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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Gonen Ben Itzhak Israelischer Geheimdienstler und Palästinenserfreund

Autor: Igal Avidan Redaktion: Rudolf Linßen Regie: Igal Avidan

Sendung: Montag, 08.02.16 um 10.05 Uhr in SWR2

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Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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______MANUSKRIPT

Autor: Eines Tages im Jahr 2008 liest der israelische Geheimdienstler Gonen Ben Itzhak in der Tageszeitung die geheime Geschichte seines besten palästinensischen Informanten . Der Palästinenser lebt in den USA – mittellos und obdachlos. Gonen bietet ihm daher finanzielle Hilfe und Mosab schreibt zurück:

Übersetzer: “Du hast mir damit den Tag, ja das ganze Jahr versüßt.… Du kennst mich besser als jeder andere auf diesem Planeten. Es wird eine große Ehre für mich sein, dich eines Tages wieder zu treffen, hoffentlich bald“.

Autor: Einige Monate später fallen sich beide Männer in die Armee, wie Gonen im Dokumentarfilm The Green Prince erzählt:

Gonen Übersetzer: “Wir standen einfach da, vielleicht zehn Minuten lang, und lachten sozusagen über alle Grenzen und Probleme hinweg.“

Autor: Nichts in Gonens Biographie deutete auf seine Karriere als Geheimdienstler hin. Das Mitglied einer linken Bürgerrechtspartei arbeitete bei den Pfadfindern. Palästinensern begegnete er nicht einmal im Militärdienst, den er bei der Marine leistete; Arabisch lernte der Sohn eines früheren Generals auch nicht, aber Toleranz schon.

Gonen Übersetzer: “Eines Nachts kehrte mein Vater von einer Militäroperation zurück. Während der Fahrt schlief sein Fahrer ein und der Wagen stürzte in eine Senke. Der Fahrer war sofort tot, aber mein schwer verletzter Vater kroch irgendwie 40 Meter wieder hinauf bis zur Landstraße. Ein arabischer Autofahrer hielt an, fuhr meinen Vater direkt ins Krankenhaus und rettete somit sein Leben. Die Auswirkung dieses Ereignisses war, dass ich niemals mit Hass gegen Araber aufwuchs.“

Autor: Es war die Ermordung des israelischen Premierministers Yitzhak Rabin im November 1995, die Gonens Berufsleben prägte.

Gonen Übersetzer: “Es ist die Folge meiner schlechten Angewohnheit, aus dem Bauch heraus zu handeln und nicht vom Kopf. Unmittelbar nach Rabins Ermordung, die mich schwer erschütterte, dachte ich, dass wir in an der Schwelle eines Bürgerkriegs stehen.“

Autor: Und Gonen wollte die israelische Demokratie beschützen. Zur gleichen Zeit beschloss der 17-jährige Palästinenser Mosab Hassan Yousef, sich

2 wegen der Verhaftung seines Vaters an den Israelis zu rächen. Sheikh Hassan Yousef war Mitbergründer und Anführer der radikal-islamischen -Bewegung im Westjordanland und daher oft in israelischen Gefängnissen. Sein Sohn Mosab wurde, weil er zwei illegale Waffen gekauft hatte, als potentieller Terrorist verhaftet. Nach dreiwöchiger Folter wurde der Student zum Geheimdienstoffizier Gonen bestellt. Das Treffen beschreibt Mosab in seinem Buch, Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist:

Zitat Mosab (S. 89): Er wirkte sehr selbstbewusst und sprach freundlich und respektvoll mit mir. Ich fragte mich, ob das ein Spiel war, um mich zum Reden zu bringen. »Du hast bald Prüfungen. Warum bist du hier?« »Ich weiß nicht.« »Natürlich weißt du es. Du bist doch nicht dumm, und wir sind es auch nicht. Ich bin Luay, der für deine Region zuständige Offizier vom Schabak. Ich weiß alles über deine Familie und deine Nachbarschaft. Und ich weiß alles über dich«… Ich studierte sein Gesicht und versuchte zwischen den Zeilen zu lesen. Er hatte helle Haut, blondes Haar und sprach mit einer Ruhe, die mir noch nie begegnet war. Sein Gesichtsausdruck war freundlich, sogar etwas um mich besorgt. Ich fragte mich, ob das zur Strategie der Israelis gehörte: den Gefangenen aus der Fassung zu bringen, indem sie ihn erst verprügelten und im nächsten Augenblick freundlich behandelten…

Autor: Auch Gonen Ben-Itzhak, der ein Monster erwartete, ist überrascht:

Gonen Übersetzer: “Er sah wie Harry Potter aus – wegen der Brille und der Frisur. Er war ein Nerd, frech, intelligent und besserwisserisch. Er trug Jeans, hatte keinen Bart und ging kaum in die Moschee.“

Autor: Der Israeli Gonen bietet dem Palästinenser Mosab an, für seinen Geheimdienst Schabak zu arbeiten.

Mosab Übersetzer: “Die Kollaboration mit Israel ist das Schändlichste in unserer Kultur - schlimmer sogar als die Vergewaltigung der eigenen Mutter!“

Autor: Mosab willigt dennoch ein. Denn er will später Rache üben. Damit er nicht der Kollaboration verdächtigt wird, muss er jedoch ins Gefängnis, wo die Hamas über die Gefangenen herrscht.

Mosab Übersetzer: “Einmal räumten Sicherheitsleute der Hamas unser Zelt. Sie schlossen das Zelt, drehten alle Fernsehgeräte in der Sektion voll auf und forderten einige Häftlinge auf zu singen,

3 damit die Soldaten draußen das Geschrei nicht hören. Die Häftlinge im Zelt schrien wie wild. Plötzlich verschwanden Menschen: Sie wurden zu Tode gefoltert. Die Hamas- Leute steckten Nadeln unter ihre Fingernägel und verbrannten Plastik auf ihren Körpern. Dann wurden ihre Leichen verbrannt. Und ich rede nicht von ein oder zwei Fällen, sondern von Hunderten! Ich sah das schockiert und dachte mir: Soll das das Lebenswerk meines Vaters sein?“

Autor: Nach 16 Monaten im Gefängnis sieht Mosab die Welt ganz anders. Er ist daher bereit, sich die israelische Perspektive anzuhören.

Nach einem einjährigen Intensivkurs Arabisch, beginnt Gonen 1998 seine Arbeit für den Schabak. Er ist zuständig für die Region . Die Palästinenser kennen ihn nur als ‚Captain Luay‘. Das arabische Wort bedeutet, ebenso wie das hebräische Wort „Gonen“: „Beschützer“.

Gonen Übersetzer: “Eines Tages kam ich ins Dorf Kobar bei Ramallah, wo die Familie des meistgesuchten Palästinensers Marwan Barghuthi lebte. Die Kinder bewarfen jede israelische Patrouille mit Steinen und daher bat ich die Soldaten, die mich begleiteten, nicht zu reagieren. Trotz des Steinhagels stieg ich - gegen alle Vorschriften - allein aus dem Jeep (immerhin mit Helm und Schutzweste). Die Kinder waren überrascht, weil die Soldaten weder schossen noch Gasgranaten warfen. Daher hörten sie auf, Steine zu werfen. Ich ging auf sie zu. Zuerst traute sich das mutigste Kind, mit dem ich mich auf Arabisch unterhielt, dann folgten die anderen, so dass ich am Ende von 200 Kindern umringt war. Plötzlich sahen sie einen kommenden Wagen und riefen, ‚das ist unser Schulleiter!‘ Ich versprach ihnen Action, hielt den Wagen an, stellte mich als Geheimdienstler vor und bat den Direktor um seinen Ausweis. Nach einer kurzen Überprüfung sagte ich ihm, ‚Ich nehme Sie fest‘. Er verstand nichts. ‚Sie sind auf unserer Liste der Gesuchten; ich nehme Sie fest.‘ Er war entsetzt! Ich wartete ein bisschen, bevor ich sagte, ‚Das war nur ein Scherz‘. Die Kinder brüllten vor Lachen! Dann führten sie mich durchs Dorf und erzählten mir: ‚Der Metzger Abu Mohammad ist ein Hamas-Aktivist und Abu Ibrahim ist bei der Volksfront zur Befreiung Palästinas‘. Die Kids erzählten mir alles über ihr Dorf, weil ich jetzt ihr Freund war.“

Autor: Gonen trifft Mosab in einem konspirativen Haus in einer jüdischen Siedlung. Mosab erzählt von seinen Mordplänen, der Israeli berät mit seinen Vorgesetzten und bekommt grünes Licht: Israel hat niemand innerhalb der Hamas und Mosab kann als Sohn des Hamas-Anführers sehr wichtig werden. Er schreibt:

ZITAT-Mosab „Luay gab mir ein paar hundert Dollar. Ich solle mein Leben genießen. Was? Kein Geheimauftrag? Kein Codebuch? Keine Waffe? Nur ein Bündel Geldscheine und eine Umarmung? Das ergab in meinen Augen überhaupt keinen Sinn. Als ich mich später im gleichen Monat mit Luay traf, sagte dieser…: »Dein Auftrag

4 besteht darin, ans College zu gehen und deinen Bachelor-Abschluss zu machen.« Er reichte mir einen Umschlag voller Geld. »Das sollte für die Studiengebühren und alle anderen Ausgaben reichen«, sagte er.… Luay ähnelte meinem Vater mehr als jeder Palästinenser, den ich kannte. Er glaubte nicht an Allah, doch er respektierte mich trotzdem.“

Gonen (Zweiter Teil am Telefon) Übersetzer: “Sein Vater ist entweder im Gefängnis oder voll bei der Hamas. Er interessierte sich für Mosabs Ausbildung niemals. Mosab hat ein großes Ego und es ist ihm sehr wichtig, besonders zu sein und im Mittelpunkt zu stehen. Aber er hat einen prominenten Vater, der selbst im Rampenlicht steht. Er ist ein superintelligenter junger Mann, der sich im Schatten seines überdominanten Vaters nicht entwickeln konnte. Er hat mich als seinen älteren Bruder gesehen, der ihm zeigt, wo es lang geht. Denn unsere Beziehung wurde sehr eng und ich bin sieben Jahre älter.„

Autor: Am 12. Oktober 2000 beginnt die Zweite Intifada im Westjordanland. Fast täglich muss Gonen Terroranschläge verhindern, ab 2002 mit Hilfe seines besten Agenten Mosab, der Israelis nicht mehr töten, sondern retten will.

Mosab gelingt der Beweis, dass auch Arafats Sicherheitsbehörde an den Terroranschlägen beteiligt ist. Er bekommt seinen Vater aus der Haft zurück, begleitet ihn zu allen wichtigen Treffen und hat Zugang zu seinen Protokollen. So kann er Hamas-Terroristen ausliefern. Er vereitelt sogar einen Mordanschlag auf den damaligen Außenminister Shimon Peres! In Absprache mit dem Geheimdienst überredet er seinen Vater, seine Bodyguards zu entlassen und in den Untergrund zu gehen.

ZITAT-Mosab: Ich fuhr meinen Vater zum City Inn-Hotel und sagte, er solle dort bleiben. »Hör zu. Der Rezeptionist wird dir alle fünf Stunden ein anderes Zimmer geben… Bring niemanden mit in dein Zimmer. Ruf niemanden an außer mir, und verlass nicht das Hotel. Hier hast du ein sicheres Telefon.« Gleich nachdem ich gegangen war, erklärte ich dem Schabak, wo mein Vater war. »Okay, gut. Sorg dafür, dass er dort bleibt, damit er nicht in die Schusslinie gerät.«

Autor: Mosab ist nun die einzige Verbindung seines Vaters zur Außenwelt. Diese neue Funktion garantiert auch seine Autorität innerhalb der Hamas.

Gonen Übersetzer: „Wer Hassan Yousef treffen wollte, musste vorher an Mosab vorbei, er war der Gatekeeper. Wer aus Gaza oder Nablus oder Syrien Hassan Yousef anrief, sprach zuerst mit Mosab und erst dann mit Hassan Yousef, falls Mosab es für wichtig genug

5 hielt. Und seine Entscheidung war eigentlich unsere Entscheidung“.

Autor: Der in Damaskus lebende politischer Führer der Hamas Chalid Maschal ruft Mosab mindestens einmal pro Woche an. Eines Tages warnt daher der Mossad den (Inlandsgeheimdienst) Schabak vor Maschals sehr gefährlichen Verbindungsmann in Ramallah.

ZITAT-Mosab: „Sie meinten natürlich mich. Wir amüsierten uns sehr und der Schabak beschloss dem Mossad nichts zu erzählen. Es herrscht wohl eine Rivalität unter Geheimdiensten in jedem Land.“

Autor: Mosab liebt den Nervenkitzel der Agententätigkeit. Zugleich trauert er sehr bei jedem Terroranschlag. Er lebt in ständiger Gefahr, von der Hamas, den Sicherheitskräften der Palästinenserbehörde und den israelischen Soldaten erwischt zu werden. Und um ihn herum tobt die Gewalt. Am 9. März 2002 sprengt sich ein Hamas-Terrorist im Café „Moment“ im Zentrum in die Luft und ermordet dabei elf Israelis. Am 17. März sterben sieben Israelis bei einem Selbstmordanschlag in einem Linienbus in Galiläa. Am 22. März reißt ein Palästinenser in der King-Georg-Straße Mitten in drei Israelis mit in den Tod. Am 30. März 2002 sprengt sich ein Palästinenser in „My Coffee Shop“ in Tel Aviv und verletzt 32 Israelis. Und 13 Jahre später sitze ich mit Gonen nur wenige hundert Meter von jenem Anschlagsort entfernt in einem Café. Der freundliche, gelassene Mann trägt einen Dreitagebart, Jeans und ein graues Hemd.

Gonen Übersetzer: „Ich war damals für alle Operationen in Ramallah zuständig und habe kaum geschlafen. Ich weiß immer noch nicht, wie meine Frau damit klarkam. Ich kam spät nachts nach einigen Tagen, an denen ich nicht zu Hause war, und die ganze Nacht klingelte mein Telefon. Es hieß immer wieder, in zwei Stunden findet ein Terroranschlag statt, oder in einer Stunde oder in einer halben Stunde. Daraufhin gehst du sofort an die Arbeit.“

Autor: Am 30. September 1999 verbot das Oberste Gericht Folter im Verhört generell und ließ nur eine Ausnahme zu: nur im Fall einer „tickenden Bombe“, also um einen unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag zu verhindern.

Gonen Übersetzer: „Ich war zufällig in unserer Zentrale am Tag der Urteilsverkündung. Die Ermittler warnten: ‚Jetzt werden Terroranschläge beginnen!‘ Die begannen aber erst in der

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Zweiten Intifada ein Jahr später. Der Geheimdienst konnte auch ohne Folter ziemlich gut arbeiten. Mit Beginn der Zweiten Intifada ließ die Moral der Ermittler etwas nach, die täglich und manchmal mehrmals täglich schwere Terroranschläge mit Toten erlebten. Ich selbst sollte einmal jemand festnehmen, der auf dem Weg zu einem Selbstmordanschlag war. Ich ging zu ihm nach Hause ins Flüchtlingslager Jalazone, er war aber nicht da. Plötzlich sah ich seinen Bruder und versuchte von ihm die zweite Adresse zu bekommen. Der schwieg aber. Ich musste aber unbedingt den Anschlag verhindern! Daher bat ich den Sicherheitsmann den Raum zu verlassen und prügelte auf den Bruder ein, obwohl es verboten war. Der aber schwieg weiter. Letztendlich erreichte den potentiellen Täter anderweitig. Eine Woche später kam ein Agent aus dem Flüchtlingslager zu mir und fragte mich, warum ich zugeschlagen hatte. Ich war schockiert, dass er davon wusste. Der Palästinenser fuhr fort: ‚Der von dir geschlagene Bruder ist doch psychisch krank!‘ Das war meine schwerste Strafe: Ich habe mich wirklich geschämt“.

Autor: Erst als ein Geheimdienstler, der einen palästinensischen Mörder bei dessen Festnahme eine Ohrfeige verpasste, entlassen wurde, endete die Gewalt der Ermittler.

Eines Nachts klopfen zwei Männer an Mosabs Tür. Sie suchen seinen Vater. Denn sie gehören zu einer fünfköpfigen Gruppe von Selbstmordattentätern aus Jordanien, deren Verbindungsmann gerade verhaftet wurde. Nun brauchen sie ein sicheres Quartier.

Mosab-ZITAT: »Okay«, sagte ich. »Hier seid ihr richtig.« Ich fragte sie, was sie brauchten. »Wir haben ein Auto voller Sprengstoff und Bomben, und wir brauchen einen sicheren Platz, wo wir es unterstellen können.« Na toll, dachte ich, was soll ich denn mit einem Auto voller Sprengstoff machen? Jetzt musste ich schnell nachdenken. Ich beschloss, das Auto in die Garage neben unserem Haus zu fahren. Das war eindeutig nicht eine meiner hellsten Ideen, aber ich musste schnell reagieren. »Hier habt ihr Geld«, sagte ich und leerte meine Brieftasche. »Sucht euch einen Platz zum Übernachten, kommt heute Abend wieder her, und dann überlegen wir, was wir machen.« Als sie weg waren, rief ich Luay an, und zu meiner Erleichterung kam der Schabak und brachte das Auto weg. 30 Minuten später genehmigte Ministerpräsident Sharon ihre Liquidierung. ‚Das könnt ihr nicht machen‘, sagte ich Luay. ‚Was?!‘ ‚Sie sind zwar Terroristen und wollen sich in die Luft sprengen, aber sie sind einfach dumm. Wenn ihr sie tötet, mache ich nicht mehr weiter.‘ ‚(Be)drohst Du uns?‘ ‚Nein, aber ich will nicht an der Tötung von Menschen teilnehmen.‘ ‚und welche Alternative haben wir?‘ ‚Nimmt sie fest‘, sagte ich.

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Autor: Der Geheimdienst braucht Mosab so sehr, dass er die Liquidierung annulliert! Mitten in der Nacht nimmt eine Sondereinheit die schlafenden Terroristen fest. Dabei nennt einer von ihnen Mosab den Kollaborateur, der sie ausgeliefert hatte! Was tun?

Mosab-ZITAT: „Luay hatte die Lösung. Der Schabak schob den Mann einfach nach Jordanien ab, während seine Freunde ins Gefängnis wanderten und annehmen, dass er der Verräter gewesen war und nicht ich.“

Autor: Dennoch ist Mosab weiterhin in großer Gefahr. Denn jeder weiß, dass Israel alle Helfer von Attentätern festnimmt. Und wieso ist er noch auf freiem Fuß? Im Gefängnis können die Israelis ihn vor einem Racheakt schützen, aber dorthin will er nicht, denn er will weiterhin seinen Vater vor einer Liquidierung schützen. Daher betrügt Gonen sogar die israelische Armee, die er davor warnt, Mosab sei in Verbindung mit den fünf Selbstmordattentätern gewesen und zudem sehr gefährlich und schwer bewaffnet. Heute Nacht würde er kurz seine Mutter besuchen.

Gonen Übersetzer: „Also organisierten wir eine große Militäraktion: Spezialeinheiten erreichten Mosabs Haus in Baituniya, um ihn festzunehmen.“

Mosab-ZITAT: „Vor dem Haus meiner Eltern saß ich in meinem Auto und wartete auf einen Anruf vom Schabak. Wenn er kam, hatte ich genau sechzig Sekunden, um mich aus dem Staub zu machen, bevor die Spezialeinheiten unser Haus umstellten… Mein Mobiltelefon klingelte. Das Blut schoss mir in den Kopf. Mein Herz schlug wie wild. Ich ließ den Motor an und raste aufs Stadtzentrum zu, wo ich einen neuen geheimen Unterschlupf hatte… Eine Minute nach meiner Abfahrt umstellten israelische Spezialeinheiten unser Haus…. Die Soldaten eröffneten das Feuer, und mehr als zweihundert Kugeln durchsiebten mein Zimmer in der zweiten Etage.… Nur Augenblicke später pfiff eine Rakete durch die Luft und riss die Hälfte unseres Hauses weg. Soldaten stürmten die Ruine. Ich wusste, dass sie jedes Zimmer durchsuchten. Keine Leiche, kein flüchtiger Terrorist in irgendeinem Versteck.“

Autor: Jetzt ist Mosab der große Held der Palästinenser und über jeden Verdacht erhaben. Als Reaktion auf die Terrorwelle besetzt Israel die palästinensischen Städte. Der gesuchte Terrorist Mosab ist eingekesselt in der eigenen Stadt. Einmal wird er – auf der Suche nach Action – von bewaffneten israelischen Soldaten auf der Jagd nach palästinensischen Kämpfern in einer Tiefgarage eingekesselt. Er ruft Gonen an:

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Mosab-ZITAT: »Könntest du die Armee bitten, sich ein paar Blocks weit zurückzuziehen, damit ich zurück in mein Hotel kann?« »Was?! Wo steckst du denn? Warum bist du nicht in deinem Hotel?« »Ich mache nur meine Arbeit.« »Du spinnst ja!« Es folgte eine unangenehme Stille. »Okay. Wir schauen mal, was wir machen können.« Es dauerte ein paar Stunden, um die Position der Panzer und Truppen zu verlegen. Die mussten sich wohl fragen, warum sie zurückgezogen wurden.

Autor: Mosab kann niemandem mehr vertrauen. Er muss alle zwei Wochen mit Gonen neue Anti-Terror-Operationen besprechen, kann aber nicht mehr zum Treffpunkt nach Jerusalem. Das permanente Misstrauen der Israelis, obwohl er für Israel mehrmals sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, entmutigt ihn sehr. Damit er seinen besten Mann nicht verliert, entscheidet Gonen ihn mehrmals ohne Bodyguards zu treffen. Offiziell muss er seinem Informanten immer als potentiellen Feind betrachten! In den Jahren 1994 und 1995 wurden zwei israelische Geheimdienstler von ihren palästinensischen Informanten getötet, die Hamas-Aktivisten waren. Die Folgen seiner kreativen Zusammenarbeit - gegen alle Vorschriften - waren dem Geheimdienstler bewusst:

Gonen Übersetzer: “Mein erster Tag als Mosabs Führungsoffizier war zugleich der Beginn des Endes meiner Karriere als Geheimdienstler. Denn es war sehr aufwendig, ihn vor seiner feindseligen Umgebung abzuschirmen und das in einer sehr hektischen Zeit. Daher musste ich viele Entscheidungen treffen, die für den Geheimdienst die Grenze überschritten, zum Beispiel, dass ich ihn mehrmals allein traf. Das war ein klarer Verstoß gegen alle Regeln, denn er galt als sehr gefährlich! Unsere Treffen unter vier Augen verbesserten jedoch unsere Zusammenarbeit, denn er sah, dass ich ihm Vertrauen schenkte.“

Mosab Übersetzer: “Dass er mich allein traf und mir vertraute, war für mich sehr sehr wichtig zu erfahren. Denn ich verließ mich auf ihn vollkommen und unsere Zusammenarbeit war so gefährlich, dass ich ein Beweis seines Vertrauens brauchte.“

Autor: Aber Gonens ältere Kollegen im Geheimdienst, die ihm seinen raschen Aufstieg nicht verzeihen konnten, brachten ihn schließlich zu Fall. Zum ersten Mal in unserem Gespräch wirkt er verbittert.

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Gonen Übersetzer: “Man stellte mich vor ein spezielles Gericht für Mitarbeiter der beiden Geheimdienste. Ich verstieß gegen die Vorschriften fünfmal am Tag, denn anders ging es nicht! Denn ein Geheimdienstler muss kreativ sein! Aber der Geheimdienst ist nach der Ermordung Rabins sehr groß und bürokratisch geworden. Wenn mir ein Agent um vier Uhr morgens sagt, er kann den Auftrag so nicht ausführen, müsste ich offiziell von meinen Vorgesetzten einen neuen Auftrag genehmigen lassen. Das Problem: Wir haben nur 10 Minuten und es geht um Leben und Tod! Entweder nehme ich die Verantwortung auf mich, um Menschenleben zu retten, oder ich verhindre den Anschlag nicht, aber nach Vorschrift.“

Autor: Eine Gewerkschaft dürfen die Geheimdienstler nicht bilden, einen Anwalt hatte Gonen vor Gericht auch nicht. Er wurde entlassen. Mosab kam mit Gonens Nachfolger, der ihm Befehle erteilte, nicht zurecht. Er rang mit dem Geheimdienst so lange, bis man ihm die Ausreise in die USA erlaubte, wo im Gegensatz zu Europa der israelische Geheimdienst nicht operieren darf. 2009 lehnten die USA Mosabs Asylantrag, weil der US-Heimatschutz seine Aussagen in seinem Buch als Unterstützung der Terrororganisation Hamas interpretierte. Mosabs jahrelanger Einsatz gegen den Terror, der auch der FBI dabei half, änderte daran nichts! Ein Gericht sollte nun über seine Abschiebung nach Jordanien entscheiden und Al- Qaida veröffentlichte sofort eine Morddrohung. Im Februar 2010 bestätigt Gonen der Zeitung „“ unter seinem Pseudonym „Captain Luay“, dass Mosab das Leben unzähliger Israelis gerettet hatte - aus Überzeugung.

Gonen Übersetzer: “Der Geheimdienst wollte mich wegen diesem Satz verklagen, weil ich Mosabs Geschichte als Informant bestätigte. Man hat mir gedroht, aber sonst passierte nichts.“

Autor: Im Juni 2010 begleitet Gonen seinen Freund zur Anhörung vor dem US-Gericht. Aufgrund von Gonens Aussagen annullieren die USA Mosabs Abschiebung. Momentan lebt er in den USA, praktiziert Joga und ist Vegetarier.

Mit dem Schmuggel von Elfenbein nach China finanzieren afrikanische Terrorgruppen ihre Aktivitäten. „Maisha“ bedeutet auf Kiswahili, der Hauptsprache Ostafrikas, „Leben“.

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