Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland

Russland ist der mit Abstand größte europäische Fernsehmarkt Schlagworte zum Inhalt: außerhalb des Geltungsbereichs der EU-Gesetzgebung. Mit einem Anteil von rund 17% der gesamten europäischen Bevölkerung ■ Die nationale Medienpolitik liegen im russischen Fernsehmarkt beachtliche wirtschaftliche ■ Schlüsselbegriffe für Regulierung und deren Auslegung Potentiale. Vor diesem Hintergrund ist es um so bemerkenswerter, ■ Lizenzerfordernisse wie wenig über die juristischen Grundlagen und Bedingungen dieses Fernsehmarktes außerhalb Russlands veröffentlicht worden ist. ■ Die Rolle staatlichen Rundfunks im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichem Rundfunk Die vorliegende Publikation „Der Regulierungsrahmen für audio- visuelle Mediendienste in Russland” aus der Reihe IRIS Spezial ■ Medieneigentum und -konzentration schließt die Lücke. Detailliert werden die Grundlagen und der ■ Selbst- und Koregulierung Regulierungsrahmen für Rundfunk in Russland erörtert. Auf ■ Werbung: Regulierung und Kontrolle dieser Basis wird die Anpassung des Rechtsrahmens an neue audiovisuelle Mediendienste diskutiert. Dabei werden die ■ Produktplatzierung großen Unterschiede zwischen der EU und Russland deutlich: ■ Recht auf Gegendarstellung Sie gehen auf die noch schwache Entwicklung digitaler Medien- ■ Recht auf Kurzberichterstattung dienste in Russland zurück. ■ Schutz der guten Sitten und Minderjähriger Die Publikation vermittelt ein umfassendes und präzises Bild der ■ Rechte nationaler Minderheiten Rundfunkregulierung in Russland, verfasst von einem der heraus- ragenden russischen Medienwissenschaftler, Andrei Richter, dem ■ Einschränkungen zur Extremismusbekämpfung Direktor des Moskauer Instituts für Medienrecht und Medienpolitik. ■ Mittel zum regulatorischen Eingreifen Der Regulierungsrahmen Themennahe Publikationen der IRIS-Familie

Auf die Plätze, für audiovisuelle 2010-1: fertig … los? Digitalfernsehen Die Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste Mediendienste

Inhalte: Inhalte: ■ Die Entwicklung terrestrischen Digitalfernsehens ■ Die Herausforderungen der Umsetzung der Richtlinie in Russland in Russland und der Ukraine in nationales Recht: - Nationale Politik zum Digitalfernsehen - Verständlichkeit, Akzeptanz, Handhabbarkeit der - Rechtskonzepte, Erlasse und weitere Regelungen gewählten Lösungen - Elemente des Prozesses - Einpassung der vorgegebenen Konzepte in das geltende - Lizenzierung und Ausschreibungen Medienrecht Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland - Eigentumsfragen - Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen - Digitalumstellung in der Praxis Diensten - Defi nition von redaktioneller Verantwortung ■ Ist das Digitalfernsehen auf den Weg gebracht? - Koregulierung - für welche Bereiche und wie organisiert? - Mitgliedstaaten der Informationsstelle sowie sonstige - Recht auf Anhörung oder Mitsprache für die Bürger und Länder die Industrie ■ In Europa auf dem Vormarsch - Überwachung der Rechtseinhaltung - Empfang von Digitalfernsehen und die Einführung - Die Rolle der Regulierungsbehörden des digitalen terrestrischen Fernsehens - Zuständigkeit für die Kontrolle der Umsetzung und Einhaltung der Regeln im Einzelfall 48 Seiten, Februar 2010 Druckausgabe ISBN 978-92-871-6793-4 24,50 € / 147 Seiten, Ausgabe 2009 pdf-Ausgabe ISBN 978-92-871-6801-6 33 € Druckausgabe ISBN 978-92-871-6666-1, 89 €

Angesichts der überragenden Bedeutung der Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste sind in der Publikationsreihe IRIS Spezial zwei weitere Titel zu dem Thema erschienen: „Audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen“ (ISBN 978-92-871-6117-8, 82 Seiten, Ausgabe 2006, 58,50 €), „Redaktionelle Verantwortung“ (ISBN 978-92- 871-6477-3, 50 Seiten, Ausgabe 2008, 75 €). Nomos Verlagsgesellschaft

EUR 70 – ISBN 978-92-871-6790-3 IRIS Spezial: Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Straßburg 2010 ISBN: 978-92-871-6790-3 EUR 70

Verlagsleitung: Wolfgang Closs, Geschäftsführender Direktor der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle E-mail: [email protected]

Wissenschaftliche Betreuung und Koordination: Dr. Susanne Nikoltchev, LL.M. (Florenz/Italien, Ann Arbor/MI) Leiterin der Abteilung Juristische Information E-mail: [email protected]

Beitragende Partnerorganisation:

Moscow Media Law and Policy Center State University ul. Mokhovaya, 9 - Room 338 125009 Moscow Russische Föderation Tel: +7 495 629 3804 Fax: +7 495 629 3804 www.medialaw.ru

Verlagsassistentin: Michelle Ganter E-mail: [email protected]

Marketing: Markus Booms E-mail : [email protected]

Übersetzung/Korrektur: Sabina Gorini, Julie Mamou, Nadja Ohlig, Erwin Rohwer, Anne-Lise Weidmann

Satz/Druck: Pointillés, Hoenheim (France)

Herausgeber: Europäische Audiovisuelle Informationsstelle 76 Allée de la Robertsau F-67000 Strasbourg Tel.: +33 (0)3 90 21 60 00 Fax: +33 (0)3 90 21 60 19 E-mail: [email protected] www.obs.coe.int

Bitte zitieren Sie diese Publikation wie folgt: Susanne Nikoltchev, Hrsg., IRIS Spezial: Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland (Straßburg, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, 2010)

© Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, 2010. Jegliche in dieser Publikation geäußerten Meinungen sind persönlicher Natur und sollten in keiner Weise dahingehend verstanden werden, dass sie die Auffassung der Informationsstelle, ihrer Mitglieder oder des Europarats wiedergeben. DerRegulierungsrahmen für audiovisuelleMediendienste in Russland

DER REGULIERUNGSRAHMEN FUR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE IN RUSSLAND 1

DerRegulierungsrahmen für audiovisuelleMediendienste in Russland

Herausgegeben von derEuropäischen Audiovisuellen Informationsstelle

2009 gab es ständigneue Informationen zur EU-Richtlinieüber audiovisuelle Mediendienste,und es bedarf keines Propheten, um dienächste Welle an Informationen vorherzusagen, die2010 über unsereSchreibtischeschwappenwird, um unsentweder über dieÜbernahmeund Umsetzungoderüber Durchsetzungsmaßnahmen derEUzu unterrichten. DieEuropäischeAudiovisuelle Informationsstelle analysierte bereits einige zentrale Fragen, diedurch dieRichtlinieaufgeworfen werden, insbesondere solche, die denGesetzgebern, denRegulierern undder IndustriewahrscheinlichauchinZukunft Kopfzerbrechen bereiten werden. Im Juni 2009 wurde daherdie IRIS Spezial mit dem Titel „Auf diePlätze,fertig, …los? –Die Richtlinieüber Audiovisuelle Mediendienste“ herausgegeben.

Bislangnicht beleuchtethaben wir denRechtsrahmen für audiovisuelleMediendienste außerhalbdes Geltungsbereichsder EU-Gesetzgebung. Das größereEuropa in den Grenzen desEuroparats undsomit derInformationsstelle geht deutlich über die geografischeReichweite derRichtliniehinaus. Für dieEntfaltung seiner Medienindustrie sindmehr undandere Informationen vonnöten. Ein großes Gebiet, Heimat von rund17 Prozentder BürgerEuropas unddamit einer großenZahl (potenzieller) Empfängeraudio- visueller Mediendienste,ist Russland. Doch ungeachtet deswirtschaftlichen Potenzials dieses riesigenMarkts scheintes, dass zumindest außerhalb Russlands wenigüber die rechtlichen Bedingungen, an diesichdie audiovisuelle Industriehalten muss,veröffent- lichtwurde.

Dank unserer langjährigenPartnerschaft mit demMoskauer Institut für Medienrecht undMedienpolitik können wir diese Lückemithilfe dieser Publikation schließen. Andrei Richter,der Verfasser dieser IRIS Spezial zum „Regulierungsrahmen für audiovisuelle MediendiensteinRussland“ bringt unseinen Überblick über dieallgemeinen Aspekte wie nationaleMedienpolitik, Schlüsselbegriffe für Regulierungund derenAuslegung, Lizenz- erfordernisse,die Rolle staatlichen Rundfunks im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Medieneigentum und-konzentration sowieVorschriften für ausländisches Eigentum. Diese IRIS Spezial erläutertdarüber hinaus denRechtsrahmen für spezielle Fragen wiedas Rechtauf Gegendarstellung, Produktplatzierung, dasRechtauf Kurzberichterstattung, denSchutz derguten Sitten, denSchutz Minderjähriger, Rechte nationaler Minderheiten undEinschränkungenzur Extremismusbekämpfung. Schließlich

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erläutertesdie regulatorischen Mittel, dieindiesem Rechtsrahmen angewandt werden, wozu Chartasund Kodizes wieauchRegulierungdurch dienationaleRegulierungs- behörde insbesondere im Bereich Werbunggehören.

DieStruktur dieser IRIS Spezial lehntsicheng undganz bewusst an dieFragenan, dieinder IRIS Spezial zur Richtlinieüber Audiovisuelle Mediendienste betrachtet werden. Damit wirdein Vergleich derzugrunde liegendenRechtssystemewie auch der rechtlichenVorschriften, dieinden verschiedenen Bereichen angewandt werden, erleichtert. Wenn sich diese Publikation in erster Linieauf Rundfunk konzentriert, so ist es demUmstandgeschuldet, dass andere audiovisuelleMediendienste undsomit auch derenRegulierunginRusslandnoch in denKinderschuhen stecken. Dievorliegende IRIS Spezial ist in dieser Hinsichtsehr aufschlussreich,daesrechtdetailliert dieSchwierig- keiten beschreibt, denbestehendenRahmen an Abrufdienste anzupassen, dienoch nichtsoweit entwickelt sindwie in andereneuropäischen Ländern.

Wir hätten in diesem Zusammenhangauchgerneüber dieAnnahmedes Protokolls zum Übereinkommen desEuroparats über grenzüberschreitendesFernsehen berichtet, das ganz Europa undsogar nichteuropäischeLänderabdecken könnte.Russlandhat die aktuelle Version desÜbereinkommensbereits unterzeichnet (wenngleich noch nicht ratifiziert),und manhoffte,dass es demProtokoll beitreten werde.Die Ereignisse nahmen jedoch eineandere Wendung,und ob dasÜbereinkommen je mit derRichtlinie in EinklanggebrachtwerdenwirdoderinRusslandAnwendung findenkönnte,vermag in derTat allenfalls deroben schon erwähnte Prophet vorauszusagen.

Straßburg, den23. Dezember 2009

WolfgangCloss Susanne Nikoltchev Geschäftsführender Direktor Leiterin der Abteilung Juristische Informationen

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DER REGULIERUNGSRAHMEN FUR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE IN RUSSLAND 5

INHALTSVERZEICHNIS

I. Allgemeines ...... 9

1. Nationale Politik undallgemeine Probleme beider Regulierungaudiovisueller Dienste...... 9 a. AllgemeinerAnsatz ...... 9 b. AnwendbarkeittraditionellerErfordernisse aufneueaudiovisuelleMediendienste .....12 i. Massencharakter ...... 12 ii.Periodizität ...... 13 iii. Verbreitung ...... 13 iv.WeitereArgumente ...... 14 c. Versuche zur Einführung eines gesonderten Rechts für Online-Dienste ...... 15 d. Entwicklungneuer Dienste: Staatliche Politikund „weiches Recht“ ...... 16 e. Russlands Haltung zumÜbereinkommenüber grenzüberschreitendesFernsehen ...... 20

2. Zentrale Begriffe derRegulierungund ihreAuslegung ...... 21 a. Rundfunkfreiheit ...... 21 b. Rechtshoheit überaudiovisuelle Mediendienstemit Ursprung in Drittländern ...... 21 c. Rundfunkentwicklung ...... 22 d. Partnerschaftzwischen staatlichemund privatemSektor ...... 22 e. Einheitliche Lizenzierungfür alle audiovisuellenMedien ...... 23 f. Übertragungspflichten (must-carry rules) ...... 23

3. Lizenzerfordernisse füraudiovisuelle Mediendienste...... 24 a. Doppellizenzsystem ...... 24 i. Rundfunklizenz...... 25 ii.Sendelizenz...... 25 b. Rechtsinstrumentefür Fernsehlizenzierung heute...... 26 c. Registrierung vonMedien ...... 26 d. BesondereAspekte des gegenwärtigen Lizenzierungssystems ...... 27 i. Statusder Ausschreibungskommission ...... 27 ii.Ausschreibungskriterien ...... 29 iii. Sendekonzept ...... 30 iv.Laufzeit der Lizenz ...... 30 v. Übertragungeiner Lizenz ...... 32 vi.Entzug einer Lizenz undFallrecht ...... 32 e. Zuweisung(line-up)imdigitalen Zeitalter ...... 34

4. Gegenüberstellung staatlichenund öffentlich-rechtlichenRundfunks ...... 36 a. Grundeinstellungen staatlichenRundfunks ...... 36 b. StaatlicherRundfunkals Alternative zu öffentlich-rechtlichemRundfunk ...... 37 c. InhaltlicheVerpflichtungen fürstaatlichenRundfunk ...... 38

5. Medieneigentumund Medienkonzentration ...... 39

6. AusländischesEigentum ...... 41

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II. SpezielleBereiche ...... 43

1. Recht auf Gegendarstellung ...... 43

2. Produktplatzierung...... 45

3. Recht auf Kurzberichterstattung...... 47

4. Schutz der guten Sitten...... 48

5. Schutz Minderjähriger ...... 50

6. Rechte nationaler Minderheiten ...... 52

7. Einschränkungen zur Bekämpfung vonExtremismus ...... 54

III. Regulierungsinstrumente...... 56

1. Selbstregulierung und Koregulierung ...... 56 a. Selbstregulierungsmechanismen:Chartas und Kodizes ...... 56 b. Selbstregulierungs- und Koregulierungsorgane ...... 58 c. Öffentliche Kontrolle durch Gremienbei staatlichbetriebenen Kanälen ...... 59 d. Hindernisse fürSelbstregulierung ...... 60

2. Regulierung durch dienationale Regulierungsbehörde: Werbung...... 62 a. Regulierung vonWerbeaussagen ...... 62 b. Überwachung und Kontrolle der Einhaltung vonWerbevorschriften ...... 63

3. Zusammenarbeitmit Behördenaußerhalb Russlands ...... 66

IV.Zusammenfassung und Ausblick...... 67

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DER REGULIERUNGSRAHMEN FUR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE IN RUSSLAND 9

DerRegulierungsrahmen für audiovisuelleMediendienste in Russland

vonAndreiRichter, Moskauer Zentrum für Medienrechtund Medienpolitik

I. Allgemeines

1. Nationale Politik undallgemeine Probleme beider RegulierungaudiovisuellerDienste a. Allgemeiner Ansatz

StaatlicheRundfunkregulierunginRusslandsetzte am 14. Juli 1990 mit derVerabschiedungdes Präsidialerlasses vonMichail Gorbatschow Über die Demokratisierungund Entwicklungvon Fernsehen und Hörfunk in der UdSSR ein. Dadurch erhielten die Räte (bzw.die Sowjets) derVolksdeputierten auf allen Ebenen ebenso wie gesellschaftlicheOrganisationen das Recht, Fernseh-und Hörfunkeinrichtungenund -studios zu eröffnen; gleichzeitig wardarin die Notwendigkeit formuliert, Gesetzgebungfür Fernsehen undHörfunkzuschaffen. Dieser Erlass unddie nachfolgende Regierungsverordnung stelltendie rechtlicheGrundlage für die ersten nichtstaatlichen Fernseh- undHörfunkprogrammedes Landesdar.

Das Gesetz der Russischen Föderation z ur Regulierungder Massenmedien vom27. Dezember 1991 (Nr.2124-1)1 definierte einigewichtigeElementedes postsowjetischen Systems zur Medienregulierung (einschließlich audiovisueller Medien). Dazu gehören:

•ein Verbot staatlicher Zensur, •die allgemeineFreiheit, Medienmärkte zu etablieren, •die staatliche Registrierungvon Medien, •spezielle Rechte undPflichten für Journalisten, einschließlichredaktionellerUnabhängigkeit von denGründern (Inhabern), •einestaatlicheLizenzierungspflichtfür Hörfunk- undFernsehveranstalter.

Das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien ist nach wie vordie wesentlicherechtlicheGrundlage für die Rundfunkregulierung, tatsächlichstellt es jedoch einesehr eingeschränkteBasis dar und gestaltet sich in seiner Umsetzungproblematisch. Um Kollisionen mit derbehördlichen Ermessens- freiheit zu vermeiden, wurdendie wenigenzentralen Bestimmungenzum RundfunkimGesetz schließlich abgeschafft oder weniger präzise formuliert.Durch diese Änderungenwurde die Rundfunk- lizenzierungund -regulierung2004 staatlichenBehördenunterstellt.

1) DerTextist auf Englisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html

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Der audiovisuelleSektor in Russland, wenngleich wirtschaftlichlebensfähig,2 hat für seine Funktionstüchtigkeit im Interesse derÖffentlichkeit sowie desWirtschaftslebensheute nach wie vor Bedarf an eindeutigen undstabilen Regeln. Ungeachtet derwiederholten Versuche desParlaments3 in den1990ern, ein Rechtssystemfür elektronischeMedienzuentwickeln,4 beinhaltet die russische Rundfunkregulierung immer noch viele ungelöste Probleme.Russland ist nach wie voreines der wenigen europäischen Länderohneparlamentarisches Gesetz zur Regulierungdes Rundfunksoderder audiovisuellenMedien.Esexistiert seit2000 einnichtbekannt gemachtesMoratorium für die Erarbeitungeines Gesetzentwurfsfür Fernsehen undHörfunk (sieheunten). Sollte ein Gesetzentwurf zustande kommen, müsste er darauf abzielen, die Beziehungenzwischen Regierung, Rundfunk- veranstaltern, Programmproduzenten undtechnischen Diensteanbietern zu regeln undals Rechts- rahmenfür Rundfunktätigkeit undRegulierungsinstrumente zu dienen. Ein erster Entwurf für ein solches Gesetz wurde demObersten Sowjet (Parlament) derUdSSR zwar 1991 vorgelegt, jedoch wurden wederdiese noch spätereVorlagen, die zur Beratungdurch das russischeParlamenterarbeitet wurden, je verabschiedet und/oder in Kraft gesetzt, da die Beteiligten unterschiedlichepolitischePositionen zu diesem Thema einnahmen.

Das heißt nicht, dassesinRusslandkeinerlei rechtlicheRundfunkregulierunggibt. Die Beziehungen in diesem Bereich sinddurch 15 Föderationsgesetze geregelt, die sich in Teilen auf Rundfunkfragen beziehen (z. B. die Gesetze zur Regulierungder Massenmedien, betreffenddas Nachrichtenwesen oder zur Werberegulierung ), weiterhin durch vier internationaleÜbereinkommen ( Europäisches Überein- kommen über grenzüberschreitendes Fernsehen 5 –von Russlandunterzeichnet, jedoch nichtratifiziert –, die Konstitution und die Konvention der Internationalen Fernmeldeunion 6 unddie Okinawa-Charta über die globaleInformationsgesellschaft 7 )sowie durch drei Erlasse desrussischen Präsidenten, 20 Erlasse undVerordnungender Regierung, Dutzende vonAnordnungenunterschiedlicherMinisterien unddie gosudarstvennye standarty (staatliche Normen). Siebzehn derstaatlichen Normen beziehen sich ausschließlich auf Digitalfernsehen, undallein für diesen Rundfunkaspekt werdengegenwärtig 50 weitereerarbeitet.8 Rundfunkregulierungfällt fast ausschließlich unter die Rechtshoheit der Föderation. Nur wenigeder regionalen Rechtsakte sindvon maßgeblicher Bedeutung, unddies nur insoweit, wie sie nichtmit Föderationsgesetzgebungkollidieren(z. B. lokaleSubventionen oder Vergünstigungenfür staatlich betriebeneGesellschaften).

Die Definition vonMassenmedien ist im Gesetz zur Regulierung derMassenmedien seit dessen Verabschiedung 1991 unverändert geblieben. Dort heißt es,sie „sindzuverstehen alsperiodische Druckpublikation, alsHörfunk-,Fernseh- oder Videoprogramm, alsWochenschau undjedesonstige Form periodischer Verbreitungvon Masseninformationen“ (Art. 2). Die zentralen Elemente der Definitionsind Periodizität, Verbreitung und massenhafteNutzung derInformation (in Russlandim weitest möglichen Sinn verstanden). Die Bedeutungdieser Begriffe wirdweiter unten betrachtet.

Nach demGesetz müssen alleMassenmedien vonihren Gründern (deren Rechtsstatusähnelt in vielerlei Hinsichtdem vonMedieneignern) bei derzuständigen Behörde,gegenwärtig Roskomnadzor (der Föderalen Aufsichtsbehörde für Nachrichtenwesen,Informationstechnologien undMassenmedien beim Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation)registriert werden. Das Gesetz siehtdarüber hinausvor,dass Verstöße gegeneinigeseiner Bestimmungennichtnur eineHaftungder betreffendenJournalisten undRedakteure, sondern derentsprechenden Medieneinrichtungals solcher nach sich ziehen können. MöglicheSanktionen sindschriftlicheAbmahnungender Föderalen Aufsichtsbehörde.NachzweiAbmahnungenbinnen zwölf Monaten führt ein dritter Verstoßzur Zwangsschließung derEinrichtung.

2) Siehe: Digital Television in ;herausgegeben vonGroteck Co., Ltd. für die EuropäischeAudiovisuelleInformationsstelle. Moskau, 2008. 3) Das Parlamentversuchte,den Widerstanddes Oberhauses (vom Präsidenten ernannt) oder das Präsidentenvetoineiner Reihe vonFällen zu überstimmen, jedoch regelmäßig ohneErfolg. 4) Sieheeinen früheren Bericht(Oktober 2003) vonJa. Skljarova (Moskauer Zentrum für Medienrechtund Medienpolitik), The Russian System of LicensingofTelevision andRadio Broadcasting; bearbeitet vonIrene Gentile, EuropäischeAudiovisuelle Informationsstelle(Hrsg.), abrufbar unter: http://www.obs.coe.int/online_publication/reports/ru_sklyarova.pdf.en 5) Siehe: http://conventions.coe.int/Treaty/EN/treaties/Html/132.htm 6) Siehe: http://www.itu.int/net/about/basic-texts/index.aspx 7) Siehe: http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/apcity/unpan002263.pdf 8) R. Maizulsund Ju. Šavdija, Развитие нормативно-правовой инормативно-технической базы современного телерадиовещания / «Broadcasting. Те левидение ирадиовещание”Nr. 3, 2008, S.31-36. siehe: http://broadcasting.ru/articles2/Regandstan/progress-tv

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Die generelleHaltungder russischen RegierungzuRechtund Politik deraudiovisuellen Medien spiegelt sich in denWorten vonPräsidentMedwedew wider.Eräußerte sich dazu am 5. Juni 2008 in Berlin in seiner Antwort auf Fragenvon deutschen Führungspersönlichkeiten ausPolitik, Parlament undGesellschaft:

„Meiner Ansichtnachsollte Fernsehen eineunabhängigeEinrichtunginder Zivilgesellschaft sein. Es sollte eineEinrichtungsein, diesowohl unabhängig alsauchgleichzeitig verantwortlich ist gegenüber demLandund denMenschen, die ihreProdukte empfangen. Fernsehen kann in staatlicher undinprivater Handsein, es mussaber wahrheitsliebendsein.

Fernsehen kann ausWerbeeinnahmenoderdurch öffentlicheGelder, das heißt durch Gebühren vonBürgern finanziert sein. Ichglaube,wir können all diese unterschiedlichen Arten von Fernsehen entwickeln. Ichhabe jedoch nichtnur zufälligauf die technologischeRevolution hingewiesen, die sich jetzt in allen privaten Haushalten vollzieht.

Ichhabe heute mit Frau Merkel darüber gesprochen. Ichbin fest davon überzeugt, dass es in fünf Jahren praktisch keinen Unterschied mehr zwischen Computern undFernsehern geben wird. AlleLändereinschließlich Russlandund Deutschlandwerdensich in erster Linie nichtum die Regulierungvon Fernsehgesellschaften undLizenzfragen, Steuerthemen oder noch weniger um Eigentumsfragenkümmern müssen, sondern um Inhaltsfragen, darum, wasimglobalen Medienraum ausgestrahlt wirdund auf welche Weise dies geschieht.

Gleichzeitig müssen wir begreifen, dass die Menschheit auf eineReihevon Herausforderungen, vordenen wir in diesem Bereich stehen, immer noch keineAntwort gefundenhat. Damit Sie verstehen, wasich meine: Wie Sie wissen, hat die Welt im letzten Jahrhundert ein umfang- reiches Vorschriftensystem zum Urheberrechtentwickelt. Dieses System gründetsich auf eine ReiheinternationalerÜbereinkommen. Das Entstehen eines globalen Umfeldsfür Fernsehenund für Informations- undKommunikationstechnologie insgesamt wirddiesem System jedoch ein Ende bereiten. Wir müssen darüber nachdenken, wie die Welt diese Fragen, ganz zu schweigen vonsolchen konventionellen Themen wie Sicherheit undMoral, bewältigen kann. Ichdenke, in diesen Fragenmüssen wir zusammenarbeiten.

ZurMedienentwicklunginRusslandkann ich sagen, dass unsereMedien einen Reifeprozess durchmachen, unddie Fernsehkanäle, die wir heute haben, haben sich seit denfrühen 1990er Jahren, wie gesagt, weit entwickelt. Heute haben wir ein reiferes Fernsehen mit einem höheren Entwicklungsstand. Das gilt sowohl für staatliche alsauchfür private Kanäle. In diesem Sinne bin ich sicher,dass sich alles ohneProblemeweiterentwickeln wird.“9

Diese Haltunglässt sich in Kürze klar zusammenfassen: (1) Um unabhängig zu sein, mussFernsehen nichtnur eineVerantwortunggegenüber demZuschauer,sondern auch „gegenüber demLand“ übernehmen, (2) Regulierungvon Inhalten ist wesentlich wichtiger alsLizenzregulierungund manche andere Fragen, da sich die Plattformen ändern können, währenddie Inhalte bleiben, (3) wo immer möglich (Urheberrecht, Sicherheit, gute Sitten), begrüßt RusslandinternationaleUnterstützung, (4) staatliches wie privates FernsehenwerdeninRusslandihren Platzund ihreEntwicklungsfreiheit behalten und(5) öffentlich-rechtliches Fernsehen ist nichtvorgesehen (zu einer Gegenüberstellung vonstaatlichem undöffentlich-rechtlichem Fernsehen sieheunten unter I.4.). Dessen ungeachtet gibt es nach Meinungvon Wirtschafts- undRechtsexperten heute fünf zentraleProblemeinBezug auf die Regulierungaudiovisueller Medien in Russland. Diese sind:

•unzureichende Übernahme internationaler Trendsbei derModernisierungvon Rechtund Praxis audiovisueller Medien, •WidersprücheimRechtsrahmender Rundfunkmedien sowie in deninder Schwebe befindlichen, bruchstückhaften Rundfunkgesetzen, •uneinheitlicheBegriffe für einerseitsdie in Verordnungenbehandelten Themen undandererseits die unterschiedlichenTätigkeiten derverschiedenen Akteureimaudiovisuellen Bereich, •ein umfangreiches undumstrittenes Regulierungssystem, das die Entwicklungder neuen audio- visuellen Mediendienste undGeschäftstätigkeiten behindert sowie

9) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2008/06/05/2239_type82914type84779_202294.shtml

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•lange Bearbeitungszeiten vonLizenzanträgen undGenehmigungenfür die Nutzungvon Frequenzen undÜbertragungsanlagen.10

In diesem Beitrag sollen diese undandere Themen in Bezug auf die Regulierungaudiovisueller Mediendienste in Russlandbehandelt werden. b. AnwendbarkeittraditionellerErfordernisse auf neue audiovisuelle Mediendienste

Das Auftretender sogenannten nichtlinearen audiovisuellen Mediendienste (im Folgendenauch „neue Medien“ genannt) einschließlich internetgestützter Dienste hat wederneue noch spezifische Regulierungauf Grundlage desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien von1991 ausgelöst. Der zentraleGrundliegt in derSchwierigkeit, die neuen Mediendienste in die gesetzlicheDefinition eines Massenmediumshineinzupressen, undfolglich in derFrage,obdiese Dienste in denGeltungsbereich desGesetzes fallen oder nicht. Neue nichtlineareaudiovisuelleMediendienste werdenals interaktive undkonvergierte Informationsdienste betrachtet, die sich auf computerisierte undvernetzte digitale Kommunikationstechnologien stützen. Sie bestehen in derMehrheit ausinternetgestützten Diensten, wenngleich mobileaudiovisuelleDienste sich ebenfallsimrussischen Alltagweiter ausbreiten.

Wenn nichtlineareaudiovisuelleMediendienste in denGeltungsbereich desGesetzes zur Regulierung derMassenmedien fielen, dann wären dessen spezielle Registrierungsvorschriften für Medien jederArt anzuwenden. Darüber hinausmüssten die neuen Mediendienste zahlreicheVerpflichtungen hinsichtlich derInhalte,die die Autoren(die alsJournalisten zu betrachten wären) bereitstellen, beachten, sie unterstündender Kontrolleseitensder staatlichenÜberwachungsstellen für Medien und Werbungund könnten wegenspezifischer Verstöße aufgrundder Verbreitungvon Masseninformationen belangt werden. EinemöglicheSanktion wäredann auch die endgültigeRücknahme derRegistrierung eines Massenmediums. ZusätzlicheBeschränkungen, die sich ausden Bestimmungenzum Wahlrecht, zur Werbung,zuVerleumdungenusw.für die Verbreitung vonInformationen über Massenmedien ergeben, wären ebenfallsanzuwenden.

Wenn die neuen Medien alsnormale(traditionelle) Massenmedien wie Presse undRundfunk anerkanntwürden, kämen sie jedoch auch in denGenussvon Informationszugangund hätten eine Reihevon speziellen Rechten, die das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien undandere Rechtsakte denJournalisten einräumen.

Im verbleibendenTeil diesesAbschnittssoll untersuchtwerden, inwieweit die bestehende Definition vonMassenmedien (sieheI.1.a) auf die neuen Mediendienste angewendetwerdenkann. Dazu muss zunächst betrachtet werden, ob diese Dienste die Kriterien derDefinition erfüllen. i. Massencharakter

Das erste Elementder Massenmedien ist ihr „ Massencharakter“ .Das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien definiert Masseninformation als„gedruckte,Audio- undaudiovisuellesowie sonstige Mitteilungenund Materialien, die für eineunbegrenzte Personenzahl bestimmt sind“ (Art. 2).

Die neuen Mediendienste breiten sich in derTat rasantaus. Im Gesetz sehen wir ein positives Zeichen dafür,dass diese VeränderungenzuFortschrittenführen: Art. 57 desFöderationsgesetzes betreffenddas Nachrichtenwesen, verabschiedet vonder Staatsduma am 18. Juni 2003, siehtvor,dass zu denUniversaldiensten, die in derRussischen Föderation garantiert sind, die Dienste zur Daten- übertragungund zum Internetzugangüber multipleZugangspunkte gehören. Insbesondere verlangt das Gesetz, dass in Ortschaften mit einer Bevölkerungvon 500 oder mehr Personen mindestensein Netzwerkpunkteingerichtet sein muss, um multiplen Zugangzum Internet anzubieten.11

Somit beziehtsich derBegriff „Masse“ in „Massenmedien“ nichtauf einen numerischenAnteil der Gesamtzahlvon Lesern oder Zuschauern oder eineMindestzahl ab einer Schwellevon eintausendoder einer Million Menschen. Masse beziehtsich vielmehr auf denUmstand, dass ein Medium nichteiner bestimmtenElite vorbehalten ist. Bislangsagtfast überall in Russlanddie Möglichkeit, zuhauseoder

10) SieheFußnote 8. 11) Sieheden Gesetzestext auf Englisch unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/communications.htm

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auch bei derArbeit über einen Internetzugangzuverfügen, mehr über densozialen Statusaus alsdie Möglichkeit, fernzusehen, Radio zu hören oder Zeitungzulesen.

Im Juli 2007 führte das Levada-Zentrum, eineAgentur für soziologischeForschung, eineStudie durch, die aufzeigte,dass jedervierte Russe einen privaten Computer besitzt. 61% haben ein Mobil- telefon, und17% konnten diesesfür denInternetzugangnutzen. Gleichzeitig hatten 6% der BevölkerungimLandkeineAhnungvom Internet,und 73% hatten nie die Gelegenheit, es zu nutzen.12

Fernsehen auf Mobilgeräten ist ein noch elitärerer,wenn nichtrein experimenteller Dienst für die Bevölkerung: Gerade einmal 200.000 Haushalte haben dazu Zugang.13 AudiovisuelleAbrufdienste sind ebenfallssehr begrenzt undwerdennur über einigeKabel- undSatellitennetze verbreitet. Terres- trisches Digitalfernsehen können gerade einmal 60.000 Russen empfangen.14

Man darf also nichtdavon ausgehen, dass neue Mediendienste für die Mehrheit derrussischen Bevölkerungzugänglichseien. Allerdings mussman sich klar machen, dass es baldsoweit sein wird, dass fallende Computerpreise undNetztarifeinVerbindungmit demWegfall verbliebener politischer undrechtlicher Hindernisse diese zu einer beliebten Quellefür „Mitteilungenund Materialien“ für die Massen,das heißt eineunbegrenzte undunüberschaubareMenge vonPersonen machen. Dann, aber auch nurdann, werdensie tatsächlichen „Massencharakter“ haben. ii. Periodizität

Ein weiteres gewichtiges Argumentgegen die Annahme,die neuen Mediendienste fielen in die rechtlicheDefinition vonMassenmedien, ist ihremangelnde „Periodizität“ (zumindest im Allge- meinen), die dentraditionellen Medien Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen undHörfunk eigen ist. Mit anderenWorten: Ruft man am 1. Januar 2010 onlineInformationen ab,die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, kann man nicht immer sichersein, dass dieses Informationsangebot eine„Fortsetzung“ haben wird, die man am nächsten Tag(wie bei täglichen Nachrichtensendungen) oder in dernächsten Woche(wie bei einem Fernsehmagazin) oder auch am 1. Januar 2011 (wie bei traditionellen Neujahrs- bällen oder -konzerten im Fernsehen) abrufen kann.

Das ist abernichtdas Einzige, wasmit Periodizität gemeintist. Ebenso relevant ist, dass das Publikum vonallen Medien erwartet, dass die Inhalte komplett erneuert werdenund lediglich die Erkennungsmerkmale wie Titel, Grundstruktur,ständigePersonenbesetzung,Erkennungsmelodie, Bildschirmlogos undÄhnlicheserhalten bleiben.EinederartigeAktualisierungwirdinfesten regel- mäßigen Abständenwie Stunden, Tagen, Wochen usw. erwartet.

Ausnahmenbildenhier einerseitsdie Online-Versionen traditioneller Medien undandererseits Publikationen undNachrichtenagenturen, die nurüber das Internet erreichbar sind. Ersterewerdenim Wesentlichen jedoch eher alsneue Form „alter“ Medien denn alsneue Medien betrachtet, selbst wenn die Online-Versionen abweichendsind, unddie beiden Letzteren machen nureinen winzigen Anteil im Internet aus. iii. Verbreitung

Das dritte Elementder rechtlichen Definition vonMassenmedien befasst sich mit derFrage,was unter Verbreitungzuverstehen ist.Umneue Medien in denGeltungsbereich derRegulierungzu bringen, musseruiert werden, ob das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien auch die Informations- verbreitung(siehedie Diskussion unter I.1.b.i)über andere Formen vonTelekommunikation alsden traditionellen Rundfunk (Hörfunk undFernsehen) erfasst. Kann Übertragungüber das Internet zum Beispiel als„Verbreitung“ gelten? Die Formen von„Verbreitung“, die durch russisches Rechtgeregelt sind,sindalleimGesetzaufgelistet(Art.2). Sie umfassen Verkauf,Abonnement, Lieferung, Distribution, Ausstrahlung, Wochenschauen.EinigeBestimmungenimselben Gesetz ermöglichen die

12)Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Situation, Tendenzen undAussichten.Ein Berichtder russischen Föderations- agentur für Presse undMassenkommunikation, Moskau, März 2008. EineenglischeVersion desBerichts ist abrufbar unter http://www.chtenie-21.ru/readers/news/2324 13) Siehe: Digital Television in Russia. Op. cit. 14) SieheInterviewmit AlexejMalinin, Generaldirektor vonRTRS, in derZeitschrift Itogi Nr.32, 3. August 2009, abrufbar unter: http://www.itogi.ru/hitech/2009/32/142821.html

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Anwendung„derVorschriften für Hörfunk undFernsehen“ „auf die periodischeVerbreitungvon Masseninformationenüber Teletext- undVideotextsystemesowie andere Telekommunikationsnetze“ (Art. 24). EinigeRechtswissenschaftler sindder Ansicht, durch diesen Verweis könneman das Internet alsMassenmedium einstufen.15 Wir sindallerdings derAuffassung, dass derVerweis lediglich soge- nannte ergänzende Informationen umfasst, das heißt Informationen, die die Übertragungeiner Fernseh- oder Hörfunksendung begleiten.Erlässt es nichtzu, Internet-Übertragungals eineweitere Form vonVerbreitungzubetrachten, die derDefinition vonMassenmedien genügt. iv.WeitereArgumente

Die Anwendungder im Gesetz zur Regulierungder Massenmedien niedergelegten Vorschriften für Hörfunk undFernsehen auf das Internet würde eineReiheungelöster verfahrensbezogener Fragen aufwerfen. Wenn zum Beispiel ein FernsehsenderverleumderischeInhalte ausstrahlt, kann die Person, derenpersönlicher oder beruflicher Rufgeschädigt wurde,einen Widerruf verlangen. Das Gesetz sieht vor, dass die Richtigstellungzur selben Tageszeit auszustrahlen ist wie die rufschädigendenAnschul- digungen(Art. 44). Dasselbe müsste zweifellos auch im Fall vonOnline-Medien gelten; es ist jedoch unmöglich, eineGegendarstellung im Internet „auszustrahlen“ unddann unverzüglich zu entfernen, so dass einesolcheMaßnahme sinnlos wäre. Sollte die Gegendarstellungauf derSeite stehen bleiben, fragtsich, für wie lange sie dort bleiben sollte undanwelcher Stelle. Können ein Artikel undsein Dementi auf derselbenWebseite nebeneinanderbestehen? Wenn verleumderischeAnschuldigungenvon einer Seite entferntwerdenmüssen, können sie dann in einem Online-Archiv verbleiben, gleich einer gebundenenMappe vonZeitungsausgaben in einer Bibliothek? Undwenn demsoist, darf ein Online- Dienst dann darauf verweisen? Das russischeRechthält keineAntworten auf diese Fragenbereit, ohne solche kann jedoch jede Richtigstellung oder GegendarstellunginOnline-Medien sehr schnell zur Farce werden.

Das Fehlen vonallgemeiner Verfügbarkeit, vonPeriodizität (Aktualisierung) desInhaltsund von VerbreitungimSinneeines traditionellen Rechtsverständnisses legt nahe, dass die Anwendungder gegenwärtigen Fassungdes Gesetzes zur Regulierungder Massenmedien auf die neuen Mediendienste verfrühtwäre. Diese Hemmnisse könnten möglicherweise überwundenund derGordischeKnoten durchschlagenwerden, wenn man die Bedeutungder Definitionen so änderte,dass sie auch die neuen Dienste umfassten. Genau diesen Lösungsansatz verfolgendie Massenmediengesetze in Belarusund Kasachstan, die 2008 bzw.2009 geändert wurden. Dadurch können nunmehr alleoderfast alle Internetmitteilungenund -materialien mit demallgemeinen Regulierungssystem derMassenmedien kontrolliert werden.16

Der staatlicherussischeMedienregulierer Roskomnadzor (FöderaleAufsichtsbehörde für Nach- richtenwesen, Informationstechnologien undMassenmedien beim Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation) fördert dessen ungeachtet umfänglich die Registrierung vonaudio- visuellen undsonstigen Diensten, die ausschließlich onlineangeboten werden, undbehandelt sie somit wie Massenmedieneinrichtungen(zur Registrierungvon Massenmedien sieheI.3.c). Einigehundert, vielleichtsogar tausendDienste wurdenbislangregistriert. Die Registrierungvon Online-Diensten ist freiwillig, obgleich es mindestenseinen Fall gab,indem die Gerichte (2006-2007) versuchten, die Online-Publikation Novyj Fokus (Neuer Fokus, ein Internet-Nachrichtenmagazin mit Standort in der Provinz Chakassien17)wegen „Verbreitungvon Inhaltenüber ein unregistriertes Masseninformations- medium“ zu verurteilen.18

15) Siehezum Beispiel Моргунова Е.А. идр. Комментарий кЗакону РФ «О средствах массовой информации» /Под общ. ред. Погуляева В. В. Изд. 2-е,перераб. идоп. –М., 2005. С. 89. Волчинская Е.К.,Те рещенкоЛ.К.,Якушев М. В. Интернет игласность. –М., 1999. С. 77. 16) Siehe: Belarus: Neues Mediengesetz verabschiedet,von Andrei Richter,IRIS2008-8: 7, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2008/8/article9.de.html und: Kasachstan: Änderungen zum Informations- und Kommunikationsrecht ,von Andrei Richter,IRIS2009-10: 15, abrufbar unter http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/10/article20.de.html 17) Siehehttp://khakasia.info/static/contacts.html .Diese Website wurde schließlich 2007 alsMassenmedium registriert. 18) Siehezum Beispiel http://telnews.ru/Ql_dar_Kudinov/c35854

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c. Versuche zur Einführung eines gesonderten Rechts für Online-Dienste

Die meisten Versuche,internetbasierte undandere neue Mediendienste im Rahmendes Gesetzes zur Regulierungder Massenmedien oder außerhalb zu regeln, brachten keinepraktischen Ergebnisse.So wurde 2008 ein Modellgesetzentwurfzur Regulierung des Internet für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vomOberhausdes russischen Parlaments erörtert. Die Vorlage sollte staatliche Beihilfen für internetbasierte Dienste,Funktionen undPflichten vonTeilnehmern an Internetaktivitäten, Rechts- hoheit undSelbstregulierungsfragenusw.regeln.19 Das Oberhausentschied, denGesetzesentwurf zu verschieben, wasdie Initiativeletztendlichzum Erliegen brachte. Alsder neue russischePräsident Dmitri Medwedew,der demInternet sehrzugetan ist, an die Machtkam, schienen brachialeVersuche, das Internet einzuschränken,aussichtsloszuwerden. DiegegenwärtigeHaltung derrussischen RegierungimHinblick auf eineRegulierungdes Internet spiegelt sich in denWorten Medwedews wider, die in seinem Video-Blog vom22. April 2009, demEröffnungstagdes Russischen Internet Forums, veröffentlichtwurde.Ersagte:

„Das Internet hat sich in diesen letzten Jahren zu einem vollwertigen, selbstregulierten System entwickelt,das wesentlichenEinfluss auf alleunterschiedlichen Bereicheunseres Lebens nimmt. SozialeNetzwerkeund Blogssindzuzentralen Elementen in diesem System geworden [...]

PrimitiveVersuche, dieses System zu regulieren, treffen auf enormeSchwierigkeiten. Das Internet hat seineeigenen Gesetze,und diese Gesetze müssen wir,die Nutzer,befolgen. In dieser Hinsicht, denkeich, musseiniges getan werden, undwir sollten unsalledaran beteiligen.

Das Internetsollte keineUmgebungsein, in derRegeln herrschen,die voneinem einzigenLand, undsei es das mächtigste undfortschrittlichste vonallen, festgelegt werden. Es sollte internationaleVorschriften geben, die in kollektiver Anstrengungerarbeitet wurden, unddas weltweite Netz sollte sich weiterhin so entwickeln wie bisher,als eineUmgebungfür alle. Nur so können wir Terrorismus, Fremdenfeindlichkeit undanderemrechtswidrigem Treiben im Netz begegnen. Schließlich können wir auch nurdurch kollektiveVereinbarungendas Urheberrecht schützen. Ichbin derAnsicht, ja ich bestehedarauf, dass all dies vonhöchster Bedeutungist.

Waskönnen die Behördenunserer Ländertun, um das Internet hier in Russlandzuentwickeln? Ichdenke,unsereHauptaufgabe besteht darin, die richtigen Bedingungenfür einen größtmöglichen ZugangzuInternetdiensten zu schaffen. Glauben Sie mir,dies ist angesichts derGröße unseres Landeskein leichtes Unterfangen[...]

Eineweitere, nichtminderwichtigeAufgabe für die Behördenauf allen Ebenen bestehtdarin, offenePräsenzen im Netz herzustellen. Offenheit undBereitschaft, unterschiedlichestaatliche Dienstleistungenüber das Internet bereitzustellen, sindhier noch weit vomIdeal entfernt, und um es offen zu sagen, in diesem Bereich wurde überhaupt sehr wenig getan. Aber wir sehen langsam die erstenSchritte in dieseRichtung. Vielestaatliche Einrichtungenhaben recht gelungene eigeneSeiten aufgebaut, undesgibt einigeerfolgreicheBeispielefür E-Government in derPraxis,zum BeispielinTatarstan. Ichhabe diesenBlogeingerichtet, undviele hochrangigeBeamte konnten nichtwiderstehen undsindmeinem Beispiel gefolgt. Erst vor kurzem wurdenInformationen über die Einkünfte hoherRegierungsbeamterdes Landesim Internet veröffentlicht.

Diese beiden Aufgaben,das heißt gleichberechtigten Zugangzum Internet (Bereitstellung qualitativ hochwertiger Dienste zu einem angemessenen Preis für unser Land) zu gewährleisten unddie Behördendazu zu bringen, eineumfassende undoffenePräsenz im Netz aufzubauen undder Öffentlichkeit eineunkomplizierten ZugangzuInformationen zu bieten, sindnach meiner Auffassungdie zentralen Aufgaben für die Behördenindiesem Bereich.“20

19) Siehehierzu auch Richter A. Правовые основы журналистики. М.:2009. S. 315-316. 20) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2009/04/22/1001_type207221_215341.shtml Im Zusammenhangmit PräsidentMedwedews Hinweis auf „internationaleRegeln, die durch kollektiveAnstrengungen erstellt werden“ sei angemerkt, dass Russlanddas Übereinkommen desEuroparatsüber Datennetz-Kriminalität nicht unterzeichnet hat.

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PräsidentMedwedew hat in dieser undanderenReden nachdrücklich unterstrichen, dass die Entwicklungvon Informations- undKommunikationstechnologien, insbesondere desInternet, der Schlüssel für wirtschaftlichen Fortschritt in Russlandsei. Das Internet sei darüber hinausein Werkzeug, mit dessen Hilfe das Landaus dergegenwärtigen Wirtschaftskrise herausfinden undRegierungskorruption undsonstigeUntugendenbekämpfen könne. Russlandkönnenichtdamit prahlen, ein besonders hohes Niveau bei dieser Art vonTechnologie erreichtzuhaben. Das Landhabe jedoch alleVoraussetzungen, um in diesem Bereich einen Durchbruch zu erreichen. Informationen seien in derInformationsgesellschaft ein Produkt für Massenkonsum undeinemächtigewirtschaftlicheRessource. d. Entwicklung neuerDienste: Staatliche Politik und „weichesRecht“

Medwedew wies desWeiteren darauf hin, dass die Entwicklungvon Informationstechnologien Wissenschaft undTechnologie direkt voranbringe,aber auch die Effizienz deröffentlichen Verwaltung undselbst daspolitischeSystemstärke, da sieden ZugangzupolitischenEinrichtungenverbessereund somit Demokratie erweitere.21 Er sagte,„es [sei] heute offensichtlich, dass jede Art vonFortschritt oder ModernisierungohneInformationstechnologie unmöglich ist. Dies [sei] derFall im Bereich Wissen- schaft undTechnik, doch nichtnur dort: Sie [sei] unabdingbar im Umgangmit administrativen Auf- gaben undselbst bei derStärkungder Demokratie im Land.“22

Die Problemedes öffentlichen Zugangs zu neuen Mediendiensten wurdenvon deröffentlichen Hand erkannt. In seiner Eröffnungsrede auf derPräsidiumssitzungdes Staatsrats 23 am 17. Juli 2008 unter derTagesordnung „Über die Umsetzung einer Entwicklungsstrategie der Informationsgesellschaft in der Russischen Föderation“ zählte PräsidentMedwedew die Herausforderungenauf, vorder das Landin diesem Bereich stehe.

Die erste vonihm genannte Herausforderungwar derÜbergangzuE-Government, was, wenn es gelänge,die Transparenz vonstaatlichenDienstleistungensteigern undKorruption verringern helfen könne. Gegenwärtig sei das Ziel vonE-Governmentnichtmehr alseineVision für die Zukunft. „Ein Grundfür dengegenwärtigen Zustandist die geringe Computerkompetenz auf Seiten öffentlicher und kommunaler Angestellter.Dies ist nichtder einzigeGrund, es gibt auch finanzielleund organisa- torischeGründe.Esist jedoch derjenige, deramschwersten zu beheben ist, da er die Mentalität der Menschen betrifft. Aber gerade diese Menschen sollten ja eineVorreiterrolleindiesem Bereich über- nehmen. Ichsprechevon unseren Kollegen, denRegierungsangestellten. Unddiesist umsodringender, alsdie meisten Unterlagenab2010 in elektronischer Form vorliegen werden.“

Ein zweites schwer wiegendesProblem, das damit im engenZusammenhangstehe, sei fehlende Computerkompetenz in weiten Teilen derBevölkerung. Die Diskrepanz zwischender Menge an Informationen undden Informationsmöglichkeiten, die für in Russlandlebende Menschen bestehen, habe zu demgeführt, wasals InformationslückeoderdigitaleKluft bezeichnet werde.Der Präsident räumte Ungleichheiten ein zwischen denjenigen,die in großen Ballungsräumen leben undjede Möglichkeit haben, Zugangzum Internet zu erhalten undmobileKommunikationsformen zu nutzen, unddenjenigen, die in kleinen Ortschaften leben undpraktischüber keinedieserMöglichkeiten verfügen. Die Regierunghabe erste Schritte unternommen, diese Situation zu verbessern, indemsie beschlossen habe,alleSchulen im Landmit Computern auszustatten undandas Internet anzuschließen.

Die dritte Herausforderung, so derPräsident, sei die Zugänglichkeit desInternet für die russische Bevölkerung. Es besteheBedarfanBreitbandzugangund dererforderlichen Technologie,und der Hauptaspekt dieser Herausforderungsei zu allererst finanziellerNatur.Die Regierungerwägefür bestimmte Kategorien vonBürgern, wie Studenten undSchüler,ein Fördersystem für denErwerb von Computern. Ein weiterer Aspekt dieser Herausforderungsei die Entwicklungverschiedener Arten von Fernstudientechnologien, insbesondere im Bildungs-und Medizinbereich. Diese seien vonwesentlicher Bedeutungfür Menschen mit Behinderungen. Dazugehörten derZugangzutelemedizinischer Beratung, Fernlehrgänge undmöglicherweise derZugangzuneuen Arbeitsmöglichkeiten.

21)http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2008/07/17/2220_type82912type82913_204259.shtml 22) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2009/02/12/0935_type82912type82913_212854.shtml 23) Der Staatsrat bestehtaus denChefs (Gouverneuren undPräsidenten) derrussischen Gebietskörperschaften. WeiterePersonen können im Ermessen desPräsidenten in denRat berufen werden. WeitereInformationen zum Staatsrat sieheauf Englisch unter: http://eng.kremlin.ru/articles/council.shtml

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Die vierte Herausforderungsei die Schaffungsogenannter nationaler Zugänglichkeitsstandards.Ein Beispiel für einen solchen Standardwurde im Rahmender Maßnahmenzum Anschluss vonSchulen an das Internet im Rahmendes landesweiten Projekts„Bildung“ eingeführt. Der Präsidentist derAnsicht, man müsse vergleichbareStandards für alleSchlüsselbereicheeinschließlich einer Reihevon Fernseh- undHörfunkdiensten entwickeln undverabschieden.

Die Verbesserungvernetzter Infrastruktur sei die fünfte wichtigeAufgabe derRegierung. In diesem Zusammenhangmüsse sie die Entwicklungvon zivilen Kommunikationssatelliten, Rundfunksatelliten undSatelliten zurUmwandlungdes Funkfrequenzspektrums, die für die Entwicklungzukunfts- trächtiger Technologien unabdingbar seien, fördern undinden Vordergrundstellen.24 Das Problem der Infrastrukturbeschränkungeneinschließlich dersogenannten Umwandlungdes Funkfrequenz- spektrums steheseit 2006 auf derTagesordnung. AlleLeiter dermaßgeblichen Ministerienmüssten hier ein Schema erarbeiten,umdie Zusammenarbeit zwischen ihren Stellen zu harmonisieren; dies könneauf MinisterialebeneoderimRahmenvon Kabinettssitzungengeschehen.25 Nach denWorten Medwedews ist es offensichtlich, dass sich nichtnur derStaat, sondern auch die Wirtschaft in vollem Maße einbringenmuss.

Schließlich bliebe Sicherheit ein weiterer Punkt in derEntwicklungvon Informationstechnologien. Die Regierung, so meintMedwedew,müsse allen Nutzern ein sicheres Verfahren für Transaktionen im Internet gewähren undein System zur Verfügungstellen, das vertraulicheInformationen desStaates, derIndustrie undjedes Einzelnen sicher verwahrt.26

Die Umsetzungder Entwicklungsstrategie fürdie Informationsgesellschaft ,die durchUnterzeichnung desPräsidialerlasses vom7.Februar 2008 Gesetzeskraft erlangte,verlangt eineErfüllungall dieser Aufgaben.27 Unter anderemist darin geplant, bis 2015 drei Viertel derrussischen Haushalte mit Breit- bandonlinezugangauszustatten.

Im November 2008wurde per Präsidialerlassein speziellesKoordinationsgremium für diesen Bereich, der Präsidialrat für die Entwicklungder Informationsgesellschaft,eingerichtet. AlsGrundfür die Einrichtungdes neuen Gremiumsnannte derPräsidentdie „fürchterliche“ Rückständigkeit Russlands gemäß aller zentraler Indikatoren, wenn man das Landmit denindieser Hinsichthochentwickelten Staaten vergleiche.28

Problematischer ist noch, dass sich derAbstandzwischen Russlandund denführendenLändern nichtverringert. AlsBeispiel dafür dientRusslands Platzierunginder Kategorie E-Government: 2005 standRusslandauf dem56. Platz, 2007 auf Platz 92. „Was bedeutet das?“, so die rhetorischeFrage Medwedews. „Das bedeutet, wir haben gar kein E-Government. Das ist alles nurein Trugbild.“29

Die erste Sitzungdes Ratsfür die Entwicklungder Informationsgesellschaft wurde am 12. Februar 2009 im Kreml abgehalten undvom Präsidenten Russlands geleitet, derdie eröffnendenWorte sprach. AlsvorrangigeAufgabe desRatsund wichtigste Funktion derbeteiligten Ministerien nannte er die Schaffungder informationstechnischen undinstitutionellen Voraussetzungenfür Russlands Integra- tion in die globaleInformationsgesellschaft innerhalb dernächsten zwei Jahre, ungeachtet der Schwierigkeiten, die durch die gegenwärtigeWirtschaftskrise hervorgerufen werden.30

Am 9. Februar 2009, am Vorabendder Sitzung, unterzeichnete PräsidentMedwedew das Föderations- gesetz betreffendden ZugangzuInformationen über die Tätigkeit staatlicher Stellen und Stellen der kommunalen Selbstverwaltung (Nr.8-FZ), das zuvor vonder Staatsduma verabschiedet wordenwar.Das Gesetz tritt am 1. Januar 2010 in Kraft. Es wirdvom Präsidenten alswichtiger Schrittfür die Entwick- lungdes Internet undvon Internetdiensten betrachtet.

24)http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2008/07/17/2220_type82912type82913_204259.shtml 25) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2009/02/12/0935_type82912type82913_212854.shtml 26) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2008/07/17/2220_type82912type82913_204259.shtml 27) Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.rg.ru/2008/02/16/informacia-strategia-dok.html 28) http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2009/02/12/0935_type82912type82913_212854.shtml 29) Ibidem. 30) Ibidem.

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Die Hauptzieledes neuen Gesetzes sindTransparenz derTätigkeit staatlicher undkommunaler Stellen, breiter Einsatz neuer Technologien undobjektiveund vollständige Informationen für die Öffentlichkeit über die Aktivitäten desStaates.Das Gesetz siehtdie Einrichtungund regelmäßige Aktualisierungoffizieller Internetseiten vonstaatlichenStellen undStellen derkommunalen Selbst- verwaltungvor.Zudiesem Zweck werdenBehördenwie auch öffentlicheBibliotheken undandere öffentlicheEinrichtungenInternetzugangspunkte unterhalten. Art. 13 desGesetzes listet die Arten vonInformationen auf, die über das Internet zur Verfügunggestellt werdensollen. Dazu gehören unter anderemtechnischeNormen, Informationen über die Ergebnissebehördlicher Inspektionen, statistischeDaten, Informationen über öffentlicheAusgaben undüber offeneStellen. Die genauen Informationarten, die auf denoffiziellen Websites angeboten werden, werdenjedoch vonden öffentlichen Stellen festgelegt, die diese Websites betreiben. Die einzigeVerpflichtungfür offizielle Websites ist (nach demGesetz) die Angabe deroffiziellen E-Mail-Adresse für Anfragen, derSprech- zeiten undaktueller Nachrichten.31

Nach derAuffassunginder Lehrehängendas Internet unddie neuen Technologien vonzwei entscheidendenFaktoren ab.Der erste ist die Entwicklungsstrategie für die Informationsgesellschaft, in derdie dringlichsten Aufgaben hervorgehoben werden(sieheoben).

Der zweite ist in der Doktrin über die Informationssicherheit enthalten. Verabschiedet am 23. Juni 2000vom Sicherheitsrat derRussischen Föderation wurde sie durch Unterschriftdes damaligen Präsidenten Putin am 9. September desselben Jahres in Kraft gesetzt.32 Wenngleich das Dokumentvon derEntwicklungdes nationalen Telekommunikationsmarktes bis hin zu Fragendes geistigen Eigentums alleThemenabdeckt, wirdesdoch voneiner einzigen Ideezusammengehalten: Der Notwendigkeit, die staatliche Kontrolleüber denInformationsfluss durch die Schaffungeiner rechtlichen Grundlage für einesolcheKontrollezustärken.

Währendsich das Dokumentnominell alsder Medienfreiheit unddem Verbot vonZensur verpflichtet darstellt, enthält es doch Formulierungen, die diesen grundlegendenPrinzipien zu widersprechen scheinen. Gemäß derDoktrin sehen sich russischeBürgergegenwärtig einer Reihevon Bedrohungen durch die Medien ausgesetzt, unter anderemdurch „die Nutzungder Massenmedien, um das Menschenrechtder Gedankenfreiheit einzuschränken“, durch„die Propagandavon Massenkultur, gestützt auf die Verherrlichungvon Gewalt undauf Werte,die gegendie gesellschaftlichakzeptierten Normen in Russland verstoßen“ unddurch „den Missbrauch derInformationsfreiheit“ durch die Medien.

Russen, so das Dokumentweiter,stehen noch größeren Gefahren ausdem Auslandgegenüber,unter anderem„Tätigkeiten ausländischer Staaten, internationalerterroristischer undandererkrimineller Vereinigungen, Organisationen undGruppen, die auf eineVerletzungder Interessen derRussischen Föderation im Informationsbereich,eineReduzierungdes staatlichen Einflussesauf das gesell- schaftlicheLeben undSchwächungder wirtschaftlichen Kraft desStaates,die legitimen Interessen der Bürger, derGesellschaft unddes Staates im Informationsbereich zu schützen, gerichtet sind“, undgar „wachsende Abhängigkeit desgeistigen, politischen undwirtschaftlichen Lebensdes Landesvon ausländischen Informationsstrukturen.“

EineweitereBedrohungsei die verstärkte Führungsrolleder ausländischen Staaten in derTechno- logie undder Ausbau derenPotenzials, um derEntwicklung konkurrenzfähiger russischer Technologien entgegenzuwirken. AlsSchutz gegendiese Bedrohunglegt die Doktrin die Priorität auf die Entwicklung moderner einheimischer Informations- undTelekommunikationstechnologien sowie die Produktionvon Hard- undSoftware, welche die nationalen Telekommunikationsnetze verbessern undsie effizienter in globaleNetze einbindenkann. Wenngleich die Doktrin keineGesetzeskraft hat, zeigt sie doch auf, welche Bedenkender Kreml hegt. 33 Wir können die Botschaftalsofolgendermaßen formulieren: Entwicklungvon Technologien zur Bekämpfungfeindlichen ausländischen Einflusses auf Russland.

31)WeitereInformationen zu demGesetz siehe: RussischeFöderation: Gesetz über Informationszugangverabschiedet,von Andrei Richter , in IRIS2009-3: 19, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/3/article31.de.html 32) Veröffentlichtin Rossijskaja gazeta vom29. September 2000. Der vollständigeTextist auf Englisch abrufbar unter: http://www.medialaw.ru/e_pages/laws/project/d2-4.htm 33) Siehezur Diskussion derDoktrin: Russian Media Policy Likened to Soviet Era vonDavid Hoffman, TheWashington Post,14. September 2000; A24.

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Gemäß einem jüngstveröffentlichten Regierungsbericht„hat Russland [mittlerweile]zuden neuesten globalen Internettrends aufgeschlossen undsich in vielerlei Hinsichtinder Welt an die Spitze gesetzt.“34 Dies passiere, nach Aussagendesselben Berichts, ungeachtet „der langsamen Verbreitung desInternet“, die das Haupthemmnis nichtnur für denMarkt digitaler Inhalte,sondern auch für den Markt vonInformations- undKommunikationstechnologien (ICT) sei.

Nach derselben Quellegibt es in RusslandeineeindeutigeTendenz, demInternet gegenüber der Presse oder traditionellem Rundfunk alsNachrichtenmedium denVorzug zu geben. Lediglich 2% der Bevölkerungmit Internetzugangnutzen Fernsehen alsNachrichtenquelle, wenngleich Fernsehen in Russland derwichtigsteMedienkanal bleibt. Die anderenInternetnutzerschauen nurzur Unterhaltung fern. Im Gegensatz dazu suchen die Nutzer im Internet in erster Linie nach Nachrichten, so 93% in der Altersgruppe zwischen 15 und24und 98% in derAltersgruppe von40bis 60 Jahren. Dies kann kaum anders alsein lokaler Sieg desInternet über das Fernsehen bewertet werden.

Die Internetnutzer entstammen vorwiegendder gebildeten Gesellschaftsschichtmit Grundkennt- nissen desInternet, ausreichendZeit undGeldfür einederartige Nutzungder Freizeit unddem Wunsch, unabhängigeund oftmalsgegensätzliche Medien zu lesen, so derBericht. Der Hauptnutzer vonInternet-Informationen ist gut situiert, hat eineintellektuell anspruchsvolleArbeit undeine geregeltes Einkommen. Üblicherweise sinddiese Menschen zwischen 16 und45Jahren mit Hochschul- oder technischer Fachhochschulausbildung. Sie sindgesellschaftlich aktiv undhaben ihren eigenen Standpunkt zu zentralen gesellschaftlichen Fragen.

Gemäß dem Berichtder Föderationsbehördefür Presse undMassenkommunikation ausdem Jahr 2008 erlebt das Internet gegenwärtig einen Boom bei nutzergeneriertenInhalten (BlogsoderLive-Journals). In denletzten Jahren sindnichtnur Texte,sondern auch Bilderund Videos in Blogsaufgenommen worden. Die Dienste MySpace alsTeil vonRupert MurdochsNews Corporation und YouTube,die zu Googlegehörende führende Seite vonNutzervideos,sindunter Russen Flagschiffprojekte derWeb 2.0- Internetära.

ZumWachstum desInternetmarktshat die Einführungvon Breitbandzugangingroßen Städten beigetragen. Breitbandzugang ermöglichtdas Herunterladen„schwerer“Inhalte (Filme, Spiele, Software), während„leichte“ Inhalte (Musik, Bücher usw.)heute hauptsächlich über Mobiltelefone, Communicator oder Smartphones verbreitet werden. Die meisten Russen nutzen für denNetzzugang nach wie vorinerster Linie Wählverbindungen. ModerneInternettechnologien lohnen sich erst, wenn einebestimmte Zahl an Nutzern überschritten ist. Zurschnelleren Verbreitungdes Internet braucht man eher Breitband- alsWählverbindungen.

2008 startete IndependentMedia Sanoma Magazines einemobileVersion derrussischen Ausgabe der ZeitschriftCosmopolitan, erreichbar unter wap.cosmo.ru.Mittelsdes Mobiltelefonskönnen Leser der Zeitschriftnichtnur erfahren, wasinder jeweiligen Ausgabe geschrieben steht(Nachrichten, Artikel, Werbungund Trends), sondern auch ihreMeinunginForen kundtun. Sie können Beiträgekommen- tieren, sich an Abstimmungen, Umfragenund Wettbewerben beteiligen, kostenlose Inhalte herunter- ladenusw.

Angesichts desmobilen Formatsfügten die Entwickler derallgemeinen Struktur derWAP-Site einen Fotoblog-Dienst hinzu, um Besuchern die Möglichkeit zu geben, FotosoderBildervon ihren Telefonen hochzuladenund sie an einer Abstimmungüber denbesten Inhalt teilnehmenzulassen. Registrierte WAP-Besucher können darüber hinaus personalisierte Daten auf ihren TelefoneninForm von Textmitteilungenempfangen. So können sie eineWettervorhersage für einebestimmte Stadt oder ein tägliches persönliches Horoskop abfragen.

Nach Cosmopolitan startete auch die Zeitschrift Maxim 2009 ihren Maxim TV Video-Service. 35

34) Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Situation, Tendenzen undAussichten. Ein Berichtder russischen Föderations- agentur für Presse undMassenkommunikation,Moskau, März. 2008. S. 75. EineenglischeVersion ist abrufbar unter http://www.chtenie-21.ru/readers/news/2324 35) Siehe: Российский рынок периодической печати. Состояние,тенденции иперспективы развития 2009. Russischer Markt für Periodika: Situation, Tendenzen undAussichten. 2009. Ein Berichtder russischen Föderationsagentur für Presse undMassenkommunikation; herausgegeben von Vladimir Grigoriev. Moskau, 2009. S. 32. Abrufbar auf Russisch unter http://www.fapmc.ru/files/download/Press2009_Block+AF_New!.pdf

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Währenddie Verbreitungvon Mobiltelefonie in RusslandeineErfolgsgeschichte ist, kann man das vonder Verbreitungvon Computern undInternet nichtsagen. Nach denjüngsten Zahlendes russischen Ministeriumsfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation nutzen lediglich25Millionen Menschen (18% derBevölkerung) relativ regelmäßig das Internet. Statistiker der Internet World Stats schätzen eineetwas höhereInternetnutzunginRussland, nämlich 19,8%.36

Nach denselben Erhebungenvon Internet WorldStatsliegt die InternetnutzunginBelaruszum Vergleich bei 56,3% oder,anders ausgedrückt, über demWert vonFrankreich (54,7%). Unter den ehemaligen Sowjetrepubliken führt Estland(mit 57,8%) das Feld an. Russlandliegt an fünfter Stelle hinter Lettland undLitauen, aber vorMoldau, derUkraineund denfrüheren Südkauskasus- und zentralasiatischenRepubliken derSowjetunion. Nach Aussagendes Regierungsberichts ist es zu früh, vonInternet „in russischen Dörfern, die noch nichtauf derKarte zu findensind“, zu sprechen.37

Der russischeBerichtüber die Massenmedien ausdem Jahr 2008 verweist auf fünf Trends, die sich ausder Masse derEntwicklungenabheben, welche das Internet seit 2000 verändert haben. IhreAus- wirkungensindbereitsspürbar undsie haben das Potenzial, das Internet grundlegendzuverändern:

•Anfangdes 21. Jahrhundertshat das weltweite Netz Suchmaschinen in einem solchen Umfang hervorgebracht,dass dadurch viel Werbungund Spam insInternet gelangte. •Nacheinem Boom bei Nutzerinhalten unddem Aufkommen vonSystemen zur Verhaltensanalyse wurde das Internet sozialer. •Neue Technologienverbreiten Inhalte nunmehr über Tauschbörsen für Dateien, derenBeliebtheit Besorgnis bei dentraditionellen Medien hervorruft undGrundfür einen groß angelegten Feldzug gegenRaubkopierer ist. •Esgibt eineTendenz wegvon konventionellen undteuren Programmen wie Microsoft Officeund hin zu onlineerhältlicher Freeware,wie sie Googleanbietet. •Millionen vonMenschen tauchen immer mehr in die virtuelleRealität ein, undumgekehrt dringt die virtuelleRealität in die realeWelt ein.38 e. Russlands Haltung zum Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen

Russland ist Mitgliedstaatdes Europarats. Im Namen derRussischen Föderation unterzeichnete AußenministerLawrow das überarbeitete EuropäischeÜbereinkommen übergrenzüberschreitendes Fernsehen (ECTT) am 4. Oktober 2006. Diesem Ereignis folgte ein hochrangiges Seminar in Moskau, gesponsert vomEuroparat undder russischen Regierung. Seither hat lediglich das Ministerium für Kultur undMassenkommunikation (Vorgängerdes heutigen Ministeriumsfür Nachrichtenwesen und Massenkommunikation) Ende 2007 praktischeöffentlicheSchritte zur Ratifizierungunternommen. Damalserarbeitete das Ministerium für die Regierung derRussischen Föderation zwei Vorlagen, die von Letzterer zur Beratungindie Staatsduma eingebracht wurden.

In derersten Vorlage warenÄnderungsvorschlägezuden Gesetzen zur Regulierungder Werbungund zur Regulierungder Massenmedien enthalten. Insbesondere wurde vorgeschlagen, die gegenwärtigen rechtlichen Vorschriften für Werbung, Teleshoppingund SponsoringinSendungen(hinsichtlich der Häufigkeit undZeitabstände,Einschränkungenusw.) an die Standards desÜbereinkommensanzu- passen. Das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien wurde durch die Einführung einer (rechtlichen) Trennungvon Übertragungs-und Weiterverbreitungsaktivitäten sowie durch Beschränkungenfür Sponsoringgeändert. Des Weiteren wurdenauchÄnderungenzur Definition desRechts auf Gegen- darstellungvorgeschlagen.39 Insgesamt unterscheidet sich das russischeGesetz nichtvon denNormen desÜbereinkommensund könnte leichtmit demECTT harmonisiert werden.40

36) Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Situation, Tendenzen undAussichten. Ein Berichtder russischen Föderations- agentur für Presse undMassenkommunikation,Moskau, März. 2008. S. 79. Die englischeFassungist abrufbar unter: http://www.fapmc.ru/files/download/445_file.doc 37) Ibidem. 38) Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Op. cit. S. 80-81. 39) Sieheden Text auf Russisch unter: http://medialaw.ru/publications/zip/162/4.htm 40) Siehez.B. РихтерА.Последствияприсоединения РФ кЕвропейской конвенции по трансграничному телевидению(ЕКТТ)иПротоколупоправок. Те лефорум (Москва) ,2001, Nr.10-11. http://broadcasting.ru/articles2/humanit/tv-bez-granic

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Die zweite Vorlage sollte dazu dienen, das Übereinkommen zu ratifizieren. Sie beinhaltete einen Vorbehalt, dass die die Werbungfür alkoholischeProdukte regelndenVorschriften denendes Werberechts derRussischen Föderation entsprechen müssten (die Vorschriftensindstrikter alsdie des ECTT).41 Die Vorlagenwaren so erarbeitet,dass sie nach ihrer Verabschiedungund amtlichen Veröffentlichung, nichtjedoch vordem 1. Januar 2009, in Kraft treten sollten.

Die Regierungberücksichtigte die Vorlagennicht, zumindest nichtöffentlich. Sie wurdennichtin die Staatsduma eingebracht.Das Ministeriumfür Kultur undMassenkommunikation, das die Vorlagen erarbeitet hatte,wurde 2008 aufgelöst, undheute gibt es keineausführbaren Pläne, das Überein- kommen in absehbarer Zukunft ratifizierenzulassen. Einer derGründe hierfür könnte derUnwillen derFernsehbranchesein, sich durch Vorschriftenaußerhalb ihres Einfluss- undKontrollbereichsein- schränken zu lassen, vorallem im Bereich Werbungund Sponsoringund insbesondere in Krisenzeiten.

2. ZentraleBegriffe derRegulierungund ihreAuslegung a. Rundfunkfreiheit

Das russischeGesetzesrechtenthält nursehr wenigeGrundsätze undBegriffezuaudiovisuellen Medien. Art. 29 der Verfassung ,die in einer nationalenAbstimmungam12. Dezember 1993 verabschiedet wurde,besagt, dass „jedermann das Rechthat, mit allen legalen Methoden frei nach Informationen zu suchen, solchezuerlangen, zu übertragen, zu produzieren undzuverbreiten.“ Dies ist die grundsätzlicheDefinition der Informationsfreiheit im russischen Rechtssystem. Derselbe Artikel besagt: „Die Freiheit derMasseninformation wirdgarantiert. Zensur ist verboten.“42 Somit kann die Freiheit derMasseninformation alsdas Rechtinterpretiert werden, mit allen legalen Methoden frei nach Informationen zu suchen, solchezuerlangen, zu übertragen, zu produzieren undzuverbreiten. Wie bereitsoben erwähnt(I.1.b), wirdMasseninformation im Gesetz zur Regulierungder Massen- medien wiederum definiert als„gedruckte,Audio- undaudiovisuellesowie sonstigeMitteilungenund Materialien, die für eineunbegrenzte Personenzahl bestimmt sind“ (Art. 2).43

Die Verfassungverweist wederindiesem noch in irgendeinem anderenKontext speziell auf das Fernsehen. Somit gründensich allerechtlichen Maßnahmenzur Steuerungdes Rundfunksystemsauf die Bestimmungendes Gesetzeszur Regulierungder Massenmedien (1991).Wie ebenfallsoben erwähnt, definiert das Gesetz Massenmedien insbesondere als„ein Fernseh- oder Videoprogramm ... undjedeandere Form periodischer Verbreitungvon Masseninformationen“. Die Verbreitungvon Massenmedienprodukten wirdunter anderemals „Ausstrahlungvon ... Fernsehprogrammen“ (Art. 2) verstanden. b. Rechtshoheit über audiovisuelleMediendienstemit Ursprung in Drittländern

Art. 54 („Verbreitungausländischer Informationen“)des Gesetzes zur Regulierungder Massen- medien besagt insbesondere,dass „Bürgern derRussischen Föderation ungehinderter Zugangzu Berichten undMaterialien ausländischer Massenmedien garantiert wird.“ Derselbe Artikel siehtzudem vor, dass „der Empfang vonSendungendirekterFernsehausstrahlungnur insoweit beschränkt werden darf, wie es durch vonder Russischen Föderation abgeschlossenezwischenstaatlicheVerträgeund Abkommenvorgesehen ist.”44 Das bedeutet, dass direkte Fernsehausstrahlungennichtverhindert werden dürfen, es sei denn, es bestehtein derartiges Abkommen. Russlandhat keinerleisolche VerträgeoderAbkommen abgeschlossen.

41) Sieheden Text auf Russisch unter: http://medialaw.ru/publications/zip/162/5.htm 42) http://constitution.ru/en/10003000-03.htm 43) Siehe: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html 44) Ibidem.

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c. Rundfunkentwicklung

Die Regierungsverordnungder Russischen Föderation vom29. November 2007 (Nr.1700-r) billigte ein Konzeptpapier für die Entwicklung vonFernsehen undHörfunk in der Russischen Föderation 2008- 2015. 45 Dieses Dokumentwurde vonder hochrangigen Regierungskommission zur Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk erarbeitet, damalsunter derLeitungvon Dmitri Medwedew in seiner Eigen- schaft alserster stellvertretenderRegierungschef. Die Kommission, die auch heute noch tätig ist, wurde per Regierungsverordnungvom 22. Mai 2006 (Nr.304) eingerichtet undbeauftragt, die Tätigkeit verschiedenerstaatlicherMinisterienund -behördensowie weiterer AkteureimUmstellungsprozess auf Digitalfernsehen zu koordinieren.46

Die Bedeutungdes Konzeptpapiersfür die Entwicklungvon Fernsehen undHörfunkinder Russischen Föderation 2008-2015 wirddurch eineumfassende Änderungsvorlage für das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien unterstrichen, die eineExpertengruppe unter derLeitungdes stell- vertretendenSprechersder Staatsduma 2009 für die Regierungspartei Einiges Russlanderarbeitet hat. Die Vorlage zielt auf eineÄnderungzentraler Begriffe desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien. In einerseltsamen Verdrehung dergesetzgeberischen Logik wurde die Vorlage mit derNotwendigkeit begründet, einen bestehendenparlamentarischenAkt in Übereinstimmungmit demKonzeptpapier der Regierungzubringen.47

Das Konzeptpapier soll es Bürgern erleichtern, ihr „verfassungsmäßiges Rechtauf Erlangunggesell- schaftlich wichtiger Informationen“ wahrzunehmen. Das Hauptinstrumentzur Rundfunkentwicklung wirdinder Umstellung vonAnalog- auf Digital-Fernsehen und-Hörfunk bis 2015 gesehen.

Mit der Regierungsverordnungder Russischen Föderation „Über das Konzept des föderalen Ziel- programms‚ Entwicklung vonFernsehen undHörfunk in der Russischen Föderation 2009-2015‘“ wurde ein Höchstbetrag vonRUB 76,366 Mrd. ausdem Föderationshaushalt für die Umsetzungzugewiesen. Das Konzept ist auf 6.500 staatseigeneTelekommunikationseinrichtungenausgerichtet, um diese für digitaleRundfunkzweckeauszurüsten.

Die Umstellungauf Digitalfernsehen wirdschrittweise in fünf Zonenvom fernen Osten bis zum europäischen Teil Russlands erfolgen, wobei denGrenzregionen zu Nachbarstaaten besondere Aufmerksamkeit zukommt. Das Analogsignal wirdabgeschaltet, wenn über 90 Prozentder Haushalte mit Set-Top-Boxenausgestattet sind, die diese individuellauf eigeneKosten erwerben müssen.48 d. Partnerschaftzwischen staatlichem undprivatem Sektor

Die Auffassung, wie deraudiovisuelleBereich in derRussischen Föderation zu entwickeln sei, gleichtderjenigen in anderenBranchender nationalen Wirtschaftund kann alseineFormvon Partnerschaft zwischen demStaat (oder derRegierung) undder Privatwirtschaft beschrieben werden.

Das Konzeptpapier für die Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015 sagt aus, dass „der Aufbau vonFernsehnetzwerken auf derGrundlage vonMitteln der Marktteilnehmererfolgt, unddie Regierung wirdeinen leichtverständlichen undakzeptablen rechtlichen Rahmenerarbeiten, derden Anforderungenvon Rundfunkveranstaltern,Betreibern und Konsumenten vonFernsehdiensten gerechtwird“.Mit anderenWorten ist geplant, die Infrastruktur und Netze,die für eineEntwicklungdigitalen Fernsehensund Hörfunkserforderlich sind, ausMitteln der Kommunikationsunternehmenzuerrichten, währendesdie Regierungübernimmt, die gesetzgeberische Grundlage für einesolcheEntwicklungzuschaffen.Die Aufgabe derRegierungbestehtimEntwurf von Änderungendreier Gesetze(betreffenddie Lizenzierung, betreffenddas Nachrichtenwesen undzur Regulierungder Massenmedien) sowie in derVerabschiedungeiner Reihevon Regierungsverordnungen.

45) Entwicklungskonzept für Fernsehenund Hörfunk in derRussischenFöderation 2008-2015 ( Концепция развития телерадиовещания вРоссийской Федерации на 2008 —2015годы ) ,auf Russisch abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/redirect.php?id=11089 46) Der Text derVerordnungist auf Russisch abrufbar unter: http://www.government.ru/content/governmentactivity/rfgovernmentdecisions/archive/2006/05/25/4260828.htm 47) Der Text derVorlage einschließlich Memorandum ist auf Russisch abrufbar unter: http://ruj.ru/2009/090504-10.htm 48) Siehe: RussischeFöderation: Regierungverabschiedet vorläufigen Plan für Digitalumstellung ,von Andrei Richter,IRIS2009- 10: 18.

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Wirtschaftsexperten bestätigen, dass sich die Regierungder Russischen Föderation in demKonzept- papier für das Modell einer Partnerschaft zwischen staatlichem undprivatem Sektor entschied, ungeachtet derAbsichtvieler einflussreicher Akteure (insbesondere desföderalen staatlichen Einheitsunternehmens Russisches Fernseh-und Hörfunknetz -RTRS), Mittel für die Modernisierungder „landgestützten“ (im Sinneder terrestrischen) Infrastruktur zur Verbreitungvon Fernsehsignalen zu mobilisieren.49 SpätereEntwicklungenzeigten jedoch, dass RTRSdie Führungsolcher Partnerschaften im Rundfunk übernehmenwird(sieheunten). e. Einheitliche Lizenzierung für alle audiovisuellen Medien

Lizenzierungbleibt das Hauptinstrumentder staatlichen Rundfunkpolitikund wirdauchweiterhin vonder staatlichenExekutiveausgeübt.EswirdkeineBeschränkunghinsichtlich derAnzahlan Lizenzenfür einen bestimmten Rundfunkveranstalter geben,wohl jedoch eineBegrenzungdes SpektrumsanLizenznehmern (sieheunten). Das Konzeptpapier für die Entwicklungvon Fernsehen und Hörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015 unterstreicht, dass die Regierungzur Erreichungdes Zielsinsbesondere „einheitlicheRegeln für die Rundfunklizenzierungungeachtet derUnterschiedein denMethoden undTechnologien derÜbertragungfestlegen wird“.Als das Konzeptpapier ursprünglich vonder Kommissionfür Entwicklungvon Fernsehen und Hörfunk am 7. November 2007 gebilligtwurde, betonte derdamaligeMinister für Informationstechnologien undNachrichtenwesen Leonid Rejman dessen universellen Charakter,daes„keineunterschiedlichen Regeln für unterschiedlicheTechno- logien zur Signalbereitstellung benötigt. Ein solcher Ansatz ist vorallem vordem Hintergrunddes Aufkommensneuer Dienste für die Verbreitungvon Fernsehsignalen wie desInternet oder mobiler Netze derdritten Generation zeitgemäß.“50

Somit ist die Einheitlichkeit derLizenzierungsvorschriftenindieser Hinsichtein grundlegender Gedanke. Die Lizenzierungsvorschriften wurdenvom Ministerium für Informationstechnologien und Nachrichtenwesen (ein weiterer Vorläufer desheutigen Ministeriumsfür Nachrichtenwesen und Massenkommunikation) 2008 entworfen undinForm einer Vorlage zur Änderungder Föderations- gesetze betreffenddie Lizenzierungbestimmter Aktivitäten, betreffenddas Nachrichtenwesen (Näheres zu denGesetzen sieheunten) undzur Regulierungder Massenmedien festgehalten.51 Im Grunde ergänzte die Vorlage die Gesetze um mehrereArtikel, die ausden Regierungsverordnungenzur Lizenzierungvon Rundfunkveranstaltern kopiert wordenwaren. Der Entwurf wurde vonder Regierung nichtgebilligt. Sein weiteres Schicksal ist gegenwärtig ungeklärt. f. Übertragungspflichten(must-carryrules)

Bis vorkurzemgab es im russischen RechtkeineÜbertragungspflichten ( must-carry rules)mit Ausnahme einiger weniger Bestimmungen in regionaler Gesetzgebung. Das Konzeptpapier für die Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015 beauftragte die Regierung, ein „gesellschaftlichrelevantes PaketanKanälen“ zu erstellen, dessen öffentlicheÜber- tragungüber allePlattformen verbindlich undkostenlos oder gegeneinenominelleGebühr erfolgen soll. Mit anderenWorten musste die Regierungein BündelanProgrammen festlegen, das verpflichtend zu übertragenist. Die Regierungerklärte sich bereit, die Kosten für dessen Übertragungzuüber- nehmen, währenddie Bereitstellungaller übrigen Kanäle, die nichtzudiesemPaket gehören, dem freien Markt überlassen bleibt.

Die Zusammenstellungdieses Pakets wurde vonder Regierungerarbeitet undper Präsidialerlass betreffenddie allgemeinzugänglichen nationalen Fernseh- undHörfunkkanäle vom24. Juni 2009 gebilligt. Der Erlass zielt darauf ab,„die Informationsfreiheit zu gewährleistenund sicherzustellen, dass die Menschen überall in RusslandZugangzugesellschaftlich wichtigen Informationen haben“.Er beinhalteteineListe mit Fernsehkanälen undHörfunksendern, die landesweit kostenlos ausgestrahlt werdenmüssen.

49) Digital Television in Russia.Herausgegeben vonGroteck Co., Ltd. für die EuropäischeAudiovisuelleInformationsstelle. Moskau, 2008. S. 49. Wenn die russischeRegierungein Projekt finanzieren möchte,entwirft undbestätigt sie zunächst ein „Konzept“, dann ein Föderationszielprogramm undweist dann die Finanzmittel zu. Das Konzept für das Föderations- programm, das im Dezember vonder Regierungskommission für Fernsehen gebilligt wurde,wurde vonder Regierungam 21. September 2009 in Kraft gesetzt. Es ist immer noch nichtdas endgültigeProgramm. 50) Der Berichtist auf derWebsite desMinisteriumsabrufbar unter: http://minkomsvjaz.ru/news/xPages/entry.6603.html 51) Sieheden Text derVorlage unter: http://www.medialaw.ru/publications/zip/165/1.htm

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Das Paket, eineZusammenstellungvon acht kostenlosen landesweit zugänglichen Fernsehkanälen, beinhaltet sieben staatlichbetriebeneKanäle, das heißt die KanäleKultura(ein Kultur- undKunst- kanal), Sport, Vesti (24-Stunden-Nachrichtenkanal) undRossija, die alleTeil dergesamtrussischen staatlichenFernseh- undHörfunkgesellschaft VGTRK sind, einen noch zu gründendenKanal für Kinder undJugendliche(Einrichtungbis zum 1. Januar 2011), Kanal eins, Petersburg-Kanal 5sowie einen privaten Kanal NTV im Besitz vonGazprom-Media. Zu dieser Auswahl fandenkein öffentlicher Wettbewerb undkeineöffentlicheAusschreibungstatt. Es gab auch keineErklärung, warum zum Beispiel ein Sportkanal denVorzug gegenüber einem Bildungsprogramm erhielt, oder warum NTV aus einer großen Anzahl weiterer privater Senderausgewählt wurde.Mit Ausnahme desSankt Petersburger Kanalswurdenkeineregionalen Rundfunkveranstalter berücksichtigt, wenngleich nach demKonzept desföderalen Zielprogramms „Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2009-2015“ Regionalfilialen vonRTRSgestattet wird, lokaleInformationseinschübe in diesen Pro- grammen zu platzieren.52

Der Präsidialerlassbesagt, dass diese Kanäleverpflichtendimgesamten Landund ohneKosten für die Zuschauer/Zuhörer auszustrahlen sind. IhreÜbertragungliegt in derVerantwortungdes Föderationsunternehmens Russisches Fernseh- undHörfunknetz (RTRS). Nach Angaben vonRTRSwerde voraussichtlich kein andererBetreiber dazu berechtigt sein.53

Diese FernsehkanälewerdenMust-Carry-Kanäleinganz Russland, auf allen Plattformen einschließ- lich Kabel- undSatellitendiensten. Die Fernsehkanälewerdenauf einem gemeinsamen Multiplex liegen, wenn die Umstellungauf Digitalfernsehen stattfindet.

Die Regierungder Russischen Föderation ist verpflichtet, diese Fernsehkanälemit allen erforder- lichen Lizenzen auszustatten undihreVerbreitungüber analogeund digitaleWegeinMärkten mit weniger als200.000 Einwohnern (bis 2011) undweniger als100.000 Einwohnern (ab 2011) zu subventionieren.54

3. Lizenzerfordernisse füraudiovisuelle Mediendienste a. Doppellizenzsystem

Wie bei derEinführung derMedienregistrierung(sieheI.3.c) durch das Gesetz der UdSSR betreffend die Presse undandereMassenmedien vom12. Juni 1990 könnte man die Lizenzierungvon Fernsehen undHörfunk, die mit demErlass “Über die Demokratisierung undEntwicklungvon Fernsehen und Hörfunk in derUdSSR„ (sieheI.1.a) desPräsidenten Gorbatschow in die Praxis umgesetzt wurde,als eine Beschneidung derFreiheit derMasseninformationbetrachten, da nichtallen Anträgen auf Erteilungvon Rundfunklizenzen stattgegeben wird. Nach demWortlaut sowie Sinn undZweck inter- nationaler Vereinbarungen 55 undausgehend vonder praktischen Tätigkeit vonRundfunkveranstaltern in derWelt kann man aber auch derAuffassungsein, das Gegenteil könneebenso zutreffen. In einem demokratischen Staat behindert eineLizenzvergabe an sich die Freiheit derMasseninformation nicht, sondern kann undsollte sie vielmehr fördern, da es im öffentlichen Interesse ist, denjenigen Funk- frequenzen zuzuweisen, die das Optimum an Diensten anbieten. Lizenzierungkann darüber hinaus gewährleisten, dass Rundfunkveranstalter bestimmte gesellschaftlicheVorgaben einhalten, zum Beispiel denSchutz vonJugendlichen unddie Gewährleistungvon Vielfalt in denpolitischen Diskussionen undInformationen. Daher bestehtdie Notwendigkeit, denSektor vernünftig zu regulieren, um die Freiheit derMasseninformation (wie sie vonder russischen Verfassunggarantiert wird) gegenandere legitimeRechte undInteressen abzuwägen.

52)Siehe: RussischeFöderation: Regierungverabschiedet vorläufigen Plan für Digitalumstellung ,von Andrei Richter,IRIS2009- 10: 18, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/10/article26.de.html 53) SieheInterviewmit AlexejMalinin, Generaldirektor vonRTRS, in derZeitschrift Itogi Nr.32, 3. August 2009, abrufbar unter: http://www.itogi.ru/hitech/2009/32/142821.html 54) Siehe: RussischeFöderation: Must-Carry-Kanäle vomPräsidenten genehmigt,von Andrei Richter,IRIS2009-10: 18, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/10/article25.de.html 55) Siehezum Beispiel die EmpfehlungRec(2000)23 desMinisterkomitees an die Mitgliedstaaten über die Unabhängigkeit und die Funktionen vonRegulierungsbehördenimRundfunksektor.

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Die Vergabe vonRundfunklizenzenhat in RusslandzweiSeiten, da zwei Lizenzen erworben werden müssen: einevon derLizenzbehörde (zur Verbreitungvon Fernseh- undHörfunkprogrammen als solcher) undeineweitere(für die Nutzungeiner Rundfunkfrequenz) vonder staatlichen Behörde, welche das Nachrichtenwesen verwaltet. BeideBehördensindheute Teil desMinisteriumsfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation. i. Rundfunklizenz

Die offizielleBezeichnungder ersten Lizenzart ist „Genehmigungfür die terrestrische Ausstrahlung vonAntennenfernsehen und/oder -hörfunk unter Verwendungeines Funkkanals“.Dieser Euphemismus erklärt sich damit, dass Rundfunklizenzierung im Hauptgesetz zur Lizenzregulierung, dem Föderations- gesetz zur Lizenzierung bestimmter Tätigkeitsarten vom8.August 2001 (Nr.128-FZ) nichtvorgesehen ist. Letzteres ersetzte das gleichnamigeGesetz, welchesam16. September 1998 verabschiedet wordenwar. Nichteinmal für volledreiJahrehatte das frühereGesetz durch grundlegende Regulierungselemente für die Lizenzvergabe an Rundfunkveranstalter einegewisse Ordnunginden Lizenzierungsprozess gebracht. 56

Ein weiterer Grund, warum Rundfunklizenzennichtals solchebezeichnet wurden, lagdarin, dass das Gesetz zur Lizenzierung bestimmterTätigkeitsarten Obergrenzen für die vonden staatlichen BehördenzuvereinnahmendenLizenzgebühren festlegte.Diese Gebühren liegen weit unter denen, die das Ministerium für Nachrichtenwesenund Massenkommunikation für seine„Genehmigungen“ erhebt. IndemesLetzterenichtals Rundfunklizenzenbezeichnet, vermeidet das Ministerium Anfechtungen wegenVerstößen gegendas Gesetz.

Das Ministeriumfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation verkündetdie Gebührenhöhe zwei Monate vorder Ausschreibung. Die Erhebungvon Lizenzgebühren wirdmit derNotwendigkeit begründet, diejenigen voneiner Beteiligungander Ausschreibungabzuhalten, die finanziell nichtzu einem Rundfunkbetrieb in derLage sind.

Gemäß Art. 6der staatlichen Verordnung über das System vonRundfunkausschreibungen hängt die Höheder Gebühr davon ab,wie viel das Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation für die technischeVorbereitung, die Bereitstellung derFrequenz unddie Organisation derAus- schreibungaufwendet.57 WeitereMerkmaledes Rundfunkmarkts, wie dervoraussichtlicheUmfangan Werbeeinkünften unddie Bevölkerungsdichte in derReichweite derFrequenz,werdenebenfalls berücksichtigt. Die Einnahmenaus denGebühren werdengegenwärtig zwischen derStaatskasse der Föderation (60%) unddem Ministerium fürNachrichtenwesen undMassenkommunikation (40%) aufgeteilt. In derPraxis handelt es sich (zumeist die Zuschauerreichweite unddie Rundfunkart wider- spiegelnd) um einen Betrag vonRUB 1.000 bis 30 Mio. (1 EUR entsprichtca. 44 RUB).

Das Ministerium wendetdie Gebühren für die Arbeit derAusschreibungskommission (sieheunten), die Zertifizierungvon Frequenzen, die Überwachung derEinhaltungvon Lizenzbedingungensowie die Produktion „gesellschaftlich nützlicher Programme“ auf. Nach Angaben eines offiziellen Berichts des Ministeriumsfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation flossen vonSeptember 2008 bis März 2009 RUB 155,5 Mio. ausLizenzgebühren in denFöderationshaushalt.58 ii. Sendelizenz

Die Erteilungder zweiten Lizenz wirddurch das Föderationsgesetz betreffenddas Nachrichtenwesen vom7.Juli 2003 (Nr.126-FZ) geregelt. Gemäß diesem Gesetz entstehtdie Grundlage für die Erteilung einer Rundfunklizenz durch eineGenehmigungzur Funkfrequenznutzung, die vonder heutigen Staatlichen Kommission für Funkfrequenzen (GKRC ˇ )(oder Frequenzvergabekommissionder Regierung) beim Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikationgewährt wird.59 Wenn man die erste Lizenz, die Rundfunklizenzerhalten hat, hat derAntragsteller ein Rechtauf die zweite Lizenz, die Sendelizenz, ohnezusätzlicheWettbewerbe oder Ausschreibungen.

56)Siehe: RussischeFöderation: Das neue Lizenzgesetz ist angenommen worden,von Theodor D. Krav enkound PavelV.Surkov, in IRIS1998-10: 10, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/1998/10/article16.de.html 57) Sieheden Text auf Russisch unter: http://base.garant.ru/180606.htm 58) Siehe: “Итогиработы отраслисвязи, информационных технологий имассовых коммуникаций Российской Федерации за 2008 год” abrufbar unter: http://www.minkomsvjaz.ru/.cmsc/upload/docs/200905/18073415we.pdf 59) Sieheden Text auf Englisch unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/communications.htm

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Die Abfolge desLizenzierungsverfahrenskann folgendermaßen zusammengefasst werden: Das Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation „identifiziert“ eineFrequenz und veranstaltet dann eineAusschreibungfür Rundfunk. Der Gewinner erhält die Rundfunklizenz und verlangt dann die Sendelizenz, die automatisch erteilt wird. b. Rechtsinstrumente für Fernsehlizenzierung heute

Die Lizenzvergabeordnungwurde per Regierungsverordnungder Russischen Föderation Nr.1359 vom 7. Dezember 1994 alstraditionelleMaßnahme zur Rundfunkregulierungbis zur Verabschiedungeines parlamentarischen Gesetzes über Fernsehen undHörfunk eingeführt. Gestützt auf denErlass des Präsidenten derRussischen Föderation Nr.2255 vom22. Dezember 1993 zur Verbesserungder staat- lichen VerwaltungimBereich derMassenmedien60 ist dieses Rechtsinstrumentnachwie vorinKraft, wenngleich es in einer Reihevon Fragenmit neueren Regierungsverfügungenund -verordnungen bezüglich desLizenzierungsverfahrenskollidiert.

Die Lizenzvergabeordnungvon 1994 beschreibt die allgemeinen Lizenzierungsverfahren, listet die Antragserfordernisse auf underklärt möglicheGründe für eineAblehnung. Sie umreißt darüber hinaus die Mittel, die die Regulierungsbehörde (gegenwärtig Roskomnadzor) einsetzen kann, um die Aktivitäten vonLizenznehmern zu überwachenund um sicherzustellen, dass sie die rechtlichen Bestimmungen beachten. Siesiehtvor,dass lediglich juristischePersonen bei derRegulierungsbehörde eineRundfunklizenz beantragenkönnen.

Die Lizenzvergabeordnungermächtigt die Exekutive, offeneAusschreibungendurchzuführen, wenn mehrereBetreiber sich um ein unddieselbe Frequenz bewerben; allerdings nenntsie keinespezifischen Verfahrensweisen für diesen Prozess.

Die Regierungsverordnungder Russischen Föderation vom26. Juni 1999 (Nr.698) bestätigte die Rundfunkausschreibungsordnung,61 welche denLizenzierungsprozess modifizierte.Insbesondere wurde ein Ausschreibungsverfahren für die Erteilungvon Rundfunklizenzen in Städten mit über 200.000 Einwohnern eingeführt.

Die Rundfunkausschreibungsordnungverpflichtetdie Lizenzbehörde,eineAnkündigungder bevorstehendenAusschreibungineinem offiziellen Organ zu veröffentlichen (gegenwärtigdie amtliche Tageszeitung Rossijskaja gazeta). Der Gewinner derAusschreibungerwirbt das Rechtsowohl auf die Rundfunklizenz alsauchauf die Sendelizenz.

Die Verabschiedungdes Ausschreibungsverfahrenszur Lizenzvergabe gingmit derEinrichtungder Föderalen Ausschreibungskommission für Rundfunk (FCC),einem gesonderten Gremium innerhalb der ExekutiveimJahre1999 einher.Die FCC will Transparenz undRechtssicherheit im Bezug auf das Verfahren gewährleisten.

Gemäß demoffiziellen Berichtfür 2008 warenzum 1. Januar 2009 beim Register vonRoskomnadzor 4.965 aktiveLizenzen eingetragen, darunter:

•Antennenfernsehen –2.705 •Digitalfernsehen –19 •Satellitenrundfunk –14 •Antennen- undKabelrundfunk –2. 62 c. Registrierung vonMedien

Nebendem Antrag für die Rundfunklizenz mussder Antragsteller ein Registrierungszertifikat sowie eineReihevon Unterlageneinreichen, die seinetechnischeund finanzielleEignungnachweisen.

60)Sieheden Text auf Russisch unter: http://base.garant.ru/101763.htm 61) Sieheden Text auf Russisch unter: http://base.garant.ru/180606.htm 62) Der vollständigeTextdes Roskomnadzor-Berichts ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.rsoc.ru/docs/20090514160353Lk.pdf

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Gemäß demGesetz zur Regulierungder Massenmedien (Art. 8) darf ein Massenmedium nach der Registrierung seineTätigkeit ausüben. Der Antrag auf Registrierungwirdvon derRegistrierungs- behörde geprüft. Ein Massenmedium gilt mit Erteilungdes Registrierungszertifikatsals registriert. Der Gründerder Medieneinrichtunghat das Recht, die Produktionseines Angebots/seiner Dienstleistungen binnen eines Jahres ab demErteilungsdatum desZertifikatsaufzunehmen. Wirddie Produktion und Verbreitungdes Massenmediumsbinnen dieses Jahres nichtaufgenommen, gilt das Registrierungs- zertifikat alsnichtig.63 Die Registrierungspraxis vonMassenmedien in Russlandwurde vomEuro- päischen Gerichtshoffür Menschenrechte alsVerstoß gegendie EuropäischeKonvention zum Schutz derMenschenrechte verurteilt.64 Heute ist Roskomnadzor die Registrierungsbehörde für alleMedien- einrichtungen, derenZahl sich auf 100.000 beläuft. d. Besondere Aspekte des gegenwärtigenLizenzierungssystems i. Status der Ausschreibungskommission

Es ist heute allgemein anerkannt, dass einestaatliche Behörde mit derBefugnis zur Medien- regulierungabsolut unabhängig vonder Regierungund vorEinmischungvon Seiten politischer oder wirtschaftlicher Kreise geschütztsein muss. Anderenfallskönnte Medienregulierungleichtzu politischenoderkommerziellen Zwecken missbrauchtwerden. Die drei Sonderbeauftragten für die Meinungsfreiheit erklärten:

„Allestaatlichen Behörden, die formelleRegulierungsgewalt über die Medien ausüben, müssen vorEinmischunginsbesondere politischer oder wirtschaftlicher Art geschützt werden, unter anderemdurch ein Verfahren zur Ernennungder Mitglieder,das transparentist, Input der Öffentlichkeit zulässt undvon keiner politischen Partei kontrolliert wird.“65

Rundfunkfreiheit hält staatliche BehördeninEuropa oder,inunserem Fall, in Russlandnichtdavon ab,Fernsehgesellschaften zu lizenzieren. Ursprünglich sah Art. 30 desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien die Einrichtungeiner unabhängigen Behörde (FöderaleRundfunkkommission)vor,um die staatlichePolitik derRundfunklizenzierungzugestalten undumzusetzen. EinesolcheKommission wurde aufgrundpolitischer Kontroversen schließlich nie eingerichtet. Der Artikel selbst wurde 2004 gestrichen. Gleichzeitig wurde Art. 31 desGesetzes geändert, um die Kommission in „eineföderale Exekutivbehörde,ernanntvon derRegierungder Russischen Föderation“, umzubenennen (gegenwärtig Roskomnadzor). Roskomnadzor wurde das Rechteingeräumt, entweder Lizenzen im eigenen Ermessen zu erteilen, oder unter verschiedenen Antragsstellern Ausschreibungenzur Erteilungvon Lizenzen durchzuführen.66

Die zentralen Entscheidungen, die per Verordnung zu treffen sind, betreffen die Organisations- strukturder Lizenzbehörde sowiedie Auswahl derBefugnisse, die ihrzugeteilt werdensollen. Während das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien (Art. 30) die Einrichtungeiner Regulierungsbehörde mit weitreichendenVollmachten in Bezug auf Lizenzierungenvorsah, versuchtedie nachfolgende Gesetzesvorlage über Fernsehen undHörfunk, diese Befugnis auf einerein beratende Funktion zu reduzieren. Gemäß demGesetzentwurf von1995 sollten derRegulierungsbehörde acht Vertreter angehören, vondenen zwei vomPräsidenten derRussischen Föderation, jeweilszweivon denKammern desParlaments (Föderationsversammlung) undzweivon derRegierungernanntwordenwären. Der russischePräsidentlegte gegendiese Vorlage sein Veto ein. Die nächste Vorlage,die sich mit der Regulierungeiner Lizenzbehörde befasste,wurde 1997 in erster Lesungverabschiedet,2000 jedoch, anstatt in die zweite Lesungzugehen, zur ersten Lesungandie Duma zurückverwiesen unddann abgelehnt. Das warder letzte Versuchauf parlamentarischer Ebene, Rundfunk im Ganzen gesetzlich zu

63) Der Gesetzestext auf Englisch ist abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html 64) Antrag Nr.30160/04. RechtssacheDzhavado gegenRussland, Urteil vom27. September 2007. Siehe: http://cmiskp.echr.coe.int////tkp197/viewhbkm.asp?action=open&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649&key=2 2389&sessionId=42705602&skin=hudoc-en&attachment=true 65) GemeinsameErklärungvom 18. Dezember 2003 desUN-Sonderberichterstattersfür das Rechtauf Meinungsfreiheit undfreie Meinungsäußerung, desOSZE-Vertretersfür die Freiheit derMedien unddes OAS-Sonderberichterstattersfür das Rechtauf freie Meinungsäußerung. Der Text ist auf Englisch auf derWebsite desBüros desOSZE-Vertretersfür die Freiheit derMedien abrufbar unter: http://www.osce.org/documents/rfm/2003/12/27439_en.pdf 66) Der Gesetzestext ist auf Englisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html

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regeln. Gemäß demvon derRegierung verabschiedeten Konzeptpapier für die Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015 erwartet die Exekutiveauchkein solches parlamentarisches Gesetz, noch befürwortet sie ein solches grundsätzlich oder siehteines vor.

Auchwenn Lizenzierungvon Rundfunk alssolchem,das heißt deraktuellen Verbreitungvon Fernsehen undHörfunk, nach wie vorden primären Faktor bei derRegulierungaudiovisueller Medien in Russland darstellt,wirddas VerfahreninErmangelungeines umfassendenparlamentarischen Gesetzes durch Präsidialerlasse undRegierungsverordnungenbestimmt.

Obgleich Roskomnadzor die Lizenzbehörde für alleRundfunkmedien ist, spielte doch bis vorkurzem die FöderaleAusschreibungskommission für Rundfunk (FCC) ebenfalls einewichtigeRolleim Lizenzierungsprozess,namentlich für Fernsehveranstalter.

Die gegenwärtigeRechtsordnungder FCC (in derZusammensetzungund Aufgaben geregelt sind) wurde am 23. Juli 2008 per Anordnungdes Ministeriumsfür Nachrichtenwesen undMassen- kommunikation gebilligt.67 Die FCC bestehtaus neun Mitgliedern. Wenn allerdings eineLizenz für das Gebiet lediglicheiner Provinz (eines Subjekts) derRussischen Föderation zu erteilen ist, umfasst das Gremium auch temporäreDelegierte ausden regionalen Legislativ- undExekutivorganen sowie einen Delegierten ausdem Büroder Vertretungdes russischen Präsidenten in derbetreffendenFöderations- einheit undsomit insgesamt 12 Mitglieder.Alleneun ständigen Mitglieder sowie derVorsitz werden durch Anordnungdes Ministersfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation nach desseneigenem Ermessen ernannt. Die Kommission ist direkt beim Ministeriumfür Nachrichtenwesen undMassen- kommunikation tätig, welchesdie erforderliche technische,finanzielleund administrativeUnter- stützunggewährt.

Die aktuelleZusammensetzungder FCC wurde ursprünglich am 18. Dezember 2007 gebilligt und dann im September 2008 erneut bestätigt. Fünf derneun ständigen Mitglieder wurden2007neu benannt:SergejSitnikov (Vorsitz), gegenwärtig Leiter vonRoskomnadzor, ein stellvertretender Direktor desRegierungsressortsfür Massenkommunikation, derDirektor desRussischen Museumsin Sankt Petersburg, derGeneraldirektor desRussischen Fernseh- undHörfunknetzes (RTRS) sowie ein berühmter Komödiant, dergegenwärtig Direktor desVarieté-TheatersMoskau ist. Die vier übrigen Mitglieder derFCC sindder Leiter derstaatlichen Behörde,welchedie staatlichen Medienaktivaund öffentlichen Subventionen für die Presse verwaltet ( Rospetchat), ein berühmter Filmkritiker,ein Sekretär desrussischen Journalistenverbandessowie ein russischerBerater desUNESCO-General- direktorsinParis.

Mindestens ein Drittel derständigen Mitglieder derFCC mussjedes Jahr wechseln. DieseRegel wurde Ende 2007 eingeführt, um „die Qualität derKommissionsarbeit zu steigern, Unparteilichkeit bei Abstimmungenzugewährleisten undmaximaleEffizienz bei derNutzungder begrenzten natürlichen Ressourcen an Frequenzen für Rundfunkzweckezuermöglichen“. 68 Ungeachtet derVorgabe,die Mitglieder auszutauschen, ist die Zusammensetzunginteressanterweise seit zwei Jahren unverändert.

Wenn Lizenzbehördenund Ausschreibungskommissionen unabhängig sein wollen, müssen sie ihre Tätigkeit transparentgestalten. ÖffentlicheSitzungen, derenAufzeichnungender Öffentlichkeit und/oder Journalisten zugänglich gemachtwerden, sindein zentrales Erfordernis für einegesell- schaftlicheKontrolleder Entscheidungen, die vonderart wichtigen Organen getroffen werden. Die Gesetzgebungbeinhaltet jedoch keineBestimmungen, mit denenderartigeTransparenz zu erreichen wäre. Der höchste Grad an Öffentlichkeit bestehthier in derMöglichkeit, dass Lizenzantragsteller oder ihreVertreter währendder Auswertungvon Geboten einer Ausschreibunganwesendsind.

Gemäß demamtlichen Berichtdes Ministeriumsfür Nachrichtenwesen undMassenkommunikation vergab die FCC vonSeptember 2008 bis März 2009 insgesamt 61 Rundfunklizenzen bei 75 Aus- schreibungen.69 AlleLizenzen warenaufgrunddes Moratoriumsfür Analogfernsehen (sieheunten) als Hörfunklizenzen erteilt worden.

67)Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/publications/zip/168/2.htm 68) RussischeFöderation: Vorschriften für die Lizenzbehörde geändert,von Andrei Richter, IRIS2008-2: 18, abrufbar unter http://merlin.obs.coe.int/iris/2008/2/article29.en.html 69) Siehe: Итоги работы отрасли связи, информационных технологий имассовых коммуникаций Российской Федерации за 2008 год, abrufbar unter: http://www.minkomsvjaz.ru/.cmsc/upload/docs/200905/18073415we.pdf

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ii. Ausschreibungskriterien

DieFCC istinerster Linie fürdie Prüfungder Anträgeverantwortlich. Zusätzlich zu dentechnischen undfinanziellen Angaben,die die Eignung desRundfunkveranstaltersbelegen sollen, seinenVorschlag zu verwirklichen, berücksichtigt die FCC bei ihrer Entscheidung hauptsächlich das Sendekonzept. Das Sendekonzept ist ein Entwurf,indem derRundfunkveranstalter denProgrammumfang, deneranbieten möchte,umreißen undbeschreiben sowie ein vorläufiges Programmschema vorstellen sollte.

Die Kriterien, die eineLizenzbehörde bei derAuswahl dererfolgreichen Gebote in einem Ausschrei- bungsverfahren anwendet, sindein wichtiger Hinweis darauf, ob denInteressen derGesellschaft und derInformationsfreiheit Rechnunggetragenwird. Es ist jedoch schwierig, die Kriterien zu bestimmen, nach denenein Rundfunkmodell alsbester Vorschlagzubewerten ist. Die FCC ist verpflichtet, einen vorkurzem vonRoskomnadzor gebilligten Katalog vonKriterienanzuwenden. Diese sind:

•Der Bedarf desPublikumsanbestimmten Programmen, •die Notwendigkeit, gesellschaftlich bedeutende Fernseh- undHörfunkprojekte zu unterstützen, •Originalität in denProgrammvorschlägen, •Kostenanalyse hinsichtlich desErwerbs vonRundfunkanlagenund Studios,der Investitions- quellen undder Rückzahlungsbedingungen, •die voraussichtlicheDauer bis zum möglichen Einsatz derAnlagen.

Im Allgemeinen bieten die Regulierungsinstrumente keinesfallsimmer eineklare, eindeutigeund detaillierte Definition dieser Kriterien.70 So soll die FCC zum Beispiel „gesellschaftlich bedeutende“ Programmefördern; kein Rechtsinstrumentlegt jedoch fest, wie diese auszusehen haben. In derPraxis betrachtet die Kommission üblicherweise Themen über öffentlicheAngelegenheiten sowie Kultur- und Kinderprogrammeals Teil dieser Kategorie,sie hat jedoch noch keineformaleDefinition festgelegt. Darüber hinaushat das Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation (undseine Vorgänger) in derüberwiegendenMehrheit derFälleAusschreibungenveranstaltet, ohneirgendeinen Zielmarkt für Rundfunkmodellezuspezifizieren (sogenanntes „freies“ Sendekonzept). Diese Praxis wurde 2002 vonProf.Michail Fedotovbeleuchtet, derdie folgende Frage stellte: „Diese [Praxis] bedeutet faktisch denVerkauf vonFrequenzen, da alleAusschreibungennachfreien Konzeptmodellen abgehalten werden. Wiesiehtdann die Politik desStaates hinsichtlich derLizenzierung vonRundfunk- veranstaltern aus?”71 Darüber hinaussinddie Meinungender FCC-Mitglieder zu einigen deraufge- listeten Kriteriennaturgemäß rechtsubjektiv,und Roskomnadzor unddas Ministerium benennen nur zögerlich Prioritäten unter denverschiedenen Kriterien.

Die FCC verfügt zudemüber keinegefestigten Kriterien, um die finanziellen Vorschlägeder Antrag- steller zu bewerten. Es ist schwierig, die Höhedes erforderlichen Kapitalsfür denUnterhalt eines Senders über mehrereJahrevorherzusagen. Zudembehindert finanzielleInstabilität in Russlanddie Erstellungvon Richtlinien für Businessplänevon Rundfunkveranstaltern. All dies begünstigt Subjek- tivität sowie politischen undwirtschaftlichenDruck auf die Ausschreibungskommission.

2000 wurde ein Forschungsprojekt zur Unterstützungrussischer Fernseh- undHörfunkveranstalter durch die Schaffungeines günstigen legislativenund regulatorischen Umfelds für die Lizenzierungvon elektronischen Massenmedien durchgeführt, an demder Verfasser dieser IRIS Spezial alsTeilnehmer undProjektleiter beteiligt war. AlsResultat desProjektswurde es möglich, die folgendenKriterien, die für die Entscheidungüber denGewinner einer Ausschreibungangewandtwerdensollten, im Detail festzulegen undzubeschreiben:72

70) Nach Meinungdes Juristen SergejPjankov „ist diese Frage eines dergrößten Probleme, da verschwommeneKriterien für die Auswahl desGewinnersinhohem Maße zu demintransparenten Charakter derAusschreibungenbeitragen, derden Normen desZivilgesetzbuches derRussischen Föderation widerspricht”.Siehe: Лицензирование телерадиовещания в Российской Федерации на конкурсной основе: актуальные вопросы теории ипрактики // Законодательство ипрактика масс-медиа, №11, 2005 г . 71) Федотов М. А. Право массовой информации вРоссийской Федерации. –М. ,2002. S. 210. Michail Fedotov wurde später alsSekretär desrussischen Journalistenverbands Mitglied derFCC. 72) Einzelheiten siehe: Винокуров Г. В., Рихтер А. Г. Предложения для Минпечати: Экономико-методологическое обоснование расчета платы телерадиовещателей за лицензию на вещание // Правовые вопросы лицензирования телерадиовещания (Подред.А.Г.Рихтера). —М. ,2000. S. 104-106.

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•Beitrag zur Vielfalt desMedieneigentumsauf demfraglichen Markt, •Berücksichtigungder Zuschauerinteressen, •vorgeschlagenesSendekonzept, •Erfahrung, •effiziente Frequenznutzung, •Besitz einer unabhängigen Stromversorgung(für Hörfunksender), •AufrechterhaltungbestehendenRundfunks, •Originalität undInitiative, •vorheriger Rundfunk auf derbesagten Frequenz. iii. Sendekonzept

Vonden Bietern wirderwartet, dass sie bei derAusarbeitungihres Sendekonzept, das Teil ihres Antrags wird, die vorgeschlagenenProgrammenachMaßgabe vonzwölf Kategorien (in Prozentder gesamten Ausstrahlungs-oderWiederholungszeit) klassifizieren. Diese Kategorien sindinden Leitlinien derBeratungsmitteilung vonRoskomnadzor vorgegeben undfolgendermaßen bestimmt:

•Nachrichten/aktuelleInformationen, •Sondernachrichten (Einzelthemen oder -profile), einschließlich Wahlsendungen, •Informations- undAnalysesendungenzur Kommentierungaktueller Ereignisse undNachrichten, die für das Publikum wichtig sindund die öffentlicheMeinungformen, •gesellschaftlicherund politischer Journalismus (Publizistik), •kulturelleAufklärung, einschließlich Schauspiel, •Bildung, einschließlichSchulungs-und Dokumentarfilmen, •Kinderprogramme, •Sport, •Musik, einschließlich Konzerte undSendungenüber Musik, •Unterhaltung einschließlich Zirkusvorstellungen, Talkshows,Spielshows, Quizshows, Fernseh- serien, Erotiksendungen, •Spielfilmeeinschließlich Mehrteilern mit bis zu zwölf Folgen, •religiöse Sendungeneinschließlich Gottesdienste undtheologischeGespräche.73

Die rechtlicheBedeutungdes vorgeschlagenenSendekonzepts liegt darin, dass ein dagegen begangenerVerstoß derVerletzungsonstiger Lizenzanforderungen, wie technischen Merkmaledes Rundfunks oder gesetzlichen Verboten ausbestehendemRecht, gleichgestellt ist.JeglicheAbänderung desSendekonzeptsmacht es erforderlich, die Lizenz neuzuerteilen oder zu ändern (siehe unten). Da die Programmschemata vonden meisten Rundfunkveranstaltern (insbesondere beim Hörfunk) regelmäßig geändert werden, führt das Erfordernis einer Neuerteilung/Änderungder Lizenz zu beträchtlichen Einschränkungender Handlungsfreiheit vonRundfunkveranstaltern. Sie müssen eine Abänderungihrer Lizenz beantragen, sobaldsie sich entschließen, ihr Programmschema zu ändern. iv.Laufzeit der Lizenz

Wie auch anderswo in derWelt wirdinRusslanddas Rechtzur Nutzungeiner bestimmten Frequenz für Fernsehen oder Hörfunk (oderauchandere Zwecke)für eine bestimmteZeitdauer gewährt. Aufgrunddes beschränkten elektromagnetischen Spektrums kann nichtjeder,der seineProgramme über denÄther sendenmöchte,sofort oder in Zukunft in denMarkt eintreten. Die Funkfrequenzen nutzen darüber hinausden öffentlichen Luftraum. Aus diesen Gründensinddie Rechte zu ihrer Nutzungzeitlichbegrenzt.

Neben denKriterien für die Auswahl derRundfunkveranstalter,denen das Rechtzur Frequenz- nutzungeingeräumt wird, sindauchdie Kontrolleder Ausübungdieses Rechts, derSchutz derUnab- hängigkeit derAusschreibungskommission (der FCC) sowie die Laufzeit derLizenz unddie Bedin- gungenfür ihreVerlängerungebenfallswesentlicheElementefür ein demokratisches Mediensystem.

73)Siehe: http://www.rsoc.ru/docs/Pojasnenija_k_blanku_Programmnaja_koncepcija_veshhanija_23.09.09.doc

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Einekurzfristige Lizenz hindert einen Rundfunkveranstalter nichtnur daran, seineursprünglichen Investitionen wieder zu erwirtschaften, sondern machtihn auch weitgehend vonder Lizenzbehörde abhängig, wenn die ErweiterungoderVerlängerungder Lizenz ungewiss ist. Ausgehend davon, dass die Ausschreibungskommissionihrerseitsvon denstaatlichen Behördenabhängig ist, dass die Kriterien für die Lizenzvergabe vage sindund dass das Gesetz etablierten Rundfunkveranstaltern keinen Vorrang einräumt, führt einekurzfristigeLizenz zur Abhängigkeit kommerzieller Rundfunkveranstalter von denpolitischen Erwägungender Kreise,die das Landregieren.

KurzfristigeLizenzen sindnichtnur für die Geschäftsinteressen derRundfunkveranstalter,sondern auch, unddies ist wesentlich wichtiger,für die Entwicklungder Informationsfreiheit vonNachteil. Dies liegt nichtnur an dereben erwähnten Abhängigkeit derRundfunkveranstalter vomStaat. Langfristige Planung undumfangreicheInvestitionen in dieProduktionund denKauf vonProgrammen sind erforderlich, um einestabileBeziehungzur Zuschauerschaft aufzubauen. Um dieses Vertrauens- verhältnis aufrechtzuerhalten, versuchendie Rundfunkveranstalter,dem Publikumsbedarf best- möglich gerechtzuwerden, insbesondere durch Informations- undAnschauungsvielfalt sowie hoch- professionellen Journalismus.

Es ist daher nichtverwunderlich, dass die Branchedarauf drängt, die bestehende maximaleLizenz- laufzeit vonfünf Jahren zu erhöhen. ZumBeispiel hat EduardSagalajew,der Präsidentder Nationalen Vereinigungder Rundfunkveranstalter Russlands (NAT) häufig präzise undtransparente Lizenzierungs- vorschriften verlangt undbetrachtet längere Lizenzen alsvorrangiges Ziel, da die gegenwärtige Beschränkungauf fünf Jahrenichtausreiche, kommerziellen ErfolgimMediengeschäft zu erreichen. Im Namen derBranche trat er für einemaximaleLizenzlaufzeit vonzehn Jahren ein.74

Die Laufzeit einer Lizenz hätte natürlich nichtdiese Bedeutung, wäreihreVerlängerungnichtmit überhöhten oder vagenAnforderungenverbunden. „Das Lizenzverlängerungsverfahren ist der strittigste Aspekt derRundfunkregulierunginRusslandseit 1991“, so die Wissenschaftlerin Jana Skljarova. 75 Das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien enthält keinerlei Bestimmungenzudiesem Verfahren, unddie Lizenzvergabeordnungvon 1994 verweist auf die „etablierte“Ordnung für eine Lizenzverlängerungund empfiehlt derAusschreibungskommission,„die Meinungdes Publikumszur Programmqualität [eines bestehendenRundfunkveranstalters] zu berücksichtigen“.

Die Lizenzbehörde (Roskomnadzor) ist zu derregulären Praxis einer „automatischen“ Verlängerung bestehenderLizenzen übergegangen, wenngleich sie dazu formal keineRechtsgrundlage hat. In Fällen, in denendie Registrierungsbehörde für Massenmedien (ebenfallsRoskomnadzor) Abmahnungenoder Verweise wegenNichteinhaltungvon Art. 4des Gesetzes zur Regulierungder Massenmedien, welcher denMissbrauch derInformationsfreiheit verbietet (Näheres sieheunten), ausspricht, wirdeineauto- matischeVerlängerungproblematisch,wenn nichtgar unmöglich.

Gemäß demoffiziellen Berichtvon Roskomnadzor für 200876 gingeninjenem Jahr 3.651 Anträge zu unterschiedlichen Lizenzthemen bei derBehörde ein. Die Anträgeresultierten in 2.475 Erteilungen, VerlängerungenoderÄnderungenvon Lizenzen (oder Ergänzungendazu) für Fernsehen undHörfunk. Vonden 2.475 Lizenzenwurden539 verlängert, 1.242wurdenerneut erteilt oder geändert. Die meisten derjüngsten Anträgezur Wiedererteilungvon Lizenzen, so derBericht, behandelten Gesuchevon Rundfunkveranstaltern, die vorübergehend ihreAusstrahlungenwegen ihrer prekären finanziellen und wirtschaftlichen Situationkürzen wollten (eineÄnderungder Anzahl an Sendestundenist ein formaler Grundfür eineNeuerteilungder Lizenz). WeitereGründe für Anträgeauf Lizenzänderungenwaren Umfirmierungder juristischenPerson, Übertragungder Lizenz auf eineandere juristischePerson, Änderungder Anschrift desRundfunkveranstalters, Änderungder Sendeleistungund derReichweite sowie ÄnderungenimSendekonzept.

74) Независимая газета, 3марта2006. 75) Ja. Skljarova (Zentrum für Medienrechtund Medienpolitik Moskau): Das russischeLizenzsystem für Fernsehen undHörfunk. Op. cit. 76) Der vollständigeTextdes Berichts ist abrufbar unter: http://www.rsoc.ru/main/about/960/

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v. Übertragungeiner Lizenz

Es gibt Probleme, die bestehendenVorschriften auf die Übertragungvon Rundfunklizenzen anzuwenden. Ziffer 13 derLizenzvergabeordnungvon 1994 bezeichnet die Übertragungeiner Lizenz auf eineandere Person ohneZustimmungder Regulierungsbehörde (analog zu Art. 31 desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien) alsillegal, beinhaltet aber keineDefinition für einesolcheÜber- tragung.NachAnsichtder Regierungimpliziert eineÜbertragungeineÄnderungder juristischen Person, die die Lizenz innehat; ob die Umstrukturierungeiner solchen juristischen Person auch einen derartigen Sachverhalt darstellen könnte,ist noch nichtgeklärt. Nach denBestimmungendes Gesetzes zur Regulierung derMassenmedien ist die Übertragungvon Lizenzen offensichtlich in jedemFall zulässig, solange eineentsprechende Genehmigungder Regulierungsbehörde vorliegt. vi. Entzug einer Lizenz undFallrecht

Art. 32 desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien legt die möglichen Gründe für denEntzug einer Lizenz fest (sieheunten).77 Dies sindunter anderemdie Verletzungvon Lizenzbedingungensowie sonstigerechtswidrigeHandlungen, da eineder Grundanforderungender Lizenz die strikte „Einhaltung allen anwendbaren Rechts“durch denRundfunkveranstalter ist. Die Lizenz kann erst nach Erteilung einerschriftlichenAbmahnung durch die Lizenzbehörde entzogen werden. Einsolches Abmahn- schreiben beinhaltet üblicherweise die Aufforderung, die Verstöße einzustellen undweitererechts- widrigeHandlungenzuunterlassen.

2008 stellte die Lizenzbehörde Roskomnadzor Verstöße gegenLizenzen und„anwendbares Recht“ seitensRundfunkveranstaltern in 145 Fällen fest undversandte entsprechende Abmahnungen.

Es handelte sich im Einzelnen um folgende Verstöße:

•Verstöße gegendas Sendekonzept -90Abmahnungen, •keineAusstrahlunginnerhalb einer bestimmten Frist-52Abmahnungen, •Verstöße gegenArt. 4des Gesetzes über die Massenmedien -2Abmahnungen, •sonstigeVerstöße gegendas Massenmedienrecht-1Abmahnung.

2008 wurde sieben Rundfunklizenzinhabern ihreLizenz aufgrundgeringerVerstöße gegendie Lizenzbedingungenentzogen.78

Da Roskomnadzor gleichzeitig die Registrierungsbehörde für alleMassenmedieneinrichtungenist, überwacht es darüber hinausdie Einhaltungdes Rechts für Massenmedien durch diese Einrichtungen. Gemäß dem offiziellenBerichtvon Roskomnadzor für 2008 79 erteilte die Föderationsbehörde 47 schriftlicheAbmahnungenanverschiedeneMedieneinrichtungenwegen Verstoßes gegenArt. 4 („Verbot desMissbrauchsder Informationsfreiheit“) desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien. Die einzigeAbmahnung, die im Laufe dieses Jahres ausgesprochen wurde,betraf denMoskauer Kanal 2x2 wegender Ausstrahlungder amerikanischen Cartoon-Sendungen Happy TreeFriends und The adventures of Big Jeff,die alsVerherrlichungvon Gewalt undGrausamkeit betrachtet wurden. Werden Verstöße gegenArt. 4zweimal wiederholt unddann noch ein drittes Mal innerhalb von12Monaten, bringt die Registrierungsbehörde denFall vorGerichtund verlangt denEntzug desRegistrierungs- zertifikats derMedieneinrichtungsowie schließlichderen Schließung.

In derVergangenheit haben Abmahnungenvon Roskomnadzor zu einer Reihevon Gerichtsverfahren geführt. Dem in Moskau ansässigen Kanal TV-Centr (TVC) wurde im Frühjahr 2000 eineVerlängerung seiner Lizenz verweigert, nachdem er im vorangegangenenSendezeitraum zwei schriftlicheAbmah- nungenerhalten hatte.Die erste Abmahnungergingwegen eines Verstoßes gegenWahlkampf- bestimmungenimDezember 1999, die zweite wegeneiner Anschriftenänderungder Gesellschaft ohne formaleMitteilung an die Lizenzbehörde.ImMai 2000 wandte sich TVC an das Schiedsgerichtder Stadt Moskau, welchesdie offiziellen Abmahnungenfür nichtig befand. Seither wurdenzahlreicheKlagen

77) Der Gesetzestext ist auf Englisch abrufbar unter http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html 78) Sieheden amtlichen Berichtauf Russisch unter: http://www.minkomsvjaz.ru/.cmsc/upload/docs/200905/18073415we.pdf 79) Sieheden vollständigen Text desBerichts auf Russisch unter: http://www.rsoc.ru/main/about/960/

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zur AufhebungentsprechenderEntscheidungenvor Gerichteingereicht, TVC bleibt aber einer der wenigen Rundfunkveranstalter, die ein Gerichtsurteil erwirkthaben, welcheseineschriftliche Abmahnungeiner staatlichenBehörde für rechtswidrig erklärte.Die Registrierungsbehörde machte in einem Punkt geltend, das Eintreten einer Situation, die zu einer Abmahnungführe, sei hinreichend Beweis für einen Verstoß, ungeachtet desnachfolgendenAusgangs dergerichtlichen Verhandlung.80

Der Fall vonParus-TV ist vonbesondererBedeutung, da es darin sowohl um die Übertragungeiner Rundfunklizenz auf eineandere juristischePerson alsauchumAbmahnungender Lizenzbehörde ging. Parus-TV,einegeschlosseneAktiengesellschaft,gründete das Programm Obyedinyonnoe televidenie (Vereinigtes Fernsehen), das in Sankt Petersburgund seinenVororten terrestrisch ab 2003 ausgestrahlt wurde unddem Fernsehnetz Rambler angeschlossen war. Die Lizenz wurde am 16. April 2003 für fünf Jahreerteilt. Gemäß derProgrammpolitik war90% derSendezeit vonder in Moskauansässigen Fernsehgesellschaft Rambler-Teleset zu füllen.

Am 3. Januar 2005 begann Rambler-Teleset mit derAusstrahlungamMarkt über einen eigenen terrestrischen Kanal; dies führte zur Aufhebungdes Anschlussvertrags zwischen dieser Gesellschaft undParus-TV.Parus-TV gingdaraufhin eineneue Anschlussvereinbarungmit derSendergruppe TV- Centr (TVC) ein undbegann die Ausstrahlungderen Programmsnoch am selben Tag, dem3.Januar 2005. Entsprechenddem Gesetz machte die Gesellschaft binnen eines MonatsnachÄnderungdes SendekonzeptseineMitteilungandie Lizenzbehörde (damals Rosochrankultura genannt),umdie Änderungder Lizenzanzuzeigen. Die Eingabe wurde durch die erforderlichen Formulareund Erklärungenergänzt, wasinsgesamt zu einem Umfangvon 41 Seiten führte.Die Lizenzbehörde wiederum legte die Papiereder FCC vor, die Rosochrankulturaam29. Juni 2005 empfahl, die ent- sprechendenAbänderungender Lizenz vorzunehmen. Im Gerichtsverfahren konnte die Lizenzbehörde jedoch später keinen Nachweis erbringen, dass sie die erforderlichenÄnderungender Lizenz vorgenommen hatte.Zwischenzeitlich erteilteRosochrankulturaam11. April undam1.Juni 2005 schriftlicheAbmahnungenanParus-TV wegenVerstößen gegendie Lizenzbestimmungen, da die Gesellschaft Sendungenvon TV-Centr anstellevon Rambler-Teleset ausstrahle. In beiden Abmahnungen wurde verlangt, denStatusquo binnen 30 Tagenwiederherzustellen.

Parus-TV fochtdie Abmahnungenunverzüglich beim Schiedsgerichtder Stadt Moskau an, verlor jedoch denFall undunterlagauchimBerufungsverfahren vordem Neunten Berufungsschiedsgericht. 2006 hobdas Föderationsschiedsgerichtdes BezirksMoskau (Kassationsgericht) die Entscheidungen dernachrangigen Gerichte auf undverwies denFall zurück an die erste Instanz (Schiedsgerichtder Stadt Moskau). Der Richter desSchiedsgerichts derStadt Moskau fällte sein Urteil am 12. April 2006.81 Er befand, Parus-TV habe alleerforderlichen MaßnahmeninÜbereinstimmungmit demmaßgeblichen Rechtunternommen. Die Lizenzbehörde habe gegenden Zeitrahmenzur Entscheidungüber die Eingabe (der vomGerichtauf höchstens60Tage eingeschätzt wurde)verstoßen, waseiner Handlungsunter- lassung gleichkomme. Es habe wederein rechtlicherGrundvorgelegen, die Eingabe derFCC vorzulegen, noch seidie Änderungder Fernsehgesellschaft, derenProgrammeweiterzusendenseien,als wesentliches Elementder Lizenz zu betrachten, da dies gesetzlich nichtvorgesehen sei. Die internen Verfahren undUnterlagender Lizenzbehörde oder derFCC hätten keineGesetzeskraft, da keineder Körperschaften über gesetzgeberischeKompetenz im Lizenzierungsbereich verfüge. Das Gericht urteilte,„eineÄnderungdes SendekonzeptsinForm desAustausches eines weitergesendeten Pro- grammsgegen ein anderesführt nicht zu einer Änderungdes Rechtsumfangs desLizenznehmers auf die Durchführungvon Fernsehausstrahlung, deneraufgrundeiner entsprechendenLizenz erworben hat“.Unter diesen Umständen, so das Gericht, habe es keinen Grundgegeben, die Eingabe vonParus- TV nach demselben Verfahren zu prüfen wie einen Antrag auf Erteilungeiner neuen Lizenz (das heißt in einem kompletten Ausschreibungsverfahren). Vielmehr setze das maßgeblicheRechtnachAnsicht desGerichts kein detailliertesSendekonzept alsBedingungfür die Beteiligung an einer Ausschreibung voraus. Gemäß denAnkündigungenvon Ausschreibungen, die früher abgehalten undvom Gericht geprüft wurden, bestehedie einzigeBedingungfür denErwerb einer Lizenz darin, ein freies oder ein thematischesSendekonzept vorzulegen. Im vorliegendenFall sei ein freies Sendekonzept gefordert gewesen, auf die eineÄnderungimweitergesendeten Programm keinen Einfluss habe.

80) SieheJa. Skljarova (Zentrum für Medienrechtund Medienpolitik Moskau): Das russischeLizenzsystem für Fernseh- und Hörfunk.Op. cit. 81) Das Urteil desSchiedsgerichts derStadt Moskau ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.sclj.ru/court_practice/detail.php?print=Y&ID=1290

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Das Gerichtbefand, Parus-TV habe keineAlternativezur Wiederausstrahlungdes TVC-Programms gehabt, da eineUnterbrechungdes Sendebetriebs vondreiMonaten oder längerzueinem Verfall der Lizenz gemäß derentsprechendenvon derRegierungverabschiedeten Lizenzvergabeordnunggeführt hätte.Somit sei nichtgegen Art. 31 desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien verstoßen worden, die Abmahnungenentbehrten einer rechtlichen Grundlage.Angesichts derverspäteten Empfehlungder FCC sei es die Untätigkeit derLizenzbehörde gewesen, die zu denGründenfür die in denAbmahnungen genannten Verstößengeführt habe.Die Abmahnungenerlegtendem Rundfunkveranstalter die Last der HandlunginForm derWiederherstellungdes Statusquo auf. Die Wiederausstrahlungneuer Programme warjedoch aufgrundder Untätigkeit derLizenzbehörde selbst, die die Änderungender Lizenz nicht eingetragenhatte,unmöglich geworden.

Das Urteil kam zu demSchluss,die Abmahnungender Lizenzbehörde seien nichtig. Letzterewurde vomGerichtangewiesen, über denAntrag vonParus-TV auf Änderungder Lizenz zu entscheiden. Das Urteil wurde vonden Berufungsgerichten undschließlich vomFöderationsschiedsgerichtdes Bezirks Moskau (am 7. November 2006) bestätigt.82 e. Zuweisung(line-up) im digitalen Zeitalter

Das Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation stellte im Dezember 2007 die Zuweisungvon Frequenzbändern für Analogfernsehen ein. Der Grundfür dieses Moratorium laginder Notwendigkeit, denneuen Plan für die Frequenzzuweisungfür Digitalfernsehen zu verabschieden. Dieser Plan wurde per Beschluss derStaatlichenKommission für Funkfrequenzen (GKRC ˇ )am19. März 2009 genehmigt, wenngleich nurteilweise,das heißt für denersten Multiplex mit acht Programmen (Kanälen). Diese Programmewurdennachihrem Typbenannt(wie etwa„Kulturkanal“), nichtjedoch individuell entsprechendden Anbietern. Der Plan gründete sich auf die Ergebnisse derTätigkeit der Regierungskommission für die Entwicklung vonFernsehen undHörfunk undauf das Konzeptpapier für dieEntwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015.83 Wenn sie zur Ausstrahlungbereit seien, so derBeschluss derGKRC ˇ ,bedürften diese acht Digitalprogrammekeiner weiteren Genehmigungseitensder Staatlichen Kommission für Funkfrequenzen unter derVoraus- setzung, dass die drahtlosen Übertragungenden maßgeblichen technischenStandards entsprechen. Wie bereitserwähnt, wurde die genaue Zuweisungfür denersten Multiplex per Präsidialerlass vom 24. Juni 2009 genehmigt.

Die Vorschlägefür denzweiten unddritten Multiplex warenvon einer „Arbeitsgruppe“, die gemein- sam vomMinisterium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation undvom Verteidigungs- ministerium eingerichtet wird, bis Ende 2009 zu entwickeln. Die bestehendenanalogen Fernsehkanäle, die mit dementstehendenDigitalplan unvereinbar sind, sollten auf andere Frequenzen umgesetzt werden. Kriterienfür die Auswahl neuer Frequenzen für analogeFernsehprogramme, die bis 2015 fortgeführt werdensollen, sollten vonRoskomnadzor bis Mitte 2009 erarbeitet werden, wasjedoch nichtgelang.84

Das Moratorium waringewisser Weise das erste Anzeichen dafür,dass unter demneuen System zur Regelungder Lizenzierungvon Fernsehprogrammen die Rolleder Föderalen Ausschreibungskommission zu vernachlässigen sein wird. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, alsPremierminister Putinam 21. September 2009die Regierungsverordnung derRussischen Föderation Nr.1349-r „Überdas Konzept desföderalen Zielprogramms‚Entwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation 2009-2015‘“ unterzeichnete.Sie enthält bestimmte Richtlinien undzentraleElementedes Föderalen Zielprogramms(FZP), die noch abschließenderstellt werdenmüssen.Nachendgültiger Ausformulie- rungwirddie Regierungdas FZP durch eineweitereVerordnunggenehmigen.85

82) Sieheden Beschluss auf Russisch, abrufbar unter: http://arbitration.consultant.ru/ams/doc76272.html.Parus-TV wurde schließlich einigeMonate,nachdem derGerichtsbeschluss rechtskräftig wurde,anTV-Centr verkauft, siehe: http://www.spbgid.ru/index.php?news=114803 83) Entwicklungskonzept für Fernsehenund Hörfunk in derRussischenFöderation 2008-2015 ( Концепция развития телерадиовещания вРоссийской Федерации на 2008 —2015годы ) abrufbar auf Russisch unter: http://merlin.obs.coe.int/redirect.php?id=11089 84) Siehehttp://minkomsvjaz.ru/ministry/170/174/6882.shtml 85) RedaktionelleAnmerkung: Am 4. Dezember 2009 hat derPremierminister denFZP angenommen. Der Text warjedoch zum Zeitpunkt derVeröffentlichungdieses Beitrags noch nichtverfügbar.Wir gehenjedoch davon aus, dass wir Ihnen eine detaillierte Beschreibungseines Inhaltsinder nächsten IRIS plus 2010-1 anbieten können.

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Insbesondere überträgt das Konzept denregionalen Niederlassungendes staatseigenen Russischen Fernseh- undHörfunknetzes (RTRS) die Aufgabe,(Verwaltungs-)Zentren ( hubs)einzurichten, die die Zuweisung(line-up)des zweiten unddritten digitalen Fernsehmultiplexesübernehmensollen. Die ZentrennehmenlokaleProgrammeihrer Wahl in die Multiplexe auf. Sie bleiben im Eigentum der Föderation undbildenTeil desSystemszur Umsetzung derallgemeinen staatlichen Rundfunkpolitik. In Bezugauf denZuweisungsprozess siehtdas Dokument wedereinen Wettbewerb oder eineAus- schreibungnoch Kriteriendafür vor, welche Programmeeinzuschließen sind, ebensowenig wie eine Rollefür die FCC. 86

Somit entfernten derPräsidentund die RegierungohneformelleÄnderungder Lizenzierungs- vorschriften und-verordnungen die FCC faktisch ausdem Bereich Digitalfernsehen. Währenddie Aufstellungdes ersten Multiplexesvom Präsidenten vorgegeben war, werdender zweite unddritte nun vonden RTRS-geführten Zentrenabhängen, die im Rahmeneiner bislangnoch nicht definierten nationalen Politik handeln.

Dies schafft unmittelbar rechtlicheProblemeund Regelungslücken. Ein interessanter Präzedenzfall ist deranalogeSportfernsehkanal derVGTRK, dergemäß demErlass desPräsidenten einen Platz auf demersten digitalen Multiplex gefundenhat, nachdem die Regierungentschieden hatte,im„Sozial- paket“ müsse auch ein Sportsendervorhandensein. Der Sportkanalbekam sein ursprüngliches Aus- strahlungsrecht2003, alserdie Frequenz einer Fernsehgesellschaft übernahm, die in Oppositionzum Kreml stand. Damalswurde derBeschluss gegenüber derÖffentlichkeit damit gerechtfertigt,dass man über Sport berichten unddafür werben müsse,umeinegesunde Lebensweise zu fördern. Im Oktober 2009 kündigte die VGTRK jedoch an, zum 1. Januar 2010 werde derSportkanal in denKanal Rossija-2 umgewandelt, bei demSport nurnoch ein Drittel desProgrammsausmachen werde.Dies geschehe, um die Kosten für denKauf vonRechten an Sportveranstaltungenzusenken unddiejenigenpotenziellen jungenZuschauer zu gewinnen, die es bislangvorzögen, „ihreZeit zumeist onlinezuverbringen“. 87

Nachdem bestehendenLizenzierungsmodell wäreesAufgabeder FCC, die Änderungdes Namensund desSendekonzeptszuprüfen. Doch auch dies wäresinnlos,wenn man das Moratorium bedenkt, dass die Kommission vonder Veranstaltungeiner neuen Ausschreibungfür eineanalogeFernsehfrequenz abhält.Die Aufforderungzur Aufhebungder Lizenz würde lediglichzueiner ungenutzten landesweiten terrestrischen Frequenz führen. Die FCC hat auch kein Mitspracherechtbei derLizenzierungvon terrestrischem Digitalfernsehen, in dem Sport (oder Rossija-2)baldsein Programm anbieten wird. Die FCC reguliert wederKabel- noch Satellitenfernsehen, wo derKanal bereitsdigital ausgestrahlt wird, noch gibt es Vorschriften,die es derFCC gestatten, die Aufstellungdes digitalen Multiplexeszuüber- prüfen, sollten sich Nameund Sendekonzept eines Kanalsändern. Um Tatsachenaus demPräsidial- erlass zu ändern, müsste man logischerweisedas Konzeptpapier für die Entwicklungvon Fernsehen und Hörfunk in derRussischen Föderation 2008-2015 sowie andere Regierungsbeschlüsse wie dender GKRC ˇ prüfen (oben). Der Sportfernsehkanal kann im ersten Multiplex nichtdurch ein ähnliches Fernseh- programm ersetzt werden, da es keinen anderenKanal gibt,der denStandardseines allgemeinen Sport- kanalsentspricht. Darüber hinauswürde die mächtigeVGTRK alles tun,umihren Platz bei der Zuweisungnichtzuverlieren.

Werdie Zuweisungfür denvierten undweitereMultiplexe bestimmen wird, ist noch unklar.Die Regierungwirdkeinefinanziellen Investitionentätigen, um die nächsten Multiplexe zu entwickeln, wirdaber wahrscheinlich RTRSoderRoskomnadzor alsQuasi-Lizenzbehörde benennen. Nichtnur die FCC verliert ihreFunktion: Lizenzierungwirdinsgesamt irrelevant,denn es wurdenkeineBedingungen festgelegt, um einen Platz bei derZuweisungvon Multiplexenzuerlangen(zumindest wirdnicht öffentlich darüber gesprochen), es wirdkein bestimmtesSendekonzept verlangt, es werdenkeine AnteileoderQuoten für unterschiedlicheProgrammtypen vorgesehen, undeswurde keineDauer festgelegt, währendderer ein Kanal seinen zugewiesenen Platz behalten kann. AlleVorbedingungen für die Lizenzierungvon Digitalfernsehen können jederzeit durch einen Beschluss derExekutive geändert werden. Wie wir aber im Fall desSportkanalssehen, werden die staatlichen Behörden bisweilen auch selbst zu Gefangenender Umstände.

86) Siehe: RussischeFöderation: Regierungverabschiedet vorläufigen Plan für Digitalumstellung ,von Andrei Richter,IRIS2009- 10: 18. 87) State’sSport Channel Retired as Costs Soar,von Ksenija Boleckaja, TheMoscowTimes.2.Oktober 2009, S. 7.

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4. Gegenüberstellung staatlichen undöffentlich-rechtlichenRundfunks a. GrundeinstellungenstaatlichenRundfunks

Vor1990 gehörten alleRundfunkveranstalter in derSowjetunion demStaat undwaren Teil des Staatskomitees derUdSSR für Fernsehen undHörfunk (oder Gosteleradio), das ab 1978 derdirekten Aufsichtdes Staatsoberhaupts(damalsVorsitzenderdes Präsidiumsdes Obersten Sowjetsder UdSSR) undder kommunistischen Partei unterstellt war.

In derZeit von1990 bis 1991 entstandenpraktisch überall private Hörfunk- undFernsehsender, nachdem sie lokaleterrestrischeoderKabelrechte erworben hatten. EineBesonderheit dieser „alterna- tiven“ Rundfunkveranstalter,wie sie damalsgenanntwurden, bestand darin, dass sie in großem Umfangillegal kopierte westliche Filmeund Unterhaltungssendungen, gemischtmit lokal produzierter undprovokativerpolitischerBerichterstattung, zeigten. AlternativeRundfunkveranstalterüber- flügelten sehr rasch ihrelokalen, staatlich betriebenen Konkurrenten an Beliebtheit undstellten eine Herausforderungfür die etablierten sowjetischen unddie offiziellen staatlichen Rundfunkveranstalter nach 1991 dar. 88

In Russlandunterstehen staatlicheRundfunkveranstalter effektiv derKontrolledes Präsidenten (regionale Rundfunkveranstalter denentsprechendenregionalen Behörden), derdie obersten Führungskräfte einstellt undentlässt. Genau so wirdauchder Direktorder GesellschaftVGTRK ernannt oder entlassen. Mit dieser Praxis wirddie sowjetischeTradition derErnennungdes Vorsitzendenvon Gosteleradio nach Diskussionen hinter verschlossenen Türen im Zentralkomitee derkommunistischen Partei fortgesetzt.Inder postsowjetischenGeschichte desrussischen Rundfunks gibt es eineReihevon Beispielen, in denender Chef einer staatlichen Rundfunkgesellschaft entlassen wurde,weil man mit derProgrammgestaltungunzufriedenwar,oderweil einfacheineSendungdie obersten Führer des Landesgeärgert hatte.Diese Entlassungenfandenüblicherweise ohneAngabe vonGründenund ohne öffentlicheDiskussion über möglicheNachfolgerstatt. Analysten sagengewöhnlich, dass staatliche Rundfunkleiter aufgrundihrer politischen Zuverlässigkeit undpersönlichen Loyalität gegenüber dem Präsidenten ausgewählt würden.89 DiePraxis derstaatlichen Kontrolleüber denlandesweiten Rundfunk in postsowjetischen Ländern wurde voninternationalen Organisationen bei zahlreichen Gelegenheiten verurteilt.90

StaatlicherussischeRundfunkveranstalter verfolgeneineProgrammpolitik, die sich aufdie Interessen desStaates,das heißt in derRegel, auf die Interessen derFührungskräfte desLandesstützt. Wie in anderenLändern mit staatlichen Rundfunkveranstaltern (zum BeispielinZentralasien) herrscht die Auffassungvor,die staatlichen Medien gehörten in erster Linie derregierendenElite oder Partei; die Ideeeines öffentlichen Guts, das mit öffentlichen Mitteln errichtet undbetrieben wird, ist überaus zweitrangig. Folglich bestehteineder wichtigsten Aufgaben staatlichen Fernsehensund Hörfunks darin, die öffentlicheMeinungzur Unterstützung derStaatsmachtzuformen.

Ein weiteres wichtiges Ziel derProgrammpolitik in staatlichen Rundfunkmedien ist es,kommerzielle Werbeeinnahmenzugenerieren. Zu diesem Zweck favorisieren staatliche Rundfunkmedien Massen- unterhaltungund oftmalswenig anspruchsvolleSendungen. Apologeten eines „etatistischen“ medienpolitischen Ansatzes könntenauf identischeInteressen zwischen Elite undGesellschaft verweisen; die Art undWeise,wie staatlicheRundfunkveranstalter in Russlandfunktionieren, ergibt aber ein ganz anderesBild. So gilt das Gebiet Krasnodar (einerussischeRegion) als„Vorkämpfer“ für die Interessen desrussischen Staates,und derSenderder Regionalregierung Novoetelevidenie Kubani stellte im Laufe desJahres 2004 praktisch all seineöffentlich-rechtlichen Programmeein: „Wobist du, Mama?“,eineSendungüber Waisen, dereinegroße Wirkungzukam, „Der Kosakenbote“, das einzige Programm, das sich mit Fragender Kosaken befasste,sowie „Gesundheitsformel“.Kindersendungen warenbereitsvorher abgeschafft worden. Der Grundwar überall derselbe: Diese Sendungenbrachten

88) WeitereInformationen dazu in: AnnaKakaevaund Andrei Richter. TheEmergence of Non-State TV in theUkraine// Canadian Journal of Communication,4,Band. 17 (1992). S. 520. 89) Media Sustainability Index 2004. TheDevelopmentofSustainable IndependentMedia in Europe andEurasia. –Washington, 2005, S. 206. 90) Siehezum Beispiel:ParlamentarischeVersammlungdes Europarats. Entschließung1372 (2004): http://assembly.coe.int/main.asp?Link=/documents/adoptedtext/ta04/eres1372.htm

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keineWerbeeinnahmen. Sie wurdendurch nächtlicheTalkshows mit rein kommerziellem Charakterund drei Softporno-Shows ersetzt, vondenen einevor Ort produziert wurde. 91

Mit Ausnahme desRechts vonKandidaten auf freien undbezahlten Zugangzustaatlichen Rund- funkmedien währendvier Wochen voreiner Wahl unddes gleichberechtigten Zugangs für die landesweiten politischen Parteien (siehe I.4.c) gibtesimGesetz oder in derPraxisfür staatlich betriebeneRundfunkveranstalter keineöffentlichen Verpflichtungen, bestimmte Informationen aus- zustrahlen. Gleichzeitig wirdstaatlicher Rundfunk neben denWerbeeinnahmendirekt vomStaat finanziert. Die erforderlichenMittel werdenjährlich vonder Regierungbeantragtund vomParlament genehmigt. Die Mittel für die VGTRK,den größten staatlichen Rundfunkveranstalter desLandes, bilden einen eigenen Posten im Föderationshaushalt. Es gibtnichts, waseineKoppelung derHöheder Finanzierungfür die staatlichen Medien an derenLoyalität zur Staatsmachtverbieten würde;dies gilt für staatlicheRundfunkveranstalter natürlich nur, sofern nichtandere undinsbesondere verwaltungs- technische Möglichkeiten zu ihrer Beeinflussungverfügbar sind. b. Staatlicher Rundfunk als Alternativezuöffentlich-rechtlichemRundfunk

Es sei angemerkt, dass nach Meinungdes Europarats„öffentlich-rechtlicher Rundfunk ein wesent- liches Elementvon Demokratie in Europa ist”. 92 Es ist nichtverwunderlich, dass die Tätigkeit zum Entwurf einer Verordnung über öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Anfangder 1990er langsam vorankam, einen kurzen Aufschwungdurch die Aufnahme derRussischen Föderation in denEuroparat 1996 unddie nachfolgende kurzlebigeZusammenarbeit vonrussischen undeuropäischen Medienfach- leuten erfuhr.Der Höhepunkt wurde 1997 erreicht, alsdie Staatsduma in erster LesungeineGesetzes- vorlage betreffendFernsehen undHörfunk verabschiedete,die unter anderemdie Einrichtungvon öffentlich-rechtlichem Rundfunk in Russlandneben staatlichem undprivatem Rundfunk postulierte. In derVorlage hieß es,Vorschriften für öffentlich-rechtlichen Hör- undFernsehfunk würdenineinem gesonderten Gesetz geregelt.93 2000 wurde,wie oben erwähnt, die Vorlage zu einer ersten Lesung zurückverwiesen undvom Parlamentabgelehnt.

Diese Situation veranlasste die ParlamentarischeVersammlungdes Europarats, die russischen Behördendazu zu drängen, Bedingungenfür vielfältigeund unvoreingenommeneRundfunkmedien durch die „Einrichtungeines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltersund einer unabhängigen Regulierungsbehörde für denRundfunksektor in Übereinstimmungmit denStandards desEuroparats“ zu schaffen. 94

Fachleute glauben, in den1990er Jahren hätte dieStaatsmachtdie Einrichtungeines Systems strengerAufsichtüber staatlich betriebene Rundfunkveranstalter durch unabhängigeGremien als realistischenund schnellen Wegbetrachtet, ein spezifisch russisches Modell öffentlich-rechtlichen Rundfunkseinzuführen. Diese Erwartungenhaben sich, wie wir unten sehen werden, jedoch nicht erfüllt (sieheIII.1.c).95

Wenn auch die Gesetzgebungindiesem Bereich bis jetzt keineErfolge gezeitigt hat, wurdendoch mehrereweitereVersucheunternommen, Gesetze über öffentlich-rechtlichenRundfunk zu verab- schieden. Die jüngste Gesetzesvorlage zu öffentlich-rechtlichem Rundfunk wurde vonProf.Michail Fedotov erarbeitet undvom Russischen Journalistenverband(RUJ) öffentlich zur Diskussion gestellt. Sie wurde 2002 offiziell voneiner Gruppe liberaler Abgeordneter in die Duma eingebracht.

91) СМИ винформационном взаимодействии власти иобщества. Материалывсероссийской конференции. –М., 2005. С.146. 92) Siehe: Ziffer 1der Empfehlung1641 (2004) „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ derParlamentarischen Versammlungdes Europaratsunter: http://assembly.coe.int/main.asp?Link=/documents/adoptedtext/ta04/erec1641.htm 93) Den Text auf Russisch nach derersten Lesungsiehe: Законодательство ипрактика СМИ. No.9,1997. 94) Entschließung1455 (2005) „Würdigungder vonder Russischen Föderation übernommenen Verpflichtungszusagen“.Siehe: http://assembly.coe.int/main.asp?Link=/documents/adoptedtext/ta05/eres1455.htm 95) Siehe: Regulierungdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Sonderberichtzum gesetzlichen Rahmen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Russlandund der Ukraine ,von Andrei Richter undDmitrij Golovanov,inder Redaktion vonSusanneNikoltchev.EuropäischeAudiovisuelleInformations- stelle, Straßburg, Frankreich. November 2006. Siehe http://www.obs.coe.int/online_publication/reports/publicservicebroadcasting_cis.pdf.en

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Ab 2001 unterstützte derRUJ eineöffentlicheStiftungfür die Entwicklungöffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Lobby- undForschungszentrum,das fürkurze Zeit einen Treuhandausschusshatte, dem Michail Gorbatschow, German Gref (damalsMinister für wirtschaftlicheEntwicklung) undeinige Vertreter ausKultur undPolitik angehörten.96 Leider warder Stiftungnur ein kurzes aktives Leben beschieden, das zu keinem Fortschritt bei derGesetzesvorlage über öffentlich-rechtlichen Rundfunk führte.2003 wurde derGesetzentwurf vonder Staatsduma abgelehnt.

Etwazur selben Zeit wurdenmit Hilfe derStiftungeineReihelokaler Gesetzesvorlagenüber öffentlich-rechtlichen Rundfunk in denGebietskörperschaften derRussischen Föderation (einschließ- lich derGebiete Moskau undTomsk) erarbeitet. Sie sahen entweder die Schaffungeiner öffentlich- rechtlichen Fernsehproduktionsgesellschaft, teilweise finanziert ausMitteln desRegionalhaushalts, oder die Umwandlungeines lokalen, staatlich kontrollierten Rundfunkveranstaltersineineöffentlich- rechtlicheFernsehgesellschaft vor. AlleVorlagenwurden2006 vonden regionalen Gesetzgebern mit derBegründungzurückgewiesen, die Regulierungvon Rundfunkaktivitäten liegeinder ausschließ- lichen Kompetenz derFöderationsbehörden. Die Stiftungselbst ist ungefähr seit dieser Zeit erloschen. c. Inhaltliche Verpflichtungen für staatlichenRundfunk

Das Föderationsgesetz betreffenddas Verfahren zur Berichterstattungüber die Tätigkeit staatlicher Behörden in den staatlichen Medien vom13. Januar 199597 verpflichtet staatlich betriebenelandesweite audiovisuelleUnternehmen, über eineReihevon öffentlichen Ereignissen zu berichten (Reden des Präsidenten, Zeremonie derAmtseinführung, Eröffnungssitzungder Staatsduma usw.). Sie müssen die Öffentlichkeit über die wichtigsten Handlungennationaler öffentlicher Organe(Ausübungverfassungs- mäßiger Befugnisse,die derDuma unddem Präsidenten übertragensind, usw.)andem Tag, an dem sie geschehen, informieren. Informationen über derentäglicheAktivitäten sindals gesonderten Block derNachrichtensendungenanzubieten.Das Gesetz siehteineVerpflichtungfür staatlich betriebenes Fernsehen vor, umfassende,objektiveund unvoreingenommeneBerichterstattungüber die Tätigkeit dernationalen Regierung, desParlaments undder Gerichte zu erbringen. Das Gesetz wurde in derPraxis nie umgesetzt, da die FöderaleRundfunkkommission, die die Umsetzungdes Gesetzes überwachenund kontrollieren sollte,nie eingerichtet wurde.ÄhnlicheGesetze wurdeninverschiedenen Regionen Russlandverabschiedet, mit demselben Ergebnis.

Erst kürzlich, am 12. Mai 2009,unterzeichnete PräsidentMedwedew das Föderationsgesetz betreffend Garantien der Gleichheit parlamentarischer Parteien bei der Berichterstattungüber ihreTätigkeit durch die allgemeinen staatlichenFernseh- undHörfunksender.Das Gesetz behandelt die Berichterstattung über die politischenParteien, die alsFraktionen in derStaatsduma (dem nationalen Parlament) vertreten sind, seitensstaatlicher Rundfunkveranstalter,die nichtzuden Sport-, Kultur-, Musik- und Kinderspartenkanälen zählen. Das Gesetz gilt nichtwährendder Wahlkampfperiodeinden Massen- medien (das heißt währendder 28 derWahlvorausgehendenTage), wenn das Föderationsgesetz betreffenddie Grundgarantien desWahlrechts unddes Rechts auf Beteiligunganeinem Referendum für Bürgerder Russischen Föderation Vorranghat.

Das Gesetz, das am 1. September 2009 in Kraft trat, behandelt die Tätigkeit derParteiverwaltungs- organe, derFraktionen undder Abgeordneten auf allen Ebenen staatlicher undkommunaler Behörden. Wenn Parteimitgliederineiner Sendungnichtausdrücklich in dieser Funktion benanntwerden(zum Beispiel derPremierminister oder Minister desKabinetts), wirddiese bei derihnen zugewiesenen Zeit nichtmitgerechnet. Die Informationen über die parlamentarischen Parteien müssen im Hinblick auf die ihnen zugewieseneSendezeit (berechnet auf monatlicher Basis) auf landesweiten Fernseh- und Hörfunksendern sowie regionalenFernseh- undHörfunksendern gleichsein. Die Zentrale Wahlkommis- sion (ZWK) überwacht die Einhaltungdes Gesetzes.Sollte nichtdie gleicheZeit zugeteilt werden, entscheidet die ZWK über einen Ausgleich für die fehlende Berichterstattunginnerhalbder folgenden 30 Tage.Die ZWK veröffentlichteinen Jahresberichtüber die Befolgungdes Gesetzes im Amtsblatt.98

96) WeitereInformationen zum Entwurf in: Regulierungdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Sonderberichtzum gesetzlichen Rahmen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Russlandund der Ukraine ,von Andrei Richter undDmitrij Golovanov. Op. cit. 97) Abrufbar auf Russisch unter: http://www.medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/3.htm. 98) RussischeFöderation: Gesetz über gleicheRechte verabschiedet,von Andrei Richter,IRIS2009-7: 32. Sieheden Text auf Russisch unter: http://pda.rg.ru/2009/05/15/zakon-dok.html

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Nach denersten monatlichen Berichten über die Umsetzungdes Gesetzes gab es keineProblemebei dergleichmäßigen Bereitstellungvon Sendezeit. In Sankt Petersburgerhielt zum Beispiel jede Partei rund6Minuten im Monat beim lokalen FernsehsenderVGTRK.99

Das Wahlrechtsiehtvor,dass währendeines WahlkampfesRundfunkveranstalter,die entweder (i) vonstaatlichen oder kommunalen Organen finanziert (oder kofinanziert), (ii) vollständig oder teilweise ausdem Staatshaushalt subventioniert oder vonOrganen derkommunalen Selbstverwaltung verwaltet werdenoder(iii) derenAktien im Besitz staatlicheroderkommunaler Organesind, im WahlkampfgleicheBedingungenfür registrierte Kandidaten undWählervereinigungenbieten müssen. Die Sendezeit ist in einem Zeitraum bereitzustellen, in demFernseh- undHörfunkprogrammedie meisten Zuschauer bzw.Zuhörer haben (siehezum Beispiel Art. 47, 50, 51 desFöderationsgesetzes betreffenddie Grundgarantien desWahlrechts unddes Rechts auf Beteiligunganeinem Referendum für Bürgerder Russischen Föderation).

Das Wahlrechtbestimmt das Vorgehenhinsichtlich derBereitstellunggleicher freier Sendezeit für Einzelpersonen undpolitischeParteien, die sich um ein Amt bewerben. Das System ist um Fairness bemüht, undzum größten Teil wurde es auch gerechtumgesetzt, wodurch oppositionellenStimmen ein gewisser Grad an Gelegenheit gegeben wurde,ineinem Wahlkampfvon derÖffentlichkeit gehört zu werden. Nachrichten undpolitischeSendungenimstaatlichen Fernsehen sindwährendWahl- kämpfen jedoch weit in derÜberzahl gegenüber öffentlich-rechtlichen Diensten in Form vonkosten- loser Sendezeit (wobei politischeWerbunginkostenloser Sendezeit weitausweniger Beachtungfindet alsdie regelmäßigen Nachrichten undpolitischenSendungen).100

5. Medieneigentum und Medienkonzentration

In Bezug auf die Inhaberschaft vonRundfunklizenzen ist die Lizenzvergabeordnungvon 1994 der einzigerussische Rechtsakt, derspezifischeBeschränkungenhinsichtlich derErteilung einer Rund- funklizenz auferlegt. Ziffer 13 derOrdnung verwehrt einer juristischePerson, „eineFernseh- und/oder Hörfunklizenz für mehr alszweiRundfunkkanäle, die dasselbe Gebiet abdecken, [zu erwerben], wenn sich die bedienten Zonenkomplett oder zu mehr alszweiDrittel jederZoneüberlagern, soweit nicht durch ein bestehendesGesetz derRussischen Föderation anderweitiggeregelt“.Diese Bestimmung machtjedoch wederklareAussagenzur Nutzungunterschiedlicher Frequenzbänder(AM, FM, SW,MW usw.)durch ein unddenselben Sender, noch beschränkt sie Kapitalverflechtungzwischen Rundfunk undPresse.Somit erreichtdie LizenzvergabeordnungihreZielenicht.

In gewisser Weise spiegelt die BestimmungArt. 10 desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien wider,der die Gründereiner jedenMedieneinrichtungverpflichtet, die Regulierungsbehörde von anderenMedieneinrichtungeninKenntnis zu setzen, „bei denender Antragsteller Gründer, Eigentümer, Chefredakteur derRedaktion oder Distributor ist“.DaArt. 10 jedoch keinerechtlichen Folgenaus diesen Angaben für einen Antragsteller nennt, haben diese Informationen keinerlei Auswirkungauf die Entscheidungüber dieErteilungdes Registrierungszertifikats. Vorkurzemist Roskomnadzor augenscheinlich dazu übergegangen, möglicheVerstöße gegenZiffer 13 derOrdnung zu ignorieren. Sehr wahrscheinlichwirddiese Bestimmungdemnächst ganz abgeschafft.

Weiterhin gibteskeinespezielleKartellregelunginBezug auf Medien, undder bestehende allgemeineKartellrechtsrahmenist in diesem Zusammenhangnichtanwendbar.

Die regionalen Gesetzgeber hattenversucht, diese Gesetzeslückedurch Verabschiedungeigener KartellregelungenimBereich Massenmedien zu schließen.101 Dies ist nunnichtmehr möglich, da alle regionalen Gesetze über die Massenmedien Anfangder 2000er entweder aufgehobenoderabgeschwächt wurden.

99)Siehe: http://www.lenizdat.ru/a0/ru/pm1/c-1079791-0.html#1 100) Regulierungdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Sonderberichtzum gesetzlichen Rahmen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Russlandund der Ukraine ,von Andrei Richter undDmitrij Golovanov. Op. cit. 101) SieheBeispielein: Ja. Skljarova (Zentrum für Medienrechtund Medienpolitik Moskau): Das russischeLizenzsystem für Fernsehen undHörfunk.Op. cit.

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Bei einer Untersuchungder Regulierungvon Medienkonzentration im Fernsehsektor kommt man schwerlich um die Frage desStaatseigentumsund derstaatlichen Kontrolleherum. Der russische Fernsehsektor wurde in derÄra Präsident Putinsals vorrangigerBereichfür ideologischeBeeinflussung derbreiten Öffentlichkeit betrachtet.102 Dies ist auch heute noch so. Über ein Viertel derBevölkerung ist gegenwärtig nurinder Lage,zweiterrestrischeKanälezuempfangen, unddiese sindhöchts- wahrscheinlich staatlich betrieben: Nach Angaben vonTNS Gallup Media liegt dergemeinsamejährliche Zuschaueranteilallein derbeidenKanäleRossija(im Staatseigentum) undKanal eins(staatlich betrieben) bei 40,9%.103 Die staatlich betriebenen Fernsehkanäledominieren denrussischen Markt bei dergeographischenReichweite undbeim Werbeaufkommen, außerdemerhalten sie Vorzugstarife für die Signalverbreitung.

Gleichzeitig lassen Lücken im Medienrechtund in derKartellrechtsgesetzgebungeineRegulierung vonMedienkonzentration, auch im Rundfunksektor,fast unmöglich werden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass nurineinigen wenigen Fällen, in denenesumRundfunkkonzentration ging, die FöderaleKartellbehörde (FAS) tätig wurde.Diese sinddaher vonumsogrößerem Interesse.

Im ersten Fall gingesumdie Monopolisierung terrestrischer Signalverbreitungdurch ein landes- weites Monopol. Sie betraf das RussischeFernseh- undHörfunknetz (RTRS), dem14.478 Fernseh- sendestationen oder 90,9% desGesamtbestandesgehören. Der Generaldirektor wirdvom Präsidenten derRussischen Föderation ernannt. Gegründetals staatlicheRundfunkgesellschaft per Präsidialerlass ausdem Jahre2001, verbreitet das Netzwerk Fernseh- undHörfunksignaleinganz Russlandund sichert Russlands audiovisuellePräsenz im Ausland. RTRSwurde darüber hinauseineentscheidende Rollebeim Übergangzueinem allgemeinen nationalen Standardfür digitalen Fernseh- undHörfunk zugewiesen.104

DerFall begann, alsAnatolij Greševnikov,ein Abgeordneter derStaatsduma,Beschwerde bei derFAS einreichte mit derBegründung, das föderalestaatlicheEinheitsunternehmen„Hauptfunkfrequenz- zentrum“105 im Gebiet Jaroslawl versuche,die unternehmerischeTätigkeit desKommunikationsunter- nehmens Bintel in derStadt Rybinsk zu verhindern. Greševnikov beklagte insbesondere,dass RTRS Bintel daran hindere,Funkfrequenzen zu nutzen, die für die Übertragungvon 12 Antennenfernseh- programmen in Rybinsk unter Nutzungdes MMDS-Systemserforderlich seien.106

Im November 2003 hatte Bintel ordnungsgemäß das Rechtauf Nutzungvon Frequenzen zur Über- tragungvon 12 Programmen erworben, indemesdie Ausschreibungdes Kommunikationsministeriums gewonnen hatte.Das Unternehmenmusste jedoch fast vier Jahrewarten, um die eigentliche Genehmigungzur Frequenznutzungvon derlokalen RTRS-Einheit zu bekommen, ohnedie es die oben genannten Dienste nichtanbietenkonnte.Bintel wurde mehrfachwegen derAngelegenheit beim Funkfrequenzzentrum vorstellig, die Genehmigungenwurdenjedoch erst im März 2007 erteilt. Am 26. Juli 2007 befanddie FAS, die RTRS-Einheit habe gegenArt. 10 Abs.1(„Missbraucheiner markt- beherrschendenStellung“) desFöderationsgesetzes vom26. Juli 2006 betreffendden Wettbewerbs- schutz (Nr.135-FZ) verstoßen.107

Ein weiterer interessanter Fall hängt mit derMonopolstellungeines lokalen Kabelfernsehnetzes zusammen. Im Januar 2006 schaltete das private Kabelnetz „Altair“inder Stadt Tula unvermittelt das lokaleFernsehprogramm Plus-12 ab,obwohl ein Vertrag zwischen denbeiden Unternehmenbestand. Der Kabelnetzbetreiber gab an, derGrundfür die Beendigungder Dienstleistungseien Kapazitäts- engpässe wegeneiner Umstellungvon Analog- auf Digitalfernsehen. Dessen ungeachtet wurdendem Grundpaket vonAltair zwei Wochen später drei neue Programmehinzugefügt. Der Fall geriet in das Interesse derbreiterenÖffentlichkeit,als klar wurde,dass Plus-12 dereinzigeKanal war, derin

102) DigitalTelevision in Russia. Op. cit. S. 41. 103) Ibidem. 60. 104) Siehe: http://www.kremlin.ru/eng/text/news/2008/10/208317.shtml 105) EineEinheit vonRTRS, die technischeDienste für die Signalverbreitungbereitstellt. 106) Sieheauch: RussischeFöderation: Anordnungzur Durchführungvon MMDS-Wettbewerben,von Olga Motovilova,IRIS2003- 6: 14, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int//iris/2003/6/article29.de.html 107) Siehedie Pressemitteilungdes „Hauptfunkfrequenzzentrums“ vom26. Juli 2007 unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_14389.shtml?print. Den Text desFöderationsgesetzes Nr.135-FZ vom26. Juli 2006 zum Schutz desWettbewerbs auf Englisch (nichtamtlicheÜbersetzung) siehe: http://www.fas.gov.ru/english/legislation/8955.shtml

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Oppositionzuden lokalen Behördenstand. Ein lokales Schiedsgerichtwies die Klage vonPlus-12 ab, das Unternehmenlegte aber auch bei derFAS undder Gesellschaftskammer derRussischen Föderation (Näheres zu dieser Kammer sieheunten)Beschwerde ein. Über drei Monate später entschied die regionaleVertretungder FASinTula, Altair habe seinemarktbeherrschende Stellungmissbraucht, und ordnete an, es müsse binnen eines Monatsein neuer Vertrag mit demUnternehmen, demder Fernseh- kanal Plus-12 gehört, abgeschlossen werden.108 Bedauerlicherweise wardiese Fernsehgesellschaft in der Zwischenzeit zahlungsunfähig gewordenund aufgelöst worden.109

6. AusländischesEigentum

Die Vorschriften betreffenddas Medieneigentum sindzur Frage derRechtmäßigkeit vonausländi- schenInvestitionen im Rundfunksektorsehr viel präziser alszur Medienkonzentration. Russlandnutzt unterschiedliche rechtlicheInstrumente,umausländisches Eigentum zu begrenzenund die Massen- medien zu kontrollieren.Dadurch sollen die nationalen Informationsquellen gegenpolitischen Einfluss ausdem Auslandund inländischeUnternehmengegen die MachttransnationalerGesellschaften geschützt werden. Das Massenmedium, welchesden höchsten Schutz gegenausländischen Expansions- dranggenießt, ist das Einflussreichste undZugänglichste,nämlich das Fernsehen.

Art. 7(„Gründer“) desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien wurde 1991 verabschiedet, um die Gründungvon Medieneinrichtungendurch nichtortsansässigeAusländeroderStaatenlosezu verbieten. Er erlaubte jedoch ausländischen juristischen Personen, Medieneinrichtungenaufzubauen. Zehn Jahrespäter erschien diese Bestimmunginsich widersprüchlich undnichtstrenggenug. Das Föderationsgesetz vom4.August 2001 (Nr.107-FZ) ergänzte das Gesetz zur Regulierungder Massen- medien um einen neuenArt. 19.1 („Beschränkungenfür die Gründungvon Fernsehen, Video- programmen sowie Organisationen (juristischen Personen), die Fernsehfunk betreiben“), welcherdas für ausländischeStaatsbürgergeltende Verbotauf ausländische Unternehmenund Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft ausweitete.Der neue Artikel besagte:

„AusländischejuristischePersonen, russischejuristische Personen mit ausländischer Kapital- beteiligung, bei denender Anteil (Einlage)der ausländischen Beteiligung am Gesellschafts- kapital (Gemeinschaftskapital) 50 Prozentodermehr beträgt, sowie Bürgerder Russischen Föderation mit doppelter Staatsbürgerschaft dürfen nichtals Gründervon Fernseh- undVideo- programmen fungieren.

Bürgereines anderenStaates,Staatenlose undBürgerder Russischen Föderation mit doppelter Staatsbürgerschaft, ausländischejuristischePersonen sowie russischejuristischePersonen mit ausländischer Kapitalbeteiligung,bei denender Anteil (Einlage)der ausländischen Beteiligung am Grundkapital (Gemeinschaftskapital) 50 Prozentodermehr beträgt, dürfen nichtals Gründer vonOrganisationen (juristischen Personen) fungieren, die die Fernsehausstrahlungihrer Programmeinmindestensder Hälfte derSubjekte derRussischen Föderation oder auf einem Gebiet, in demmindestens die Hälfte derBevölkerungder Russischen Föderation lebt, betreiben.

EineVeräußerungvon Anteilen (Aktien) durch denGründereines Fernseh-oderVideo- programms, auch nach dessen Registrierung, oder durch die Organisation (juristischePerson), die die Fernsehausstrahlungihrer Programme in mindestensder Hälfte derSubjekte der Russischen Föderation oder auf einem Gebiet,indem mindestens die Hälfte derBevölkerung der RussischenFöderation lebt, betreibt, ist nichtzulässig, wenn dies im Gesellschaftskapital (Gemeinschaftskapital) zu einem Anteil (Einlage)ausländischen Kapitalsvon 50 Prozentoder mehr führen würde.“110

108) Siehe: http://www.fas.gov.ru/news/n_7248.shtml 109) Siehe: Richter A. Правовые основы журналистики. Учебник. М.,2009. S. 187-188. 110) Der Gesetzestext ist auf Englisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/massmedia_eng/massmedia_eng.html

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Die Ergänzungschien die naheliegende Möglichkeit, über Kabel undSatellit hunderte ausländischer Programmeauszustrahlen, in Frage zu stellen. Grunddafür ist, dass ein Programm für eineAus- strahlunginRusslandals Medieneinrichtungregistriertsein muss. Dafür mussesGründerhaben, die die erforderlichen Unterlagenbei denrussischen Föderationsbehördenvorlegen. Aktivitäten im Bereich Weitersendungund Wiederausstrahlungvon Programmen genießen nach russischem Medienrecht keinen gesonderten Rechtsstatus. Rundfunk gemäß Art. 2des Gesetzes zur Regulierungder Massen- medien wirdmit derVerbreitungvon Massenmedienprodukten gleichgesetzt. In derPraxis hat diese BestimmungeineRechtstradition begründet, wonach dieBehördeneinerseitsdie ausländischen Programmenicht dazu drängen, sich in Russland(mit einigen Ausnahmen) zu registrieren, und andererseitskeineEiledamit haben, denStatusder Wiederausstrahlungimrussischen Rechtklar- zustellen. Dies könnte sich ändern, da Roskomnadzor im September 2009 plötzlich ankündigte,sie wollealleKabelbetreiber im Landüberprüfen um festzustellen, ob die ausländischen Sender, die über diese Systemeweitersenden, über einerussischeMedienregistrierungverfügen.111

Zur Zeit sindzahlreichewestlicheKabel- undSatellitenkanäleinbreitem Maße in Russland verfügbar,ohnedass sie eine Lizenz hätten oder dort formalals eingetrageneMedieneinrichtung gegründetwordenwären. Gleichzeitig verweigern Kabel- undSatellitennetze denZugangoderlegen prohibitiveGebühren (bis zu EUR 30 Mio. jährlich) für Kanälefest, die „für die nationaleSicherheit gefährlich“sind. Zu denProgrammen, die zum Beispiel keinen ZugangzuZuschauern in Moskau und anderenzentralen Märkten erhalten,gehören beliebte allgemeinerussischsprachigeProgrammewie Belarus-TV112 und RTVi,das in Oppositionzum Kreml stehtund dempolitischen Emigranten Vladimir Gusinskij gehört.113

WeitereBeschränkungenfür ausländisches Eigentum im Rundfunk ergingenam7.Mai 2008 mit Inkrafttreten des Föderationsgesetzes betreffendausländischeInvestitionen in Aktiengesellschaften von strategischer Bedeutungfür die Verteidigungund Sicherheit des Staates vom29. April 2008 (Nr.57-FZ). Zu denAktivitäten, die für die Verteidigung undSicherheit desStaates alsstrategisch wichtig betrachtet werden, gehören Fernsehen undHörfunk, die in ein Gebiet übertragenwerden, auf dem mindestensdie Hälfte derBevölkerungeiner bestimmten Provinz (Subjekt) derRussischen Föderation lebt. Dies schließt die Städte Moskau undSankt Petersburgmit ein (Art. 6Abs.34und 35).

Istein ausländischer Investor an einem solchen Geschäft beteiligt, musserdie entsprechende Regierungsbehörde (gegenwärtig die Kartellbehörde derFöderation) vonjedem Vertrag in Kenntnis setzen, durch denerfünf oder mehr Prozentder Anteileaneinem strategisch wichtigen Unternehmen erwirbt (Art. 14). Das Verfahren weichtabbei Transaktionen, durch die ein ausländischer Investor 50 Prozentodermehr am Eigentum erwirbt oder die Ausländern das Rechtgeben, das Management eines strategisch wichtigenUnternehmens zu ernennen. DerartigeGeschäftebedürfen dervorherigen Genehmigungdurch die staatlicheBehörde (Art. 7). EinevorherigeGenehmigungist auch für solche Geschäftezwingend erforderlich,die ausländischen Regierungen, internationalen Organisationen sowie Körperschaften,die unter derenKontrollestehen, ein direktes oder indirektes Rechtauf 25 Prozent derAnteileaneinem strategisch wichtigen Unternehmenoderandere Mittel zur Blockierung von Managemententscheidungeneinräumen. Es wirdjedoch keineTransaktion genehmigt, die zum Erwerb einer Anteilsmehrheit an demUnternehmenführt (Art. 2und 7). Geschäfteund Verträge, die ohne Beachtungdieses erforderlichen Vorlaufsabgeschlossen wurden, werdenfür nichtig erklärt.114

Die Praxis in Russlandzeigt jedoch, dass ausländischeUnternehmenund Einzelpersonen in Bezug auf denBetrieb vonMedien unddas Eigentum an diesen sehr viel größereFreiheiten genießen, alses das Gesetz erlaubt. Diese Frage wirdvon derRegierungmit einem halbherzigen Blick auf das Gesetz, häufiger jedoch unter Abwägungder politischen undwirtschaftlichenZweckdienlichkeit behandelt. „Zweckdienlichkeit“ meintindiesem Zusammenhang,Investitionenindie Unterhaltungs-und

111) Siehe: http://lenta.ru/news/2009/10/05/channels1/.NachAngaben desselben Berichts verfügen vonden ausländischen Rundfunkveranstaltern gegenwärtig lediglich BBC undEuronews über derartigeZertifikate. 112) Gemäß Nachrichteninformationen, siehe: http://naviny.by/rubrics/society/2009/04/10/ic_news_116_309378/, http://naviny.by/rubrics/society/2009/04/01/ic_articles_116_161957/ undhttp://www.sputniktv.at.ua/news/2009-04- 10-431# 113) Siehezum Beispiel denBerichtin Novaja gazeta,abrufbar auf Russisch unter: http://www.novayagazeta.ru/data/2008/41/11.html 114) Siehe: RussischeFöderation: Neues Gesetz zur Einschränkungausländischer Investitionen in die Medien,von Andrei Richter. IRIS2008-8: 18, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2008/8/article32.en.html.

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politisch neutralen Medien undAktivitätenzuzulassen, die keinewesentlichen Aspekte derstaatlichen Informationssicherheit tangieren. Einer derbeliebtesten nationalen Sender Ren-TV,der überwiegend Unterhaltungbringt, gehört zu 30% derdeutschen Gesellschaft RTL, unddie ausländischeGesellschaft kann zweifelsohneEinfluss auf dessen Ausrichtungnehmen.115

EinBeispiel für die Einmischungder Regulierungsbehörde in denausländischen Erwerb einer Rundfunkgesellschaft warder Fall von Catalpa Investments.Inder russischen Presse wurde berichtet, die Gesellschaft vertrete das Unternehmen TheWalt Disney Company . 116 Am 11. Oktober 2008 ersuchte Catalpa die FöderaleKartellbehörde,den Kauf von49% derAnteileander russischen GmbH MO-TV Holdings Limited für USD 233 Mio.zugenehmigen.117 Es wargeplant,ein kostenloses Antennen- fernsehen für KinderinRusslandeinzurichten. MO-TV Holdings Limited ist mit Media-OneTV verbunden, dem, je nach Quelle, 30 bis 40 regionaleFernsehsendergehören. Durch das Geschäft hätte derKäufer die Möglichkeit erlangt, die Bedingungenfür die Geschäftstätigkeit voninder Russischen Föderation tätigen Wirtschaftseinheiten zu bestimmen. Die gemeinsam mit demErsuchenbei derFAS eingereichten Unterlagenenthielten Berichten zufolge falscheAngaben undwiesen auf die Möglichkeit hin, dass MO- TV Holdings Limited unter die Kontrolleeines ausländischen Unternehmens geraten könnte.

Gemäß dem Föderationsgesetz betreffendden Wettbewerbsschutz vom26. Juli2006 (Nr.135-FZ) weist die Kartellbehörde einen Antrag zurück, wenn darin enthalteneAngaben, die für die Entscheidungder Behörde wesentlich sind, falsch sind(Art. 33, Abs.2,Ziff. 5).118 Der Antrag vonCatalpa wurde am 12. Februar 2009 abgewiesen.119 Der stellvertretende FAS-Leiter Andrej Kaševarov erklärte damals, die falschen Angaben beträfen die Frage,wie weit derEinfluss vonDisney auf die Geschäftstätigkeit des zukünftigen Unternehmens reichen würde.Esgab zudemDruckfehler undAbweichungenzwischen dem englischen unddem russischen Wortlaut.120

In derFolge bemühte sich Robert A. Iger, Präsidentund CEO vonThe Walt Disney Company , um ein Treffen mit Premierminister Putin, welchesjedoch nichtstattfand . 121 DamalsgingenBeobachter davon aus, die Entscheidungder FASsei nichtdurch rechtlicheFormalien, sondern durch einepolitische Entscheidungund die Besorgnis um „Informationssicherheit“begründetgewesen.122 Im Mai 2009 distanzierte sich Disney offiziell vondem Geschäft,MO-TV Holdings Limited plantnun Berichten zufolge eineFusion mit demUnternehmendes russischen MedienmogulsAlišer Usmanov.

II. Spezielle Bereiche

1. Recht auf Gegendarstellung

Art. 43 („Rechtauf Gegendarstellung“) desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien gewährt jedernatürlichenoderjuristischen Person das Recht, denWiderruf vonInformationen, die nichtder Wirklichkeit entsprechen unddie Ehreund Würde derPerson herabsetzen, vonder Redaktion des Druck- oder Rundfunkmediums, das diese Information verbreitet hat, zu verlangen. Das gleicheRecht gilt für dengesetzlichen Vertreter derPerson, wenn diese selbst nichtinder Lage ist, eineGegen- darstellungzuverlangen(zum Beispiel Eltern vonMinderjährigen). Fehlen derRedaktion desMassen- mediumsBeweise dafür,dass die verbreiteten Informationen derWirklichkeit entsprechen, ist sie verpflichtet, die Informationen im selben Massenmediumzuwiderrufen. ZurErfüllungdieser Verpflichtungkann die Redaktion die Informationen entweder zurückziehen underklären, dass sie falsch/nichtbestätigt sindodervor Gericht nachweisen, dass die Informationen richtig sind.

115) DigitalTelevision in Russia. Op. cit. 116) Siehezum Beispiel: ФАСнеразрешила Walt Disney купитьдолювроссийском медиахолдинге , http://lenta.ru/news/2009/02/24/disney oder Микки-Маусанеждут вРоссии. Ведомости 24 февраля 2009. 117) Детскому телеканалу показали$233 млн. Коммерсант 5февраля 2009 118) Sieheden Text auf English unter: http://www.fas.gov.ru/english/legislation/26940.shtml 119) Pressemitteilungvom 20. Februar 2009 “ Calpa Investments Limited“. Siehe: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_22424.shtml?print 120) Микки-Маусанеждут вРоссии. Ведомости 24 февраля 2009. 121) Disney отключили от телевизора. Коммерсант 5февраля 2009. 122) ФАСнеразрешила Walt Disney купитьдолювроссийском медиахолдинге, http://lenta.ru/news/2009/02/24/disney/

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Hat einenatürlicheoderjuristischePerson, die Opfer falscher Informationen gewordenist, der verantwortlichen RedaktioneineGegendarstellungvorgelegt, mussLetzterediesen Text verbreiten, vorausgesetzt er entsprichtden Anforderungendes Gesetzes zur Regulierungder Massenmedien (so darf er zum Beispiel nichtdie Informationsfreiheit missbrauchen). Die zur Verbreitungder Gegen- darstellungverpflichtete Redaktion desHörfunk- oder Fernsehprogrammskann derPerson, welche die Gegendarstellungverlangt, oder derenVertreter die Möglichkeit bieten, deneigenen Text selbst zu verlesen unddiese Aufzeichnung dann auszustrahlen.

Art.44(„Verfahrender Gegendarstellung“) desGesetzessiehtvor,dass die Gegendarstellung aufzeigen muss, welche Informationen nichtden Tatsachenentsprechen, sowie wann undwie sie von derfraglichenMedieneinrichtung verbreitetwurden. Im Fernsehen ist die Gegendarstellungzur gleichen Tageszeit undinder Regelimselben Programm, das denzuwiderrufendenBerichtoderdas zu widerrufende Material enthalten hat, auszustrahlen.

Die Gegenstellungdarf höchstensdoppelt so lang seinwie derzuwiderrufende Berichts-oder Materialausschnitt. Die über Fernsehen übertragene Gegendarstellungmussmindestenssoviel Sende- zeit in Anspruch nehmen, wie ein Sprecher benötigt, um eineStandardseite maschinengeschriebenen Textszuverlesen.

Die Gegendarstellunghat zu erfolgen:

•InMassenmedien, die mindestenseinmal proWocheauf Sendungsind, binnen zehn Tagen, nachdem die Richtigstellungverlangt wurde oder derTexteingegangenist, •inanderenMassenmedien in dergerade in Vorbereitung befindlichen oder dernächsten geplanten Ausgabe.

Binnen eines Monats, nachdem die Gegendarstellungverlangt wurde oder derenTexteingegangen ist, mussdie Redaktiondie betroffene natürlicheoderjuristischePerson vonden konkreten Zeitplänen für die Verbreitung derGegendarstellung oder vonder Ablehnungeiner VerbreitunginKenntnis setzen. Im letzteren Fall müssen die Gründe für einesolcheAblehnungdargelegt werden.

Gemäß Art. 45 ist die Ablehnungeiner Gegendarstellungnichtnur rechtmäßig, sondern auch verpflichtend, wenn die Forderungnacheiner Gegendarstellungoderder zum Zweckeeiner Gegendarstellungvorgelegte Text

•einen Missbrauch derInformationsfreiheit im Sinnevon Art. 4Abs.1des Gesetzes zur Regulie- rungder Massenmedien darstellt, •einem Gerichtsurteil im betreffendenFall widerspricht, vorausgesetzt das Urteil ist rechtskräftig, oder •anonymist.

EineGegendarstellungist ebenfallsabzulehnen,

•wenn mit ihr Informationen widerrufen werdensollen, die bereitsvon derfraglichen Medien- einrichtungwiderrufenwurden(zum Beispiel in einem anderenProgramm oder Kontext), oder •wenn die Gegendarstellungmindestens ein Jahr nach derVerbreitungder angefochtenen Informationen durch die fraglicheMedieneinrichtungverlangt wurde,oderder eingereichte Text erst dann eingegangenist.123

In Übereinstimmungmit demZivilverfahrensrechtder Russischen Föderation können gegendie Ablehnungeiner Gegendarstellungodereinen Verstoßgegen Art. 44 desGesetzes zur Regulierung der Massenmedienbinnen einesJahres ab demTag,andem diestrittigenInformationen verbreitetwurden, Rechtsmittel eingelegt werden.

123)Diese Verjährungsfrist für eineGegendarstellunggestattet es einer Person immer noch, einezivilrechtlicheKlage wegen VerleumdunginÜbereinstimmungmit Art. 208 desZivilgesetzbuches anzustrengen, da es keinezeitlicheBegrenzungfür denSchutz immaterieller Werte gibt.

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Zusätzlich zum Rechtauf GegendarstellungsiehtArt. 46 desGesetzes zur Regulierungder Massen- medien ein Rechtzur Erwiderungvor.Esbesagt, dass einenatürlicheoderjuristischePerson, über die ein Massenmedium Informationen verbreitet hat, die nichtden Tatsachenentsprechen oder die die Rechte undlegitimen Interessen desBürgers beeinträchtigen,das Rechthat, eineErwiderung (Kommentar oder scharfe Entgegnung) im selben Massenmedium zu veröffentlichen. Die Vorgehensweise beim Rechtauf Gegendarstellung ist in vollem Umfangauchauf das Rechtzur Erwiderunganzuwenden.

Das Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation,welches drei Jahrenachdem Gesetz zur Regulierung derMassenmedienverabschiedet wurde,siehtinArt. 152 („Schutz derEhre, derWürde unddes geschäftlichenRufs“) Abs.1vor: „Staatsbürgerkönnen vorGerichtdie Richtigstellungvon Informa- tionen verlangen, die ihreEhre, ihreWürde undihren geschäftlichen Rufherabsetzen, wenn die Person, die für die Verbreitungdieser Informationen verantwortlich ist, nichtnachweist, dass sie den Tatsachenentsprechen.“ AufErsucheninteressierter Personen kann auch einer verstorbenen Person der Schutz derEhreund Würde zugestandenwerden. Die Vorschrift stellt desWeiteren in Abs.2klar: „Wenn die Informationen, die die Ehre, die Würde undden geschäftlichen Rufeines Staatsbürgers herabsetzen, voneiner Medieneinrichtung verbreitet wurden, müssen sie vonderselbenMedien- einrichtungrichtiggestellt werden.“

Ein Staatsbürger, dessen Rechte oder sonstigen gesetzlich geschütztenInteressen in einem Massen- medium geschmälert wurden, hat das Rechtauf Erwiderungindemselben Massenmedium (Art. 152 Abs.3des Zivilgesetzbuches).

Schließlich stellt das Zivilgesetzbuch klar,dass die Bestimmungenvon Art. 152 zum Schutz des geschäftlichenRufseiner natürlichen Person entsprechend auch für denSchutz desgeschäftlichen Rufs einer juristischen Person gelten.124

Es sei angemerkt, dass das Rechtauf GegendarstellunginRundfunkmedien ausgeübt wird,125 währenduns keineFällebekanntsind, in derdas Rechtzur Erwiderung(wasrechtlich möglich ist) wahrgenommen wurde.

2. Produktplatzierung

Das Föderationsgesetz zur Werberegulierung (2006) listet neun Arten vonWerbungauf, die ausdem Anwendungsbereich desGesetzes ausgenommen sind(Art.2 Abs.2). Produktplatzierungstehtan letzter Stelle dieser Ausnahmenund wirdbezeichnet als„Verweise auf Produkte,Identifikations- merkmale(zum Beispiel Namen oder Warenzeichen), oder denHersteller bzw.Verkäufer derProdukte, die naturgemäß in ein wissenschaftliches,literarisches oder künstlerisches Werk integriert sindund alssolchekeineInformationen mit Werbecharakter darstellen“.Dies bedeutet im Grunde,dass Produkt- platzierungnichtunter die Werbegesetzgebungfällt undsomit in allen Medien uneingeschränkt ist.

In dieser Hinsichtist derStandpunkt desstellvertretendenLeitersder Kartellbehörde derFöderation (FAS)AndrejKaševarov(zuständig fürWerbung) vonBedeutung. DieFAS fungiert als staatliche Kontrollinstanz für Werbung. Kaševarov ist derAnsicht, „die Frage einer rechtlichen Regelungdieses Phänomens[Produktplatzierung] ist nach wie voroffen“. 126 Er selbst sowie andere Fachleute zitieren einen einzigen Fall ausdem Jahr 2003, in welchemdie FASvermeintlich einen Beschluss zu Produkt- platzierungfasste.Indiesem Fall strahlte Kanal eins die Neujahrsshow „Soluschka“ (Aschenputtel) aus

124) Sieheden Text dermaßgeblichen Artikel desZivilgesetzbuches auf Englisch unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/ccde-en.htm Am 24. Februar 2005 fasste das Plenum desObersten Gerichtshofs derRussischen Föderation einen Beschluss „Über die gängigeGerichtspraxis in Fällen desSchutzes derEhreund Würde natürlicher Personen sowie desgeschäftlichen Rufs natürlicher undjuristischer Personen“, in demdiese Bestimmungennäher ausgeführt sind. Der vollständigeTextist auf Englisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/supc-24-2005.htm 125) Siehezum Beispiel http://www.fssp06.ru/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=164&cntnt01returnid=51 126) Кашеваров А. Б.Актуальные вопросы практикиФАС России всфере рекламной деятельности изащиты конкуренции, Арбитражное правосудие вРоссии. №3, 2008. Sieheauch: http://www.fas.gov.ru/article/a_17729.shtml, http://dlrr.ru/news.php?idnews=57, und http://www.fas.gov.ru/article/a_6956.shtml

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undzeigte dabei eineWodkaflascheeiner bestimmten Marke. Die FASbelegte Kanal einsmit einer Geldstrafe in Höhevon RUB 40.000 undwies die Fernsehgesellschaft an, die Szenen mit derFlasche herauszuschneiden; alsdie Show im folgendenJahr wiederausgestrahlt wurde,waren die Hinweise auf denWodka tatsächlich verschwunden.127 Der Beschluss wurde damit begründet, dass die ursprüngliche Ausstrahlungeinen Verstoßgegen das absolute Werbeverbot für alkoholischeGetränkeimFernsehen dargestellt habe.Erbezog sich nichtauf das Phänomen derProduktplatzierungansich. Da dies der einzigeund zudemein schon rechtlange zurück liegenderFall ist (der noch nach demfrüheren Föderationsgesetz zur Werberegulierungentschieden wurde), in demProduktplatzierung im Sachverhalt vorkam, unddader BeschlussaußerdemkeineVerurteilungvon Produktplatzierung beinhaltete,kann man nichtwirklichvon einer staatlichen Politik in dieser Hinsichtsprechen.

In theoretischen Diskussionen 128 gab es Versuche,Produktplatzierungals unterschwelligeWerbung zu klassifizieren.129 Das Gesetz zur Werberegulierungdefiniert Letztereals Werbung, die das Bewusst- sein desVerbrauchersunterschwellig beeinflusst, „insbesondere durch denEinsatz spezieller Video- sequenzen (doppelterTonaufzeichnung)oderandererMittel“.DerartigeWerbunginaudiovisuellen Medien ist verboten (Art. 5Abs.9). Diese Fachmeinungen, die stillschweigendvon derFAS unterstützt werden, kommen zu demSchluss,dass Produktplatzierungeines derindiesem Gesetz genannten „anderenMittel“ unterschwelliger Werbungsei. Sie unterstreichen darüber hinaus, das schwierigste bei Produktplatzierung sei es festzulegen, ob die vermeintlicheProduktplatzierung naturgemäß (immanent) in wissenschaftliche, literarischeoderkünstlerischeWerkeintegriert sei. Subjektivität, so die Fachleute,lässt sich hier nurdurch Aussagen„angesehener Spezialisten“ oder durch Umfrage- ergebnisse vermeiden. Bestätigen die erhobenen Beweise denkünstlichen Charakter derEinfügungvon Produkten undWarenzeichen, fällt die Produktplatzierungunter die Werbegesetzgebung. In solchen Fällen sinddann alleVorschriftendes Gesetzes zur Werberegulierunganzuwenden. Wenn zum Beispiel das GesetzFernsehwerbungfür Bier nurinVerbindungmit einem Warnhinweis zwischen 22.00 und7.00 Uhr erlaubt, mussdies auch für Werkemit einer nichtnaturgemäßen, also künstlichen (gezielten) Produktplatzierungvon Biererzeugnissen gelten. Da das Gesetz das Zurschaustellenvon Biertrinken in Werbungverbietet, sindsolcheSzenen gleichermaßen bei nichtnaturgemäßer Produktplatzierung untersagt. Das Rauchen vonZigaretten, wenn nichtnaturgemäß eingefügt, mussinFilmen ebenso verboten werdenusw.Die Beschränkungder Gesamtzeit für Werbunginden Massenmedien ist dann unter Berücksichtigungder Zeit für Produktplatzierungzuberechnen.130

Irina Cˇ ubukova,Juristin bei einer großen Kanzlei in Moskau, nenntdreiKriterien für Produkt- platzierung, die es im KontextrussischerGesetzgebung undinternationaler Erfahrunggestatten, Produktplatzierungals Werbungzukennzeichnen:

•Der Gegenstand-ein Produkt oder ein Warenzeichen -kann ausdem Werk entferntwerden, ohne dass dessen künstlerischer Wert geschmälert wird. •Die Platzierunghat einen Werbewert, das heißt, sie fördert oder intensiviert das Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung, einem Warenzeichen, Hersteller oder Verkäufer des Produktsoderder Dienstleistung. •Die Platzierungeines Produktsodereiner Dienstleistung, eines Warenzeichensoderdes Namens eines Herstellerswirdvergütet, unddie Tatsache derVergütungvon Produktplatzierungkann durch einen Vertrag zwischen demAutor undden Werbetreibendennachgewiesen werden.

Ob diese Kriterien für Produktplatzierungauf Filmeund Fernsehserien angewendetwerdenkönnen, bleibt offen; dies ist eineFrage ohnepositiveodernegativeAntwort in derWerbegesetzgebung. Eine besondere HerausforderunginBezug auf jeglicheWerbeformen bestehtdarin zu bestimmen, wo Werbungbeginntund wo sie endet. Wenn Werbungzueinem integralen Bestandteil eines Kunstwerks wird, ist es schwierig, die Teileauszumachen, die reineWerbungdarstellen.

127) Ibid. Sieheauch: Чубукова, И . ProductPlacementvs закон орекламе, Управление компанией. 7. Februar 2008. Siehe http://www.fas.gov.ru/article/a_17149.shtml undhttp://www.utro.ru/articles/2004/07/14/329647.shtml 128) Siehezum Beispiel: Романов А. А. Закон ииндустрия скрытой рекламы. Реклама иПраво, №2,2006, oder Чубукова, И. Product Placementvs закон орекламе. Управление компанией . 7. Februar 2008. Siehe http://www.fas.gov.ru/article/a_17149.shtml 129) Der russischeBegriff скрытая реклама -versteckte Werbung-beinhaltet sowohl unterschwelligeWerbungals auch Schleichwerbung. 130) Чубукова, И. Product Placementvs закон орекламе. Управление компанией . 7. Februar 2008. Siehe http://www.fas.gov.ru/article/a_17149.shtml

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Es sei daran erinnert, dass dies lediglich eineDiskussion ist, die keinerlei direkte Auswirkungauf Produktplatzierung hat. Die FAShat in dieser Frage bislangnoch keineeindeutigeStellungbezogen, wenngleich zunehmende ProduktplatzierungenVeränderungenindiesem Zusammenhangbeschleu- nigen könnten.

Es gab auch Versuche,Produktplatzierungals irreführende Werbungzukennzeichnen.Dies ist aber kaum möglich, da „irreführend“ rechtlich ausschließlich so verstandenwird, dasswesentliche Informationen über das Produkt verschwiegen werden, wodurchdie Werbebotschaft verzerrt wird (Art. 5Abs.7des Föderationsgesetzes zur Werberegulierung).

Das Fehlen einer präzisen gesetzlichenDefinition undjeglicher Regelungvon Produktplatzierung ruft ein eher praktisches Problem hervor,nämlich Unsicherheit hinsichtlich der vertraglichen Regelung vonProduktplatzierung. Es ist überausschwierig, denVertragsgegenstandund wesentlicheVertrags- bestimmungenfür die Gestaltungvon Produktplatzierungzuformulieren. Währendgegenwärtig die Beziehungenzwischen Werbekundenund Werbeagenturen im Rahmenvon etablierten undrechtlich ausgereiften Agenturverträgen oder Dienstleistungsverträgen gestaltet werden, benötigt die Platz- ierungvon Produkten in einem künstlerischen Werk eine neue Artvon Vertrag, die erst noch erarbeitet werdenmuss. Es gibt keineVorlage,die kopiert werdenkönnte,und Juristen greifen auf jedenVertrag zurück, derihnen zweckdienlicherscheint. Viel häufiger noch werdendie Verpflichtungennur auf der Ebenemündlicher Vereinbarungengetroffen. Das machtesnatürlich sehr viel komplizierter,Ver- pflichtungengleich welcherArt auch genau einzuhalten.

Tatsächlich sindVerträgeüber ProduktplatzierungDienstleistungsvereinbarungenund unterliegen daher Kapitel 39 desZivilgesetzbuches derRussischen Föderation. In einem typischen Vertrag über die Erbringungvon Werbedienstleistungengegen Vergütung verpflichtetsich derDiensteanbieter, entsprechendden Anweisungendes Kundenbestimmte Tätigkeiten durchzuführen oder Handlungen vorzunehmen. DerKunde wiederum ist seinerseitsverpflichtet, für die erbrachten Dienste eineZahlung zu leisten. Somit sindfür denKundendie folgendenBedingungenentscheidend:

•Definition desVertragsgegenstands,das heißt derMaßnahmen, die derDienstleister im Rahmen derVorbereitungeiner Werbekampagne auszuführen hat, unddes Umstands,wie sie ausgeführt werdensollen; •Zeitrahmenfür denStart derWerbekampagne, vordem Hintergrund, dass derKunde möglich- erweise daran interessiert ist, dass die Werbungnur in einem bestimmtenZeitraum stattfindet.

Ein Vertrag über Werbedienstleistungenkönnte jede Art vonProduktplatzierungabdecken, da er die wesentlichen Vertragsbeziehungenund -zieleregelt: Die Erbringungvon Dienstleistungenzur Werbung für ein Unternehmen, seine Marke, seineProdukte undDienstleistungen.131

3. Recht auf Kurzberichterstattung

Das russischeGesetz behandelt in Teil 4, Art. 1274 („Die kostenlose Nutzungvon Werken für Informations-, Wissenschafts-, Bildungs-oderKulturzwecke“) desZivilgesetzbuches derRussischen Föderation (Kapitel 70 -Urheberrecht) ein Phänomen, das demeuropäischen Rechtauf Kurzbericht- erstattungähnelt. Dieser Artikel regelt die Zulässigkeit derVerwendungvon Werken zu aktuellen wirtschaftlichen, politischen, sozialen undreligiösen Fragensowie die Wiedergabe dieser Werkein Rundfunk- oder Kabelprogrammen, solange einesolcheWiedergabe oder Veröffentlichungvom Urheber oder anderenRechteinhabernnichtausdrücklich untersagt wurde.Das Gesetz siehtkeineZustimmung desUrhebersoderandererRechteinhaber vorund verpflichtet auch nichtzur Zahlungfür die Nutzung. Es verlangt lediglich, dass derNamedes Urhebers, dessen Werk verwendetwird, unddie Quelle angegeben werden. Zu denselben Bedingungengestattet das Gesetzdie Wiedergabe vonöffentlich gehaltenen politischen Reden, Ansprachen, Berichten undähnlichen Werken in Rundfunk- oder Kabelprogrammen in einem Umfang, derdurch das Informationsbedürfnis gerechtfertigt ist; darüber hinausgestattet es die öffentlicheWiedergabe(in PresseschauenüberRundfunk- undKabel-

131) Чубукова, И. Product Placementvs закон орекламе. Управление компанией . 7. Februar 2008, siehe http://www.fas.gov.ru/article/a_17149.shtml

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programme) vonWerken, die im Zusammenhangmit aktuellen Ereignissen zu sehen oder zu hören waren, wenn dies demInformationsbedürfnis dient.132

Die Entwicklungrussischer Online-Ressourcen mit derMöglichkeit, Videomaterial zu verbreiten, hat erst kürzlich zu Klagenwegen illegalen Kopierensvon ursprünglich im Fernsehen ausgestrahlten audiovisuellen Werken undderen Verbreitungüber das Internet geführt. Insbesondere verklagte die Fernsehholdinggesellschaft VGRTK am 22. Oktober 2008 das Kommunikationsportal Mail.ru unddas sozialeNetzwerk Vkontakte.ru wegender illegalen Verbreitungvon Werken, die vonihren Fernseh- kanälen raubkopiert wordenwaren. Sie verlangte vonMail.ru undVkontakte.ru die Einstellungder illegalen VerbreitungurheberrechtlichgeschützterWerkeund die Zahlungvon Schadenersatz in Höhe vonjeweilsRUB 3Mio. Im November 2008 kam die VGTRK mit Mail.ru zu einer außergerichtlichen Einigung, wonach Letztere im Gegenzug zum Erhalt derrechtlichenErlaubnis, die strittige Verbreitung fortsetzen zu dürfen, AnteileanWerbeeinnahmeneinräumen wird.

Die Gesellschaft, derVkontakte.ru gehört, weigerte sich jedoch, demVerlangenvon VGTRK nachzukommen. Nach denjüngsten Berichten wurde das Verfahren im Juni vordem Schiedsgericht Sankt Petersburgfortgesetzt. Insbesondere erkannte das GerichteinenotarielleBestätigungan, dass derrussische Spielfilm „Ostrov“(Die Insel), dervon VGTRK ausgestrahlt wordenwar,auf derWebseite dessozialen Netzwerkszugänglich gemachtwurde.

Im Februar 2009 traf VGTRK mit derSuchmaschine Rambler.ru eineaußergerichtlicheVereinbarung, nach derLetztereFernsehausstrahlungenverbreiten darf unddafür im Gegenzugkostenlos für die von VGTRK betriebene Nachrichten-Website Vesti.ru wirbt.133

Zuvor, am 17. April 2008, standVGTRK an derSpitze einer Gruppe großer Nachrichteneinrichtungen im Rahmeneiner informellen Initiativezur Erarbeitungeines rechtlichen Verfahrenszur Bekämpfung vonPiraterie durch Internetseiten undinternetgestützte Medien.134 Die Kampagneführte zu einem Änderungsentwurf desGesetzes zur Regulierungder Massenmedien unddes Ordnungswidrigkeiten- gesetzes der Russischen Föderation vom30. Dezember 2001 (Nr.195-FZ). Die Vorlage wurde vom Ministerium für Nachrichtenwesen undMassenkommunikation am 10. Juni 2009 unterstützt, alssie bei derkonstituierendenSitzungdes Ratsfür Massenkommunikation, einem Fachbeirat beim Minis- terium, erörtert wurde.Die Vorlage schlägt vor, Internetplattformen alsMassenmedien unddie öffentlicheZugänglichmachungvon Internetinhalten alseineForm derVerbreitungvon Massen- informationen zu betrachten. Sie führt auch eineHaftungder Verwaltungfür Überwachungs- verschuldenbei Verstößen gegendas Urheberrechtvon Nachrichtenagenturen ein.135

4. Schutzder gutenSitten

Das Gesetz derRussischen Föderation zur Regulierungder Massenmedien besagt in Art. 4(„Verbot desMissbrauchsder Informationsfreiheit“):

„Die Nutzungvon Massenmedien zur Verübungstrafbarer kriminellerHandlungen, zur Enthüllungvon Informationen, die Staatsgeheimnisse oder sonstigegesetzlich geschützte Geheimnisse darstellen, zur Verbreitungvon Materialien, die öffentliche Aufrufe zu terroris- tischen Handlungenenthalten oder öffentlich Terrorismus rechtfertigen, undsonstigen extremistischen Materialien sowie Materialen, die Pornografie oder Gewalt undGrausamkeit propagieren, ist verboten.“136

In Bezug auf die letzte Art vonMaterial sinddie bestehendenrechtlichen Beschränkungen, die insbesondere auf denSchutz Minderjähriger vorInhalten pornografischer Natur abzielen, zu allgemein

132) Sieheden vollständigen Text vonKapitel 70 des4.Teilsdes Zivilgesetzbuches auf Englisch unter: http://civil-code.narod.ru/chapter70-copyright-law.html 133) SieheNachrichtenbeiträgeunter: http://interfax.ru/society/txt.asp?id=40987 und http://www.infox.ru/business/media/2009/06/26/VGTRK.phtml 134) http://www.urisconsult.spb.ru/info/45/ 135) Der Text derVorlage einschließlich eines Kommentarsist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/publications/zip/177/index.html 136) Der Text desGesetzes ist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/2.htm

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gehalten. Es gibt zum Beispiel im Gesetz keineErläuterung, was„propagieren“ bedeutet. Gleichzeitig führt jederFall vonMissbrauch derInformationsfreiheit, dervon Roskomnadzorerfasst wird, potenziell zur Schließungder Medieneinrichtung(sieheoben).

Durch ein Verbot derVerbreitungvon Pornografie und„Propagierungvon Gewalt undGrausamkeit“ versuchendie Gesetzgeber,die guten Sitten zu schützen. Die Verfassungsbestimmung,dass niemand seineRechte so ausüben darf, dass er damit die Rechte andererverletzt, machtein solches Verbot möglich. Art. 55 Abs.3der Verfassung besagt ausdrücklich, dass „die Rechte undFreiheiten von Personen undStaatsbürgern durch das Föderationsgesetz insoweit eingeschränkt werdenkönnen, wie es (unter anderem) für denSchutz [...] derMoral, derGesundheit, derRechte undder legitimen Interessen andererPersonen erforderlich ist“.

Art. 242 desStrafgesetzbuches derRussischen Föderation vom13. Juli 1996, Nr.63-FZ, begründet strafrechtlicheVerantwortlichkeit für die rechtswidrigeVerbreitungvon pornografischen Materialien undGegenständen. Handlungen, die einem solchen Straftatbestandunterfallen, sindunter anderem die Herstellungpornografischen Materialsmit demZiel dieses zu verbreiten oder Werbungdafür zu machen, sowie derillegaleHandelmit Druckpublikationen, Film- oder Videomaterial, Bildern oder anderenObjekten mitpornografischem Charakter. AlsStrafen sindGeldstrafen in Höhe vonRUB 100.000 bis 300.000, BeträgeinHöhedes Arbeitsentgeltsodersonstiger Einkünfte derverurteilten Person für die Dauer voneinem oder zwei Jahren oder Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren vorgesehen.137 Nach statistischen Erhebungendes Innenministeriumsder Russischen Föderationwurden2008 insgesamt 1.794 Fälleillegaler Verbreitungvon Pornografie registriert (gegenüber 3.128 Fällen 2007 und2.876 Fällen 2006). 2008 wurden223 Straftaten gemäß einem eigenen Artikel desStrafgesetz- buches (Art. 242.1) im Zusammenhangmit derVerbreitungund Herstellungvon Kinderpornografie registriert (gegenüber 137 im Jahr 2007 und248 im Jahr 2006).138

Es hat in RusslandmehrereAnläufe gegeben, ein Gesetz zum Schutz derguten Sitten zu verab- schieden. Andererseitswurde das Föderationsgesetzbetreffenddie Begrenzung des Umlaufsvon Produkten, Dienstleistungen undöffentlichen Veranstaltungen sexueller Natur in der Russischen Föderation (1996)nie vomrussischen Präsidenten in Kraft gesetzt.139 Vonden Gesetzgebernder Subjekte derRussischen Föderation wurdenmehrereVersucheunternommen, die ProblemeimZusammenhangmit derÜberwachung desInformationsumfeldsund demSchutzder Öffentlichkeit vorschädlichen Informationen undMaterialien in Bezug auf die lokalen Massenmedien zu lösen. Diese Versuche zielen auf erotischePublikationen undProgrammeabund führten zur Ausräumungeiniger Probleme.

Heute gibt es in 17 Subjekten derRussischen Föderation Gesetze,die diesesThema regeln. Darüber hinausgibt es Dutzende einschlägiger lokaler Erlasse undBeschlüsse derExekutiveund kommunaler Behörden. Typischerweise werdenauf derenGrundlage staatliche Gremien eingesetzt, um die guten Sittenzuschützen. SolcheRäte bestehen zumeist ausVertretern öffentlicher Organisationen,Personen deskulturellen Lebens,prominentenPersönlichkeitenaus Literatur,Wissenschaftund Kunst, Vertretern vonExekutivbehördenund staatlichenKommissionen für Jugendangelegenheiten sowie Psychologen, Ärzten, Lehrern undanderenFachleuten. Die Räte wurdengemäß lokalen Verordnungen eingerichtet, um das Vorhandensein erotischer oder pornografischer Inhalte in spezifischen Medien- erzeugnissenfestzustellen, Listen verbotener Filmezuerstellen usw.

Aufnationaler Ebenegibt es noch kein derartiges Gremium, wenngleich die Staatsduma 1999 einen Vorstoßunternommen hat, ein solches durch die Verabschiedungdes Entwurfseines Föderations- gesetzes betreffendeinen Obersten Rat zum Schutz derguten Sitten in Fernsehen undHörfunk in der Russischen Föderation zu schaffen.Die Vorlage durchlieferfolgreich drei LesungenimUnterhausund wurde vomFöderationsrat (Oberhaus) gebilligt, schließlich aber vomPräsidenten per Veto abgelehnt.140

137) Sieheden Text in: http://medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/34.htm 138) Nach Angaben derStaatsduma: http://www.familycommittee.ru/parlamentskie_slushaniya_kruglye_stoly_i_inye_meropriyatiya/vyrabotannye_rekomend acii/rekomendacii_parlamentskih_slushanij_na_temu_o_sovershenstvovanii_zakonodatelstva_napravlennogo_na_borbu_s _detskoj_pornografiej/ 139) SieheInformationen über die Vorlage in: Der Schutz Minderjähriger vorschädlichen Informationen im Rechtpostsowjetischer Staaten,von Anna Belickaja, IRIS plus, Beilage zu IRIS, RechtlicheRundschau derEuropäischen Audiovisuellen Informationsstelle, Ausgabe 2006-6. 140) Siehezur Diskussion derVorlage: Der Schutz Minderjähriger vorschädlichen Informationen im Rechtpostsowjetischer Staaten, vonAnna Belickaja. Op. cit. S. 6.

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5. SchutzMinderjähriger

Der Schutz Minderjähriger vordem Einfluss schädlicherInformationen stehtseit fast zwei Jahrzehnten oben auf derTagesordnungder russischen Gesetzgeber.Sie sindder Ansicht, Gewalt, Grausamkeit undPornografie, die regelmäßig im Fernsehen undinZeitungenund Zeitschriften dargestellt werden, seien einer gesundenEntwicklung vonKindern nichtförderlich undihrer geistigen undsittlichen Erziehungabträglich. AnstößigeodergrausameBilderführten zu verzerrten Denk- stereotypen im Bewusstsein vonMinderjährigen undsteigerten dadurch das Risikospäteren asozialen Verhaltens.141 WestlicheWissenschaftlerhaben nachgewiesen, dass in russischen Nachrichten- sendungendoppelt so viel Gewalt wie in vergleichbaren SendungeninGroßbritannien oder Deutsch- landgezeigt wird.142

Gestützt auf die Erklärung derRechte desKindesder Vereinten Nationen (1959) 143 unddas diesem nachfolgende Übereinkommen über die Rechte desKindes(1989)144 verabschiedete die Russische Föderation ein eigenes Gesetz über die Rechte desKindes. Die Bestimmungentragengrößtenteils deklaratorischen Charakter undsehen keinespeziellen Regulierungsmechanismen oder Mittel zur Gewährleistungder Einhaltungvor.Das Föderationsgesetzbetreffenddie Grundrechte des Kindes vom 24. Juli 1998 (Nr.124-FZ) enthält lediglich eineeinzigeBestimmung(Art. 14) zu demhier betrachteten Problem. Sie lautet:

„StaatlicheOrganeder Russischen Föderation sollen Maßnahmenergreifen, um Kindervor Informationen, Propaganda undAgitation zu schützen, die ihrer Gesundheit undsittlichen und geistigen Entwicklungschaden, einschließlichdes Schutzes vorethnischer,klassenbedingter und gesellschaftlicher Intoleranz, vorWerbungfür Alkohol undTabakerzeugnisse,vor Propaganda gesellschaftlicher,rassischer,ethnischer undreligiöser Ungleichheit alsauchvor derVerbreitung [...] vonAudio- undVideoprodukten, die Gewalt undGrausamkeit,Pornografie,Drogen- abhängigkeit, Abhängigkeit vonInhalationsmitteln sowie asoziales Verhalten fördern.“145

Daher ist es nichtverwunderlich, dass derDruck, praktischeSchritte zu unternehmen, um die Interessen Minderjähriger in denMassenmedien zu schützen, immer weiter wächst. Am 24. Juni 2009 verabschiedete die Staatsduma in erster Lesungeinen Gesetzesentwurf betreffendden Schutz Minderjähriger vorInformationen, die derenGesundheit undEntwicklungschaden.146

Das zukünftigeFöderationsgesetz trifft Regelungenfür „Produkte derMassenmedien, gedruckte Materialien,Spielfilme, Fernseh- undVideofilme, elektronischeund Computerspiele, sonstigeaudio- visuelleProdukte in Form jedweder Materialien, einschließlich solcher,die in allgemein zugänglichen Informations- undTelekommunikationsnetzen (einschließlich Internet undMobiltelefonie) verbreitet werden“ (Art. 2Abs.8).

Die Vorlage definiert sieben Kategorien vonInformationen, die nichtanMinderjährige (Personen unter18Jahren)verbreitet werden dürfen. Sie reichen vonPornografie bis „Propagierungder Negation vonFamilienwerten“.PornografischeInformationen sindinder Vorlage definiert als„Materialien und Gegenstände ohnekünstlerischen Wert undohnewissenschaftlichen, medizinischen oder erzieheri- schen Zweck, die Beschreibungenoderfotografische, Video- oder sonstigeDarstellungen(unter andereminForm vonComputergrafiken, Animationen oder sonstigen Darstellungsmitteln) von1) menschlichen Genitalien, 2) vonGeschlechtsverkehr oder einer Imitationdavon oder 3) vonsonstigen Handlungen, die mit Geschlechtsverkehr,unter anderemmit Tieren oder Leichen, zu vergleichen sind, enthalten“ (Art. 5Abs.2Ziff. 7).

141) Der Schutz Minderjähriger vorschädlichen Informationen im Rechtpostsowjetischer Staaten,von Anna Belickaja.Op. cit.S.2. 142) Siehe: Petzold, Thomas. Gewalt in internationalen Fernsehnachrichten: EinekomparativeAnalyse medialer Gewaltpräsentation in Deutschland, Großbritannien undRussland ,VSVerlagfür Sozialwissenschaften, Wiesbaden2008. S. 44, 109. Zitiert in: Dubina, Tatjana. An Economic Analysis of theRussian Television System,Arbeitspapieredes Institutsfür Rundfunkökonomie an derUniversität zu Köln. Nr.259. Köln, 2009. S. 100. 143) Siehe: http://www.cirp.org/library/ethics/UN-declaration 144) Siehe: http://www2.ohchr.org/english/law/crc.htm 145) Der Text desGesetzes ist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/52.htm 146) Der Text derVorlage Озащите детей от информации, причиняющей вредихздоровью иразвитию (Betreffend denSchutz Minderjähriger vorInformationen, die ihrer Gesundheit undEntwicklungabträglich sind) nach derersten Lesungist auf Russisch ist abrufbar unter: http://medialaw.ru/publications/zip/178/1.htm

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Die Vorlage schützt die „Informationssicherheit vonKindern“, die in Art. 2als der„Zustand, in dem keineGefahr einer schädlichen Wirkungauf die physische,psychologische, soziale, geistigeund sittliche Gesundheit undEntwicklung vonKindern besteht“, definiert ist.

Folgende Abstufungenfür „Informationsprodukte“sindhinsichtlich desAltersder Konsumenten anzuwenden: Allgemein (alleAltersstufen), unter 6(Jahren), 6+, 12+, 16+ und18+. Die Vorlage sieht die Einführungeines obligatorischen speziellen Kennzeichnungssystemsfür alleaudiovisuellen Produkte undDienstleistungeneinschließlich Fernsehprogrammen (außer Nachrichten, aktuellen Reportagen, Unterhaltungund Liveübertragungen) entsprechendder Alterseinstufungvor.Die Ausstrahlungvon Produkten derKategorie 16+ ist im Fernsehen nurvon 21:00 bis 07:00 Uhr erlaubt, solcher derKategorie 18+ lediglich von23:00 bis 06:00 Uhr.

Das zukünftigeGesetz wirdEinrichtungenwie Internet-Cafés,die ihren Kunden Zugangzu audiovisuellen Inhaltenanbieten, dazu verpflichten, hard- undsoftwaretechnischeMitteleinzusetzen, um Minderjährigevor demZugangzuschädlichen Informationen zu schützen.

Produzenten undDistributoren sollen dafür verantwortlich sein, ihreProdukte entsprechendden Richtlinien desneuen Gesetzes zu kennzeichnen. Insbesondere bestärkt es sie,eineFachmeinungzur Alterseinstufungsowie zu denspezifischen Vorschriften undrechtlichen Folgen, die ebenfallsinder Vorlage vorgesehen sind, einzuholen. Das Einholen vonFachmeinungenzuComputer- undsonstigen Spielen wirdverpflichtend.147

Gegenwärtig gilt ein altersspezifisches Einstufungssystem für Audio- undVideoprodukte (haupt- sächlichzur Vorführungbestimmte Spielfilme) entsprechendder Anordnungder Föderationsbehörde für Kultur undFilm (jetzt in das Kulturministerium derRussischen Föderation eingegliedert) vom 15. März 2005. In derAnordnung werdenRichtlinien für einealtersspezifischeKlassifizierungaudio- visueller Werkegesetzt.148

Nach derAnordnung sindFilmeinfünf Kategorien einzustufen:

•nur für Personen ab 18 Jahren, •nur für Personen ab 16 Jahren, •nur für Personen ab 14 Jahren, •nur für Personen ab 12 Jahren in elterlicher Begleitung, •FilmeohneAltersbeschränkung.

Bislangwar die Überwachung vonVerstößen gegendie Rechte Minderjähriger ein praktisches Problem. Mit dervor kurzem erfolgten Einrichtungdes Postenseines Ombudsmannsfür die Rechte der Kinderkönnte sich dies ändern.149 Vorübergehend wirddessen Bürobei derGesellschaftskammer der Russischen Föderation eingerichtet.

Art. 6der Kooperationsvereinbarungder Mitgliedstaatender Gemeinschaft Unabhängiger Staaten im Bereich derRegulierungvon Werbeaktivitäten (2003) verlangt vonden Regierungen, Minderjährige vorder Ausnutzungihrer Gutgläubigkeit oder Unerfahrenheit zu schützen.150 In Russlandwirddieser Schutz weniger strenggehandhabt alsimGesetz andererGUS-Staaten.Das Föderationsgesetz zur Werberegulierungenthält einen Artikel 6, derdie Besonderheiten bei an Minderjährigegerichteter Werbungbehandelt. Dort heißt es:

„Zur Erreichungdes Ziels, Minderjährigevor derAusnutzungihrer Gutgläubigkeit undUnerfahren- heit zu schützen, ist Folgendesinder Werbungnichtgestattet:

147) RussischeFöderation: Gesetzentwurf zum Schutz Minderjähriger vorInformationen, die deren Gesundheit undEntwicklung schaden,von Andrei Richter,IRIS2009-8: 18. 148) Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.medialaw.ru/publications/zip/141/4.htm 149) Dieser Posten wurde per Erlass desPräsidenten derRussischen Föderation Nr.986 vom1.September 2009 betreffendden Ombudsmann für die Rechte derKinderbeim Präsidenten derRussischen Föderation eingerichtet. Veröffentlichtim amtlichen Tageblatt Rossijskaja gazeta vom4.September 2009. 150) Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.medialaw.ru/exussrlaw/l/sng/38.htm

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1) Verunglimpfungder Autorität vonEltern undErziehern oder Untergrabungdes Vertrauens Minderjähriger in sie; 2) direkte AufforderunganMinderjährige, Eltern oder andere Personen davon zu überzeugen, die angepriesenen Warenzukaufen; 3) Erzeugungeiner verzerrtenVorstellungbei Minderjährigen,was tatsächlich im Rahmendes Familienbudgets erschwinglich ist; 4) Versuche,Minderjährigen zu suggerieren, derBesitz verschiedener Warenverschaffe ihnen einen Vorteil gegenüber anderenMinderjährigen,oderder Nichtbesitz dieser Warenbewirkedas Gegenteil; 5) Aufbau eines Minderwertigkeitskomplexesbei Minderjährigen, die nichtimBesitz derange- priesenen Warensind; 6) Darstellungvon Minderjährigen an gefährlichen Orten oder in gefährlichenSituationen; 7) Untertreibungder erforderlichenFähigkeiten bei derNutzungvon Waren, die gegenüber Minder- jährigenangepriesen werden; die Werbungmussdarüber informieren, wasdie Minderjährigen der Altersgruppe,für die die Warenbestimmt sind, mit derenNutzungtatsächlich erreichen können; 8) Aufbau eines Minderwertigkeitskomplexesbei Minderjährigen durch die Unterstützungnegativer Perspektiven.“151

EineDurchsetzungdieser Werbestandards kommt relativ häufig vor. So diskutierte zum Beispiel der Expertenrat am 25. Dezember 2007 in einer ordentlichen Sitzungfür die Durchsetzungder Werbe- gesetzgebungbei derFöderalen Kartellbehörde,obder Slogan „Es gibt kein VäterchenFrost! [entsprichtdem Weihnachtsmann]“, dendie Ladenkette EtozuWerbezwecken einsetzte,nichtEltern, Tagesstättenbetreiber undKinderbetreuer diskreditiereund das in sie gesetzte Vertrauen bei den Minderjährigen untergrabe.AmEnde derDiskussion kamen die Fachleute zu demSchluss,die Art und Weise,wie die „Eilmeldung“ in derWerbungvermittelt wurde,könnevon Kindern missverständlich aufgenommen werden. Aufgrundder zeitlichen Platzierungseien MinderjährigeZielgruppe dieser Werbunggewesen. Im Fall vonEto stellte derRat Verstöße gegendie Ziffern 2, 4, 5und 8von Art. 6 desFöderationsgesetzes zurWerberegulierungfest (sieheoben).UmweitereVerstöße gegendie Werbegesetzgebungder RussischenFöderation zu verhindern,empfahl derRat, derWerbetreibende und die Fernsehkanälesollten die Ausstrahlungder denSlogan beinhaltendenWerbungeinstellen.152

Fachleute sindder Ansicht, die Gesetze in Russlandböten bislangkein umfassendesMaßnahmen- system, um die Medien hinsichtlichder Verteilungund Verbreitungvon Informationen sexueller Natur sowie vonGewaltdarstellungenzubeschränken. DerartigeMaßnahmensollten in erster Linie präventiver Art sein. Dennoch wäreauf diesem heiklen Gebiet eineallumfassende Gesetzgebung, nach derdie aktivsten Sittenwächter rufen, wenig angebracht,dasie eineverdeckte Bedrohungfür die Freiheiten desEinzelnen unddie Pressefreiheit darstellen würde. 153

6. Rechte nationalerMinderheiten

Die wichtigsten Rechtsquellen für die Frage derSprache im Rundfunk sindinder Russischen Föderation die Verfassung, die Normen desVölkerrechts sowie Regierungsabkommen. Die Verfassung vom12. Dezember 1993154 garantiert in Art. 19 gleicheRechte ungeachtet derNationalität (ethnischen Zugehörigkeit). Die auf die Sprache bezogenen Bestimmungender VerfassungsindinFöderations- und Regionalgesetzen ausgeführt.

Art. 69 derVerfassunggarantiert die Rechte indigener Völker mit geringerBevölkerungsstärke. In Anlehnungandie Verfassungverfügt das Gesetz betreffendGarantien der Rechte zahlenmäßig kleiner indigener Völker der Russischen Föderation von1999 einen SonderstatusinBezug auf solcheVölker (in Gemeinschaften mit weniger als50.000 Personen lebend) undauf Völker desHohen Nordens.155 Das Gesetz verleihtihnen das Rechtauf ihreeigeneselbstbestimmte sozioökonomischeund kulturelle Entwicklungund verpflichtetdie RegierungzuHilfeleistungendurch Ausarbeitungvon Unter-

151) Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/11.htm 152) FASPressemitteilungvom 27. Dezember 2007 „Expertenrat für die Durchsetzungder Werbegesetzgebung“, siehe: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_16790.shtml?print 152) Der Schutz Minderjähriger vorschädlichen Informationen im Rechtpostsowjetischer Staaten,von Anna Belickaja. Op. cit. S. 8. 154) Abrufbar auf Englisch unter: http://www.constitution.ru/en/10003000-01.htm 155) Nr.82-FZ vom30. April 1999. Sieheden Text auf Russisch unter: http://base.garant.ru/180406.htm

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stützungsprogrammen,Mittelzuweisungenusw.Esgarantiert das Rechtauf denErhalt unddie Entwicklungder indigenen Sprachensowie darauf,Informationen in indigenen Sprachenzuempfangen undzuverbreiten sowie Massenmedien zu gründen.

Andererseitsspezifiziert kein Rechtsakt zur Rundfunkregulierungdie Bedingungenfür die Beteiligung vonMinderheiten an derEinrichtungund Verwaltungvon Rundfunk, ob diese Minderheiten nunkleinen indigenen Völkern angehören oder nicht.

Die Verfassung(Art. 26 Abs.2)bekräftigt das Rechteines jedenauf Anwendungseiner Mutter- sprache undauf die freie Wahl derzur Kommunikation verwendeten Sprache.Weiterhin besagt sie,dass Russisch dieStaatssprache derFöderation ist, dass aberdie nationalenTeilrepubliken das Rechthaben, ihreeigeneAmtssprache zu bestimmen. Diese Sprachenwerdendadurch zu parallelen Amtssprachen derGebietskörperschaften (Art. 68). Während Russischdie vorherrschende Sprache undauchdie Sprache zur Verständigungzwischen allen ethnischen Gruppen desLandesist, sindandere Sprachen tatsächlichweit verbreitet. Siewerdenin21nationalenTeilrepubliken derFöderation, in zehn autonomen Gebieten undeiner autonomen Provinzsowie in anderenGebieten miteiner dichten Bevölkerungethnischer Gruppen aktiv gefördert.

Die Verwendungder Staatssprache undweiterer Sprachenauf demGebiet Russlands wirdexplizit im Gesetz betreffenddie Sprachen der Russischen Föderation von1991 geregelt. 156 Art. 20 befasst sich mit Spracheninden Massenmedien. Insbesondere besagt er,dass Sendungender gesamtrussischen Fernseh- undHörfunkprogrammeauf Russisch alsder Staatssprache derFöderation ausgestrahlt werden.

Art. 5des Föderationsgesetzes betreffenddie Staatsspracheder Russischen Föderation vom1.Juni 2005 (Nr.53-FZ), legt fest, dass die Vorschrift, dass Russisch die Sprache dernationalen, regionalen undkommunalen Medien sei, nichtfür Medieneinrichtungengelte,die speziell eingerichtet wurden, um in denAmtssprachender Teilrepublikender Russischen Föderation, in sonstigen Sprachenvon Völkern in Russlandoderinausländischen Sprachenzusenden.157

In derPraxis bietet derlandesweite Fernsehkanal Rossija kleinereSendefenster für regionale staatseigeneSender, undwann immer möglich,sendendiese in denNationalsprachen. Diese RegionalsendersindTeil derinMoskau ansässigen Gesellschaft VGTRK, wodurch einegewisse Reibung zwischen denzentralen Behördenund denBehördender Provinzen entsteht.

Im Oktober 2003 beschwerten sich zum Beispiel das Staatskomitee für Minderheiten undeineReihe vonOrganisationen kultureller Minderheiten derRepublik Karelien im Nordwesten Russlands formell bei Rossija, weil die Ausstrahlungeninkarelischer,finnischer undwepsischer Sprache ausden Regionalfenstern verschwundenwaren. Die Ausstrahlungindiesen Sprachenwurde gestoppt, da Anfang2003 ein Wechsel im Sendekonzept desStaatskanalsfür das Gebiet stattgefundenhatte,ohne die Meinungder Provinzbehördenund vonNichtregierungsorganisationen anzuhören. Dem Protest schlossen sich die Behördenvon neun weiteren nationalen Regionen an.158 2004 wurde das Programm in denNationalsprachenauchinder Region Kabardino-Balkarien im Nordkaukasuseingestellt.159 In der Region Uljanowsk(an derWolga) wurde derSendebetrieb derregionalen Zweigstelledes VGTRK in Nationalsprachenauf Anordnungaus Moskau 2006 gestoppt.160

In allen Fällen verbandVGTRK die Wiederaufnahme nichtrussischer Spracheninden landesweiten Rundfunk mit einer Verpflichtungzur regionalen Finanzierung oder Kofinanzierung. In einigen Fällen (Republik Tschuwaschien undRepulik El-Mari) kamen die Provinzbehördenund Kulturstiftungendieser Forderungnach.161 EinigereicheTeilrepubliken (Tatarstan, Inguschetien usw.)gründeten sogar staatlich betriebeneRundfunkveranstalter,die nicht Moskau unterstehen;ihreProgrammeinder Landessprache haben einen hohenlokalen Publikumsanteil.

156) Nr.1807-1 vom25. Oktober 1991 (mit Änderungen), auf Englisch abrufbar unter: http://www.minelres.lv/NationalLegislation/Russia/Russia_Languages_English.htm 157) Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/laws/russian_laws/txt/46.htm 158) Sieheden Berichtvom 2. Februar 2004 in derZeitung Izvestija,abrufbar unter: http://www.izvestia.ru/russia/article43779 159) Sieheden Berichtder Nachrichtenagentur Regnum unter: http://www.regnum.ru/news/441186.html 160) Sieheden Berichtdes Zentrumsfür Journalismus in Extremsituationen unter: http://www.cjes.ru/bulletins/?lang=rus&bid=1978 161) Siehedie Berichte unter: http://gov.cap.ru/list4/publication/rec.aspx?gov_id=82&pos=2&id=119051 und http://www.rg.ru/2005/08/16/markelov.html

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Das Gesetz zur Regulierungder Massenmedien siehtvor,dass die Sprache,inder ein Massenmedium (Druck- oder Rundfunkmedium) verbreitet werdensoll, im Rahmendes Registrierungsverfahrens anzugeben ist (Art. 10). Die Wahl derSprache(n) trifft jedoch derGründerder Medieneinrichtung. Die Angabe derSprache hat keinen Einfluss auf das Ergebnis desRegistrierungsverfahrens, wenngleich das Gesetz eineerneute Registrierungverlangt, sollte die Sprache geändert werden(Art.11). Die Massenmedien müssen dann nach demselben Verfahren wie bei derursprünglicher Registrierungneu registriert werden, waslängerdauert alsein einfachesAnzeigeverfahren, zum Beispiel im Fall einer Änderungdes Redaktionsstandorts.

Es bestehen keinerechtlichen Hindernisse für denErwerb einer Lizenz für Rundfunk in einer anderenals derrussischen Sprache;die Frage derSendesprache kann bei einer Lizenzausschreibung aber alsMittel zur Befriedigunggesellschaftlich relevanter Interessen betrachtet werden. Andererseits hat die Lizenzbehörde nach unserem Wissen niemalsspezielle Maßnahmenergriffen,umPersonen, die nationalen Minderheiten angehören, denZugangzum Fernsehen zu erleichtern (zum Beispiel durch eineAusschreibungfür Fernsehen in Minderheitensprachenmit einer reduzierten Lizenzgebühr).162

Eineder jüngsten länderspezifischen Entschließungendes Ministerkomitees desEuroparatsim Zusammenhang mit demzweiten Überwachungszyklusdes Rahmenübereinkommenszum Schutz nationaler Minderheiten(FCNM) betraf dieRussische Föderation. Sie beinhaltet eineReihevon Bestimmungenzuden (audiovisuellen) Medien. Das Ministerkomitee empfiehlt, die russischen Behördensollten „den Medienzugangfür Angehörigenationaler Minderheiten weiter verbessern“ und -allgemeiner -bewusstseinsbildendeMaßnahmenüber „die Gefahren vonHassreden unddie Bedeutung vonToleranz undAchtungvor Vielfalt“intensivieren.163

7. Einschränkungenzur Bekämpfung vonExtremismus

Das Hauptinstrumentzur Regulierungpolitischer ÄußerungenimRundfunk undanderenMassen- medien in Russlandist das Föderationsgesetz zur Bekämpfungextremistischer Aktivitäten vom25. Juli 2002(Nr.114-FZ). 164 Im Hinblick aufdie Medien wardas zentraleZiel, ihnenextremistisches Engagement zu untersagenoderzuverhindern, dass sie zur Verbreitungextremistischen Materials missbrauchtwerden. Die Strafen für Verstöße gegendieses Verbot reichen bis hin zur Schließungder Medieneinrichtung. Die zentraleFrage für Rundfunkveranstalter bestehtsomit darin, unter welchen UmständenihreHandlungenals extremistischgewertet werdenkönnten.

Ursprünglichdefinierte das Gesetz Extremismus mittelseiner Auflistungvon Verhaltensweisen, die bereitsnachdem russischen Strafgesetzbuch alsstrafbareHandlungenoderUnterlassungengelten. Es fügte jedoch neue Merkmalehinzu, insbesondere für Gewalt undAufrufe zu Gewalt. AlsArt von Extremismus nahmdas Gesetzdie „Planung, Organisation undDurchführungvon Handlungen, gerichtet auf die gewaltsame[...] Verletzungder territorialen Integritätder Russischen Föderation, ErgreifungoderAnmaßungöffentlicher Macht, Bildungillegaler bewaffneter Verbindungen, Verübung terroristischer Aktivitäten“ usw. auf.

Die Liste wurde durch im Juli 2006 verabschiedete Änderungenwesentlich erweitert. Nach Angaben vonAnalysten lagder Hauptgrundfür die Änderungendarin, die Behördenvor derUnzufriedenheit dereigenen Bevölkerungabzuschirmen.165 Extremismus umfasste nunmehr auch die Verbreitungvon Material, welchesExtremismus erklärt undrechtfertigt, die Verbreitungöffentlicher Aufrufe,sich daranzubeteiligen, sowie Werbungfür Extremismus unddessen Begünstigungüber die Medien. Die öffentlicheDiffamierungvon Vertreterndes Staates, indemman Ihnenböswillig Handlungenextremis- tischerNatur vorwerfe,wurde ebenfallszueiner extremistischen Handlung.

162) Regulierungdes Rundfunks in Minderheitensprachen,von Tarlach McGonagleund Andrei Richter,IRIS plus,Beilage zu IRIS 2004-2, abrufbar unter: http://www.obs.coe.int/oea_publ/iris/iris_plus/iplus2_2004.pdf.de 163) EntschließungResCMN(2007)7 zur Umsetzungdes Rahmenübereinkommenszum Schutz nationaler Minderheiten durch die RussischeFöderation, 2. Mai 2007. Siehe: Ministerkomitee: MedienspezifischeBestimmungen in neuen Entschließungen über Minderheiten,von Tarlach McGonagle, IRIS2007-8: Extra, abrufbar unter: http://merlin.obs.coe.int/iris/2007/8/article104.de.html 164) Sieheden nichtaktualisierten ursprünglichen Text auf Englisch unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/extrimist.htm 165) Нагорных И. Подрыв веры вгосударство -это иесть экстремизм // Коммерсантъ-Власть, 24 июля 2006 г.

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Am 24. Juli 2007 wurde das Föderationsgesetz zur Bekämpfungextremistischer Aktivitäten weiter geändert. Gegenüber demvorherigen Wortlaut siehtder neue Text vonArt. 13 (welcher die Herstellung undVerbreitungvon extremistischen Materialien verbietet) keinedefiniertenKriterien zur Identifizierungextremistischer Materialien mehr vor, wenngleich er festlegt, dassMaterialien extremistischer Natur sind, sobaldein entsprechendesGerichtsurteil hierzu rechtskräftig wird. Die überarbeiteten Art. 9und 10 beinhalten Bestimmungenzuder Föderationsliste extremistischer Organisationen. Ob eineOrganisation dieser Listehinzugefügtwird, entscheidet die staatlicheBehörde, die für die Registrierungnichtkommerzieller Organisationen zuständig ist; derEntscheidungmussein Gerichtsbeschluss zugrunde liegen.

WasSanktionen für die Medien betrifft, so führen extremistischeHandlungenoderdie Verbreitung extremistischer Inhalte (sowie die Verbreitungvon Aufrufen zu terroristischen Akten oderderen Rechtfertigung) nach diesem Gesetz unddem (2002) geänderten Art. 4des Gesetzes zur Regulierungder Massenmedienzueiner Abmahnungseitens Roskomnadzor oder einer seiner Regionalorgane. In bestimmten Fällen, in denendie öffentliche Sicherheit in Gefahr ist, kann selbst die erste Abmahnungzu einer Aussetzungder Verbreitungdes Mediumsführen undeinen Schritt in RichtungSchließungbedeuten. Das Gesetz zur Bekämpfungextremistischer Aktivitäten unddie Änderungendes Gesetzes zur Regulierung derMassenmedien ermöglichen auch derStaatsanwaltschaft Abmahnungensowie die Schließung, wenn die Medien ihrer Ansichtnachfür extremistischeZweckeeingesetzt werden. Insbesondere verweist eine Bestimmungauf Informationen über die Aktivitäten vonOrganisationen, derenTätigkeit durch einen endgültigen Gerichtsbeschluss verboten wurde,und die in die Föderationsliste derextremistischen Organisationen aufgenommen wurden. DieMediendürfen über diese Organisationen ohneeinen angemessenen Hinweis auf einen solchen Gerichtsbeschluss keineInformationen verbreiten.

Wir sindder Ansicht, dass für die Informationsfreiheit die gefährlichste Folge desGesetzes zur BekämpfungextremistischerAktivitäten darin besteht, dass nichtnur Reporter undRedakteurefür die Verbreitungextremistischer Materialien(einschließlich Diffamierungvon Vertretern desStaates) bestraft werdenkönnen,166 sondern dass auch Redaktionen undRundfunkgesellschaften Sanktionen bis hin zur Schließungbefürchten müssen.

Die Definitionen vonExtremismus undTerrorismus im Gesetz sindderart weit gefasst undvage,dass sieinden Medien durchausDiskussionen zu Themen, die vonwachsendemöffentlichem Interesse sind, ersticken können.Die Behördennutzen die Extremismusgesetze,umAnsichten radikaler politischer Opponenten zu unterdrücken,und derStaat bemühtsich selten um Ausgleichzwischendem Bedürfnis, Terrorismus auszurotten, undder Achtungvor denRechten derJournalisten. Im Großen undGanzen bevorzugt er denleichteren Wegund schränkt Informationsfluss undMeinungsaustausch ein.167

In denmeisten Berufungsfällen gegenAbmahnungenwegen derVerbreitungvon extremistischen Materialien stellen sich die Gerichte auf die Seite desStaatsanwaltsund/oder vonRoskomnadzor.Es gibt aber doch einen vereinzelten Fall, in demdie Abmahnung gegeneineMedieneinrichtungerfolg- reich vorGerichtangefochten wurde,wenngleich derFall selbst weniger politischeÄußerungenals vielmehr einen kommerziellen Streit über eineFrequenz betraf. Der Fernsehkanal 2x2, derimEigentum derrussischen privaten Holdinggesellschaft ProfMedia steht, siehtsich wegendes tagsüber erfolgenden Angebotsvon Cartoonsfür Erwachseneständigen Angriffen vonöffentlichen Randorganisationen und Einzelpersonen ausgesetzt. Die Kritiker beschuldigen denKanal nichtnur,Gewalt undGrausamkeit verherrlichende Sendungensowie Pornografie (sieheoben) zu verbreiten, sondern unterstellen auch eineextremistischeStraftat in Form religiösen Unfriedens, dendie Gesellschaft vorsätzlich verbreite. Dem hält die Gesellschaft entgegen, diese Lawinevon Angriffensei allein denkommerziellen Interes- sengeschuldet, die ihreGegner an derwertvollen Frequenz desKanalshätten, mit derdie Bevölkerung in Sankt Petersburgerreichtwerde.

166) So hat das Ordnungswidrigkeitengesetzbuch derRussischen Föderation vom30. Dezember 2001 (Nr.195-FZ) nuneinen Artikel 20.29, derdie Haftungfür die Herstellungund Verbreitungvon extremistischen Materialien behandelt. Er sieht empfindlicheGeldstrafen für Personen undOrganisationen vor, die eines solchen Verstoßes für schuldig befundenwerden. Auchdas Strafgesetzbuch derRussischen Föderation vom13. Juli 1996 (Nr.63-FZ) unddie Strafprozessordnungder Russischen Föderation vom18. Dezember 2001 (Nr.174-FZ) sehen eineHaftungfür Straftaten ausextremistischen und fremdenfeindlichen Motiven vor. Siehe: RussischeFöderation: Gesetzesänderungen gegen Extremismus,von Nadežda Deeva, IRIS2007-9: 19. 167) SieheweitereEinzelheiten zu dieser Frage in Richter,A. Post-Soviet PerspectiveonCensorship andFreedom of theMedia. – Moscow: UNESCO,2007.

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Der Kanal 2x2 sendetüber Kabelnetze in ganz Russlandund in Sankt Petersburgüber Antenneein 24-Stunden-Programm mit Cartoonsfür Erwachsene. AufInitiativeprivater Beschwerdenbeauftragte underhielt eineBezirksstaatsanwaltschaft ein Fachgutachten, welchesinsbesondere anführte,eine Folge derCartoon-Serie South Park (produziertinden USAvon ComedyCentral)mit demTitel Mr. Hankey’sChristmas Classics sei extremistisch im Sinnedes Föderationsgesetzes ZurBekämpfung extremistischerAktivitäten von2002, da sie Hass zwischen Religionen fördere.Dies diente alsGrund- lage für eineAbmahnung, die in Übereinstimmungmit diesem Gesetz ausgesprochen wurde.

Zusätzlich wurde im September 2008 vomselben Staatsanwalt einestrafrechtlicheUntersuchung wegendes Verdachts derAnstiftung zu religiösem Unfriedenbeim BezirksgerichtBasmannyj ein- geleitet. In einem weiteren Antrag ersuchten die Staatsanwälte das Gericht, die Serie für extremis- tisches Material zu erklären, waseinestrafrechtlicheVerfolgungderjenigen bedeutet hätte,die es verbreitet hatten. Nachdem zwei weitereFachgutachten vorlagen, die extremistisches Material in der Cartoon-Serie verneinten, wurde die Untersuchungeingestellt, dergerichtlicheAntrag wurde vonder Staatsanwaltschaft zurückgezogen. Dies hinderte die Staatsanwältejedoch nichtdaran, die Recht- mäßigkeit ihrer Abmahnungvor Gerichtzuverteidigen. Aufgrundder Fachgutachten fällte das Bezirks- gerichtBasmannyj in Moskau am 2. Juni ein wichtiges Urteilinder Rechtssachedes Rundfunk- veranstaltersgegen die Staatsanwaltschaft. Es verwarf die Abmahnung, die vomStaatsanwalt des BezirksBasmannyj am 22. August 2008 gegen2x2 ausgesprochen wurde,und erklärte sie für nichtig. Gegen denBeschluss desStadtbezirksgerichts legte die StaatsanwaltschaftRechtsmittel vordem Moskauer Stadtgerichtein. Das Stadtgerichtbestätigte das Urteilder niedrigeren Instanz am 28. August 2009.168

III. Regulierungsinstrumente

1. Selbstregulierungund Koregulierung a. Selbstregulierungsmechanismen:Chartas und Kodizes

Die Verabschiedungvon Ethikkodizes undSelbstregulierungssystemen in Russlandgeschah in der Vergangenheit -und so ist es auch noch heute -aus Angstvor rechtlichen Restriktionenfür die Medien. Das ist an sich nichtverwerflich undauchnichteinzigartig fürdie Region. Dieser Ansatz von Zuckerbrot undPeitschebirgt jedoch folgende Gefahr für echte Selbstregulierung: Wenn Medien- fachleute einen Ethikkodex nurzudem Zweck verabschieden, derdrohendenGefahr neuer rechtlicher Einschränkungenzubegegnen, verlieren sie ihr Interesse an demneuen Kodex,sobalddiese Gefahr gebanntist.

So warder Entwurf eines Übereinkommenszur Terrorismusabwehr derrussischenJournalisten- gemeinschaft direkt mit denvon derStaatsduma (im November 2002) vorgeschlagenenÄnderungenzu denTerrorismus-und Mediengesetzen verknüpft, die die Medienberichterstattungüber sogenannte Operationen zur Terrorismusabwehr eingeschränkt hätten. Wären die Änderungenverabschiedet worden, hätten sie die Medien vonjeder Berichterstattung, die einesolcheOperationhätte behindern oder Leib undLeben hätte bedrohen können, ausgeschlossen. Sie hätten auch Berichte gesetzlich verboten, derenInhalt darauf gerichtet gewesen wäre, Terrorabwehrmaßnahmenzubehindern oder Widerstanddagegenzuermutigen oder zu rechtfertigen.Sie hätten verboten, Informationen mit persönlichen Angaben zu denAngehörigen derSicherheitskräfte oder derEinsatzleitstelleoderderen Unterstützern ohneZustimmungdieser Personen offenzulegen Die Änderungenenthielten auch ein implizites Verbot vonBerichten darüber,wie Waffen, Munition oder Sprengstoffe hergestellt werden.

Angesichts dieser potenziellen undanderer ähnlicher Einschränkungenunterzeichneten die Redakteureeinflussreicher Moskauer Medieneinrichtungenein dringendesErsuchenanden damaligen Präsidenten Putin, gegendie Änderungenein Veto einzulegen. EinigeTage später fand ein Treffen mit ihmstatt, bei demdie Redakteuregebeten wurden, einen Kompromiss zwischen Einschränkungenin Katastrophenfällen undder Notwendigkeit, die Öffentlichkeit umfassendzuinformieren, zu finden. „Mir scheint, die Journalistengemeinschaft mussberufliche Verhaltensnormen für Ausnahmesitua-

168) Siehe: RussischeFöderation: MahnunganFernsehveranstalter zurückgenommen,von Andrei Richter,IRIS2009-8: 18.

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tionen entwerfen“, so Putin. Einer deranwesendenRedakteurewar Konstantin Ernst, derGeneral- direktor derFernsehgesellschaft Kanal eins, derdaraufhin antwortete,die Journalisten undMedien- verantwortlichen seien schon „bereit, mit demGesetzgeber an derErstellungsolcher Regeln zu arbeiten“. 169 Noch am selben Tagergingdas Veto gegendie Änderungen.

Der versprocheneVerhaltenskodex - das Übereinkommen zur Terrorismusabwehr ( Verhaltensregeln für die Medien im Fall vonterroristischen Akten oderOperationen zur Terrorismusabwehr)-wurde ausge- arbeitet undam8.April 2003unterzeichnet. Er erlegt denJournalisten170 undStaaten insbesondere auf,

•keineInterviews mit Terroristen währendeines terroristischen Aktes zu führen, es sei denn, dies wurde vonder „Einsatzleitstelle“ erbeten oder genehmigt171; •TerroristenkeineLive-Sendezeit ohnevorherigeAbstimmungmit derEinsatzleitstellezu gewähren, •nichtunabgestimmt alsVermittler aufzutreten usw.

So schnell, wie das Übereinkommen zur Terrorabwehr verabschiedet wurde,war es auch sowohl von denMedien alsauchvon denBehördenwieder vergessen. Ungeachtet derPflicht, „sich taktvoll und rücksichtsvoll gegenüber denGefühlen vonAngehörigen undFreundenvon Terroropfern zu verhalten“ und„sich allzu deutlicher DarstellungenimBerichtüber denAnschlagsort unddie Betroffenen zu enthalten“,wurde über die Anschlägeauf das Hotel National unddie Moskauer MetroEnde 2003 und Anfang2004 in schonungsloser Deutlichkeit berichtet. Der Ethikkodex blieb ein „Papiertiger“. Er wurde nichtdazu geschaffen, die Journalistengemeinschaft zu zügeln, sondern die Bürokratie zu beschwichtigen, zumindest bis auf Weiteres.

Die Ineffizienz desEthikkodexesverhalf demGesetzgebungsgedanken zu neuem Leben. Fast alle Maßnahmen, die die Gesetzgeberursprünglich wollten, wurdeninein neues Terrorismusgesetz aufgenommen, das am 6. März 2006 unterzeichnet wurde. 172

Diese Geschichte wiederholte sich in weiten Teilen, alsdie Charta gegen Gewalt undGrausamkeit verabschiedet wurde.Die Chefsder größten Fernsehsenderdes Landesunterzeichneten sie in der Staatsduma am 8. Juni 2005 unter denAugen derParlamentsfraktionsvorsitzenden. Niemandzweifelte daran, dass dieser neue Ethikkodex ein direktes Ergebnis derDuma-Debatten Ende 2004 undAnfang 2005 war, alsdie Parlamentarier eineReihevon Änderungenzum Mediengesetz berieten, um Gewalt undGrausamkeit im Fernsehen einzudämmen. Die Presse untertitelte sie mit „Dienstbarkeitscharta“ undvermutete,sie sei „ausGründen, die nursehr entferntmit demWohlergehender Zuschauer zu tun haben,“ unterzeichnetworden.173

Gemäß derCharta übernahmenlandesweite Sendenetze „freiwillig“Pflichten, die in erster Linie mit der„Einhaltungder Rechte vonKindern auf Schutz undBeistandund vorallem ihresRechts, Informationen zu empfangen, die ihrekörperlicheund geistigeGesundheit nichtbeeinträchtigen,“ zu tun hatten, insbesondere im Zusammenhangmit derAusstrahlungvon Gewalt undGrausamkeit.

Über die feierliche Unterzeichnungwurde vonder Presse ausführlich berichtet. Seither hat jedoch keineder Fernsehgesellschaften,die die Charta unterzeichnet haben (Kanaleins, Rossija,NTV,TV-Centr undRen-TV), diese auch nurauf ihrerWebsiteeingestellt. Auchwar derTextinkeinerZeitungzulesen. Es ist auch keineÜberraschung, dass die Charta gegenGewalt undGrausamkeit nichtmehr alseine flüchtigeWirkunghatte,worauf selbst Parlamentsmitglieder hingewiesen haben.174

169) Путин предлагаетжурналистскомусообществу выработатькорпоративные нормы поведения в экстремальныхситуациях // Сообщение агентства Интерфакс. 25 ноября 2003 г. 170) Siehedie englischeÜbersetzungunter: http://www.medialaw.ru/selfreg/3/14.htm 171) „Einsatzleitstelle“ beziehtsich auf die temporär eingerichtete Leitstellefür Antiterroreinheiten und-kräfte verschiedener Sicherheitsorganevor Ort. 172) Föderationsgesetz Nr.35-FZ vom6.März zur Terrorismusabwehr.Der Text ist auf Englisch abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/russian/terrorism.htm 173) Новые Известия,8июня 2005 г. 174) Siehezum Beispiel: Го сдума приняла обращение круководителям телеканалов /РИА Новости —2ноября 2005 г. Фаризова С.,Бородина А. Людоеды не показались депутатам. НТВ обвинили внарушении хартии телевещателей//Коммерсантъ, 1ноября 2005 г.

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In diesem Kontextsei auch die sogenannte Charta der Rundfunkveranstalter vomApril 1999 erwähnt, in dersich dieobersten Führungsorganevon Russlands größten landesweitenund regionalen Fernsehgesellschaften verpflichteten, wahrheitsgemäße Informationen anzubieten, die Rechte und legitimen Interessen vonEinzelpersonen undOrganisationen zu achten unddie öffentlicheGesundheit undSittlichkeit zu schützen. Es wurdenauchVerhaltensweisen definiert, die mit zivilisiertem Journalismus unvereinbar sind. AlsGrundfür die VerabschiedungdiesesDokuments gilt die Inkraftsetzungdes Gesetzes betreffendden Obersten Rat für denSchutz derguten Sitten in Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation (sieheoben) am Tagzuvor.Die Fernsehchefs, die die Charta unterzeichneten, entschlossen sich, einen eigenen öffentlichen Rundfunkrat einzurichten, derüber die Einhaltungwachensolle. Das Gesetz wurde per Veto desPräsidenten zu Fall gebracht,und somit wurde auch deralternativeRat nie eingerichtet. „Die Haltungder Führungsorganeder russischen Fernsehkanäle zeigt deutlich, dass sie das vonihnen unterzeichnete Dokumentals eineerzwungene Vereinbarung mit derGesellschaft über die Spielregeln betrachteten. Alsdann die Gefahr einer gesetzlichen Regulierunggebanntwar,verloren die Fernsehgesellschaften jegliches Interesse an der Ideeeiner Charta. Für sie bedeutete sie lediglich einen Rahmenzur Begrenzungder freien Selbst- darstellung, einen Sittenkompass,den Journalisten nichtbenötigen.“175

Diese Einschätzungdes russischen Wissenschaftlersfür journalistischeEthik, Dmitrij Avraamov,ist richtig mit derEinschränkung, dass die Vereinbarungnichtmit derGesellschaft, sondern mit den Behördengetroffen wurde.Mit anderenWorten: SobaldrestriktiveMaßnahmenauf demPlan stehen, stellen sich Eigentümer undFührungsorganeauf die Behördenein undversuchen, sie zu überzeugen, vonihren Plänen Abstandzunehmen. Dieses Spiel wirdoftmalssogar vonden Staatsführern selbst eröffnet, die sich später in denAugen derÖffentlichkeit nichtals Verfolgerder Medien sehen möchten. Ihnen ist es lieber,den Journalisten die Schuldfür die neuen undhärteren Spielregeln zu geben. All diese undvergleichbare Dokumente verdienen die Definition, die Vladimir Bakštanovskij, ein Wissenschaftler für angewandte Ethik, einem davon verliehen hat. Er beschrieb sie als„symbolische Darstellungeiner bereitssymbolischen Form dersozialen Verantwortungder Presse“. 176 b. Selbstregulierungs- und Koregulierungsorgane

Die Selbstregulierungs-oderKoregulierungsmechanismen,die (zumindest in derTheorie,wenn- gleich seltener in derPraxis) gelten, weisen ein anderesprominentes Merkmal auf: Selbstregulierungs- organewerdenbisweilen unter Beteiligungdes Staates undauf Grundlage eines gesetzgeberischen Instruments eingerichtet, das (in welchemUmfangauchimmer) sicherstellen soll, dass deren Entscheidungenbefolgt werden. Ein interessantes Beispiel für diesen Ansatz wardie Gerichtskammer für Informationsstreitigkeiten, die per Präsidialerlass vom31. Dezember 1993 eingerichtet wurde.Sie hatte die Aufgabe,jeglicheMedienstreitigkeiten zu verhandeln, wobei solchen, die nichtnur einzelne Medieneinrichtungen, sondern die Informationsfreiheit insgesamt beeinträchtigen könnten, Priorität eingeräumt wurde.

„Gerichtskammer“wurde diese Kammer nurwegen derArt undWeise,wie sie Streitigkeiten verhandelte,bezeichnet, sie warnichtTeil desrussischen Gerichtssystems. Nach demPräsidialerlass warenihreBeschlüsse jedoch für staatliche Behördenund auch für staatlicheMedien bindend.Die Kammer hatte das Recht, ihrewichtigsten Beschlüsse in deramtlichen Zeitung Rossijskaja gazeta zu veröffentlichen, um derenUmsetzungzubeschleunigen.

In derKammer saßen frühereStaatsbeamte undMitglieder desParlaments, Journalisten und Hochschuldozenten, sogar Studenten ( sic!)des Medienrechts. Im Laufe ihres Bestehensbearbeitete sie mehrerehundert Streitfälleund gründete ihreBeschlüsse nichtnur auf das Gesetz, sondern auch auf ethischeNormen. IhreMitglieder betonten wiederholt, sie seien nichtTeil derVerwaltungsmaschinerie vonPräsidentBoris Jelzin; die Gerichtskammer sei vielmehr Teil der Institution derPräsidentschaft. Einmischungvon Jelzin, sofern sie stattfand, warunbedeutend. Dies wirddurch Urteilebestätigt, die gegenStaatsbeamte oder gegenüber derStaatsmachtloyale Medien verhängt wurden. VieleBeschlüsse

175) Siehe: Авраамов Д.С. Профессиональная этика журналиста(Сущность,основные функции, становление в России): Дис. вформе научногодоклада …докт.философ. наук. —М., 2000. С.42-43. 176) Бакштановский В. И. Бремя исчастье моральной ответственностижурналиста//Социальная ответственность журналиста: опыт современногопрочтения проблемы /В2-х чч. Ч. 1. /Под ред. Ю. В. Казакова. —М., 2003. с. 91-118.

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derKammer schützten Journalisten vorrechtswidrigen Eingriffen durch Vertreter desStaates.Die Situation ändertesich, alsWladimirPutin zum Präsidentengewähltwurde:Die präsidiale Verwaltungs- strukturwurde im Sommer 2000 neuorganisiert unddie Gerichtskammer wurde aufgelöst.

Die Organe, die danach unter Nutzungvon Ressourcen desRussischen Journalistenverbands (RUJ) eingerichtetwurden, kommen derGerichtskammer in Ansehen, Effizienzund Befugnisnicht annäherndgleich.Sie verhandeln geradeeinmaleinigewenige Streitfällepro Jahr.Ein kürzlich verabschiedeter russischer Regierungsbericht überdie Massenmedienbetonte die Bedeutungvon Selbstregulierungsmaßnahmenund unterstrich insbesondere ein Gremium mit demNamen Öffentlicher Ausschuss für Pressebeschwerden (Öffentlicher Ausschuss),177 das vomRUJ eingerichtet wurde,wies aber gleichzeitigauf dessen „noch weitestgehend ungenutztes Potenzial“ hin.178

Der ÖffentlicheAusschusssiehtsich selbstals ein„alternatives Organ“ zu denordentlichen Gerichten.Wer eineBeschwerde beim Öffentlichen Ausschusseinreicht, musseineVereinbarung unterzeichnen, mit dererdessen Rechtshoheit in beruflichen undethischen Fragenanerkenntund erklärt, denFall nichtvor ein ordentliches Gerichtzubringen. Strengrechtlich genommen ist ein Verzichtauf die ordentlicheGerichtsbarkeit nichtig, derÖffentlicheAusschussbetrachtet aber auch eher die ethischeals die rechtlicheSeite.Sollte derBeschwerdeführer dennoch beschließen, denFall vorGerichtzubringen, fordert er die öffentlicheMoral heraus, undder Vertreter desBeklagten wird darausschnell seinen Vorteil ziehen undvorbringen, derKläger habe rechtsmissbräuchlichgehandelt.

Es gab Versuche,sich dereingegangenenVerpflichtungenzuentledigen. Andrej Karaulov,der beliebte Autorund Moderatorder Fernsehsendung „DerAugenblick derWahrheit“,der mitder Entscheidung desAusschusses bzgl.seinerBeschwerde gegendie Zeitung Moskovskij Komsomlec unzufriedenwar,bat um die Erlaubnis,vor Gerichtzuziehen. Der Ausschussbestandjedoch darauf, dass alleKonfliktparteien sich an seinen Beschluss halten müssten. Er erklärte, die Befolgungder Verpflichtung, denKonfliktnichtvor ein ordentliches Gerichtzubringen, sei „nichtnur durch die Anständigkeit derMenschen, die diese Verpflichtungwillentlich übernommen haben, sondern auch durch denentstehendenöffentlichen Konsens, dass moralischeVerpflichtungennichtgebrochen werdenkönnen,“ sichergestellt.179 In einem anderenkürzlich ergangenenBeschluss 180 beschuldigte der Ausschussden Fernsehkanal Rossija derVGTRK derVerbreitungvon Hassreden undstelltedie Einhaltungder Grundprinzipien journalistischer Ethik durch diesen in Frage. c. Öffentliche Kontrolle durch Gremien bei staatlich betriebenen Kanälen

Bereits1993, in Zeiten einer akuten politischenKrise,wetteiferten derPräsidentund derOberste Sowjet (Parlament) um das Recht, die Stimmeder Nation zu sein. Jedes Staatsorgan verabschiedete einen gesonderten Rechtsakt, derdie Einrichtungvon Aufsichtsgremien bei denstaatlichen Kanälen vorsah.

Der Präsidialerlass vom20. März 1993 betreffendGarantien der Informationsstabilität undRundfunk- anforderungen181 sah die Umgestaltungdes Rundfunksystemsvor.Erzielte auf die Schaffungvon Wett- bewerb zwischen staatlichem, öffentlich-rechtlichem undprivatem Fernsehen undHörfunk. Er wies darüber hinausRegierungsbehördenan, Kuratorien einzurichten, um Konflikte im Hinblick auf die Unterrepräsentation vonpolitischen Parteien undauf Versuche,Zensur undsonstigerechtswidrige Formen vonKontrolleeinzuführen, zu lösen. Der Erlass,der immer noch in Kraft ist, wurde vonallen Regierungsorganen wie auch vonden staatlichenRundfunkveranstaltern ignoriert.

Am 29. März 1993 verabschiedete derKongress derVolksdeputierten derRussischen Föderation (parlamentarischeVersammlung)die Verordnung betreffendMaßnahmen zur Förderungder Meinungs- freiheitimstaatlichen Rundfunkund in Informationsdiensten. 182 Dieser Rechtsakt gab denGesetzgebern (sowohl auf Föderations- alsauchauf Regionalebene) das Recht, Aufsichtsgremien bei denstaatlichen

177) Siehedie Webseite unter: http://www.presscouncil.ru/ 178) Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Situation, Tendenzen undAussichten.Ein Berichtder russischen Föderations- agentur für Presse undMassenkommunikation, Moskau, März 2008. 179) Siehe: Russischer Markt für Periodika: 2008. Situation, Tendenzen undAussichten. Op. cit. 180) Siehe: http://www.presscouncil.ru/index.php?option=com_content&task=view&id=202&Itemid=31&limit=1&limitstart=5 181) Abrufbar auf Russisch unter: http://pawa.ruj.ru/pravcenter/ukaz1.html 182) Abrufbar auf Russisch unter: http://www.businesspravo.ru/Docum/DocumShow_DocumID_55709.html

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Rundfunkkanälen einzurichten.Das Ziel dieser Gremien bestanddarin, objektiveBerichterstattung durch staatlicheRundfunkveranstalter zu politischen undwirtschaftlichen Ereignissenzugarantieren, unterschiedlichen politischen Organisationen Zugangzuden Sendungender Rundfunkveranstalter zu bieten undeiner politischen Monopolisierungdes Äthersentgegenzuwirken. Die Verordnung legte die Befugnisse derGremien nichtimDetail fest. Daher wurde ihreVerfassungsmäßigkeit vordem Verfassungsgerichtangefochten. Die Kläger wandten ein, derRechtsakt bedeute eineEinführung von Zensur.Das Verfassungsgerichturteilte in seinem Beschluss vom27. Mai 1993, die Inkraftsetzungder Verordnung habe Verfahrensfehler aufgewiesen, underklärte sie daher für nichtig.183 Es ist hier wichtig anzumerken, dass die Möglichkeit an sich, Aufsichtsgremien einzurichten, vomVerfassungsgericht nichtabgelehntwurde.

Die Geschichte fand ihreFortsetzung, alsper Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation vom 31. Oktober 1997 gemeinsam mit derEinrichtung deslandesweiten staatlich betriebenenKanals Kultura dort auch ein Aufsichtsgremium eingerichtet wurde. 184 Das Gremium erhielt weit reichende Befugnisse einschließlich desRechts, das Sendekonzept zu bestimmen undweitereTätigkeiten vonKulturazu kontrollieren. Dem Gremium gehörten vomPräsidenten ernannte Fachleute ausKultur undMedien an, undeswurde vomPräsidenten persönlich geleitet. Nach ein oder zwei Sitzungenstellte das Gremium jedoch seineTätigkeit ein.

Die Satzungder russischen staatlichen Fernseh- undHörfunkgesellschaft (VGTRK) von1998 sah einen öffentlichen Beirat, angeschlossen an das Büroihres Vorsitzendenvor,dessen Mitglieder unter „heraus- ragendenPersönlichkeiten vonWissenschaft, Kultur undKunst“ ausgewählt undper Regierungs- verordnung bestätigt werdensollten. Das Gremium sollte eingerichtet werden, um eineöffentliche Kontrolleüber staatliche Rundfunkmedien zu garantieren. Die Satzungsah vor, dass die Beirats- mitglieder allein vomVorsitzendenausgewählt werdensollten. Es gibt keineöffentlichen Protokolle vonSitzungendieses Beirats.

2000 wurde das Gesamtkonzept staatlich betriebenen Fernsehensneu überdacht. Regierungwie Parlamentbeabsichtigten keineneuen Vorstöße mehr,öffentlicheKontrolleüber denstaatlichen Rundfunk einzuführen. 2004genehmigte die Regierungdie neue Satzungder VGTRK. VonGarantien für eineredaktionelleund/oder finanzielleUnabhängigkeit desstaatlichenRundfunkveranstaltersist keineRedemehr. 185 Die Gesellschaft hat denStatuseines regulären föderalen Einheitsunternehmens. IhreAktivawerdenals Staatseigentum betrachtet. Der VGTRK-Vorsitzende wirdvom russischen Präsidenten ernanntund ist die alleinigeAutorität bei derLeitungdes staatlichen Rundfunk- veranstalters. Die Satzungsiehtdas Rechtdes Vorsitzendenvor,beratende Gremien einzurichten; es liegen jedoch keineoffiziellen Berichte vor, dass dieses Rechtjewahrgenommen wurde.

Entgegendem allgemeinen Trend siehtdie Satzungdes staatlichenEinheitsunternehmensRussisches Fernseh- undHörfunknetz (RTRS) von2001 ein Aufsichtsgremium vor. Das Gremium fungiert jedoch als staatliche Kontrolleinrichtungund nichtals Vertretungsorgander Öffentlichkeit. Das Gremium, von demesnoch keineAufzeichnungengibt, soll ausVertretern desKabinetts, mehrerer Regierungs- ministerienund derPräsidialverwaltungder Russischen Föderation bestehen.186 d. Hindernisse fürSelbstregulierung

Engverknüpft mit derRolle vonAufsichtsgremien bei staatlich betriebenenKanälen ist ein weiteres Merkmal vonSelbstregulierung vonJournalisteninRussland,nämlichdass die an derBasis

183) Urteil desVerfassungsgerichts derRussischen Föderation vom27. Mai 1993, Nr.11-P “ По делу опроверке конституционностипостановления Съезда народных депутатов Российской Федерации от 29 марта1993 года “О мерах по обеспечению свободы слова на государственном телерадиовещании ивслужбах информации” (Zur Verfassungsmäßigkeit derVerordnungdes Kongresses derVolksdeputierten derRussischen Föderation vom29. März 1993 „Über Maßnahmenzur Förderungder Meinungsfreiheit im staatlichen Rundfunk undinInformations- diensten“). 184) Abrufbar auf Russisch unter: http://www.businesspravo.ru/Docum/DocumShow_DocumID_53842.html 185) Der Text derSatzung(genehmigt per Regierungsverordnung derRussischen Föderation vom16. Februar 2004, Nr.111) ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.inforeg.ru/db/components/doc.html-goto=-L2RiL2JpYmxpb3Rla2EvMTIvMjQ=%5E&card_id=1452.htm 186) Abrufbar auf Russisch unter: http://dostup.scli.ru/ru/search_advanced/printable.php?act4=1&docID4=4162e26c-f119-4284-aea5-9d787217544a

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arbeitendenJournalisten im Allgemeinen keinen Beitrag zur Verabschiedungund Ausarbeitungvon Ethikkodizesleisten. Dies erfolgt in erster Linie auf Initiativevon oben unddurch die Behördensowie Medieneigner und-manager. Selten kommt einmal etwas ausden unteren Rängen, auf Initiativeder Journalistenselbst, vonGewerkschaften oder Redakteuren. Die Journalistengewerkschaft in Russland, die 1998 gegründetwurde,hat tatsächlichnur rund60(sic!) zahlende Mitglieder. 187 Die gewöhnlichen Angehörigen desBerufsstands betrachten die Einführungvon Ethikkodizes lediglich alseinen Schritt, ihreFreiheiten zu beschneiden, anstatt alsein Instrument, um das erforderlicheSystem moralischer Werte zu gestalten. Diese Haltungund das fast vollständigeFehlen vonKodizes,die vonJournalisten unabhängig verabschiedet wurden, zeigen, wie weit die Ansichten über denAuftrag vonJournalismus selbst bei derBelegschaft ein undderselben Medieneinrichtungauseinandergehen.

Es gibt einen Grund, warum ethischeChartas undÜbereinkommen im Allgemeinen vonMedien- eignern und-verantwortlichen undselten vonJournalisten erstellt, verabschiedet undunterzeichnet werden. Die Führungskräfte ersetzen de facto beruflicheSolidarität durch Unternehmenssolidarität und-ethik, undsie bitten ihreAngestellten, diese beruflichenund unternehmerischen Interessen mit einer oftmalshöchst willkürlichen Form von„interner Zensur“ in Einklangzubringen, um staatlichen Druck zu vermeiden.All dies zusammengenommen kann alsProzess „verpflichtenderSelbst- regulierung“ im Journalismus betrachtet werden, wobei das verpflichtende Elementinder Drohungder Legislativebesteht, Medieninhalte zu beschränken.

Die Staatsmachtmöchte eindeutig direkt oder über die Medieneigner und-verantwortlichen ein Auge auf die beruflichen Fragenund die Selbstregulierunginder Journalistengemeinschaft haben und sie nichtihrem eigenen Kurs überlassen. In derErkenntnis,dass sie es mit einem Bereich zu tun haben, derseinespezifischen Charakteristika hat, verleihen die staatlichenBehördenden Selbstregulierungs- organen keinegerichtlichen Befugnisse undden Ethikkodizes keineGesetzeskraft. Nur wenn sich die Maßnahmender Industrie alswirkungsloserweisen, unddie Kodizes nichtbeachtet werden, setzen die staatlichenBehördenden Prozess der„verpflichtendenSelbstregulierung“ erneut in Gang. Infolge dieser offiziellen Politik werdendie Selbstregulierungsorgane entweder völlig diskreditiert oder aufgelöst, wenn die Behördensich nichtvorschreiben lassenmöchten, wie sie zu handeln haben; so geschehen mit derGerichtskammer für Informationsstreitigkeiten (sieheoben III.1.b).

2008 brachteder Sprecher desOberhauses derFöderationsversammlung(Parlament) SergejMironov rechtunerwartet eineGesetzesvorlage betreffendden Öffentlichen Beirat derRussischen Föderation für Fernsehen ein. Der Entwurf wurde in denparlamentarischen Anhörungenbegeistert diskutiert und vonder Regierungvorrangig behandelt, dann jedoch genauso plötzlich auf Eis gelegt.188

Heute steht Selbstregulierungvor mehreren Hindernissen. Das bedeutendsteist das selbst- zerstörerischeWesen desbestehendenMarktsfür Masseninformationen. In Russlandexistieren zehn- tausende vonDruckpublikationen undRundfunkprogrammen hauptsächlich deshalb,weil es keinen freien Markt gibt.Allgegenwärtige staatlicheMedien erfreuen sich bei derBeschaffungund Verbreitung vonInformationen öffentlicher Gelderund offizieller Vergünstigungen, die privaten Medien vorenthalten werden.

Die privaten Unternehmenwiederum erkennen oftmalsnichtdas Potenzial derMedien alserfolg- reichekommerzielleUnternehmungenals solche, sondern betrachten sie eher alsinternePR- Abteilungen, um die geschäftlichen Interessen ihrer Obrigkeiten undbevorzugten Politiker zu fördern undKonkurrenten zu übertrumpfen. VieleMedieneinrichtungensindnichtvon ihren Ratings und Verkaufszahlen oder derPublikumsbindungabhängig; wichtiger für sie sindständigeFinanzspritzen vonihren Eigentümernund die Möglichkeit, ihrevermeintlicheKernzielgruppe (Leser,Zuschauer, Zuhörer) zu beeinflussen. In diesem Umfeldkann ethisches Verhalten für einen Journalisten abträglich, wenn nichtgar schädlich sein.189

187) Медиаэксперт.Российско-белорусскийправовой бюллетень,№1, 2004. С. 17. 188) Siehezum Beispiel: http://www.minkomsvjaz.ru/.cmsc/upload/docs/200905/18073415we.pdf 189) Es gibt Hinweise darauf, dass einigeMedieneigner journalistischeEthik alsetwas betrachten, das ihr Geschäft behindert. Siehe: Вначале было слово. Свободное // Те лефорум (Москва). 2005,№2. С. 18. Sieheauch: Media Sustainability Index 2004.TheDevelopmentofSustainable IndependentMedia in Europe andEurasia. Washington, 2005, S. 228

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EineweitereHürde auf demWeg zu einem Journalismus, dersich auf natürlicheWeise selbst regulieren könnte,ist derschwachausgeprägte gemeinschaftlicheIdentitätssinn vonJournalisten und Medienbeschäftigten undihr fehlenderBerufsgeist undProfessionalismus. Die Mitgliederzahlen der „alten“ Journalistenverbände wie RUJ sinken, vielezahlen ihreBeiträge nichtmehr.Für die „abgeschriebene“ Generation sowjetischer Journalisten bringt die Mitgliedschaft in diesenVerbänden keinerlei sozialeSicherheiten oder Vergünstigungenmehr.Ineiner Reihevon Fällen werdenlokale Verbandseinheiten vonden Leitern derMedien oder Presseabteilungenvon Regionalregierungen, staat- lichen Rundfunkveranstaltern oder Zeitungengeführt. Daher werdensie kaum Schutz gegenBürokratie gewähren. Gleichzeitig rufen die Debatten über Medienfreiheit, die innerhalb derJournalistenverbände geführt werden, keineReaktion bei denMedieneliten oder Behördenhervor.Die öffentlicheRolleund zivileStimmeder Verbände findennur wenig Beachtung. Dazu kommt noch die Tatsache,dass die neue Journalistengeneration dieseund andere Vereinigungenals Überreste dersymbolischenGremien betrachtet, die mit demZusammenbruch dessowjetischen Systemsaufgegeben wurden.190

Ein weiteres Zeichen für denunterentwickelten Sinn für Professionalismus ist die Intoleranz der Medien gegenüber Kritik undDruck nichtnur vonSeiten desStaates,sondern auch vonLesern (Zuschauern, Zuhörern), öffentlichen Organisationen undWissenschaftlern. Die fehlende Bereitschaft, kritischeBeschlüsse vonSelbst- oder Koregulierungsorganen zu akzeptieren, zeigt, wie wenig die Führungskräfte ihreVerantwortungfür die Gesellschaft verstandenhaben. Undwenn diese Beschlüsse so eklatantmissachtet werden, können ihreBedeutungund ihr Einfluss nurweiter abnehmen.

Schließlich mussnoch erwähntwerden, dass es in derGesellschaft an einem Konzept mangelt, was Journalismus ist undwas die Presse tun sollte.Was sindder Zweck unddie Aufgaben derjournalis- tischen Profession? Akzeptieren die Journalisten selbst die Idealeeiner Zivilgesellschaftals Richt- schnur ihrer Arbeit, oder versuchensie,die Zivilgesellschaft durch eine„vierte Gewalt“ zu ersetzen? Sollten Journalisten sich darum bemühen, die Gesellschaftzuinformieren, zu bilden, aufzuklären und zu unterhalten, oder sollten sie sich alsBerufsstanddamit befassen, die öffentlicheMeinungzu formen (oder zu manipulieren), oder dengrößtmöglichen Profit ausihrer Tätigkeit zu ziehen? Sollte Journalismus derart arbeiten, dass die Gesellschaft ihreWerte ausden Medien beziehtund sie mit den Medien teilt?

2. Regulierungdurch die nationale Regulierungsbehörde: Werbung a. Regulierung vonWerbeaussagen

Gemäß Art. 4des Föderationsgesetzes zur Werberegulierung 191 gründetsich die Werbegesetzgebung derRussischen Föderation ausschließlich auf das Föderationsgesetz. Die Rechtsbeziehungenhinsicht- lich derHerstellung, Platzierungund Verbreitungvon Werbungkönnen aber auch durch andere Föderationsgesetze oder durch Regulierungsakte desPräsidenten oder derRegierungder Russischen Föderation geregelt werden, die in Übereinstimmungmit demFöderationsgesetz zur Werberegulierung erlassen werden.

In Übereinstimmungmit der Anordnungbetreffenddie Föderale Kartellbehörde derRussischen Föderation,die perRegierungsverordnungder Russischen Föderation Nr.331 vom30. Juni2004 genehmigt wurde,ist die FöderaleKartellbehörde (FAS) die bevollmächtigte Exekutivbehörde auf Föderationsebene in diesem Bereich.Sie ist insbesondere verantwortlich, die Einhaltungder Werbegesetzgebungzuüberwachenund zu kontrollieren.192 Sie erstattet Berichtandie Regierungder Russischen Föderation undwirdsowohl direkt alsauchüber ihreRegionalbüros tätig.

190) Siehezum Beispiel: Media Sustainability Index 2004.TheDevelopmentofSustainable IndependentMedia in Europe and Eurasia. Washington, 2005, S. 147 191) Vom13. März 2006, Nr.38-FZ; vordessen Inkrafttreten wurde Werbunginder Russischen Föderation durch das Föderationsgesetz zur Werberegulierungvon 1995 geregelt. 192) VorApril 2004 wurdendiese Funktionen vomMinisterium derRussischen Föderation für Antimonopolpolitik undFörderung desUnternehmertumswahrgenommen, das im Zuge derRegierungsumbildungabgeschafft wurde.

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Im Rahmenihrer Befugnisse verhindert,identifiziert undbeendetdie Kartellbehörde Verstöße natürlicher oder juristischer Personen gegendie Werbegesetzgebungder Russischen Föderation.193 Sie kann auf eigeneInitiativehin Umstände untersuchen, die auf einen Verstoßgegen die Werbegesetz- gebungder Russischen Föderation hinweisen, oder aufgrundvon Beschwerdenvon Bürgern, juristischen Personen oder anderenstaatlichenBehördentätig werden.194

In Übereinstimmungmit demFöderationsgesetz zur Werberegulierungverabschiedete die Regierung derRussischen Föderation die Verordnung zur Genehmigungder Vorschriften für die rechtlicheUnter- suchung vonFällen, die aufgrundvon Anzeichen eines Verstoßes gegendie Werbegesetzgebungeingeleitet wurden, durch die Kartellbehörde. 195 DamitwurdenVerfahrenzur Prüfungvon Beschwerdenhinsichtlich Verstößengegen die Werbegesetzgebungund Verfahren zur ordnungsgemäßen Durchführung rechtlicher Untersuchungenverbindlich festgelegt.

Wirdein Verstoßgegen Werberechtaufgedeckt, mussdie FASoderdie zuständigeregionaleKartell- behörde (die Teil desFöderationssystemsist) ein Verfahren wegenVerstoßes gegendie Werbegesetz- gebungeinleiten. Der Fall wirddann voneiner Kommission geprüft, welcherBeamte derjeweiligen Kartellbehörde angehören undwelcher derLeiter oder derstellvertretende Leiter derFAS oder deren Regionalbüros vorsteht.

Die Kommission kann zu demSchluss kommen, dass die Werbungunzulässig ist undgegen bestimmte gesetzliche Bestimmungenverstößt, unddaraufhinanordnen, die Verstöße gegendie Kartellgesetzgebungdurch die betreffendenHandlungeneinzustellen. Der Empfängerder Anordnung mussdie beanstandetenPassageninder Werbungineiner in derAnordnung festgelegten Frist entfernen. Die Nichtbefolgungder AnordnungziehtOrdnungsmittel, das heißt Geldbußen vonRUB 200.000 bis 500.000 nach sich.

Zusätzlich zu derAnordnung,die Verstöße zu beenden, kann die Kommission ein Ordnungswidrig- keitsverfahren wegenunzulässiger Werbunganstrengen, wenn sie ein solches aufgrundder Umstände im fraglichen Fall für gerechtfertigt hält. Ordnungswidrigkeitsverfahren werdenvon einem Beamten derKartellbehörde (dem Leiter oder stellvertretendenLeiter einer Kartellbehörde)allein geprüft. Aus- gehend vonden Umständen verhängt er eineGeldbuße wegenVerstoßes gegendie Werbegesetzgebung. Die Höheder Geldbuße wirdinÜbereinstimmungmit demOrdnungswidrigkeitengesetzes der Russischen Föderation festgelegt undkann zwischen RUB 400.000 und500.000 betragen.

Die Kommission kann auch einegerichtlicheKlage anstrengen, um ein bindendesGerichtsurteil zu erwirken, nach demdie Person, welche gegendie Werbegesetzgebungverstoßen hat, verpflichtetwäre, die beanstandete Werbung zurückzunehmen(die Rücknahme wirdals umgekehrte Werbung bezeichnet). b. Überwachung und Kontrolle der Einhaltung vonWerbevorschriften

Bei derUntersuchungvermeintlicher Verstöße gegendas Föderationsgesetzzur Werberegulierung mussdie Kartellbehörde oftFachgutachten oder wissenschaftlicheErkenntnisse einholen,die die Werbeaussagenbestätigen oder widerlegen. DerartigeStudien können vonden Beschwerdeführern ausgeführt werden, die denVerstoß vordie FASgebracht haben, aber auch vonden Werbetreibenden, die denfundiertenCharakter ihrer Werbeaussagenbestätigen möchten. Darüber hinauskanndie Kartellbehörde unabhängig Studien oder Fachuntersuchungendurch einespezialisierteOrganisation in Auftrag geben.

193) Regierungsverordnung derRussischen Föderation vom7.April 2004, Nr.189 betreffendAngelegenheiten derFöderalen Kartellbehörde vom9.April 2004, Nr.553. Der vollständigeTextist auf Englisch abrufbar unter: http://www.fas.gov.ru/english/legislation/5920.shtml?print 194) Die Aktivitäten derrussischen FASzur Durchsetzungder Werbegesetzgebung(Oktober 2007), amtlicher Berichtabrufbar auf derWebsite derFAS unter: http://www.fas.gov.ru/english/legislation/15838.shtml?print 195) Vom17. August 2006, Nr.508. Der Text ist auf Russisch abrufbar unter: http://www.fas.gov.ru/adcontrol/8187.shtml

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Wenn es um Werbunggeht, die ein Verständnis dafür voraussetzt, wie sie vonden Verbrauchern aufgenommen wird, können soziologischeUntersuchungen(öffentlicheMeinungsumfragen) durch- geführt werden. Es kann zum Beispiel nötig sein, Werbungzuanalysieren, in derMarkenzeichen von Warenverwendetwerden, die für Werbungverboten sind, oder es können Beschränkungenfür Werbung markenrechtlich geschützter Warenzueiner bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort bestehen. Die Notwendigkeit einer öffentlichen Meinungsumfrage kann auch geboten sein, wenn die Werbe- treibendenunter demDeckmantel derWerbungfür Mineralwasser,Süßigkeiten oder Unterhaltung alkoholischeGetränkemit demselben Namen bewerben, wasverboten ist. Werbetreibende machen hier gern geltend, sie würdenkeineWerbungfür verboteneWaren betreiben, sondern Werbungfür andere Warenzeigen,für die Werbungnichtverbotensei. Unter solchenUmständensindsoziologische Erhebungenhilfreich, um die Wahrnehmung derWerbungdurch die Verbraucher sicherer zu bewerten unddas Objekt zu definieren, für das tatsächlichgeworben wird.

Eineandere Art herauszufinden, wie Werbungvon denVerbrauchern wahrgenommen wird, ist eine diesbezüglicheDiskussion bei einer Sitzungder Fachbeiräte,die vonden Kartellbehördengebildet werden. Diese Beiräte sindberatende undkonsultativeGremien, die bei Bedarf vonder FASund ihren Regionalbüros einberufen werden. Sie setzen sich ausVertretern derKartellbehördenund Fachleuten verschiedener Disziplinen wie Psychologie,Linguistik undSoziologie zusammen undschließen Vertreter gesellschaftlicher Vereinigungensowie beruflicherVereinigungenvon Werbeunternehmenmit ein. Beschlüsse derFachbeiräte sindfür die Kartellbehörde nichtbindend;sie steuernjedoch gewichtigeArgumente für die Untersuchungspezieller Fällevon Werbungbei.196

Die folgendenBeispielezeigen, auf welcherGrundlage die FASdie Einhaltungder Werbegesetz- gebungüberwacht undkontrolliert.

Nach Art. 5des Föderationsgesetzes zur WerberegulierungmusseineWerbunglauter undglaub- würdigsein.Unlautereund falscheWerbungist verboten. Unlautere Werbungenthält einen unzulässigenVergleich derbeworbenen Ware mit im Verkehr befindlichen WarenandererHersteller.Sie kann auch einePerson diskreditierenoderdiffamieren oder demgeschäftlichen Rufeiner Person schaden.

In diesem Kontextverbietet das Gesetz zudemdie Diskreditierungvon Personen, die das beworbene Produkt nichtbenutzen. Die Werbefirma Spektr platzierte bei denlandesweiten Fernsehkanälen NTV und THT zum Beispiel einen Werbespot, in demsie das Warenzeichen „ Technosila “verwendete.Die Werbungzeigte unterschiedlicheProdukte zu einem bestimmten Preis,begleitet voneinem Text, der einen Männernamen unddie Worte „... ist ein Dummkopf! Hat mehr bezahlt“ („Sanjok ist ein Dummkopf! Hat mehr bezahlt“, „Andrjucha ist ein Dummkopf! Er hat mehr bezahlt!“usw.) umfasste. Unter Berücksichtigungder Erkenntnisse auseiner soziologischen Erhebungüber die Aufnahme der Werbung durch Verbraucherund derMeinungdes Fachbeiratszur Durchsetzungder Werbegesetzgebung befanddie FAS-Kommission denWerbespot für unzulässigund sah ihn alseinen Verstoßgegen das Föderationsgesetz zur Werberegulierung. Die WerbungerzeugeeinenegativeEinstellunggegenüber denPersonen, die die beworbenen Produkte nichtbenutzten. Die FASerließ eineAnordnung,die den Werbetreibendenaufforderte,die Verstöße gegendie Gesetzgebung derRussischen Föderation zur Werberegulierungzuunterbinden.

Spektr legte gegenden Beschluss unddie Anordnungder Kartellbehörde vorGerichtRechtsmittel ein. Am 19. Mai 2008 wies das Moskauer Schiedsgerichtdie Klage ab undbestätigte denBeschluss und die Anordnungder FAS.197

Falsche Werbungwiederum bedeutet, dassdie Werbebotschaft unzutreffende Angaben zu verschiedenen Aspekten enthält, zum Beispiel:

•Vorzügeder beworbenen Warengegenüber im Verkehr befindlichen WarenandererHersteller, •Produkteigenschaften einschließlich Art, Zusammensetzung, Nutzungsbedingungenund Halt- barkeit,

196) DieAktivitäten derFAS zur Durchsetzungder Werbegesetzgebung(Oktober 2007). 197) Pressemitteilungvom 21. Mai 2008 ,abrufbar unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_19140.shtml?print

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•Sortimentund Bestückung, •Kosten undPreis derWaren, Zahlungsmodalitäten, Rabatte,Lieferbedingungen, Umtausch, Reparatur undWartung, •Untersuchungs-und Testergebnisse, •tatsächliche Nachfrage nach einem bestimmten beworbenen Produkt, •Hersteller oder Verkäuferder beworbenen Waren.

Ein Beispiel: Im September 2008 befanddie FAS, dass ein Fernsehwerbespot desReiseveranstalters TezTour mit demSlogan „Reiseveranstalter Nr.1“, derauf Kanal einsausgestrahlt wurde,gegen das Föderationsgesetz zur Werberegulierungverstoße,daerunlautereWerbunginForm eines nicht korrekten Vergleichsder beworbenen Dienstleistungenmit anderenDienstleistungenauf demMarkt enthalte.Der Werbespot sei darüber hinausauchdeshalb unzulässig, weil er falscheAngaben über die Vorzügeder beworbenen DienstleistungengegenüberDienstleistungenandererUnternehmenenthalte. Der Beschluss wurde angefochten, voneinem (Handels-)SchiedsgerichtniedrigerInstanz undebenso -nachRechtsmitteleinlegung-vom Föderationsschiedsgerichtdes BezirksMoskau aber bestätigt.198

Werbungdarf keinerechtswidrigen Handlungenund keineGewalt oder Grausamkeit fördern (Art. 5 Abs.4Ziff. 2). In dieser Hinsichtergingam29. Januar 2007ein Beschluss derFAS in einer interes- santen Rechtssache. Der Fall betraf Verstöße durch einen Fernsehwerbespot für Pepsi-Cola im Jahr 2006. Die Werbungzeigte eineGruppe jungerMenschen, die desNachts in einem vonhohen Wohn- blocksumstandenenInnenhof sitzen, Musik machen undPepsi-Cola trinken. Ihrelaute Musik stört die Anwohner,die schlafenmöchten, undeiner vonihnen bittet die jungenLeute,nichtmehr zu musizieren. Die Gruppe spielt jedoch umso lauter undbenutzt noch ein Verstärkersystem. Die Hand- lungender jungenLeute,die in derWerbunggezeigt werden, können nach denGesetzen verschiedener Gebietskörperschaften derRussischen Föderation alsOrdnungswidrigkeit betrachtet werden-Störung derNachtruhe. Unter Berücksichtigungdieser Tatsache erließ die FASeineAnordnung gegen PepsiCo Holdings Ltd. (den Werbetreibenden), diese Verstöße gegendie Werbegesetzgebungeinzustellen.199

Werbung, bei derein substanzieller Teil an Informationenüber die beworbenen Waren, etwaüber Kauf- undAnwendungsbedingungenfehlt, können zu einer Verzerrungder Informationen führen und denVerbraucher in die Irreleiten. Daher sindsie verboten. Im Mai 2009 befanddie FAS, Werbungen für Lebensmittelder Marke„Rastischka “des Herstellers Danone seienunzulässig undein Verstoß gegendas Föderationsgesetzzur Werberegulierung.Die Beschwerde kam vonder Firma Wimm-Bill- Dann-Foods.EineReihevon Fernsehkanälen (NTV,TNT,7TV,Daryal-TV,STS,Sankt PetersburgKanal 5, REN-TV,TV-Centr,Rossija, Kanal einsund andere)strahlten Werbespotsfür die Lebensmittel mit dem Slogan „Rastischka -wachsegut!“ aus. Der Beschwerdeführer machte geltend, derInhalt unddie Form derDarbietungder Danone-Werbungenzieledarauf ab,die Verbraucher davon zu überzeugen, diese Produkteseien Babynahrung, enthielten keineKonservierungsstoffe undhättenbesondere (wertvolle) Inhaltsstoffe,die das Wachstum unddie allgemeineEntwicklungvon Kindern anregten. Die Angaben zu Proteinen undKohlehydraten auf denVerpackungender beworbenen Warenentsprachennichtden AnforderungennachBestimmung3.1.1.5 der„AnforderungenanHygienesicherheit undNährwert von Lebensmitteln. SanPiN 2.3.2.1078-01”(staatlicheHygienevorschrift) für Babynahrung. Aufder Packungfehlten zudemInformationen über denZweck unddie Bedingungenfür die Verwendungvon Babynahrung, wie sie nach Art. 18,Abs.3des Föderationsgesetzes betreffenddie Lebensmittelqualität und–sicherheit verlangt werden.

Nach einer Untersuchungder Sachekam die FASzudem Schluss,das Fehlen essentieller Informa- tionen in denWerbungenfür Lebensmittel mit demWarenzeichen „Rastischka“ führeVerbraucher im Hinblick auf denZweck unddie Verbraucherqualitäten derWaren in die Irre. Die FASverlangte von Danonedie Einstellung derweiteren Verbreitungdieser Werbespots.200

Besondere Beschränkungengelten für Werbungfür Bank-, Kredit-, Versicherungs-und sonstige Finanzdienstleistungen. Wenn eineWerbungKonditioneneines AngebotsentsprechenderDienst-

198) Pressemitteilung derFAS vom5.Juni 2009, abrufbar unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_24577.shtml?print 199) Siehedie Pressemitteilungder FASvom 30. Januar 2007 unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_10834.shtml?print 200) Siehedie Anordnungder FASauf Russisch unter: http://www.fas.gov.ru/adcontrol/adm_practice/a_25484.shtml unddie Pressemitteilungder FASvom 3. Juni 2009 unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_24479.shtml?print

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leistungenspezifiziert, die die Höheder zu erzielendenEinkünfteoderdie Höheder Kosten beein- flussen, die die Personen zu tragenhaben, welche die Dienstleistungennutzen werden, mussdie Werbungallerelevanten Konditionen erwähnen.

Am 21. Februar 2008 verhängte die FöderaleKartellbehörde ein Ordnungsgeld in Höhevon RUB 40.000 gegendie GE Money Bank wegenunzulässigerKreditwerbung. Die Werbungfür Verbraucher- kredite wurde 2007 vonOktober bis Dezember im Fernsehen, genauer vonKanal eins, Rossija undSTS ausgestrahlt. Sie enthielt folgende Information: „Nehmensie einen Barkredit bis zu 300.000 RUB zu Ihren Bedingungenauf, ab 15 %Jahreszins“. Die Werbungnannte die Mindestkreditzinsrate undden Kredithöchstbetrag;die weiteren Konditionen zu denKosten desKreditswurdennur in kleiner unleserlicher Schriftwährendder letzten Sekundendes Spotseingeblendet. Dadurch waren Verbraucher nichtinder Lage,diese wichtigen Angaben zu erfassen. Die Information wurde mit anderenWorten so präsentiert, dass Verbraucher sie nichtverstehen konnten. Nach Ansichtder Föderalen Kartellbehörde wardies mit einem Fehlen derInformationindem Werbespot gleichzusetzen. Aufgrunddieses Verstoßes wurde gegenüber derBank die Anordnungerlassen, denVerstoß gegendie Werbegesetzgebungder Russischen Föderation abzustellen unddie Geldbuße zu zahlen.201

3. Zusammenarbeitmit Behördenaußerhalb Russlands

Russlandist Mitglied derInternationalenFernmeldeunion (ITU) undbeteiligt sich an denAktivi- täten derEuropäischenRundfunkunion (EBU), in deresvon derVGTRK vertreten wird. Da Russland über keineunabhängigeRegulierungsbehörde verfügt, ist es jedoch nichtinder Europäischen Plattform derRegulierungsbehörden(EPRA) vertreten.202

Russlandträgt zur Arbeit desStändigen Ausschusses für grenzüberschreitendesFernsehen desEuro- paratsbei (wenngleich es bislangnoch nichtdas EuropäischeÜbereinkommen über grenzüber- schreitendesFernsehen ratifiziert hat). Russlandist überdies aktiv im Rahmender Gemeinschaft Unab- hängiger Staaten (GUS), die ihr eigenes Regulierungsmodell für grenzüberschreitendenRundfunk hat.

Das Modellgesetz betreffendgrenzüberschreitenden Satellitenfernseh- und-hörfunk undinter- nationalen Informationsaustausch über Satelliten,ein beratendesRechtssetzungsinstrument, wurde unter aktiver Beteiligungder Russischen Föderation vonder Interparlamentarischen Versammlungder GUS-Mitgliedstaaten am 15. Juni 1998 verabschiedet.

Es regelt die BeziehungenimZusammenhangmit

•der Einrichtungvon Systemenfür Satellitenfernsehen und-hörfunk sowie vonSatelliten- telekommunikationsnetzen, •der Einholungeiner Nutzungserlaubnis für solcheNetze, •deren tatsächlicher Nutzung, •der Sendungvon Fernseh- undHörfunkprogrammen über Satelliten eines StaatesimHoheitsgebiet eines anderenStaates oder im Hoheitsgebiet mehrerer Länderder GUS, •der Gestaltung, derNutzungund desSchutzes vonDaten bei ihrer Durchleitungdurch Satelliten- telekommunikationssysteme(Art. 2).

WährendArt. 11 desGesetzes einen Betreiber,der vomHoheitsgebiet eines GUS-Staatsaus sendet, verpflichtet,eineLizenz nach deminder dortigen nationalen Gesetzgebung vorgeschriebenen Verfahren einzuholen, verbietet er die Einrichtunggetrennter Lizenzen für Satellitenfernsehen und -hörfunk und/oder Satellitentelekommunikation.

Das Rechtzur Auswahl derSprache(n), die für Satellitenfernsehen und-hörfunk verwendetwird (werden), liegt beim Betreiber,wenn nichtanderweitig im Gesetz über die Staatssprache geregelt (Art. 16).

201) Pressemitteilung vom21. Februar 2008, abrufbar unter: http://www.fas.gov.ru/english/news/n_17415.shtml?print 202) Weiter Informationen zu EPRA siehe: www.epra.org

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Art. 19 legt die Regeln für Werbungfest. Die Werbezeit darfnichtmehr als15% dertäglichen Sendezeit ausmachen. Insbesondere verbietet Art. 19 direkte undindirekte Werbungfür Alkohol und Tabakerzeugnisse sowie jede Form vonSchleichwerbung.

Konflikte zwischen internationalen Betreibern oder zwischen Ländern, die Nutzer vonSatelliten- programmen sind, oder zwischen solchen Ländern undinternationalen Betreiber sindauf dem Verhandlungswege beizulegen.Sollte keinegütlicheLösungzuerzielensein, unterliegendiese Konflikte derRechtsprechung desWirtschaftsgerichts derGemeinschaft Unabhängiger Staaten (Art. 26).203

EineBesteuerungvon Fernseh- undHörfunkprogrammen sowie vonTelekommunikationsdaten ist nichtgestattet, solange sie nichtinphysischer Form über nationaleGrenzen verbracht werden (Art 27).204

IV.Zusammenfassung und Ausblick

Ungeachtet derBemühungendes russischen Gesetzgebersinden frühen 1990ern wurde nach wie vorkein spezielles Gesetz über Rundfunklizenzierungverabschiedet. Die wichtigste rechtlicheGrund- lage für die Regulierung desRundfunksystemsbleibt ein veraltetes undinBezug auf Lizenzierung rudimentäres Gesetz zur Regulierungder Massenmedien von1991.

Die nachfolgende Verabschiedung weiterer Rechtsinstrumente wie derLizenzvergabeordnungvon 1994 undder Ausschreibungsordnungvon 1999 hat wegender Diskrepanzen undWidersprüche zwischenden verschiedenen Regularien zu Problemengeführt. Gemäß diesen Rechtsinstrumenten sinddie Regulierungsorganeauf Föderationsebeneberechtigt, ihreeigeneStrategie im Bereich der Rundfunkregulierung,einschließlichder Methoden undVerfahren fürdie Lizenzierung, zu entwickeln. Einigen positiven Entwicklungen, wie derfaktischen Einführungeines Ausschreibungsverfahrens, fehlen immer noch einerechtlich korrekte undumfassende Kodifizierungsowie praktischeLösungen für möglicheKonflikte.Bis das Verfahren allen Standards desEuroparatsund dergängigen Recht- sprechungdes Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entsprechen wird, magesnoch weiterer Entwicklungenbedürfen.

Wenn Rundfunkveranstalter lizenziertund derÄther im Interesse derGesellschaft alsGanzes überwacht werdensollen, isteswichtig, dass die zuständigeBehörde Unabhängigkeitvom Staat genießt. Darüber hinaussollte sie auf transparente Art undWeise unter Berücksichtigungder öffentlichen Meinungeingerichtet werden. Einevom Präsidenten oder derRegierungabhängige Lizenzierungsbehörde riskiert hingegen, das Funkspektrum ineffizientzunutzen, gemessen am Standpunkt undden Bedürfnissen derÖffentlichkeit. Voraussichtlich werdendoppelte Standards,die zwischen loyalenund unabhängigen Rundfunkveranstaltern unterscheiden, Anwendungfinden.

Währenddie gegenwärtigeRegelungdie Rundfunkveranstalter verpflichtet, nichtgegen das Gesetz unddie Bedingungender Rundfunklizenz zu verstoßen (was allein schon ein inzidentes Erfordernis derLizenz selbst ist), um eineautomatischeVerlängerungder Lizenz zu erhalten, ist das entspre- chende Verfahren für die Erfassungvon Verstößen, die zu einer Ablehnungder Lizenzverlängerung führen können, keinesfallsklar festgelegt.

In diesem Zusammenhangist ein Blick auf die Grundsätze zur Bildung, Organisation undTätigkeit derstaatlichen Sonderstelleder Russischen Föderation zur Lizenzierung vonFernsehen undHörfunk (FöderaleFernseh- undHörfunkkommission) vonInteresse.Die Grundsätze wurden2003 voneiner Arbeitsgruppe westlicher undrussischer Fachleute unter demDacheines EU-finanzierten Projekts entwickelt.205

203) Informationen zum Gerichtsiehe: http://www.sudsng.org/about/structure/ 204) Gemeinschaft Unabhängiger Staaten: Modellgesetzüber den grenzüberschreitenden Rundfunk,von Andrei Richter,IRIS1998- 7: Extra, siehe: http://merlin.obs.coe.int/iris/1998/7/article100.de.html 205) Der Text auf Englisch ist abrufbar unter: http://medialaw.ru/e_pages/laws/project/d3-0.htm

©2010, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Straßburg (Frankreich) 68 DER REGULIERUNGSRAHMEN FUR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE IN RUSSLAND

DieGruppe schlug vor, denrechtlichen Statusder Kommission durch ein Sondergesetz zu regeln, ähnlich dembetreffend eineandere bereitstätigeföderaleSonderbehörde,nämlich die Zentrale Wahlkommission. Die Kommission sollte folgende Aufgaben erfüllen:

•Gewährleistungdes Rechts auf freie Verbreitungvon Masseninformationen unter Nutzungelektro- magnetischer Wellen (Hörfunk undFernsehen), •Bereitstellungvon Garantien für die Medienfreiheit,die nach Art. 29 derVerfassungder Russischen Föderation gewährt wird, im Bereich Fernsehen undHörfunk, •Schutz derRechte undInteressen vonVerbrauchern (Fernsehzuschauern undHörfunkhörern), •Erarbeitungund Umsetzungder staatlichen Politik im Bereich derLizenzierungvon Fernsehen und Hörfunk, •Sicherstellung einer vernünftigen Nutzungder vonNatur ausbegrenzten Frequenzressourcen des Staates, •Einführungvon Gesetzen im Bereichvon Fernsehen undHörfunk undÜberwachung deren Einhaltung, •Hilfestellungbei derEntwicklungvon Fernsehen undHörfunk in derRussischen Föderation, bei derEntwicklungvon Kultur undBildung, Achtungallgemein anerkannter sittlicher Normen, der russischen Sprache undder Sprachenund Kulturen derVölker derRussischen Föderation, •Unterstützungbei derVerbreitungvon informativen, populärwissenschaftlichen, kulturellen und BildungsprogrammeninFernsehen undHörfunk sowie vonFernseh- undHörfunkprogrammen,die zur geistigen,ästhetischen undzivilen Reife undErziehung vonKindern undJugendlichen beitragensollen, •Aufrechterhaltungvon Familienwerten, Förderungeiner gesundenLebensweise usw.

Das Entstehen vonDigitalfernsehen undanderenneuen Diensten undTechnologien hat in letzter Zeit vieleProzesse in Bezug auf rechtlicheRegulierungbeschleunigt, weshalb wir glauben, dass VeränderungenimStatusquo unmittelbar bevorstehen unddass diese Veränderungen, wenngleich sie auch vontechnologischer undkosmetischer Natur erscheinen mögen, tatsächlich vonentscheidender Bedeutung sind. Sorgenbereitet, dass die Regierungspolitik zu einer Besetzungder ersten drei terrestrischen Multiplexe ohneAusschreibungenund öffentlicheDiskussionen führen könnte.Es bestehtdie Gefahr,dass das gesamte System derLizenzierung, welchesein Jahrzehnt langbestanden hat, derPraxis einer reinen Ernennungvon Kanälen weichen muss, bei derdie Ernennungkeiner Über- prüfung, keinen Lizenzbedingungenund keiner offenen Programmgrundsätze derRundfunk- veranstalter unterliegt. Auchhat die Regierungnoch keineVorschriftenfür die Laufzeit terrestrischer Digitalrundfunklizenzen,für die Übertragungsolcher Lizenzen oder für ähnlich wichtigeFragen vorgeschlagen. Die Rolleder Föderalen Ausschreibungskommission für Rundfunk ist ebenfallsnicht definiert.

Infolge all dessen ist noch nichterkennbar,welchedie Quellen für denPluralismus unddie Vielfalt an Programmen undInformationen sein sollen, die im Konzept für das Digitalfernsehen in Russland versprochen werden. Die Aussichtauf eineForm vonöffentlicher Kontrolleüber die staatlichenRund- funkveranstalter ist eher dürftig,ebenso wie das Potenzial für die Einrichtungvon Selbstregulierung undKoregulierung. Zumindest warenvieleder Vorstöße,die in denletzten Jahren in dieser Hinsicht unternommen wurden, erfolglos.

©2010, Europäische AudiovisuelleInformationsstelle, Straßburg (Frankreich) IRIS Spezial: Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Straßburg 2010 ISBN: 978-92-871-6790-3 EUR 70

Verlagsleitung: Wolfgang Closs, Geschäftsführender Direktor der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle E-mail: [email protected]

Wissenschaftliche Betreuung und Koordination: Dr. Susanne Nikoltchev, LL.M. (Florenz/Italien, Ann Arbor/MI) Leiterin der Abteilung Juristische Information E-mail: [email protected]

Beitragende Partnerorganisation:

Moscow Media Law and Policy Center Moscow State University ul. Mokhovaya, 9 - Room 338 125009 Moscow Russische Föderation Tel: +7 495 629 3804 Fax: +7 495 629 3804 www.medialaw.ru

Verlagsassistentin: Michelle Ganter E-mail: [email protected]

Marketing: Markus Booms E-mail : [email protected]

Übersetzung/Korrektur: Sabina Gorini, Julie Mamou, Nadja Ohlig, Erwin Rohwer, Anne-Lise Weidmann

Satz/Druck: Pointillés, Hoenheim (France)

Herausgeber: Europäische Audiovisuelle Informationsstelle 76 Allée de la Robertsau F-67000 Strasbourg Tel.: +33 (0)3 90 21 60 00 Fax: +33 (0)3 90 21 60 19 E-mail: [email protected] www.obs.coe.int

Bitte zitieren Sie diese Publikation wie folgt: Susanne Nikoltchev, Hrsg., IRIS Spezial: Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland (Straßburg, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, 2010)

© Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, 2010. Jegliche in dieser Publikation geäußerten Meinungen sind persönlicher Natur und sollten in keiner Weise dahingehend verstanden werden, dass sie die Auffassung der Informationsstelle, ihrer Mitglieder oder des Europarats wiedergeben. Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland

Russland ist der mit Abstand größte europäische Fernsehmarkt Schlagworte zum Inhalt: außerhalb des Geltungsbereichs der EU-Gesetzgebung. Mit einem Anteil von rund 17% der gesamten europäischen Bevölkerung ■ Die nationale Medienpolitik liegen im russischen Fernsehmarkt beachtliche wirtschaftliche ■ Schlüsselbegriffe für Regulierung und deren Auslegung Potentiale. Vor diesem Hintergrund ist es um so bemerkenswerter, ■ Lizenzerfordernisse wie wenig über die juristischen Grundlagen und Bedingungen dieses Fernsehmarktes außerhalb Russlands veröffentlicht worden ist. ■ Die Rolle staatlichen Rundfunks im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichem Rundfunk Die vorliegende Publikation „Der Regulierungsrahmen für audio- visuelle Mediendienste in Russland” aus der Reihe IRIS Spezial ■ Medieneigentum und -konzentration schließt die Lücke. Detailliert werden die Grundlagen und der ■ Selbst- und Koregulierung Regulierungsrahmen für Rundfunk in Russland erörtert. Auf ■ Werbung: Regulierung und Kontrolle dieser Basis wird die Anpassung des Rechtsrahmens an neue audiovisuelle Mediendienste diskutiert. Dabei werden die ■ Produktplatzierung großen Unterschiede zwischen der EU und Russland deutlich: ■ Recht auf Gegendarstellung Sie gehen auf die noch schwache Entwicklung digitaler Medien- ■ Recht auf Kurzberichterstattung dienste in Russland zurück. ■ Schutz der guten Sitten und Minderjähriger Die Publikation vermittelt ein umfassendes und präzises Bild der ■ Rechte nationaler Minderheiten Rundfunkregulierung in Russland, verfasst von einem der heraus- ragenden russischen Medienwissenschaftler, Andrei Richter, dem ■ Einschränkungen zur Extremismusbekämpfung Direktor des Moskauer Instituts für Medienrecht und Medienpolitik. ■ Mittel zum regulatorischen Eingreifen Der Regulierungsrahmen Themennahe Publikationen der IRIS-Familie

Auf die Plätze, für audiovisuelle 2010-1: fertig … los? Digitalfernsehen Die Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste Mediendienste

Inhalte: Inhalte: ■ Die Entwicklung terrestrischen Digitalfernsehens ■ Die Herausforderungen der Umsetzung der Richtlinie in Russland in Russland und der Ukraine in nationales Recht: - Nationale Politik zum Digitalfernsehen - Verständlichkeit, Akzeptanz, Handhabbarkeit der - Rechtskonzepte, Erlasse und weitere Regelungen gewählten Lösungen - Elemente des Prozesses - Einpassung der vorgegebenen Konzepte in das geltende - Lizenzierung und Ausschreibungen Medienrecht Der Regulierungsrahmen für audiovisuelle Mediendienste in Russland - Eigentumsfragen - Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen - Digitalumstellung in der Praxis Diensten - Defi nition von redaktioneller Verantwortung ■ Ist das Digitalfernsehen auf den Weg gebracht? - Koregulierung - für welche Bereiche und wie organisiert? - Mitgliedstaaten der Informationsstelle sowie sonstige - Recht auf Anhörung oder Mitsprache für die Bürger und Länder die Industrie ■ In Europa auf dem Vormarsch - Überwachung der Rechtseinhaltung - Empfang von Digitalfernsehen und die Einführung - Die Rolle der Regulierungsbehörden des digitalen terrestrischen Fernsehens - Zuständigkeit für die Kontrolle der Umsetzung und Einhaltung der Regeln im Einzelfall 48 Seiten, Februar 2010 Druckausgabe ISBN 978-92-871-6793-4 24,50 € / 147 Seiten, Ausgabe 2009 pdf-Ausgabe ISBN 978-92-871-6801-6 33 € Druckausgabe ISBN 978-92-871-6666-1, 89 €

Angesichts der überragenden Bedeutung der Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste sind in der Publikationsreihe IRIS Spezial zwei weitere Titel zu dem Thema erschienen: „Audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen“ (ISBN 978-92-871-6117-8, 82 Seiten, Ausgabe 2006, 58,50 €), „Redaktionelle Verantwortung“ (ISBN 978-92- 871-6477-3, 50 Seiten, Ausgabe 2008, 75 €). Nomos Verlagsgesellschaft

EUR 70 – ISBN 978-92-871-6790-3