Hölderlin in Homburg – Spurensuche (Vortrag Im Stadtarchiv 22.1.2020) Barbara Dölemeyer

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Hölderlin in Homburg – Spurensuche (Vortrag Im Stadtarchiv 22.1.2020) Barbara Dölemeyer Hölderlin in Homburg – Spurensuche (Vortrag im Stadtarchiv 22.1.2020) Barbara Dölemeyer Titelfolie Im Hölderlinjahr 2020 gedenken wir des 250. Geburtstags des Dichters Friedrich Hölderlin, der insgesamt etwa 3 ½ Jahre in Homburg vor der Höhe lebte (von Ende September 1798 bis Anfang Juni 1800 und Ende Juni 1804 bis 11. September 1806). Die Stadt Bad Homburg hat ein vielfältiges Jubiläumsprogramm organisiert, der Kulturfonds FrankfurtRheinMain tut dasselbe für die ganze Region. Denn: Hölderlin gehört nicht nur den Baden-Württembergern. Folie 2 Lebensdaten Wir sind ja noch ziemlich am Anfang des Hölderlin-Gedenkens und vielleicht kennen noch nicht alle unter Ihnen die Lebensdaten auswendig. Zunächst also hier eine ganz knappe Übersicht: Wie kam es, dass Hölderlin, der Dichter, der Philosoph, der studierte Theologe und hartnäckige Pfarrverweigerer, in unsere Region kam und eine Hofmeisterstelle bei der Frankfurter Familie Gontard annahm? Geboren wurde er am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar in eine Familie der württembergischen „Ehrbarkeit“, ein Geflecht aus angesehenen Pfarrers- und Beamtenfamilien. Er verlor bereits mit zwei Jahren den Vater und 1779 den Stiefvater Johann Christoph Go(c)k. Die Bindung an seine zweimal verwitwete, pietistische Mutter war zeitlebens sehr stark. Ab 1784 lernte er in den strengen Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn, 1788 trat er als Stipendiat in das evangelische Stift in Tübingen ein, wo er Theologie, Philosophie und (griech.) Philologie studierte. Stubengenossen und Freunde waren u.a. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) und Friedrich W. Joseph Schelling (1775-1854). Hölderlin legte 1790 das Magisterexamen, 1793 das abschließende Konsistorialexamen. Seine Mutter bemühte sich immer wieder, ihm zu einer Stelle im Württembergischen Pfarrdienst zu verhelfen, dem setzte er hartnäckigen Widerstand entgegen. Er verfolgte einen ganz anderen Lebensplan, den eines freien Dichters und Schriftstellers (er spricht vom „Dichterberuf“). Die finanziellen Mittel dazu hätte er aus dem väterlichen Erbe wohl gehabt. Dem standen zwei Faktoren entgegen: Zum einen die ganz spezielle Beziehung zu seiner Mutter, sie verwaltete das Geld und er hatte nie den Willen oder die Kraft, sich ihr offen zu widersetzen. Zum anderen war die Ausbildung im Tübinger Stift mit der Verpflichtung zum Pfarrdienst verbunden und dem konnte Hölderlin nur entgehen, wenn er eine adäquate Ausweichposition nachwies. Dazu gehörten eben Hofmeister- bzw. Hauslehrerstellen – er musste sich aber vom Konsistorium jeweils beurlauben lassen. Vor und nach der Stellung bei Gontard in Frankfurt hatte Hölderlin ähnliche Positionen inne: bei der Familie der Charlotte von Kalb in Waltershausen (1793-1795), später im schweizerischen Hauptwil (Januar-April 1801) und in Bordeaux (1801-1802), die jeweils in überstürzter Abreise endeten. 1794/95 studierte er in Jena, wo er mit dem Freund Isaac von Sinclair zusammen wohnte. Die diesjährige Exkursion des Geschichtsvereins vom 21. bis 24. Mai wird nach Jena und Waltershausen, Weimar und Rudolstadt führen. Folie 3 Frankfurt: Weißer Hirsch, Adlerflychthof, Gontard Wir beginnen mit Frankfurt: Die Stelle bei dem Bankier Jakob Friedrich Gontard trat Hölderlin am 10. Januar 1796 an, sie war vermittelt durch den befreundeten Arzt Johann Gottfried Ebel. Der Ort, an dem seine schicksalhafte Begegnung mit Susette Gontard begann, existiert nicht mehr: es war das Haus zum „Weißen Hirsch“, das 1872 abgerissen wurde, heute steht dort der Frankfurter Hof. Auch die Sommeraufenthalte, welche die Gontards – wie viele Frankfurter – für die heißeren Monaten mieteten, gibt es nicht mehr: 1796 wohnte man in einem Haus auf der Pfingstweide (heute Zoogelände), 1797 und folgende war es der Adlerflychthof, der nach Hölderlins Flucht nach Homburg der Ort einiger kurzer, verstohlener Treffen mit Susette war. Nur die Namen Adlerflychtstraße und –platz erinnern noch daran. Nahe dem Zoo gibt es eine Hölderlinstraße. Als junger Theologe aus einer angesehenen Familie befand sich Hölderlin nun in einer ziemlich prekären Situation: er war ein hoch gebildeter Angestellter, hatte partiell am herrschaftlichen Leben teil. Aber, wie er schließlich schrieb: „der Hofmeister ist immer das fünfte Rad am Wagen“, so empfand er dies zunehmend als bedrückend. Die Lebenssituation an sich war also nicht ungewöhnlich, auch Seelenverwandtschaften zwischen Hauslehrer und Hausherrin begegnen uns öfters: der Ehemann von Geschäften absorbiert, die Ehefrau zwischen Geist und Geld. Für Hölderlin war Frankfurt auch die Erfahrung einer Großstadt (Frankfurt hatte damals über 40.000 Ew), und einer Gesellschaft des Großbürgertums. Er äußert sich in seinen Briefen kaum über die Stadt selbst und zurückhaltend bis negativ über das Leben der „Frankfurter Gesellschaftsmenschen“. Er kritisiert ihre „Steifigkeit, und Geist- und Herzensarmuth“ und nennt sie in einem Brief an die Schwester „lauter ungeheure Karikaturen“. Susette war für Hölderlin der Gegenpol dazu, zu ihr zog ihn sein Empfinden hin, bekannt ist die Stelle aus einem Brief an den Freund Christian Ludwig Neuffer (16.2.1797): „Es ist eine ewige fröhliche heilige Freundschaft mit einem Wesen, das sich recht in diß arme geist- und ordnungslose Jahrhundert verirrt hat! Mein Schönheitssinn ist nun vor Störung sicher. Er orientirt sich ewig an diesem Madonnenkopfe. Mein Verstand geht in die Schule bei ihr, und mein uneinig Gemüth besänftiget, erheitert sich täglich in ihrem genügsamen Frieden.“ Er glaubte, in diesem geistigen Austausch in einer neuen Welt zu leben. Dies alles ging auf die Dauer nicht gut. Hölderlin verließ im September 1798 Frankfurt sehr schnell – offenbar nach einer Demütigung durch den Hausherrn – und folgte der Einladung seines Freundes Isaac von Sinclair nach Homburg vor der Höhe. Folie 4 Frühere Besuche Homburgs von Frankfurt aus Die kleine Residenzstadt hatte er bereits in der Frankfurter Zeit mehrfach besucht, erstmals war er in Homburg im Januar 1796 und er spricht auch schon von „sehr interessanten Menschen“, die er hier kennenlernte. Im Haus von Sinclairs Mutter, Frau von Proeck in der Dorotheenstraße 6 (heute noch bestehend: ein „authentischer“ Hölderlin-Ort) fanden Treffen mit Sinclair, Hegel und anderen Freunden statt, die Begeisterung für die französische Revolution hegten, es existierte in Homburg ein Kreis von „Hofdemokraten“ (dazu sogleich). Auch das Erlebnis des Taunus fällt bereits in diese Zeit., er erkundete die Gegend u.a. bei zahlreichen Wanderungen. Mit seinem Halbbruder Karl Gok war er z.B. im April 1797 auf dem Feldberg, worüber er seiner Schwester berichtete: „Er mußte gleich den andern Tag mit mir nach Homburg hinüber, zu Sinclair, einem ganz vorzüglichen jungen Manne, …. Tags darauf ging es auf das Gebirge der Gegend, von dessen Spitze wir viele Meilen hinauf den königlichen Rhein und seinen kleinen Bruder, den Main, sahn,… und Frankfurt mit den lieblichen Dörfern und Wäldchen, die drum herum liegen,...“. In einer späteren Fassung der Ode „Der Wanderer“ (Spätsommer 1800) kommt dieses Erleben zum Ausdruck und hier findet sich der Begriff „Taunus“: Aber lächelnd und ernst ruht droben der Alte, der Taunus, und mit Eichen bekränzt neiget der Freie das Haupt. Folie 5 Schloss, Ansicht Gustavie de Sinclaire, Landgrafenpaar Nach der Flucht aus dem Hause Gontard, Ende September 1798 also: Ankunft in Homburg. Hier sehen Sie eine Ansicht um 1815, die die Hofdame Gustavie de Sinclaire gefertigt hat, Peter Lingens hat dazu im aktuellen Heft des Geschichtsvereins geschrieben. Das Schloss, obgleich im 19. Jahrhundert mehrfach verändert, lässt heute noch zT die Aura der Epochenwende um 1800, also der Zeit der Aufenthalte Hölderlins empfinden. Sinclair, der seit 1796 Regierungsrat war, lud ihn ein, in die kleine Residenzstadt mit damals etwa 3000 Einwohnern. Er vermittelte ihm eine Wohnung, wo Hölderlin ziemlich zurückgezogen lebte, doch liebte er es auch, im Kreise von Freunden aus der Studienzeit und anderen Gleichgesinnten zu „poetisieren“ und zu philosophieren. Hölderlin schrieb an seine Mutter über seinen fluchtartigen Ortswechsel: „Hiezu kam, daß mein Freund, der Regierungsrath von Sinklair in Homburg, der an meiner Lage in Frankfurt schon lange teilgenommen hatte, mir rieth, zu ihm nach Homburg hinüberzuziehen, …, und mir durch ungestörte Beschäfftigung endlich einen geltenden Posten in der gesellschaftlichen Welt vorzubereiten.“ Hölderlin an die Mutter 10.10.1798, StA VI, 1, Nr. 165, S. 283 Es war für den Dichter eine Zäsur in vieler Hinsicht: Zunächst eine gewisse Vereinsamung, er schrieb in der ersten Homburger Zeit viele und ausführliche Briefe. Dann der Versuch, durch geheime Treffen den Kontakt mit Susette in Frankfurt aufrechtzuerhalten. An seine Wanderungen dorthin erinnert der sog. Hölderlin-Pfad „in naher Ferne“, wo in diesem Jubiläumsjahr auch einige Veranstaltungen stattfinden werden. Aber: Für Hölderlin begann in Homburg auch eine neue Periode seines Schaffens und sozusagen eine neue Begründung dieses Schaffens, deshalb sind auch die theoretischen Überlegungen poetischer und philosophischer Art, die er hier anstellte und im Freundeskreis diskutierte, so bedeutsam. Ich werde zum Schluss eine kleine Übersicht über die Werke bringen, die Hölderlin wirklich in Homburg geschaffen hat. Einige wenige davon werden im Laufe dieses Vortrags zitiert werden. Folie 6 Stadtplan mit Hölderlin-Orten Während es in Frankfurt keine authentischen Orte Hölderlins mehr gibt, kann man im heutigen Bad Homburg noch einige finden. Die Häuser allerdings, in denen der Dichter gewohnt hat, sind
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