Hans Reinertht

13. Mai 1900- 13. April 1990

Beinahe neunzigjährig starb im April vergangenen Jahres der Prähistoriker Prof. Dr. Hans Reinerth, den am See nur wenige persönlich kannten, dessen populärstes Werk, die »Pfahlbauten«, genauer gesagt: die Nachbildung einer steinzeitlichen und einer bronze­ zeitlichen Pfahlbausiedlung im See bei Unteruhldingen jedoch Einheimische ebenso wie Touristen als eine immer wieder gern besuchte Attraktion am Bodensee zu schätzen wissen. Hans Reinerth hatte nach dem Krieg die Öffentlichkeit weitgehend gemieden, und dies aus guten Gründen. Denn was er als überzeugter Nationalsozialist der ur- und frühge­ schichtlichen Wissenschaft und einer Vielzahl seiner Kollegen angetan hatte, war so schlimm, daß er allen Anlaß dazu sehen mußte, sich in sein Unteruhldinger Refugium zurückzuziehen. Hie und da - vor allem im Rahmen »seines« »Vereins für Pfahlbau- und Heimatkunde« - konnte man ihn jedoch immer wieder einmal als Vortragenden erleben. Die zeitgeschichtliche Forschung (Reinhard Bollmus, Das und seine Gegner. 1970; Michael H. Kather, Das »« der SS 1935-1945. 1974, und Volker Losemann, Nationalsozialismus und Antike. 1977) hat in erschreckender Deutlichkeit sichtbar gemacht, wie der junge Tübinger Privatdozent, der sich in seiner Laufbahn behindert sah, beginnend mit seinem am 16. Mai 1933 im Auditorium Maximum der Universität in seiner Eigenschaft als »Reichsleiter der Fachgruppe für deutsche Vorge­ schichte im Kampfbund für deutsche Kultur« gehaltenen Vortrag über den »Kampf um die deutsche Vorgeschichte« alles darauf verwandte, so bedeutende wissenschaftliche Institutionen wie das »Archäologische Institut des Deutschen Reiches« und die »Römisch- Germanische Kommission«, darüber hinaus aber auch eine Vielzahl von Gelehrten durch den Vorwurf des völligen Versagens im nationalpolitischen Sinne der Gefährdung bzw. der Verfolgung auszusetzen. Dieses Vorhaben schien ihm umso leichter gelingen zu können, als er es 1934 endlich erreicht hatte, den Berliner Lehrstuhl Gustaf Kossinnas übertragen zu bekommen und dazu noch von Reichsleiter mit der »Neuausrichtung der deutschen Vorgeschichtsforschung« betraut zu werden. Zwar vermochte Reinerth seine Ziele letztlich nicht zu erreichen; aber der Schaden, den er anrichtete, war groß und er wurde noch größer, als er sich 1942 dazu hergab, im Auftrag Rosenbergs Kulturraub in den Museen der besetzten Gebiete zu begehen. Die »Ausbom- bung« in Berlin 1945 und der damit verbundene Verlust der Fachbibliothek waren demnach nicht - wie Reinerth es später glauben machen wollte - die entscheidenden Gründe, deretwegen er nach dem Ende des Krieges nicht mehr auf seine Professur zurückkehren konnte. Schon zuvor, 1944, hatte sogar das oberste Parteigericht der NSDAP nicht umhin können, sein Verhalten gegenüber seinen Kollegen scharf zu rügen. Auf diese, für die Kenntnis seiner Persönlichkeit entscheidende Etappe von Reinerths Lebensweg war vorab einzugehen, weil seine Verdienste um die Pfahlbauforschung am Bodensee und weil die positiven Wirkungen seiner engen Zusammenarbeit mit dem Bodenseegeschichtsverein, deren Schilderung denn auch im Mittelpunkt dieses Nachrufs