Der Bahnbau -Uttenweiler

Von Hans Willbold, Dürnau berechnung zunächst eine erhebliche Verzinsung des Anlagekapitals nicht erwarten läßt, so dürften Im April 1902 legten die bürgerlichen Kollegien dennoch dringende Gründe volkswirtschaftlicher von Munderkingen eine Denkschrift zum Bau ei- Natur vorliegen, welche auf den Bau der Linie Bi- ner Eisenbahnlinie von Munderkingen nach Biber- berach-Uttenweiler hindrängen. Die Stadt Biber- ach vor. Diese war von Regierungsbaumeister Wal- ach bildet zweifellos für das Gebiet, das durch die lersteiner (Nürnberg) gefertigt worden, der auch Bahn dem Eisenbahnverkehr erschlossen werden schon die Denkschrift für den Bau der Nebenbahn soll, den wirtschaftlichen Mittelpunkt, und es er- Schussenried-Buchau verfaßt hatte. scheint durchaus geboten, den Bewohnern jener In dieser Denkschrift heißt es: "Schon seit einer Gegend die durch die Anlage einer Eisenbahn er- Reihe von Jahren hegen die Anwohner der Do- möglichte Erleichterung des Verkehrs mit der Stadt nautalbahn in der Gegend von Munderkingen und zu verschaffen. Es ist sodann wohl zu erwarten, Ehingen den Wunsch einer Verbindung mit der daß nach Erstellung der Bahn in der bis jetzt na- Südbahn Ulm-Friedrichshafen, ein Wunsch, der hezu ausschließlich Landwirtschaft treibenden Be- insbesonders bei der Stadt Biberach einen lebhaf- völkerung sich die Industrie in einem Maße weiter ten Anklang gefunden hat. Außer der Erschließung entwickelt, die der Bahn im Laufe der Zeit eine bes- des zwischen beiden Bahnen liegenden Gebiets für sere Rente gewährleistet." den Eisenbahnverkehr soll die erstrebte Linie dem In der Denkschrift werden die Baukosten bei Zwecke dienen, für die Bewohner der Ortschaften Normalspur auf 2 100000 Mark geschätzt. Damit zwischen Blaubeuren und Munderkingen wie auch kämen 91 200 Mark auf 1 km Bahnlinie. Die der der anschließenden Albgegend einen kürzeren Denkschrift beigefügte Berechnung der voraus- Weg nach dem Bodensee zu schaffen, d. h. diesen sichtlichen Betriebsergebnisse kommt zu dem Umweg über Ulm oder Herbertingen zu ersparen; Schluß, daß eine Verzinsung des Anlagekapitals andererseits würde diese neue Linie der Gegend bei "vorerst nicht zu erwarten" ist. Unter ganz beson- Biberach eine bessere Verbindung mit dem Do- ders günstigen Voraussetzungen "ergäbe sich eine nauthal und der Alb bieten .... Die Stadt Munder- Verzinsung von 0,37 %". Die Auspizien waren also kingen ist in ihren Bestrebungen mit der Stadtge- von vorneherein nicht sehr günstig. meinde Biberach einig, die ihrerseits ein Projekt Bi- Die Denkschrift der Biberacher und Uttenweiler berach-Uttenweiler vertritt. Bei der von Biberach bürgerlichen Kollegien beschreibt die Bahnlinie nach Munderkingen über Uttenweiler führenden wie folgt: "Die Nebenbahn Biberach-Uttenweiler Linie ist das Absehen in erster Linie nicht auf eine beginnt auf dem westlich vom Empfangsgebäude thunlichst kurze Verbindungsbahn. sondern darauf gelegenen Vorplatze des Bahnhofs Biberach und gerichtet, einer möglichst großen Anzahl von den zieht auf 600 m Länge neben der Hauptbahn nach zwischen den beiden Hauptbahnen liegenden Ort- Süden, in der Richtung gegen Friedrichshafen. Mit schaften die Wohlthaten des Eisenbahnverkehrs der Hauptbahn überschreitet die Linie alsbald die zuzuwenden; insbesonders soll durch diese Linie Riß auf einer Brücke mit drei Öffnungen von je 10 der nahezu 1300 Einwohner zählende Markt- m Weite und sodann zum zweitenmale denselben flecken Uttenweiler in die Bahnverbindung einbe- Fluß auf einer solchen von 22 m Weite; von km 0,6 zogen werden, obgleich derselbe ziemlich weit von ab wendet sich die Linie gegen Westen und über- der geraden Verbindungslinie Munderkingen-Bi- schreitet bei km 1,2 die Staatsstraße Biber- berach abliegt und hierdurch die Länge der Verbin- ach-Waldsee; an diesem Uebergang ist ein Halte- dungsbahn nicht unerheblich vergrößert wird. punkt Biberach-Stadt angenommen. Die Linie Wenn aber eine Nebenbahn ihre Aufgabe, als Zu- wendet sich nun unter südlicher Umgehung der bringer des Verkehrs der Hauptbahnen zu dienen, Stadt dem Wolfenthaie zu, das sie mit einer Stei- in richtiger Weise erfüllen soll. so darf sie nicht auf gung 1:45 erreicht und an dessen rechtem Hange dem kürzesten Weg das eisenbahnlose Gebiet sie bis gegen Reute emporsteigt, wo bei km 5,3 eine durchschneiden, sondern sie muß diejenigen Ort- Haltestelle nördlich vom Dorfe geplant ist. Nach schaften berühren, welche der Bahn einen reichli- dem Verlassen der Haltestelle verbleibt die Bahn chen Personen- und Güterverkehr zuführen wer- zunächst im Thal des Zellerbachs und steigt dann den." mit 1:40 gegen empor, um bei km Die bürgerlichen Kollegien von Biberach und Ut- 7,8 die Haltestelle Mittelbiberach-Oberdorf zu er- tenweiler hatten ebenfalls im April 1902 eine reichen. Vom Ende dieser Haltestelle ab senkt sich Denkschrift in dieser Sache eingereicht, welche ge- die Bahn mit 1:80 in das Thai des Rothbaches, und nauso auf den Arbeiten Wallersteiners beruhte. In steigt hierauf gegen Stafflangen empor, wo bei km der Einleitung wird u. a. der lebhafte Wunsch Ut- 11,7 eine Haltestelle gedacht ist. tenweilers hervorgehoben, mit Biberach durch Nach einer vorliegenden und in der angeschlos- eine Eisenbahn verbunden zu werden. Im senen Übersichtskarte angedeuteten Variante Schlußwort wird gesagt: "Wenn auch die Ertrags- würde die Bahn schon bei km 1,9 von der bearbei-

11 teten Linie abzweigen, das Wolfenthai überschrei- genden Ortschaften entsprechenden, in Munder- ten und mit einer Steigung 1:40 die Höhe bei Mit- kingen einmündenden Nebenbahn zur Verabschie- telbiberach erreichen, wo nunmehr die Haltestelle dung vorzulegen und die Herstellung einer Verbin- nördlich an statt südlich vom Dorf angelegt würde. dungsbahn Ehingen- für später im Auge Bei km 9,2 vereinigt sich die um rund 2,2 km kür- zu behalten." zere Variante mit der bearbeiteten Linie. Die Erste Kammer des Landtags beschloß darauf- Von Stafflangen ab zieht die Bahn in nordwestli- hin am 10. August 1907, die NI. 3 in Übereinstim- cher Richtung gegen Schammach. wo bei km 16,3 mung mit dem anderen Hause zu streichen und der eine Haltestelle sich befindet. In westlicher Rich- Resolution in der Form beizutreten, die K. Staatsre- tung wendet sich sodann die Bahn gegen Ahlen gierung zu ersuchen, den Ständen in einem der und zwar mit Gefällen 1:40 und 1:150 und erreicht nächsten Eisenbahnbaugesetzentwürfe den Bau ei- die Haltestelle des genannten Dorfes bei km 19,5. ner Stichbahn Biberach-Uttenweiler als Teilstrecke Von Ahlen ab muß die Bahn nach einer längeren einer nach Munderkingen fortzusetzenden Neben- Horizontalen wieder eine Steigung 1:40 anneh- bahn zur Verabschiedung vorzulegen und die Her- men, um in der Folge mit 1:66,6 und 1:100 zum stellung einer Verbindungsbahn Ehingen-Laup- Bahnhof Uttenweiler bei km 23,0 abzufallen. heim für später im Auge zu behalten. Die größte vorkommende Steigung ist 1:40; von Daraufhin wurde von der Eisenbahnverwaltung der Bahn liegen ein dieser Anregung entsprechender allgemeiner in der Horizontalen 36 % der ganzen Länge Entwurf für eine normalspurige Nebenbahn von in Steigungen 44 % der ganzen Länge Biberach nach Uttenweiler unter Berücksichtigung in Gefällen 20 % der ganzen Länge einer späteren Fortsetzung nach Munderkingen be- Wegen der ungünstigen Terrainverhältnisse arbeitet. Am 5. November 1907 meldete das Bahn- konnten verlorene Steigungen nicht vermieden bautechnische Bureau in Stuttgart, daß es "höhe- werden. rem Auftrag zufolge in den letzten Tagen mit den Der kleinste Krümmungshalbmesser ist 100 m. allgemeinen Vorarbeiten für eine Nebenbahn von Von der Gesamtlänge der Bahn liegen Biberach nach Munderkingen begonnen hat. in Geraden 11434 m = rund 50 % Kgl. Oberamt wird daher ergebenst ersucht, in Bögen 11 416 m = rund 50 % durch geeignete Bekanntmachung gefl. dahin wir- Der tiefste Punkt der Bahn liegt in der Horizon- ken zu wollen, daß den mit diesen Arbeiten beauf- talen des Bahnhofes Biberach in der Meereshöhe tragten Beamten keine Hindernisse in den Weg ge- 531,20 m; der höchste Punkt in der Horizontalen legt werden." der Haltestelle Schamrnach in der Meereshöhe Dem zu realisierenden Entwurf lagen im allge- 626,50 m." meinen die von der württembergischen Eisenbahn- Diese Beschreibung der Bahnlinie war die gesellschaft und von Regierungsbaumeister Waller- Grundlage der Bemühungen von Reute, auch nach steiner im Jahre 1902 aufgestellten Projekte zu- der amtlichen Streckenänderung von 1909, welche grunde. Diese waren jedoch nach Vornahme neuer Reute nicht mehr berücksichtigte, doch noch ange- Feldaufnahmen und weiterer Erhebungen wesent- schlossen zu werden. lich geändert und verbessert worden. Im Februar 1907 schoben die bürgerlichen Kol- Einzelheiten dieses neuen Projekts, entnommen legien von Biberach eine erweiterte Denkschrift dem "Entwurf eines Gesetzes betreffend die Be- nach, die den Bau einer Verbindungsbahn von der schaffung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau Südbahn zur Donautalbahn zum Ziele hatte. und für außerordentliche Bedürfnisse der Ver- Diese Denkschrift sah zwischen Uttenweiler und kehrsanstaltenverwaltung in der Finanzperiode Munderkingen dieselbe Streckenführung vor, wie 1909110": sie auch schon 1902 von Munderkingen vorge- schlagen worden war, nämlich von Uttenweiler ,,1.) Spurweite, allgemeine Lage der Bahn nach Nordosten über Sauggart. Grundsheim und und Stationsanlagen Rettighofen nach Unterstadion und von dort in Die neue Linie muß, schon weil sie möglicher- nordwestlicher Richtung weiter über Bettighofen weise das erste Glied einer künftigen Verbindungs- nach Emerkingen und Munderkingen.' bahn zwischen der Südbahn und der Donaubahn Im Gegensatz zu den Bemühungen Buchaus um bildet, die normale Spurweite von 1,435 m erhal- einen Bahnanschluß. die mehr als 30 Jahre währ- ten. Sie beginnt auf dem Bahnhof Biberach an des- ten, war in diesem Falle schon sehr rasch eine Re- sen südlichem Ende, verläßt ihn in südlicher Rich- aktion zu verzeichnen: Die Zweite Kammer des tung, übersetzt die Riß, wendet sich im Bogen von württembergischen Landtages in Stuttgart faßte am 300 m Halbmesser gegen Westen und überschreitet 30. Juli 1907 unter Streichung der NI. 3 des Arti- in Steigungen von 1:440, 1:45, 1:150 und 1:80 auf kels 1 im Entwurf zum Baukreditgesetz für die Fi- einem über 1000 m langen Damm das Rißtal. nanzperiode 1907/08 betreffend die Forderung ei- In einem Einschnitt von 150 m Länge und 7,5 m ner ersten Rate für den Bau einer Bahn von Ehin- Tiefe gelangt sie an den rechten Rand des Wolfen- gen nach Laupheim folgenden Beschluß: "Die K. tals. wo in horizontaler Lage ein Haltepunkt Biber- Staatsregierung wird ersucht, den Ständen in dem ach für den Personenverkehr bei km 1,760 ange- nächsten Eisenbahnbaukreditgesetz den Bau einer nommen ist. von Biberach abzweigenden, der wirtschaftlichen Die Bahn überfährt sodann die Straße nach Bedeutung der bis jetzt nicht an der Eisenbahn lie- Reute und übersetzt auf einem im Bogen von 250 m

12 Karte aus der Denkschrift von 1902. Vorlage: Stadtarchiv Biberach.

Halbmesser liegenden, etwa 600 m langen und bis Bahn den Hummelberg im Gefälll:120. Sie gelangt zu 8,5 m hohen Damm das Wolfental, worauf sie in nach kurzer waagrechter Strecke mit der Steigung einem Bogen entgegengesetzter Richtung und 1:400 zu dem Bahnhof Rupertshofen bei km durch einen bis zu 14 m tiefen Einschnitt in einem 17,100. gegen Norden gerichteten Seitental unter fortge- Von hier an westliche Richtung verfolgend, er- setztem Steigen mit 1:40 und 1:44 und mit einer reicht die Bahn mit Gefällen von 1:80, 1:240 und Wendung nach Westen die Waagrechte bei der 1:170 die Endstation Uttenweiler, die nordöstlich Dampfziegelei und von da mit dem Gefäll von vom Ort bei km 20,640 zu liegen kommt. Das Ende 1:120 in südwestlicher Richtung den Bahnhof Mit- des Bahnhofs ist bei km 20,800. telbiberach bei km 5,200 erreicht. Im weiteren Ver- lauf führt die Linie an Mittelbiberach und Oberdorf 2.) Länge, Neigungs- und Krümmungs- vorbei in Steigungen von 1:50 und 1:500, wobei verhältnisse sich Gelegenheit zur Errichtung eines Haltepunktes Die Betriebslänge der Bahn beträgt von Mitte zu Oberdorf bei km 6,200 oder bei km 6,500 ergibt. Mitte der Verwaltungsgebäude in Biberach und Ut- Von der am Ende dieses Ortes erreichten Schei- tenweiler 20,640 km; die Baulänge beträgt rund telstrecke wendet sich die Bahn im Gefäll 1:150 20,800 km. Die größte Steigung in der Richtung Bi- nach Nordwest, um nach waagrechter Überschrei- berach-Uttenweiler ist 1:40, in umgekehrter Rich- tung eines Seitentales in der Steigung 1:100 den am tung 1:80. Der kleinste Bogenhalbmesser mißt 250 Südende des Dorfes bei km 9,000 vorgesehenen m. Die Schwellenhöhe des Bahnhofs Biberach liegt Bahnhof Stafflangen zu erreichen. Hierauf wird das auf 53L100 m. der höchste Punkt der Bahn bei Mühlbachtal auf einem etwa 5 m hohen und 460 m 626,000 m Ü. N. N. Die Schwellenhöhe des Bahn- langen Damm und sodann die Straße nach Eichen hofes Uttenweiler beträgt 576,5 m Ü. N. N. schienengleich überschritten. Der hier beginnende Aufstieg zum höchsten, 626 m Ü. N. N. gelegenen 3.) Geognostische Verhältnisse, Unterbau, Punkt der Bahn erfolgt mit Steigungen von 1:65, Oberbau, Hochbauten 1:40 und 1:250. Von dem bei km 12,600 gelegenen Die Bahn durchzieht die Altmoräne des Rhein- Ende der Scheitelstrecke fällt die Bahn mit 1:80 bis talgletschers. Es werden in den Einschnitten außer zu dem bei km 13,750 projektierten Bahnhof At- Lehm, Sand und Kies in beschränkter Menge auch tenweiler. Nach Verlassen der Station umfährt die Nagelfluhe angetroffen werden. Bei den Talüber-

13 gängen kommt die Bahn zum Teil auf moorigen, So weit der GesetzentwurP dem Anschein nach aber ausreichend tragfähigen Was sich auf dem Papier so schön und fast pro- Untergrund zu liegen. blemlos ausnahm, wurde in der Realität schon we- Die Erdbewegung wird rund 275000 Kubikme- sentlich schwieriger. Mit anderen Worten: Die Pi- ter umfassen. Von Kunstbauten sind außer den nanzen stimmten nicht. Dies auch deswegen, weil 2 Brücken über die Riß die Unterführung der Rol- zu jener Zeit der Eisenbahnbau -Boom florierte und linstraße und der Waldseer Straße in Biberach. der daher die Konkurrenz zum Projekt Biberach-Ut- gewölbte Krummbachdurchlaß bei km 2,654 und tenweiler sehr groß war. Hinzu kamen laufend Zu- 16,00 m Weite und mehrere gewölbte Wegunter- satz- bzw. Änderungswünsche. welche die Planung führungen zu nennen. - wohl für den Staat nicht immer unwillkommen - Für den Oberbau sind vorläufig L-Profilschienen beträchtlich verzögerten. 1909 etwa wurde aus- mit 12 bis 13 Schwellen auf den Schienenstoß in führlich diskutiert, ob die Gemeinde Reute nicht an Rechnung genommen. Die Hochbauten sollen in die Bahn angeschlossen werden kann. einfachster Weise nach den bei ebenbahnen übli- Am 31. Oktober und 14. November 1912 wur- chen Typen hergestellt werden. den Vereinbarungen zwischen der Amtskörper- schaft Biberach und der Verwaltung der Königlich 4.) Baukosten Württembergischen Staatseisenbahnen getroffen, In dem neuen Projekt sind die Gesamtkosten der welche einen für den Staat kosten- und lasten- Bahn einschließlich der zu 97000 Mark veran- freien Grunderwerb bzw. Ersatz der Grunderwerbs- schlagten Kosten der Anschlußarbeiten auf dem kosten durch die Amtskörperschaft Biberach zum Bahnhof Biberach und einschließlich Grunder- Inhalt hatten.' Im Jahre 1912 leistete die Stadt Bi- werb, Fahrzeuge und Bauzinsen zu 2 596000 Mark berach einen Zuschuß zum Bahnbau in Höhe von berechnet. Hievon entfallen auf den Grunderwerb 11358 Goldmark. Zwischen 1913 und 1921 wur- 258000 Mark. Der kilometrische Aufwand stellt den folgende Bahnbeiträge bezahlt: sich sonach mit Grunderwerb auf 125000 Mark, ohne Grunderwerb auf 113 000 Mark. Den beteilig- Biberach 58270,76 Mark ten Gemeinden ist nach der bestehenden Übung Mittelbiberach 16 006,95 Mark außer der unentgeltlichen Stellung von Grund und Oberdorf 7271,28 Mark Boden sowie des zum Bahnbetrieb erforderlichen Stafflangen 14 511,76 Mark Wassers die Leistung eines baren Beitrages zu den 7235,21 Mark Baukosten von mindestens 5000 Mark für das Ki- Schamrnach 2933,31 Mark lometer, also insgesamt 20,8 mal 5000 = 104000 Ahlen 1454,23 Mark Mark aufzuerlegen. Hienach berechnet sich das Rupertshofen 7 333,26 Mark vom Staate aufzubringende Anlagekapital auf Uttenweiler 18750,40 Mark 2338000 Mark minus 104000 Mark = 2234000 Willenhofen Gde. Oggelsbeuren 93,10 Mark Mark. Fürstl.Thurn u. Taxis Der weiteren Prüfung bleibt vorbehalten, ob Rentkammer Obermarchtal 447,59 Mark- nicht an Stelle des vorgesehenen L-Profil-Ober- baues D-Profil-Oberbau gewählt werden soll, was Aus dem Jahre 1913 stammte ein Vorschlag aus eine Erhöhung der Kosten um rund 194000 Mark dem Riedlinger Raum, die vorgesehene Fortset- verursachen würde. Das staatliche Anlagekapital zung der Strecke Biberach-Uttenweiler anstatt würde in diesem Fall 2428 000 Mark betragen. Die nach Munderkingen über Hailtingen nach Riedlin- Ausführung einer bei Biberach weiter nach Süden gen zu führen. Es wurde argumentiert, daß es bei ausbiegenden 674 m längeren Variante, mit der das diesem Projekt nur nötig sei, die wenigen Kilome- in der Nähe der Stadt gelegene, zum Teil von ge- ter von Uttenweiler nach Hailtingen neu zu bauen nehmigten Baulinien durchzogene Gelände um- und von Hailtingen bis die schon ge- gangen werden könnte, wird nur dann in Frage nehmigte Trasse der Kanzachtalbahn zu benützen, kommen, wenn die Beteiligten sich zur Über- welche zu jener Zeit noch nicht gebaut war.' Die nahme des größten Teils des Mehrbetrages der Diskussion über diesen neuen Vorschlag dauerte Baukosten mit 145000 Mark und der Grunderwer- lange genug, um den Bahnbau wieder zu verzö- bungskosten mit 42 000 Mark bereit erklären. gern. Dabei waren im Juni 1913 vom Landtag 3600000 Mark für den Bau neuer Nebenbahnen 5.) Ertragsrechnung bereitgestellt worden. Biberach-Uttenweiler mußte Die kommerzielle Bevölkerung beträgt 7200 also weiter warten. Und dann kam der Krieg. Alle Köpfe, die jährlichen Betriebseinnahmen sind zu Linien, mit deren Bau noch nicht begonnen war, 61000 Mark berechnet. Die Betriebsausgaben sind wurden auf Eis gelegt und auf "bessere Zeiten" bei vier täglichen Zugpaaren zu 50000 Mark ver- nach dem Krieg verschoben. anschlagt, sodaß sich ein Betriebsüberschuß von Immerhin war auch im Krieg das Projekt Biber- 11000 Mark ergibt. Dieser würde bei Annahme ei- ach-Uttenweiler nicht in Vergessenheit geraten. nes Zinsfußes von 4 % zur Verzinsung von 275 000 Am 1. Dezember 1917 wandte sich die renom-

Mark ausreichen, sodaß vom Staate ä fonds perdu mierte Berliner Spezialfabrik für Bahn-. Waggon- aufzuwenden wären bei Verwendung von D-Profil- und Lokomotivbau Orenstein & Koppel an die be- Oberbau 2153000 Mark, bei Anwendung des L- teiligten Oberämter mit einem Schreiben folgenden Profil-Oberbaues 1959000 Mark." Inhalts:"Nachdem seitens der Heeresverwaltung

14 Karte der revidierten Streckenfuhrunq. Vorlage: H. Willbold.

die Absicht besteht, für die Übergangs- und Frie- Wir sind selbstverständlich gerne bereit, auf denswirtschaft die Landkreise mit Feldbahnmate- Wunsch Kataloge,Prospecte und sonstige Unterla- rial aus den verfügbaren Beständen des Eisenbahn- gen allgemeiner Natur zur gefl. Durchsicht zur Ver- ersatzparks zu versorgen, haben, wie uns bekannt, fügung zu stellen. eine Anzahl von Kreisen den Wunsch, zur plan- Im falle Sie unsere Dienste in Anspruch zu neh- mäßigen Durchführung dieser Maassnahrne. sowie men wünschen, würde sich der Vertreter unserer zweckentsprechender Auswahl des Oberbaues und Filiale Straßburg die Ehre geben, seine Aufwartung Beschaffung geeigneten rollenden Materials, die zu machen. Irgendwelche Kosten oder sonstige Mitwirkung einer Unternehmer-Gesellschaft in Verbindlichkeiten erwachsen Ihnen durch den Be- Anspruch zu nehmen, die im Bereiche des Baues such unseres Vertreters nicht. von Feldbahnen eine führende Stellung einnimmt. Einer gefl. Nachricht entgegensehend, zeichnen Wir beehren uns deshalb, ergebenst mitzuteilen, wir daß wir hierfür unsere Dienste in Vorschlag brin- hochachtungsvol1st gen. Wir unterhalten eine besondere Bauabteilung. ergebenst welche Vorprojekte ausarbeitet, Vorschläge für die Orenstein & Koppel - Arthur Koppel Linienführung unterbreitet, späterhin auf diesbe- Aktiengesellschaft." züglichen Wunsch auch den Bau der Bahn über- Regierungsrat Wiegandt vom K. Württ. Oberamt nimmt oder durch Spezialingenieure überwacht. Riedlingen fügte dem Schreiben von Orenstein & Wir haben fernerhin Specialfabriken für die Anfer- Koppel handschriftlich hinzu:"Warum nicht für tigung von Ergänzungsmaterial jeder Art, sei es Uttenweiler-Biberach geeignet? Es dürfte sich Oberbaustoffe oder rollendes Material. Diese Fabri- empfehlen, vielleicht den Sachverständigen kom- ken kommen auch für die Vornahme etwaiger Re- men zu lassen! Nach dem Krieg wird es evtl. mit paraturen in Frage. dem Eisenbahnbau nicht viel werden. Die Firma ist Wir dürfen wohl voraussetzen, daß unsere Firma zu empfehlen." Regierungsrat Wiegandt schätzte in Bezug auf ihren Geschäftsumfang und ihre Or- die Aussichten für die Nachkriegszeit, wie aus sei- ganisation hinlänglich bekannt ist, um Ihnen die ner Bemerkung hervorgeht, richtig ein. Gewähr für sachgemäße und verstänclige Beratung Die Gemeinde Uttenweiler, der das Schreiben zu bieten. von Orenstein & Koppel zugeleitet wurde, war da-

15 von jedoch nicht begeistert und meldete folgenden Erwähnt sei noch, daß nach der Wallersteiner- Beschluß nach Riedlingen: "Das Kgl. Oberamt Denkschrift von 1902 die Linie von Uttenweiler übersandte ein Schriftstück von der Firma Oren- über Sauggart. Grundsheim. Rettighofen, Untersta- stein & Koppel in Berlin. die sich mit Feldbahnen u. dion, Bettighofen, Emerkingen nach Mundetkin- dergl. befaßt und bemerkt das Kgl. Oberamt. ob das gen verlaufen sollte. Zwischen Biberach und Utten- Unternehmen nicht für die Strecke Uttenwei- weiler hatte er die Trasse von Stafflangen an nicht ler-Biberach geeignet wäre. nach Attenweiler und Rupertshofen vorgesehen, Um ein Privatunternehmen kann es sich bei die- sondern über Schamrnach und Ahlen nach Utten- ser Strecke nie handeln und da die staatlich techni- weiler. schen Arbeiten soweit vorangeschritten sind, daß Bereits im März 1919 waren die Hoffnungen auf nach dem Krieg gleich begonnen werden kann und einen Weiterbau von Uttenweiler in Richtung Do- jedenfalls auch gleich begonnen wird, da die Ge- nau weitgehend verflogen, denn Schultheiß Traub meinde ja schon große Summen bezahlen mußte, von Uttenweiler beantragte am 25. März jenes Jah- wird beschlossen, sofort nach Friedensschluß alles res die Genehmigung einer Personen-Autoverbin- aufzubieten, damit die technischen Arbeiten sofort dung zwischen Uttenweiler und der an der Kan- wieder fortgesetzt werden und auch bald mit dem zachtalbahn liegenden Gemeinde Hailtingen mit Bauen begonnen wird. der Begründung, daß eine Weiterführung der Gemeinderat und Bürgerausschuß (Unterschrif- Bahnlinie Biberach-Uttenweiler, deren Bau dem- ten).s nächst in Angriff genommen werde, in absehbarer Kaum war der Krieg im November 1918 zu Ende Zeit nicht beabsichtigt sei.? gegangen, wurde einen Monat später im Staatsan- Einen Tag später bat die Gemeinde zeiger angekündigt, daß nunmehr der bereits vor die Amtsversammlung in Riedlingen um "Aufstel- dem Krieg vom Landtag genehmigte Bahnbau Bi- lung und Unterstützung eines Bahnbauprojekts berach-Uttenweiler nun doch in Angriff genom- von Hailtingen über Betzenweiler nach Uttenwei- men werden soll, um den Erwerbslosen Gelegen- ler und Biberach" .Die bürgerlichen Kollegien heit zu geben, Arbeit zu bekommen." schrieben: Durch diese unerwartete Botschaft (und noch "Wie allgemein bekannt wurde, soll am kom- vor der Unterzeichnung des Versailler Friedensver- menden Samstag den 29. März 1919 eine Amtsver- trages am 28. Juni 1919) regten sich wieder die Be- sammlung abgehalten werden und auf solcher fürworter der Bahn zwischen Donau und Riß, was auch die Eisenbahnfrage Biberach-Uttenweiler so- das große Interesse an diesem Bahnbauprojekt be- wie die Weiterführung nach Riedlingen bzw. Mun- weist. Zunächst waren es vor allem die Interessen- derkingen zur Erörterung kommen und Beiträge ten zwischen Uttenweiler und Mundetkingen. wel- bewilligt werden. che Wünsche anmeldeten. Zu jenem Zeitpunkt im Daß der große Ort Uttenweiler mit Umgebung Februar 1919 lag die Weiterführung von Uttenwei- eine Eisenbahnverbindung erstrebt und durch die ler nach Munderkingen immer noch im Bereich in Aussicht genommenen Notstandsarbeiten seine des Möglichen. So wandte sich am 9. Februar 1919 diesbezüglichen Ziele jetzt zu machen hofft, ist die Gemeinde Uigendorf an das Riedlinger K. Ober- mehr als begreiflich. Unverständlich scheint uns amt:"Die bürgerlichen Kollegien der hiesigen Ge- aber, daß in dem Bezirk Riedlingen anscheinend meinde haben in Erfahrung gebracht, daß der nichts unternommen wird, um in erster Linie die Bahnbau Biberach-Uttenweiler als Notstandsarbeit Verbindung Riedlingen-Uttenweiler sicher stellen zur Ausführung kommen soll. zu können und die Weiterführung nach Biberach Da die Möglichkeit vorhanden ist, daß die Bahn- in zweite Linie zu bringen. strecke von Uttenweiler weitergeführt wird, bitten Es ist allgemein bekannt, daß Biberach die Wei- die unterzeichneten bürgerlichen Kollegien ange- terführung nach Munderkingen und nicht nach sichts der weiten Entfernung zur nächstgelegenen Riedlingen zu seinen Bestrebungen macht. Dieses Bahnstation und der damit verbundenen Be- ist doch ganz besonders zu beachten und Riedlin- schwernisse in Anbetracht des Personen sowie des gen kann daher unmöglich untätig zusehen, wie Güterverkehrs um Weiterführung der Bahn von ein großer Teil seines Bezirkes in seinen geschäftli- Uttenweiler nach Zwiefaltendorf über Dieterskirch, chen Beziehungen an Biberach und Munderkingen Uigendorf, Dietelhofen und ersuchen um wohl- gefesselt werden und Riedlingen verloren gehen wollende Erwägung und Berücksichtigung. sollte. Bei dem heutigen Mangel an arbeitswilligen, Gemeinderat und Bürgerausschuß." geübten Erdarbeitern, der ungeheuerlichen Lohn- Diesem Schreiben schlossen sich an forderungen und Materialpreise. dürfte die Bahn am 11. Februar 1919 die bürgerlichen Kollegien Biberach-Uttenweiler einen Kostenaufwand von 4 von Dietelhofen, bis 6 Millionen Mark, eine Bahn von Hailtingen am 16. Februar 1919 die bürgerlichen Kollegien nach Uttenweiler kaum 1 Million Aufwand erfor- von Dieterskirch, dern. Ob Uttenweiler unter diesen Verhältnissen am 18. Februar 1919 die bürgerlichen Kollegien eher eine Verbindung mit Biberach als mit Riedlin- von Dietershausen. gen erlangen kann, dürfte bei gründlichem Stu- am 23. Februar 1919 die bürgerlichen Kollegien dium der heutigen Finanzlage, sehr zweifelhaft er- von Oberwachingen, scheinen. am 02. März 1919 die bürgerlichen Kollegien Bei unseren ganz trostlosen finanziellen Verhält- von Zwiefaltendorf.8 nissen und den vielen Ansprüchen nach weiteren

16 Bahnverbindungen wird in Stuttgart ein billiges man schon froh über den zugesagten Bau der Projekt viel mehr Aussicht auf Genehmigung fin- Strecke nach Uttenweiler und rechnete mit dem den wie ein so teures Projekt Biberach-Uttenwei- Arbeitsbeginn im Sommer 1919. Da erhielt der Ge- ler. meinderat Biberach am 7. Juli 1919 ein Gesuch der Daß heute nur Biberach-Uttenweiler als sog. bürgerlichen Kollegien von Reute mit der Bitte um Notstandsprojekt genannt wird, mag wohl auch da- Zustimmung zur Abänderung der Eisenbahn Biber- her kommen, daß solches von Biberach aus eifrigst ach-Uttenweiler in Form einer Führung der Trasse betrieben wird, während man in Riedlingen un- über den Ort Reute. schlüssig zuwartet bis es zu spät ist. Wenn Biber- Der Biberacher Stadtrat behandelte das Gesuch ach-Uttenweiler normalspurig gebaut ist, kommt in seiner Sitzung vom 19. Juli 1919. In dem Bericht jedenfalls für die Weiterführung niemals Riedlin- darüber ist zu lesen: "Schon in der letzten Sitzung gen, sondern nur Munderkingen in betracht. wurden schwere Bedenken dagegen geäußert, daß Das besser durchführbare, weil viel billigere, Pro- jetzt noch unmittelbar vor dem Beginn der Bauar- jekt ist Riedlingen-Uttenweiler. Die schmalspurige beiten Versuche gemacht werden, um die Trasse zu Weiterführung nach Biberach schließt die ändern. Die Frage der Führung der Bahn in Rich- gleichspurige Bahn Biberach- an die tung Reute war seinerzeit nach allen Richtungen Kanzachtalbahn an, was für beide Bahnen von hin ernstlich abgewogen worden. Die Trasse der großem Vorteil wäre und einen Ausgleich in den Bahn von hier beim Tannenkeller vorbei nach Mit- Betriebsmitteln sehr erleichtern würde. telbiberach ist gesetzlich festgelegt; eine Änderung Es müßte doch sehr im Interesse von Uttenwei- daher nur auf gesetzlichem Wege möglich. ler liegen, wenn es in erster Linie mit seiner Ober- Aufgrund der im Saal aufliegenden Pläne wurde amts stadt durch eine Eisenbahn eine bessere Ver- dem Gemeinderat von maßgebender technischer bindung erhalten könnte und die Weiterführung Seite eingehender Vortrag über das Verhältnis der nach Biberach auf spätere, billigere,Zeiten verlegt bereits gesetzlich verabschiedeten Bahnführung zu würde. der von der Gemeinde Reute erstrebten Bahnrich- Ein Projekt mit einem Aufwand von einer Mil- tung erstattet. Die letztere wäre etwa 1100 mund lion müßte doch viel mehr Aussicht auf Erfolg ha- bei einer weiter ausholenden Variante sogar ben, wie ein Projekt, das 4 oder gar 6 Millionen ver- 2000 m länger als bei der genehmigten Linie. Da- schlingt. durch würden sich Fracht- und Tarifkosten sehr er- Die Gemeinde Betzenweiler mit Bischmanns- höhen. hausen, bittet die Amtsversammlung bei den geeig- Von wesentlichem Einfluß bei der Beurteilung neten Behörden entsprechende Anträge zu stellen der zwei Projekte sind die Höhenverhältnisse. Die und für Aufstellung eines Projekts besorgt sein zu höchste Steigung soll mit Rücksicht auf die Bedeu- wollen. Für die nötigen Grunderwerbungen und tung der Bahn, die für später als Durchgangsbahn Vorarbeiten stellt die Gesamtgemeinde Betzenwei- ausgebaut werden soll(!), das Verhältnis von 1:40 ler einen Betrag von 50000 Mark in Aussicht. nicht übersteigen. Diese Grenze könnte bei dem Auch Buchau dürfte ein sehr großes Interesse Projekt über Reute nicht eingehalten werden. Bei daran haben, daß es über Hailtingen eine Eisen- dem neuen Plan müßte 30 m auf die Höhe gegen bahnverbindung mit Uttenweiler und Umgebung Rindenmoos gestiegen und an der Höhe gegen erlangen kann und unser Projekt daher tatsächlich Reute 30 m abgestiegen, also eine verlorene Stei- unterstützen wolle. gung überwunden werden. Diese verlorene Stei- Daß Uttenweiler zum Bezirk Riedlingen und gung wäre für den Betrieb insofern von betriebs- nicht zu Biberach gehört, sollte hier doch aus- technischem Nachteil, weil kurz nach Verlassen des schlaggebend sein und im ganzen Bezirk eine leb- Bahnhofes Biberach eine große Höhe zu überwin- hafte Agitation für benannte Sache zur Folge ha- den wäre, und in umgekehrter Richtung die Ma- ben, eine solche könnte jetzt noch besten Erfolg ha- schine fortwährend unter starkem Dampf gehalten ben, später nicht mehr. Die Sache liegt also sehr werden müßte, um kurz vor dem Endziel noch die dringlich und sollten sofort geeignete Schritte ein- große Steigung zwischen Reute und Biberach zu geleitet werden, darum bitten wir die Amtsver- überwinden. sammlung nochmals dringend. Die Betriebskosten würden dadurch enorm ge- Für die Gemeinde Betzenweiler: steigert und auch die Fahrzeit wesentlich verlän- Gemeinderat und Bürgerausschuß."10 gert werden. Wie nicht anders zu erwarten, landete das Besonders groß trete der Unterschied in die Er- Schreiben bei den Akten in irgendeiner Schublade. scheinung, wenn man das virtuelle Verhältnis der Zu Beginn des Monats Mai 1919 brach der Zen- beiden Projekte in Betracht ziehe, wobei sich das trumsabgeordnete Graf in der württembergischen neue Projekt annähernd um 100% ungünstiger ge- Landesversammlung trotz der desolaten Finanzver- stalten würde als das bereits genehmigte. hältnisse des Staates ein weiteres Mal eine Lanze Aus der Mitte des Gemeinderates wurde be- für die Fortsetzung der Bahn Biberach-Uttenweiler merkt, daß es überrasche, den Plan über Reute nach Munderkingen. Gleichzeitig legten sowohl er nochmals aufzugreifen. Die Frage, ob die Bahn als auch andere Abgeordnete der Regierung ans nicht über Reute geführt werden soll, sei im Jahre Herz, bei den bevorstehenden Bauten das heimi- 1909 von den Gemeindekollegien in Gegenwart sche Handwerk möglichst zu berücksichrigen.!' von Vertretern der Eisenbahnverwaltung - Oberfi- Auch dieser Vorstoß nützte nichts. In Biberach war nanzrat Leo und Oberbaurat Hebsacker - nach al-

17 len Richtungen hin eingehend erwogen worden. um eine Führung der Bahn Biberach-Uttenweiler Damals haben die Vertreter der Generaldirektion über Reute zu erreichen. Die Reaktion des Biber- der Staatseisenbahnen erklärt, daß das Projekt über acher Stadtrates war eindeutig: In der Befürchtung, Reute wegen der technischen Schwierigkeiten ein daß durch diese Vorstellungen die Ausführung der für allemal ausscheide. Für die Eisenbahnverwal- Bahn nur eine große Verzögerung erfährt, die un- tung gebe es keine andere Lösung als die Führung ter Umständen der Sache sehr schaden kann, faßte der Bahn beim Tannenkeller vorbei. er den einstimmigen Beschluß, den Stadtvorstand Die Gemeindekollegien, darunter einige ent- zu ersuchen, an die Regierung in Stuttgart das drin- schiedene Vertreter der Bahn über Reute, mußten gende Ersuchen zu stellen, den Bahnbau nach dem bei den überzeugenden Ausführungen von damals alten, längst genehmigten und wohlgeprüften Pro- das Reutener Projekt als völlig aussichtslos erken- jekt Biberach-Mittelbiberach-Stafflangen ohne nen. Von anderer Seite aus der Mitte des Gemein- Umweg über Reute auszuführen.v derates wurde dagegen der Linie über Reute das Nun konnte der Bau beginnen. Inzwischen war Wort geredet. Für die Linie über Reute würden es Spätherbst 1919 geworden. Bereits im Oktober weit eher volkswirtschaftliche Gründe sprechen: trat jedoch ein schlimmer Kohlenmangel und in 1000 Menschen mehr bekämen in diesem Falle seinem Gefolge auch Störungen und Unterbre- Anschluß an die Bahn. Von großer Bedeutung sei chungen in der Elektrizitätsversorgung ein. Wer auch der bei Reute gelegene Staatswald von etwa auf Torf auswich, mußte dafür den fünffachen Preis 7000 Hektar. Nicht zu vergessen sei auch die bei ei- wie zuvor bezahlen. Vom 5. bis zum 15. November ner Bauausführung über Reute zu vermeidende wurde sogar der gesamte Personenverkehr auf al- Verschandelung des Stadtbildes bei der Waldseer len Bahnstrecken eingestellt. Solche Tatsachen wa- Straße (neues Hospital!) durch den vorgesehenen ren dem eben begonnenen Bahnbau naturgemäß großen unschönen Bahndamm. nicht förderlich und verlangsamten ihn ungemein. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte beschloß Dabei konnte Biberach froh sein, daß mit dem Bau der Gemeinderat, an den früheren Entscheidungen schon begonnen worden war, weil in Stuttgart festzuhalten. "12 noch im November 1919 beschlossen wurde, über- Die Gemeinde Reute ließ jedoch nicht locker. haupt keine Nebenbahnen mehr zu bauen. Auch Am 22. August 1919 wurde sie nochmals vorstellig, das Deutsche Reich wollte nur noch dann bauen,

Die heutige Kolpingstraße im Jahr 1929 mit der Bahnbrücke. Aus: 1(. Diemer, Alt-Biberach. Biberach 1990.

18 Stadtplan von Biberach aus dem Jahre 1946 mit Einzeichnung des Uttenweiler Bahndammes. Vorlage: Kreisarchiv Biberach.

wenn die beteiligten Gemeinden neben dem Am Tannenkeller wurde ein Dampfbagger aufge- Grunderwerb außerdem die Hälfte der Herstel- stellt, der die Aushubarbeiten für den Bahnein- lungskosten übernehmen. schnitt wesentlich erleichterte. Das erste Baulos umfaßte die Strecke vom Bahn- Bis Ende Januar 1920 waren die Bodenaushe- hof Biberach bis zur Überquerung der Saulgauer bungen nördlich und südlich der Riß abgeschlos- Straße und war 2,011 km lang. Dieser Bauabschnitt sen, ein neuer Fußweg über die Wiese angelegt und beinhaltete den Bau einer Brücke über die damals die weiter westlich gelegene Trasse bis zur Waldseer noch nicht verlegte Riß auf dem Areal des heutigen Straße freigelegt. Es folgten vier Brückenbauten Sportplatzes bei der Adenauerallee sowie einen (Hochwasserkanalbrücke mit 4 m lichter Weite bei Hochwasserdurchlaß dicht daneben, ferner je eine km 0+610, Rißbrücke mit 12 m lichter Weite bei Brücke über die Waldseer und Rollinstraße und ei- km 0+840, Rollinstraßenbrücke mit 13 m lichter nen Fußgängerüberweg westlich davon. Außer- Weite bei km 1+041, Waldseer- und Paradies- dem mußte beim Tannenkeller ein Bahneinschnitt straßenbrücke mit 36 m lichter Weite bei km ausgehoben werden, dessen Aushub zur Auffül- 1+230), dazu ein Fußwegübergang beim Tannen- lung des Wiesengeländes bzw. Aufschüttung des keller bei km 1+396) und die Aufschüttung des ma- Bahndammes zwischen Bahnhof und Waldseer ximal 35 m breiten und 8 m hohen Dammes, der Straße diente. Für die Bauarbeiten wurde zunächst nach einem Bogen über den heutigen Sportplatz eine Notbrücke über die Riß erstellt, um die Mate- neben der Adenauer-Allee bis in die Nähe der Süd- rialtransporte bzw. Bodenaushebungen im Bereich bahn -Trasse fertig wurde. Er hatte insgesamt einen der Pflugwiesen zu ermöglichen. Rauminhalt von etwa 35000 Kubikmetern. Ebenso war, um den Aushub beim Tannenkeller Bei diesen Bauarbeiten kam es am 9. September in das besagte Wiesengelände transportieren zu 1920 noch zu einem tödlichen Unfall, als der etwas können, der Bau einer Schienen-Rollbahn nebst über 60 Jahre alte Schmied und Bahnarbeiter Jo- ebenengleicher Kreuzung dieser Feldbahn mit der hannes K. in der Nähe des Schnittpunktes der Waldseer und (damaligen) Paradiesstraße erforder- Bahnlinie mit der Straße nach Reute von abstür- lich. Die ausführende Firma Wayß & Freytag AG zenden Erdmassen verschüttet wurde.i- aus Stuttgart erhielt dafür am 14. November 1919 Noch nicht einmal 2 Monate später war bereits unter Auflagen die behördliche Genehmigung. alles vorbei. Erst war es nur ein Gerücht in der

19 Geplante Überführung der Straße nach Mittelbiberach über die Bahn

o 1. 3 5""m "-----<-_'----'-----L_I

Plan der Brücke über die Mittelbiberacher Steige. Vorlage: H. Willbold.

Stadt. Bald war es amtlich: Der Bahnbau wird ein- Alles Hoffen auf Entgegenkommen nützte gestellt. Im Biberacher Gemeinderat empfand man nichts: Der Staat hatte durch die Lasten des verlo- es in der Sitzung vom 3. November 1920 als Rück- renen Krieges ganz einfach andere Sorgen. So blie- sichtslosigkeit seitens des Staates gegenüber den ben außer der Linie Biberach-Uttenweiler in Würt- beteiligten Gemeinden, keine weiteren Mittel für temberg noch zwei weitere Bahnprojekte auf der den Bahnbau nach Uttenweiler zur Verfügung zu Strecke: Dornstetten-Pfalzgrafenweiler und das stellen. Der Abgeordnete Baur vom Zentrum hatte Reststück Reichenbach-Nusplingen. Im unmittel- deshalb in dieser Angelegenheit im Landtag eine bar benachbarten badischen Grenzgebiet fiel die Anfrage an die Landesregierung gerichtet. Diese Linie Bretten-Kürnbach dem Geldmangel zum wurde vom Finanzminister Liesehing dahingehend Opfer. beantwortet, daß eine Inanspruchnahme des Dann begann die Inflation. Im Weltkrieg hatte Staatskredites für die Interessen von Gemeinden der Verfall der deutschen Währung angefangen. und Amtskörperschaften nicht eher in Frage kom- Mehr als 100 Milliarden Mark Kriegsanleihen, weI- men könne, als bis alle Möglichkeiten, sich durch che die Deutschen während des Krieges gezeichnet Beschaffung eigener Kredite die nötigen Gelder zu hatten, waren zu verzinsen.Zahlreiche Erwerbs- beschaffen, erschöpft seien. Es sei beispielsweise lose und Flüchtlinge waren zu unterstützen. Da die der Teuringer-Tal-Bahn gelungen, einen Betrag Wirtschaft darniederlag. waren die Steuereinnah- aufzubringen, der voraussichtlich zur Fortführung men gering. Zudem waren immense Reparations- der Bauarbeiten ausreiche. Auch die Zweigstelle zahlungen in zunächst noch unbestimmter Höhe des Reichsverkehrsrninisteriums in Stuttgart sei zu erwarten. Im April 1921 wurden von den Sie- entschlossen, für ein weiteres Entgegenkommen germächten Zahlen genannt: 132 Milliarden Gold- des Reiches einzutreten.'> mark, eine unvorstellbare Summe. Im November Die Planung für das zweite Baulos war nach eini- 1923 war eine Goldmark schließlich 1 Billion Pa- gen Änderungen nahezu abgeschlossen, so daß ei- piermark wert. Unter solchen Verhältnissen war an nem Weiterbau von dieser Seite nichts im Wege ge- eine Fortsetzung des eben begonnenen Bahnbaues standen wäre. Im Wolfental war über den Krumm- nicht zu denken. bach bei km 2,674 eine Brücke mit 16 m lichter Ein weiterer Unsicherheitsfaktor in Sachen Bahn Weite vorgesehen. Der das Tal überquerende waren die Bestimmungen des "Staatsvertrages über Damm wäre bei über 35 m Breite auch rund 9 m den Übergang der Staatseisenbahnen auf das hoch geworden. Reich" vom 29. April 1920, der in Absatz 1 des § 17 Probleme bereitete die Überquerung der Mittel- bestimmte: "Das Reich ist verpflichtet, die von den biberacher Steige. Hierfür standen zwei Lösungen Ländern begonnenen Bauten fortzuführen, soweit zur Wahl. Die eine sah einen schienengleichen das Bedürfnis in unveränderter Weise fortbesteht Straßenübergang bei km 3+570 vor.Hierbei wäre und nicht Rücksichten auf die wirtschaftliche Lage es aber nötig gewesen, die Straße an dieser Stelle der Reichseisenbahnen entgegenstehen." Ein U-förmig nach Nordnordwest auszubiegen. Die an- Gummiparagraph also! Nachdem ab 1924 die deut- dere Variante beließ die Steige in ihrer Linie, führte sche Industrieproduktion wieder angestiegen war, sie aber in einer Brücke mit 19,8 m lichter Weite besserte sich nach und nach die Lage der Staatsfi- bei km 3+180 über das Gleis. Die Baukosten für nanzen. Aber auch der Straßenverkehr war stark diese Brücke hatte man mit 22000 Mark veran- angewachsen. Das Automobil fing an, die Land- schlagt. Sie wäre (Mitte der Brücke) 145 m nach straßen zu beherrschen. der Abzweigung der Mittelbiberacher Steige von Dennoch hatte man in Biberach die Hoffnung der Bundesstraße 312 errichtet worden. 16 noch nicht aufgegeben. Im Juni 1924 wurden die

20 beiden Abgeordneten Dr. Schermann und Dangel Vor allem möchte ich darauf hinweisen, daß vom Zentrum mit einer Kleinen Anfrage wegen des auch rechtliche Fragen damit zusammenhängen. Bahnbaues Biberach-Uttenweiler im Landtag aktiv. Die Gemeinden, die Stadt Biberach. das gewerb- Anfang September 1924 richteten die beiden Abge- same Uttenweiler usw. haben seinerzeit Beiträge ordneten eine weitere Kleine Anfrage an das geleistet, und nun riskieren wir, wenn wir nicht je- Staa tsministerium: des halbe Jahr oder jeden Augenblick, wenn sich "Vor kurzem erfolgte die Nachricht von der Gelegenheit bietet, immer wieder einen Vorstoß Eröffnung einer neu gebauten Teilstrecke der Ko- machen, daß über dieses schöne, einst so hoff- chertalbahn. Ist das Staatsministerium bereit, bei nungsvolle Projekt das Präriegras der Vergessenheit dem Reichsverkehrsministerium nachdrückliehst wächst und daß vielleicht nach ein paar hundert dafür einzutreten, daß nunmehr auch die im Jahre Jahren die Tübinger Archäologen ihre Excursionen 1919 begonnenen, aber nach Vollendung des er- dahin machen und daß es ihnen dann geht, wie es sten Bauloses abgebrochenen Bauarbeiten der dem lieben Steimle selig mit Caesar gegangen ist, Bahnlinie Biberach-Uttenweiler, für deren Weiter- daß auf einer dieser Excursionen ein Stein gefun- führung dringende wirtschaftliche Gründe spre- den wird, auf dem steht: Die deutsche Reichseisen- chen, und zu deren Grunderwerbskosten eine An- bahnverwaltung ihrem lieben Oberland.:"! zahl von Gemeinden namhafte Beiträge leisteten, Auch in Biberach blieb man nicht untätig. Am wieder aufgenommen werden?" 30. Januar 1927 fand im "Schützenkeller" eine Der Staatspräsident beantwortete diese Anfrage große öffentliche Versammlung unter Vorsitz des wie folgt: "Die allgemeine Finanzlage der Reichs- Reichstagsabgeordneten Groß statt. Der Massen- bahn wird eine Förderung des Baues der Bahn Bi- andrang zu dieser Veranstaltung bewies das große berach-Uttenweiler in absehbarer Zeit nicht zulas- Interesse aller Bevölkerungskreise am Weiterbau sen. der Bahnlinie Biberach-Uttenweiler. Stadtschult- Im ganzen Reich wurden derartige Nebenbahn- heiß Hammer, Biberach. führte aus, daß das Pro- bauten, die hohe Baukosten und dauernde Be- jekt des Bahnbaues Biberach-Uttenweiler und die triebszuschüsse erfordern und nur in kleinen Teilen Fortsetzung Uttenweiler-Munderkingen zurück- in Angriff genommen waren, stillgelegt. gehe auf das Jahr 1902. Im Jahre 1927 könne man Von der 24 km langen Nebenbahnstrecke Biber- nun glücklich das 25jährige Jubiläum des Wartens ach-Uttenweiler ist bis jetzt nur der Unterbau auf auf die Bahn feiern. Es sei vielleicht anzunehmen, etwa 2 km Länge hergestellt. Die für die Reststrecke daß man nicht mehr weitere 25 Jahre zu warten von der Amtskörperschaft erworbenen Grund- brauche. Nach langen Vorarbeiten und Vorbespre- stücke wurden dieser zur Verpachtung an die chungen sei es endlich im Jahre 1919 gelungen, im früheren Besitzer wieder überlassen. Landtag den Beschluß herbeizuführen, mit den Die Kochertalbahn. deren Bau auch eingestellt Vorarbeiten des Bahnbaues zu beginnen. Während war, wurde fertiggestellt, weil die Gemeinden die der Kriegs- und Inflationsjahre hätte der Weiterbau erforderlichen Baukosten ganz aufgebracht ha- eingestellt werden müssen. In dem Eisenbahn- ben."17 darnm. der die Stadt umgibt, erblicke man einen Im Februar 1925 sprach der Abgeordnete Dr. steten Mahner, die Weiterarbeiten am Bahnbau Schermann vom Zentrum vor dem Landtagsple- nicht dauernd zu vergessen. Es habe sich in der num in Stuttgart: "Herr Staatsrat Rau hat uns letzt- Zwischenzeit durch die Einführung der Autolinien hin von vier Bahnbauten gesagt, welche die Favo- eine Änderung vollzogen. Doch könnten diese die riten jetzt in diesem Schnellauf nach dem Ausbau Bahn nicht in allen Dingen ersetzen. Die Verpflich- seien. Da haben wir das Gefühl, daß es bei uns aus- tung des Reiches zur Fortführung der begonnenen ging. Dort ist die Bahn Biberach-Uttenweiler, um Bauten ist in § 17 des Staatsvertrages ausdrücklich die sich früher die angesehensten Abgeordneten von der Leistungsfähigkeit der Reichsbahn abhän- dieses Hauses, wenn sie auch alle zu unserer Frak- gig gemacht. Der Reichstagsabgeordnete Groß er- tion gehörten, herumgekämpft haben, bis man sie klärte:"Ich bin gewillt, Ihnen zum Ausbau der schließlich zugesagt bekam. Bahn Biberach-Uttenweiler zu verhelfen. Es muß Jetzt ist sie ein Torso; außer den Plänen, Messun- alsbald an die praktische Ausführung herangegan- gen usw. und einem Kunstbau bei Biberach ist gen werden. Die Reichsbahndirektion Stuttgart ist nicht viel weiter geschehen. Wir haben vor einiger nicht für den Bahnbau Biberach-Uttenweiler. Die Zeit eine Anfrage in der Sache an die Regierung ge- Bahn wird aber trotzdem gebaut!" richtet. Die kleinen Anfragen regen ja weder die Dafür erhielt er Beifall. Weiter führte er aus: "Es Presse noch das Publikum auf. Jetzt stehen wir vor ist richtig, daß die Reichsbahndirektion Stuttgart der Tatsache, daß wir wieder nicht zu den Privile- noch wichtigere und notwendigere Dinge zu erle- gierten gehören. digen hat als den Bahnbau Biberach-Uttenweiler. Es ist bei uns jetzt droben in diesem gewerblich Ich gehe aber von dem Standpunkt aus, daß die und landwirtschaftlich wohl bedeutenden Gebiet Verkehrsverhältnisse Oberschwabens einer drin- und den miserablen Verkehrsverhältnissen die genden Verbesserung bedürfen." Frage, ob nicht eine Autolinie eingerichtet werden Es folgte eine Aussprache. In dieser sagte Schult- könnte, und wenn wir jetzt schon keine Bahn be- heiß Rau aus Uttenweiler, daß die Bestrebungen kommen, so wünschen wir, daß von seiten der um eine Bahnlinie Biberach-Uttenweiler schon Reichs-Eisenbahn eine Beteiligung an dieser Auto- beinahe 40 Jahre zurückliegen. Eine große Begei- linie uns zugesichert werde. sterung habe eingesetzt, als dieser Wunsch 1913

21 der Erfüllung nahezukommen schien. Nun heiße ten. Für den Bau einer Nebenbahn war nichts mehr es nach der ganzen Lage der Dinge, die eigenen übrig. Dann kam der Nationalsozialismus mit Hit- Kräfte zu regen. Stadtschultheiß Hammer schloß lers Machtübernahme 1933. Das Ermächtigungsge- dann die Diskussion. Schließlich wurde noch eine setz vom selben Jahr schaltete den Reichstag als Resolution gefaßt: "Am 30. Januar 1927 hat im Gesetzgeber aus.Die NSDAP mit ihrem praktizier- Schützenkeller zu Biberach eine von annähernd ten Führerstaat war dem zentrumsorientierten 700 Teilnehmern besuchte Versammlung in Sachen schwäbischen Oberland nicht grün. Die Bahnbau- der Fortführung des Bahnbaues Biberach-Utten- pläne Biberach-Uttenweiler verschwanden in der weiler stattgefunden. Die Teilnehmer, welche sich untersten Schublade. Inzwischen hatte das Auto- aus Vertretern der beteiligten Gemeinden und mobil seinen Siegeszug auf Deutschlands Straßen Wirtschaftskreise derselben zusammensetzten, ste- endgültig angetreten. Die Bahn verlor mehr und hen einmütig auf dem Standpunkt, daß die alsbal- mehr ihre Vorherrschaft in Transportfragen. dige Fertigstellung der Bahn eine zwingende Not- So konnte man schließlich in der Tagespresse fol- wendigkeit ist für die wirtschaftliche Entwicklung gende Kurznotiz lesen: Der Herr Reichsverkehrsmi- des in Betracht kommenden Bezirks und seiner Be- nister hat am 10. März 1938 verfügt, daß von der völkerung in Stadt und Land. Fertigstellung der begonnenen Nebenbahn Biber- Nachdem der Bahnbau schon seit Jahrzehnten ach-Uttenweiler endgültig abgesehen wird." ersehnt wird, müßte eine weitere Hinausschiebung Jahrzehntelange Bemühungen und buchstäblich der schon früher begonnenen und wieder einge- unzählige Briefe, Stellungnahmen, Anträge, Bitten, stellten Arbeiten als Zurücksetzung der berechtig- Resolutionen, Hoffnungen und Vorschläge waren ten Verkehrsinteressen eines so wichtigen Wirt- damit umsonst gewesen. Wie in einem totalitären schaftsgebietes betrachtet werden, zumal man im- Staat nicht anders zu erwarten, wurde von einem mer wieder die Erfahrung machen muß, daß das öffentlichen Protest nichts bekannt. Wer anderer Oberland vernachlässigt wurde. Meinung war, behielt diese lieber für sich. Die Weiterführung der Arbeiten ist aber auch ein Im Zusammenhang mit der eben genannten Ent- geeignetes Mittel. um die Arbeitslosigkeit mit ihren scheidung des Reichsministers für Verkehr erhiel- bekannten Nachteilen für Stadt und Wirtschaft zu ten die Gemeinden Biberach. Mittelbiberach. Ah- mildern. len, Attenweiler, Stafflangen, Rupertshofen. Utten- Die Versammlung richtet deshalb an alle in Be- weiler und Oggelsbeuren im Jahre 1938 die tracht kommenden Instanzen, vor allem an die Summe von 69066 RM für ihre Aufwendungen Reichsbahndirektion. sodann aber auch an Reichs- zum Bahnbau. Dies wurde von Biberach jedoch und Landesregierung, an Reichs- und Landtag die nicht anerkannt. weil "durch den bestehenden dringende Bitte, alles zu tun, um das angestrebte Bahndamm quer durch das Rißtal die Entwicklung Ziel in Bälde zu erreichen. der Stadt sehr stark gehemmt ist und die Entfer- Ein Komitee aus Vertretern jeder Gemeinde un- nung dieses Bahnkörpers so teuer zu stehen ter Zuziehung von geeigneten Interessenten aus kommt, daß diese Belastung der Stadt nicht zuge- Wirtschaftskreisen unter Beteiligung der Amtskör- mutet werden kann und darf".22 perschaften soll diesen Beschluß weiterleiten und Kriegsvorbereitungen. etwa in unserem Raum in geeigneter Weise vertreten."!" die Anlage der Flugplätze Baltringen, Rißtissen-Er- Nach gebührender Prüfungsfrist erhielt der singen, Reichenbach-Schussenried und Mengen Reichstag am 16. Dezember 1927 eine Liste der zu waren wichtiger als der Bau einer Nebenbahn. bauenden Bahnen. Darin stand die Bahn Biber- Wieder waren nach 1945 die Folgen eines verlo- ach-Uttenweiler mit einer Länge von 21 km und renen Krieges zu verkraften und dazu hin der Wie- Baukosten von 3,7 Millionen Mark an erster Stelle. deraufbau der zerstörten Städte in die Wege zu lei- Ein beigefügter Vermerk war jedoch nicht zu über- ten. Man hatte ganz einfach andere Sorgen und sah sehen, der besagte, das Programm sei zwar fertig, überdies die Zukunft des Verkehrs auf der Straße. aber noch nicht finanziert.w Dabei blieb es So faßte der Biberacher Gemeinderat am 21. No- schlußendlich auch. vember 1947 erstmals den Entschluß, den Bahn- Die nächste Kleine Anfrage der Abgeordneten damm abzutragen. Er war zu einem Hindernis für Dr. Schermann und Dangel im Stuttgarter Landtag die Entwicklung der Stadt geworden. Man war in- wegen der Eisenbahnfrage Biberach-Uttenweiler zwischen froh, daß das zweite Baulos nicht auch folgte im Januar 1928. Sie blieb wiederum ergeb- realisiert worden war, weil sonst der Bahndamm nislos. 1929 kam die Weltwirtschaftskrise. Diese quer durch das Wolfental zu einem weiteren Hin- traf Deutschland besonders hart, weil keine finan- dernis für die Stadterweiterung geworden wäre.v ziellen Reserven vorhanden waren. Ein Teil der In Uttenweiler hatte man die Hoffnung indessen vom Ausland gewährten Kredite wurde abgezogen. noch nicht aufgegeben: Am 4. Februar 1949 bat Ut- Im Jahr darauf wurde Dr. Brüning Reichskanz- tenweiler die Stadt Biberach. den Bahndamm nicht ler. Er erließ mit der Rückendeckung des Reichs- abzutragen. Man rechnete dort also nach wie vor präsidenten v. Hindenburg Notverordnungen zur mit einer eventuellen Wiederaufnahme des Bahn- Erhöhung von Steuern und Zöllen und zur rigoro- projekts.> Es war zu spät, wenn es auch nicht sen Kürzung der Staatsausgaben. Damit war dem schnell ging. Biberacher Bahnprojekt jegliche Basis entzogen. Der Bahndamm war in den Jahren seiner Exi- Beim Bankkrach vom Juli 1931 war wiederum der stenz zu einem beliebten Promenadenweg gewor- Staat gefordert, um die Einlagen der Sparer zu ret- den. Da es nicht sehr einfach war, ihn zu ersteigen,

22 Das einstige Freibad an der Riß mit dem Uttenweiler Bahndamm. Aus: Dieter Stievermann, Geschichte der Stadt Biberach. Stuttgart 1991. waren mehrfach in der Öffentlichkeit Vorschläge Firma Fritz Grüner vergeben. Sein Angebot war gemacht worden, Stufen anzubringen. Die Stadt zwar nicht das billigste; da er aber Biberacher Ge- wollte aber schon aus Haftungsgründen nichts da- schäftsmann war und Arbeitsplätze anbot, kam er von wissen. Überdies hätte man auch noch weitere zum Zuge. Er hatte die Arbeiten als Notstandsarbeit Investitionen unternehmen müssen, um den mit 102655 DM angesetzt, fakultativ als freies Un- Bahndamm wegen seiner mangelhaften Krone, ternehmen mit 66600 DM.26 Im März wurde mit wegen der Steilheit der Flanken und ungenügen- den Baggerarbeiten begonnen. Das Material des den Sicherung der Brücken gegen Unfälle von Spa- Bahndammes diente der Auffüllung der Pflugwie- ziergängern zu sichem.v sen und am Ablaßkanal. Am 17. Januar 1953 schrieb die .Stuttgarter Zei- Als der Damm abgetragen war, standen nur noch tung": "Dieser alte Bahndamm, auf dem nie eine die drei Brücken einsam und merkwürdig störend Bahn gefahren ist, der aber dafür die Ausdehnung im Gelände. Diese drei Brücken (Riß, Rollin- und der Stadt nach Südosten an der Ravensburger Waldseer Straße) waren schwere Brocken, denen Straße gründlich behinderte, war der Stadt längst nur durch Sprengung beizukommen war. Zu ihrer ein Dorn im Auge ...Wenn in diesem Jahr das we- Beseitigung war nach verschiedenen Umfragen die nig erfreuliche Ungeheuer samt der Brücke über Grenzschutzabteilung Baus Holzminden in Nieder- die Ravensburger Straße verschwunden sein wird, sachsen "engagiert" worden. Am 10. September bietet sich der Stadt die Möglichkeit, nicht weniger 1953 kamen daher 104 Mann unter Führung von als 66000 Quadratmeter Bauland zu erschließen." Hauptmann Hampe nach Biberach. Sie legten Si- Im selben Monat wurde auch damit begonnen, die cherheitsabstände im Umkreis von 150 m um die Bahnparzellen westlich der Felsengartenstraße zu Brücken fest und untersuchten letztere in bezug einem Quadratmeterpreis zwischen 3 und 8 DM an auf den verwendeten Beton, der sich als außeror- die Anlieger und Bauinteressenten zu verkaufen. dentlich hart erwies. Hunderte von Sprenglöchern Einen Monat darauf wurden die Arbeiten zur mußten gebohrt werden, da die Nähe von Wohn- Beseitigung des Bahndammes öffentlich ausge- häusern nur die Verwendung schwacher Ladungen schrieben. Sie wurden schließlich an die Biberacher zuließ. Zusätzlich mußten die nahen Häuser durch

23 hohe Drahtgitter und zahlreiche Strohballen gesi- war die zu sprengende Rißbrücke. 1953 war dort chert werden. schon keine Riß mehr, weil diese inzwischen über Am 11. September wurden die Sprengungen die Bahnlinie Ulm-Friedrichshafen hinüber nach durch eine öffentliche Bekanntmachung in der Ta- Osten verlegt worden war. Nun kommt man auf gespresse angekündigt und Verhaltensmaßregeln die Königsbergallee. die heute genau auf der Bahn- erlassen. Das Sprengkommando gab der Rißbrücke trasse verläuft. Bei der Kreuzung mit der Rollin- die Bezeichnung A, der Brücke über die Rollin- straße war die Brücke B. Westlich der Waldseer straße den Buchstaben B und der großen Brücke Straße (hier Brücke C) verrät uns die Karl-Müller- über die Waldseer Straße Iit. C. Begonnen wurde Straße, am Tannenkeller vorbei, in etwa die Bahn- mit der Brücke über die Riß. linie.Jenseits der Felsengartenstraße zieht die Sprengtage waren: Bahntrasse als heutiger Feldweg für Anlieger wei- 16.September Brücke A ter, um sich dann in einer Baumwiese zu verlieren. 18. September Brücke A und B So weit war man beim Bahnbau gekommen. Bei 21. September dito der Planung der Bahnlinie nach Uttenweiler wurde 24. September dito westlich der Stelle, wo die Nebenbahn den Bogen 26.September Brücke B nach Süden beginnt, also etwa 600 m vom Bahn- 2. Oktober Brücke C hof Biberach entfernt, ein Lokschuppen mit Koh- 3. Oktober Brücke B Ienstall, Putzgrube. Lagerplatz und eine Dreh- 5. Oktober Brücke C scheibe mit 16 m Durchmesser vorgesehen. Die 10. Oktober Brücke C Drehscheibe wurde tatsächlich gebaut, nicht jedoch 13. Oktober Brücke C ein ebenfalls projektiertes Industrie-Anschlußgleis 15. Oktober Brücke C in südliche Richtung. Die Drehscheibe mit 16 m 17. Oktober Brücke C Durchmesser war anfangs der fünfziger Jahre noch 20. Oktober Brücke C in Betrieb, wurde 1954/55 entfernt und der Platz 25. Oktober Brücke B 1956 bis 1958 nach Tausch mit der Stadt überbaut. 27. Oktober Brücke A, Bund C 29. Oktober Brücke A Am 15.Oktober wurde eine etwas stärkere La- dung verwendet und damit die Brücke über die Waldseer Straße zum Einsturz gebracht. Die Spren- gungen an den folgenden Tagen dienten lediglich noch der Zerkleinerung der Brückentrümmer. die anschließend als Teile des Unterbaues für die neue Anmerkungen Königsbergallee, die anstelle des Bahndammes er- baut wurde, Verwendung fanden. Alle Sprengun- 1 Stadtarchiv Biberach. Bestand E 773-11 2 Privatarchiv Willbold, Bestand BC-4 gen fanden vormittags zwischen 9.30 und 11.30 3 Stadtarchiv Biberach. Bestand E 773-11 Uhr statt. 4 Stadtarchiv Biberach.Bestand E 773-11 Brücke A war zweibogig. 22,95 m lang und ergab 5 Der Oberländer vom 01. 07. 1913 285 Kubikmeter Stahl- und Schalbeton. Brücke B 6 Staatsarchiv Sigmaringen, Bestand WÜ 65/28, AZ hatte einen Bogen, war 30,3 m lang und bestand 3511 B 7 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 19. 12. 1918 aus 185 Kubikmetern Stahl- und Schalbeton. 8 Staatsarchiv Sigmaringen. Bestand WÜ 65/28, AZ Brücke C war dreifeldeng. 50 m lang und aus 785 3511 B Kubikmetern Stahl- und Schalbeton gebaut. Bei 9 wie Anm. 8 den Sprengungen wurden 850 kg Donarit verwen- 10 wie Anm. 8 det. Das Sprengkommando, das nach und nach auf 11 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 08. 05. 1919 32 Mann reduziert wurde, kam insgesamt auf 12 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 21. 07. 1919 13 "Anzeiger vom Oberland"Biberach vom 24. 08. 1919 24395 Arbeitsstunden und 590 Stunden Schweiß- 14 "Anzeiger vom Oberland"Biberach vom 11. 09. 1920 zeit an den Stahlteilen der Brücken. Die relativ 15 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 05. 11. 1920 schwere Arbeit der Männer des Sprengkommandos 16 Stadtarchiv Biberach. Bestand E 773-11 veranlaßte die Stadtverwaltung immer wieder zur 17 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 06. 09. 1924 Lieferung von wohlverdientem Freibier. Am 30. 18 "Anzeiger vom Oberland"Biberach vom 09.02. 1925 19 "Anzeiger vom Oberland" Biberach vom 31. 01. 1927 Oktober 1953 rückte das Sprengkommando wieder 20 Stadtarchiv Biberach. Bestand E 773-11 ab. 21 wie Anm. 20 Trotz größter Vorsicht hatten sich da und dort 22 wie Anm. 20 Schäden an Gebäuden, vor allem an Dächern und 23 wie Anm. 20 Fenstern, nicht vermeiden lassen. Sie wurden amt- 24 wie Anm. 20 25 wie Anm. 20 lich registriert, repariert und der Versicherung ge- 26 wie Anm. 20 meldet, die insgesamt 5 762,29 DM als Sprengschä- 27 Stadtarchiv Biberach. Bestand Stadtbauamt mit Stif- den anerkannte.s' tungsbauamt Bü 84 Wer sich heute aufmacht, um die Trasse zu se- hen, wird enttäuscht sein. Ihr Beginn und damit der Beginn eines Bogens wäre auf dem Sportplatz Für freundliche Unterstützung danke ich Frau Maerker östlich der Adenauerallee zu suchen. Gegen das vom Stadtarchiv und Herrn Kreisarchivdirektor Dr. Die- mer vom Kreisarchiv Biberach ganz besonders. Ende des Bogens - noch auf dem Sportplatzareal -

24