling & C. Schüth (eds.), GeoDarmstadt2010 - Geosciences secure the fu- ture. Schriftenreihe Deutsche Geologische Gesellschaft, 68, 199-200. Eichfeld, I., Bartholomä, A., Beck, M., Bungenstock, F., Freund, H., Karle, M., Kröncke, I., Schückel, U., Siegmüller, A., Silinski, A., Stratmann, V., Wehrmann, A., & Wartenberg, W., 2010: The Jade Bay Projekt. A summary of tar- gets and planned activities. In: H. Marencic, K. Eskildsen, H. Farke & S. Hedtkamp (eds.), Science for Nature Conservation and Management: The Wadden Sea Ecosystem and EU Directives. Proceedings of the 12th International Scientific Wadden Sea Symposium in Wilhelmshaven, Germany, 30 March - 3 April 2009. Wadden Sea Ecosystem No. 26, 189-192. Wilhelmshaven. Karle, M., & Eichfeld, I., 2010: Geologische und archäologische Untersuchungen zur vormittelalterlichen Besiedlungs- geschichte im Bereich der „Friesischen Balge“, Jadebusen. In: A. Hoppe, H. G. Röhling & C. Schüth (eds.), Geo- Darmstadt2010 - Geosciences secure the future. Schriftenreihe Deutsche Geologische Gesellschaft, 68, 290-291. Karle, M., & Wehrmann, A., 2010: A shifting coastline - Holocene sea-level fluctuations forming land-sea transition zones in the Jade Bay area. In: A. Hoppe, H. G. Röhling & C. Schüth: GeoDarmstadt2010 - Geosciences secure the future. Schriftenreihe Deutsche Geologische Gesellschaft, 68, 289-290. Markert, A., Wehrmann, A., & Kroencke, I., 2010: New established Pacific oyster reefs vs. blue mussel beds: Diverse ecosystem engineering alters the native community structure (East Frisian Wadden Sea, German Bight). Biologic Invasions, 12(1): 15-32. Papenmeier, S., Schrottke, K., Bartholomä, A., u. Steege, V., 2010: Wirkungskontrolle von Wasserinjektionsbag- gerungen auf subaquatischen Dünenfeldern in der Unterweser auf der Basis von hydroakustischen, optischen und laseroptischen Messungen. Deutsche Gesellschaft für Limnologie (DGL), Erweiterte Zusammenfassungen der Jahrestagung 2009 (Oldenburg), Hardegsen, 6 S. Schmidt, A., Wehrmann, A., & Dittmann, S., 2010. Low mortality rates of juvenile Pacific oysters in the German Wad- den Sea are characteristic for invasive species: A reply to Beukema & Dekker. Helgoland Marine Research, 64(1), 71-73. Son, Ch.-S., Flemming, B. W., & Bartholomä, A., 2011: Evidence for sediment recirculation on an ebb-tidal delta of the East Frisian barrier-island system, southern North Sea. Geo Mar. Letts., 31(2), 87-100. Wehrmann, A., Gerdes, G., & Höfling, R., (accepted): Microbial mats in Lower Triassic siliciclastic playa environment (Middle Buntsandstein, North Sea). In: H. Chafetz & N. Noffke (eds.), Microbial mats in siliciclastic sediments. SEPM Special Publications.

3 LBEG, Hannover Fortgesetzt wurden die Arbeiten an der Bodenkundlichen Karte von Niedersachsen im Maßstab 1:50 000 (BK50). Dieses Kartenwerk interpretiert die Inhalte der Geologischen Karte von Nieder- sachsen 1:50.000 (GK50) unter bodenkundlichen Aspekten und erweitert diese durch eigene bodenkundliche Arbeitsergebnisse sowie Unterlagen von Dritten (z. B. Unterlagen der Bodenschätzung). Räumlich-thematischer Schwerpunkt der BK50-Bearbeitung sind derzeit und im kommenden Jahr die Böden und deren Verbreitung in der Marsch. Die landesweite Flächen- deckung der blattschnittfreien BK50 wird voraussichtlich in 2011/2012 erreicht werden. Ebenso wie die Kartenblätter der GK50 können die bereits vorliegenden Kartenblätter der BK50 direkt beim LBEG (Frau U. Ostmann, Tel: (0511) 643 3604, Fax: (0511) 643 533604, Mail: [email protected]) bezogen werden. Hinweise zu Anwendung und Nutzung, Verfügbarkeit und Preisangaben finden sich auf der Homepage des LBEG (www.lbeg.niedersachsen.de), dort u. a. im Produktkatalog sowie über den Kartenserver. Im Rahmen des Projektes „Neubewertung niedersächsischer Torflagerstätten“ wurden vom LBEG Geländearbeiten in Hochmooren im Gebiet zwischen Weser und Elbe sowie zugehörige Auswertungen durchgeführt. Die Arbeiten werden in 2011 kontinuierlich fortgesetzt.

81 Ebenfalls fortgesetzt wurden Kartierarbeiten zur Bestandsaufnahme der geologischen Verhältnisse in Niedersachsen. Hierbei handelt es sich um ein routinemäßiges LBEG-internes Kartier- und Bohr- projekt, mit dem das über viele Jahrzehnte entstandene landesweite Raster an Bohrungen jetzt in Bereichen mit geringer Bohrpunktdichte verdichtet wird. Im Trockenbohrverfahren werden Bohrun- gen bis max. 100 m Tiefe niedergebracht und ausgewertet. Die Bohrergebnisse werden u. a. für die Beratungsaufgaben des LBEG, z. B. in den Themenfeldern Baugrund, Hydrogeologie, Geothermie sowie Rohstoffvorsorge benötigt. Die Schichtenverzeichnisse werden in die Bohrdatenbank des LBEG eingestellt und sind auf dem Kartenserver über die Homepage des LBEG für jedermann einsehbar. Der räumliche Schwerpunkt der Geländearbeiten lag im westlichen Ostfriesland, im Emsland sowie auf der Nordseeinsel Baltrum. Die Arbeiten werden in 2011 kontinuierlich fort- gesetzt. Im Jahr 2010 wurde das vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr so- wie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gemeinsam initiierte Projekt „Geopo- tenzial Deutsche Nordsee“ mit Schiffsexpeditionen mit den Forschungsschiffen VWFS Atair sowie Planet fortgesetzt. Das Projekt dient der Ermittlung und Bereitstellung grundlegender Geoinforma- tionen über die geologische Entstehungsgeschichte und den strukturellen Aufbau des deutschen Nordseeraumes. Dieses Wissen ist für die nachhaltige Entwicklung des maritimen Wirtschafts- raumes Nordsee unerlässlich, da die Planung und Umsetzung von Maßnahmen in den Bereichen Wirtschaft und Umwelt darauf aufbauen. Künftig interessante Bereiche für die Energiewirtschaft sollen identifiziert werden, so dass sich Technologieentwicklungen und Kraftwerksplanungen darauf einstellen und Anforderungen des Um- weltschutzes rechtzeitig beachtet werden können. Potenziale liegen insbesondere in der Verfügbar- keit der Energierohstoffe, insbesondere Erdöl, Erdgas, Windkraft und Wasserkraft sowie der Energiespeicherung und der geografischen Position im Energienetzwerk, die für Pipelines, Lei- tungstrassen und potenzielle Kraftwerksplanungen besonders interessant sind. Im Rahmen des Projektes wird auch die bisher nur für den Bereich der Deutschen Bucht flächendeckend vorliegende Karte zur Sedimentverteilung am Meeresboden des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (Figge 1981) aktualisiert und für den Bereich der gesamten deutschen Nordsee bereitgestellt. Weitere thematische Schwerpunkte liegen u. a. auf der dreidimensionalen struktur- geologischen Darstellung des tieferen und des oberflächennahen Untergrundes. Projektpartner sind das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydro- graphie (BSH). Am Verbundprojekt sind zusätzliche Kooperationspartner aus Behörden, Forschung und Industrie, z. B. aus dem Bereich der Rohstoff- und Energiewirtschaft, beteiligt. Aktuelle Infor- mationen über das Projekt können über die Homepage des Projektes (www.geopotenzial-nord- see.de) abgerufen werden. Im Rahmen seiner Beratungsaufgaben hat das LBEG neue Unterlagen zur Verbreitung sulfatsaurer Böden in Niedersachsen erarbeitet. Gegenstand der Betrachtung waren in einem ersten Schritt die potenziell sulfatsauren Böden im Küstengebiet Niedersachsens. Voraussetzung für die Ablagerung potenziell sulfatsaurer Sedimente ist die Zufuhr von sulfathalti- gem Wasser (Meerwassereinfluss), reduzierte Bedingungen (Luftabschluss), organisches Material (zur Sulfatreduktion) und das Vorhandensein von feinklastischen Sedimenten (Tone). Sulfatsaure Böden (mit einem pH-Wert <4,0) entstehen bei Entwässerung und Belüftung pyrithaltiger Sedi- mente durch die Oxidation von Pyrit (FeS2) und die Bildung von Schwefelsäure (H2SO4). Bei Luft- kontakt von pyrithaltigem Baggergut können aus o. g. Gründen ebenfalls sulfatsaure Substrate entstehen. Man unterscheidet zwischen den durch Pyritoxidation unter aeroben Bedingungen (Be- lüftung) entstandenen sulfatsauren Böden und den anaeroben, wassergesättigten, potenziell sulfat- sauren Böden bzw. Sedimenten. Übersteigt das Säurebildungspotenzial von pyrithaltigen Sedimenten die Säureneutralisationskapazität, spricht man von potenziell sulfatsauren Böden, die bei Belüftung (und Pyritoxidation) zu (aktuell) sulfatsauren Böden werden.

82 Das Gefährdungspotenzial sulfatsaurer Böden ergibt sich durch • extreme Versauerung (pH <4,0–2,5) des Bodens bzw. Baggergutes mit der Folge von Pflanzenschäden, • deutlich erhöhte Sulfatkonzentrationen im Bodenwasser bzw. Sickerwasser, • erhöhte Schwermetallverfügbarkeit bzw.-löslichkeit und erhöhte Schwermetall- konzentrationen im Sickerwasser, • hohe Gehalte an betonschädlichen Stoffen (SO4-, Säuren), • hohe Korrosionsgefahr für Stahlkonstruktionen. Insgesamt führen diese Eigenschaften zu Problemen bei der Behandlung von Bodenmaterial in den betroffenen Regionen. Eine Bewertung von Böden vor einer Baumaßnahme dient der Abschätzung des Versauerungspotenzials des umzulagernden Materials. Bereits bei der Planung und Ausweisung von Gebieten, z. B. im Rahmen von Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen, Trassenplanungen etc., können Bodeninformationen als Vorinformationen genutzt werden. Die Ergebnisse wurden im LBEG in einer Kartendarstellung zusammengeführt, die im Wesentlichen die räumliche Verbreitung der potenziell sulfatsauren Böden bis 2 m Tiefe in niedersächsischen Küstengebieten zeigt. Die Karte kann im Kartenserver über die Homepage des LBEG eingesehen werden. Die fachlichen Hintergründe werden zusammengefasst in Geofakten 24 Boden - Sulfatsaure Böden in niedersächsischen Küstengebieten (Schäfer, W., Gehrt, E., Müller, U., Blankenburg, J. & Gröger, J. Juli 2010). Die Geofakten sind als Download ebenfalls über die Homepage des LBEG verfügbar. (Bericht: Dr. Carsten Schwarz, Hannover)

83 E BIOWISSENSCHAFTEN

Sachbearbeiter: Prof. Dr. Franz Bairlein, Ltd. Wiss. Direktor, Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, Wilhelmshaven

1 Arbeiten aus der naturwissenschaftlichen Abteilung des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven 1.1 Voraussetzungen, Struktur und Folgen von Siedlung und Landnutzung zur Zeit der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur in Nordwestdeutschland (Dr. A. Kramer, Dr. F. Bittmann) Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung – Zur Entstehung und Entwicklung neolithischer Großbauten und erster komplexer Gesellschaften im nördlichen Mitteleuropa“ untersuchen rund 20 (außer-) universitäre Forschungseinrichtungen und Landesämter Deutschlands mit einem archäologischen und naturwissenschaftlichen Metho- denspektrum die Entstehung und Entwicklung neolithischer Großbauten und erster komplexer Ge- sellschaften im nördlichen Mitteleuropa. Zahlreiche erhalten gebliebene Großsteingräber bezeugen in Nordwestdeutschland das Wirken der neolithischen Trichterbecher- und nachfolgenden Einzel- grabkultur. In enger Kooperation mit der Archäologischen Abteilung des NIhK wird die Landschafts- geschichte fünf exemplarisch ausgesuchter Kleinregionen zwischen Ems und Elbe – Hümmling/Emsland, Wildeshauser Geest, Geestinseln Flögeln und Wanna sowie um Lavenstedt im Landkreis Rotenburg (Wümme) – (Abb. 1) mit Hilfe pollenanalytischer Untersuchungen im Rahmen des Teilprojekts rekonstruiert. So kann die Siedlungsgeschichte vor dem Hintergrund einer sich än- dernden Landschaft besser verstanden werden.

Geestinsel Wanna

Geestinsel Flögeln

Gemarkung Lavenstedt

Wildeshauser Geest Hümmling

Abb. 1. Übersicht über das Arbeitsgebiet in NW-Deutschland. Die Lage der fünf Kleinregionen ist gekennzeichnet.

84 In Nordwestdeutschland kam es während des frühen bis mittleren Holozäns zu umfassenden land- schaftlichen Veränderungen. So führte der Meeresspiegelanstieg zu einer schnellen, südwärts gerichteten Verlagerung der Küstenlinie und seit dem Atlantikum, als die heutige Küstenlinie weitgehend erreicht war, zu einem zunehmend ozeanischen Klima. In Folge des Meeresspiegel- anstiegs und dem damit einhergehenden steigenden Grundwasserspiegel kam es zunächst zu einer Vernässung der Niederungen mit Niedermoorbildungen, das nun atlantische Klima mit kühlen Sommern und milden Wintern führte zu einem verstärkten Wachstum von Hochmooren auf den Geesthöhen (Behre, K.-E., 2005: Die Einengung des neolithischen Siedlungsraumes in Nordwest- deutschland durch klimabedingte Faktoren: Meeresspiegelanstieg und großflächige Ausbreitung von Mooren. In: D. Gronenborn (Hrsg.), Klimaveränderung und Kulturwandel in neolithischen Ge- sellschaften Mitteleuropas, 6700-2200 v. Chr. RGZM-Tagungen 1. Mainz, 209-220). Im Neolithikum lässt sich dann, bedingt durch die Einführung von Viehzucht und Ackerbau, der Einfluss des Men- schen durch die deutliche Veränderung der Vegetationsdecke nachweisen. Für die Rekonstruktion der neolithischen Landschaftsgeschichte des nordwestdeutschen Raums liegen vor allem von der Geestinsel Flögeln umfangreiche palynologische Arbeiten von Behre u. Kučan vor. Diese Untersuchungen haben erstmals einen Einblick in die Entwicklung der Wirt- schaftsweisen der neolithischen Siedler im Untersuchungsraum gewährt und bieten so wertvolle Informationen zur Interpretation der Siedlungstätigkeit der Trichterbecher- und nachfolgenden Ein- zelgrabkultur. Aus den Untersuchungen lässt sich ableiten, dass die Vegetation in der Region vor 4000 v. Chr. durch Eichen- und Linden-reiche Laubmischwälder geprägt war. Diese änderten ihre Zusammensetzung mit dem Einsetzen der neolithischen Wirtschaftsweise, indem die Ulme (Ulmus) deutlich in ihrer Bedeutung zurückgedrängt wurde. Dieser Rückgang verläuft in Pollendiagrammen aus Nordwestdeutschland relativ synchron und wird mit dem Übergang vom Atlantikum zum Sub- boreal gleichgesetzt. Ausgelöst wurde dieser Rückgang vermutlich durch eine anthropogen be- günstigte Ausbreitung der Ulmenkrankheit – einer Ascomyceteninfektion. Es wird angenommen, dass während dieser Zeit Laubfutterwirtschaft betrieben wurde und die Verletzungen, die durch das Schneiteln verursacht wurden, als Einfallstore für den durch den Ulmensplintkäfer (Scolytus scoly- tus) übertragenen Pilz dienten. Der Einfluss dieser Wirtschaftsweise auf die Vegetation insgesamt war jedoch noch relativ gering, so dass noch keine stärkere Auflichtung des Waldes festgestellt werden konnte (zusammenfassend bei Heider, S., 1995: Die Siedlungs- und Vegetationsgeschichte im Ostteil des Elbe-Weser- Dreiecks nach pollenanalytischen Untersuchungen. PdK 23, 51-115). Einen stärkeren Eingriff der neolitischen Siedler in die Vegetation im Sinne des von Iversen geprägten Begriffs „Landnam“ ist erst durch einen späteren und deutlichen Rückgang des Baumpollen nachzuweisen. Der Übergang von Laubfutterwirtschaft zum intensiveren Ackerbau wird auch durch das stärkere Auftreten weiterer Siedlungszeiger, beispielsweise von Plantago lanceolata (Spitz-Wegerich) und des Cerealia-Typs (Getreide), in den Pollendiagrammen dokumentiert. Angebaute Kulturpflanzen waren Triticum dicoccum (Emmer), T. monococcum (Einkorn), Hordeum vulgare (Spelz- und Nacktgerste) sowie wenig T. aestivum/compactum (Saat-/Zwergweizen) (Behre, K.-E., u. Kučan, D., 1994: Die Geschichte der Kulturlandschaft und des Ackerbaus in der Siedlungskammer Flögeln, Niedersachsen, seit der Jungsteinzeit. PdK 21. Oldenburg). Für das Untersuchungsgebiet soll nun zunächst geklärt werden, mit welchen kleinräumlichen Umweltbedingungen die neolitischen Siedler konfrontiert waren und ob die oben erwähnten Wirt- schaftsweisen in ihrer festgestellten Abfolge auf das gesamte Arbeitsgebiet übertragen werden können. Interessant sind vor diesem Hintergrund die Synchronität der Vegetationsentwicklung so- wie die Korrelation der rekonstruierten Wirtschaftsweise mit den existierenden Kulturen (TBK, EGK), die durch die Abstimmung mit den archäologischen Untersuchungen möglich sein wird. Ein wichtiger Schlüssel zur Klärung dieser Fragestellungen ist die hoch auflösende Untersuchung von Pollenprofilen aus den fünf ausgewählten Kleinregionen des Arbeitsgebiets, die mit einer präzisen Chronologie der einzelnen Besiedlungsphasen verbunden sein wird.

85 Da die oben genannten Untersuchungen der Geestinsel Flögeln durch Behre u. Kučan als Referenz für die Vegetationsrekonstruktionen in Nordwestdeutschland dienen, ist die Erarbeitung einer ge- naueren Chronologie der verschiedenen Wirtschaftsphasen während des Neolithikums unerläss- lich. Dafür wurden verschiedene Proben aus den archivierten Flögeln-Profilen für die Radiokarbondatierung vorbereitet. Neben den Untersuchungen am Archivmaterial wurden auch mehrere neue Standorte im Bereich der Geestinsel Flögeln (bei Drangstedt und Sievern) unter- sucht. Aufgrund der erfolgreichen archäologischen Sondage an der Lokalität Sievern 114 (Nös- ler, D., Kramer, A., Jöns, H., u. Bittmann, F., im Druck: Aktuelle Forschungen zur Besiedlung und Landnutzung zur Zeit der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur in Nordwestdeutschland – ein Vor- bericht zum DFG-SPP „Monumentalität“. NNU) wurde ein Profil aus dem in direkter Nachbarschaft gelegenen Hochmoorkomplex Dorumer Moor entnommen. Erste palynologische Untersuchungen zeigen, dass das Neolithikum in den Torfablagerungen enthalten ist und eine Siedlungstätigkeit durch die Pollenspektren nachgewiesen werden kann. Eine detaillierte Bearbeitung der Proben fin- det derzeit statt. Die Geestinsel Wanna ist von mehreren größeren Moorkomplexen umgeben, so dass eine gute Ausgangsbasis für die Lokalisation von geeigneten Pollenarchiven gegeben ist. Bislang wurden ei- nige mögliche Standorte prospektiert, davon wurde ein Profil für die weiteren Analysen ausgewählt. Die Bearbeitung und erste Datierungen zur genaueren zeitlichen Einordnung finden momentan statt. Neben der Lokalisierung von Pollenarchiven wurden Torfprofile direkt an den vom Moor überwach- senen Großsteingräbern im Untersuchungsgebiet der Geestinseln Wanna und Flögeln entnommen. Die Profile wurden moorstratigraphisch angesprochen und palynologisch bearbeitet. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Übermoorung wohl erst im Verlauf der Eisenzeit an den untersuchten Lokalitäten stattfand. Die ursprünglichen Torfvorkommen im Bereich der Wildeshauser Geest wurden durch industriellen Torfabbau und Landwirtschaft stark dezimiert. Die Lokalisierung geeigneter Pollenprofile ist da- durch erschwert, so dass bislang nur wenige Standorte prospektiert und beprobt werden konnten. Besondere Beachtung verdient vor diesem Hintergrund das Sager Meer, das im Rahmen eines weiteren Projektes am NIhK bearbeitet wird. Durch mehrere 14C-Datierungen konnte das Neolithi- kum im Profil des Sager Meeres bereits eingegrenzt werden, so dass die Ergebnisse der palyno- logischen Bearbeitung voraussichtlich für eine großräumige Vegetationsrekonstruktion der Wildeshauser Geest herangezogen werden können. Bisher konnte innerhalb des Monumentalitäts- projekts ein Profil aus einem Niedermoor (Haler Moor) südlich von Ahlhorn in unmittelbarer Nähe zu einem zerstörten Großsteingrab und Siedlungsresten geborgen und voruntersucht werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass das Neolithikum durch den Rückgang der Baumpollen und ein anschlie- ßender Anstieg der Siedlungszeiger in dem Profil nachvollzogen werden kann. Weitere Analysen sind in Vorbereitung. Besonderes Augenmerk liegt aus vegetationsgeschichtlicher Sicht auf dem Hümmling (Emsland), da es aus dieser Region keine neueren pollenanalytischen Arbeiten gibt. Für das Projekt wurden daher verschiedene Nieder- und Hochmoore in möglichst geringer Entfernung zu archäologischen Fundplätzen untersucht. Nach Auswertung dieser Proben konnten an drei Standorten vollständige Torfprofile entnommen werden, für die bereits mehrere 14C-Datierungen vorliegen. Mit dem Dosen- moor bei Bockholte und dem Theikenmeer sind zwei große Hochmoorkomplexe vertreten, deren Sequenzen voraussichtlich als Standarddiagramme für die Region ausgearbeitet werden können. Um kleinräumliche Vegetationsänderungen aufzuzeigen, wurde auch aus einem ehemaligen Hei- deweiher, dem Holschkenfehn bei Groß Berßen, ein Profil entnommen und bearbeitet. Dieser Standort ist besonders interessant, da sich in einem Umkreis von ca. 200 m neun Großsteingräber befinden. Bisherige Ergebnisse (Abb. 2) zeigen einen ersten menschlichen Einfluss, der durch

86 einen Rückgang der Gehölzflora (Tilia und Ulmus, Linde und Ulme) um 4200 v. Chr. eingeleitet wird. Ein stärkeres menschliches Wirken wird durch das Auftreten verschiedener Siedlungsanzeiger (Rumex, Plantago lanceolata, Ampfer und Spitz-Wegerich) ab ca. 3200 v. Chr. deutlich. Die Ent- wicklung des menschlichen Einflusses auf die Vegetation lässt sich sehr gut mit den Ergebnissen aus der Siedlungskammer Flögeln vergleichen, weitere hoch auflösende Untersuchungen sind in Vorbereitung.

Abb. 2. Pollendiagramm aus einem Vorprofil des Holschkenfehns. Die Prozentwerte beziehen sich auf die Baumpollensumme. Die kalibrierten 14C-Alter (95,4 % Wahrscheinlichkeit) stammen aus einem Parallelprofil, das Neolithikum ist markiert.

In Abstimmung mit den archäologischen Arbeiten wird seit September 2010 auch die Umgebung des Fundplatzes Lavenstedt sondiert. Bislang sind verschiedene Standorte mit Hilfe von Bohrungen beprobt worden. Ein für die Pollenanalyse geeigneter Standort konnte noch nicht eindeutig bestimmt werden. Erfolg versprechend ist jedoch ein Profil aus dem Huvenhoopsmoor, welches momentan bearbeitet und datiert wird. Die hoch auflösende pollenanalytische Bearbeitung sowie die absolutchronologische Datierung der einzelnen Profile aus den fünf Kleinregionen werden in der kommenden Projektphase im Vordergrund stehen. So können die Vegetations- und Siedlungsdynamiken für ganz Nordwestdeutschland gegenübergestellt werden, um die Aktivitäten der Träger der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur nachzuvollziehen.

87 1.2 Multi-Proxy-Analysen zur Rekonstruktion der spät- und postglazialen Entwicklungs- geschichte des Fehmarnbelts (Kooperation mit ALSH, Dr. M. Segschneider) (Dr. S. Wolters, Dr. D. Enters, K. Blume) Im Rahmen von wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit der geplanten Querung des Fehmarnbelts wurden im Juli 2010 fünf Sedimentkerne aus diesem Bereich der Ostsee erbohrt. Die Bohrungen erfolgten vom Frachtschiff Mira A mit einem Vibrobohrer von 8 m Länge und einem Durchmesser von 110 mm. Die Analysen des Multi-Proxy-Ansatzes umfassen geochemische und -physikalische Methoden, diatomologische Untersuchungen und Pollenanalysen. Die lithologischen Untersuchungen zeigen eine generelle Schichtenabfolge: glaziale Sedimente – Torf – Mudde/„lagunäre Fazies“ – marine Sedimente. Teilweise liegen die glazialen Sedimente gewarvt vor. Torf findet sich in vier der fünf Kerne. Die Abfolgen erscheinen kontinuierlich, evtl. Schichtlücken können jedoch erst durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Vier der fünf Bohrungen lassen sich lithologisch korrelieren (Abb. 1), lediglich zur küstenfernsten Bohrung ergeben sich Unsicherheiten. Erste Ergebnisse eines XRF-Scannings lassen auf eine gute Abgrenzung der Sedimentfolgen schließen. Hierbei zeigen sich erhöhte Si- und Ti-Werte in den vermuteten Ancylus-Sedimenten und deutlich erhöhte Ca-Werte in den hangenden Littorina- Ablagerungen. Die Cl-Gehalte weisen hier auf den marinen Einfluss hin (Porenwasser). Die erhöhten Cl-Gehalte in den torfigen Abschnitten zeigen an, dass dieser mit Wässern erhöhter Salinität in Kontakt kam. Voruntersuchungen zur pollenstratigraphischen Datierung zeigen, dass organogene Sedimente ab dem frühen Holozän gebildet wurden (ca. 11.500 BP). Größere Holzvorkommen weisen auf Bruchwaldtorfe hin. Am Übergang Präboreal/Boreal (ca. 11.000 BP) kommt es zur Ablagerung limnischer, stark toniger Sedimente. Die Pollenerhaltung wird dabei zunehmend besser, während sie in den ältesten Schichten der Torfe teilweise sehr schlecht war. Ab 10.500 BP lassen sich die marinen Sedimente der Littorina-Transgression i. w. S. nachweisen, die immer noch eine gute Pollenerhaltung aufweisen. Die ebenfalls hohe Pollenkonzentration in den marinen Sedimenten erlaubt die Herstellung konzentrierter Pollensuspensionen für die 14C-AMS-Datierung. Dies ermöglicht eine Altersbestimmung von Schichten, in denen eine korrekte Datierung aufgrund des Fehlens terrestrischer Makrofossilien generell problematisch ist. Die Voruntersuchungen zeigten weiterhin, dass die basalen Sedimente der semiterrestrischen Torfe keine Diatomeen enthalten. In den übrigen Sedimenten ist der Gehalt an Diatomeen sowie deren Erhaltungszustand ausreichend, wenn auch variabel. Der deutliche Anstieg der Diatomeen datiert etwa auf 11.000 BP. In den frühen Phasen wurde ein höherer Anteil planktischer Diatomeen nachgewiesen. Dies könnte als Hinweis auf längere Durchmischungsphasen in Folge kürzerer Winter und somit kürzerer Eisbedeckung gedeutet werden. Auch Wasserstandsänderungen könnten eine Rolle spielen. In der Folgezeit dominieren benthische Arten die Diatomeen- gemeinschaft. Diese profitieren in der Regel von Flachwasserbedingungen. Tendenziell nimmt auch die Diversität der Arten (Hill’s N2) zu. In allen Kernen treten ab ca. 10.500 BP zeitgleich mit den ersten marinen Sedimenten verstärkt Brackwasserarten auf. Typische Vertreter sind Mastogloia smithii und Epithemia adnata. Es könnte ein verzögerter Zusammenhang zwischen dem veränderten Plankton/Benthos-Verhältnis und dem Erscheinen der Brackwasserarten bestehen, was auf die Littorina-Transgression als Einstromereignis mit anschließender Versalzung zurückzuführen ist. Das primäre Ziel dieser Multi-Proxy-Analysen ist, die lokale und regionale Landschaftsentwicklung in hoher Auflösung zu rekonstruieren und in Verbindung damit, eine stabile chronologische Basis unter Verwendung verschiedener Datierungsmethoden zu erstellen. Damit soll ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der spät- und postglazialen Umweltgeschichte im südlichen Ostseegebiet geschaffen werden.

88

Abb. 3. Lithologische Korrelation der Kernbohrungen FEH 1 bis 5.

89 1.3 Weitere Forschungsprojekte

1. Pollenanalytische und geochemische Untersuchungen an submarinen Torfen zur Rekonstruktion des frühholozänen Meeresspiegelanstiegs der Nordsee sowie der Vegetationsentwicklung auf dem heutigen Meeresgrund (Wolters, Enters) 2. Archäobotanische Untersuchung der früh-mittelalterlichen Wurt Upleward in der Krummhörn, Ldkr. Aurich (Bittmann, Wolters) 3. Archäobotanische Untersuchungen in Bentumersiel, Ldkr. Leer (Bittmann) 4. Archäobotanische Untersuchungen kaiserzeitlicher Wurten Butjadingens (Bittmann) 5. Archäobotanische Untersuchungen des Fundplatzes Elsfleth-Hogenkamp, Ldkr. Wesermarsch (Bittmann, Lohmann) 6. Archäobotanische und pollenanalytische Untersuchungen zur Geschichte des Heidenwalls, Oldenburg (Bittmann) 7. Multi-Proxy-Analysen am Großen Sager Meer bei Ahlhorn, südl. Ldkr. Oldenburg (Wolters, Enters) 8. Multi-Proxy-Analysen am Eversener See, Ldkr. Rotenburg (Enters, Wolters) 9. „Moora“ – das Mädchen aus dem Uchter Moor. Interdisziplinäre Untersuchung zum Fund einer eisenzeitlichen Moorleiche und ihrer Lebenswelt (Bittmann) 10. Archäobotanische Untersuchung von Bodenproben aus Hamburg, Altstadt, Fpl. 149 (Bittmann) 11. Pollenanalytische und geochemische Untersuchungen an submarinen Torfkernen aus der Wismarer Bucht im DFG-Projekt-Bündel SINCOS II (Wolters, Enters)

90 1.4 Veröffentlichungen: Behre, K.-E., 2010: Zur Entwicklungsgeschichte des Jadebusens und dem Anteil Waldemar Reinhardts an ihrer Erforschung. In: Gedenkschrift für Dr. W. Reinhardt. Nachrichten des Marschenrates 46, 47-54. Behre, K.-E., 2010: Historische Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen im norddeutschen Küstenbereich. In: M. Fansa u. C. Ritzau (Hrsg.), Kalte Zeiten – Warme Zeiten. Klimawandel in Norddeutschland, 16-19. Darmstadt. Behre, K.-E., 2010: Main landscape units in the coastal region. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“.15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010, 3-4. Behre, K.-E., 2010: The Neuenburger Urwald – an outstanding historic woodland in Lower Saxony. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010, 5-10. Behre, K.-E., 2010: The Sehestedter Moor – a unique mobile geological monument at the Jade Bay. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010, 21-28. Behre, K.-E., 2010: Der Neuenburger Urwald – ein Denkmal der Kulturlandschaft, 136 S. Wilhelmshaven. Bittmann, F., 2010: Klimawandel und Vegetationsveränderungen – Phantom oder Wirklichkeit? Vegetationsänderun- gen und Klimawandel aus vegetationsgeschichtlicher Sicht. Berichte der Reinhold-Tüxen-Gesellschaft 22, 34-48. Bittmann, F. (ed.), 2010: 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Abstract-Band. Terra Nostra 2010/2, 207 pp, Brune-Mettcker, Wilhelmshaven. Bittmann, F., & Ey, J., 2010: The Wurt Sillens – settlement, dike-construction and archaeobotany. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010, 29-36. Bittmann, F., Grimm, J., & Sander, A., 2010: Plant and zoological remains from a hole in the kitchen wall of the castle in Jever near Wilhelmshaven. Terra Nostra 2010/2: 112. Bittmann, F., Wolters, S., & Lohmann, W., 2010: Cultivated plants in the Clay district of Niedersachsen, Northwest Germany. Terra Nostra 2010/2: 113. Giesecke, T., van der Knaap, W. O., & Bittmann, F. (eds.), 2010: Towards quantitative palynology – using pollen accumulation rates and models of pollen dispersal. Veget Hist Archaeobot 19(4), 243-244. Kramer, A., Nösler, D., & Wolters, S., 2010: The Funnel Beaker Culture in northwestern Germany – reconstructions from pollen investigations. Terra Nostra 2010/2: 143. Wolters, S., Behre, K.-E., & O’Connell, M., 2010: The East Frisian Central Bog – a fragmented archive of natural and anthropogenic landscape development. In: S. Wolters & D. Enters (eds.), Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“. 15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010. Wolters, S., & Enters, D. (eds.), 2010: Field Guide to Excursion 2 „Around the Jade Bay“.15th Conference of the International Work Group for Palaeoethnobotany, Wilhelmshaven, Germany, 31.5.-5.6.2010. Wolters, S., Zeiler, M., & Bungenstock, F., 2010: Early Holocene environmental history of sunken landscapes: pollen, plant macrofossil and geochemical analyses from the Borkum Riffgrund, southern North Sea. International Journal of Earth Sciences 99, No 8, 1707-1719. Wolters, S., Enters, D., & Bittmann, F., 2010: Landscape history and land-use dependent soil erosion in central Bosnia from the Bronze Age to Medieval Times. Geophysical Research Abstracts Vol. 12, EGU2010-11200. EGU General Assembly 2010, Vienna, Austria, 2.-7. May 2010.

2 Aus dem Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, Wilhelmshaven 2.1 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ (Prof. Dr. F. Bairlein) Am 1. April 2010 beging die „Vogelwarte Helgoland“, das heutige Institut für Vogelforschung in Wil- helmshaven, sein 100jähriges Gründungsjubiläum.

2.1.1 Der Anfang auf Helgoland Alles begann im Jahr 1837, als der Kunstmaler Heinrich Gätke erstmals Helgoland betrat. Doch schon bald widmete sich Gätke mehr der Helgoländer Vogelwelt als seiner Malerei und nach seiner Heirat mit einer Helgoländerin im Jahr 1841 blieb er zeitlebens auf Helgoland. 1843 begann er mit der Anlage einer Vogelsammlung, ab 1847 führte er ein genaues ornithologisches Tagebuch, in das er neben den ornithologischen Aufzeichnungen auch meteorologische Daten aufnahm. Diese

91 Aufzeichnungen mündeten schließlich in seinem Epoche machenden Buch „Die Vogelwarte Helgo- land“, das im Frühjahr 1891 erschien. Nach der Übergabe Helgolands durch den britischen Gouverneur an das Deutsche Reich im Au- gust 1890 veräußerte Gätke seine Vogelsammlung. Sie wurde, zusammen mit seiner wissenschaft- lichen Bibliothek, von der Preußischen Biologischen Anstalt auf Helgoland erworben. Damit war die Basis zur späteren Gründung der „Vogelwarte Helgoland“ gelegt. Heinrich Gätke erlebte diese nicht mehr; er starb am Neujahrstag des Jahres 1897.

2.1.2 Die Gründung der „Vogelwarte Helgoland“ 1910 1909 kam Dr. Hugo Weigold als Assistent der Deutschen Wissenschaftlichen Kommission für Mee- resforschung an die Biologische Anstalt Helgoland. Zwar war Weigold eigentlich Fischereibiologe, doch seine Begeisterung galt der Ornithologie, und so überzeugte er Prof. Heincke, den Direktor der Biologischen Anstalt, ihn „nebenher“ den Vogelzug studieren zu lassen. Zum 1. April 1910 war es dann so weit: Dr. Hugo Weigold wurde mit der Ausführung ornithologischer Arbeiten betraut. Dieser Tag gilt seither als der „Geburtstag“ der „Vogelwarte Helgoland“.

Abb. 1. Erstes Institutsgebäude auf Helgoland, 1931 (Foto: Archiv IfV).

2.1.3 Die „Vogelwarte Helgoland“ bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Dr. Weigold setzte die von H. Gätke begonnenen „Ornithologischen Berichte“ fort. Entscheidend für die weitere Forschungsarbeit auf Helgoland und die Entwicklung der „Vogelwarte“ war aber, dass Hugo Weigold bereits 1909 anfing, Zug- und Brutvögel auf Helgoland zu beringen. 1911 legte er auf dem damals noch völlig baum- und strauchlosen Helgoländer Oberland in einer Mulde, von den In- sulanern „Sapskuhle“ genannt, in der sich nach starken Regenfällen Tümpel bildeten, einen „Biolo- gischen Versuchsgarten“ an. Um Vögel anzulocken und Rast- und Fangplätze zu schaffen, bepflanzte Weigold den Garten mit Pflanzenspenden vom Festland. In diesem „Fanggarten“ wurden Vögel zunächst mit Netzen gefangen, ab 1920 mit den später welt- berühmten Helgoländer Trichterreusen. 1924 verließ Hugo Weigold Helgoland. Sein Nachfolger als

92 Kustos für Vogelforschung wurde der Jeveraner Dr. Rudolf Drost. Er baute die Vogelzugforschung auf Helgoland aus und erweiterte sie auch auf das Festland und gründete vielerorts sog. Zweigbe- ringungsstellen, so in Schlesien, Magdeburg oder Frankfurt am Main. So wurden Ende der 1930er Jahre schon jährlich über 100 000 Vögel mit Ringen der Vogelwarte beringt. Auch im Zweiten Weltkrieg dauerte die Beringung von Vögeln auf Helgoland an. Erst durch die massiven Bombenangriffe am 18. April 1945 wurde sie beendet.

2.1.4 Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft eröffnete Drost bereits im Juni 1945 die „Ausweich- stelle der Vogelwarte Helgoland in Göttingen“. Sein Ziel war aber ein Wiederaufbau der „Vogel- warte“ und seine Bemühungen waren erfolgreich. Zum 1. April 1946 wurde die Vogelwarte vom Oberpräsidium der Provinz Hannover, Hauptabteilung Kultus, übernommen, als eigenständiges „In- stitut für Vogelforschung“. Nach Gründung des Landes Niedersachsen (1946) wurde das Institut dem niedersächsischen Kultusministerium unterstellt. Auf der Suche nach einer Bleibe für das Institut erhielt Drost 1947 eine Einladung von der Stadt Wilhelmshaven, wo frühere Marinegebäude unbenutzt standen. Diese lagen günstig und waren für Drost’s Absicht besonders geeignet. Nach Zustimmung durch das Niedersächsische Kultusministe- rium zog das Institut im September 1947 von Cuxhaven per Schiff nach Wilhelmshaven um, in eine frühere Unterkunft der Marinesignalstation an der ehemaligen 3. Hafeneinfahrt. Im November folgte die „Geschäftstelle Göttingen“ nach. In einem Nebengebäude wurde ab 1948 ein Museum einge- richtet, zur Unterbringung von Versuchsvögeln wurden Volieren errichtet und für den Vogelfang Reusen gebaut.

2.1.5 Neubeginn auf Helgoland Doch verfolgte Prof. Drost auch das Ziel, erneut einen Ornithologen nach Helgoland entsenden zu können. Bereits ein Jahr nach der Freigabe der Insel war es soweit. Im März 1953 wurde Dr. Wolfgang Jungfer nach Helgoland abgeordnet und eine „Inselstation Helgoland“ gegründet.

Abb. 2. Die heutigen Institutsgebäude auf Helgoland. Links: Altbau von 1956 mit Dienstwohnungsanbau; rechts: Neubau von 1985 (Foto: F. Bairlein).

93 Wichtigstes Anliegen war, den Fanggarten wieder herzustellen und in Betrieb zu nehmen. Zum 1. April 1956 trat auf Helgoland Dr. Gottfried Vauk die Nachfolge von Dr. Jungfer an. Die folgenden Jahre waren bestimmt vom Wiederaufbau der Inselstation. Im Februar 1957 wurde ein neues Stati- onsgebäude neben der Sapskuhle bezogen, und es begann ein neuer Abschnitt, da nun sehr viel bessere Arbeitsbedingungen gegeben waren. Der Fanggarten blieb aber zunächst noch eine große Baustelle: Alte Reusen wurden abgerissen und neue gebaut, Bäume gefällt und an anderer Stelle neue gepflanzt, Wege gepflastert und Lock- vogelvolieren errichtet. Bombentrichter wurden zu den einzigen reinen Süßwasserteichen auf Hel- goland umgestaltet und entwickelten sich zu Anziehungspunkten für die rastenden Zugvögel und die Brutvögel der Insel. Mit Fertigstellung des Fanggartens und eines neuen Zaunes begann 1960 der bis heute fortgesetzte standardisierte Fangbetrieb. Eine wesentliche strukturelle Erweiterung erfuhr die Inselstation 1985 mit der Einweihung eines neuen, zweiten Institutsgebäudes anlässlich des 75. Gründungsjubiläums des Instituts 1985. Dr. Gottfried Vauk verließ 1988 die Inselstation, sein Nachfolger ist seither Dr. Ommo Hüppop.

2.1.6 Weitere Entwicklung in Wilhelmshaven In Wilhelmshaven war für Prof. Drost das Gelände auf der sog. Schleuseninsel immer nur eine vo- rübergehende Lösung. Eine Bleibe für das Institut fand er schließlich auf dem Gelände des ehema- ligen Fort Rüstersiel am nördlichen Rand von Wilhelmshaven. Bis auf den Eingang umgeben von einem breiten Fortgraben, der „Graft“, und mit Bäumen und Sträuchern bestanden, war hier ein idealer Platz für ein Institut. Zudem konnten noch aus dem Krieg übrig gebliebene Gebäude ausge- baut werden. Es dauerte aber bis zum 10. März 1966, bis das Institut diesen neuen Standort bezie- hen konnte. Diesen Umzug vollzog Dr. Friedrich Goethe, der im September 1958 die Nachfolge von Prof. Drost als Wissenschaftlicher Direktor des Gesamtinstituts angetreten hatte. Dr. Friedrich Goethe hatte schon als 15-Jähriger seinen ersten Kontakt zur Vogelwarte, als Schülerhelfer auf der Vogelinsel Mellum, und bereits 1951 kam er als wissenschaftlicher Assistent an das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Dr. Goethe vollzog den Bau und Aufbau des Instituts am neuen Standort in Wilhelmshaven-Rüstersiel sowie den Ausbau und die Gestaltung der 1972 eingeweihten „Heinrich- Gätke-Halle“ des Instituts. 1976 trat er in den Ruhestand.

Abb. 3. Das ehemalige Fort Rüstersiel mit seinem Wassergraben, der Graft, heute Hauptsitz des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven (Foto: R. Nagel, Archiv IfV).

94 2.1.7 Die Außenstation Braunschweig für Populationsökologie (1967-2000) Unter Dr. Goethes Leitung wurde dem Institut 1967 die „Außenstation für Populationsökologie“ mit Sitz in Cremlingen-Weddel angegliedert. Diese Außenstelle wurde ursprünglich 1947 von Dr. Rudolf Berndt als Vogelschutzstation Braunschweig der staatlich anerkannten Vogelschutz- warte Niedersachsen gegründet. Dr. Berndt leitete die „Außenstation Braunschweig für Populati- onsökologie“ bis 1978. Sein Nachfolger wurde Dr. Wolfgang Winkel, der bereits seit 1970 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hauptsitz in Wilhelmshaven tätig war. Er leitete die Außenstelle bis zu deren Schließung zum Jahresende 2000. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, nun als „Ar- beitsgruppe Populationsökologie“, führte er aber bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 fort.

2.1.8 Die jüngsten Jahrzehnte 1977 wurde Prof. Dr. Jürgen Nicolai Nachfolger von Dr. Goethe als Direktor des Instituts. Unter sei- ner Leitung erfolgte der Neubau eines zweiten Tierhauses mit einer wesentlichen Erweiterung der Möglichkeiten, Vögel für Untersuchungen unter kontrollierten Bedingungen zu halten. Zudem wurde das Hauptgebäude ausgebaut und die Beringungsarbeit und die Beringungszentrale wurden um- strukturiert. Vor allem aber erfolgte unter Prof. Nicolai eine Verjüngung des wissenschaftlichen Personals. 1978 wurde die vakante Wissenschaftlerstelle mit Dr. Peter H. Becker besetzt. Mit ihm erfolgte ein Aus- bau der ökologisch ausgerichteten Küstenvogelforschung und überregionale Langzeitvorhaben wurden begonnen. Die Küstenvogelforschung wurde nochmals gestärkt, als 1984 eine weitere Wis- senschaftlerstelle eingerichtet werden konnte, die mit Dr. Klaus-Michael Exo besetzt wurde. Zu- sammen mit den mittlerweile zwei etatmäßigen Wissenschaftlerstellen auf Helgoland und der Stelle an der Außenstation Braunschweig waren nunmehr sechs wissenschaftliche Planstellen besetzt. Seit dem 1. November 1990 ist Prof. Dr. Franz Bairlein Leiter des Instituts. Sein Forschungs- schwerpunkt ist die Vogelzugforschung, von den physiologischen Mechanismen des Fettwerdens bei Zugvögeln bis hin zu ökologischen Arbeiten in Rastgebieten entlang der Zugrouten und im Winterquartier europäischer Zugvögel, und folglich nahm die Vogelzugforschung am Institut einen neuen Aufschwung. Dem Institut gehören neben dem Direktor und dem stellvertretenden Direktor vier wissenschaftliche Mitarbeiter, von denen zwei jeweils für längstens fünf Jahre angestellt sind, und 19 technische An- gestellte an. Aus Mitteln Dritter ist zusätzliches wissenschaftliches und technisches Personal in wechselnder Anzahl am Institut beschäftigt. Dazu kommen noch zwei Zivildienstleistende bzw. Mit- arbeiter aus dem Bundesfreiwilligendienst, bis zu vier Mitarbeiter/innen aus dem „Freiwilligen Öko- logischen Jahr“ sowie eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern, die in den zahlreichen Freilanduntersuchungen und im Fanggarten der Inselstation eingesetzt werden. Ohne ihre enga- gierte Mitarbeit wären viele der langfristigen Untersuchungen kaum durchführbar. Weiterhin sind in die Forschungsvorhaben am Institut eine wechselnde Zahl von Nachpromotionsstipendiaten, Dok- toranden, Diplomanden, Master- und Bachelorstudierende und Examenskanditaten von verschie- denen Universitäten und Hochschulen aus dem In- und Ausland eingebunden. Zahlreich sind die nationalen und internationalen Kooperationen des Instituts, ohne die moderne Wissenschaft nicht auskommt. Zu Beginn der 1990er Jahre erfolgte eine Modernisierung des Hauptgebäudes. Die Bibliothek wurde erweitert, neue Arbeitsräume für Doktoranden und Diplomanden wurden geschaffen, biologi- sche Labore eingerichtet, Computernetzwerke installiert und ins Internet eingebunden, und es wurde die Elektronikwerkstatt ausgebaut. Zudem wurde die experimentelle Vogelhaltung erheblich umgebaut und erweitert. 2006 erhielt das Institut als Anbau einen Laborcontainer, wodurch die dringendsten Engpässe im Laborbetrieb vorübergehend beseitigt werden konnten. Am 7. Dezem- ber 2009 erfolgte der Spatenstich zu einer Neu- und Umstrukturierungsmaßnahme, die mittlerweile

95 (Stand Mai 2011) bereits weitgehend abgeschlossen ist und dem Institut u. a. moderne Labore, eine neue Bibliothek, einen Seminarraum, modernisierte Arbeitsräume und umfangreiche brand- schutzrechtliche und energetische Sanierungen beschert. Der Erweiterungsbau war von einer hochrangig besetzten Expertengruppe, die das Institut im Auftrag des Niedersächsischen Ministe- riums für Wissenschaft und Kultur im Jahr 2004 begutachtet hat, nachdrücklich empfohlen worden, um eine Verbesserung der experimentellen Arbeiten zu ermöglichen. Mit der Neubau- und Um- baumaßnahme wird das Institut auch zukünftig international konkurrenzfähig bleiben. Heute untersteht das Institut dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und besteht aus dem Hauptsitz in Wilhelmshaven und der Inselstation auf Helgoland. Die wissenschaft- liche Arbeit des Instituts wird von einem Wissenschaftlichen Beirat begleitet, der sich aus acht vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur berufenen Wissenschaftlern/-innen zu- sammensetzt und das Institut und das Ministerium in wissenschaftlichen und organisatorischen Fragen berät.]

Abb. 4. Neubau am Hauptsitz des Instituts in Wilhelmshaven 2011 (Foto: R. Nagel).

2.1.9 Heutige Forschungsschwerpunkte Heutige Forschungsschwerpunkte sind die Vogelzugforschung und die Populationsbiologie. Hinzu kommen Projekte der Umweltforschung. Das Interesse an der Erforschung des Vogelzuges war Wegbereiter für die „Vogelwarte Helgoland“ und bestimmte zunächst seine Forschung für viele Jahrzehnte. Diese frühe Arbeit der „Vogelwarte“ war zugleich mitbestimmend für die Etablierung und Entwicklung einer Vogelzugforschung in Deutschland, die noch heute international führend ist. Neben dem kontinuierlichen Fangbetrieb im Fanggarten der Inselstation stehen heute vor allem Fragen nach der physiologischen und bioche- mischen Kontrolle von Fettdeposition und Zugverhalten im Vordergrund. Der technologische Fort- schritt in der physiologischen und biochemischen Analytik erlaubte erstmalig Untersuchungen auch am lebenden Kleinvogel. Hinzu kamen Untersuchungen zum Rastplatzverhalten und über die Rast- platz- sowie Winterökologie und somit verstärkt auch Fragen nach der Kontrolle des Zugverhaltens durch Umweltfaktoren, wie beispielsweise der Einfluss des Wetters auf Zugablauf und Rastverhal- ten. Hier kommen heute neben der Beringung von Vögeln zunehmend auch neue Technologien zur

96 Aufklärung der Zugwege und Winterquartiere zum Einsatz, wie Satelliten-Telemetrie, GPS-Tra- cking, Geolokalisation und „Stabile Isotope“. Der besondere Stellenwert des Instituts für Vogelfor- schung liegt dabei in seinen Möglichkeiten, Untersuchungen sowohl im Freiland wie im Labor durchführen und vielfältig kombinieren zu können. Der andere Forschungsschwerpunkt ist die Populationsbiologie. Die zeitliche und räumliche Be- standsentwicklung und -dynamik von Vogelbeständen wird im Wesentlichen durch Fortpflanzung und Sterblichkeit sowie Zu- und Abwanderung bestimmt. Die demographischen Parameter unterlie- gen natürlichen Schwankungen und menschlichen Einflüssen, wie beispielsweise Zunahme der Mortalität in Kältewintern, Verringerung der Reproduktion in Folge ungünstiger Witterung und/oder Prädation, sowie Verfolgung und Umweltgifte. Diese demographischen Zusammenhänge zu ver- stehen ist nicht nur von grundsätzlicher Bedeutung für das Verständnis biologischer Prozesse, son- dern auch essentielle Grundlage für Vorhersagen zur Entwicklung der Bestände gefährdeter Arten und damit für nachhaltige Schutzkonzepte. Untersuchungen zur Populationsbiologie von Vogelarten haben im Institut für Vogelforschung eine lange Tradition. Die Langzeituntersuchungen des Instituts gehören mit zu den längsten Datenreihen und haben wichtige Erkenntnisse zur Populationsdynamik von Vögeln geliefert. Standen bisher vor allem Aspekte der jährlichen Reproduktion und der jährlichen Sterblichkeit von Populationen im Vordergrund, so gilt das derzeitige Augenmerk vor allem dem einzelnen Vogel. Denn es zeigte sich, dass meist nur sehr wenige Individuen zum Nachwuchs in einer Population beitragen. Gerade bei langlebigen Arten spielen deshalb Effekte von Alter und Erfahrung eine wichtige Rolle für die Aus- prägung vieler sog. „life-history“ Merkmale wie Ankunfts- und Abzugstermin, Brutbeginn, Kondition, Fortpflanzungserfolg und Überleben. Im Blickpunkt stehen außerdem die Frage, was ein Individuum hoher Qualität auszeichnet, die Vererblichkeit von Merkmalen sowie deren Beeinflussung durch den unterschiedlichen reproduktiven Aufwand der Eltern. Die vom Institut entwickelten Methoden der automatischen Erfassung großer Anzahlen von Individuen schufen hierfür erst die Vorausset- zungen. Ornithologische Grundlagenforschung hat vielfältige Beziehungen zur angewandten Umweltfor- schung. Vögel sind einer Vielzahl menschlicher Einflüsse ausgesetzt, wie Zerstörung oder Beein- trächtigung der Lebensräume, Windenergieanlagen, Umweltgifte, Störungen oder auch Freizeitaktivitäten. Das Institut für Vogelforschung beteiligt sich an der Ausarbeitung und fachlichen Begleitung grundlegender Konzepte und Methoden für wissenschaftlich fundierte Monitoring-Vor- haben. Monitoring seinerseits liefert wiederum wichtige Daten für Belange der Grundlagen- forschung. Gleichzeitig sind die ökologischen Langzeitstudien des Instituts für Vogelforschung auch selbst Umweltbeobachtung und lassen vielfältige Aspekte aktueller Umweltforschung bearbeiten, z. B. zu den Ursachen von Bestandsveränderungen, zur Rolle von Umweltgiften oder zu den mögli- chen Folgen von globaler Klimaerwärmung für die Vogelwelt. Die Langzeitdaten zum Vogelzug auf Helgoland sind diesbezüglich weltweit einzigartig, da nirgendwo sonst Vogelzug über einen so lan- gen Zeitraum so standardisiert untersucht worden ist. Neben seinen wissenschaftlichen Aufgaben ist das Institut für Vogelforschung auch Sitz der Berin- gungszentrale Helgoland und zuständig für die Vogelberingung in den nordwestlichen Bundeslän- dern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Bereits seit 1910 tragen kleine Ringe an Vogelbeinen den Namen Helgoland und den hervorragen- den Ruf des Instituts für Vogelforschung (IfV) rund um den Globus. Die wissenschaftliche Vogelberingung wird von Anfang an vor allem getragen von der Mitarbeit zahlreicher freiwilliger ehrenamtlicher Mitarbeiter, den „Beringern“. Zurzeit verfügt das Institut für Vogelforschung über einen Stab von etwa 260 ehrenamtlichen Mitarbeitern aus ihrem gesamten Einzugsbereich. Ohne die engagierte Mitarbeit dieses Personenkreises wäre die wissenschaftliche Vogelberingung nicht in ihrer ganzen Breite durchführbar. Während jedoch früher vornehmlich möglichst viele Arten in möglichst großer Anzahl „beringt“ wurden, liegen heute die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Vogelkennzeichnung in der sog. Programmberingung.

97 Seit Aufnahme der Beringung durch die „Vogelwarte Helgoland“ vor 100 Jahren wurden nahezu 9 Millionen Vögel von insgesamt 585 Arten (oder unterscheidbaren Unterarten) beringt, von denen bisher von 307 Arten etwa 250 000 Wiederfunde vorliegen. Sie verteilen sich über fast die gesamte Welt. Alle Funde befinden sich, nach einem gemeinsamen europäischen Schlüssel codiert, in einer elektronischen Datenbank und stehen für Analysen zur Verfügung. Sie sind zudem in der Daten- bank aller europäischen Beringungszentralen enthalten, die von der Europäischen Union für Vogel- beringung (EURING) unterhalten wird. Gemeinsam mit der Beringungszentrale Hiddensee und der Vogelwarte Radolfzell am Max-Planck-Institut für Ornithologie entsteht derzeit ein „Atlas des Vogel- zuges der Vögel Deutschlands“. Zum Weiterlesen: Über ihre Arbeiten berichten die Wissenschaftler des Instituts nicht nur in wissenschaftlichen Publi- kationen, das Institut gibt seit 1993 zweijährig den „Jahresbericht des Instituts für Vogelforschung“ heraus, der in kurzer Form über laufende Arbeiten und die Tätigkeiten des Instituts berichtet. Der „Jahresbericht“ richtet sich an die interessierte Öffentlichkeit und steht auch unter www.vogelwarte- helgoland.de im Internet zur Verfügung. Zum Jubiläum ist das Buch ‚100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“‛, heraus- gegeben von Franz Bairlein und Peter H. Becker, erschienen (AULA-Verlag, Wiebelsheim; ISBN 978-3-89104-740-8) sowie ein Schwerpunktheft (April 2010) der Zeitschrift „Der Falke“.

2.2 Veröffentlichungen (mit Bezug zum Küstenraum): Bairlein, F., 2010: Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Vogelwelt. In: M. Fansa u. C. Ritzau (Hrsg.), Kalte Zeiten – Warme Zeiten. Klimawandel(n) in Norddeutschland. Primus Verlag, Darmstadt, 42-45. Bairlein, F., 2010: 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Vogelwarte 48, 295-299. Bairlein, F., 2010: Von den Anfängen bis heute: Das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Der Falke 57, 138-143. Bairlein, F., 2010: 100 Jahre „Vogelwarte Helgoland“. Biologie in unserer Zeit 40, 74-75. Bairlein, F., u. Becker, P. H., 2010: 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Der Falke 57, 136. Bairlein, F., u. Becker, P. H., 2010: 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Aula Verlag, Wie- belsheim. Bauch, C., Kreutzer S., & Becker, P. H., 2010: Breeding experience affects condition: blood metabolite levels over the course of incubation in a seabird. J. Comp. Physiol. B 180, 835-845. Becker, P. H., 2010: Das Individuum im Blickpunkt: Lebensstrategien der Flussseeschwalbe. Falke 57, 150-155. Becker, P. H., 2010: Populationsökologie der Flussseeschwalbe: Das Individuum im Blickpunkt. In: F. Bairlein u. P. H. Becker (Hrsg.), 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Aula Verlag, Wiebelsheim, 137- 155. Becker, P. H., 2010: Schadstoffbelastung von Seevögeln. In: F. Bairlein u. P. H. Becker (Hrsg.), 100 Jahre Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“. Aula Verlag, Wiebelsheim, 189-193. Becker, P. H., 2010: Die Bedeutung lebenslanger Ontogenese für die Life History langlebiger Vögel am Beispiel der Flussseeschwalbe. Vogelwarte 46, 399-400. Becker, P. H., & Dittmann, T., 2010: Contaminants in Bird Eggs in the Wadden Sea: Trends and Perspectives. In: H. Marencic, K. Eskildsen, H. Farke & S. Hedtkamp (eds.), Science for Nature Conservation and Management: The Wadden Sea Ecosystem and EU Directives. Proceedings of the 12th International Scientific Wadden Sea Sym- posium in Wilhelmshaven, Germany, 30 March-3 April 2009. Wadden Sea Ecosystem No 26. Common Wadden Sea Secretariat, Wilhelmshaven, Germany, 205-209. Becker, P. H., & Dittmann, T., 2010: Contaminants in Bird Eggs. Thematic Report No. 5.2. In: H. Marencic & J. de Vlas (eds.), 2009, Quality Status Report 2009. Wadden Sea Ecosystem No. 25. Common Wadden Sea Secretariat, Trilateral Monitoring and Assessment Group, Wilhelmshaven, Germany. Braasch, A., u. Becker, P. H., 2010: Experimentelle Umkehr der Schlupfreihenfolge bei Flussseeschwalbenküken Sterna hirundo: Konsequenzen für Geschwisterbruten? Jber. Institut Vogelforschung 9, 12-13. Exo, K.-M., 2010: Aktuelle Herausforderungen für Ornithologie und Vogelschutz im Wattenmeer: Monitoring - For- schung - Schutz. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 41, 155-178. Exo, K.-M., Becker, P.H., u. Hüppop, O., 2010: Institut für Vogelforschung: Grundlagen für den Umweltschutz. Der Falke 57, 162-168. Exo K.-M., Csik, S., u. Wellbrock, A., 2010: Einfluss von Greifvögeln auf Verteilung und Verhalten von Gastvögeln des Wattenmeeres. Jber. Institut Vogelforschung 9, 16.

98 Exo, K.-M., u. Esser, W., 2010: Vergleichende Untersuchungen zur Tag-Nacht-Aktivität von Wat- und Wasservögeln und ihrer benthischen Beutetiere. Jber. Institut Vogelforschung 9, 17. Exo, K.-M., Trierweiler, C., Koks, B. J., Komdeur, J., u. Bairlein, F., 2010: Zugstrategien europäischer Wiesenweihen Circus pygargus. Jber. Institut Vogelforschung 9, 9-10. Förschler, M. I., 2010: Phylogenie und die Entstehung des Vogelzuges in der Gattung Oenanthe (Steinschmätzer). In: F. Bairlein u. P. H. Becker (Hrsg.), 100 Jahre Institut für Vogelwarte „Vogelwarte Helgoland“. Aula-Verlag, Wie- belsheim, 127-129. Förschler, M. I., del Val, E., & Bairlein, F., 2010: Extraordinary high natal philopatry in a migratory passerine. Journal of Ornithology 151, 745-748. Geiter, O., 2010: Aus der Beringungszentrale. Jber. Institut Vogelforschung 9, 22-24. Geiter, O., u. Bairlein, F., 2010: Wissenschaftliche Vogelberingung. Der Falke 57, 170-171. Hill, R., Hill, K., Hüppop, K., u. Hüppop, O., 2010: Vogelzug über der Deutschen Bucht - gibt es Konflikte mit Offshore- Windparks? Vogelwarte 48, 336-337. Hüppop, K., 2010: Die Vogelberingung auf Helgoland im Jahr 2009. Ornithol. Jber. Helgoland 20, 74-82. Hüppop, K., Dierschke, J., Dierschke, V., Hill, R., Jachmann, K. F., u. Hüppop, O., 2010: Phänologie des „sichtbaren“ Vogelzugs über der Deutschen Bucht. Vogelwarte 48, 181-267. Hüppop, O., 2010: 100 Jahre Vogelforschung auf Helgoland. Vogelwarte 48, 365-366. Hüppop, O., 2010: Vögel: Weltreisende und Vielflieger unter dem Sternenhimmel. In: T. Posch, A. Freyhoff u. T. Uhl- mann (Hrsg.), Das Ende der Nacht. Die globale Lichtverschmutzung und ihre Folgen, 83-98. Wiley-VCH Verlag, Weinheim. Hüppop, O., 2010: Offshore-Windenergieanlagen und Vogelzug. Jber. Institut Vogelforschung 9, 19-20. Hüppop, O., Becker, P. H., u. Exo, K.-M., 2010: Wie werden Vogelbestände von der Nahrungsverfügbarkeit beein- flusst? Der Falke 57, 156-161. Limmer, B., & Becker, P. H., 2010: Improvement of reproductive performance with age and breeding experience de- pends on recruitment age in a long-lived seabird. Oikos 119, 500-507. Ludwig, S., 2010: Partnerwahl eines langlebigen, monogamen Seevogels - Eine Fallstudie am Beispiel der Flusssee- schwalbe Sterna hirundo. Vogelwarte 48, 285-286. Markones, N., Hüppop, O., Adler, S., u. Garthe, S., 2010: Modellierung von Seevogelverteilungsmustern in der Deut- schen Bucht auf Basis hydrografischer Daten. Vogelwarte 48, 370-371. Pol, M. van de, Ens, B. J., Heg, D., Brouwer, L., Krol, J., Maier, M., Exo, K.-M., Oosterbeek, K., Lok, T., Eising, C. M., & Koffijberg, K., 2010: Do changes in the frequency, magnitude and timing of extreme climatic events threaten the population viability of coastal birds? J. Appl. Ecol. 47, 720-730. Rebke, M., Coulson, T., Becker, P. H., & Vaupel, W., 2010: Reproductive improvement and senescence in a long-lived bird. Proceed. National Acad. Sciences 107, 7841-7846. Riechert, J., u. Becker, P. H., 2010: Beeinflussen Hormone den Schlüpferfolg der Flussseeschwalbe Sterna hirundo? Jber. Institut Vogelforschung 9, 14. Riechert, J., Chastel, O., u. Becker, P. H., 2010: Geringere Investition ins Nachgelege? Vergleich von Hormonwerten zwischen erst- und nachlegenden Flussseeschwalben Sterna hirundo. Vogelwarte 46, 357-358. Schmaljohann, H., u. Grande, C., 2010: Die Körperkondition moduliert die Abzugsrichtung der isländi- schen/grönländischen Steinschmätzer auf dem Heimzug. Jber. Institut Vogelforschung 9, 7. Szostek, K. L., u. Becker, P. H., 2010: Flussseeschwalben unter Druck: Welche Konsequenzen hat der anhaltend ge- ringe Bruterfolg für die Demographie der Flussseeschwalbe im Wattenmeer? Vogelwarte 46, 358-359. Thielen, J., u. Hüppop, O., 2010: Welche Wetterbedingungen zwingen nachtziehende Singvögel zur Rast auf Helgo- land? Vogelwarte 48, 351-352. Wellbrock, A., Thyen, S., u. Exo, K.-M., 2010: Ökologische Bedeutung einer wieder verlandenden Kleipütte für Brut- und Rastvögel im westlichen Jadebusen. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 41, 225-239.

3 Aus dem Mellumrat e. V., Dangast 3.1 Zur Strandmüllbelastung der Inseln Mellum und Minsener Oog in den Jahren 2004-2009 (Dr. Thomas Clemens und Mathias Heckroth) Kurzfassung eines ausführlichen Beitrages in der Zeitschrift "Natur- und Umweltschutz", Band 10, Heft 1, April 2011 (zu beziehen beim Mellumrat). Müll in unserer Meeresumwelt ist ein globales ökologisches, wirtschaftliches, gesundheitliches und ästhetisches Problem mit erheblichen Auswirkungen auf die Meeresumwelt. Selbst entlegene Mee- resregionen sind nicht ausgenommen. Strandmüll ist dabei nur der sichtbare Teil von Meeres- verschmutzung.

99 Zu den wichtigsten landseitigen Quellen des Mülls im Meer und an Küsten gehören Abfälle aus Mülldeponien, Flusseinträge, vermüllte Strände und küstennahe Erholungsgebiete sowie Aktivitäten der Fischereiwirtschaft. Zu den wichtigsten seeseitigen Quellen des Mülls zählen die Schifffahrt, Gas- und Ölplattformen, das legale oder illegale Versenken von Müll im Meer sowie verlorene, auf- gegebene oder anderweitig entsorgte Fanggeräte. Viele dieser ins Meer und an die Küsten ge- langten Materialien können lange in der Umwelt verbleiben, da sie nicht sofort verrotten oder abgebaut werden. So können Metallgegenstände bis zu 200 Jahre in der Umwelt verbleiben, Plas- tikkomponenten brauchen bis zu 450 Jahre bis zur Zersetzung und Glasflaschen sogar bis zu 1 Million Jahre. Die Hauptbelastungen durch Müll und besonders Plastik für die Tierwelt sind Auf- nahme von Bestandteilen des Mülls und Verwicklung („Entanglement“) in Resten von Fischereige- rät.

Abb. 1. Ein verendeter Basstölpel, an dessen Schnabel sich Netzreste verfangen haben (Foto: Mellumrat).

Seit Anfang der 90er Jahre wurden vom Mellumrat Ausmaß und Art der Strandvermüllung auf den Inseln Mellum und Minsener Oog im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ systematisch untersucht. Beide Inseln sind international bedeutsame Brut- und Rastgebiete für See- und Küsten- vögel (z. B. M. Heckroth u. E. Hartwig, Natur- und Umweltschutz 1, 62-63, 2002). Für systemati- sche Müllzählungen sind die beiden unbewohnten Inseln gut geeignet, da dort im Gegensatz zu touristisch genutzten Inseln keine Strandreinigungen stattfinden. Das Strandmüllmonitoring wird von den ehrenamtlichen Naturschutzwarten des Mellumrats durch- geführt. Die Müllzählungen erfolgten auf der Insel Mellum an zwei jeweils 100 m langen Strecken- abschnitten; einer am zur Weser exponierten Nordstrand, der andere am zur Jade exponierten Südstrand. Auf Minsener Oog liegt die Zählstrecke an einem 100 m langen zum Seegatt „Blaue Balje“ und dem Rückseitenwatt der Ostfriesischen Inseln exponierten Strandabschnitt. In wöchent- lichem Abstand wurden an den jeweiligen Strandabschnitten die Müllteile eingesammelt und nach Art (Plastik, Papier, Metall, Glas, Fischereigerät, Bekleidung, Nahrungsmittel, Holz und Sonstiges) und Anzahl der Teile erfasst. Der Erfassungszeitraum und die Anzahl der Müllerfassungen in den

100 jeweiligen Zählgebieten schwankten von Jahr zu Jahr aufgrund unterschiedlicher Betreuungszeit- räume. Im Zeitraum 2004-2009 erfolgten auf den Inseln Mellum und Minsener Oog 437 Strandmüllerfassungen, bei denen insgesamt 18.699 Müllteile registriert wurden. Im Mittel wur- den auf 100 m Strandabschnitt 14,0 Müllteile/Zählung gefunden. Davon waren 11,1 Teile Kunst- stoff. Auf allen Zählstrecken und folglich auch insgesamt stellt „Plastik, Styropor, Schaumgummi“ mit 14.612 Teilen (78,1 %) den deutlich größten Anteil am Strandmüll. Den Hauptanteil nehmen dabei „Plastiktüten, Planen, Folien“ (31,3 %) und „Schnüre“ (31,1 %) ein, gefolgt von „Sonstigem Verpa- ckungsmaterial“ (6 %). Damit hat Verpackungsmaterial (ohne Flaschen und Kanister) einen Anteil von 70,5 % am Kunststoffmüll und stellt den größten Müllanteil überhaupt. „Holz“ nimmt mengen- mäßig mit 6,1 % die zweite Position ein. Das Mittel liegt bei 0,9 Teilen Holz pro Zählung. Dabei ha- ben innerhalb dieser Kategorie „Bäume, Äste, Faschinen“, mit 50,3 % den größten Anteil, was möglicherweise auf Küstenschutzarbeiten auf den Ostfriesischen Inseln zurückzuführen ist. Ein- deutig anthropogenen Ursprungs und im engeren Sinne „Müll“ sind 273 Bretter und 86 Balken und Pfähle, die zusammen 31,6 % der Kategorie ausmachen. „Fischereigerät“ stellt mit insgesamt 827 Teilen 4,4 % des Mülls. Das Mittel beträgt 0,6 Teile pro Zählung. Den großen Anteil innerhalb der Kategorie haben Netze mit 52,4 %. Netze und Schnüre werden meist stark verknotet am Strand angespült. Solche Netzhaufen und Seilbündel enthalten häufig viele Einzelteile, die aber nicht ge- trennt erfasst wurden. Diese Reste von Fischereigerät sind insbesondere für Meeresvögel „gefähr- lich“. Vor allem Netz- und Taureste sind eine häufige Todesursache und eine ständige Bedrohung für zahlreiche Wat- und Wasservögel. Die Kategorie „Sonstiges“ nimmt prozentual den 4. Rang am Gesamtmüllaufkommen von 2004 bis 2009 ein. Es wurden insgesamt auf allen drei Streckenab- schnitten 798 Teile „Sonstiges“ gefunden. Dies entspricht einem Fund von 0,6 Teilen pro Zählung. „Metall“ hat einen Anteil von 3 % an der Müllmenge in allen Gebieten. Nur 16 gefundene Getränke- dosen (2,8 %) sind verhältnismäßig wenig, was mit der Regelung des Dosenpfandes seit Januar 2003 in Zusammenhang stehen könnte. Im Mittel wurden 0,4 Teile Metall pro Zählung gefunden. Der Anteil „Kanister“ ist sowohl innerhalb der Kategorie „Metall“ als auch der von „Plastik…“ relativ gering. Im Zeitraum 2004 bis 2009 wurden lediglich 3 Metall- und 37 Kunststoffkanister gefunden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass Kanister Flüssigkeiten wie Öl oder Lösungsmittel enthalten können, von denen eine nicht zu vernachlässigende Gefährdung der Umwelt ausgeht. Die Kategorie „Glas, Porzellan“ hat mit 2 % einen relativ geringen Anteil. Die durchschnittliche An- zahl an Teilen pro Zählung beträgt 0,3. Glasflaschen und Gläser sind möglicherweise im Strandmüll unterrepräsentiert, da viele bereits auf den Meeresboden abgesunken sein dürften. Über Auswir- kungen von „Flaschen“ und „Glasresten“ auf die marine Umwelt ist relativ wenig bekannt. Es wur- den in der Vergangenheit jedoch Fische gefunden, die sich in einer einseitig offenen Neonröhre gefangen hatten. Seehunde können sich beim „Robben“ auf dem Strand an Glasresten verletzen. „Bekleidung“, „Nahrungsmittel“ und „Papier, Pappe“ machen weniger als 1 % am Müllaufkommen aus. Welche Lösungen kann es für das Problem der Vermüllung der Meere und Küsten geben? Konven- tionen und Verordnungen auf lokaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene gibt es aus- reichend. Die Wirksamkeit dieser Verordnungen und Konventionen muss schärfer überwacht und auch stärker sanktioniert werden. Zum anderen muss ein Umdenken in den Gesellschaften zum Verbrauch und Gebrauch der die Umwelt gefährdenden Kunststoffe erfolgen. Stoffliche Wiederver- wertung und Energierückgewinnung sowie nachhaltiger Umgang mit diesen Stoffen sind die Stich- worte. Weiterhin kann die Verwendung von Polymeren, die sich schneller abbauen als konventionelles Plastik, eine weitere Möglichkeit zur Lösung sein. Im Verbrauch der die Tierwelt gefährdeten Plastiktüten ist schon ein Umdenken zu erkennen: die Großstadt San Francisco hat sie aus den Supermärkten verbannt; nur Stoff- und Papiertüten oder biologisch abbaubare Produkte dürfen verwendet werden. – Auf gar keinen Fall darf die Müllverschmutzung zu einem akzeptierten, obwohl unansehnlichen Merkmal der Meeres- und Küstenökosysteme werden.

101 4 Einzelbeitrag 4.1 Gänseland Ostfriesland – Gänseforschung in Niedersachsen (Dr. Helmut Kruckenberg, European Whitefronted Goose Research Programme, Verden) Ostfriesland ist durch seine küstennahe Lage am Zugweg der meisten arktischen Gänsearten schon seit dem 19. Jahrhundert als ein wichtiger Zwischenrastplatz bekannt. Das Rheiderland im Landkreis Leer stellt hierbei ein regionales Zentrum von hoher Bedeutung dar. Seit 1971 werden die Gänse im Rheiderland im Rahmen ehrenamtlicher Zählungen durch eine Gruppe engagierter Gänsefreunde aus dem NABU Leer kontinuierlich erfasst (H. Kruckenberg, J. Jaene, H.-H. Bergmann, Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 28, 1996) und seit Ende der 1990er Jahre wird die- ses Monitoring durch die Bestandskontrollen für die Vogelschutzgebiete ergänzt. Seit Beginn der Dokumentation hat sich sowohl die Artenzusammensetzung als auch die räumliche Verteilung der rastenden Vögel deutlich verändert. Auffällig ist vor allem der rasante Zuwachs der Weißwangen- gansbestände. Erst 1974 wurden die ersten vier Weißwangengänse im Rheiderland festgestellt. Anfang der 2000er Jahre wurde die bisherige Höchstmarke von 77.000 Individuen erreicht. Wir wollen aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse aus dem Gebiet ergründen, ob die Zu- nahme der Weißwangengans negative Auswirkungen auf die anderen Gänsearten, insbesondere die Blessgans, gehabt hat. Den Wildgansbeständen ist es in den letzten 200 Jahren schlecht ergangen. War die in Mitteleu- ropa brütende Graugans noch im 19. Jahrhundert regelmäßiger Brutvogel am Dollart, galt sie ab der Jahrhundertwende in Westdeutschland und den Niederlanden als ausgestorben. Arktische Ar- ten wie Saat-, Bless- und Weißwangengans waren aufgrund verschiedener anthropogener Fakto- ren (H. Kruckenberg u. J. H. Mooij, Ber. Vogelschutz 44, 2007) in den 1950er und 1960er Jahren derart im Bestand zurückgegangen, dass für viele Arten eine akute Bedrohung bestand. Seitdem haben sich die Bestände der meisten Gänsearten erfreulich erholt, eine traurige Ausnahme bildet aber die Zwerggans, um deren Überleben in Freiheit Anlass für größte Sorge besteht. Seit den 1960ern wurden international zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Wildgänse verstärkt zu schützen und so konnten die Bestände der arktischen Gänse wieder erstarken. Doch die Entwick- lung verlief dabei nicht für alle Gänsearten gleich: Bless- und Saatgänse nahmen in Westeuropa zu, während sie im gleichen Maß in Südosteuropa zurückgingen, die Ringelgans nahm bis Mitte der 1990er Jahre zu und brach dann um knapp 30 % ein. Die Weißwangengans dagegen scheint noch immer im Bestand zu wachsen. Ansiedlungsmaßnahmen und möglicherweise auch natürliche Aus- breitung haben die Graugans als typischen Brutvogel der norddeutschen Feuchtgebiete heute wie- der präsent gemacht. Diese Entwicklung lässt sich aufgrund der vorliegenden Ergebnisse in der Ems-Dollart-Region (Abb. 1) und auch in anderen Teilen Ostfrieslands deutlich nachvollziehen. Zunächst entwickelten sich die Bestände der Blessgans langsam, doch mit Einstellung der Blessgansjagd in Niedersach- sen in den 1980er Jahren nahmen sie deutlich zu. Danach schwanken die Maximalzahlen im Ge- biet von Jahr zu Jahr, doch im langjährigen Mittel stagnierten die Bestände bis zum Winter 2004/05. Danach ist eine erneute Zunahme der Maximalzahlen zu erkennen. Die Bestandserholung der Gänse bewirkte zudem, dass die Blessgänse in Gebiete wie die Leda-Jümme-Niederung, die Ost- friesischen Binnenmeere, die Flumm-Fehntjer-Tief-Niederung u. a. zurückkehrten und hier auch heute während des Höhepunktes des Frühjahrszuges zu erleben sind. Deutlich anders verhält es sich mit der Weißwangengans, die sich seit der ersten Beobachtung 1974 mittlerweile zur dominie- renden Gänseart im Winterhalbjahr entwickelt hat (Abb. 1), die den ostfriesischen Küstenraum und zunehmend auch die weiter binnenlands gelegenen Rastgebiete entdeckt (Abb. 2). Während das Wachstum der Gesamtpopulation der Blessgans seit Mitte der 1990er Jahre stagniert, wächst der Bestand der Weißwangengans weiter. Die Saatgans war in den 1950er Jahren in Ostfriesland häu- fig, in den 1980er Jahren noch eine zahlreiche Art in der Dollartregion. Heute ist sie überall weitge- hend verschwunden. Sie hat ihre Rastgebiete in die großen Maisanbaugebiete des Emslandes und der niederländischen Fehnkolonien verlegt.

102

Abb. 1. Bestandsentwicklung von Bless- und Weißwangengans in der Ems-Dollart-Region (1971-2011, Maximalzahlen, nach: K. Gerdes unpubl., eigene Daten).

Die ganz ähnliche Kurzschnabelgans war bis in die 1950er Jahre ein ebenfalls sehr zahlreicher Gast insbesondere am Jadebusen und im Leda-Jümme-Gebiet. Diese Rastvorkommen sind heute erloschen. Einzig entlang der Küste finden sich unter besonderen Witterungsbedingungen kurzzei- tig größere Scharen ein. Die beiden in Ostfriesland häufigsten arktischen Gänse, Blessgans und Weißwangengans (auch Nonnengans genannt), brüten nördlich des Polarkreises etwa von der Kanin-Halbinsel ostwärts. Während die Weißwangengans ausschließlich in der Barentssee-Region brütet, erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Blessgans von Kanin bis zur Taimyr-Halbinsel.

Abb. 2. Verbreitung rastender Bless- und Weißwangengänse auf der ostfriesischen Halbinsel (Mittel durch Synchronerfassungen Okt., Jan., März 1995-2005).

103 Während die sibirischen Weiten im Sommer für die Jungenaufzucht der Gänse und die Mauser den Vorteil einer hohen Biomasseproduktion, eines vergleichsweise geringen Feinddruckes und einer potentiellen Fresszeit von 24 Stunden haben, können bereits Ende August die ersten Schneestürme die bei der herbstlich schwachen Sonnenlichtausbeute ohnehin nur noch geringwer- tige Nahrung bedecken und die sicheren großen Fluchtgewässer vereisen. Die Arktis wird als Le- bensraum für diese Vögel lebensfeindlich. Sie ziehen in ihre Winterquartiere mit milderem Klima. Dabei orientieren sie sich etwa auf einer 5°C-Isokline, so dass sie ganzjährig recht gleichbleiben- den Temperaturbereichen folgen. Auf ihrem jährlichen Zug von den arktischen Brutgebieten in die Winterquartiere und zurück benötigen sie zahlreiche Zwischenrastgebiete. Während es im Herbst und in den Wintermonaten für die Vögel überwiegend gilt zu überleben, müssen sie sich mit Beginn des Frühjahres auf den Zug in die Brutgebiete vorbereiten. Dazu bauen sie Fettreserven auf. Diese decken den Energiebedarf des Zuges und des nachfolgenden Brutgeschäfts. Daher folgen die Gänse auf dem Frühjahrszug dem Bereich einer für sie günstigen Vegetationsphase („Green wave hypothesis“) und nutzen überwiegend günstige Rückenwindlagen. Die Nahrungsqualität und -ver- fügbarkeit ist dabei – sowohl für Weißwangen- als auch für Blessgänse – ein Schlüsselfaktor für den zeitlichen Ablauf des Frühjahrszuges. Dabei sind die Zugstrategien unterschiedlich: während Bless- und Saatgänse innerkontinental ziehen und sich bereits Ende März auf den Weg nach Nord- osten machen, rasten Weißwangengänse auf ihrem Zug zeitlich abgestimmt in den Zwischenrast- gebieten zwischen dem Wattenmeer, Gotland, dem Weißen Meer und dem Pechora-Delta. Witterung und Klimaveränderungen in den Brutgebieten können daher maßgeblichen Einfluss auf die Gänsebestände haben. Ebenso werden sie durch Prädatoren und anthropogene Nutzungen in der Arktis beeinflusst. Die Bestandsentwicklung der Weißwangengänse in den letzten Jahrzehnten hatte allerdings zur Folge, dass die Zwischenrastgebiete im Ostseebereich heute nicht mehr ausreichend Nahrung für die gesamte Population zur Verfügung stellen können. Während sich einerseits die arktischen Brut- gebiete nach Westen verlagert haben, bleiben die Weißwangengänse zudem etwa vier Wochen länger in der Wattenmeerregion. Gerade die Zunahme der Weißwangengans sowie deren verlän- gerte Rastdauer im Wattenmeer verursacht aktuell Konflikte, vor allem mit der Landwirtschaft, hat aber auch Folgen für die intraspezifische Konkurrenz unter den Gänsearten in den Wintergebieten, doch möglicherweise auch in den Brutgebieten. Die niedersächsische Küste und damit besonders auch Ostfriesland sind für die Gänse wichtige Zwischenrastplätze auf dem Zugweg. Das nordwestliche Ostfriesland ist bedingt durch die geogra- fische Lage und seinen Reichtum an Seen („Meere“) bzw. flachen Meeresbuchten und Ästuaren ein attraktives Rastgebiet für nordische und arktische Wildgänse. Zentrum eines jeden Rastgebietes ist ein sicherer Schlafplatz. Sichere Plätze um die Nacht geschützt vor Feinden zu verbringen, sind in der Kultur- aber wohl auch in der historischen Naturlandschaft Norddeutschlands selten. Generell ist der überwiegende Teil potentieller Nahrungsräume für die Gänse durch das Fehlen geeigneter Schlafplätze nicht nutzbar. Im Normalfall übernachten die Gänse im tidebeeinflussten Bereich der Küsten, wo sie bei Ebbe auf dem Watt und bei Flut auf dem Wasser schlafen. Im Süßwasserbe- reich schlafen die Vögel in der Regel auf stehenden Gewässern. Daher finden sich die Hauptrast- vorkommen Ostfrieslands auch in den dollartnahen Grünlandgebieten: im Rheiderland sowie Moormerland, Westoverledingen (Landkreis Leer) und der südlichen Krummhörn sowie dem nördli- chen Emsland. Wie bis in die 1950er werden heute zeitweilig auch die angrenzenden Niederungen von den Gänsen genutzt. Weitere wichtige Rastgebiete stellen die Ostfriesischen Meere und die Leybucht dar. Zudem gibt es kleinere Rastvorkommen auf den Inseln und entlang des Wattenmee- res (z. B. bei Ostbense und Neuharlingersiel, Abb. 2). Zwischen den ostfriesischen Rastgebieten gibt es unterschiedlich ausgeprägte Wechselbewegungen. Das Zugverhalten der Gänse sowie die konkrete Herkunft der in Ostfriesland rastenden Gänse sind bis heute im Detail nicht verstanden. Aus diesem Grund wird eine intensive Beringung der ver- schiedenen Populationen durch zahlreiche Institutionen betrieben. Im Rheiderland und am Jadebu- sen wurden bereits einige Gänse mit Halsmanschetten versehen, die eine individuelle Erkennung mit Fernglas oder Spektiv erlauben.

104 Diese Arbeit soll – neben der Markierung von Vögeln im Brutgebiet – in den kommenden Jahren fortgesetzt und intensiviert werden. Auch der Einsatz modernster Technik wie Satellitensender wurde bereits genutzt, um die Zugwege der arktischen Gänse besser zu verstehen (Abb. 3).

Abb. 3. Zugrouten besenderter Blessgänse im Frühjahr 2007 (Feb.-Juni).

4.2 Wildgansforschung in Ostfriesland – Anpassung an eine anthropogen bestimmte Landschaft Seit 1971 werden die rastenden Gänse kontinuierlich wissenschaftlich untersucht. Mitte der 1990er Jahre gründete sich aus Anlass gleich mehrerer Diplom- und Doktorarbeiten an der Universität Os- nabrück dort die AG Gänseforschung unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Heiner Bergmann. Schwer- punkte der Forschung sind einerseits Grundlagen der Ökologie und Zugverhalten (entlang des Zugweges und auch in den Brutgebieten) und zudem naturschutzfachlich orientierte Untersuchun- gen in Norddeutschland. Die Arbeitsgruppe ist heute unter dem Dach der Deutschen Ornithologen- Gesellschaft (DO-G) weiterhin aktiv. Als Grundlage für die naturschutzfachlichen Entscheidungen zur Konfliktminderung mit den regio- nalen Landwirten wird seit Ende 1997 das Ems-Dollart-Gebiet sowie über mehrere Jahre hinweg auch die Krummhörn sowie die Ostfriesischen Binnenmeere untersucht. Ziel war hierbei, zunächst die Schwerpunkte der räumlichen Verteilung der rastenden Gänse aufzuzeigen. In Kooperation mit der Landwirtschaftskammer wurden zudem in 1997–1999 und 2008–2010 Untersuchungen zu den Auswirkungen der Gänsebeweidung auf die landwirtschaftlichen Flächen durchgeführt. In der Folge dieser Untersuchung und der Ausweisung des Gebietes als EU-Vogelschutzgebiet entschied das niedersächsische Umweltministerium, den Landwirten vor Ort sog. „Gänseschutzverträge“ anzu- bieten. Im Rahmen der Effizienzkontrolle für den Vertragsnaturschutz konnten die Untersuchungen weitergeführt werden und liefern aufgrund standardisierter Erfassungsmethoden heute wertvolle Ergebnisse.

105 Gänse nutzen als Herbivore („Pflanzenfresser“) ihre Rastgebiete systematisch nach physiologischen Erfordernissen. Die Nahrungsgebiete der Gänse unterliegen individuellen Traditio- nen. Die arktischen Gänse sind in Ostfriesland zu über 95 % Grünlandnutzer. Raps und Winterge- treide wird selten und nur dort genutzt, wo es kaum attraktive Alternativen gibt. Doch selbst von dem Gras fressen die Gänse nicht alles: Die proteinreichen Grasspreiten müssen nach einer Be- weidung zunächst nachwachsen. Hierdurch ergeben sich regionale Weidezyklen von Nord nach Süd, die je nach Witterung 9–16 Tage dauern können und alle nutzbaren Parzellen umfassen. Hieraus ergeben sich gewichtige Konsequenzen für den Vogelschutz: Verluste an Grünlandflächen bedeuten automatisch eine Entwertung des Rastgebietes. Flächenverluste können dabei durch ganz unterschiedliche Faktoren bedingt sein: Windanlagen verursachen Meideverhalten von weidenden Gänsen. Die Nutzung im Nahbereich von (je nach Anlagentyp) bis 600 m ist deutlich vermindert. Ebenfalls halten die Vögel einen Meideabstand zu Straßen und Wegen, der je nach Verkehrsdichte unterschiedlich ausfällt. Bejagung von Gänsen führt dazu, dass diese sensibel auf Menschen reagieren (H. Kruckenberg, J. Bellebaum, V. Wille, Vogelwelt 129, 2008) und hierdurch belebte Bereiche nicht mehr nutzen können. Direkte Überbauung der Nahrungsflächen stellt natürlich den nachhaltigsten Verlustfaktor dar. All diese Faktoren haben bereits heute zu einer deutlichen Verkleinerung des Rastgebietes „Rheiderland“ geführt.Auch wurde untersucht, ob Gänse und andere Zugvögel Tierkrankheiten übertragen könnten, doch fanden sich keine Anhaltspunkte. Für die Gänse ändert sich die ostfriesische Landschaft stetig. Besonders deutlich wird dies an den Salzwiesen: Weißwangen- und Ringelgans nutzen die Andelrasen der Unteren Salzwiesen. Diese waren in der natürlichen Dynamik einem steten Werden und Vergehen unterworfen. Doch seitdem die Salzwiesen ab dem 18. Jahrhundert stetig durch Eindeichungen verkleinert (zuletzt der Hauener Hooge in den 1980ern) und die Uferlinie heute mit Steinpackungen gesichert ist, gibt es diese Dynamik nicht mehr. Allerdings wurden die Salzwiesen intensiv durch Schafe und Rinder genutzt und der Andelrasen weit verbreitet. Mit Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer sollte die Beweidung der Salzwiesen vollständig aufgegeben werden. Eine Gefahr für die Gänse? Wohin, wenn außendeichs Hochstaudenfluren aus Strandastern aufkommen und es binnendeichs nur Getreidefelder gibt? Die Habitatnutzung der arktischen Gänse in und um die Leybucht wurde Ende der 1990er Jahre untersucht. Im Vordergrund stand die Frage, welchen Einfluss die Beweidung der außendeichs gelegenen Salzwiesen auf die Verteilung der Weißwangen- und Ringelgänse in der Leybucht haben. Damals stand zur Diskussion, nach der Schließung von Leysiel und dem Bau des Norder Tiefs bis zum Leyhörn, die Beweidung im Buscher Heller ebenfalls einzustellen wie dies zu- vor auf der Mittelplate geschehen war. Durch die Analyse der Verteilungs-, Vegetationsdaten und Habitattypen konnten wichtige Empfehlungen für das Management der Vorlandbereiche entwickelt werden: Die Habitatnutzung der Gänse hing vorrangig von der Beweidungsintensität durch Vieh und von der Grasbedeckung des Bodens ab. Es gab eine geringe Präferenz für die am schwächsten beweidete Fläche. Bedeutsam war auch die Dichte der jungen Sprosse beliebter Nahrungspflanzen wie Meerstrandaster Aster tripolium, Meerstrandwegerich Plantago maritima und Stranddreizack Triglochin maritimus sowie der Agrostis stolonifera-Vegetationstyp. Die Beweidungseinstellung wird eine geringere Kapazität des Gebiets für weidende Meeresgänse zur Folge haben. Da der Nationalpark auch für die arktischen Gänse eine große Bedeutung hat, wurde aufgrund dieser Forschungsergebnisse entschieden, den Buscher Heller weiterhin mit einer geringen Viehdichte beweiden zu lassen. Und doch löste dies die Konflikte mit der lokalen Landwirtschaft nur bedingt: in den Wintermonaten kommen die Gänse noch immer ins Binnenland, denn dann bietet der Andel keine ausreichende Nahrung. Dies allerdings war schon immer so: bereits Otto Leege berichtet, dass die Gänse regelmäßig hinter dem Deich nach Nahrung suchen. Nur gab es dort damals Marschengrünland, das seit den 1970er Jahren sukzessive in Ackerland umgewandelt wurde.

106 4.3 Ausblick Wie die historische Literatur belegt, gehören Wildgänse seit jeher zu Ostfriesland. Dies ist in den Jahrzehnten nach den Weltkriegen etwas „in Vergessenheit geraten“. Mit dem politisch gewünsch- ten und naturschutzfachlich erforderlichen Erstarken der Populationen kommt es nun häufiger zu lokalen bzw. regionalen Konflikten. Im Zentrum steht dabei die Landwirtschaft, die Schäden durch die winterlichen Gänse bemängelt. Gleichzeitig ist es aber gerade diese Intensivlandwirtschaft, zu deren Gunsten die traditionellen Lebensräume der Gänse überformt oder zerstört wurden. Der ein- zelne Landwirt ist gefangen im ökonomischen System der EU-Subventionen, verbunden mit einem dramatischen Zwang zur Intensivierung („Strukturwandel“), der nicht zuletzt auch die Wiesenvogel- bestände massiv in Mitleidenschaft zieht. Dies bedeutet aber für die Zukunft, dass es an der Politik ist, hier Auswege zu suchen. Die Forschung kann mit ihren Ergebnissen und ihrem Sachverstand wichtige Richtungshinweise geben und sollte parallel immer eingebunden werden, um die Wirk- samkeit von Maßnahmen zu überprüfen. Gerade bei Populationen, die auf ihrem Zug viele Staaten durchqueren und in den verschiedenen Gebieten ganz unterschiedlichen Einflüssen unterliegen, ist ein breiter Forschungsansatz erforderlich. Dazu braucht es ganzheitliche Ansätze, die neben den Untersuchungen im Überwinterungsgebiet gerade auch solche in den Rast- und Brutgebieten bein- halten. Deutschland kommt eine sehr hohe Verantwortung für den Schutz der arktischen Brutvögel zu: das Wattenmeer, die Flussniederungen und Seenplatten werden von fast jedem arktischen Brutvogel im Laufe des Jahres als Trittstein genutzt. Daher sollte die deutsche Verantwortung für den Schutz dieser Arten nicht an unseren Landesgrenzen enden. Weiterführende Informationen und Literatur finden sich auf der Internetseite der Gänseforscher: http://www.blessgans.de.

107 F KÜSTENINGENIEURWESEN UND WASSERWIRTSCHAFT

Sachbearbeiter: Baudirektor Dipl.-Ing. a. D. Klaas-Heinrich Peters, ehem. Geschäftsbereichsleiter in der Betriebsstelle Brake-Oldenburg des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz

1 Richtlinien und Projekte der Europäischen Union 1.1 Wasserrahmenrichtlinie (WRRL-2000/60/EG) Mit der Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt ist die Wasserrahmenrichtlinie am 22. Dez. 2000 in Kraft getreten. Mit dieser Richtlinie haben sich die EU-Staaten verpflichtet, Flüsse, Seen und das Grundwasser gemeinsam auf einem hohen Niveau zu schützen. Die Richtlinie nennt für die Durchführung verschiedene Zeitphasen. Die Bestandsaufnahme wurde im März 2005 mit dem Bericht an Brüssel vorläufig abgeschlossen. Dieser Bericht beschreibt die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf die Oberflächengewässer und das Grundwasser als Basis für die weiteren Schritte: Bestimmung der Umweltziele, Maßnahmenplanung, Bewirtschaftungspläne. Die WRRL unterscheidet zwischen natürlichen, künstlichen und erheblich veränderten Gewässern. Eingeschlossen sind auch die Küstengewässer. Im Gegensatz zu den natürlichen Gewässern muss bei den erheblich veränderten Gewässern das ökologische Potenzial bestimmt werden. Die Richtlinie schreibt die Umsetzung der Maßnahmenprogramme bis Ende 2015 vor, eröffnet aber eine Verlängerung um zweimal sechs Jahre. Bereits jetzt ist abzusehen, dass hiervon in vielen Ländern Gebrauch gemacht werden muss. In Niedersachsen von besonderer Bedeutung sind der nötige Abfluss aus Gründen der Hochwas- sersicherheit, die nötige Vorflut für die Entwässerung und wegen der dichten Besiedlung und inten- siven Nutzung der Landschaft die Lage der Gewässer. Weil diese Fragen besonders die Gewässerunterhaltung berühren, hat der Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e. V., Landesverband Niedersachsen seinen gemeinsam mit dem Wasser- verbandstag Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (WVT) e. V. am 31. Mai 2011 in Hanno- ver veranstalteten 52. Fortbildungslehrgang unter das Leitthema „Gewässerunterhaltung im Focus der Anforderungen der EG-WRRL“ gestellt. Die einzelnen Fachvorträge und der Leitfaden „Gewässerunterhaltung in Niedersachsen“ vom April 2011 sind abrufbar unter: www.bwk-niedersachsen.de.

1.2 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL-2008/56/EG) Analog zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie werden auch in der Meeresstrategie-Richtlinie ökonomische Instrumente und Methoden mit dem wasserwirtschaftlichen Handeln verbunden. Sie ist damit eine weitere wichtige Säule der Europäischen Gewässerpolitik. Artikel 1 MSRL beschreibt das Ziel der Richtlinie: „Mit dieser Richtlinie wird ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen die Mit- gliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um spätestens bis zum Jahr 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen oder zu erhalten.“ Bis zum 15. Juli 2012 sind eine Anfangsbewertung der Meere, die Beschreibung des guten Umweltzustandes und die Festlegung der Umweltziele vorzunehmen. Trotz zahlreicher Analogien zur Wasserrahmenrichtlinie finden besonders die ökonomischen Anfor- derungen keine direkte Entsprechung: gebührende Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Belange bei der Festlegung der Ziele, Kosten einer Verschlechterung der Meeresumwelt, gesell- schaftliche Analyse. Es ist vorgesehen, bei der Umsetzung die bisherigen Arbeiten und Ergebnisse der regionalen Mee- resübereinkommen zu berücksichtigen. Für Deutschland sind dies die Arbeiten der Kommission

108 des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (Oslo-Paris-Kommis- sion – OSPAR) und für die Ostsee die der ebenfalls zwischenstaatlichen Kommission zur Durchfüh- rung des Helsinki-Abkommens (HELCOM).

2 Kuratorium für Forschung im Küsteningenieurwesen – KFKI (siehe auch Heft 44/2007, F 1591) Der Zusammenschluss der in der Küstenforschung tätigen Verwaltungen des Bundes und der Län- der im KFKI unterstützt den Wissenstransfer im Küsteningenieurwesen mit zweckmäßigen Daten- und Informationstechniken. Das gilt besonders für die vom Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) geförderten KFKI-Forschungsprojekte. Diese Aufgabe wurde zunächst durch die Herausgabe der Zeitschrift „Die Küste“ wahrgenommen. Mittlerweile ist ein vielseitiges Informati- onsangebot seitens der Geschäftsstelle Bestandteil der KFKI-Öffentlichkeitsarbeit.

2.1 KFKI-Bibliothek Die KFKI-Bibliothek hat einen Bestand von mehr als 18 000 Medieneinheiten mit Bezug zum Küs- teningenieurwesen und zur Küstenzone. Diese können online in der Verkehrswasserbaulichen Zentralbibliothek (VZB) recherchiert werden. Weitere Literaturbestände sind im Katalog der mee- reswissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands der Arbeitsgemeinschaft Meereskundlicher Bib- liotheken (AMB), in der auch die KFKI-Bibliothek Mitglied ist, nachgewiesen.

2.2 „Die Küste“ Die deutschsprachige Zeitschrift „Die Küste“ erscheint seit 1952 mit Aufsätzen aus Forschung und Technik an der Nord- und Ostsee. Sie wurde bis 1972 vom Küstenausschuss Nord- und Ostsee, der im KFKI aufging, herausgegeben. Heute hat sie eine Auflage von 650 Exemplaren und steht in den Mitgliedsverwaltungen des KFKI, in Bibliotheken sowie Hochschulen mit Schwerpunkt im Küs- teningenieurwesen als wissenschaftliche Veröffentlichung zur Verfügung. Neben der Publikation von Ergebnissen aus den KFKI-Projekten werden auch die Arbeiten des Fachausschusses für Küstenschutzwerke (FAK) als Referenzwerke veröffentlicht. Englischsprachige Themenhefte stellen den Bezug zur internationalen Fachwelt sicher.

2.3 KFKI-Seminar Am 15.Oktober 2010 fand das 15. KFKI-Seminar zur Küstenforschung im Deutschen Schiffahrts- museum in Bremerhaven statt. In sieben Fachvorträgen wurden laufende oder gerade abgeschlos- sene KFKI-Projekte und küstenbezogene Forschungsprojekte anderer Träger präsentiert: Prof. Dr.-Ing. Andreas Malcherek (Universität der Bundeswehr München): Beschreibung der Dynamik (Entstehung, Entwicklung und Transport) von Flüssigschlick auf Grundlage der physikalischen Prozesse und deren mathematische Implementation zum Sedimentmanagement in Küstengewässern, Dr.-Ing. Harro Heyer (Bundesanstalt für Wasserbau, Hamburg-Rissen): Aufbau von integrierten Modellsystemen zur Analyse der langfristigen Morphodynamik in der Deutschen Bucht – Überblick und Bearbeitungsstrategie, Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen): Freibordbemessung von Ästuar- und Seedeichen unter Berücksichtigung von Wind und Strömung, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jensen, Dipl.-Ing. Thomas Wahl (Universität Siegen): Meeresspiegeländerungen in der Deutschen Bucht, Dr.-Ing. Torsten Frank (Universität Siegen): Untersuchungen zu Tideketten und Verweildauern in der Deutschen Bucht, Dr.-Ing. Astrid Sudau, Dipl.-Ing. Robert Weiß (Bundesanstalt für Gewässerkunde): Entwicklung eines operationellen Höhenüberwachungssystems für Pegel im Bereich der Deutschen Bucht, Dipl.-Ozeanogr. Stephan Dick (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie): Ein Projekt zum Aufbau Europäischer Basisdienste. Kurzfassungen bzw. Präsentationen der Referate sind über die Website des KFKI abrufbar.

109 2.4 KFKI-aktuell Seit 10 Jahren erscheint der Newsletter KFKI-aktuell, der aus den laufenden Küstenforschungs- projekten berichtet, die vom BMBF durch den Projektträger Jülich (PTJ) gefördert werden. Mittler- weile ist eine Auflage von 1000 Exemplaren erreicht, die an Hochschulen mit Küstenforschungsaktivitäten und die im KFKI zusammengeschlossenen Verwaltungen verteilt wird. Eine Ausgabe in englischer Sprache steht auf der KFKI-Website zur Verfügung und wird per Email international von der Geschäftsstelle beworben.

2.5 Website www.kfki.de Das gesamte Informationsangebot des KFKI ist über die o. a. neue Website online verfügbar. Hier sind sämtliche elektronisch vorliegende Dokumente und Veröffentlichungen aus den mehr als 200 Forschungsprojekten, aus der KÜSTE und dem Newsletter mit einer Volltextsuche recherchier- bar. Auch ist die Suche über alle Metadaten zu Geodaten realisiert, die in NOKIS aus 14 Bundes- und Landesdienststellen für Wasserbau, Küstenschutz, Naturschutz und Wasserwirtschaft gemein- sam publiziert wurden. Der öffentliche Teil der Seite wird durch die Zusammenstellung von Doku- menten und Verweisen zu aktuellen Fragestellungen des Küsteningenieurwesens abgerundet. Der interne Bereich bietet eine zentrale Informationsdrehscheibe für den Wissenstransfer für alle laufenden Küstenforschungsprojekte. Vertreter und Mitarbeiter aller Gremien des KFKI und der laufenden Projekte können die dort hinterlegten Dokumente und Materialien für ihre Studien nutzen.

3 Arbeiten des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – NLWKN 3.1 Direktion 3.1.1 Jahresbericht 2010 Wie in den Vorjahren informiert auch der Jahresbericht 2010 über das gesamte Spektrum der Ar- beit des NLWKN. Der diesjährige Jahresbericht enthält auf insgesamt 50 Seiten 40 Aufsätze aus den Bereichen Küsten- und Hochwasserschutz, Wasserwirtschaft, Naturschutz und Strahlenschutz. Enthalten ist eine dreiseitige Übersicht mit den wichtigsten Zahlen aus Wasserwirtschaft, Natur- schutz und Strahlenschutz in Niedersachsen. Der Jahresbericht steht als Download (www.nlwkn.de) und auch als kostenlose gedruckte Version zur Verfügung.

3.1.2 Generalplan Küstenschutz – Ostfriesische Inseln Im Jahr 2007 hat der NLWKN den „Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/Bremen – Festland“ vorgelegt (siehe Heft 44/2007, F 1592). In einem zweiten Schritt wurde im Mai 2010 als Band 2 der „Generalplan Küstenschutz Niedersachsen – Ostfriesische Inseln“ herausgegeben. Er gibt einen Überblick über den Küstenschutz auf den sieben dauerhaft bewohnten ostfriesischen Inseln (Stand 1. Januar 2010). 35,1 km Hauptdeiche und 97,3 km Schutzdünen (eingeschlossen Schutzdünen in der Unterhaltung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes) gewähr- leisten den Inselschutz. 17 km Hauptdeiche und 9 km Schutzdünen müssen verstärkt werden. Die Kosten hierfür und für den Ausbau der Seebuhnen werden auf insgesamt rd. 300 Mio. € veran- schlagt. Der Generalplan Inselschutz steht als Download (www.nlwkn.de) und auch als kostenlose Druckversion zur Verfügung.

110 3.2 Forschungsstelle Küste Die laufenden Arbeiten, über die bereits berichtet wurde, wurden fortgesetzt.

3.2.1 Historisches Kartenmaterial nach Homeier Auf die Arbeiten des 1981 verstorbenen Hans Homeier aufbauend liegt jetzt das historische Kar- tenwerk in einer von Hans-Joachim Stephan und Hanz-Dieter Niemeyer ergänzten und überarbei- teten Fassung vor. Nicht nur für Küstenschutzplanungen, sondern auch für im Küstenbereich tätige Geologen, Geografen, Biologen und wissenschaftlich interessierte Personen allgemein ist damit wieder ein einmaliges Kartenwerk verfügbar. Dargestellt wird der Küstenverlauf für 1650, 1750, 1860 und 1960. Die Karten werden ergänzt durch eine Beschreibung der Entwicklungen seit dem 13. Jahrhundert, soweit das die Quellenlage zulässt. Damit wird das wissenschaftliche Vermächtnis Hans Homeiers für die Nachwelt gesichert und ergänzt durch aktuelle Untersuchungsergebnisse, die bislang nur in vielen Einzeldarstellungen verstreut zu finden waren. Zu beziehen ist das Werk als „Berichte der Forschungsstelle Küste Band 43/2010 – Historisches Kartenmaterial nach Homeier“ über den Webshop des NLWKN (133 Seiten, 30 € + Versand).

3.3 Betriebsstelle Brake-Oldenburg: Tidal River Development – TIDE Der NLWKN – Betriebsstelle Brake-Oldenburg, die Freie Hansestadt Bremen, die Universität Bre- men, Rijkswaterstaat (NL), das Flämische Ministerium: Referat für Mobilität und öffentliche Aufträge (BE), die Universität Antwerpen (BE), das Institute of Estuarine and Coastal Studies (UK) und die Environment Agency (UK) als Projektpartner bearbeiten das durch die Europäische Union geför- derte Projekt „Tidal River Development“, in dem für die Ästuare von Weser, Elbe, Humber und Schelde, allesamt einer intensiven Nutzung unterliegende Schifffahrtswege zu großen Seehäfen, Strategien für eine nachhaltige Bewirtschaftung entwickelt werden sollen. Weite Teile der genann- ten Ästuare sind Bestandteil des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und unterliegen somit strengen naturschutzfachlichen Zielvorgaben. Eine wesentliche Chance von TIDE besteht in seiner internati- onalen Perspektive, die es den am Projekt beteiligten Behörden und Universitäten ermöglicht, von den Erfahrungen ihrer europäischen Nachbarn zu profitieren und vergleichbare Herausforderungen so besser zu bewältigen. Inhaltliche Zielsetzungen sind ein besseres Verständnis der natürlichen Prozesse im Ästuar und ihres gesellschaftlichen Nutzens (z. B. für Küstenschutz, Tourismus und ökologische Vielfalt), eine optimierte Kommunikation mit den verschiedenen Nutzergruppen vor Ort und die Ableitung von Empfehlungen für die Planung und Umsetzung konkreter Maßnahmen, die dem Ökosystem unmit- telbar zugute kommen. Die Laufzeit von TIDE beträgt drei Jahre (Januar 2010 bis Oktober 2012). Das Finanzvolumen be- trägt 3,7 Mio. €, das zu 50% über das INTERREG IV B Nordseeprogramm der EU finanziert wird.

4 III. Oldenburgischer Deichband: Kleiabbau im Deichvorland Seit 2003 wird der Elisabethgrodendeich östlich von Harlesiel auf rund 12 km Länge ausgebaut. Für diesen Ausbau werden 1,5 Mio. m³ deichfähiger Klei benötigt. Der größte Teil wurde im Binnenland nordwestlich von Hohenkirchen, Gemeinde Wangerland gewonnen. Die dort gewonnene Menge („Wangersee“) reicht aber nicht aus. Weil zuvor der Landkreis Friesland in einer raumordnerischen Beurteilung (siehe Heft 41/2004, F 1527) nachgewiesen und in einer landesplanerischen Feststel- lung am 11.7.2002 zum Ausdruck gebracht hat, dass weiterer deichfähiger Klei im Binnenland, im deichgeschützten Bereich der Gemeinde Wangerland, nicht verfügbar ist, hat der III. Olden- burgische Deichband am 28.12.2008 (Datum des Antrags: 18.1.2008) beantragt, den fehlenden

111 Klei im Deichvorland in unmittelbarer Nähe der Deichbaustelle zu gewinnen. Der Landkreis Friesland hat diese Entnahme mit Nebenbestimmungen am 10.2.2010 planfestgestellt. Das Abbauvorhaben wird folgerichtig durch ein Kontrollprogramm begleitet, das dazu dient, • die Umsetzung der geplanten Vorkehrungen zur Vermeidung sowie der Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen einer ökologischen Baubegleitung vorzubereiten und die technische Ausführung zu begleiten, • den Erfolg der Vorkehrungen zur Vermeidung sowie die Ausgleichsmaßnahmen zu überprüfen und ggf. Korrekturmaßnahmen einzuleiten, • die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung prognostizierten Auswirkungen des Vorhabens zu kontrollieren, mit den realen Auswirkungen abzugleichen und um nötigenfalls nicht erwarte- ten unerwünschten Entwicklungen durch rechtzeitige Abhilfemaßnahmen gegenzusteuern und • die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung prognostizierten Regenerationsabläufe in den Abbauflächen durch Kontrollen mit den realen Entwicklungen abzugleichen und den Regenera- tionserfolg im Sinne der naturschutzfachlichen Zielsetzungen zu überprüfen. Der Kleiabbau im Binnenland nordwestlich von Hohenkirchen wird 2011 abgeschlossen. Der Klei- abbau im Elisabethaußengroden soll 2012 beginnen und sich über vier Jahre erstrecken. Der Abbau findet nach der Brutzeit von Juli bis Oktober eines Jahres statt. Der jeweilige Jahresbe- darf wird in jeweils in sich abgeschlossenen Pütten gewonnen, wobei die jeweilige Pütte unmittelbar nach erfolgtem Abbau endgültig hergerichtet und natürlichen Entwicklungen überlassen wird. Naturschutzrechtliche Grundlage in diesem Verfahren ist ein Rechtsgutachten des Rechtsanwalts Dr. jur. Erich Gassner, Ministerialrat a. D., Bonn, vom April 2007. Anders als der Deichbau selbst ist die Beschaffung des Baumaterials Klei nicht privilegiert. Die Kleigewinnung ist in Gebieten vorge- sehen ist, für die die europäische Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH-Richtlinie) und die Vogel- schutzrichtlinie gelten. Dieser Bereich ist deshalb Teil des kohärenten europäischen Netzes „Natura 2000“. Daraus folgt, der Kleiabbau muss verträglich mit der FFH-Richtlinie sein und darf die ökolo- gische Integrität des Gebietes nicht beeinträchtigen. Raumordnerisch wird das Schutzziel „Vorrang von Natur und Landschaft“ durch die Zulassung des Kleiabbaus nicht aufgegeben, sondern nur temporär und räumlich begrenzt beeinträchtigt. Natur- schutzrechtlich ist die Ausnahme nur zulässig, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Dabei ist das Euro- parecht zu beachten.

5 Ausstellungen und Veranstaltungen 5.1 Verbundprojekt „Alles fließt“ Vom Mai bis Oktober 2010 haben sieben Museen und Kultureinrichtungen des Oldenburger Landes das kulturgeschichtliche Phänomen des nassen Elements aus überwiegend regionalhistorischer Perspektive beleuchtet, um so die Bedeutung des Wassers in der Landschaft, in der Architektur, in der Sach- und Alltagskultur, in Sprache und Mythen deutlich werden zu lassen. Das vielfältige Pro- gramm wurde in Kooperation mit dem Kulturrat der Oldenburgischen Landschaft durchgeführt. Die Ausstellung im Museumsdorf Cloppenburg hatte das Thema „Alltägliches Wasser“ und be- schäftigte sich mit dem Problem der mühsamen Trinkwasserversorgung bei hoch anstehendem Grundwasser, Brackwasser an der Küste und verdrecktem Brunnenwasser in Geest- und Moorge- bieten. Bei der Ausstellung „Jämmerliche Fluten – Herrliches Meer“ im Schlossmuseum Jever stand die „Wahrnehmung“ des Meeres in seiner Vielschichtigkeit als mentalitätsgeschichtliches Phäno- men im Vordergrund. Das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg präsen- tierte unter „Flüsse im Strom der Zeit“ für den norddeutschen Raum die Flüsse Elbe, Weser, Ems und Hunte aus den Perspektiven verschiedener Fotografen des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung

112 „Wasserwelten“ im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg zeigte beispielhaft die unter- schiedlichen Nutzungen des Wassers durch den Menschen in den drei Themenkomplexen Was- serbau, Bodenkultur und Wasser in der Mechanik (Wasseruhr, barocke Unterhaltungsautomaten). Erfasst wurde der Zeitraum von der klassischen Antike bis zum Barock (dazu der Katalog „Was- serwelten – Badkultur und Technik“ mit 250 Seiten und ca. 150 meist farbigen Abbildungen). Das Stadtmuseum zeigte in „Oldenburg – Stadt am Wasser“, dass für die Entwicklung der Stadt Olden- burg die Lage am Wasser von entscheidender Bedeutung war und ist. Der Einfluss der Hunte, der Bau des Hunte-Ems-Kanals und später des Küstenkanals auf Handel und Wirtschaft wurde ebenso behandelt wie der der Einrichtung der zentralen Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung um 1900 auf den Gesundheitsschutz und die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige mit deren wechselseitigen Einflussnahme von wirtschaftlicher Entwicklung und zunehmender Hygienisierung in Oldenburg. Unter der Überschrift „Lebensspender und Wirtschaftsfaktor“ zeigte das Staatsarchiv Oldenburg die Wassernutzung anhand ausgewählter Karten, Bilder und Dokumente. Verdeutlicht wurde die Bedeutung des Wassers als treibender Wirtschaftsfaktor im Oldenburger Land und in Nordwestdeutschland. Die gewerbliche Fischerei, der Seehandel, die Hafenwirtschaft an den Un- terweserhäfen, der Schiffbau und die Binnenschifffahrt auf dem Küstenkanal wurden ebenso be- handelt wie der Gewässer- und Umweltschutz. Besonders interessant war der Einblick in die wechselvolle Geschichte der Wasserversorgung der Marinestadt Wilhelmshaven und die großflä- chige Wasserversorgung durch den Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband. Nicht uner- wähnt bleiben darf die Inszenierung „De Schimmelrieder“ durch das Oldenburgische Staatstheater zusammen mit dem Ensemble der August-Hinrichs-Bühne, die Storms bekannten Stoff in nieder- deutscher Sprache im Freilichtmuseum Cloppenburg und am Schloss in Jever auf die Bühne brachten.

5.2 Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg – Sonderausstellung „Kalte Zeiten – Warme Zeiten: Klimawandel(n) in Norddeutschland“ Mit dem obigen Thema befasste sich eine Sonderausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch vom 30. April bis 1. August 2010. Ausgehend vom Klimawandel in der Vorgeschichte und Geschichte im norddeutschen Küstenbereich und den Auswirkungen auf den prähistorischen Fau- nenwandel beschäftigte sich die Ausstellung mit den aktuellen Methoden der Meteorologie, bereits zu beobachtenden Auswirkungen auf die Tierwelt, auf die Vogelwelt und die Verbreitung von Krankheitsüberträgern. Die spezifischen Auswirkungen auf den Küstenraum (Küstenschutz, Küs- tenpflanzen, Folgen für Ems, Weser und Elbe, Wattenmeer) wurden ebenso behandelt wie be- kannte und auch mögliche Reaktionen, Vermeidungs- und Anpassungsstrategien und vorliegende Planungen im Küstenschutz. Abgerundet wurde die Ausstellung mit Fragen der Klimaforschung und deren Auswirkung auf die internationale Politik, Handlungstipps für jeden und Vorschlägen zur Di- daktik der Vermittlung. Veröffentlichung: Kalte Zeiten – Warme Zeiten: Kimawandel(n) in Norddeutschland, Begleitschrift zur Sonderausstellung. Darmstadt 2010. (nach Mitteilungen zusammengestellt von K.-H. Peters, Oldenburg)

113 G MUSEEN UND AUSSTELLUNGEN

Sachbearbeiterinnen: Prof. Dr. Antje Sander, Leiterin des Schlossmuseums Jever und Museumsdirek- torin Dr. Ursula Warnke, Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven

1 Historisches Museum Aurich 1.1 Schein und Sein – Die Lambertikirche in Aurich 16.05.2010 – 19.09.2010 Die Lambertikirche feiert ihren 175. Geburtstag. Ihre Geschichte ist älter: Graf Moritz von Olden- burg stiftete eine Kirche, um die herum die mittelalterliche Marktsiedlung zur Stadt heranwuchs. Der Lambertiturm ist ihr Wahrzeichen, der mittelalterliche Kirchenbau wurde durch einen klassizis- tischen ersetzt: beliebte Motive nicht nur für Auricher Künstler. Gezeigt wurden u. a. Gemälde und Druckwerke von Martin Betzou, Alf Depser und Johann Georg Siehl-Freystett. Zeitgenössische Fotografie richtet ihren Fokus vorzugsweise auf die Menschen: Ann Sophie Lindström, Studentin der Fachhochschule Hannover, begleitet Kantor Winfried Schmidt mit der Kamera und der Foto- kreis im MTV Aurich porträtiert einzelne Gemeindemitglieder.

1.2 Frauen & Mädchen in den 50er Jahren – Arbeitsgruppe Geschichte am Gymnasium Ulricianum 22.06.2010 – 05.12.2010 Nach einem Jahr voll mit Treffen, Planungen, Interviewen und Sammeln ist die Ausstellung über Mädchen und junge Frauen in den 1950er Jahren endlich fertig. Lena Röstel, Stefanie Dirks, Katrin Waalkens und Finja Trebesch eröffneten mit Frau Junge und Herrn Jansing die Ausstellung im Historischen Museum. Sinalco und Brause-Bonbons wurden dankend angenommen, während über die präsentierten Gegenstände und Fotos diskutiert wurde.

1.3 Oben nicht ohne Hut 09.10.2010 – 11.09.2011 1961 hatte Aurich noch drei Hutgeschäfte, 1956 waren es fünf und um 1900 sogar acht. Das Hut- und Putzmachergewerbe hatte in der ostfriesischen Beamtenstadt ein gutes Auskommen. Für das 19. Jahrhundert belegen Dokumente im Staatsarchiv, dass niemand ohne Konzession seine Hüte verkaufen durfte. Handel und städtisches Handwerk waren geschützt. Die Ausstellung zeigte die Geschichte der Hut- und Putzmacher der ostfriesischen Städte des 20. und 19. Jahrhunderts. Zwi- schen den historischen Hüten hinter Glas sah man auch bewegte Hüte auf den Köpfen der Frauen. Junge, B., 2010: Oben nicht ohne Hut.

2 Schifffahrtsmuseum der oldenburgischen Weserhäfen in Brake e. V. 2.1 Seekisten – Vielzweckmöbel der Seeleute 27.09.2009 – 17.01.2010 Die ausnahmslos mit einem Schloss versehenen Kisten enthielten die gesamte persönliche Habe der Seeleute. Für sie war dieses Möbel das einzige Stück Privatsphäre an Bord eines Schiffes. Als Vielzweckmöbel kann man die Kisten bezeichnen, weil sie in den engen Unterkünften eines Schif- fes gleichzeitig als Sitzgelegenheit dienten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verlor sie an Bedeu- tung und wurde zunehmend durch Seesäcke und Koffer ersetzt. Gezeigt wurden Stücke aus der Sammlung Peter Barrot, Schleswig-Holstein, die von der Truhe eines Walfängers aus der Zeit um 1730 bis hin zur neuzeitlichen Replik reichte.

114 2.2 Maritime Augenblicke – Kunstausstellung Hans Peter Jürgens 12.09.2010 – 30.01.2011 Hans Peter Jürgens, 1924 als Sohn eines Kapitäns in Cuxhaven geboren, erwarb sein nautisches Patent 1953 in Elsfleth. Sieben Jahre war er für die Schwergutreederei DDG Hansa, Bremen, auf den Weltmeeren unterwegs, bevor er im Jahr 1960 als Lotse nach Kiel ging. Jürgens’ Aquarelle und Gemälde zeigen das breite Spektrum maritimer Erlebniswelten auf faszinierende Weise und sind zugleich auf Leinwand gebannte Schifffahrtsgeschichte. Oft sind seine Werke geprägt durch eige- nes Erleben und Erfahren. Neben bekannten Werken wurden in der Ausstellung im Schiffahrts- museum auch einige Bilder gezeigt, die vorab noch nie in der Öffentlichkeit präsentiert worden sind. Sie dokumentieren die Bandbreite des Schaffens von Hans Peter Jürgens, der mittlerweile als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Marinemaler Deutschlands gilt.

3 Historisches Museum Bremerhaven 3.1 Die Militarisierung der Kinderzimmer – Kriegsspielzeug macht Jungen mit dem Militär- dienst vertraut 01.12.2009 – 20.06.2010 Die Kabinett-Ausstellung zeigt Spielzeugsoldaten aus Zinn und "Massefiguren" vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Zeitlich reichen die Armeen im Miniaturformat vom Mittelalter bis zur Reichswehr der frühen 1930er Jahre. Highlight der Ausstellung ist eine komplette, handgefertigte Ritterburg, die dem Historischen Museum Bremerhaven kürzlich gestiftet wurde. Gezeigt werden außerdem "Wi- king"-Schiffsmodelle der Kriegsmarine sowie Brett- und Quartettspiele aus den beiden Weltkriegen.

3.2 Vorort von New York – Das bremische Bremerhaven 1860 – 1930 26.06.2010 – 24.10.2010 Das bremische Bremerhaven nahm unter den norddeutschen Städten in politischer und wirtschaft- licher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Bevor Bremerhaven einen Eisenbahnanschluss nach Bre- men hatte, gab es bereits eine regelmäßige transatlantische Verbindung nach New York. Einzigartige historische Fotografien, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen, erzählen von den Besonderheiten, aber auch vom Alltag im bremischen Bremerhaven. Erstmals bietet eine Ausstel- lung die Möglichkeit, dem längst vergangenen Leben und Arbeiten in der Hafenstadt in seinen viel- fältigen Facetten und spezifischen Ausprägungen intensiv zu begegnen. Der Blick auf die transatlantische Ausrichtung des bremischen Bremerhaven in der Zeit vor und nach 1900 liefert nicht nur faszinierende Einblicke in die Geschichte der Hafenstadt, sondern auch wichtige Auf- schlüsse über die Ursachen späterer Strukturprobleme.

3.3 Historische Hafenmotive aus der Sammlung Bremenports 11.11.2010 – 25.01.2011 3 000 Glasplattennegative aus der Zeit um 1900 bis circa 1930, die dem Museum kürzlich von der Hafengesellschaft Bremenports gestiftet wurden, dokumentieren eindrucksvoll alle Hafenbau- projekte in Bremerhaven und Geestemünde, zum Beispiel den Bau der Doppelschleuse, der Nord- schleuse oder der beiden Kaiserdocks. Die Aufnahmen zeigen aber auch die Arbeit im Hafen, Schuppen und Kräne, verschiedene Hafenpanoramen und viele interessante Schiffe, von Vier- schornsteindampfern des Norddeutschen Lloyd im Kaiserhafen über Spezialschiffe der Hafenbau- inspektion bis hin zu Frachtsegelschiffen im Handelshafen. Das Löschen der ersten Bananendampfer im Kaiserhafen ist ebenso dokumentiert wie die erste Fischauktion in Halle X. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von bislang größtenteils unveröffentlichten Fotografien.

115 3.4 Souvenirs, Souvenirs – Erinnerungsstücke von Seereisen im Wandel der Zeit 07.07.2010 – 31.07.2011 Bremerhaven bildete seit dem frühen 19. Jahrhundert für viele See- und Kreuzfahrtreisen den Aus- gangs- und Endpunkt. Besatzungsmitglieder, Seereisende und Touristen brachten von ihren Reisen Souvenirs als Erinnerungsstücke an die Reise und die fernen Länder mit nach Bremerhaven. Mit dem Aufkommen touristisch organisierter Seereisen seit Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine verstärkte Nachfrage nach Souvenirs, besonders nach solchen Stücken, die als authentisch oder typisch für das Herkunftsland gelten. Die Kabinettausstellung zeigt Souvenirs aus unterschied- lichsten Herkunftsländern, von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre. Dazu zählen beispielsweise der präparierte Panzer einer Meeresschildkröte und Tierpräparate eines Kaimans und eines Seehasens, sowie Zähne und Wirbel von Haifischen, die von Seeleuten aus der Karibik, Südamerika und dem Nordatlantik mitgebracht wurden. Außerdem werden weitere Souvenirs wie Seemannsarbeiten, englische Kaminhunde, eine philippinische Pfeife und asiatische Hinterglas- malereien gezeigt.

4 Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven 4.1 „Rudolf Haack – Industriepionier unter drei Kaisern“ 29.11.2009 – 14.03.2010 Auf den Grundlagen neuer Forschungen und Quellen wird hier das Arbeitsleben des bisher größ- tenteils ungekannten Ingenieurs Rudolph Haack und sein Einfluss auf die Schifffahrtsgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beleuchtet. Am 12. Dezember 1909 verstarb der Schiff- bauingenieur und Zivilingenieur Rudolph Haack in Eberswalde östlich von Berlin. Seine Biografie ist ein Spiegel für zentrale Entwicklungen der deutschen Schiffbauindustrie im kaiserlichen Deutsch- land. In seinem beruflichen Netzwerk finden sich zahlreiche, für diese Entwicklungen ebenfalls be- deutsame Persönlichkeiten. Bisher unbekannt sind die Verbindungen zu Kaiser Wilhelm II. Ausstellung und Begleitbuch sind Ergebnisse der Forschungs-Kooperation des Deutschen Schiffahrtsmuseums (DSM), Bremerhaven, und des LWL-Industriemuseums (LWL-IM), Dortmund. Die Fortsetzung des Projekts ist geplant. Schinkel, E., u. Scholl, L. U. (Hrsg.), 2009: Rudolph Haack (1833 – 1909) Industrie-Pionier unter drei Kaisern. ISBN 978-3-89757-471-7.

4.2 175 Jahre Rickmers. Eine Familien- und Firmengeschichte 10.03.2010 – 31.05.2010 und 20.06.2010 – 31.12.2010 Sie war das angesehenste Schiffbauunternehmen in Europa und eines der weltweit führenden: die Rickmers Werft, die 1986 in Bremerhaven für immer ihre Pforten schloss und vor 175 Jahren in Bremerhaven gegründet wurde. Anlässlich dieses Jubiläums zeigt das Deutsche Schiffahrtsmuseum in einer großen Sonderausstellung die Familien- und Firmengeschichte von 1834 bis heute. Die Ausstellung basiert auf den Forschungsergebnissen von zwei Doktoranden, die die Familien- und Firmengeschichte aufgearbeitet haben. In Szene setzte die Ausstellung eine Projektgruppe, die von der Kulturwissenschaftlerin Christina Voigt koordiniert wurde. Dokumente, Fotos, Filme, Schiffsmodelle und Erinnerungen aus dem Besitz der Nachfahren, die heute in fünfter Generation in der Schifffahrt tätig sind, veranschaulichen abwechslungsreich die Geschichte der Unternehmerfamilie. Scholl, L. U., 2010: Eine Familien- und Firmengeschichte. ISBN 978-3-86927-216-0.

116 4.3 Spektakuläre Architektur am Wasser – Werner Krömeke 01.03.2010 – 11.01.2011 Der Künstler-Architekt Werner Krömeke charakterisiert nicht nur die Ästhetik aktueller Bauten, son- dern engagiert sich auch für die Verschönerung und Aufwertung von Kliniken, Kirchen, Treppen- häuser und Schulen. Bremerhaven ist nicht nur mit seinen neuen spektakulären Bauten vertreten, sondern auch mit einer Farbgestaltung im Friedrich-Schiller-Haus der Volkshochschule Bremer- havens. Krömeke, W., 2010: Spektakuläre Architektur am Wasser.

4.4 Seemann – Kumpel – Eisenbahner. Sozialversicherung zwischen 1880 – 1930 01.05.2010 – 17.10.2010 Arbeitsunfähigkeit war schon immer das größte Armutsrisiko. Die Ausstellung wirft einen Blick in die historischen Arbeitswelten auf See, unter Tage und auf Schienen. Sie fragt nach alltäglichen und besonderen Gesundheits- und Unfallgefahren und stellt die Entwicklung der sozialen Absicherung dar. Die kleine Sonderausstellung präsentiert in einer ungewöhnlichen Zusammenschau eine Viel- zahl eindrücklicher Fotos und überraschender Objekte, etwa präparierte Malariamücken, histo- rische Arbeitskleidung, medizinisches Gerät, ein raumhohes Original-Zugsignal aus der Zeit um 1900, ein Seefahrtsbuch von der TITANIC, Arbeitsschutzplakate und vieles mehr. Die Ausstellung entstand im Rahmen des Forschungsprojekts der Leibniz-Gemeinschaft „Vergangenheit und Zu- kunft sozialer Sicherungssysteme am Beispiel der Bundesknappschaft und ihrer Nachfolger“. Be- gleitend erscheint eine gleichnamige Katalogbroschüre von Lars U. Scholl (Herausgeber) und Sonja Kinzler und Jens Buttgereit (Bearbeiter). Kinzler, S., 2010: Seemann Kumpel Eisenbahner: Sozialversicherung zwischen 1880 und 1930. Eine Sonderausstel- lung im Deutschen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven. ISBN 978-3-86927-217-7.

4.5 NORDLANDREISE. Die Geschichte einer touristischen Entdeckung 19.12.2010 – 01.05.2011 Die aufwendigen Recherchen zur Ausstellung spürten diesen Fragen nach: Wie wurde der einst unwirtliche hohe Norden zum Sehnsuchtsland vieler Reisender und zu einer letztlich lukrativen tou- ristischen Destination? Was war das Faszinierende an dem Land, welche Bilder machten Norwe- gen zum begehrten Reiseziel? Welche geistesgeschichtliche Haltung steckt hinter den Stereotypen von unberührter Natur und wie veränderten sie sich in den vergangenen knapp 200 Jahren? Nicht zuletzt geht es um die Frage, was die „Lustreisen zur See“, wie die Kreuzfahrten früher hießen, bis heute so attraktiv macht. Kinzler, S., u. Tillman, D., 2010: Nordlandreise. ISBN 978-3-86648-137-4.

4.6 125 Jahre Leuchtturm Roter Sand 31.10.2010 – 30.01.2011 125 Jahre ist er alt, und immer noch steht er majestätisch wie ein Fels in der Brandung mitten im Meer, auf halbem Weg zwischen Bremerhaven und Helgoland. Der Leuchtturm Roter Sand gilt als technische Meisterleistung und wurde dafür nun ausgezeichnet als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“.

117 5 Deutsches Sielhafenmuseum Carolinensiel 5.1 … und fuhren übers Meer 01.08.2010 – 07.11.2010 Der große Erfolg der letzten Ausstellung mit maritimen Themenquilts zeigt, dass die deutsch–nie- derländische Gruppe MeerArt zur Spitze der europäischen Textilkünstlerinnen gehört. Die Ausstel- lung wurde nach dem Start in Carolinensiel in den Niederlanden, der Schweiz und demnächst in Prag gezeigt. Auch diese Ausstellung zeigt wieder bisher ungesehene künstlerische Sichtweisen auf unser maritimes Thema.

5.2 ORA et LABORA – Schifferalltag contra Seefahrtsromantik 16.05.2010 – 07.11.2010 Der Arbeitsalltag auf dem Küstensegler ORA ET LABORA und die dramatische Rettungsaktion beim schweren Unfall des Schiffes im Jahre 1909 stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Anschau- lich wird das harte Leben an Bord geschildert, das mit Seemannsromantik wenig zu tun hatte.

5.3 Schein und Sein. Ostfrieslands Kirchen im Blick von Künstlern und Fotografen 20.03.2010 – 25.07.2010 Unser Beitrag zum Ausstellungsprojekt des Museumsverbundes Ostfriesland. In Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde Carolinensiel entstand ein Portrait des kirchlichen Engagements und der Geschichte der Gemeinde in Carolinensiel.

5.4 Das Rätsel der Sandbank. Illustrationen von Peter Turz 26.12.2010 – 08.01.2011 Das Deutsche Sielhafenmuseum in Carolinensiel zeigte von Sonntag, 26. Dezember, bis Sonn- abend, 8. Januar, 28 Aquarell-Illustrationen des Grafikers und Malers Peter Turz aus Holtgast zu dem bekannten Spionageroman „Das Rätsel der Sandbank“. 1903 veröffentlichte der Brite Erskine Childers seinen Roman „The Riddleofthe Sands“ vor dem Hintergrund des Rüstungswettlaufs zwi- schen der Deutschen Flotte und der Royal Navy.

6 Museumsdorf Cloppenburg 6.1 Süße Verlockung. Von Zucker, Schokolade und anderen Genüssen 27.09.2009 – 31.01.2010 Die Geschichte von Zucker und süßen Naschereien ist Thema einer Sonderausstellung im Muse- umsdorf Cloppenburg. Gezeigt werden bei der Schau prächtige Pralinen, Schokoladenschachteln und bunte Bonbondosen aus der Zeit von der Jahrhundertwende bis in die jüngste Vergangenheit. Außerdem wird auch erklärt, wann der Schokoladen-Mohr geboren wurde, seit wann es lila Kühe gibt, wer die Milchschokolade erfunden hat und was Zwerge mit Schultüten zu tun haben. Ein Ge- ruchskabinett lädt zum Schnuppern und Erraten süßer Düfte ein. Allerdings thematisiert die Aus- stellung nicht nur die schönen Seiten süßer Genüsse. Auch die Schattenseiten des «süßen Lebens» werden dargestellt – etwa Übergewicht oder Folgeerkrankungen wie Diabetes. In diesem Zusammenhang birgt ein Ratespiel unter der Fragestellung «Wie viel Zucker ist hier drin?» einige aufschlussreiche Überraschungen. Heidrich, H. (Hrsg.), 2007: Süße Verlockung – Von Zucker, Schokolade und anderen Genüssen. ISBN 9783980749077.

118 6.2 Vasasacra. Da berühren sich Himmel und Erde. Schätze aus katholischen Kirchen des Oldenburger Landes 15.04.2010 – 29.08.2010 Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt des Bischöflich Münsterschen Offizialates Vechta, der Oldenburgischen Landschaft, der Katholischen Akademie Stapelfeld und des Museumsdorfes Cloppenburg. Gezeigt werden über 100 Kelche, Ziborien, Monstranzen, Salbgefäße und Reliquiare: Kirchenschätze aus 1000 Jahren. Arbeitsgemeinschaft Vasasacra (Hrsg.), 2010: Vasasacra. Da berühren sich Himmel und Erde. Schätze aus den ka- tholischen Kirchen des Oldenburger Landes. ISBN 978-3-402-12839-8.

6.3 Adel auf dem Lande 25.04.2010 – 31.10.2010 Seit September 2004 zeigt das Museumsdorf eine Dauerausstellung zur Kultur- und Sozialge- schichte des Adels im Weser-Ems-Raum im 17. und 18. Jahrhundert, die sich mit jährlich wech- selnden Exponaten präsentiert. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Bereiche adeligen Lebens wie "Repräsentation", "Persönliches und Privates" und "Feiern und Feste".

6.4 Alles fließt. Zur Kulturgeschichte des Wassers 29.05.2010 – 31.10.2010 Das Oldenburger Land ist von Wasser und Eis geformt worden, die historischen Spuren sind über- all in der Landschaft präsent, wie auch das gegenwärtige Bild dieser Kulturlandschaft – insbeson- dere an der Küste – vom nassen Element geprägt wird. Mit dem Klimawandel hat die Gefahr von Sturmfluten zugenommen, Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und anhaltende Trocken- phasen treten stärker ins Bewusstsein. Mit dem Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt „‚Alles fließt‛. Kulturgeschichte des Wassers“ wollen sieben Museen und Institutionen des Oldenburger Landes das Phänomen des nassen Elements aus überwiegend regionalhistorischer Perspektive beleuchten, um so die Bedeutung des Wassers in der Landschaft, in der Architektur, in der Sach- und Alltagskultur, im Glauben und in Mythen deutlich werden zu lassen. Unterschiedliche Begleit- programme rundeten das dezentral angelegte Projekt ab, das in Kooperation mit dem bei der Ol- denburgischen Landschaft angesiedelten Kulturrat im Oldenburger Land durchgeführt wurde. Meiners, U., u. Kulturrat, 2010: Alles fließt: zur Kulturgeschichte des Wassers. ISBN 978-3-89946-146-6.

6.5 „... nach Paris und weiter“. Heinz Witte-Lenoir. Ein Maler auf Reisen 14.11.2010 – 20.02.2011 Aus dem kleinen Dorf Lintel bei Hude sei er Ende des 19. Jahrhunderts über Löningen und Italien nach Paris gekommen, und dort wie kein anderer Künstler von hier ganz nahe an die Großen des Impressionismus und der Zeit danach herangekommen. Er habe Reisen nach Südfrankreich, nach Dalmatien und Griechenland, nach Marokko und Ägypten bis nach Indien unternommen, die seine Malerei geprägt und ihn immer wieder neu inspiriert hätten. Es gibt kaum einen Künstler aus unse- rer Region, der in Porträts und Landschaften so unmittelbar die indische Atmosphäre reflektiert habe. Die große Werkschau des Malers anlässlich seines 50. Todestages zeigt die Bilder eins der interessantesten Maler des Oldenburger Landes. Witte-Lenoir, H., 2010: … nach Paris und weiter. ISBN 978-3-402-12876-3.

119 7 Ostfriesisches Landesmuseum Emden 7.1 Im Bann der Nordsee. Poppe Folkerts. Retrospektive zum 60. Todestag 06.12.2009 – 04.10.2010 Die See war das alles bestimmende Thema von Poppe Folkerts. Nach dem Kunststudium in Berlin und Paris wie ausgedehnten Hochseefahrten auf der Ostsee und im Mittelmeer kehrte er auf die Insel zurück, wo er sich 1913 ein Atelierhaus mit uneingeschränktem Blick über das Meer errich- tete. Geprägt durch die Kunstziele der Impressionisten, und bald auch berührt von der prächtigen Farbigkeit der Expressionisten, richtete Folkerts sein künstlerisches Interesse auf die ebenso kraftvolle wie sensible Wiedergabe des spezifischen Nordseewetters, des kühlen Wasser, der feuchten Luft und des hellen Lichts. Er malte die See und den Alltag an der Küste, die Tjalken der Fischer, die kleinen Segelboote und die ersten Dampfer. Folkerts unverwechselbare Schilderungen der See und der nordeuropäischen Küstenlandschaft haben bis heute nichts von ihrer Faszinationskraft verloren. Die Werkschau, die das Ostfriesische Landesmuseum Emden anlässlich des 60. Todestages des Künstlers mit vielen Leihgaben auf privatem und öffentlichem Bereich zeigt, bot erstmals die Möglichkeit, das Schaffen des Künstlers in ganzer Breite kennenzulernen. Kanzenbach, A. (Hrsg.), 2009: Veröffentlichungen des Ostfriesischen Landesmuseums Emden, Heft 29, Katalog zur Ausstellung „Im Bann der Nordsee. Der See- und Landschaftsmaler Poppe Folkerts (1875-1949), Retrospektive“. Mit Beiträgen von Arndt, K., Fleischer, M., Katzenbach, A. u. Potztal, M., 182 S.

7.2 Berthold Socha. Photographien 1969 – 2009 28.02.2010 – 25.04.2010 Berthold Socha, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie, blickt als Lichtbildkünstler auf eine Schaffenszeit von mehr als 40 Jahren zurück. Die aktuelle Ausstellung ist eine Retrospek- tive, die sein Werk der letzten vier Jahrzehnte unter verschiedenen Aspekten vorstellt: Landschaf- ten, Menschen, Begegnungen.

7.3 Schein oder Wirklichkeit? Realismus in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts 09.05.2010 – 12.09.2010 Das Ostfriesische Landesmuseum Emden stand im Sommer ganz im Zeichen des „Abenteuers Wirklichkeit“. Es wurden Werke aus dem „Goldenen Zeitalter“ der niederländischen Malerei präsen- tiert, die für ihre realistische Darstellung bewundert werden. Lange Zeit hielt man die Bilder der holländischen Meister wegen ihrer Lebensnähe für getreue Schilderungen der Alltagswelt. Heute weiß man, dass diese ästhetisch faszinierenden Werke weit mehr in sich bergen. In einer Auswahl von etwa 60 Gemälden sind Arbeiten so bedeutender Maler wie Jan Steen, Frans van Mieris, Wil- lem Kalf oder Samuel van Hoogstraten zu sehen. Die Alltagsdarstellungen, Landschaften, Tierbil- der, Interieurs und Stillleben faszinieren in der Wiedergabe der Atmosphäre, der Beleuchtung und Stofflichkeit. Höhepunkte sind illusionistische Kunststücke, die mit der wiedergegebenen und künstlerischen Realität spielen. Technische Hilfsmittel wie die „Camera obscura“ können selbst ausprobiert werden. Kanzenbach, A. (Hrsg.), 2010: Schein oder Wirklichkeit? Realismus in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. ISBN 978-3939429814.

7.4 Francine Schrikkema und Dorothé Jehoel – Wirklichkeit und Abstraktion 30.05.2010 – 15.08.2010 Bis heute stellt die wirklichkeitsorientierte niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts für viele Künstler eine Tradition dar, die sie sehr ernst nehmen. Das gilt für die Malerin Francine Schrikkema (geb. 1963) ebenso wie für die Bildhauerin Dorothé Jehoel (geb. 1950). Die beiden längst weithin

120 anerkannten Künstlerinnen setzen die sichtbare Welt auf ganz eigene Weise in abstrahierte Dar- stellungen um, die den Betrachter über Farbe und Form, über Struktur und emotionalen Aus- druckswert doch wieder in erlebte Wirklichkeiten zurückführen. Die Verfremdung legt das Wesentliche frei, das über eine konkret benennbare Situation hinausreicht. Ausgangspunkt für Francine Schrikkemas Gemälde sind neben Landschaften und Menschen immer wieder die längst fest in unserer Kultur verankerten Werke der niederländischen Barockmaler. An deren Formspra- che erinnern auch die Figurationen von Dorothé Jehoel, die ihre Aufmerksamkeit auf menschliche Verhaltensmuster richtet und dabei Bezüge zur modernen Maschinenwelt herstellt.

7.5 Sehnsuchtsorte II - Malerei – Zeichnung – Grafik - Fotografie – Video- und Textinstallation - Computerkunst – Objekte 12.09.2010 – 28.11.2010 Das Thema „Sehnsuchtsorte“ lädt zum Träumen ein. Jedem kommt sofort ein eigener Sehnsuchts- ort in den Sinn. Gleichzeitig arbeiten Kunst und Literatur seit Jahrhunderten mit fest umrissenen Sehnsuchtsorten, die allgemeine Gültigkeit erlangt haben. Ob individuelle Hoffnungen und Wün- sche oder tradierte Muster – das Spiel mit Erinnerungen, Erwartungen und Möglichkeiten hat bis heute nicht an Reiz verloren. Bremer Künstlerinnen und Künstler haben sich auf die Suche nach modernen Sehnsuchtsorten gemacht. Aktuelle Interpretationen eines uralten Motivs, das vielfältige Assoziationen freisetzt, führt diese Ausstellung vor Augen. Sie werden von Gemälden aus dem Magazin des Ostfriesischen Landesmuseums Emden begleitet, die an Sehnsuchtsorte um 1900 erinnern.

7.6 Silberkunst und Pflanzenduft. Ostfriesische Riechdosen 10.10.2010 – 09.01.2011 Menschen umgeben sich gern mit angenehmen Düften. Bereits in frühen Kulturen gab es für Duft- stoffe spezielle Behälter. Die Duftstoffe dafür waren oft zu einer wachsartigen Masse verfestigt. Deshalb wurden Pomander und Riechdosen nur bei Bedarf geöffnet, damit die teuren Essenzen aus Maiglöckchen, Rosen, Minze, Wermut, Weintraube oder Raute, aber auch tierische Stoffe nicht zu schnell verflogen. Große Verbreitung fanden Riechdosen in Ostfriesland speziell im 18. und 19. Jahrhundert. Diese Behältnisse sind beispielsweise in Gestalt von Miniaturmöbeln, Körben oder Truhen gearbeitet. Beeinflusst wurden die hiesigen Formen der Riechdosen vor allem aus den Nie- derlanden. Es sind aufwendig verzierte Gebrauchsgegenstände, die oft von floralen Mustern ge- schmückt sind oder mythologische beziehungsweise christliche Motive aufweisen. Die in einer einzigartigen Ausstellung zusammengetragenen silbernen „Rukeldoeskes“ vermitteln einen Ein- druck der Formenvielfalt dieser verbreiteten Kleinode und der Kunstfertigkeit ostfriesischer Silber- schmiede. Neben der Kulturgeschichte der Riechdose spielen die angewandten Techniken der Silberschmiede und natürlich Düfte eine wichtige Rolle.

7.7 31. Emder Kunstausstellung. Weihnachtsausstellung 12.12.2010 – 30.01.2011 Seit 1978 präsentiert das Ostfriesische Landemuseum Emden jährlich einen Querschnitt durch das künstlerische Schaffen in der Region. Ausstellende sind sowohl studierte Künstler als auch Laien aus Emden und Umgebung. In der 30. Ausstellung konnten der Öffentlichkeit mehr als 140 Objekte unterschiedlichster Art präsentiert werden. Die Räumlichkeiten der beiden Pelzerhäuser, der ältes- ten erhaltenen Bauwerke auf der Altstadtwarft, bieten ein wunderbares Ambiente für die Vielfältig- keit aktueller Kunst. So finden sich neben Landschaften und Seestücken, Porträts und Genredarstellungen, Stadtansichten und Architekturbildern auch Stillleben und Blumenbilder sowie abstrakte Darstellungen auf Gemälden, Zeichnungen, Porzellanmalereien oder kunsthandwerkli- chen Objekten – um nur einige Techniken zu nennen.

121 8 Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg 8.1 Plakate um 1900. Die Sammlung Rauchheld 31.01.2010 – 07.03.2010 Der Oldenburger Stadtbaurat Adolf Rauchheld (1868-1932) zählte zu den einflussreichsten und bemerkenswertesten Architekten des Oldenburger Großherzogtums bzw. Freistaates. Seine um- fangreiche Privatsammlung angewandter Druckgrafik aus der Zeit um 1900 schenkte er dem Lan- desmuseum Oldenburg 1924 – gerade erst drei Jahre nach der Gründung des Hauses – und legte damit den Grundstock für eine Sammlung, die heute mehrere tausend Blätter umfasst. Das mo- derne Plakat, wie wir es heute kennen, setzte den um 1800 von Aloys Senefelder (1771-1834) er- fundenen Steindruck (Lithographie) voraus. Werbeplakate für Veranstaltungen und Produkte wurden zunächst noch schwarzweiß, später aber, nach Erfindung der Chromolithographie, vor- zugsweise farbig gedruckt. Für die Plakatkunst der Jahrhundertwende war insbesondere der japa- nische Farbholzschnitt stilbildend. Ein besonderes Augenmerk wird in der Oldenburger Ausstellung dem farbigen Künstlerplakat gewidmet; Werke von Alphons Mucha, Peter Behrens, Franz von Stuck, Thomas Theodor Heine, Ludwig Hohlwein u. a., die zu den „Klassikern“ des Genres zählen, gehören zu den unverzichtbaren „Highlights“.

8.2 Herlinde Koelbl. Photographie. Retrospektive zum 70. Geburtstag 18.03.2010 – 13.06.2010 Herlinde Koelbl ist in Oldenburg keine Unbekannte. Im August 1997 präsentierte der „Kulturspei- cher Oldenburg“ ihre „Starken Frauen“ im Dachgeschoss des Oldenburger Schlosses. Der „Kultur- speicher Oldenburg“ und das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg würdigen Herlinde Koelbl jetzt in einer Werkschau, die die Jahre 1976 bis 2009 umfasst und auf ihrer ersten Station im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen war. Über 350 Fotografien aus drei Jahrzehnten sind in dieser Ausstellung versammelt, darunter die „Jüdischen Porträts“ und die „Spuren der Macht“. Ihre Projekte sind gekennzeichnet von einer eigenwilligen und unverwechselbaren künstle- rischen Handschrift. Ihr Stil zeichnet sich durch klare Schnörkellosigkeit aus; etwaige manieristische Attitüden sucht man vergebens. Die Eindringlichkeit der fotografischen Sprache fasziniert. Die Aus- stellung lädt zu einer anregenden Reise mit einer Lichtbildnerin ein, die über all die Jahre ihrem Motto treu geblieben ist: „Ich interessiere mich für Menschen. Aber es muss weitergehen als unter die Oberfläche. Das ist das ganze Geheimnis.“

8.3 Rebecca Maeder. Porzellanhaut und Feuerborke – die Poetik der Körpersprache 06.08.2010 – 19.09.2010 Die 1978 in Bienne (Schweiz) geborene Keramikerin Rebecca Maeder erhielt 2009 den erstmals ausgeschriebenen Preis der „NEUEN KERAMIK“ im Rahmen der Internationalen Keramiktage in Oldenburg, vormals Internationaler Töpfermarkt, zuerkannt. Angeregt durch Mikroskopaufnahmen erlag Maeder – wie schon vor hundert Jahren zahlreiche Jugendstilkünstler – dem ästhetischen Faszinosum natürlicher Erscheinungsformen einzelliger Lebewesen (Protozoen, Prtophyten), wie auch komplizierter organisierter Algen, Pilze und Moose. Im Zuge der Teilnahme am Gmundener Keramiksymposion zum Thema „Wasser“ entdeckte Rebecca Maeder das „Coelenteron“, die ein- gestülpte Körperhöhle einfachster Tiere, den „Urdarm“, einen zellulären Hüllenschlauch. Derart dünne Häute lassen sich nicht im Modellierverfahren erzielen, hier gießt die Künstlerin flüssiges Porzellan über gefüllte Luftballons, die nach dem Erstarren des Materials wieder entfernt werden. Nach Trocknung und Brand entstehen mattweiße Hüllen unterschiedlichster Formen.

122 8.4 Flüsse im Strom der Zeit. Norddeutsche Wasserstraßen in der Fotografie 15.08.2010 – 24.10.2010 Unter dem Titel „Alles fließt“ veranstalten diverse Kultureinrichtungen in Oldenburg, Cloppenburg und Jever eine umfassende Reihe von Ausstellungen und Kulturveranstaltungen zur Kulturge- schichte des Wassers. Die Schau präsentiert die für den norddeutschen Raum bedeutenden Flüsse Hunte, Weser, Elbe und Ems aus den Perspektiven vierer Fotografen der zurückliegenden 100 Jahre. Jeder Fluss wird von einem einzelnen Künstler auf sehr persönliche und kunstvolle Weise vorgestellt. Gezeigt werden fotografische Werke von Georg Müller vom Siel (1865-1939) sowie die eindringlichen Flussporträts der Fotografen Lothar Klimek (*1921), Jörn Vanhöfen (*1961) und Mar- tinus Ekkenga (*1953).

8.5 Im Norden 14.09.2010 – 10.10.2010 Arbeiten von 22 Künstlern des Oldenburger Landes präsentiert die Landessparkasse zu Oldenburg (LzO) unter dem Motto „22 IM NORDEN“. Die beteiligten Künstler erkunden mit den Mitteln der Malerei, Zeichnung, Fotografie und Installation das gestellte Thema, das eingängig und kompliziert zugleich ist. Mit dieser Ausstellung, die in Kooperation mit dem Landesmuseum realisiert wurde, führt die LzO ihr Kunstkonzept IM NORDEN weiter, das sie für den Neubau ihrer Zentrale im ver- gangenen Jahr entwickelt hat. Martin Grapentin, Vorsitzender des Vorstandes der LzO: „Die be- merkenswerten Leistungen heimischer Künstlerinnen und Künstler sollen so die öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.“

8.6 Boris Becker. Fields and deserts 21.11.2010 – 27.03.2011 Einzelausstellung des Kölner Fotografen Boris Becker (*1961) in Oldenburg. Entstanden ist diese Überblicksausstellung in Kooperation mit dem Landesmuseum Natur und Mensch und im Zusam- menhang mit den Vorbereitungen zu der Ausstellung , die parallel dort zu sehen ist. Erstmals werden zu diesem Anlass die neuesten Arbeiten des Künstlers vorgestellt, die auf seiner Reise auf den Spuren Lawrence von Arabiens im Frühjahr 2010 in Südjordanien und Sy- rien entstanden sind. Die Serie besticht wie alle Arbeiten Boris Beckers durch die Präzision der fotografischen Umsetzung: Durch den nüchternen, nie interpretierenden Blick überzeugen seine Fotografien als Kunstwerke ebenso wie als Abbildungen und Beschreibungen von Landschaften, Menschen und Materialien. Neben diesen neuesten Arbeiten zeigt die Ausstellung Klassiker aus dem Werk des Fotogra- fen, zu denen die zwischen 1995 und 1997 entstandenen ebenso gehören wie die 2007 – auf Einladung der UNO-Flüchtlingshilfe – entstandenen Aufnahmen aus der Westsahara, in denen der Künstler die Flüchtlingslager der Saharauis dokumentiert. Die Ausstellung versammelt über 80 Arbeiten aus den vergangenen 15 Jahren. Sie bietet somit einen Überblick über eine der wich- tigsten Positionen der deutschen Gegenwartsfotografie.

123 9 Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg 9.1 Xplora: Experimentalphysik zwischen 1700 und 1920 08.11.2009 – 03.01.2010 Die Sonderausstellung – eine Ergänzung zur Präsentation „Ex orientelux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft“ – thematisiert die Geschichte der Experimentalphysik in Europa vom 18. bis zum 20. Jahrhundert: mit funktionstüchtigen Nachbauten und historischen Instrumenten! Xplora zeigt tech- nische und wissenschaftliche Leistungen, die uns heute vielleicht schon selbstverständlich erschei- nen. Oftmals sind es gerade die kleinen Dinge des Alltags, die uns das Leben erleichtern, die aber nicht (nur) durch „große und berühmte Köpfe“ entwickelt wurden. Es sind meist Gruppen von Per- sonen, die den Fortschritt erfolgreich durchgesetzt haben. Die Ausstellung zeigt die Fortentwicklung der Wissenschaft mit all seinen verschiedenen Faktoren: harte und geduldige Arbeit, die Umset- zung theoretischer Vorstellungen und mathematischer Modelle, dem Verfolgen widersprüchlicher Ideen und langweiliger Laborarbeit und – nicht selten – auch der Zufall. Landesmuseum für Natur und Mensch (Hrsg.), 2009: Xplora – Physik auf dem Marktplatz – im Labor – im Hörsaal. Die Praxis der Experimentalphysik in Europa zwischen 1700 und 1920. ISBN 978-3899956757.

9.2 Ex orientelux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft 25.10.2009 – 24.01.2010 Mit einer einzigartigen Sonderausstellung leistet das Landesmuseum Natur und Mensch einen Bei- trag zu diesem besonderen Jahr 2009: Die Geschichte der Naturwissenschaften beleuchtet die Meilensteine verschiedenster Disziplinen – von den frühesten Anfängen bis in die abenteuerliche Welt neuzeitlicher Salons.Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft sind wesentlich durch wis- senschaftliche Erkenntnisse und technische Innovationen geprägt. Alles kein moderner Zeitgeist, sondern schon immer Themen, welche die Welt beweg(t)en! In der großen Ausstellung beherrschen Astronomie, Medizin, Ingenieurskunst, Physik, Chemie, Pharmazie, Biologie und Mathematik das Weltgeschehen. Zentren großer Entdeckungen und die Wege von Austausch und Vernetzung sind die Schauplätze: Wissensgesellschaften im Alten Ägypten und Mesopotamien; die klassische Antike und ihr Rückgriff auf fundierte Erkenntnisse babylonischer Zeit; Byzanz und die arabische Welt als Bewahrer antiken Wissens und als Nährboden kreativer, eigenständiger Forschungen; oder nicht zuletzt der Aufbruch in eine neue Welt der Forschungen in Europa des 16. Jahrhunderts. Fansa, M. (Hrsg.), 2010: Ex orientelux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft. Begleitband. ISBN 978-3-8053-4075-5.

9.3 Gaza. Brücke zwischen den Kulturen. 6000 Jahre Geschichte 31.01.2010 – 05.04.2010 Weit reichen die Spuren menschlichen Wirkens im Gazastreifen zurück – die ersten Siedlungsreste datieren in die zweite Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. Bald schon existierten in diesem fruchtba- ren Gebiet Kulturen mit einem hohen Maß an Mobilität und weit reichenden Handelskontakten. Gaza wurde zum Knotenpunkt der Handels- und Karawanenwege aus Mesopotamien, dem persi- schen Golf und Südarabien. Nicht zuletzt war dieser Landstrich dadurch auch Umschlagplatz für Produkte aus dem Orient auf ihrem Weg in den Mittelmeerraum. Die archäologischen Hinterlassenschaften zeugen weiterhin von einer Kultur, die durch ein Neben- und Miteinander vorderasiatischer, ägyptischer, griechisch-römischer und orientalischer Einflüsse geprägt ist. Es zeichnet sich eine kulturelle Diversität ab, die über Jahrhunderte hinweg erhalten bleibt und ein hohes Maß an Toleranz beweist. So blieb das christliche Leben von der islamischen Eroberung nahezu unbehelligt; die neuen Herrscher brachten neue kulturelle und soziale Institutionen ins Land, erbauten Moscheen, Universitäten, Schulen, Krankenhäuser und vieles mehr. Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg (Hrsg.), 2010: Gaza. Brücke zwischen den Kulturen. 6000 Jahre Ge- schichte. Begleitband zur Sonderausstellung. ISBN 978-3805342247.

124 9.4 Kalte Zeiten – warme Zeiten: Klimawandel(n) in Nordwestdeutschland 24.04.2010 – 01.08.2010 Der Wechsel von kalten zu warmen Zeiten ist im Verlauf eines Jahres etwas vollkommen Natür- liches; jede Jahreszeit hat ihr spezielles Wetter, mögliche Klimaschwankungen sind in diesem Zu- sammenhang nicht bedrohlich. Der Klimawandel aber ist etwas ganz anderes – ein ernst zu nehmendes Problem, das jedem einzelnen bewusst sein muss. Die Sonderausstellung „Kalte Zei- ten – Warme Zeiten: Klimawandel(n) in Norddeutschland“ zeigt die Ursachen des Klimawandels, stellt die Folgen global dar und setzt einen besonderen Schwerpunkt auf die norddeutsche Region. Über zwei Etagen gewinnt der Besucher zunächst eine Einführung in die Thematik von Klima, Wetter, Atmosphäre und natürlichen Faktoren. Zudem ist es das Verhalten der Menschen – in den Bereichen Industrie, Energiegewinnung und Einzelhaushalt –, das an Beispielen thematisiert wird. Nicht zuletzt geht es den Ausstellungsmachern dann auch darum, Lösungswege aufzuzeigen. Schließlich kann nur die Möglichkeit, etwas positiv bewirken zu können, jeden einzelnen zum Han- deln und zu einem klimafreundlichen Verhalten sensibilisieren. Fansa, M., u. Ritzau, C., 2010: Kalte Zeiten - warme Zeiten: Klimawandel(n) in Nordwestdeutschland. ISBN 978-3896789860.

9.5 Wasserwelten. Über Badekultur und Technik 15.08.2010 – 17.10.2010 Wasser ist eines der wichtigsten Elemente der Erde. Es ist Lebensgrundlage und Quell allen Le- bens. Ein Thema somit von hoher Qualität, das aus historischer Perspektive in dieser einzigartigen Sonderausstellung „Wasserwelten. Badekultur und Technik“ geschildert wird. Erfahren Sie, wie Wasser die Lebenswelt der Menschen von der Antike bis ins islamische Mittelalter bestimmte. Fa- cettenreich wie das Medium selbst geht es um Ingenieurs- und Technikgeschichte, Politik und So- zialgeschichte. Wellnesstempel und Wassertechnik sind keine Erfindungen der Moderne, bestimmen unser Leben jedoch bis heute! Mit dieser Sonderausstellung rund um diesen kostbaren Rohstoff beteiligt sich das Landesmuseum Natur und Mensch an dem Kulturprojekt „Alles fließt – zur Kulturgeschichte des Wassers“. Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg (Hrsg.), 2010: Wasserwelten – Badekultur und Technik. ISBN 978-3805342506.

9.6 Lawrence von Arabien. Genese eines Mythos 21.11.2010 – 27.03.2011 Thomas Edward Lawrence, am 16. August 1888 im walisischen Tremadoc geboren, ist eine der bekanntesten, aber auch umstrittensten Personen des 20. Jahrhunderts, nicht nur in Europa und den Vereinigten Staaten, sondern auch im Nahen Osten. Bis Ende des 2. Weltkrieges als großer Held verehrt, kamen ab den 1950er-Jahren Widersprüche auf. Mit der Ausstellung in Oldenburg und Köln werden zum einen anhand umfangreichen Quellenmaterials das Leben von Lawrence von Arabien und sein Wirken von der ersten Begegnung mit dem Orient bis zu seinem Tod behandelt und der Entstehungsprozess eines Mythos visualisiert. Der erste Ansatz zur Mythosbildung durch die Show des amerikanischen Journalisten Lowell Thomas wird in verkürzter Form multimedial re- konstruiert. Das literarische Werk „Die sieben Säulen der Weisheit“ ist aus kunstgeschichtlicher und literarischer Perspektive behandelt. Seine letzte Lebensphase als Soldat, Schriftsteller und tech- nisch Begeisterter bildet den Abschluss der Ausstellung. Fansa, M., u. Hoffmann, D., 2010: Lawrence von Arabien. Historische Person und Held eines modernen Mythos. ISBN 978-3805342438.

125 10 Stadtmuseum Oldenburg 10.1 Grafik ohne Grenzen International Print Network 2010 28.02.2010 – 11.04.2010 Die neuesten und spannendsten Entwicklungen auf dem Gebiet der internationalen Druckgrafik werden im Frühjahr 2010 anhand von rund 200 ausgewählten Werken von Künstlern aus 36 Nationen im Horst-Janssen-Museum, im Stadtmuseum Oldenburg und in der Artothek Olden- burg vorgestellt. Die ehemalige Internationale Grafik-Triennale, die in Krakau auf eine Tradition seit 1966 zurückblickt, zeichnet sich durch ein sehr demokratisches Auswahlverfahren aus: Künstler aus der ganzen Welt sind eingeladen, ihre aktuellsten druckgrafischen Werke wie Siebdrucke, Holzschnitte, Radierungen oder seit den frühen 90er Jahren auch am Computer generierten Arbei- ten einzusenden, die dann juriert werden. Oldenburg, wie auch das Künstlerhaus Wien, der dritte Partner in diesem von der Europäischen Union geförderten Projekt, haben mit jeweils eigenen Ju- rys eine Auswahl aus den knapp 2 000 Einsendungen getroffen, um die qualitativ herausragenden Werke zu zeigen.

11 Schwedenspeichermuseum Stade 11.1 topmodels. Leidenschaft Kartonmodellbau 07.02.2010 – 24.05.2010 Schneiden – Knicken – Kleben: Mit Hilfe elementar einfacher Techniken entstehen aus Papier oder Karton dreidimensionale Gebilde, die je nach Absicht und Können des Erbauers Modelle, Spiel- zeuge oder Kunstwerke werden. Ob die zweidimensionalen Vorlagen gedruckt oder in eigener Konstruktionsarbeit entworfen werden, immer zeigt das Ergebnis die persönliche Handschrift des Erbauers. Um die Leidenschaft des Bauens und Gestaltens auf die Spitze zu treiben, können die Arbeiten durch verschiedene Papiermechaniken beweglich gemacht werden. Oder man verkleinert die Arbeiten so weit, dass die Titanic, einschließlich Besatzung, nicht länger als eine Handfläche ist. Den gegensätzlichen Superlativ zeigt die Indianapolis. Das fast vier Meter lange Modell ist noch in der Ausrüstung. Es ist motorisiert und hat seine Schwimmfähigkeit bereits mehrfach bewiesen. Un- sere Ausstellung zeigt, wie sich versierte Modellbauer die unterschiedlichen Motive und Arbeitswei- sen angeeignet haben. Und wie, bei allen Unterschieden, eines sie verbindet: die Leidenschaft Kartonmodellbau.

11.2 Stade sammelt. Überragendes aus Stader Schatzkästen 13.06.2010 – 17.10.2010 Der Mensch sammelt. Das liegt in seinem Wesen. Mancher sammelt zufällig, ohne Ziel und Syste- matik. Ein Anderer jagt auf Flohmärkten, Auktionen und im Internet dem Besonderen hinterher. Der beiläufig spontane Sammler steckt seine zusammengetragenen Stücke eher in Schublade und Karton, der leidenschaftlich Gründliche präsentiert sie in Setzkästen, Alben oder wohl ausgeleuch- teten Wohnzimmervitrinen. Aber gleichgültig, wie diese heimischen Sammlungen aufbewahrt und gepflegt werden, wie umfangreich und wertvoll sie sind, welche Themen und Titel sie haben, das Schwedenspeicher-Museum hat alle Sammler aus Stade und Umgebung eingeladen, ihre „Schätze“ im Sonderausstellungsraum des Museums zu zeigen. Über 20 Sammlungen sind zu- sammengekommen. Kostbares und Seltenes, Historisches und pfiffig Alltägliches, ausgewählt und ausgestellt von Sammlern selbst. Sie sind alle stolz auf ihre Objekte und möchten ein bisschen von ihrem Sammlerglück mit den Besuchern teilen.

126 12 Domherrenhaus Verden 12.1 Karl der Große in Verden 29.08.2010 – 31.10.2010 Merve-Maria Leeske schlüpft dabei in die Rolle der „Friedelfrau“ Friedegunde. Die erfahrene Stadtführerin wird dabei in ein Gewand gekleidet sein, das Originalen aus jener Zeit nachempfun- den wurde. Anhand eines Gehöft-Modelles wird Friedegunde über die ganz praktischen Fragen des Alltags einer Sächsin im frühen 9. Jh. berichten. Was aßen die Sachsen damals? Wie kleideten sie sich? Wie bewaffneten sie sich (denn das Leben damals war sehr gefährlich)? Und nicht zuletzt: was war eine „Friedelfrau“? Denn in damaliger Zeit – und das galt auch für den Kaiser Karl selbst – gab es nebeneinander mehrere gleichberechtigte Formen der Ehe. Eine spannende Erkundung ei- ner längst vergangenen Zeit steht den Besuchern also bevor. Und sie reisen in die Vergangenheit anhand von Originalexponaten des Landesmuseums Hannover und der Kreisarchäologie Verden.

13 Küstenmuseum Wilhelmshaven 13.1 Strand, Meer und Nordseefango. 125 Jahre Tourismus in Wilhelmshaven 29.11.2009 – 30.05.2010 Für die Vermarktung Wilhelmshavens als Urlaubsort und die Durchführung von Veranstaltungen für Touristen engagierten sich seit Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Institutionen. Seit 1969 liegen diese Aufgaben in der Hand der Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH. Die Sonderausstellung im Küstenmuseum zeigt, wie sich an der Küste Wilhelmshavens ein attrakti- ver Urlaubsort entwickelt hat. Dabei ging es um das Spannungsfeld zwischen Ausbau der touristi- schen Infrastruktur einerseits und von Hafen- und Industrieanlagen andererseits. Reich bebildert und mit attraktiven Exponaten bestückt wurde die Bedeutung der Wilhelmshavener Badeanstalten, des Nordseeklimas und der als „Nordseefango“ patentierten Schlickbäder erläutert. Auch die See- bäderschiffe hatten mit detailgetreuen Modellen in dieser Ausstellung ihren Platz.

13.2 Leben und Arbeiten in der Marsch. Von der wirklichen und wahren Siedlungsge- schichte Wilhelmshavens und seinem Umland 01.03.2010 – 31.10.2010 Abenteuer, Gefahren und Wagnisse des Lebens an der Küste veranschaulicht ein abwechslungs- reiches Rahmenprogramm. Sturmfluten, Piraten, Friesen, ferne Länder, Deich- und Hafenbau zei- gen unterschiedliche Perspektiven auf die dargestellten Lebenswirklichkeiten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

13.3 Lebenswirklichkeiten der Grenzstädte Wilhelmshaven und Rüstringen 25.06.2010 – 07.11.2010 Königstraße, Kaiserstraße, Roonstraße… Diese und viele andere Straßennamen gibt es heute nicht mehr in Wilhelmshaven. Aber einst prägten sie ein Gebiet mit zwei ineinander übergehenden Städten – Wilhelmshaven und Rüstringen. Das Küstenmuseum zeigt in seiner neuen Sonderaus- stellung das historische Stadtbild dieser Gemeinden anhand von Postkarten und Fotografien. Der direkte Vergleich mit heutigen Aufnahmen macht die Veränderungen im Stadtbild sichtbar. Irritie- rend ist dabei der Blick auf die Stadt Rüstringen, die seit mehr als sieben Jahrzehnten nicht mehr existiert. Sie war bei ihrer Gründung 1911 die zweitgrößte Stadt im Großherzogtum Oldenburg und wurde 1937 mit dem preußischen Wilhelmshaven vereint. Entstehung und Verschwinden dieser Stadt sind eng verknüpft mit dem Bau Wilhelmshavens als Hafen- und Werftstadt der Marine. Er- gänzt durch die persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen veranschaulicht die Ausstellung, wie

127 Wilhelmshavener und Rüstringer entlang der Landesgrenze lebten und wie sich die unsichtbare Grenze im Alltag bemerkbar machte. Mit der Gegenüberstellung von historischen und modernen Stadtansichten zeigt die Ausstellung auch Gebäude und Plätze, die vielen Betrachtern unbekannt erscheinen, da sie im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. An einem interaktiven Stadtplan ist jeder Besucher dazu eingeladen, auf historischen Pfaden durch die Vergangenheit Wilhelmshavens zu wandern. Die Sonderausstellung findet im Rahmen des Projekts „Abenteuer Wirklichkeit“ statt, einer Samm- lung von über 90 Kulturangeboten, die 2010 über die gesamte ostfriesische Halbinsel verteilt sind. Wilhelmshaven ist mit 11 Projekten der Standort mit der höchsten Zahl an Einzelaktionen. (Berichte: Dr. U. Warnke, Bremerhaven)

14 Schlossmuseum Jever und Kulturverbund Friesland 14.1 Wirklich wahr? Echt! – Abenteuer Wirklichkeit seit 05.2010 Was ist wahr, was ist wirklich? Fragt man sich selbst, wie man den letzten Tag, die letzte Woche, das letzte Jahr verlebt hat, so ist die eigene Wahrnehmung oft eine andere als die des Nachbarn. Selbst wenn die Erinnerung durch Bilder und Objekte unterstützt wird, gibt jeder dem Erinnerungs- stück eine andere Wirklichkeit, eben eine ganz persönliche. Gerade in einem kulturgeschichtlichen Museum gibt es eine Menge an Objekten, die eng mit Ge- schichte verbunden sind und was besonders wichtig ist, die auch entsprechend dokumentiert sind. Um einige Objekte ranken sich Sagen und Legenden: das Kettenhemd Fräulein Marias, das Bild des letzten Wolfes des Jeverlandes, das schwarze Brautkleid aus den 50er Jahren... Während ei- ner Audioführung kann man der Frage nachgehen, wie sich Überlieferung zusammensetzt und wie sie historische Wirklichkeit darstellt. Spannende und interessante Geschichten lassen die histori- sche Wirklichkeit der Objekte erahnen. Diese Ausstellung war Teil des Kooperationsprojektes „Abenteuer Wirklichkeit“ der Ostfriesischen Landschaft mit kulturellen Partnern auf der ostfriesischen Halbinsel, an dem sich auch die Museen des Kulturverbundes Friesland beteiligt haben.

14.2 Klischee und Wirklichkeit. Religiöse Vielfalt auf engstem Raum Landrichterhaus Neustadtgödens 11.07. – 31.10.2010 Die Ausstellung „Klischee und Wirklichkeit“ behandelte schlaglichtartig die einzigartige Religionsge- schichte der kleinen Herrlichkeit Gödens. Fünf Gotteshäuser in einem Ort von damals ca. 500 Men- schen sind sichtbarer Ausdruck einer toleranten und ökonomisch durchdachten Sichtweise der Herren von Gödens. Ihre Entstehung geht zurück auf die Zeit, in der im Reich immer noch der Grundsatz „Ein Herrscher, eine Religion“ galt und in der die religiösen Minoritäten ihren Gottes- dienst zu Hause ausrichten mussten. Die Häuptlinge und Grafen von Gödens nahmen reichsrecht- liche und landesterritoriale Bestimmungen jedoch zum Anlass, diese zu interpretieren und zu ihrem eigenen Nutzen und dem der hier lebenden Menschen umzudeuten. In den unruhigen Zeiten von der Reformation bis zum Dreißigjährigen Krieg und darüber hinaus, in der sich klischeehaft die ka- tholische und die protestantische Seite unversöhnlich gegenüberstanden, ging die Herrlichkeit ei- nen anderen, dem wirklichen Leben näheren Weg.

128 14.3 Illusion und Wirklichkeit - Biologieschaukästen im Unterricht Nordwestdeutsches Schulmuseum Zetel-Bohlenbergerfeld 27.03. – 31.10.2010 Zu den faszinierenden Objekten einer schulgeschichtlichen Sammlung gehören auch Schaukästen, die vor allen Dingen im Heimat-, Biologie- oder Physikunterricht eingesetzt worden sind. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und oft darüber hinaus wurde in diesen Schaukästen die Illusion einer Natur erzeugt, in der z. B. auf engstem Raum in paradiesischer Umgebung sich eine Raupe zu ei- nem Schmetterling verwandeln konnte.

14.4 Alles fließt ... – Jämmerliche Wasserflut – Herrliches Meer 30.05. – 31.10.2010 Wohl kaum eine Landschaft in Weser-Ems ist der Gewalt des Wassers so unmittelbar ausgesetzt wie die ostfriesische Küstenregion. Landgewinnung, Schifffahrt, Handel, Naturerlebnis, Tourismus sind die positiven Seiten; Sturmfluten, Überschwemmungen, unfruchtbares Land die Schrecknisse. Das Wasser – eines der sprichwörtlichen vier Elemente – evoziert gerade in Gestalt des Meeres ein Bild seiner Macht und Unabhängigkeit, das sich tief in das kollektive Gedächtnis vor allem auch der „betroffenen“ Menschen an der Küste eingeschrieben hat. In der Ausstellung im Schlossmuseum Jever werden diese Begegnungen unter den Aspekten „Jämmerliche Fluten“, „Übers Meer“ und „Herrliches Meer“ vorgestellt. Hierbei steht die „Wahrnehmung“ des Meeres in seiner Vielschichtig- keit als mentalitätsgeschichtliches Phänomen im Vordergrund. Kulturrat Oldenburg (Hg.), Alles fließt: zur Kulturgeschichte des Wasser. ISBN 978-3-89946-146-6. Diese Ausstellung war ein Beitrag zur Kooperation des Kulturrates Oldenburg. In diesem Zusammenhang war auch das Oldenburgische Staatstheater mit der Produktion "Schimmelreiter" auf dem Schlossplatz zu Gast. (Bericht: Prof. Dr. A. Sander, Jever)

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