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MATERIALMAPPE AM KÖNIGSWEG Von Elfriede Jelinek

MATERIALMAPPE AM KÖNIGSWEG Von Elfriede Jelinek

MATERIALMAPPE AM KÖNIGSWEG von Elfriede Jelinek

Ansprechperson für weitere Informationen

Mag.ᵃ Julia Perschon | Theatervermittlung T +43 2742 90 80 60 694 | M +43 664 604 99 694 [email protected] | www.landestheater.net

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

1. ZUR PRODUKTION ……………………………………………………….... 4 2. INHALT ………………………………………………………………………… 5 3. AUTORIN ELFRIEDE JELINEK ………………………………………… 6 4. DER BEGRIFF DER SPRACHFLÄCHE …………………………………. 7 5. TEXTAUSSCHNITT ………………………………………………………… 9 6. REGISSEUR NIKOLAUS HABJAN …………………………………………. 10 7. INTERVIEW MIT NIKOLAUS HABJAN …………………………………. 11 8. PUPPENSPIEL: INTERVIEW MIT MANUELA LINSHALM ………….. 14 9. REFERENZEN IM STÜCK …………………………………………………. 16 9.1. DONALD TRUMP …………………………………………………. 16 9.2. KU-KLUX-KLAN …………………………………………………. 28 9.3. KÖNIG ÖDIPUS …………………………………………………. 31 9.4. ABRAHAM UND ISAAK …………………………………………. 32 10. VOR – UND NACHBEREITUNG …………………………………………. 33

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VORWORT

Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, liebe Besucherinnen und Besucher,

„gewählt ist gewählt“ – nach der letzten amerikanischen Präsidentschaftswahl sitzt der Schock bei den Verlierern so tief wie der neu gewählte „König“ Donald Trump hoch auf seinem Thron.

Das neueste Stück der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, das im Landestheater Niederösterreich erstmalig in Österreich gezeigt wird, wagt den Blick in die jüngste Vergangenheit und nahe Zukunft und stellt die brisanten politischen Fragen unserer Zeit: Wie wollen wir künftig leben? Wieso lernen wir nicht aus den Fehlern der Vergangenheit? Wieso scheinen alle mit Blindheit geschlagen, vom König angefangen bis hin zu seinem Volk? Elfriede Jelinek gehört seit Jahren zu den wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen Theaters. Mit ihren sprachlich brillanten und assoziativen Textflächen findet sie historische Parallelen zu den Phänomenen unserer politischen Gegenwart, von den Idolen der Popkultur bis hin zum antiken König Ödipus.

Der junge Regisseur, Puppenbauer, Spieler und Nestroypreisträger Nikolaus Habjan bringt das Stück bildgewaltig mit Musik und Projektionen auf die Bühne. Neben den SchauspielerInnen des Landestheaters Niederösterreich und Gästen sind auch eigens für die Inszenierung entworfene Puppen von Nikolaus Habjan zu sehen.

Mit der vorliegenden Mappe wollen wir Ihren Theaterbesuch begleiten und Ihnen und Ihren SchülerInnen und Schülern die Möglichkeit bieten, vertiefend in die Thematiken, Texte und Hintergründe des Stückes einzutauchen.

Ich stehe Ihnen jederzeit gerne für Fragen, Anregungen und Feedback zur Verfügung und komme auch bei einer Vorstellungsbuchung kostenlos zu Ihnen an die Schule für eine Vor- oder Nachbereitung.

Ich wünsche Ihnen und Ihren SchülerInnen einen interessanten Vorstellungbesuch!

Mit herzlichen Grüßen,

Julia Perschon

Theatervermittlung Landestheater Niederösterreich

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1. ZUR PRODUKTION

AM KÖNIGSWEG von Elfriede Jelinek ÖSTERREICHISCHE ERSTAUFFÜHRUNG Premiere: Sa 16.03.2019, 19.30 Uhr im Großen Haus des Landestheaters Niederösterreich empfohlen ab 16 Jahren | Dauer: 1h 55 Min. (ohne Pause) mit

Hanna Binder Tim Breyvogel Sabrina Ceesay Bettina Kerl Manuela Linshalm Tilman Rose

Inszenierung Nikolaus Habjan Bühne Jakob Brossmann Kostüme Cedric Mpaka Musik Kyrre Kvam Video Johannes Hammel Ausstattungsassistenz Ruth Erharter Puppenbau Nikolaus Habjan und Marianne Meinl

Kartenbestellung Kartenbüro St. Pölten/niederösterreich kultur karten Rathausplatz 19 3100 St. Pölten T 02742 90 80 80 600 [email protected]

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2. INHALT

Die Wahl Donald J. Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war für Elfriede Jelinek der Anlass, ein Stück über heutige Phänomene, wie den erstarkenden Rechtspopulismus und die dunklen Seiten des Superkapitalismus zu schreiben. Bei Jelinek steht der amerikanische Präsident Trump als Verkörperung des Rückwärtsgewandten, des patriarchalen Systems, er steht für die Spaltung zwischen reich und arm, zwischen schwarz und weiß. Wortmächtig umkreist sie seine Person, ohne auch nur einmal seinen Namen zu erwähnen. Er wird nur als „der König“ betitelt. Dieser König dient seinen Untertanen als Projektionsfläche, die er bestens zu bedienen weiß. So schafft es der amerikanische König Trump als Medienprofi immer wieder, sich mittels Fernsehen, dem Internet und Twitter ins Blickfeld zu schieben. Trump schreit die einfachen Lösungen lauthals hinaus und ist bereit, diese notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Er sucht sich seine Opfer, ist aber auch im Sinne René Girards selbst das „Opfer“, auf das sämtliche Übel unserer Zeit projiziert werden. Eine Anspielung auf „König Ödipus“ von Sophokles – auch hier wird der König wegen seiner Verfehlungen für die sich ausbreitende Pest in seiner Stadt beschuldigt, dafür geblendet und weggejagt. Es ist ein zynischer Kommentar, der zugleich auch auf die antiken Dramen oder die Königsdramen von Shakespeare anspielt. Dabei nimmt Elfriede Jelinek auch sich selbst in die sprichwörtliche Mangel, positioniert und hinterfragt sich. Gleich zu Beginn des Stückes tritt die Autorin als blinde Seherin auf: stellvertretend für das Volk, das bereits von den Heilslehren selbsternannter Polit-Missionare verblendet ist.

„Am Königsweg“ ist eine Parodie auf die Selbstinszenierung der gegenwärtigen Herrscher, gleichzeitig Anklage und ein verzweifelter Schrei gegen Nationalismus, Rassismus und das Abstumpfen einer Gesellschaft, die auf schnelle, einfache Lösungen aus ist. Am Ende bleibt den Denkern und Dichtern das Wort, um gegen die falschen „Könige“ dieser Welt anzukommen.

Der junge Regisseur, Puppenbauer, Spieler und Nestroypreisträger Nikolaus Habjan, der zuletzt mit der Oper „Oberon“ an der Bayerischen Staatsoper sowie mit „Der Streit“ am Münchner Residenztheater große Erfolge bei Presse und Publikum feierte, wird in der Saison 2018/19 zum ersten Mal am Landestheater Niederösterreich arbeiten. Eigens für die Inszenierung entworfene Puppen von Nikolaus Habjan sind Teil dieser Österreichischen Erstaufführung von „Am Königsweg“.

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3. AUTORIN ELFRIEDE JELINEK

Elfriede Jelinek wurde am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag (Steiermark) als Tochter von Friedrich und Olga Ilona Jelinek geboren. Jelineks Vater, der jüdischer Herkunft war, konnte im Zweiten Weltkrieg der nationalsozialistischen Verfolgung als Chemiker in kriegsdienlicher Forschung entkommen. In den 1950er Jahren erkrankte er psychisch sehr schwer und starb 1969 in einer psychiatrischen Anstalt. Ihre Erziehung übernahmen die Mutter und die katholischen Nonnen einer Klosterschule. Bereits als Kind bekam sie Klavier-, Gitarren-, Flöten-, Geigen- und Bratschenunterricht und wurde schließlich am Konservatorium der Stadt Wien aufgenommen. 1964 absolvierte Jelinek die Matura. Im gleichen Jahr erlitt sie einen psychischen Zusammenbruch. Sie schrieb erste Gedichte sowie Kompositionen und inskribierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Nach einigen Semestern brach sie das Studium ab. 1968 verschlechterte sich der psychische Zustand Jelineks so sehr, dass sie das Haus für ein Jahr nicht mehr verlassen konnte. 1975 gelang ihr mit dem Roman „die liebhaberinnen“ der literarische Durchbruch. Es folgten Hörspiele, Romane und Theaterstücke. 1983 erschien mit „Die Klavierspielerin“ einer ihrer bis heute bekanntesten Texte, der später von verfilmt wurde. Die Uraufführung des Theatertextes „“ 1985 in Bonn provozierte in Österreich einen Skandal und begründete Jelineks Ruf als „Nestbeschmutzerin“. Immer wieder mischte sie sich in die politische Diskussion um den Rechtsruck Österreichs ein. 1995 veranlassten politische Angriffe vor allem der FPÖ sowie persönliche Diffamierungen Jelinek, ihren Rückzug aus der österreichischen Öffentlichkeit bekannt zu geben. 2004 wurde ihr der Nobelpreis verliehen. Sie nahm die Auszeichnung nicht persönlich entgegen, reagierte aber mit einer Rede auf die Ehrung. Ihre Texte der letzten Jahre beziehen sich wie „Am Königsweg“ auf aktuelle Themen wie den europäischen Umgang mit den Geflüchteten an den Außengrenzen der Union oder die Anschläge auf das Satireblatt Charlie Hebdo in Paris. Ihr unerbittlicher, kritischer und satirischer Stil machen sie zu einer der wichtigsten künstlerischen Stimmen unserer Zeit.

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4. DER BEGRIFF DER SPRACHFLÄCHE

Der Begriff der Sprachfläche gehört zum Standardvokabular der Auseinandersetzung mit den Bühnentexten Elfriede Jelineks. Bezeichnet wird damit sowohl die literarische Beschaffenheit ihrer Werke als auch die poetologische Auffassung und Vorgangsweise der Schriftstellerin, die 2004 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. In der damaligen Begründung der Jury hieß es: „Der Nobelpreis in Literatur des Jahres 2004 wird der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek verliehen für den musikalischen Fluß von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen.“ Was hier im Bild des Flusses angedeutet wird, verweist auf diese Metapher der Sprach- beziehungsweise Textfläche: So wird die glatte Außenansicht einer aus der Vogelperspektive wahrgenommenen Flusslandschaft evoziert, genauer: der Blick auf die Tektonik einer Sprachkruste.

Dies ist ganz im Sinne des Literaturtheoretikers und Philosophen Roland Barthes der dem modernen Text das Charakteristikum zuschreibt, nicht mehr nur „aus einer Wortzeile“ zu bestehen, „die einen einzigen gewissermaßen theologischen Sinn freisetzt, sondern aus einem mehrdimensionalen Raum, in dem vielfältige Schreibweisen, von denen keine ursprünglich ist, miteinander harmonieren oder ringen: Der Text ist ein Geflecht von Zitaten, die aus den tausend Brennpunkten der Kultur stammen.“ Damit wird keineswegs postmoderner Beliebigkeit und Undeutbarkeit das Wort geredet – ein Vorwurf, der nicht selten an progressive Texte herangetragen wird. So glatt die Oberfläche dieser Texte, auf den ersten Blick erscheinen mag, so ungeheuer vielfältig, kunstvoll und anschlussfähig an die unterschiedlichsten Denk- und Interpretationsmöglichkeiten, sind sie.

„Meine Arbeitsweise funktioniert, wenn es mir gelingt, die Sprache zum Sprechen zu bringen, durch Montage von Sätzen, die verschiedene Sprachen miteinander konfrontiert, aber auch durch Veränderung von Worten oder Buchstaben, die im Idiom verhüllte Aussagen entlarvt. Auf der Bühne interessieren mich nicht Charaktere mit dem Nimbus von ‚Persönlichkeit‘, sondern Prototypen. […] Die Figuren auf der Bühne stehen für etwas, sie sind für mich Werkzeuge, mit denen ich meine Aussage machen will, denn ich glaube an das Theater als ein politisches Medium.“

Selbstironisch die Stimmen jener Leser und Interpreten vorwegnehmend, die ihrem Werk lediglich mit einer Konsumhaltung begegnen, leugnet Jelinek vordergründig die Bedeutungstiefe ihrer Dramen, evoziert diese Tiefe jedoch gleichzeitig im Bild der Schneelandschaft, in die man unvermutet immer wieder einsinkt.

„Geht da was in die Tiefe bei dieser Fläche?, meines Wissens nicht, ich habe vorhin die Lawine ausgelöst, aber in die Tiefe bin ich nicht gegangen, eher habe ich oben was draufgehäufelt, aber wer braucht schon ein Wissen, geschweige denn meins? wozu diese Tiefe? Wer braucht die?“

Es bleibt dem Leser und dem Rezipienten der Texte selbst überlassen, wie tief er in diese Schneelandschaft einbrechen will um sie zu verstehen. Fest steht allerdings, dass er sie nicht begreift, wenn er sie allein an ihrer Oberfläche zu lesen versucht. Das heißt, man kann sie nicht linear lesen, sondern man muss sie „durchqueren“, so Roland Barthes um sie in ihrer „seriellen Bewegung von Versetzungen, Überlappungen und Variationen […] erfassen zu können.“ Aber wie lässt sich ein Text durchqueren? Wie kann man in seine Tiefe 7 hinabsteigen? „Andocken erwünscht!“ Dieser Satz Jelineks aus ihrer „Hommage für “ ließe sich auf die Situation des Interpreten übertragen. Andocken an Stellen, die befremden und irritieren, an den Kanten der Textflächen, andocken an die kunstvoll geschlossenen Nähte der einzelnen Textteile. Es gilt, die dort entstehende Spannung, zu verstehen und auszuhalten.

Quelle: Barbara Mariacher: Die Tektonik der Tiefe. In: Die deutsche Bühne. Schwerpunkt: Durch die wilden Textflächen. Die Sprache der Elfriede Jelinek, hrsg. vom Deutschen Bühnenverein, 2018.

Szenenfoto „Am Königsweg“: (v. l. nach r.) Bettina Kerl, Tilman Rose, Tim Breyvogel, Sabrina Ceesay, Hanna Binder, Jelinek-Puppe gespielt von Manuela Linshalm

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5. TEXTAUSSCHNITT

Anmerkung: Die Namen sind die Namen der jeweiligen SchauspielerInnen, die diesen Text sprechen.

Bettina:

Sehen werden Sie sie nicht mehr können, denn Sie werden blind sein, und nicht einmal Ihre Blindheit wird auf Ihrem Mist gewachsen, sie wird Ihnen zugefügt worden sein. Was, Sie wollen genau so eine Blindheit wie der Seher eine hat, nur in einer andren Farbe? Haben wir nicht. Der König hat alle Blindheit aufgekauft, weil er deren Vorteile gesehen hat. Einem Blinden glaubt man alles, er kann ja nicht lügen, weil er die Wahrheit nie kennenlernt. Der Blinde glaubt, daß die Wahrheit Macht und Kraft besitzt, das stellt er sich so vor, weil er der einzige ist, der ausspricht, was Sache ist. Und ins Elend gestoßen werden wir sowieso alle.

So, und der König erschlägt den Seher, damit er, The King, selber blind werden kann, damit er endlich der einzige Blinde sein kann. Sogar die Blindheit gönnt er keinem andern. Keine Stimme gönnt er einem anderen, er stimmt selbst sein Lied an und zwitschert es hinaus, mehr als hundertmal die Stunde, er hat ja auch was zu sagen. Dann, wenn der König es ausspricht, ist es total egal, was er sieht oder sagt. Es stimmt auf alle Fälle. Wenn der König blind ist, was wollen dann Sie sehen, wenn schon der König nichts sieht? Da gibts nichts mehr zu sehen. Er hat schon alles gesehen, er hat sich alles angeschaut und dann entschieden. Warum also überhaupt blind werden?

Das zahlt sich ja gar nicht aus, das wird einem zwar in kleiner Münze ausgezahlt vom Schicksal, doch wenn Sie Ihre Auszüge betrachten – nein, nicht die Anzüge natürlich, die Auszüge!, nachdem Sie aus Ihrem Haus ausgezogen sind, kriegen Sie ja immer noch Ihre Kontoauszüge, an welche Adresse auch immer –, dann merken Sie:

Tim:

Das Schicksal nimmt kein Bargeld, das will drahtlose Bezahlung, also ist es bloß Schein? Wo sind denn die ganzen Scheine hingekommen? Ja, das ist ein Geldschein, doch er geldet jetzt nicht mehr. Nein, die vielen Münzen meine ich, die zumindest nach viel aussahen, die gelten aber auch nichts, die schon gar nicht. Was, alle blind? Der König blind und seine Untertanen, alle? Der Seher auch blind?

Wer sieht denn da noch was in diesem Staat, der so viele beherrscht, alle Länder beherrscht, nach Belieben, wofür sie ihn nicht lieben, das ist ihm aber egal.

Sabrina:

Die einen schiebt er ab, die andren schiebt er dorthin, wo er sie braucht, die nächsten läßt er gar nicht mehr herein, andre wieder schiebt er vor, damit er es nicht gewesen sein wird; es wird einem schon gesagt und auf Bildern gezeigt, wer wer ist, aber wenn man sie nicht sieht, können sie dann nicht ein andrer sein?

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6. REGISSEUR NIKOLAUS HABJAN

Zeitgleich zum Studium der Musiktheaterregie an der Wiener Universität für Musik, das er 2010 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss, beschäftigte er sich mit dem Puppentheater und durch Workshops bei Neville Tranter perfektionierte er seine Puppenspieltechnik.

Seine Figurentheaterproduktion „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ wurde 2012 mit dem Nestroy Preis, 2014 mit dem Badener Grünschnabel und 2016 mit den Wolfgang-Swoboda- Preis für Menschlichkeit im Strafverfahren ausgezeichnet. Außerdem erhielt er 2016 den Dorothea- Neff-Publikumspreis, den outstanding award 2016 des Bundesministeriums für Kultur und den Nestroy- Publikumspreis als beliebtester Künstler, 2017 den Festspielpreis der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opern-Festspiele.

Er ist in den Figurentheaterproduktionen „Schlag sie tot“, „F.Zawrel- erbbiologisch und sozial minderwertig“, „Der Herr Karl“, „Becoming Peter Pan – An Epilogue to Michael Jackson“ , in „Sechs Österreicher unter den ersten Fünf“ nach dem Buch von Dirk Stermann und in Kottan im Wiener Rabenhof zu sehen sowie in „Der Streit“ von Marivaux im Münchner Cuivillies- Theater.

Neben seinen Inszenierungen mit Puppen und Schauspielern (2014 „Das Missverständnis“ von , 2015 „Das Wechselbälgchen“ von Christine Lavant, 2016 „Faust, der Tragodie erster Teil“ von Goethe, 2017 „Nathan der Weise“ von Lessing, „Oberon“ von Carl Maria von Weber in der Münchner Staatsoper und 2017 „Wien ohne Wiener“, eine Georg- Kreisler-Revue im Volkstheater Wien und „Der Streit“ von Marivaux im Residenztheater/Cuivillies-Theater München und aktuell „Böhm“ von Paulus Hochgatterer im Schauspielhaus Graz) tritt Nikolaus Habjan mit der Banda Franui mit „Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus“ und dem Concilium musicum und der Freitagsakademie im In- uns Ausland auf.

Parallel dazu begann Nikolaus Habjan, sich als Kunstpfeifer zu etablieren, einer im 19.Jahrhundert besonders in Österreich äußerst beliebten musikalischen Ausdrucksform.

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7. INTERVIEW MIT NIKOLAUS HABJAN

DIE SPRACHE ALS BRENNGLAS

Dramaturg Ludwig zur Hörst im Gespräch mit Regisseur Nikolaus Habjan über seinen Zugang zum Theater, Elfriede Jelinek und gesellschaftspolitische Gefahren.

Du hast Musiktheaterregie studiert, inszenierst aber auch viel Sprechtheater, wie zuletzt Werner Schwabs „Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos“ am Akademietheater und nun hier am Landestheater „Am Königsweg“. Welche Gattung beeinflusst dich mehr?

Mozarts „Zauberflöte“, also die Oper, war mein erstes großes Theatererlebnis. Aber Musik spielt bei meinen Inszenierungen immer eine große Rolle, wie auch beim „Königsweg“. Als ich das Studium begonnen habe dachte ich – damals vielleicht etwas naiv – beim Musiktheater ist die Musik schon dabei und das Regiehandwerk lerne ich so oder so, egal ob Sprech- oder Musiktheater. Ich habe dann auch schon während des Studi ums Sprechtheater inszeniert, nämlich „Elling“ von Axel Hellstenius im Schubert Theater.

Existieren die Grenzen der Gattungen für dich überhaupt?

Es gibt natürlich Unterschiede: Die Musik und die Partitur geben Operninszenierungen den Rhythmus relativ strikt vor. Auch muss man darauf achten, dass die SängerInnen in ihrem Spiel noch singen können. Beim Sprechtheater ist man viel freier und kann viel mehr szenische Ideen entwickeln, was aber ganz andere Anforderungen in sich trägt. Ich habe aber über die Jahre die Erfahrung gemacht, dass Inszenierungsweisen im Musik- oder Sprechtheater durchaus voneinander profitieren können.

Wie näherst du dich Theaterstücken zum ersten Mal?

Wenn ich Stücke zum ersten Mal lese, achte ich immer darauf, ob bei mir Bilder im Kopf entstehen, also ein Kopfkino entsteht und manchmal beginne ich auch Musik zu hören, Beet Hovens Vierte zum Beispiel. Viele Erinnerungen, Emotionen, Personen sind bei mir stark mit einer Musik verknüpft.

Arbeitest du auf den Proben auch mit Musik?

Das kommt ganz auf das Stück an. Beim Puppenspiel hilft Musik ungemein, denn sie versetzt die SpielerInnen in eine Stimmung, in einen bestimmten Rhythmus, der für das Spiel mit Puppen sehr entscheidend sein kann.

Wie kam es zu deiner Entscheidung generell mit Puppen zu arbeiten?

Teil meines Verständnisses von Theater, wie auch von vielen anderen Bereichen, ist es, einen Sog zu kreieren. Sobald Menschen Interesse an einer Sache finden, nehmen sie viel mehr mit, als bei Belehrungen. Die Puppen helfen mir, diesen Sog zu entwickeln. Ich kann mit den Puppen, obwohl sie hoch stilisiert sind, sehr direkt spielen und gleichzeitig mehrere Bedeutungsebenen öffnen. Außerdem entfachen Puppen beim Publikum sofort eine ,

11 sich auf etwas einzulassen. Und Lust beim Spielen und Zuschauen zu haben, ist für mich im Theater essentiell.

In „Am Königsweg“ stehen die Puppen der Muppetshow ja schon in der Regieanweisung. Welche Funktion übernehmen sie in deiner Inszenierung?

Bei Elfriede Jelineks Texten ist das „wandernde Ich“ ein großes Charakteristikum. Mal ist dieses „Ich“ die Autorin selbst, mal spricht das „Ich“ über die Autorin, mal beschreibt es eine andere Figur und wechselt dann in die Figur. Diese Sprünge geschehen teilweise mehrmals innerhalb eines Satzes und die Herausforderung ist es, in der Textfläche diese Abschnitte zu erkennen und zu Dialogen umzuformen. Und das geht mit den Puppen ganz wunderbar, denn der Schauspieler kann die Puppe spielen, sie über andere oder auch sich selbst sprechen lassen, in einen Dialog gehen oder die Puppe weglegen und als Person sprechen. Da bietet das Puppenspiel viele Möglichkeiten.

Entwickeln die Puppen in deiner Inszenierung einen eigenen Charakter?

Ja, wir ordnen gewisse Themenbereiche schon spezifisch den Figuren zu. Gonzo oder Miss Piggy sind zum Beispiel sehr eindeutig besetzt.

Wann hast du das Stück zum ersten Mal gelesen?

Ich habe das Stück von Elfriede Anfang Sommer 2017 bekommen.

Was waren deine ersten Begegnungspunkte mit Elfriede Jelinek und ihren Texten?

Wir haben in der Schule „Die Klavierspielerin“ gelesen, ansonsten habe ich ihre Stücke nur im Theater gesehen. Die grandiose „Winterreise“ im Akademietheater hat mich tief beein druckt. Beruflich hatte ich als Puppen spieler Ende 2012 bei „Schatten (Eurydike sagt)“ am Burgtheater zum ersten Mal mit ihren Texten zu tun. Und „Am Königsweg“ ist meine erste eigene Inszenierung eines ihrer Texte. Persönlich habe ich sie im November 2013 kennen gelernt, als ich in ihrem Namen mit meiner Elfriede-Puppe einen Nestroy-Preis entgegengenommen habe. Seitdem sind wir in regelmäßigem Kontakt.

Hilft dir der Kontakt zu ihr bei deiner Inszenierung?

Ja, definitiv. Ich konnte meine ganzen Überlegungen über ihr Stück mit ihr besprechen und eine wichtige Erfahrung war es für mich, auch aktiv bei einer Inszenierung ihres Werks mitzu wirken. Dabei habe ich gemerkt, dass ihre Texte wie ein Glas sind. Ich weiß zuerst nicht, welche Art Glas es ist, ob für Wein oder Saft. Ich muss die Texte laut für mich sprechen, um sie wirklich zu durchdringen, zu verstehen. Beim Spielen entsteht dann, wie bei einer Glasorgel, Musik. Elfriedes Jelineks Texte sind für mich wie eine Fuge: Es gibt ein Thema, dieses Thema durchläuft verschiedenste Variationen und kommt am Ende nochmal wie als Choral bestärkt.

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Das Stück wurde mit dem Amtsantritt von Trump fertiggestellt. Hat sich dein Blick auf das Stück, aber auch auf die USA, in diesen zwei Jahren verändert?

Ja, natürlich. Wir haben uns sogar überlegt, was wir machen würden, wenn es zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump kommen würde, diese Drohung steht ja seit Beginn seiner Präsidentschaft im Raum. Aber Elfriede Jelineks große Qualität als Autorin ist, dass sie aktuelle Dinge aufgreift und diese auf eine zeitlose Ebene setzt. Es geht ja nur vorder- gründig um Trump. Im Grunde geht es um viel mehr. Um Machtmissbrauch, um die blinde Masse an Wählern, die Trump wählen, weil er sie unterhält. Es geht um unsere Medien – Facebook, Twitter, etc. aber auch Print und Fernsehen, die nur noch in Schlagzeilen agieren. Wo mit einfachen, polemischen Phrasen Meinungen generiert werden. Das Stück ist auch eine Bestandsaufnahme. Durch diese Social-Media-Werkzeuge verflacht, verknappt, verklumpt die Sprache und auf der anderen Seite gibt es diese tollen Sprachkünstler, in deren Werk man aber Zeit investieren muss, um den Sinn, den Witz, den Rhythmus und die Musik in dieser Sprache zu erfassen. Das Stück ist auch eine traurige Zukunftsvision, dass genau diese Sprachkunst ausstirbt, wie die Dinosaurier. Das solide Handwerk – auf dem jede Kunst beruht – fällt in allen Lebens- bereichen einer schnellen Verfügbarkeit zum Opfer. Handys werden nicht repariert, sondern gleich neu gekauft, Kunst und Unterhaltung ist auf den sofort zupackenden Effekt ausgelegt und gesellschaftliche Probleme sollen lieber schnell und einfach, als gründlich und weitblickend, gelöst werden.

Die europäischen rechts-populistischen Phänomene reiten auf hohen Umfragewerten. Schlägt die Welle auch wieder um?

Es ist noch nicht einmal ein Menschenleben her, dass wir als Gesellschaft am tiefsten, dunkelsten Punkt der Menschheit angelangt sind. Und nun sind wir schon wieder auf dem Weg in eine gesellschaftspolitische Sackgasse. Wenn z.B. in Österreich über Schutzhaft diskutiert, die Medien in Frage gestellt werden oder so etwas wie Traiskirchen überhaupt möglich ist, muss man nicht nur die Regierungsparteien kritisieren, sondern auch die Opposition fragen, warum dagegen nicht konsequent eingeschritten wird. Einzelne Oppositionspolitiker springen sogar auf den Zug auf und helfen damit die öffentliche Debatte auf Nebensächlichkeiten zu lenken. Wir bewegen uns in einem Diskurs, in dessen Schatten die Akzeptanz immer weiter Richtung Intoleranz und Überwachung geschoben wird. Und solange die Politik nicht konsequent den Fokus wieder auf Menschenrechte und Grundwerte legt, wird sich nichts zum Besseren bewegen.

Populisten und Nationalisten werden in Europa und Amerika demokratisch in die Parlamente gewählt, obwohl sie sich offen diskriminierend und verfassungskritisch positionieren. Muss eine Demokratie das zulassen? Und welche Rolle spielt das Theater dabei?

Ich glaube, dass es nicht an der Demokratie selbst liegt. Es liegt an den Menschen und an der schon angesprochenen Stumpfheit. Auch wenn das Theater dahingehend die Welt nicht verändern kann, sehe ich es als moralische Anstalt, die provozieren, reflektieren und mit dem Spiegel in der Hand, den Zuschauer zum Denken anregen kann.

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8. PUPPENSPIEL: INTERVIEW MIT MANUELA LINSHALM

Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet Nikolaus Habjan mit der Puppen- und Schauspielerin Manuela Linshalm, die auch für „Am Königsweg“ unser Ensemble ergänzt und der wir einige Fragen gestellt haben.

Seit wann arbeitest du mit Puppen auf der Bühne?

Ich habe in diesem Jahr mein 10-jähriges Jubiläum im Puppenspiel! Nikolaus Habjan hat mich dazu gebracht. Ich habe ihn bei einer Produktion am Schubert Theater in Wien kennengelernt. Er selbst war noch in der Entwicklung seines Spiels und hat mich einfach auch probieren lassen. Ich war sofort fasziniert und wusste, dass diese Spielform genau zu mir passt. Von da an haben wir kontinuierlich zusammengearbeitet.

Wie beeinflusst das Puppenspiel dich als Schauspielerin?

Das Spiel mit Puppen hat mich viel über Rhythmus und Timing gelehrt um auch auf der Bühne einen genauen Fokus zu haben. Eine Puppe ist wie ein Instrument, das man lernen muss und das eine eigene Ausdrucksform hat. Musikalität ist für die KollegInnen auf der Bühne, die zuvor noch nie mit Puppen gearbeitet haben, daher ein großer Vorteil. Speziell bei „Am Königsweg“. Der Text selbst ist sehr rhythmisch und das Puppenspiel fordert ein musikalisches Feingefühl. Das setzen sie wunderbar um.

Hat jede Puppe einen eigenen Charakter?

Es ist wie in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Manche Rollen passen besser zu mir oder eben weniger. Mit einigen Puppen entwickle ich sofort eine Verbindung, bei anderen tue ich mir schwer. Also ja, Puppen haben ein gewisses Eigenleben und dadurch entsteht immer eine gewisse Verbindung oder Reibung.

Elfriede Jelinek verweist in „Am Königsweg“ auf Figuren aus der Muppet-Show. Nikolaus Habjan greift das in seiner Inszenierung auf. Ist dieser Text für Puppen geeignet?

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Beim ersten Lesen war es für mich tatsächlich schwierig, Puppen als Sprecher dieser gewaltigen Textfläche zu sehen. Aber vor allem bei den Proben mit den Puppen wurde mir klar, wie viele Möglichkeiten das eröffnet. Nikolaus Habjan gibt nicht nur dem Ensemble die Gelegenheit mit und über die Puppen zu sprechen, sondern eröffnet auch einen bildlichen, emotionalen Zugang zu Jelineks Worten, der das Verständnis erleichtert und auf einer ganz anderen Ebene als der rein intellektuellen zugänglich macht. Und das bereichert das Stück ungemein.

Szenenfoto „Am Königsweg“: Jelinek-Puppe und Schau- und Puppenspielerin Manuela Linshalm

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9. REFERENZEN IM STÜCK

In dem Text von Elfriede Jelinek gibt es zahlreiche Referenzen. Es lohnt sich die wichtigsten Bezüge herauszustellen. Hier angeführt sind Informationen zu Donald Trump, der zwar im Stück nie mit Namen genannt wird, aber als Puppe eindeutig präsent ist und als der „König“ angesprochen wird. Kurz treten die SchauspielerInnen auch als Ku- Klux-Klan Mitglieder mit der für diese Gruppierung typischen Kostümierung auf. Auch die Geschichte von König Ödipus spielt eine wichtige Rolle, sowie am Ende des Stückes die biblische Geschichte von Abraham und seinem Sohn Isaak.

9.1. DONALD TRUMP

Zwei Jahre Trump – eine Bilanz Was sich in Amerika zur Halbzeit der Präsidentschaft von Donald Trump verändert hat und was nicht.

Der Präsident gibt sich für seine Amtsführung selber die Note "Eins plus". Das sehen seine Gegner komplett anders. Unbestritten handelt es sich um keine normale Präsidentschaft. Unser US-Korrespondent Thomas Spang hat zusammengetragen, was sich in Trumps Amerika verändert hat und was nicht.

1. Eine Marionette Putins im Oval Office

Donald Trump trat mit dem Versprechen an, Amerika wieder großartig zu machen. Zwei Jahre später steht er öffentlich in Verdacht, eine "Russland zuerst"-Politik zu betreiben. Die amerikanische Bundespolizei FBI ermittelte sogar gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten, in den Diensten einer anderen Macht zu stehen. So etwas hat es in der US- Geschichte noch nie gegeben.

Unklar bleibt, ob Sonderermittler Robert Mueller diese Ermittlungen fortführt. Einiges spricht dafür. In jedem Fall stehen nun Trump selbst, seine Familie, seine Unternehmungen und seine engsten Weggefährten im Visier der Ermittler. Sein Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort und sein Hausanwalt Michael Cohen sind bereits rechtskräftig verurteilt.

Der Kongress möchte herausfinden, was Trump in den fünf persönlichen Begegnungen mit Putin besprochen hat. Bei einem zweistündigen Treffen in Helsinki hatte Trump entgegen aller diplomatischen Gepflogenheiten nur seinen Übersetzer dabei.

Der Präsident spricht von einer "Hexenjagd" auf ihn und hat seinen Justizminister Jeff Sessions und den früheren FBI-Chef James Comey gefeuert. Trumps politische Agenda ließe sich leicht erklären, wenn sich herausstellte, dass er freiwillig oder unbewusst als Marionette Putins agiert.

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2. Die Institutionen schlagen zurück

Die ersten beiden Jahre Trumps im Weißen Haus gestalteten sich als Stresstest für die amerikanische Demokratie. Der Präsident übte wie kein anderer Amtsinhaber Druck auf die Medien, die Unabhängigkeit der Justiz und den Kongress aus.

Der erste Schock kam mit der Verhängung eines Einreiseverbots für Personen aus einem halben Dutzend mehrheitlich muslimischen Ländern. Völlig unvorbereitet stürzte Trump die Flughäfen ins Chaos. Gerichte intervenierten und es bedurfte drei weiterer Anläufe, ehe der Präsident ein mit der Verfassung vereinbares Dekret vorlegte.

Die ständigen Angriffe auf Journalisten als Volksfeinde und die Unterminierung der Medien mit dem Vorwurf, "Fake News" zu verbreiten, schlugen ins Gegenteil um. Die US-Medien wurden zum Bollwerk zum Schutz der Meinungsvielfalt. Die Wähler lieferten im November ein gemischtes Verdikt für den Kongress. Die Republikaner legten im Senat leicht zu, die Demokraten holten sich die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Seit Anfang des Jahres gibt es wieder echte Gewaltenteilung zwischen Kongress und Weißem Haus. Die demokratische Kontrolle der Macht des Präsidenten beginnt wieder zu funktionieren.

3. Abschied aus der westlichen Wertegemeinschaft

Zurück von einer Moskau-Reise 1987, schaltete Donald Trump ganzseitige Anzeigen, in denen sich der Baumagnat darüber beschwerte, dass die USA für die Sicherheit anderer Länder bezahlen müssten. Wenige Jahre später folgte ein Interview mit dem Playboy, in dem Trump die NATO und den Freihandel in Frage stellte. An dieser Weltsicht hat sich nicht viel geändert. Nach dem Einzug ins Weiße Haus setzte er diese Politik Schritt für Schritt um.

Seine erste Auslandsreise führte ihn nicht in die Nachbarländer Kanada und Mexiko oder zu den engsten Verbündeten Großbritannien und Deutschland, sondern nach Saudi-Arabien. Der Kronprinz rollte Trump den roten Teppich aus. Der Präsident revanchierte sich später, indem er Mohammed bin-Salman gegen den Vorwurf in Schutz nahm, Auftraggeber des Mords an dem Regimekritiker Khashoggi gewesen zu sein. Während er gegen die Teilnehmer des Gipfels zum 70-jährigen Bestehen der NATO in Brüssel stänkerte und später auf dem G7-Gipfel in Quebec für einen Eklat sorgte, fand Trump bemerkenswert freundliche Worte für den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un in Singapur.

Im neuen Jahr degradierte er die Europäische Union zum Status einer "internationalen Organisation". Hartnäckig halten sich Gerüchte, er betreibe den NATO-Ausstieg.

4. Die Welt versucht den Präsidenten einzudämmen

Während Trump seine Wahlkampfversprechen umsetzt und den Austritt aus dem Weltklima- Abkommen sowie einer Reihe anderer Abkommen erklärt, versuchen viele andere Nationen, die schlimmsten Auswirkungen einzudämmen. Das Ergebnis der ersten beiden Amtsjahre ist eine Selbstisolierung der USA.

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Mit Ausnahme Brasiliens ist auf der internationalen Bühne bisher kein Domino-Effekt eingetreten. Im Gegenteil schweißt Trump andere Staaten enger zusammen. Erstmals denken die Europäer über eigene Verteidigungsstrukturen nach.

Auf internationalen Gipfeltreffen erscheint Trump weitgehend isoliert. Weil er mit niemandem spricht, schwindet der Einfluss der USA. Das Vakuum füllen das aufstrebende China, aber auch Russland. Neue Bündnisse formieren sich in Asien. Die gehörnten Mitglieder des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP etwa machen ohne die USA weiter, wie Kanada und Mexiko den Amerikanern damit drohen, bei der Aufkündigung von NAFTA ihre Handelsströme neu zu organisieren. In den USA versuchte das sogenannte Bündnis der Erwachsenen, Trump vor seinen Instinkten zu schützen. Bis zu ihrem Rauswurf war das dem früheren Außenminister Rex Tillerson, Sicherheitsberater H.R. McMaster und Verteidigungsminister Jim Mattis einigermaßen gelungen.

5. Strafzölle und Handelskriege

Trump vollzog eine 180-Grad-Wende in der Handelspolitik der Vereinigten Staaten. Er drohte den Europäern mit Autozöllen in Höhe von 25 Prozent und belegte die Stahl- und Aluminiumproduzenten mit Einfuhrsteuern. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gelang es in einem Streich meisterhafter Diplomatie vergangenen Sommer, einen Handelskonflikt zu glätten. Stattdessen wird über ein abgespecktes TTIP-Paket verhandelt. Doch Trump geht es nicht schnell genug voran. Das gilt erst recht für den Handelskonflikt mit China. Trump stört sich am gewaltigen Defizit der USA im Handel mit der Volksrepublik und hat deswegen Strafzölle verhängt. Ungeachtet dessen stieg das Handelsdefizit mit 323 Milliarden Dollar auf den höchsten Stand seit 2006. Beim G20-Gipfel im Dezember hatten Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping eine Pause im Handelsstreit vereinbart.

6. Trump gefährdet den inneren Zusammenhalt der Amerikaner

Die Polarisierung der US-Gesellschaft ist kein neues Phänomen. Die Wahl Trumps lässt sich eher als Symptom dieser Realität in den USA verstehen. Trump hat im Wahlkampf die bestehenden Verwerfungen zwischen Stadt und Land, Schwarz und Weiß, Religiösen und Säkularen, Gebildeten und Ungebildeten, Frauen und Männern geschickt für sich ausgenutzt.

Im Weißen Haus regierte er, wie er Wahlkampf machte. Statt an das Beste der Nation zu appellieren, bringt er die Amerikaner gegeneinander auf. In Charlottesville setzte er den Bürgerprotest gegen einen Aufmarsch von Neonazis moralisch gleich mit dem Fackelzug rechter Extremisten. Zur Halbzeit wird der Stillstand der Regierung zum Symbol einer Gesellschaft, die sich im Inneren auf nur noch sehr wenig verständigen kann. Schon gar nicht auf eine Mauer, von der bis heute nicht mehr als Prototypen existieren. Je weiter die Menschen von der Grenze entfernt leben und je weniger Kontakt sie zu Latinos haben, desto mehr wünschen sie sich einen Schutzwall.

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7. Amerikas Zivilgesellschaft erwacht zu neuem Leben

Am Tag nach der Amtseinführung kamen mehr Menschen zum Protestmarsch der Frauen nach Washington als zu Trumps Inauguration. Es war die größte Demonstration in der Geschichte der USA.

In Washington formierte sich institutioneller Widerstand gegen den Präsidenten, der aus seiner Bewunderung für Autokraten kein Geheimnis macht. Von Generälen, die Amerika im westlichen Bündnis gehalten haben, über Geheimdienstler, die über Durchstechereien Alarm schlagen, bis hin zu konservativen Kolumnisten, die mutig darüber schreiben, wie Trump die Republikaner auf den Kopf gestellt hat.

Der Präsident wittert dahinter eine Verschwörung gegen sich. Das Misstrauen gegen seine eigenen Minister und Mitarbeiter führte zu der höchsten Personalfluktuation in der Geschichte der US-Präsidentschaften. Im November erhielt er bei den Kongresswahlen die Quittung von den Wählern. Diese beteiligten sich mit 49 Prozent in Rekordzahl und spülten eine demokratische Mehrheit ins Repräsentantenhaus.

Quelle: https://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/aussenpolitik/zwei-jahre-trump-eine- bilanz;art391,3093623

Die Akte Trump

2005 flog Donald Trump nach Colorado, um einen Motivationsvortrag zu halten. In der Stadt Loveland, einer Hochburg der Republikaner, hatten sich über tausend Menschen versammelt, um Trumps Ratschlägen für Erfolg im Privat- und Geschäftsleben zu tauschen. Die Rede bestand nur aus einem Stakkato von Schimpfwörtern, die er über eine Stunde auf sein Publikum einprasseln lies. Beschimpfungen seiner Ex-Frauen und ehemaligen Geschäftspartnern. Er verstieg sich dazu eine ehemalige Angestellte, die sich angeblich illoyal verhalten hatte, als „hässlich wie die Nacht“ zu bezeichnen. „Ich muss Ihnen etwas über Loser sagen“, erklärte Trump. „Ich liebe Loser. Sie schaffen es, dass ich mich so richtig gut fühle.“ Wäre zur BixPo-Konferenz 2005 ein Loser als Redner eingeladen worden, so Trump, hätten dessen Honorar 3 Dollar betragen und nicht das „Schweinegeld“, das er selbst für seinen Auftritt einstreifte. Aus Trumps unzusammenhängenden Schimpftiraden destillierten einige Zuhörer immerhin zwei Empfehlungen. Die erste lautete: Traue niemanden, vor allem nicht guten Mitarbeitern. „Seien sie paranoid“, forderte Trump sein Publikum auf, „denn sie werden versuchen, Sie übers Ohr zu hauen.“ Als zweites empfahl Trump als Geschäftspolitik. „Zahlen Sie mit gleicher Münze zurück“, sagte er. „Wenn Sie jemand reinlegt, legen Sie ihn auch rein, aber zehnmal so mies. Das wird Ihnen jedenfalls gut tun. Mann, ist das ein Gefühl!“

Trump diffamiert und beleidigt Frauen immer wieder öffentlich. Die Schauspielerin Rosi O´Donnell, die ihn 2006 als „Fabulant“ bezeichnet hatte, bedachte er mit schmeichelhaften Ausdrücken wie „Sau“, „degeneriert“ oder „Schlampe“. Im Fernsehen nannte er sie „widerlich, innerlich und äußerlich“. Er machte verächtliche Bemerkungen über ihr Aussehen, ihr Gewicht und ihre Sexualität und erklärte im nationalen Fernsehen, er hätte einen Tipp, wie O´Donnelll ihre psychische Verfassung verbessern könnte: Sie bräuchte bloß nie in

19 einen Spiegel zu sehen. In seinem zwölften Buch Think big and Kick Ass in Business and Life (deutscher Titel: Nicht kleckern, klotzen!) trägt das sechste Kapitel dieses Buches die Überschrift „Rache“. „Ich übe immer Vergeltung“, schreibt Trump in der ersten Zeile dieses Kapitels. In diesem Kapitel vergleicht Trump die Schauspielerin O´Donnell mit einem „Schlägertypen“ und schreibt: „Einen Schlägertypen muss man richtig hart und richtig fest treffen, genau zwischen die Augen … [Ich] habe diese fürchterlich Frau voll zwischen die Augen getroffen. Natürlich … manche Menschen hätten ihre Beleidigungen einfach ignoriert. Ich entschied, zurückzuschlagen und dafür zu sorgen, dass sie den Tag bereute, an dem sie beschlossen hatte, sich über mich auszulassen!“

„Mein Motto lautet: Übe stets Vergeltung. Wenn dich wer über den Tisch zieht, mach ich fertig. Das ist keineswegs der übliche Rat, aber das ist der Rat fürs richtige Leben. Wenn Sie keine Vergeltung üben, sind sie bloß ein Schlappschwanz! Und das meine ich genauso, wie ich es sage.“

Quelle: Buch: Die Akte Trump (von David Cay Johnston, erschienen 2016) Zusammenfassende Ausschnitte aus dem Kapitel: Persönliche „Werte“

Zum Inhalt des Buches:

In „Die Akte Trump“ zeigt Pulitzerpreisträger David Cay Johnston den Aufstieg des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten – angefangen bei Kindheit und Erziehung bis zum erbitterten Wahlkampf gegen Hillary Clinton. Mithilfe zahlreicher Interviews, Gerichtsakten und Finanzdokumente wird das Gefl echt aus Lügen und Halbwahrheiten rund um Donald Trump entwirrt und offengelegt.

Wer ist der mächtigste Mann der Welt? Sachlich und fundiert entwirft David Cay Johnston ein vollständiges, brandaktuelles und mitunter erschreckendes Bild des neuen US- Präsidenten.

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Trump hier, Trump da, Trump überall: Die Präsidenten-Show kennt nur Gewinner und Verlierer und die ständige Konfrontation mit dem Rest der Welt:

Foto: Trump-Puppe und Schauspieler Tilman Rose in „Am Königsweg“

Foto: Präsident Trump bei einer Rede

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Warum Trump kein Lügner ist Seine Gegner werfen ihm vor, er sage ständig die Unwahrheit. Doch der Vorwurf verkennt den Präsidenten: Er spekuliert mit Worten wie mit Geld. von Thomas Assheuer

Es ist keine Lüge, wenn man behauptet, für Donald Trump schlage bald die Stunde der Wahrheit. Dem amerikanischen Präsidenten droht das, was er unter allen Umständen verhindern will: Er muss wahrheitsgemäß aussagen und die Frage klären, ob russische Einflussagenten bei der Präsidentschaftswahl 2016 ihre Hände im Spiel hatten. Haben sie Trumps Wahlkampfteam belastendes Material gegen Hillary Clinton zugespielt? Was wusste der Kandidat? Vorsorglich ließ sein Anwalt Rudy Giuliani die Öffentlichkeit schon einmal wissen: "Wahrheit ist nicht Wahrheit."

"Truth isn’t truth" – ehrlicher kann man es nicht sagen. Tatsächlich, so hat die Washington Post kürzlich nachgerechnet, setzt Trump "täglich 6,5 falsche oder in die Irre führende Behauptungen in die Welt". Er führt sich auf wie der Sonnenkönig im Reich der Wörter: Mr. President entscheidet selbst, ob er meint, was er sagt; ob seine Sätze etwas bedeuten oder ob sie nichts bedeuten. Es gibt Wortausstoßungen, deren Verfallsdatum bereits abgelaufen ist, noch ehe sie in die Welt gezwitschert sind. Dann wiederum macht Trump genau das, was er sagt: Er droht, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen. Und er tut es auch. Jedenfalls fällt auf, dass Trump beim Reden keinerlei Anstrengung unternimmt, sich zu verstellen oder ein falsches Spiel zu spielen. Im Gegenteil, Trump hat nichts Lügenhaftes. Sein Körper und seine Sprache bilden eine natürliche Einheit; Intonation und Gestik wirken echt unverkrampft, nichts klingt bigott oder gekünstelt. Trump redet obszön, aber nicht verlogen. Seine Worte sprechen ihm aus dem Herzen.

Was also, wenn Trump beim Lügen ehrlich ist? Wenn dem Anführer der freien Welt der Unterschied zwischen wahr und falsch aufrichtig unverständlich bleibt? Was wäre, wenn Trump sein Wahlversprechen ("Ich werde euch stets die Wahrheit sagen") aus seiner Sicht noch nie gebrochen hat? Kurzum, welches Verhältnis hat jemand zur Sprache, der glaubt, er sei ein wahrhaftiger Mensch auch dann, wenn er in den Ohren seiner Kritiker offensichtlich lügt?

Donald Trump, so lautet die Antwort, hat zur Sprache dasselbe Verhältnis wie zum Geld: Er betrachtet sie als sein Privateigentum. Trump ist nicht nur Großgrundbesitzer, er ist auch Großwortbesitzer, und so wie ihm sein Geld ganz allein gehört, so gehören ihm auch die Sprachbedeutungen. Sie sind sein symbolisches Kapital. Mit ihnen kann er machen, was er will.

Und was macht der Immobilienhändler mit seinem symbolischen Kapital? Er bewirtschaftet es, er dealt mit Wörtern und investiert sie in sein neues Geschäftsfeld, in die Vermehrung politischer Macht. Wie sich der erfolgreiche Kapitalist Trump einst mit seinem Geld überall eingekauft hat, so kauft sich der Präsident nun in die politischen Geschäfte ein. Trump erwirbt semantische Anteile an der Wirklichkeit oder erschafft wortreich eine neue: Die Nato ist ein Misthaufen, die Russlandaffäre eine Verschwörung der Linken, und "Deutschland wird total von Russland kontrolliert". In Trumps Mund werden Wortbedeutungen flüssig, und so wie man ein Preisschild mal auf dieses, mal auf jenes Erzeugnis klebt, so tauschen sie bei

22 ihm ständig ihren Gegenstand. Plötzlich ist die Nato kein Misthaufen mehr, sondern wieder "great". Und "little rocket man" Kim Jong Un ein bedeutender Staatsmann.

Es sind nicht nur Trumps irre Tweets, es sind auch seine spontanen Äußerungen, die den Eindruck erwecken, in seinem Kopf zirkulierten Wortströme wie ein Geldkreislauf. Mit den symbolischen Kapitalien spekuliert er scheinbar völlig wahllos und unberechenbar; abrupt bringt er neue "Tatsachen" ins Spiel ("Wenn ich je des Amtes enthoben werden sollte, würde der Markt zusammenbrechen"), abrupt zieht er – wie nach seinem Treffen mit Putin in Helsinki – alte "Wahrheiten" zurück. Anders gesagt: Trump benutzt die Sprache als situatives Investment auf dem politischen Markt. Findet er Zustimmung, dann ist seine Aktion rentabel und wirft Gewinn ab: mehr Ruhm, mehr Macht, bessere Quoten.

Moral ist unprofitabel

Sprechakte als politisches Investment: Vielleicht ist das der Grund, warum Donald Trump den Vorwurf, er sei ein notorischer Lügner, mit ehrlicher Empörung zurückweisen würde. In seinen Augen, darf man vermuten, sind bürgerliche Kriterien wie Wahrheit und Lüge schlichtweg die falschen Maßstäbe und taugen nicht zur Bewertung präsidialer Sätze. Sie stammen aus einem fremden, einem altertümlichen Geschäftsfeld – aus dem der Moral. Und Moral ist die Erfindung von Verlierern, damit kann man sich nichts kaufen. Moral ist unprofitabel.

Was zählt stattdessen? Es zählen Gewinn und Verlust, Nutzen und Nachteil. Wenn Trump eine verbale Investition tätigt und daraufhin am Meinungsmarkt seine politischen Aktien steigen, dann hat er gewonnen. Wenn dagegen der öffentliche Druck so groß wird, dass er sich korrigieren und einen Rückzieher machen muss, dann wurde seine Gewinnerwartung kurzfristig enttäuscht. Deshalb hat Trump, jedenfalls aus seiner Sicht, bislang nie gelogen; er hat sich bei seinen semantischen Transaktionen lediglich verkalkuliert. Eine Katastrophe ist das nicht, denn wie beim Immobilienkauf gehört der subjektive Irrtum zum Wesen des kapitalistischen Geschäfts objektiv dazu. In dieser Welt gibt es Gewinner und Verlierer, und auch Siegertypen dürfen einmal leer ausgehen.

Mit einem Wort: Donald Trump ist das Musterexemplar des ökonomischen Menschen. Dieser Menschentyp, so beschreibt ihn der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, "sortiert die Dinge der Welt nicht nach wahr und falsch, gut und böse, gerecht und ungerecht, sondern nach den Kriterien von Gewinn und Verlust". Seitdem der ökonomische Mensch historisch die Bühne betrat, gibt es die Befürchtung, sein Denken könne auf andere Sphären des Lebens übergreifen und sie in Mitleidenschaft ziehen. Das Wesen des Marktes, so schrieb der junge , verhext die Welt und macht sie abstrakt; die Dinge verlieren ihren natürlichen (Gebrauchs-)Wert und haben nur noch einen ökonomischen, einen Tauschwert. Ganz ähnlich verfährt Trump mit der Sprache. Er macht die Wörter so volatil wie Geld; er dereguliert ihren Bedeutungskern und entzieht ihnen den kommunikativen Kredit. Damit haben Trumps Wörter nur noch einen politischen Tauschwert und gehorchen nur einer einzigen Grammatik: dem Willen zur Macht.

Wem die Erwähnung von Karl Marx nicht gefällt, der sollte Johann Wolfgang von Goethe lesen, er ist noch radikaler. Gut zehn Jahre bevor Marx mit seinen Aufzeichnungen zum Wesen des Geldes begann, beschreibt Goethe in Faust II, wie das neue Papiergeld seinem

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Besitzer die totale Käuflichkeit der Menschenwelt in Aussicht stellt. "Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt / Das Übrige ist alles zu erlangen: / Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen."

Wie Marx, so war auch Goethe, der in seiner Bibliothek fünfzig Bücher über Nationalökonomie aufbewahrte, dunkel fasziniert vom Marktgeschehen und empfand es als eine revolutionäre Gewalt, die alle eingerosteten Verhältnisse auf den Kopf stellte. Was ihn allerdings zutiefst beunruhigte, das war die Macht, mit der die kapitalistische "Oeconomie" von alten sprachlichen Traditionen Besitz ergriff. Faust II, das hat der Literaturwissenschaftler Heinz Schlaffer eindrucksvoll gezeigt, inszeniert einen "Mummenschanz" der Worte, einen frivolen Karneval, bei dem die alten Namen hinter wechselnden Masken verschwinden und buchstäblich verrückt werden. Während zwischendurch alles in Flammen aufgeht, zirkulieren Worte wie Papiergeld und verlieren in einem babylonischen Blabla ihren überlieferten Sinn. Die Sprache wird allegorisch, sie wird chiffrenhaft und gespenstisch. Nur am Rande: Wenn Trump verbal aus der Hüfte schießt, dann redet er stakkatohaft in Formeln und Sinn-Masken. "Angela!", "Russia!", "China!", die Reihenfolge ist egal. Die Menge grölt dann in Chiffren zurück: "USA! USA! USA!"

Man wird einwenden, Sprachpolitik sei schon immer das Vorrecht des Königs gewesen, gleichsam das Privileg des Souveräns, schließlich habe auch Obama sein rhetorisches Kapital eingesetzt, um dem amerikanischen Volk ein Weltbild zu servieren. Doch Trump schafft keine neue Erzählung, er ruiniert die Reste der alten. Damit bestätigt der Welthandelskrieger, was geniale Hellseher schon im 19. Jahrhundert als eine mögliche Tendenz des liberalen Zeitalters beschrieben haben: nämlich die Ausweitung der ökonomischen Kampfzone auf das, was den Menschen ausmacht – die Ausweitung auf die Sphäre der Sprache.

Donald Trump, der die Vereinigten Staaten wie eine Firma führen will, hat also nicht bloß schlechte Manieren, das wäre noch geradezu tröstlich. Nein, er ist – ganz leibhaftig – der Sprachkörper des Geldes und vollendet den Besitzindividualismus als historische Farce. Dem Ego des Liberalismus ist bekanntlich alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist, und deshalb ist es für dieses Ego ganz natürlich, wenn es in der ungestörten Ausübung seines freien Willens auch die öffentliche, die allen gemeinsame Sprache zu seiner Verfügungsmasse erklärt. Trump ist dieses liberale Ego; er hat sich, wie die rechten Medien schon vor ihm, aller bürgerlichen Hemmungen entledigt und benutzt Worte allein zur Maximierung von Macht oder zur Verhöhnung des Gegners, während er das, was in der Sprache auf Kooperation und Verständigung angelegt ist, anstandslos eliminiert. Trumps Sprachgebrauch ist die Maske des Darwinismus; wahr ist für ihn das, was im Lebenskampf Profit abwirft. Wer die Welt so sieht wie er, der sieht sie als Krieg.

Quelle: https://www.zeit.de/2018/36/us-praesident-donald-trump-profit-besitzindividualismus- vorwurf-unwahrheit

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Textausschnitt AM KÖNIGSWEG

Trump/Tilman: O my god,

Alle (außer Bettina und Tilman): Oh mein Gott,

Trump/Tilman: now a landslide moved half my golf course into the Pacific.

Alle (außer Bettina und Tilman): jetzt hat ein Erdrutsch den halben Golfplatz in den Pazifik befördert,

Trump/Tilman: Hold it, no,

Alle (außer Bettina und Tilman): Moment, nein,

Trump/Tilman: it was only the eighteenth hole,

Alle (außer Bettina und Tilman): es war nur das 18. Loch,

Trump/Tilman: that’s supposed to be half a billion?

Alle (außer Bettina und Tilman): eine halbe Milliarde soll der Platz wert sein?

Trump/Tilman: Billions and Billion and Billions,…

Alle (außer Bettina und Tilman): Milliarden, Milliarden, Milliarden,…

Trump/Tilman: Okay, fine with me,

Alle (außer Bettina und Tilman): Na schön, von mir aus,

Trump/Tilman: that’s what we tell the amazed public, we won’t tell the IRS.

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Alle (außer Bettina und Tilman): das sagen wir der staunenden Öffentlichkeit. den Grundsteuerbehörden sagen wir das nicht?

Trump/Tilman: They’d have to add on half the state to make this course as expensive as I say.

Alle (außer Bettina und Tilman): Da müssen Sie den halben Bundesstaat dazurechnen, damit dieser Platz so teuer wird, wie ich es sage.

Trump/Tilman: If it doesn’t slide down too, then the price is right.

Alle (außer Bettina und Tilman): Falls der nicht auch noch abrutscht, dann kommts hin.

Trump/Tilman: I don’t even allow that someone else can have more votes than I, because I am always right, nothing is right, except I and people should be allowed to be happy about it. Okay, here it is written and there too, I was chosen, not the others,

Alle (außer Bettina und Tilman): Ich erlaube ja nicht einmal, daß jemand andrer mehr Stimmen hat als ich, denn bei mir stimmt einfach alles, nichts andres als alles stimmt, und die Leute sollen sich darüber freuen dürfen. So, hier steht es geschrieben und dort auch, ich wurde erwählt, die anderen nicht,

Tim: Die Frau speziell nicht.

Trump/Tilman: especially not that woman,

Alle (außer Bettina und Tilman): Die Frau speziell nicht.

Trump/Tilman: and here I am.

Alle (außer Bettina und Tilman): und hier stehe auch ich,

Trump/Tilman: I must have my ID ready and show it, even though everyone knows me, so that I won’t get expelled from this country,

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Alle (außer Bettina und Tilman): ich muß meinen Ausweis ja bereithalten und vorweisen, obwohl mich jeder kennt, damit man mich nicht des Landes verweist,

Trump/Tilman: which I have in mind

Alle (außer Bettina und Tilman): was zum Beispiel ich vorhabe

Trump/Tilman: but not for me. I try to hold on to the truth, if nothing else works, but how can you hold on to something that keeps swaying? Fortune sways, it rises and falls with the markets, the climate, the dominant feelings, with one’s own feelings, with the weather report, how can you hold on to something you can’t find, because you don’t even know it, how can you know the truth if you’ve never seen it? How would you recognize it? Am I supposed to look for it? I certainly have better things to do!

Alle (außer Bettina und Tilman): Ich habe wirklich Besseres zu tun!

Elfriede/Manuela: Und der König spricht, wenn auch nicht die Wahrheit: Ich werde höchstens eine Anmerkung im Buch der Geschichte sein,

Trump/Tilman: but a bold one, in gold print.

Bettina: aber eine fette, also eine fett gedruckte.

Trump/Tilman: in gold print.

Bettina: also eine fett gedruckte.

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9.2. KU-KLUX-KLAN

Es gibt eine Szene in „Am Königsweg“ in der die SchauspielerInnen in Ku-Klux-Klan Kutten auftauchen und auch der Inhalt des Jelinek-Textes mit den Praktiken dieser Gruppierung zu tun haben.

Foto: Aufnahme-Zeremonie des Ku Klux Klan (1920)

Der Ku-Klux-Klan (KKK, englisch Ku Klux Klan) ist ein rassistischer und gewalttätiger, vor allem in den Südstaaten der USA aktiver Geheimbund. Der Klan war 1865–75 und 1915–44 als einheitliche Organisation aktiv. Seit 1950 bestehen unter diesem Namen wieder mehrere voneinander unabhängige Gruppen.

Ziel des Klans war nach der Gründung am 24. Dezember 1865 vor allem die Unterdrückung der Schwarzen. Seine Gewalttaten richteten sich zunächst gegen Schwarze und deren Beschützer sowie gegen die zahlreichen ehemaligen Nordstaatler, die vom Wiederaufbau des Südens (Reconstruction) nach dem Sezessionskrieg profitieren wollten. Es handelte sich um eine paramilitärische Gruppierung, die versuchte, ihre politischen Ziele mit Terror und Gewalt zu erreichen und um 1870 aufgelöst wurde. 1915 wurde der Klan als eine nativistische Massenorganisation neu gegründet. Mit bis zu vier Millionen Mitgliedern (1924) verfolgte dieser Klan eine Politik weißer Vorherrschaft insbesondere gegenüber Afroamerikanern, aber auch einen militanten Antikatholizismus und Antisemitismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg formierten sich verschiedene, voneinander unabhängige Gruppen als Ku-Klux-Klan, die verschiedene Gewaltakte von verbalen Einschüchterungsmaßnahmen über diverse körperliche Angriffe bis hin zu Morden gegenüber tatsächlichen oder vermeintlichen Vertretern der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verübten.

Die Mitglieder des Klans, dessen Namensherkunft nicht vollständig geklärt ist, nennen sich selbst Knights of the Ku Klux Klan (Ritter des Ku-Klux-Klans). Das klandestine, 28 geheimpolitische Netz der Organisation ist bei Mitgliedern unter dem Namen Invisible Empire (Unsichtbares Reich) bekannt. Es gibt enge Verbindungen des Klans zu anderen rassistischen Gruppierungen wie zum Beispiel der World Church of the Creator, einer Glaubensgemeinschaft, die in der Vergangenheit u. a. durch die Verbreitung rassistischer Computerspiele über das Internet aufgefallen ist. In Kanada, Australien und mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland, gibt es Zweigorganisationen des Klans. https://de.wikipedia.org/wiki/Ku-Klux-Klan

Donald Trump: Ku Klux Klan? Kenn ich nicht

Der Ku Klux Klan steht für Rassimus und Judenhass, ein früherer Anführer unterstützt Donald Trump. Darauf angesprochen verweigert der Präsidentschaftsanwärter eine Distanzierung - mit merkwürdiger Begründung.

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat mit Äußerungen über den Ku Klux Klan für Aufregung gesorgt. Trump vermied in der Talkshow "State of the Union" des Senders CNN trotz Aufforderung eine Distanzierung. Er wisse nicht, von welcher Gruppe die Rede sei. "Sie wollen, dass ich eine Gruppe verurteile, von der ich nichts weiß", sagte Trump.

Er müsse sich zum Thema Ku Klux Klan (KKK) und anderer extremistischer Gruppen erst schlau machen, fügte Trump hinzu. Auch eine Distanzierung zum früheren Anführer des Ku Klux Klan, David Duke, vermied der Immobilienmagnat in der Sendung.

Der 1865 in den USA gegründete Ku Klux Klan sieht die Weißen als privilegierte Rasse an und kämpft vor allem gegen die Schwarzen. Die Gruppierung lehnt aber auch Einwanderer, Juden sowie Homosexuelle ab. Derzeit zählt der Ku Klux Klan zwischen 5000 und 8000 Mitgliedern.

"Das ist nicht nur falsch, das macht ihn unwählbar"

Duke - bekannt als Antisemit und Rassist - hatte seine Unterstützung für Trump am Donnerstag via Facebook kundgetan, im selben Post schimpfte er auf den Einfluss der "Zionisten" in den USA. Duke, früher Anführer der KKK-Unterorganisation "Ritter des Ku Klux Klan", leugnet den Holocaust.

Bei einer Pressekonferenz am Freitag hatte Trump auf die Frage eines Reporters noch knapp und leidenschaftslos gemeint: "Ich wusste gar nicht, dass er mich unterstützt. David Duke unterstützt mich? Ich distanziere mich, okay?" Inzwischen hat es sich Trump offenbar anders überlegt.

Seine republikanischen Widersacher im Vorwahlkampf griffen die Äußerungen auf und kritisierten Trump scharf. Der Senator Marco Rubio sagte, die Republikaner könnten keinen Kandidaten aufstellen, der sich weigere, Rassenideologen wie die Vertreter des Ku Klux Klan zu verurteilen. "Das ist nicht nur falsch, das macht ihn unwählbar", sagte Rubio.

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Senator Ted Cruz nannte Trumps Äußerungen auf Twitter "wirklich traurig". "Wir sollten uns alle einig sein, Rassismus ist falsch, KKK ist abscheulich."

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-ku-klux-klan-kenn-ich-nicht-a- 1079786.html (29.02.2016)

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9.3. KÖNIG ÖDIPUS

Blindheit und blinde Seher sind ebenfalls Thema in „Am Königsweg“. Ein Paradeexempel hier ist da sicherlich das Stück um König Ödipus von Sophokles (das auch für „Am Königsweg“ eine wichtige Rolle spielt), der sich erst blendete und dann die Augen ausstach.

Kurze inhaltliche Zusammenfassung:

Das Drama »König Ödipus« von Sophokles wurde 425 v. Chr. uraufgeführt; es gründet auf dem Sagenzyklus um das Geschlecht der Labdakiden. Sophokles konnte auf viele Erzählvarianten und unterschiedliche literarische Bearbeitungen der Legende zurückgreifen.

Als eine Seuche Theben bedroht, holt dessen König Ödipus Rat beim Orakel ein.

Er bekommt zur Antwort, er müsse den Mörder des vormaligen Königs Laios, dessen Nachfolge er angetreten und dessen Witwe Iokaste er geheiratet hat, finden, um die Seuche von der Stadt zu nehmen. Ödipus will das Verlangen des Orakels in die Tat umsetzen und beginnt mit Nachforschungen, um die bisher unaufgeklärten Umstände des Todes von Laios aufzudecken. Dies tut er durch die Befragung verschiedener Personen, u. a. des Sehers Teiresias, seiner Frau Iokaste sowie eines Boten und eines Hirten, die zur Zeit des Königs Laios bereits gelebt haben und als »Zeitzeugen« gelten können.

Im Laufe der verhörartigen Befragungen kommt Ödipus dem Mörder von Laios auf die Spur: er muss entdecken, dass er selbst es war, der einst Laios tötete (ohne zu wissen, dass dieser sein Vater war) und dass er nun mit seiner eigenen Mutter verheiratet ist und mit ihr vier Kinder gezeugt hat.

Im Zuge seiner Recherche entdeckt Ödipus ebenfalls, dass er einst als Neugeborenes ausgesetzt worden ist, um dem Tod anheimzufallen, da ein Fluch auf dem Geschlecht der Labdakiden lag, der beinhaltete, dass ein Sohn von Laios und Iokaste den Vater töten würde. So wuchs er, da der Tötungsbefehl nicht befolgt wurde, ohne seine leiblichen Eltern zu kennen, in Korinth auf und wurde später zum Mörder seines Vaters und zum Ehemann seiner Mutter. Aus Verzweiflung über diese Erkenntnis und seine Taten sticht sich Ödipus mit den Gewandspangen seiner Frau (und Mutter) die Augen aus.

Quelle: König Ödipus - Sophokles – Inhaltsangabe https://www.inhaltsangabe.de/sophokles/koenig-oedipus/

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9.4. ABRAHAM UND ISAAK

Abrahams Opfer - Genesis 22, 1-19

Nach diesen Ereignissen stellte Gott Abraham auf die Probe. Er sprach zu ihm: Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.

Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, holte seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte. Als Abraham am dritten Tag aufblickte, sah er den Ort von weitem.

Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: Bleibt mit dem Esel hier! Ich will mit dem Knaben hingehen und anbeten; dann kommen wir zu euch zurück. Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf. Er selbst nahm das Feuer und das Messer in die Hand. So gingen beide miteinander. Nach einer Weile sagte Isaak zu seinem Vater Abraham: Vater! Er antwortete: Ja, mein Sohn! Dann sagte Isaak: Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer? Abraham entgegnete: Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn. Und beide gingen miteinander weiter.

Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz.

Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu: Abraham, Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.

Jener sprach: Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus und tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, dass du Gott fürchtest; du hast mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten.

Als Abraham aufschaute, sah er: Ein Widder hatte sich hinter ihm mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen. Abraham ging hin, nahm den Widder und brachte ihn statt seines Sohnes als Brandopfer dar. Abraham nannte jenen Ort Jahwe-Jire (Der Herr sieht), wie man noch heute sagt: Auf dem Berg lässt sich der Herr sehen.

Der Engel des Herrn rief Abraham zum zweiten Mal vom Himmel her zu und sprach: Ich habe bei mir geschworen - Spruch des Herrn: Weil du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand. Deine Nachkommen sollen das Tor ihrer Feinde einnehmen. Segnen sollen sich mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast. Darauf kehrte Abraham zu seinen Jungknechten zurück. Sie machten sich auf und gingen miteinander nach Beerscheba. Abraham blieb in Beerscheba wohnen.

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10. VOR- UND NACHBEREITUNG

VOR ODER NACH DER VORSTELLUNG

Recherche

Teilen Sie die Klasse in 2 Gruppen und lassen Sie sie im Internet einerseits zu der Biografie von Elfriede Jelinek und andererseits zu Donald Trump recherchieren.

In ihrer Recherche sollen die SchülerInnen nur nach wörtlichen Zitaten der beiden Personen suchen. Und aus diesen daraus schließen, wie die Lebenseinstellung der beiden Personen ist sowie die Einstellung zu sich selbst.

Die Ergebnisse werden in der Klasse zusammengetragen und diskutiert.

Zitate aus dem Stück

„Der König hat keine Pflichten, er hat immer nur Recht.“

„Nur seine blütenweiße Weste wechselt er nie. Kein Wunder, dass sie so ausschaut.“

„Der König hat die Gewalt und bringt sie auch, und er ist nicht dafür, zu teilen.“

„Einem Blinden glaubt man alles, er kann ja nicht lügen, weil er die Wahrheit nie kennenlernt.“

Teilen Sie Ihre SchülerInnen in Kleingruppen von 3-5 Personen und verteilen Sie die Zitate, manche Gruppen werden eventuell das gleiche bekommen. Kein Problem.

1. Die Kleingruppen sollen den Satz diskutieren und Assoziationen sammeln. Darüber hinaus sollen sie versuchen persönliche Geschichten und politische Ereignisse mit dem Satz zu verbinden. WICHTIG: Sie sollen sich Notizen machen! 2. Die Kleingruppen sollen sich 3 Gedanken oder kurze Statements aus Punkt 1. auswählen und ihre Auswahl auch begründen können. 3. Präsentieren

Ich halte eine Rede …

Die SchülerInnen bekommen den Auftrag sich in die Rolle eines Präsidenten oder einer Präsidentin einzufühlen. Es gilt eine kurze Rede zu verfassen, die im öffentlichen Fernsehen ausgestrahlt wird. In der Rede soll hervorgehen, für welches Thema sie sich besonders einsetzen wollen und wie sie die Zukunft gestalten wollen.

Diese Rede sollte dann auch vor Publikum, also den KlassenkollegInnen, überzeugend gehalten werden.

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NACH DER VORSTELLUNG

Momentaufnahmen

Die SchülerInnen sitzen mit geschlossenen Augen im Kreis. Sie können die SchülerInnen durch gezielte offene Fragen und das Erwähnen von Details zu einem genauen Erinnern des Theaterstücks anregen: Was war am Anfang? Welches Bild hast du noch im Kopf? Wie endete die Vorstellung? Was war lustig, traurig, seltsam, schön? Wie war das Licht? Kannst du dich an ein Video im Hintergrund erinnern oder an die Musik? Oder an einen Satz oder ein Wort im Stück?

Nach einer Weile werden die individuellen Momentaufnahmen und Erinnerungsfetzen kurz beschrieben. Es geht nicht um das Nacherzählen des Stückes, sondern um einzelne Momente und Details. Diese Übung ruft die Erinnerung an das Theaterstück wach.

Bewegtes Feedback (als allgemeines Feedbackmodell nach dem Stückbesuch geeignet)

Die Gruppe bildet einen Kreis. Wer mag, geht in die Mitte und sagt einen Satz darüber, wie ihm der Stückbesuch gefallen hat, und was er sonst noch zum Thema sagen möchte, welche Frage offen geblieben ist. Wer dem Gesagten ganz zustimmen kann, stellt sich ganz dicht zu der ersten Person in die Kreismitte. Wer nur halb zustimmen kann, bleibt auf halbem Wege zur Kreismitte stehen, wer anderer Meinung ist, bewegt sich gar nicht in Richtung Mitte. Sie können auch nach den einzelnen Stellungnahmen der SchülerInnen und dem Positionieren der anderen kurz auf das Gesagte eingehen bzw. mit den SchülerInnen kurz diskutieren.

Nachbesprechung (hier geht das Feedback mehr in die Tiefe und es bildet eine gute Diskussionsgrundlage über das Stück)

Legen Sie zehn Plakate mit den untenstehenden Denkanstößen in der Klasse auf und lassen Sie die SchülerInnen ihre Punkte dazu auf das Plakat schreiben.

Das habe ich verstanden … Das habe ich nicht verstanden … Ich musste danach nachdenken über … Das hat mich abgestoßen/verwirrt … Das hätte ich anders dargestellt … Diese Botschaften konnte ich erkennen … Das fand ich ansprechend gestaltet … Das kann ich zu den SchauspielerInnen sagen … Diese Szene ist mir im Gedächtnis geblieben … Das möchte ich noch loswerden … Mein Gesamtfazit …

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